Gewittertränen von Alexej_Axis (Die Geschichte einer Kalla) ================================================================================ Prolog: Dämmerung ----------------- 'Tränen für die Götter, Rache für die Opfer, Hoffnung für die Welt.' Abenddämmerung im Ödland. Die Schädel erheben sich zum Gebet. Jeder von ihnen in die Leinen der Wildnis gehüllt, mit Erde in den Haaren und Stolz und Trauer in den Augen. Herzen voller Hass, die sich heben und senken, der untergehenden Sonne entgegen, die sich bereitwillig dem Ödland opfert, und diesen heißen Tag enden lässt. Die brennende Glut und die schwirrende Luft über dem Rücken der Mutter Edeja ist ein Schlachtfest für jene, die dem Stier huldigen. Die gebrachten Opfer stille Befriedigung eines Wahns, der schneller um sich greift als die 'wahre' Religion. Und die Nacht bricht herein. Kapitel 1: Götterkinder ----------------------- Nun steh ich hier am Rand des Schicksals Bete mit Vorsicht und Leidenschaft Im Beisein meiner Brüder Ihr Götter gebt mir Kraft! Stehe hier am Rand des Ödlands Töte voller stiller Verzweiflung Im Angesicht der Frevler Ihr Götter bekehrt meine Feinde! Nun steh ich hier am Ende der Schlacht Vergieße Tränen um die Opfer In Blut getränkte Hände Ihr Götter lasst mir meine Reue... Altes, stilles Lied der erfahrenen Assra-Tar Katan stapfte selbstsicher doch regelrecht beeindruckt durch die enormen Flure von Katach. Dieser seltsam aussehende Sklave in den guten Kleidern, die die Qualität seiner eigenen fast schon übertraf, wenn man auf feierliche Roben und nicht auf die Zweckmäßigkeit seines Arrangements baute, waren in bunte Farben getüncht und bedeuteten jedem, dass er wichtig sein musste... nun zumindest gehörte er wohl jemand Wichtigem. Der Jäger zog nervös an seinem Tabakstengel; ansonsten sah man ihm nicht an, dass er von irgendetwas hier beeindruckt war. Das lautstarke Auftreten des riesigen Gardisten an der Seite des eher kleinen Mannes, der sich nicht vorgestellt hatte, gab ihm zu denken. Der Krieger hatte noch nicht ein Wort gesagt und schien das auch nicht vorzuhaben. Warum wohl war jemand mit so viel Metall ausgestattet worden, nur um einen Sklaven zu begleiten, der Katan von A nach B bringen sollte? Sicher, das Treffen mit seiner neuen Gruppe würde sehr wichtig werden und wahrscheinlich würden sie ihren Auftrag von einem hohen Tier in den Rängen des Klingenordens erhalten, aber war das nicht Verschwendung? Hatte dieser Krieger nicht besseres zu tun, als vor ihm herzustapfen und ihm klar zu machen, dass Katach eine Menge von seiner Sorte beherbergte? Katan sah das als eine Geste der Einschüchterung und nicht der Höflichkeit, aber es war für ihn in Ordnung. Immerhin war der Klingenorden der unangefochtene Herrscher der Kasten. Wenn man ganz oben war, dann sollte man einschüchternd sein. Diese Feste war wirklich beeindruckend und das größte Bauwerk von Menschenhand, das Katan je gesehen hatte. Rastor war ganz anders, und er fühlte sich etwas eingemauert, weil nichts hier auch nur auf irgendeine Art und Weise natürlich zu sein schien. Katan ging stolz erhobenen Hauptes hinter den beiden seltsamen Gestalten her, wie es sich für einen Assra-Tar gehörte und das schon seit einer ganzen Weile. Aber vor allem blieb er cool, das war am allerwichtigsten. Bloß niemnden mitbekommen lassen, dass man nervös war, bloß keine Schwäche zeigen. So hatte es ihm sein Archont beigebracht. Sein Zimmer musste weit von dem Ort entfernt liegen, an dem er seine Gruppe treffen sollte. Er zündete sich den nächsten Tabakstengel an. Wie seine neuen Brüder und Schwestern wohl sein würden? *** Zed saß ruhig und gelassen in dem großen Holzstuhl gegenüber des mächtigen Schreibtischpultes, welches wohl ohne Zweifel seinem Gastgeber gehören musste, wer auch immer das sein würde. Er hatte sich von dem kleinen Jungen, der stolz darauf zu sein schien hier Sklave zu sein, einen kräftigen schwarzen Tee bringen lassen. Die Geister der Sterblichen waren so einfach gestrickt, er musste fast darüber Lächeln wie eifrig und glücklich der Junge dabei war, etwas tun zu drüfen, was er ohne Zweifel noch sein ganzes stupides Sklaveneben lang tun würde. Der Simarit nahm einen Schluck aus der Teeschale und ignorierte den dumpfen, ziehenden Schmerz in seinem linken Handgelenk. Er saß nun schon sehr lange in dem warmen Raum an der Außenwand von Katach und hatte sich noch nicht dazu hinreißen lassen aus dem Fenster zu schauen. Er war die Ruhe selbst, wie es sich für einen GeistAdepten gehörte und wartete stumm und gelassen auf die Dinge, die sich ihm bieten würden. Auch wenn er sich langsam wirklich fragte, ob es Absicht war, dass sie ihn so lange warten ließen. Vielleicht eine Anspielung auf seine Kaste? Oder eine Missachtung seines Ranges? Nun, einen Rang, den er zugegebenermaßen noch nicht besaß, aber immerhin war er nun Adept und nicht mehr in der Ausbildung. Er war nun ein vollwertiger Assra-Tar! Und so wollte er auch behandelt werden. Könnte es denn sein, dass die Diener Aleksors ihn auf Grund seines niedrigen Status absichtlich so lange warten ließen? Wo er den ganzen Weg von Sonoir bis hierher gekommen war, um seine erste Aufgabe anzutreten? Er schluckte diesen aufbrennenden Gedanken mit einem kräftigen Zug warmen Tees herunter und griff dann zu einem der Fläschchen in seiner ausfallenden Plunderhose. Er öffnete es und genoss den angenehm benebelnden Geruch der darin befindlichen Substanz, die er aus Sonoir mitgebracht hatte, um sich den langen Weg und den Auftrag zu versüßen. Ein paar Tropfen der Flüssigkeit tropfte er in seine Linke Klaue, verrieb sie dann in beiden und inhalierte den Duft tief mit einem ruhigen Atemzug. Dieser seltsame Sklave, der ihn abgeholt hatte, war sehr wortkarg wieder verschwunden, gemeinsam mit seinem quietschenden Kollegen, mit der zugegebenermaßen höchst beeindruckenden Metallrüstung, der sicherlich zwei Köpfe größer war, als er. Was hatte das wohl auf sich? Katach war wirklich eine seltsame Feste. So viel unnötiger plumper Tant an Metall und Rüstung, bunter, unpraktischer Kleidung und aufgetürmten Steins und Stucks. Da lobte er sich die kargen Mauern seiner Feste, direkt aus dem Stein gehauen und die kühle Stille, die einen dort allenthalben umgab. Die Substanz begann zu wirken und Zed ließ sich etwas tiefer in den breiten Stuhl sinken, der glücklicherweise sogar seinen Flügeln Platz bot. Die Decke des Raumes war wunderhübsch bemalt und die Ornamente bewegten sich fast mit dem leichten Rhythmus seiner Atmung. Er faltete die Hände im Schoß und begann zu meditieren. Wie seine erste Gruppe wohl sein würde? Wie wohl all die anderen Mitglieder der verschiedenen Kasten sein würden? Er hatte viel über sie gelernt aber getroffen oder mit einem von ihnen gesprochen hatte er noch nicht. Was auch immer sie erwarten würde, er würde die Stille sein, das Gleichgewicht und das Gesetz, der ruhende Pol in Zeiten des Aufruhrs und die sanfte Stimme in Zeiten des Leids. Plötzlich schwang die Tür auf. *** Key’La latschte dem komischen Zwerg, (na gut, er war in etwa so groß wie sie, aber das bedeutete nicht viel,) und dem noch seltsameren Riesen in der unglaublich schwer aussehenden vollen Platte gelangweilt hinterher. Sie hatte die Arme verschränkt und witterte immer wieder auffällig in diesen oder jenen Gang hinein, der ihren Weg kreuzte. Katach war voller seltsamer Gerüche und sie wusste nicht ob sie alle davon kennen lernen wollte. Ihr Schwanz zuckte nervös und ihre Ohren bewegten sich in alle Richtungen. Primär sorgte sie sich um ihre Tiere. Mauri, ihr Vertrauter, schlich in geduckter Haltung neben ihr her und sah nicht begeistert aus. Der Ortswechsel von Tanaar ins Ödland war ein Schock für ihn gewesen, aber dieses starre, kalte, eckige, unnatürliche Umgebung machte ihn ebenfalls sehr nervös. Das alles war ihm so fremd wie ihr, und beide wünschten sich wilde Pflanzen zu sehen, grünes Gras unter den Pfoten und frischen Wind um die feuchten Nasen. Zumindest schien Mauri für die Anwohner von Katach ein ebenso ungewohnter Anblick zu sein – einen Melanther sah man hier wohl nicht alle Tage. Sechs pelzige Pfoten schlichen über den Gang, wenn man die von Key’La selbst mitrechnete und die Kitar war wirklich froh, ihre Seelenverwandte Raubkatze an ihrer Seite zu haben, um das alles hier durchzustehen. Ihr Schwanz peitschte nervös und aufgeregt von links nach rechts, und Mauris tat es ihrem gleich. Plötzlich blieb das Duo abrupt vor einer der vielen Türen stehen, die sie schon passiert hatten, und der Kleine in den teuren Roben klopfte einfach an und öffnete ohne eine Antwort abzuwarten. Er nickte jemandem in dem Raum zu und bedeutete Key’La mit einer höflichen Geste einzutreten. Sie stapfte drauf los und grinste aufgeregt. Wie wohl die anderen Mitglieder ihrer Gruppe sein würden? Ob sie lustig waren? Ob sie einen schweren Auftrag erhalten würden? Was auch immer. Die Antworten auf ihre Fragen würden sich hinter dieser Tür finden. *** Korudan stand an seinem Fenster und sah vor die Wand des rechtsseitigen Innenhofes der höheren Handelshalle für Sterbliche. Ja, er hätte einen schöneren Ausblick haben können, aber immerhin viel ein Strahl natürlichen Lichtes hindurch, und erhellte seine Wohnung, wenn das Wetter gut war. E r war ja schließlich auch nur Adept. Eines Tages würde er sich im Namen Aleksors Ruhm und Ehre verdient haben und dann, ja spätestens dann würde sein Zimmer irgendwo ganz oben liegen, vielleicht in einem der Türme und... Er bremste seinen Enthusiasmus mit Selbsterkenntnis. Falsch. Als Ken'tar würde es verdammt unangenehm sein, in einem der Türme zu wohnen. Korudan seufzte und drehte seinen Oberkörper vom Fenster weg um klackernd zu seiner Kommode herüberzuwandern. Mit verschränkten Armen stand er vor dem Silberspiegel und überlegte eine kurze Weile. Eigentlich war sein Zimmer doch gar nicht so schlecht, und vor allem schön ebenerdig. Er strich sich einen seiner hunderte von geflochtenen Zöpfen über die Schulter zurück, der ihm über die Brust gefallen war und starrte sein Spiegelbild an. Gerade wollte er in Gedanken versinken, da klopfte es an der Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten öffnete seine Archontin und Korudan wich instinktiv ein paar Schritte zurück, als sie ihm ihren ewig strengen Blick schenkte. Sie kam mit verschränkten Armen herein und stapfte über den erdfarbenen, staubigen Steinboden, der selbst in der größten Hitze des Tages ein kühles Lager versprach. Ihr goldbraunes Fell leuchtete sanft im einfallenden Licht des Abends, als sie sich unvermittelt zu ihm umdrehte und mit einem Huf aufstampfte. „Du könntest mal wieder aufräumen,“ bemerkte sie trocken und Korudan sah sich hektisch um, nur um dann geradezu panisch zu nicken. Seine Archontin hatte die Angewohnheit Fehler ihres Schützlings ausgesprochen hart zu bestrafen. Da er ihr erster Schüler nach ihrer Verstümmelung war, musste man ihr wohl nachsehen, dass sie in der Ausbildung noch einige Kunstfehler beging. Mit dem nächsten Schüler würde sie bestimmt schon viel besser zurecht kommen, Korudan allerdings half das wenig. „Es geht raus,“ sagte sie kühl und lies ihren Blick durch den Raum schweifen, nur um nach einer quälend langen Minute des Schweigens wieder in das nun eher entsetzte Gesicht ihres Schülers zu sehen, der ein Zucken in ihrer Hand bemerkte und tunlichst versuchte, seine entglittenen Gesichtszüge wieder vom Boden aufzusammeln. „Guck nicht so, du hast gewusst, dass es bald soweit ist. Geh zu Ritter Gamorins Raum und erwarte ihn. Du wirst eine Aufgabe bekommen und eine Gruppe. Ihr werdet rausgehen, tun was er euch sagt und Ruhm und Ehre mit nach Hause bringen, hast du das verstanden? Es ist Zeit, KlingenAdept, dass du dich beweist. Deine Ausbildung ist vorbei. Du wirst mir im Namen Aleksors keine Schande bereiten, oder?“ Ihre Stimme bebte ganz sachte, obwohl sie immer noch beherrscht blieb, wusste Korudan, dass es jetzt um alles ging. Endlich sollte er nach Draußen geschickt werden, endlich würde er sich Aleksors Gnade als würdig erweisen und ein echter Assra-Tar werden. Er ballte die Fäuste und richtete seinen Körper vor ihr auf, um ihr mit all seinem Mut in die Augen zu schauen. „Ich werde keine Schande bringen!“, sagte er mit fester Stimme und einem Leuchten in den Augen. „Auf dass Aleksor meine Klinge geleite und sicher gegen meine Feinde führe! Heil Aleksor! Ich werde Ruhm und Ehre bringen!“ *** Zed sah ungläubig auf was auch immer da gerade in der Tür stand. Das Klopfen hatte er glatt überhört, er war, sagen wir mal, zu ruhig gewesen um sich aus seiner Meditation bringen zu lassen. Aber dass, was da gerade anscheinend im Doppelpack einmal auf zwei und einmal auf vier Pfoten hereinkam, lies ihn an der Reinheit seines ätherischen Öles zweifeln. Key’La stand etwas verdutzt in der Tür und kniff die Augen zusammen, deren Pupillen sich im einfallenden Licht der letzten Abendsonne zu engen Schlitzen formten. Einige Stühle standen herum, allesamt an den Seiten des Zimmers, welches kunstvoll eingerichtet war und eindeutig von einem großen Schreibtisch dominiert wurde, auf dem allerlei Kram ausgebreitet lag. In einem der Stühle saß ein Simarit mit hellblauem Gefieder. Er starrte sie aus stechend gelben Vogelaugen an, deren Pupillen ihr deutlich etwas zu geweitet waren, wenn man den Umstand bedachte, dass er mitten in einem Lichtstrahl saß, der durch das Fenster viel. Seine Schopffedern waren auffällig gefärbt, zu drei Streifen geölt von denen die beiden Äußeren in leuchtendem Blau nach vorne, der Mittlere in stechendem Rot nach hinten aufgefächert waren. Die Kitar zog eine Augenbraue hoch. Zed sammelte sich und stand ruckartig auf, was das kleinere Ding erschreckte, welches neben der Kitar stand, die bis auf eine Lederrüstung aus braunem Wildleder wenig am Körper trug. Ihr Fell war grau-blau meliert mit dunkelbraunen Streifen, und ihre Augen waren von sanftem Braun. „Ich bin Zed, von der Bruderschaft der Macht, GeistAdept.“ Er nickte etwas zu ausfallend und hoffte, dass seine Worte ruhig geklungen hatten, wie es sich für jemanden von der Bruderschaft gehörte und nicht so zugeharzt, wie er sich plötzlich fühlte. Die Sonne brannte ihm auf den Nacken und er riss sich zusammen, um etwas klarer zu werden. „Key’La, von den Wächtern des Lebens,“ grinste die Kitar mit einem spitzen Lächeln. „UrkraftAdeptin. Und das ist Mauri, meine Vertraute.“ Zed starrte ungläubig zu dem großen, grau-schwarzen Ding herüber, welches anscheinend argwöhnisch lauernd neben ihr saß und ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Die beiden großen, stechend grünen Augen nagelten ihn an seinen Stuhl und er konnte gar nicht anders, als diesen Blick zu erwidern, auch wenn er sich nicht sicher war, was passieren würde, wenn dieses 70-Kilo-Biest auf ihn draufgesprungen wäre. Aber nach langen Sekunden drehte sich der Dheva-Tar weg und gähnte einmal demonstrativ mit beiden Mäulern um seine langen, dolchartigen, spitzen Eckzähne zu entblößen. Zed sah sehr verwirrt aus und rieb sich die Augen, nicht ohne ungläubig an dem Fläschchen zu schnuppern, aus dem er zuvor inhaliert hatte. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen, ein Dheva-Tar, der aussah wie eine gigantische Katze mit runden Ohren und zwei Mäulern! Die Gerüchte stimmten also, die Wächter zogen gar seltsame Kreaturen auf. Es klopfte erneut an der Tür und wieder wartete der Besucher keine Antwort ab, sondern betrat gleich den Raum. „Wenn ihr etwas wünscht, so teilt es dem Jungen mit. Ich werde ihn sofort noch einmal zu Euch hereinschicken,“ hörten die beiden den Sklaven reden, der sie in Begleitung von diesem riesigen Monstrums von Wache hier hereingebracht hatte. Allerdings betrat nicht er den Raum, sondern eine andere Person. Katan nickte nur und stapfte mit seinem vierten Tabakstengel seit Wegesantritt von seinem Zimmer bis hier in den Raum und schaute sich um. Zed und Key’La starrten den Neuankömmling an, der festen Schrittes und mit schlecht gelauntem Gesichtsausdruck das Zimmer betrat. Zed schätzte den Jungen in etwa auf sein Alter, auch wenn er das bei Menschen nie so recht sagen konnte. Er hatte verfilztes, blondes Haar bis zum Kinn und trug ein dunkelrotes Stirnband aus Wildleder. Seine Augen waren irritierend grün und ihr Blick schien ihn genauso festzunageln wie der der großen Raubkatze, die Key’La mit hereingeschleppt hatte. Er trug einen dunkelbraunen Ledermantel, der bis zu den Knöcheln hing, ein wenig ausgefranst wirkte und anscheinend gepanzert war, dazu nur eine Lederhose in der gleichen Farbe und schwere, gute Stiefel. Der Oberkörper des Jungen war nackt und relativ muskulös. Typisch Menschen, dachte Zed bei sich, ihre körperliche Stärke gleicht ihre geistige Schwäche wieder aus. Key’La bemerkte sofort diesen süßen, leicht pflanzlichen Geruch an dem Jungen. Seine grünen Augen gefielen ihr, auch wenn sie fand, dass er ganz schön unfreundlich guckte. Aber er war zuckersüß anzusehen. Obwohl sie eigentlich nicht auf Menschen stand; bei diesem Gesicht würde sie eine Ausnahme machen. Da der Oberkörper frei war, inspizierte sie gleich mal seine körperlichen Vorzüge und grinste neckisch, als sie sah, dass er anscheinend ziemlich kräftig für sein Alter war - das gefiel ihr. Der Geruch schien von einer grünlichen Paste zu kommen, mit der der Neuankömmling seinen Mantel und seine Haut bemalt hatte. Unter den vielen Schriftzeichen erkannte sie das Zeichen Kiras und sie hob den Schwanz, als sie erkannte, das dieser Junge anscheinend zu ihren engsten Brüdern gehörte. Da anscheinend niemand den Anfang machen wollte, ergriff Katan das Wort: „Katan, Jäger, Körperadept,“ raunte er mit einer Stimme, die zwar auf verstörende Weise sanft, aber doch kratzig klang, was ihm Key’La nicht zugetraut hatte. Der Blick von beiden im Raum viel nun zum ersten mal auf Katans linkes Auge, über das eine Art Maske aus Kupfer lag, die mit harten Runen und Symbolen verziert, und anscheinend irgendwie an seinem Stirnband befestigt war. Sie bedeckte seine linke Gesichtshälfte beinahe bis zum Wangenknochen. Das verstörendste daran aber war, dass die Maske sein Auge aussparte. Das linke Auge starrte also anscheinend ohne blinzeln zu müssen zu den beiden rüber und da man auch die Augenbraue nicht sehen konnte, war es schwer Katans Mimik gänzlich zu deuten. Als er gesprochen hatte, blickte Key’la überrascht auf Katans Mund, denn er hatte eindeutig ziemlich spitze Eckzähne für einen Menschen. Ein Witterelf konnte er aber nicht sein, er hatte weder Schwanz noch Fell und schon gar nicht diese charakteristischen Ohren, obwohl – Key’la sah, dass seine Ohren, nicht wie bei normalen Menschen, die sie gesehen hatte, rund waren, sondern oben ein bißchen spitz. Sie zuckte mit dem Kopf zurück und sah kurz zu Zed rüber, der den jungen Jäger genauso argwöhnisch anstarrte, wie die Wächterin. Er gehörte eindeutig zu den Shijim. Er war kein Elf. Die Tür ging auf und unterbrach für einen kurzen Moment die ungenehme Stille, die sich aufgebaut hatte. Der junge Sklave kam herein und wollte gerade den Mund öffnen, als Zed ihm energisch mit der rechten Klaue Einhalt gebot, ohne ihn auch nur anzusehen. Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet und er sah Katan nun direkt in die Augen. „Zed, von der Bruderschaft der Macht, GeistAdept, Willkommen, Bruder.“ Nun lächelte er kurz und höflich, ließ die Klaue, die wie eine Waffe auf den Hals des Jungen gerichtet war, aber nicht sinken. „Key’La, von den Wächtern des Lebens, UrkraftAdeptin.“ Sie nickte dem Jäger zu und sah etwas verunsichert zu dem Jungen herüber, der auf Grund von Zeds Geste vor Furcht, einen Assra-Tar verärgert zu haben, versteinert zu sein schien. Zed ließ die Klaue wieder sinken und lehnte sich endlich wieder zurück in den Stuhl. Katan drehte sich zu dem Jungen um, als sei nichts gewesen und orderte eine Schale schwarzen Tee. Key’La trat unruhig von einem Bein aufs andere und bestellte sich mit einem mitleidigen Blick ebenfalls einen Tee. Wenn sie gehofft hatte, das dies irgendetwas besser gemacht hätte, so irrte sie und der Junge huschte in stummer Panik aus dem Raum, um seine Pflicht zu erfüllen, als sollte es seine letzte sein. Sie blickte ihm unglücklich nach. Die Praktik der Sklaverei war bei den Wächtern des Lebens nicht verbreitet, da man die Ansicht vertrat, beinahe jedes Leben sei es wert, gleich gut behandelt zu werden, solange es nicht bestimmte Verbrechen beging. Aber man hatte sie darauf vorbereitet, dass es in den anderen Kasten anders sein würde, und nun bemühte sie sich, ihren Unmut nicht allzusehr zu zeigen. Katan nahm sich einen geschnitzten Aschenbecher vom Regal und setzte sich in einen der Stühle. Er löschte den Tabakstengel, an dem er gerade geraucht hatte und zog dann eine kupferne Schatulle aus der Tasche seines Mantels in der sich weitere zu befinden schienen, die er durchzählte. Zed zog eine Augenbraue hoch. Der Junge hatte sicher Geld, wenn er Stengel hatte. Sie waren ziemlich teure Luxusartikel, zumindest in Sonoir. Andererseits sah er nicht besonders kultiviert aus. Fremde Kasten, fremde Sitten, dachte Zed bei sich und freute sich jetzt schon alles über seine neuen Waffenbrüder zu lernen. „Also--- war eure Reise auch so aufregend wie meine?“ Key’La grinste breit und warf sich auf die lederbezogene Bank neben den beiden Holzsesseln. Mauri grummelte und verzog sich unter den großen, kunstvoll verzierten Holzschrank, der links an der Wand stand. Katan zog die rechte Augenbraue hoch. Er wusste was das war. Ein Melanther. Daheim in Rastor hatten sie solche Tiere auch, manchmal als abgerichtete Wächter, manchmal traf man auf sie, wenn man durch die Wälder strich. Das große muskulöse Tier drückte sich geschmeidig in den Zwischenraum von Boden und Schrank. Katan schätzte, dass es ein Weibchen war. Er sah es an der Schulterhöhe, der Kopfform und zuletzt, als Mauri in der Ritze verschwand, sah der Jäger, dass das Tier keine Hoden hatte. Er grinste. Melanther waren wundervolle Tiere. Sie waren Kiras geweiht, genau wie er. „Die is klasse, ist sie deine Vertraute?“ „Ja ist sie!“ Key’La grinste. Sie war froh, dass der Jäger sie anscheinend verstand. Sie hatte schon viel gehört von ihren nächsten Brüdern tief im Südwesten des Kontinents. Kiras und Menoa waren sich so nahe, sie waren Schwestern und so nahe waren sich auch ihre Diener, die Wächter des Lebens und die Jäger. Und die raue, geschmeidige Stimme dieses Jungen gefiel ihr. Sie klang wie ein tiefes, verführerisches Schnurren, was sie genoss. Zed schaute skeptisch zwischen den beiden hin und her. Anscheinend hatten die zwei ihn nicht nötig um zwischen sich zu vermitteln. Im Gegenteil, er fühlte sich... ignoriert. Dem strahlenden Lächeln der Kitar zu Folge hatten die unbeholfenen Worte des Jägers ihre Seele mit Vertrauen und Freude erfüllt. Das verwirrte den Schlichter, denn eigentlich war er es, der dafür sorgte, dass sich die Mitglieder einer Gruppe verstanden. In diesem Fall aber, konnte er wohl nichts besser machen. Key’La grinste und räkelte sich auf der Couch. „Ich bin froh, dass sie bei mir ist, aber die ungewohnte Umgebung und das Durcheinander von Gerüchen machen ihr Angst. Ihr Name ist Mauri.“ Katan lächelte. Es sah ein wenig verzweifelt aus, aber Key’La bemerkte es nicht, denn sie verstand die Mimik der Menschen nicht so gut. Er lächelte und das reichte ihr. Doch Zed, der darin geschult war die Ausdrucksweisen und die Psychologie jeder Rasse einschätzen zu können, bemerkte, dass der Junge für einen Menschen eine ziemlich gestörte Gestik hatte. Er rieb sich das Kinn und merkte sich, was er beobachtet hatte, um später darauf zurück zu kommen. Katan wollte anscheinend gerade etwas sagen, da ging die Tür erneut auf. Alle drehten sich um, genuschelte Worte, der Sklave schien die gleichen Dinge zu wiederholen, die er bereits den anderen gesagt hatte, dann schob sich etwas durch den Durchgang, dass sich tief unter den Torbogen ducken musste, um den Raum zu betreten: Vier riesige Hufe, massige Beine mit lockerem, schwarzem Behang, ein muskullöser brauner Pferdeleib, dunkle, sonnengebräunte Haut, die sich über einen extrem muskullösen Oberkörper spannte, lange, schwarze Rasterzöpfe an Haupt und Schweif und ein Gesichtsausdruck wie ein kleiner Junge - Korudan betrat den Raum. Er bemühte sich gefestigten Schrittes, aufrecht und stolz hineinzugehen, doch er war nervös und sein Schweif zuckte unruhig. Seine samtigen, braunen Augen wanderten eher schüchtern und musterten mit zögerlichem Lächeln seine neuen Gefährten. Zed hob eine Augenbraue ob des erschütternden Anblicks, der sich ihm bot. Einen Kentar von solcher Masse, hatte er noch nie gesehen. Nun, in seinem jungen Leben, dass 16 Dreimonde zählte, die er gänzlich im Subsketengebirge verbracht hatte, hatte er zugegebenermaßen noch nie einen Kentar gesehen. Sie waren seltene und kaum gesehene Gäste in den steilen Felsen seiner heimatlichen Kaste und er selbst hatte niemals das Glück gehabt, einem zu begegnen. Aber er war sich sicher, dieses riesige, braune „Tier“ war selbst unter seinesgleichen ein Koloß. Aber was er da tat, das... sah aus wie ein schüchternes Lächeln. Nach allen Regeln der Kunst, die er erlernt hatte, um die Gefühlslage anderer Wesen einzuschätzen, dies war ein schüchternes Lächeln - und es passte nicht in dieses Gesicht. Key’la sah erstaunt und erschrocken zu dem Koloss Muskeln auf, der hereingestampft kam. Sie kannte Kentar aus Tanaar, viele von ihnen schlossen sich den Wegen Menoas an und viele wurden in ihrer Obhut geboren. Doch dieser braune Riese, dessen Alter sie erschreckenderweise auf nicht einmal 16 schätzte, als sie in sein Gesicht sah, war atemberaubend gigantisch und kräftig. Ihr Schwanz zuckte genauso aufgeregt, wie sein Schweif es gerne wollte, aber er hielt sich im Zaum. Sein Gesicht war rauh und kantig, die sehnigen Halsmuskeln gingen beinahe mit der Wangenmuskulatur einher, was ihn nicht schöner, sondern nur bedrohlicher wirken ließ. Er hatte wuschige, schwarz-braune Augenbrauen und, selbst für einen Kentar eine ziemlich breite Nase. Die kleine Kitar kam sich plötzlich noch zwei Zentimeter kleiner vor, mindestens, doch das schüchterne Lächeln ließ sie schmunzeln. Zum Glück, dachte sie, sonst wäre ich wimmernd an die Decke gesprungen und hätte mich gleich beim ersten Treffen blamiert. Wie mein Archont immer sagte: Wenn dir jemand beim ersten Blick nicht gefällt, nimm dir Zeit und schau ein zweites oder auch ein drittes mal hin, bis du hineinschauen kannst und etwas findest, dass dir gefällt! Wir werden uns schon anfreunden. Katan zog eine Augenbraue hoch, als er Key’la aufgeregt kichern hörte, doch er konnte seinen Blick nicht von dem Kentar abwenden. So ein riesiger, massiger Kerl und solch ein verstörendes Lächeln. Nicht besonders schön, die Nase war sicherlich mehrmals gebrochen und um diesen Schädel zu knacken war mehr nötig, als die kräftigsten Melantherkiefer. Das dünne Lederhemd, dass sich ärmellos und hauteng an den kräftigen Körper schmiegte, war tadellos gearbeitet und stellte seine Größe noch beeindruckender herraus. Der Pferdeleib war durchtrainiert und auf Grund der Erfahrungen, die Katan mit Kentar gemacht hatte, schätzte er den Kerl als furchterregenden Waffenbruder ein. Er freute sich darüber solch ein Kind Kiras’ in Aleksors Diensten an seiner Seite zu haben. Er grinste den Riesen an, der seltsam zurücklächelte. Auch wenn Kentar ähnliche Mimik zeigten, wie Menschen, hatte Katan keinerlei Ahnung, wie diese Regung zu deuten war. Er war unter Kirasdienern aufgewachsen, die tierischere, wildere Gestik an den Tag legten, als dieser Kentar, der von Menschen großgezogen worden war. „Ich bin Korudan, KlingenAdept. Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, meine Brüder... und Schwester.“ Er verneigte seinen massigen Leib und lächelte wieder schüchtern, doch es erstarb schnell. Die dunkle, gutturale Stimme des Kentar zitterte kaum merklich, aber Zed hatte es vernommen. Warmherzig lächelnd stand er auf und verbeugte sich ebenfalls, seine Sicht wurde langsam wieder klarer, die benebelnde Wirkung des Öles ließ glücklicherweise nach. „Zed, GeistAdept, es freut mich ebenfalls, Bruder.“ „Katan, KörperAdept.“ Der Jäger nickte ruppig, was seine verfilzten, blonden Strähnen schüttelte, wie eine Mähne, und schnaubte einmal kurz, ganz leise. Korudan verwirrte das, wollte er ihn veralbern? Oder hatte er sich verhört? „Key’la, von den Wächtern des Lebens. Äh,“ sie kratzte sich am Kopf und streckte neckisch die Zunge herraus, „ebenfalls Adeptin! Willkommen, Brüder und Schwestern, gut euch zu sehen, schön, mit euch zu ziehen!“ Katan nickte zustimmend und gab wieder einen seltsamen Laut von sich, dass eher wie ein glucksendes Knurren klang, ein Grummeln, wie von einem Dheva-Tar, und setzte sich wieder. Zed tat ihm Letzteres gleich, nicht ohne kurz die Augenbraue zu heben, ebenso Key’la, die aufegregt zu schnurren begann, was die Aufmerksamkeit des Jägers zu erregen schien. Korudan, der Neuankömmling manövrierte sich unsicher in eine Ecke des Raumes, in der er seiner Einschätzung nach am wenigsten Platz wegnahm. Katan schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme und und sah unter den Strähnen, die ihm ins Gesicht vielen, raubtierhaft und aufgeregt auf die anderen, die sich ebenfalls wieder auf ihre Plätze niederließen. Alle waren nervös. Zum Glück hatte Korudan Mauri noch nicht bemerkt, da sie unter dem Schrank kauerte. Nach wenigen Minuten kam der kleine Sklavenjunge wieder herein und brachte eine Kanne heißen, schwarzen Tee. Alle nahmen sich einen hölzernen Becher und Katan schüttete eine für Key’la unglaubliche Menge Sirup hinein. Nicht, dass sie selber jemals ihren Tee süßte – als Kitar konnte sie den Geschmack von Süßem gar nicht wahrnehmen – aber sie wusste wie teuer Sirup war und fragte sich ob Katan sich bewusst war, dass in diesem Raum vielleicht nicht jeder bemerkte, dass er nicht gierig, sondern nur nervös war. Keyla hatte das gleich mitbekommen, denn sie wusste viel über die Jäger und so wusste sie auch, dass Zuckerrohr nur in Rastor angebaut wurde. Dort war Sirup ein alltägliches Lebensmittel, während er in alle anderen Kasten umständlich importiert werden musste und ebenso wie Tabakstengel, überall sonst reine, teure Luxusartikel waren. Zed sparte sich den Sirup, sowie den Kommentar zu Katans Maßlosigkeit, ließ jedoch kaum merklich einige Tropfen eines beruhigenden Öles in seinen Becher laufen. Korudan nahm fast zitternd einen Holzbecher in seine riesige Hand, gefüllt mit Tee ohne alles. Key’la selbst zuckte die Schultern, grabschte nach ihrem Tee und nahm sich unverschämt viel Ziegenmilch und gleich drei Ingwerplätzchen dazu. Ich mach’s wie Katan, ich entschuldige mich damit, dass ich hier fremd bin! Ich tu einfach so, als wären Ingwerplätzchen und Ziegenmilch bei uns keine Seltenheit! Sie grinste breit. Dann hielt sie inne. Moment mal, das sind beides Sachen, die bei uns wirklich keine Seltenheit sind. Key’la zuckte die Schultern und stopfte sich die Plätzchen in den Mund. Zed ließ nachdenklich den Tee in seinem Becher kreisen, indem er sein linkes Handgelenk schwänkte. Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete er wartend seine Gefährten und prüfte ihre Blicke, um sich ein Bild, ein kleines Profil anzulegen. Er würde das Gleichniss dieser Gruppe sein und trotz all des Trainings, dass er in Hinblick darauf genossen hatte, wurde ihm in diesen Minuten der Ruhe, in der er in seinen Tee starrte und in eine leichte Meditation versank, bewusst, dass er genauso aufgeregt war, wie sie, und dass einige wenige Gesten ihrerseits ihn schon aus der Fassung gebracht hatten. Was gab es nur alles über diese anderen Kasten zu lernen? Die Assra-Tar waren tatsächlich so unterschiedlich wie ihre Götter und Individuen bis in jede Haarspitze. Man sollte sich nicht überschätzen, dachte er bei sich. Ich soll das Gleichnis und die Ruhe sein, doch ich bin genauso jung und unerfahren wie die anderen in diesem Raum. Man darf sich auch nicht zuviel abverlangen, ruhig Blut! Er ließ seine Blicke schweifen und sah wie Key’la aufgeregt begann mit Katan zu plappern, der sich einen Tabakstengel angesteckt hatte und ihr ruhig und gelassen Gehör schenkte, während Korudan in der Ecke stand wie ein desolates Möbelstück und unsicher höflich lächelnd seinen Tee schlurfte. Daraus konnte er schließen, dass Korudan sich ziemlich unnütz vorkam. Er war schüchtern. Was genau das zu bedeuten hatte, wusste er nicht, denn um einen Grund auszumachen, dazu musste er mit ihm reden. Aber eigentlich war nicht zu übersehen, dass Korudan einen Minderwertigkeitskomplex zu haben schien und Zed fürchtete sich ein bißchen davor, dass diese Schüchternheit Korudan auch im Kampf begleiten würde. Zugegeben, er hatte alle körperlichen Vorraussetzungen, um dem Stahl, seinem Gott – Aleksor, alle Ehre zu machen. Der Gott der Welt, der erste, der Erschaffer, der Gott von Schmiedekunst, der die anderen Götter aus seinem spirituellen Fleisch geschaffen hatte, der Anführer, der Vater, der Kriegsherr... All diese Attribute mochten auf Korudans Körper passen, jedoch anscheinend nicht auf seinen Geist. Die schüchterne Verwirrtheit in seiner Miene ließ schon nach, so bemerkte Zed, er schien sich ein bißchen zu fangen, doch es war von nun an für den Simariten unverkennbar – dieser Kentar würde es schwer haben, den Anführer ihrer Gruppe zu geben, so wie es sich gehörte. Er selbst würde zwischen ihm und der Gruppe vermitteln müssen, doch würde es dauern, den besten Weg zu seinem Herzen zu finden, und die richtigen Worte. Sein Blick wandte sich Katan zu, der die Ruhe selbst zu sein schien. Doch Zed bemerkte das nervöse zittern in der Hand, die den Tabakstengel hielt genau mit seinen scharfen Augen und seinem geschulten Blick. Der Jäger war nervös, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er einen starken Charakter zu haben schien. Einen starken Charakter und einen starken Körper. Wie es mit dem Geist aussah, da war sich Zed nicht so sicher. Katan hatte wenig gesprochen und das wenige hatte unbeholfen geklungen. Aber vielleicht genügte es bei den Jägern ja, sich so auszudrücken? Das Wort kleidet den Verstand in Roben, die die Kälte der Sturheit überdauern und schmiedet eine Waffe gegen die Ignoranz und die Dummheit – so hatte seine Archontin immer gesagt. Katan besaß anscheinend keine Wortgewandtheit, also konnte auch sein Verstand nicht besonders geübt sein. Nur seine Augen, die störten den geschulten Blick des Simariten. Nach einigen Minuten war er sich sicher zumindest die erste Verwirrung abgelegt zu haben, die Katans seltsame Mimik bei ihm hervorrief. Er sah nun klarer und bemerkte, dass dieser Mensch die Körpersprache vieler Rassen zu seinem eigenen Dialekt vermischte. Nur seine Augen waren die eines Raubtieres. Kein bestimmtes, auch nicht wirklich ein Tier, eher eine Bestie. Eine unglaubliche Ungezügeltheit schien in jedem Blick zu stecken und obwohl die Lider bemerkenswert träge in finsterer Pose verharrten, sah Zed nach einigen stummen Minuten unauffälligen Beobachtens, wie sich Iris und Pupille zuckend immer von einem Punkt zum anderen bewegten und oft auf ihm selbst zu liegen kamen. Als Katan feststellete, dass Zed ihm direkt in die Augen sah, blieb der Blick einige Sekunden starr. Der Simarit sah nicht weg, bemühte sich aber so wenig herrausfordernd wie möglich dreinzublicken, da er die Anspannung des Jägers und die Schärfe in seinem Blick als Zeichen der Verunsicherung deutete und seinen neuen Bruder nicht in Verlegenheit bringen wollte. Nach kurzer Zeit schloß Katan kurz die Augen und wandte seine Aufmerksamkeit nun ganz Key’la zu. Zed fand das interessant und merkte es sich für später. Einfach verdammt wache, intelligente Augen! Aber er hatte sich schon gewundert, warum ihm niemand so recht etwas über die Jäger hatte sagen können. Alle redeten anders über sie. Kiras, die doppelzüngige Göttin, ein Zweigeschlecht, die Göttin, gleichzeitig der Gott, die Jägerin, der Gejagte. Zwei Aspekte, zu einem Verschmolzen, ein Gleichniss von unsagbarer Filigranität und zerstörerischer Wildheit, verschlagen, raubtierhaft und eigenständig. Stolz, mutig und gnadenlos – so war Kiras, so waren ihre Kinder, die Jäger! Er stelte sich darauf ein, dass Katan einige Überraschungen für ihn parat hatte, und machte sich darauf gefasst, dass er ihm besondere Aufmerksamkeit als Teil der Gruppe zukommen lassen musste. Es würde eine harte Aufgabe werden, zu verstehen, was in dem Jungen vorging, es würde eine noch viel härtere Aufgabe werden, dies auch den anderen begreiflich zu machen. Key’la wiederum war ein Fall für sich. Er wusste nicht, ob er einfach zu wenig über Kitar gelernt hatte, oder ob sie nur einfach gestrickt war. Auf der einen Seite verwirrte sie ihn, auf der anderen schien sie sehr durchschaubar. Kitar konnten nunmal nichts ernst nehmen. Katan war ein seltsames Beispiel für die Gattung Mensch, Korudan ein ungewöhnlicher Kentar – nur Keyla schien eine beispielhafte Kitar zu sein. Sie war aufgewekct und schien immer fröhlich, um nichts verlegen und schnatterhaft, niemals mies gelaunt und kaum verschämt, sehr ehrlich und geradezu liebenswürdig, nun – wie auch Menoa, die Muttergöttin der Natur und der Urkräfte. Viele Kitar kamen gut mit den Gesetzen Menoas zurecht, auch wenn sie eigentlich Kiras Volk waren. Beide Schwestergötter hatten ganz ähnliche Aspekte, waren dann aber auch wieder so unbarmherzig unterschiedlich. Bislang kam Key’la anscheinend am besten mit Katan zurecht. Die Wächterin des Lebens und der Jäger, Menoa und Kiras. Doch Zed sah Probleme auf sich zukommen. Key’la schien ein zartes Gemüt zu haben, ihr Geist mochte ein wenig schwächeln, doch das warf er ihr nicht vor. Kitar waren bekannt dafür durch ihren fehlenden Ernst auch der Geisthaftigkeit und der Beherrschung zu entsagen. So schien diese hier wirklich nicht zweimal über Dinge nachzudenken und lieber Taten als Worte sprechen zu lassen. Menoa, die Göttin der Lebenskraft, Mutter und Bewahrerin, läßt wachsen und gedeihen, füttert und nährt, greift auf die Elemente zu und nutzt ihre abgeschwächten Kräfte, Wind und Wetter, Feuer und Beben. Sie birgt aber auch Wut und Hass in sich seit dem Krieg, der ihr Reich, ihre Natur, ihr Volk quälte und Kraft und Zorn einer Mutter heraufbeschwor, die verzweifelt versucht, ihr neugeborenes Kind zu verteidigen. In Key’la sah er keinen Zorn, doch ihre mitfühlende, ungezwungene, sensible Art verriet ihm, dass sie fähig zu sehr großem Leiden war und jeder Wundschmerz würde eine Narbe auf ihrer Seele hinterlassen, die sie verbittern würde. So ging es vielen Wächtern, da das, was sie bewahren, das Leben nämlich, außerhalb der Mauern ihrer Kaste längst verdorrt und verderbt ist. Das festzustellen erfüllt sie mit Schmerz, und läßt oft nicht mehr als Rachezorn zurück. Ich werde vorsichtig mit ihr umgehen müssen, um ihre Sanftheit zu bewahren. Zeds Handgelenk schmerzte. Er selbst war das Gleichnis, die Gerechtigkeit, der Schlichter, das Wort. Er war Kind Simars, des Gottes, der für Aleksor über all seine Kinder Wachen und ihnen Gerechtigkeit und Glück bringen sollte. Er war dafür verantwortlich, auch den Völkern Gesetz und Strafe zu geben und dafür zu sorgen, dass jeder eine Stimme hat, der wert ist, gehört zu werden. Zeds Aufgabe würde nicht leicht werden. Unparteiisch, fair, gerecht und selbstbeherrscht musste er sein, ruhig und willensstark um alle hier, die sie so verscheiden waren und für eine Sache kämpften, unter dem Banner der Hoffnung zu vereinen, auf das eine neue glorreiche Zeit anbrechen mochte, in der die toten Götter wieder auferstehen um diese Welt zu neuem Leben zu erwecken! Die Bruderschaft der Macht war das Auge der Wahrheit und der Weißheit Flügelschlag, scharfen Auges, immer standhaft, und unbarmherzig in gerechtem Urteil. Frieden unter den Göttern – Frieden unter den Götterkindern, den Assra-Tar. Er würde aufrecht und gerecht sein und dafür sorgen, dass seine Gruppe zusammenhielt, egal was kam, unparteiisch und gerecht für den Willen der Gruppe einstehen und ein Gleichnis schaffen, dass gemeinsam jeden Feind der Götter in den Staub schlägt. Immer aufrecht, immer Stolz, wir die Assra-Tar! So soll es sein, so wird es sein! Zed grinste und nahm zufrieden einen Schluck aus seinem Becher. Sie alle waren von weit her extra nach Katach geordert worden, in die Feste des Klingenordens, das Herz des Südens, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen. Sie alle sollten eine Gruppe werden, und wenn Katach schon jemanden aus Rastor herbestellte, was nun nicht gerade einen Spaziergang weit entfernt war, sondern tief im wilden, kaum bekannten Südosten lag, und jemanden aus Tanaar, das sich widerum im wilden, etwas mehr kolonialisierten und zivilisierten Südwesten befand, dann lag der Schluß nahe, dass sie eine perfekte Gruppe werden würden. Dazu wiederum fehlten noch ein Inquisitor und ein Schatten. Stahlkind, Bestie, Hüter und Schlichter waren bereits beisammen, nur die beiden Augen Aleksors, seine ersten Söhne, fehlten noch. Seltsam, dachte Zed, wo doch Tirnat fast nur einen Satz entfernt ist, und auch die Entfernung zu Astatin im Vergleich zu Rastor nur einen Spazierflug ausmachte. Sie würden sicherlich noch kommen. Plötzlich hörten die Götterkinder wildes Geschnatter durch die große Holztür. Auf dem Gang schien sich jemand wild zu unterhalten – nein, zu streiten... und zwar auf Elfisch. Katan spitzte seine leicht spitzen Ohren, die kaum merklich zuckten. Lichtelfisch, bemerkte Katan für sich und verengte die Augen zu Schlitzen, da kommt unser Inquisitor. Zwei Stimmen, eine männlich, eine weiblich, ich kann kaum etwas herraushören, dieser verdammte Dialekt. Wer von beiden wird unser neues Mitglied sein? Oder mag der andere vielleicht doch unser Schatten sein? Die Tür schwang auf und zwei Gestalten stolperten regelrecht hektisch hinein, in wildes Gespräch verstrickt, dass abrupt abbrach, als sich die zwei erstaunten Gesichter zu den bereits versammelten Assra-Tar umdrehten. Das erste was durch die Tür kam, traf Katan mitten ins Herz. Die kleine Lichtelfe, die ihn mit eisblauen Augen erschreckt, verletzlich und hilflos anstarrte, ließ ihm die Gesichtszüge entgleisen. Niemals zuvor hatte er so etwas Schönes gesehen! Das lange, weiße Haar wehte sanft um ihre Schultern, als es durch den gestoppten Lauf herabfiel, ihr kleiner Schmollmund stand wenige Millimeter offen, und entblößte ihre strahlend weißen Zähne. Sie musste gerannt sein, denn sie schien ganz außer Atem. Ihre hohen Wangenknochen und die ebenfalls hohe Stirn betonten ihr schmales, kinderhaftes Gesicht, ihre großen Augen waren von feinen weißen Augenbrauen eingerahmt, die sie sorgenvoll hochgezogen hatte. Die langen, spitzen Ohren waren tadellos geformt, wie absolut alles an ihrem Körper, die kleinen Brüste, die schlanke Taille, die kräftigen, langen Beine... Alles verpackt in einem makellos weißen Lederanzug, der an den Oberschenkeln und an Brust und Rücken zugeschnürt war. Katan fasste sich wieder, die Anmut und Schönheit dieses Wesens hatten ihn weggerissen. Er festigte seine Gesichtszüge und bemühte sich genauso cool und gleichgültig auszusehen, wie zuvor; keine Schwäche zu zeigen. Doch er konnte nicht dagegen an, seine Augen starrten dieses Geschöpf an, wie eine erstrebenswerte Beute und einen anbetungswürdigen Rudelführer gleichzeitig. Er war verwirrt. Wie konnte es sein, dass nur ein einziger Blick so etwas mit ihm anstellte? Zed sah die Lichtelfe erstaunt an. Sie war ein unglaublich hübsches Ding. Man hatte ihm schon gesagt, dass die Lichtelfen die schönsten Geschöpfe in ganz Edeja waren, doch dieser Anblick machte ihn sprachlos. Das strahlende Antlitz Valias war durchaus würdig zu führen. Hinter der schlanken Elfe schaute ein dunkelhäutiger, kräftig gebauter Ork hervor. Seine mandelförmigen dunkelbraunen Augen starrten die Gruppe zuerst sehr überrascht an, dann senkte sich sein Blick augenblicklich gen Boden und wurde demütig und gefühllos. Nur der Bruchteil einer Sekunde musste Zed reichen, um noch die Gefühle des Orks zu deuten, dann war er, was er sein sollte – ein Kampfsklave. Das Zeichen in seinem Nacken wieß ihn als unfrei aus, das Brandzeichen, dass für „Sklave“ stand. Jeder Assra-Tar hatte ebenfalls ein Brand im Nacken, das Brand des Gottes, dem er geweiht war, es galt als Zeichen dafür, dass er nur den Göttern allein Untertan war, und sonst niemandem. Dieser Mann aber, mit der Tuchfarbenen Tunika und dem kahlrasierten Schädel, war ein unfreies Mitgleid der Gesellschaft, ob er nun auf Grund eines Verbrechens Sklave, oder in diesen Status hineingeboren wurde, wer wusste das schon. In jedem Fall schien er der Lichtelfe zu gehören, und da war das Licht. Ihre Anführerin, so wie es die ungeschriebenen Gesetze der Götter verlangten. Das Licht, Valias, Aleksors zweiter Sohn, sein linkes Auge, dass er in den Himmel warf, um der Welt den Tag zu schenken. Und so sollten auch die Diener Valias die Gruppe führen, ihr den Weg bereiten und ihr wärmendes Licht bei Tag und bei Nacht mutig auf ihre Kameraden scheinen lassen, Entscheidungen treffen, und den Weg für den Streieter Aleksors bereithalten, der im Kampf mit Taktik und Geschick die Führung übernimmt. Seit dem Verrat der Schatten führt das Licht allein und diese Elfe würde ihre geistige Führerin bleiben, stets mit Zed an ihrer Seite, dem Gleichgewicht, der Gerechtigkeit. Zur Rechten Korudan, als Aleksors Kind der General, der Kriegsherr, der ruhige Befehlshaber in Krisensituationen. Zur Linken Katan, die Kraft Kiras und die furchterrgende Klaue der Wildnis, die alles zerreißenden Fänge des Überlebenskampfes. Hinter ihr sollte Key’la stehen, die Wächterin über das Leben, die wilde Macht der Urkräfte und die Unterstützung bei Leid und Schmerz. In der Dunkelheit lauert dann der Schatten, die engsten Brüder der Valiasdiener, nie gesehen greifen sie aus der Finsternis herraus unerwartet an, mit viel gewagter Tücke und Hinterlist, derer die Nacht fähig ist, weswegen man ihr mißtraut, und sich nur die Lichtstreiter ihrer wahren Absichten sicher sein können, denn sie teilen ihr Herz, es schlägt im gleichen Takt. Ja, so sollte es im Idealfall sein, dachte Zed bei sich, doch ich bin mir nicht sicher, Korudan die Ruhe und das Selbstvertrauen hat, der General zu werden! Ich weiß nicht, ob Katan nicht viel zu verbittert ist, aus welchem Grund auch immer, dass er das Licht nicht mehr sieht und ob Key’la im Geiste stark genug ist, um uns Halt und Stütze zu sein, wenn wir schwere Zeiten erleben. Und wer bist du, kleine, strahlende Elfe? Er kniff die Vogelaugen zusammen. Dein Auftritt ist der eines viel zu jungen Mädchens, wirst du deiner Rasse alle Ehre erweisen und uns gnadenlos führen? Oder werden unter dem Druck dort draußen deine kleinen Schultern zusammenbrechen? Wir werden sehen... „Ich bin... Heil Valias!“ Die kleine Elfe stand stramm im Türrahmen, der Orksklave trat rechts hinter sie und verneigte sich vor den Anwesenden in demütiger Geste. „Ich bin Najul-Zar Kassam’Tar! LichtAdeptin vom Zirkel des Lichtes, Kind Valias’! Heil Aleksor, heil den Göttern!“ Alle standen sprachlos da, ob der makellosen Stimme der kleinen Elfe, die gerade so markerschütternd laut gebrüllt hatte, dass Mauri unter ihrem Schrank zusammenzuckte und Key’la erschreckt die Ohren anlegte. Selbst Katan war ein wenig überrascht, ließ es sich aber nicht anmerken und nun war es an Zed, etwas fassungslos dahzustehen, während Korudan einfach nur ungläubig auf die 1,70 große Elfe hinunterschaute, während hinter ihr die Tür wieder langsam zufiel. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)