Crazy for you von Tattoo (Miyavi x Maya x Aiji) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- ~5~ Als Noriko um die Ecke in die Küche von Aiji's Wohnung sah, bot sich ihr ein mittlerweile nur allzu gut bekannter Anblick. Der Gitarrist saß mit einer Tasse Tee am Tisch und starrte gedankenverloren aus dem Fenster, das Kinn auf eine Hand gestützt. Sie sah sich dieses Trauerspiel eine Weile an, denn Aiji schien sie noch nicht bemerkt zu haben, dann ging sie schließlich auf ihn zu und setzte sich ihm gegenüber an den Küchentisch. Als seine Augen zu ihrem Gesicht wanderten schnitt sie eine Grimasse, um ihn zum Lachen zu bringen, aber alles was er zustande brachte war ein schwaches Lächeln. Noriko seufzte. "Na, immer noch deprimiert?" Verständnislos sah Aiji sie an. "Ich bin nicht deprimiert. Wie kommst du darauf?" Noriko verkniff sich ein schelmisches Grinsen. "Nun ja, man muss nicht gerade Sherlock Holmes sein um das mitzukriegen. Seit Maya dich links liegen lässt, wie du es ausdrückst, rennst du mit einem Gesicht wie hundert Tage Regenwetter herum, sprichst kaum und hast zu nichts Lust. Und jetzt erzähl mir nicht-" schnitt sie ihm das Wort ab noch bevor er widersprechen konnte, "dass es nichts mit Maya zu tun hat. Wir kennen uns zwar noch nicht so lange, aber ich merke wie du unter eurem angespannten Verhältnis leidest." Aiji hatte den Mund wieder zugeklappt und starrte nun auf die weiße Tischplatte. Er wusste dass seine Freundin Recht hatte, es ging ihm gar nicht gut seit Maya kaum noch ein Wort mit ihm wechselte, außer wenn es ihre Arbeit betraf. Der Sänger hatte ihm ja noch nicht einmal gesagt warum er so distanziert war, mit Miyavi schien es jedenfalls nichts zu tun zu haben. Aiji hatte schon überlegt ob er den Solokünstler fragen sollte, warum sich sein Freund so merkwürdig verhielt, hatte sich aber bis jetzt noch nicht dazu durchringen können. Irgendwie hoffte er immer noch, den Grund von Maya selbst zu erfahren. Der Gitarrist sah wieder auf als Noriko sich räusperte. Sie schaute ihn erwartungsvoll an, er konnte ihren Blick aber nur verwirrt erwidern. "Was ist?" Die junge Frau verdrehte die Augen. "Na, gibst du zu dass du wegen Maya deprimiert bist? Oder willst du es weiter abstreiten und damit nicht nur mich sondern auch dich selbst belügen?" Sie sagte das in einem sanften und mitfühlenden Tonfall, sodass sich Aiji von ihren Worten nicht angegriffen fühlte, und ihm fiel in diesem Moment einmal mehr auf was für ein liebes Ding sie doch war. Er lächelte und nickte. "Ja schon gut, du hast mich durchschaut. Ich weiß nicht warum, aber sein abweisendes Verhalten macht mich total fertig. Mehr als ich es mir anfangs eingestehen wollte. Ich versteh es ja selbst nicht-" "Aber ich." unterbrach Noriko ihn und erntete erneut einen verwunderten Blick von Aiji. Sie zwinkerte ihm zu, aber er war sich sicher in ihrem Lächeln auch eine gewisse Trauer zu erkennen. "Nennen wir es weibliche Intuition die mir sagt, dass du sehr viel für ihn empfindest." Der Gitarrist hob eine Augenbraue. "Dafür hättest du deine weibliche Intuition gar nicht erst bemühen brauchen, ich hätte dir auch selbst sagen können dass ich unsere Freundschaft sehr schätze." Den Blick, den Noriko ihm bei diesen Worten zuwarf, konnte er mal wieder nicht deuten und wünschte, er würde über ebenso viel Menschenkenntnis verfügen wie seine Freundin. Sie begann mit einer Haarsträhne zu spielen, ein Zeichen dafür dass ihr das, was sie gleich sagen würde, nicht besonders leicht fiel. Noch immer lag ein kleines trauriges Lächeln auf ihren Lippen. "Und was wäre wenn ich dir sage, dass du Maya in letzter Zeit so verliebt und sehnsüchtig ansiehst, wie du mich am Anfang unserer Beziehung noch angesehen hast? Und dass ich eifersüchtig auf ihn bin?" Der Schock stand Aiji deutlich ins Gesicht geschrieben. "...Was? So ein... so ein Unsinn! Ich bin doch nicht in Maya verliebt! Wenn ich ihn ansehen, dann sicherlich nur nachdenklich weil ich mir den Kopf darüber zerbreche was mit ihm los ist! Du interpretierst das ganz falsch, wirklich! Ich bin mit dir zusammen, nicht mit ihm!" "Aber nur weil du nicht zu deinen wahren Gefühlen stehst." Noriko hob eine Hand als sie sah dass Aiji ihr widersprechen wollte. "Lass mich bitte ausreden. Und versuch bitte, nicht alles was ich jetzt sagen werde von Anfang an als lächerlich abzutun, sondern denk auch wirklich ernsthaft darüber nach. Denn ich bin mir sicher dass ich mich nicht täusche. Du scheinst es nur selbst noch nicht gemerkt zu haben, also muss ich dir wohl ein bisschen Starthilfe geben." Sie sah ihn an und Aiji sagte keinen Ton, als Zeichen dass er ihr zuhören würde. "Glaub mir, zuerst wollte ich es auch nicht wahrhaben, schließlich hänge ich sehr an dir, aber irgendwann habe ich es eingesehen. Dafür waren deine Blicke, und auch Maya's, zu eindeutig." Noriko nickte als Aiji sie überrascht anblinzelte. "Du hast richtig gehört, ich glaube Maya empfindet auch sehr viel für dich. Vielleicht liebt er dich sogar. Ich weiß dass er mit Miyavi zusammen ist, aber es könnte meiner Meinung nach gut sein, dass er das nur ist weil er bei dir offensichtlich keine Chance hatte. Du hast mir ja erzählt dass er was von dir wollte und du ihn ständig abwimmeln musstest. Niemand ist gern allein, das weißt du am besten, du sagst ja selbst dass das deine größte Angst ist. Und wenn man ständig abgewiesen wird hat man es irgendwann einmal satt, und ich schätze genau in dem Moment tauchte Miyavi wieder in seinem Leben auf und Maya war einfach dankbar darüber dass er von ihm endlich das bekam was du ihm damals noch nicht geben konntest." "Aber woher willst du das denn alles wissen, so gut kennst du ihn doch gar nicht." schaltete sich Aiji nun doch ein, bevor Noriko ihm einen Finger auf die Lippen legte. Sie schmunzelte ihn an. "Weil ich anscheinend nicht so blind bin wie du. Sei mir nicht böse, aber manchmal bist du wirklich etwas begriffsstutzig. Ist dir denn nicht aufgefallen dass Maya so abweisend ist seit er von uns beiden weiß? Von eurem freundschaftlichen Verhältnis, über das du so froh warst, habe ich nie etwas mitbekommen, außer an dem Tag an dem du mich ihm vorgestellt hast. Damals war er noch normal und freundlich, aber danach ging es mit seiner Laune merklich bergab. Ich bin oft genug bei dir im Studio um das mitzukriegen. Er hat wohl nicht damit gerechnet dass du auf einmal eine Freundin haben würdest, und kann damit nicht besonders gut umgehen. Aber an seinen Gefühlen scheint das alles nichts geändert zu haben, denn wenn er sich unbeobachtet fühlt sieht er dich immer mit einem Blick an, der selbst mir das Herz schwer macht. Wenn Miyavi ihn abholen kommt ist Maya's Blick zwar fröhlich, aber nicht so verliebt wie bei dir. Und dein Blick ist seinem sehr ähnlich, glaub mir. Als deine Freundin fällt es mir schwer das zu sagen, aber ich denke wirklich dass du ihn liebst. Aber hetero zu sein ist nun mal einfacher, nicht wahr?" Sie sah Aiji bei diesen Worten ganz offen an und er schluckte. Der Gitarrist musste erst einmal verdauen was er da von Noriko zu hören bekommen hatte. Und dass es ausgerechnet seine eigene Freundin war, die ihn darauf hinwies was er selber nicht gesehen hatte. "Du glaubst also wirklich dass sein Verhalten nur ein Schutzschild für seine wahren Gefühle ist, richtig?" fragte er schließlich leise und sie nickte. "Und deiner Meinung nach bin ich nicht in der Lage, meine und seine Gefühle richtig einzuschätzen, ja?" Wieder ein Nicken und Aiji rieb sich die Stirn. Dann sah er sie zweifelnd an. "Aber wenn du das alles so siehst, wie kannst du dann noch mit mir zusammen sein?" Und als wäre das ihr Stichwort schüttelte Noriko den Kopf. "Das kann ich nicht, jedenfalls nicht mehr. Ich wollte dich nur noch auf den richtigen Weg schubsen bevor ich gehe. Natürlich gebe ich dich nicht gerne her, aber es wäre dumm mich verzweifelt an dich zu klammern wenn ich weiß dass dein Herz jemand anderem gehört. Da mache ich lieber freiwillig Platz und hoffe-" sie streichelte ihm sanft über die Wange, "dass ihr beide endlich zueinander findet und glücklich werdet. Denn es liegt mir wirklich viel daran dass du glücklich wirst, Aiji." Eine kleine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und kullerte langsam ihr Gesicht hinab, aber trotzdem lächelte Noriko. Aiji war sprachlos, aber zu seiner großen Verwunderung verspürte er nicht den Drang, sie von ihrer Entscheidung abzubringen. Er mochte sie zwar sehr gern, aber tief in seinem Inneren wusste er dass er sie nicht liebte. Und ihre Worte klangen auch merkwürdig vernünftig für ihn, er musste sie nur erst verarbeiten und seine wirren Gedanken ordnen. Er schloss kurz die Augen, dann sah er Noriko wieder ins Gesicht, lehnte sich über den Tisch und küsste sie auf die Stirn. "Danke." flüsterte er anschließend, und sie nickte erneut während ihre eine weitere Träne über die Wange lief. Dann stand sie auf, sagte ihm noch dass sie ihre Sachen in den nächsten Tagen abholen würde, wünschte ihm noch einmal viel Glück und ging. Zurück blieb ein nun nicht mehr ganz so deprimierter, dafür aber umso verwirrterer Gitarrist. Was sollte er denn jetzt tun? Hatte Noriko wirklich mit allem, was sie gesagt hatte, Recht? Oder hatte sie sich getäuscht und Maya wollte doch nichts mehr von ihm? Und was genau wollte er eigentlich wirklich von Maya? Er glaubte nicht dass er den Sänger liebte, aber lag das vielleicht nur daran weil er sich solche Gedanken von Anfang an nicht erlaubt hatte? Aiji beschloss dass er nun mit offeneren Augen durch die Welt gehen, den Dingen aber ihren Lauf lassen würde. Und ob Noriko's weibliche Intuition sie nicht getrügt hatte würde er ja sehen wenn Maya erfuhr, dass Aiji nicht mehr mit ihr zusammen war. **** Am nächsten Tag ging Aiji mit gemischten Gefühlen zum Studio. Er hatte die ganze Nacht nicht schlafen können, Noriko's Worte ließen ihn nicht mehr los. Er hatte festgestellt dass er hoffte, sie hätte sich im Bezug auf Maya nicht getäuscht, und sagte das nicht schon viel über seine eigenen Gefühle aus? Noch sträubte er sich gegen die Vorstellung, etwas für seinen Kollegen zu empfinden das über Freundschaft hinaus ging, aber dennoch erhoffte er sich eine ganz bestimmte Reaktion von Maya, wenn er ihm sagen würde dass mit Noriko Schluss war. Und so öffnete Aiji, mit einem schrecklichen Gefühlschaos im Kopf, die Tür zum Regieraum und betrat die Höhle des Löwen. Mit dem Empfang, den Maya ihm bereitete, hatte er allerdings ganz und gar nicht gerechnet. Der Sänger war bei Aiji's Eintreten wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen, zu ihm geeilt und stand nun tief verbeugt vor ihm. Der Gitarrist blinzelte ihn fragend an, was Maya wegen seiner Haltung nicht sah, und öffnete schließlich den Mund. "Maya, was... was wird denn das?" Da richtete sich der blonde Sänger langsam wieder auf und sah ihn beschämt an. "Naja, ich wollte mich in aller Form bei dir entschuldigen, Aiji. Ich war in den letzten Wochen total unfair zu dir und hab meine schlechte Laune an dir und Noriko ausgelassen. Das tut mir jetzt ehrlich leid, und ich hoffe du kannst mir das verzeihen. Wenn Noriko das nächste Mal herkommt werde ich mich auch noch bei ihr entschuldigen. Holt sie dich heute wieder ab?" Aiji, total aus der Bahn geworfen durch Maya's Entschuldigung, schüttelte langsam den Kopf. "Nein... nein, sie holt mich heute nicht ab. Und sie wird mich auch in Zukunft nicht mehr abholen. Wir haben uns gestern getrennt." Und trotz der Anspannung musste Aiji bei dem Anblick, der sich ihm daraufhin bot, schmunzeln. Er hatte noch nie gesehen dass jemand die Augen so weit aufreißen konnte wie Maya in diesem Moment. Und es hätte nicht viel gefehlt, da wäre sein Unterkiefer auf dem Boden aufgeschlagen. Mit anderen Worten: Maya war absolut geschockt. Und Aiji staunte wie ungeduldig er darauf wartete zu erfahren, ob der andere die Neuigkeit positiv oder negativ aufnahm. Zu seiner Enttäuschung fiel ihm Maya nicht um den Hals und führte auch keinen Freudentanz auf, nein, als er sich wieder gefangen hatte fragte er lediglich, ob es Aiji gut ging und ob er Maya's Entschuldigung annahm. Beides bejahte der Gitarrist, erwartete noch dass der andere nach dem Grund für die Trennung fragen würde, doch auch das blieb aus. Nun gut, darüber war er eigentlich ganz froh, denn er hätte sowieso nicht gewusst was er hätte sagen sollen. Von ihrem Gespräch in seiner Küche wollte er ganz sicher nicht erzählen, und Maya anlügen wollte er auch nicht. Und so war das Thema unerwartet schnell vom Tisch und sie machten sich wieder an die Arbeit. Zuerst waren beide noch etwas unsicher und verspannt, doch am Ende des Tages konnten sie schon wieder gemeinsam lachen, etwas das in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr vorgekommen war. Aiji war sehr froh darüber, dass es nun wieder bergauf mit ihnen ging, aber seine Freude wurde dadurch getrübt dass er etwas Entscheidendes nicht erfahren hatte: Kamen sie jetzt wieder besser miteinander aus weil er nicht mehr vergeben war, oder lag das an Maya's Entschluss, sich zu entschuldigen? Denn in diesem Fall wusste Aiji nicht, ob seine Beziehung mit ihr der Auslöser für Maya's abweisendes Verhalten gewesen war oder etwas vollkommen anderes. Und darauf ansprechen wollte er den Sänger nicht, das hätte nur zu Fragen geführt die er im Moment selbst noch nicht beantworten konnte. **** In den darauf folgenden Wochen wurden Maya und Aiji tatsächlich wieder so dicke Freunde wie vor der 'Noriko-Episode'. Zum Glück, denn ihre Club Circuit Tour 2007 stand an und es gibt wohl nichts schlimmeres als zerstritten in einem kleinen Tourbus durch Japan zu tuckern. Schließlich hockte man dann fast 24 Stunden am Tag zusammen und stand abends gemeinsam auf der Bühne, da würde jeder leicht vom Zaun gebrochene Streit ihre Karriere gefährden. Aber diese Gefahr bestand ja nun nicht mehr, und so machten sich alle gutgelaunt auf den Weg. Einer wurde weniger gut gelaunt zurückgelassen, und das war natürlich Miyavi. Immerhin dauerte die Tour von Ende April bis Anfang Juni, und er kam ja schon kaum eine Woche ohne seinen 'Maayatan' aus. Dementsprechend herzzerreißend hatte sich auch ihr Abschied gestaltet, denn Miyavi hatte es sich nicht nehmen lassen Maya zum Abfahrtstreffpunkt zu begleiten. Und unter allgemeinem Gekicher hatte der Solokünstler seinen Freund mit Tränchen in den Augen minutenlang umarmt, so als wolle er ihn gar nicht mehr loslassen. Was ja eigentlich der Wahrheit entsprach. Auch Aiji hatte sich über den Anblick amüsiert, dennoch hatte er auch endlich zugeben müssen dass es ihn irgendwie schmerzte, Maya in einer so innigen Umarmung mit einem anderen zu sehen. So ganz Unrecht hatte Noriko wohl wirklich nicht gehabt. Der Gitarrist empfand tatsächlich tiefere Gefühle für einen Mann. Wer hätte das gedacht... Nun waren sie also auf Tour und alles lief bestens. Ihre Auftritte waren immer ein voller Erfolg und wenn sie unterwegs waren (und nicht gerade schliefen) verstanden sich alle prima miteinander. Besonders Aiji und Maya, sehr zu ihrer beider Freude. Und Aiji fiel auf dass Maya kaum unter Trennungsschmerz zu leiden schien. Er telefonierte zwar relativ oft mit Miyavi, das lag allerdings eher daran dass der Jüngere ihn ständig anrief und dann stundenlang mit ihm reden wollte. Maya musste ihn manchmal richtig abwimmeln, und in diesen Momenten fühlte sich Aiji besonders wohl. Es tat gut zu sehen dass Maya offenbar nicht so hoffnungslos in Miyavi verliebt war, wie Aiji es manchmal befürchtet (ja, befürchtet, auch das hatte er jetzt eingesehen) hatte. Er dankte Noriko für den Hinweis mit den offenen Augen, er war tatsächlich Gold wert, denn nun fielen ihm Dinge auf, für die er vorher wirklich blind gewesen war. Zum einen eben die Sache mit Miyavi. Und dann auch noch andere Kleinigkeiten, zum Beispiel das Glänzen in Maya's Augen wenn Aiji ihn ohne besonderen Grund umarmte oder ihm auf irgend eine andere Art sein Aufmerksamkeit schenkte. Oder wie er Aiji ständig hinterher dackelte und erfolgreich versuchte, den Gitarristen zum Lachen zu bringen. Es konnte wirklich nicht besser zwischen ihnen laufen, und Aiji erlaubte sich mit der Zeit endlich, seine Gefühle nicht mehr zu verdrängen sondern sie als das anzusehen, was sie waren. Das einschneidenste Erlebnis für ihn war allerdings gegen Ende der Tour, als eines Nachts alle bis auf ihn schon schliefen weil er eine neue Idee für einen Song im Kopf hatte und diese unbedingt noch aufs Papier bringen wollte. Also lag er in seiner Koje und schrieb und schrieb und schrieb... bis er ein leises Geräusch hörte, das sich stark vom allgemeinen Schnarchen seiner Crewmitglieder unterschied. Es war ein leises Schluchzen, dessen war er sich sicher. Und die Koje, die seiner eigenen am nächsten lag (nämlich genau gegenüber) war die von Maya. Vorsichtig zog er seinen Vorhang zurück, und da er den der anderen Koje nicht erreichen konnte krabbelte er leise aus seiner eigenen und stand im nächsten Augenblick auch schon vor Maya's. Vorsichtig zog er den schweren Stoff beiseite, der ihm bis jetzt die Sicht auf den anderen verwehrt hatte, und nun da er ihn sehen konnte stockte Aiji der Atem. Maya's Kopf lag auf der Matratze statt auf seinem Kissen, denn dieses umarmte er als wäre es ein Mensch und drückte es fest an sich. Das an sich war noch nichts Ungewöhnliches, aber die Tränen die dem Sänger übers Gesicht liefen waren es. 'Wieso weint Maya im Schlaf?' fragte sich der Gitarrist besorgt, doch lange musste er sich nicht darüber wundern, denn Maya schluchzte erneut leise auf und flüsterte dann kaum hörbar "Aiji... warum willst du mich nicht haben?" Wie vom Blitz getroffen starrte der Ältere den Schlafenden an. Hatte er sich eben verhört, oder war tatsächlich ER der Grund für Maya's Tränen? Bedeutete er ihm wirklich so viel, dass er sogar von ihm träumte und selbst im Schlaf noch wegen ihm litt? Aiji's Herz verkrampfte sich. Es stimmte also, Maya liebte ihn noch immer. Hatte offenbar nie damit aufgehört und Miyavi wirklich nur als Ersatz benutzt, trotz seiner anfänglichen Beteuerungen dass er es diesmal ernst meinte. Aber was hätte Maya auch sonst sagen sollen? Die Wahrheit? Dass er es nicht mehr ertrug unglücklich in einen Mann verliebt zu sein, der ihn ständig mehr oder weniger freundlich abwies und darauf bestand, hetero zu sein? Sicher nicht, das konnte Aiji verstehen. Und es tat ihm schrecklich leid, Maya solche Schmerzen zugefügt zu haben. Und es immer noch zu tun. Denn mittlerweile wusste er es doch besser, trotzdem hatte er Maya seine Gefühle bis jetzt noch nicht gestanden. Niedergeschlagen kletterte er, nachdem er Maya noch eine Weile beobachtet und schließlich den Vorhang wieder zugezogen hatte, in seine Schlafkoje. Die Lust zum Songschreiben war ihm vergangen, dafür schwirrten jetzt zu viele neue Gedanken in seinem Kopf herum. Er überlegte wie und vor allem ob er reinen Tisch machen sollte, denn Maya war trotz allem noch in einer Beziehung. Und Aiji behagte es gar nicht, derjenige zu sein der diese zerbrach, obwohl er wusste dass sie eigentlich eine Lüge war. In dieser Nacht kam er noch zu keinem Ergebnis, und es sollten tatsächlich noch fast zwei Monate vergehen bis Aiji sein Schicksal endlich in die Hand nahm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)