Micha von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 29: Zeitdruck --------------------- Hallo =) So, jetzt habe ich endlich Ferien und dann hat mich ne blöde Grippe erwischt! T^T Das Leben ist ungerecht! Naja, ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen Es war schon längst dunkel und nervös sah er sich um. Er fühlte sich unwohl, warum wusste er nicht wirklich. Wobei, vielleicht war es, weil Gero ihm gegenüber etwas missgestimmt war, weil er in den letzten zwei Wochen kaum etwas machen konnte. Aber er konnte doch nichts dazu, dass sämtliche Lehrer ihre Klausuren jetzt noch, kurz vor den Halbjahresinformationen schreiben mussten. Als niemand ihm nach dem ersten Klingeln öffnete, klingelte er noch einmal. Dass jemand da war, hatte er an den Lichtern in den Fenstern gesehen, außerdem vernahm er gedämpft Musik von innerhalb. Gerade setzte er zu einem dritten Klingeln an, da wurde ihm die Tür einen Spalt breit geöffnet und Gero linste hinaus. Als er ihn erkannte, fauchte er: „Was zur Hölle willst du denn hier, wir waren nicht verabredet!“ „Ich weiß“, entschuldigte er sich genauso leise, wie Gero gesprochen hatte; vielleicht wollte der die Nachbarn nicht belästigen. „Aber ich brauche Hilfe, bei Chemie; wir schreiben eine Arbeit…“ „Ihr schreibt eine Arbeit? Micha das ist schön und gut, aber ich kann jetzt nicht…“ „Jo Gero, was is’n los? Schiebste da vor der Tür noch’n Quickie, oder warum dauert das so lange?“, tönte es aus dem Haus. Etwas verwirrt fragte Micha: „Hast du etwa Besuch? Ist Benne oder so da?“ „Na klar, was denkst du denn, ich hab mir mal eben ne Nutte bestellt! Vollhonk, wart halt mal zwei Minuten!“, rief Gero der Stimme aus dem Haus zu und Micha begann sich schon zu wundern, da fuhr er an den Kleineren gewandt fort: „Hör zu Micha, das passt jetzt grad wirklich überhaupt nicht! Wann schreibt ihr denn die Arbeit, vielleicht können wir dann am Wochenende…“ „Morgen“, gab Micha zu und errötete beschämt bei Geros entgleisten Gesichtszügen. „Morgen?“, keuchte dieser erschrocken. „Und dann kommst du erst jetzt? Micha, was ist los mit dir?“ „Ich weiß, es tut mir auch leid! Eigentlich wollte ich ja auch lernen und es alleine schaffen, aber ich habe es irgendwie die ganze Zeit nur vor mir her geschoben und die anderen Fächer gelernt, außerdem, ich versteh das ganze Zeug einfach nicht und du kannst das so gut erklären, bitte hilf mir!“ „Herrgott, Micha, weißt du, wer da drinnen ist?“ „Gero! Mach mal hinne, das Bier geht schon zur Neige!“, kam es wie zur Bestätigung aus dem Haus. Etwas nervös verlagerte Micha sein Gewicht auf das andere Bein und murmelte: „Bitte, Gero, Benne und die anderen werden das sicher verstehen.“ „Du Vollidiot! Schön wäre es für dich, wenn da drinnen Benne oder so jemand säße, aber das sind die Kerle aus dem Galgen! Und wenn die dich hier sehen, dann gute Nacht!“ „Die sind hier?“, japste Micha erschrocken und tat einen Schritt zurück. „Was machen die hier?“ „Bier, Gero! Da kommen wir dich einmal besuchen und du bist die meiste Zeit vor der Tür!“, kam die Antwort von drinnen. Hier draußen herrschte Schweigen vor. Gero und Micha starrten sich schweigend in die Augen, bis Micha all seinen Mut zusammenkratzte und hauchte: „Bitte!“ Der Rothaarige schluckte schwer und Micha konnte sehen, wie er angestrengt überlegte. Da kam wieder ein Ruf aus dem Haus: „Hey, lebst du noch oder muss ich rauskommen und deine Leiche finden?“ „Halt die Schnauze, is schon alles klar!“, brüllte er zurück und an Micha gewandt, fuhr er leise fort: „Also gut, ich seh zu, wie ich sie los werde und dann helfe ich dir. Du gehst jetzt schnurstracks und so unauffällig wie möglich hoch in mein Schlafzimmer und wartest dort, verstanden?“ Stumm nickte Micha und folgte Gero ins Haus. Irgendwie hatte er es geschafft unbemerkt ins Obergeschoss zu gelangen und saß nun schweigend und wartend darauf, dass Gero irgendein Zeichen von sich gab, auf dessen Bett, im dunklen Schlafzimmer. Doch vorerst vernahm er nur die lauten Stimmen der anderen aus dem Wohnzimmer. Ängstlich lauschte er ihren plumpen Gesprächen, oder zumindest den Fetzen, die er davon aufschnappte. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, was passierte, würden sie ihn hier entdecken. Und dann auch noch in Geros Schlafzimmer, positioniert wie eine Mätresse! Es war das letzte Mal schon fast zu auffällig gewesen. Fröstelnd schlang er die Decke um sich und mummte sich bis zum Kinn darin ein. Es vergingen quälend lange Minuten, in denen es Micha schwer fiel auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Es war wirklich keine gute Idee gewesen so unangekündigt hier aufzukreuzen, aber ohne Geros Hilfe hatte er nicht einmal die Chance auf eine Fünf in der morgigen Klausur; er brauchte ihn einfach. Micha war froh, dass Gero keine analoge Uhr in diesem Raum hatte, denn das Ticken hätte ihn mit Sicherheit wahnsinnig gemacht. Dennoch linste er immer wieder auf den Funkwecker, der auf Geros Nachttisch neben einer Flasche Wasser stand. Die Uhrzeit konnte er, ob der Dunkelheit, zwar nicht ablesen, aber das Licht anzuschalten traute er sich nicht, ebenso wenig, wie er es sich traute, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Also verharrte er eisern in dieser hockenden Stellung, obwohl sein Rücken nach einer Weile begann stark zu schmerzen und sein Bein unerträglich kribbelte, weil es eingeschlafen war. Es verging eine Ewigkeit und Micha fragte sich schon, ob diese Kerle überhaupt noch irgendwann gehen würden, da vernahm er plötzlich die Stimme eines dieser Typen: „Jo, Gero, wenn du uns schon so abrupt rauswirfst, kann ich mir doch wenigstens ’nen Pulli von dir leihen, ich hol mir einen!“ Vor Schreck fühlte sich Micha wie gelähmt. Die Schmerzen in Bein und Rücken waren mit einem Mal vergessen und nur noch eine Überlegung fasste in seinem Bewusstsein Fuß: Wo sollte er sich verstecken? Die Gedanken rasten in seinem Kopf, aber keiner der Einfälle war etwas wert. Unter dem Bett war kein Platz, in den Schrank zu stehen war auch vollkommen sinnlos und die Idee in ein anderes Zimmer zu flüchten verlor ebenfalls die Bedeutung, als er die ersten Schritte auf der Treppe hörte. „He Mann, warte, ich hol dir einen!“ Es war Geros nervöse Stimme und die Schritte hielten inne; stattdessen war ein Lachen zu vernehmen: „Eh, was is’n eigentlich grad mit dir los? Als wär ich nich schon tausend Mal in deinem Schlafzimmer gewesen und deine Wichsflecken kenn ich auch schon in- und auswendig, jetzt stell dich nicht an wie das allerletzte Weib!“ Die Schritte wurden fortgesetzt. In dem Moment ergriff Micha die letzte Möglichkeit, die sich ihm darbot: Er drängte sich gänzlich gegen die Wand, machte sich so dünn als flach wie möglich und bedeckte sich mit den beiden Decken, in der Hoffnung, dass er dadurch nicht auffallen würde. Im nächsten Augenblick ging das Licht an und Michas Herz schien stehen zu bleiben, ebenso wie seine Atmung aussetzte. Und er hörte denjenigen sagen: „Mensch, Gero, bist doch sonst so’n Ordentlicher und jetzt haste nich mal dein Bett gemacht? Also wenn das alles ist, was du vor mir verbergen wolltest, dann solltest du dir wieder deinen rosa Strampler anziehen und zurück zu deiner Mami gehen!“ Fast hätte Micha erleichtert aufgeatmet. „Ja… ich… will halt den Schein wahren…“, sagte nun Gero und Micha konnte deutlich die Verwirrung aus seiner Stimme heraushören. „Tja, Gero, Pech gehabt.“ Das Licht wurde wieder gelöscht und die Tür geschlossen. Nun entspannte sich Michas Körper wieder etwas und sein Herz raste in doppelter Geschwindigkeit. Dennoch wagte er es nicht sich aus den Decken zu schälen, aus Angst noch jemand könnte hereinkommen. Ein paar Minuten später kam auch wirklich wieder jemand ins Zimmer reingestürzt. Derjenige machte sich nicht einmal die Mühe das Licht anzumachen und riss die Decken von Michas Körper. Beinahe hätte Micha vor Schreck aufgeschrieen, da erkannte er Geros Gesicht. Als der ihn da liegen sah, schien er sich wieder etwas zu beruhigen, denn sein Körper verlor an Spannung und er seufzte, sich auf das Bett sinken lassend: „Mein Gott! Das ist echt Glück! Ich hatte mich schon darauf gefasst gemacht alle drei Kerle zu verprügeln und dabei selbst krankenhausreif geschlagen zu werden um das Schlimmste von dir abzuwenden, denn die hätten dich noch grün und blau gedrescht!“ Er seufzte. „Aber jetzt sind sie ja weg.“ Micha hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, das Gero beruhigte. „Und sie haben mich nicht bemerkt.“ Hatte sich der Ältere etwa wirklich solche Sorgen um ihn gemacht? Er fand es verwirrend. Was hatte das zu bedeuten? „Ja, aber was, wenn sie dich entdeckt hätten?“, brauste Gero nun auf und lehnte sich nach vorne, sodass er Micha ganz nahe war und ihm fest in die Augen sah. Das Mondlicht warf seinen Schatten sanft auf Michas Körper. Es war eine merkwürdige Atmosphäre und irgendwie fühlte Micha sich unwohl, während Gero halb über ihm lehnte. So legte er die Hand auf die Brust des Anderen und schob ihn sanft zurück, dass er sich aufsetzen konnte. Im nächsten Moment schloss Gero allerdings seine Arme um ihn und flüsterte: „Herrgott, Micha, ruf das nächste Mal an, dann muss ich mich nicht mehr so zu Tode ängstigen!“ Von diesem plötzlichen Körperkontakt überrumpelt wusste Micha nicht, wie er sich verhalten sollte und blieb ruhig sitzen. Erst als Gero ihn noch fester an sich drückte und er schon fast den rasenden Herzschlag des Anderen spüren konnte, bewegte er sich. Vorsichtig legte auch er seine Arme um den Oberkörper Geros und lehnte seine Stirn an dessen Schulter. „Jetzt sind sie ja weg.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern gewesen. Endlich saßen sie gemeinsam über Michas Chemieheft. Es war spät geworden, fast elf Uhr. Micha schalt sich selbst einen vollkommenen Trottel, dass er nicht früher zu seinem Freund gekommen war, um ihn um Hilfe zu bitten. Er war müde und seine Augenlider wurden schwer. Er konnte sich kaum noch konzentrieren. Als er zu Gero linste, sah er, dass es dem nicht viel besser ging, obwohl er gedacht hatte, dass der jeden Tag mindestens bis um drei Uhr nachts aufblieb, oder gar noch länger. Der Rothaarige hatte den Kopf auf seine Hand gestützt und beobachtete mit halb geschlossenen Lidern, wie Micha die Reaktionsgleichungen aufschrieb. „Bin ich dir wichtig?“, fragte der plötzlich und wandte den Kopf zu Gero. „Warum?“, entgegnete dieser einige Sekunden später desinteressiert. „Weil ich es wissen will.“ Micha hatte das Gefühl, dass man, hätte man ein dreijähriges, trotziges Kind neben ihn gestellt, keinen Unterschied zwischen ihnen hätte ausmachen können. „Das ist keine Antwort.“ Die gleiche Monotonie in der Stimme wie zuvor. „Als wäre ‚Warum?’ eine Antwort auf meine Frage!“ Noch trotziger. Gero seufzte und musterte ihn durchdringend, mit den Fingern auf dem Tisch trommelnd. „Also?“ Anstatt einer Antwort, lehnte sich Gero zurück, ließ den Kopf in den Nacken fallen, dehnte sich ausgiebig und fragte: „Bin ich dir denn wichtig?“ Micha sah, wie er bei dieser Frage zu dem Blonden linste. „Ja.“ Seine Antwort fiel schlicht aus. Und sie war wahr. „Also?“ Er hob erwartungsvoll die Augenbrauen und sah Gero, der den Kopf inzwischen wieder auf seiner Hand abgestützt hatte, auffordernd an. „Ja und jetzt mach endlich die scheiß Reaktionsgleichung fertig!“, fauchte er. Micha erwiderte nichts daraufhin, sondern tat wie ihm befohlen und versuchte, das warme Gefühl, das durch seinen Körper floss, zu ignorieren. „Endlich!“, stöhnte Gero und richtete sich wieder auf. „Hast du noch irgendwelche Fragen oder hast du jetzt alles kapiert?“ „Ich denke, ich kann es jetzt.“ Er lächelte und klappte das Heft zu. „Ich sollte mich dann auch auf den Heimweg machen, es ist schließlich schon spät.“ „Is nich meine Schuld“, gab Gero eintönig zu bedenken. „Das hab ich auch nie behauptet.“ Sein Lächeln wurde nervös und er beeilte sich seine Sachen in seine Tasche zu packen und aufzustehen, um aus dem Raum zu flüchten. „Jetzt wart doch mal zwei Sekunden, ich fahr dich.“ „Wirklich?“ Nun strahlte er doch wieder übers ganze Gesicht. „Wenn du mir nich mehr so schwule Fragen wie eben stellst, dann schon.“ „Versprochen.“ Schweigend standen sie nebeneinander im Flur und zogen sich Schuhe und Jacken an. Gero griff noch einmal zur Kommode und hatte dann seinen Schlüsselbund in der Hand. Er überprüfte kurz, ob es der richtige war, an dem Haus- und Autoschlüssel hingen und öffnete dann die Tür, um Micha voraus zu gehen. Im Auto ließ Gero die Musik aus, wofür Micha ihm sehr dankbar war, denn hätte er nun auch noch die harten, lauten Bässe ertragen müssen, hätte er wahrscheinlich nicht mehr einschlafen können. So schlief er allerdings beinahe auf dem Beifahrersitz ein, bis Gero ihn rüttelte und mit sanfter Stimme verkündete: „Wir sind da, Kurzer, steig aus oder willste die Nacht in meinem Auto verbringen?“ „Wenn du auch da bist…“, murmelte Micha im Halbschlaf und wollte sich auf die andere Seite drehen, da wurde er sich plötzlich seiner Worte bewusst. „Oh mein Gott! Ich wollte nicht… ich meinte…“ Ängstlich sah er zu Gero, der leicht errötet war - Micha wusste nicht, ob es Wut war - und verstummte jäh. „Raus jetzt, auf der Stelle!“, brüllte dann der Rothaarige und Micha krallte sich seine Tasche, um Hals über Kopf aus dem Auto zu steigen. Jedoch stolperte er über den unteren Rahmen der Tür und stürzte. Mit einem dumpfen Schlag landete er Kopf voran auf dem harten Steinboden und blieb benommen liegen. Sein Kopf schmerzte, als er aufwachte, weil ihn jemand leicht auf die Wangen schlug. Als er Geros Stimme vernahm, die leicht verzweifelt sagte: „Nun mach doch die Augen auf!“, befolgte er den Befehl und schlug die Augen auf. Er gewahrte Geros Gesicht ganz dicht vor seinem und zuckte unwillkürlich zusammen. „Da bist du ja wieder!“, atmete der allerdings erleichtert auf. „Mann, dich kann man auch keine fünf Sekunden lang aus den Augen lassen; am Besten, du besorgst dir ein Laufgeschirr.“ „Tut mir leid“, murmelte Micha benommen und fasste sich an die Stirn. „Wo bin ich eigentlich?“ „In meinem Auto vor deinem Haus“, kam die knappe Antwort und Micha sah sich etwas um, tatsächlich. Das Licht im Auto brannte. Gero hatte ihn wieder auf den Beifahrersitz gesetzt. Die Lampe schien angenehm warm und Micha schloss für einen Moment die Augen, da fuhr Gero ihn an: „Hey! Nicht wieder bewusstlos werden, du Trottel, meinst du nicht, du hast mich für heute genug unter Schock gesetzt?“ „Ich bin… müde.“ Er konnte kaum mehr sprechen. Alles was er wollte, war, in sein Bett zu liegen und zu schlafen. „Du blutest an der Stirn und deine Lippe ist aufgeplatzt, außerdem hast du dir auch die Nase und die Wange geschrammt. Meinst du nicht, es ist besser ins Krankenhaus zu fahren, um dich abchecken zu lassen? Nicht, dass du noch ’ne Gehirnerschütterung oder so was hast…“ Micha schüttelte wehleidig den Kopf und wisperte: „Ich mag nur noch ins Bett. Bitte.“ Er drängte Gero zurück und versuchte erneut auszusteigen, doch diesmal schwindelte er und drohte erneut zu stürzen, wäre nicht Gero da gewesen, der ihn auffing und sicher in seinen Armen hielt. Es war fast wie die Umarmung einige Stunden zuvor. „Bist du dir sicher?“, durchbrach Gero die Stille und sah ihn besorgt an. „Es wäre sicherlich besser, nur um…“ Micha schüttelte energisch den Kopf, was er allerdings sofort bereute, da dieser nun anfing noch stärker zu schmerzen. Er hing noch immer in Geros Armen und machte keine Anstalten sich auf seine eigenen Beine zu stellen. So seufzte dieser und meinte: „Gut, dann bring ich dich aber rein.“ Micha nickte kaum merklich und ließ sich von Gero stützen, als er zur Tür schlurfte, zu erschöpft die Füße anzuheben. Der Rothaarige schloss die Tür mit dem Schlüssel, den Micha ihm reichte, auf und ging hinein. Das Haus lag in kompletter Dunkelheit, also waren seine Eltern wohl schon im Bett. „Wo ist das Badezimmer?“, fragte Gero plötzlich. Micha wusste nicht, was Gero jetzt da wollte, dennoch antwortete er: „Im ersten Stock die erste Tür links.“ Gero nickte und hievte ihn die Treppen hinauf, allerdings sehr langsam, da er sich selbst Stufe für Stufe hinauftasten musste; Micha hatte sich vehement geweigert das Licht anzuschalten, aus Angst seine Eltern aufzuwecken. Nun standen sie im Bad. Oder eher gesagt: Gero stand und Micha saß auf dem Badewannenrand und sah zu dem Größeren auf. Er musste sich zusammenreißen, um nicht der Versuchung zu erliegen, sich einfach nach hinten kippen zu lassen und in der Badewanne zu schlafen. Als Gero sich umgesehen hatte, herrschte er ihn an: „Los, aufstehen und komm her zum Waschbecken!“ Micha hatte keine Lust sich zu wehren oder noch irgendeine Tat Geros zu hinterfragen, er tat einfach wie ihm geheißen und beugte sich auch über das Waschbecken, als Gero das von ihm verlangte. Dennoch schrak er im ersten Moment zurück, als er das warme Wasser und Geros Hand auf seiner Wange spürte. Es brannte, obwohl Gero ihn kaum berührt hatte. Der jedoch akzeptierte diese Schwäche nicht, sondern drückte ihn im Kreuz nach vorne und fuhr fort ihm das Gesicht zu waschen. „Was tust du da?“, fragte Micha schließlich doch und spuckte das schmutzige, nach Blut schmeckende Wasser aus, das ihm in den Mund gelaufen war. „Sei still. Ich wasche das Blut und den Dreck ab, oder willst du deine ganze Bettwäsche versauen?“ Sein Tonfall war ruppig, oder sollte zumindest so klingen, denn Micha hörte, trotz seiner Müdigkeit die Besorgnis heraus. Auf die Frage hin schüttelte er den Kopf, doch Gero fuhr ihn an: „Halt still!“ Micha genoss diese Streicheleinheiten. Schon lange hatte ihn niemand mehr so sanft angefasst oder hatte es überhaupt schon mal jemand getan? Für einen Moment beneidete er sämtliche Frauen um Geros sanfte Hände, doch ohrfeigte er sich in Gedanken selbst dafür. So etwas durfte er nicht denken! Auf keinen Fall! Niemals! Als Gero fertig war, reichte er Micha eines der Handtücher, die an den Haken neben dem Waschbecken hingen, damit er sich das Gesicht abtrocknen konnte. Der Rothaarige brachte ihn auch noch in sein Zimmer und beobachtete ihn offenkundig, während er sich umzog. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er das Hemd des Schlafanzuges zugeknöpft hatte und er wollte sich schon in sein Bett fallen lassen, da hielt Gero ihn zurück und sagte leise: „Du bist doch auch ein Idiot! Nicht mal ein Hemd kannst du zumachen, ohne dich zu verknöpfen, wie willst du dann morgen die Klausur schreiben? Am Besten du meldest dich krank und schreibst sie dann nach, dann können wir auch noch einmal ausgiebig miteinander lernen.“ Während er sprach hatte er sich an Michas Hemd zu schaffen gemacht. Er knöpfte es auf. Micha schluckte schwer, als Geros Hände seine Haut unabsichtlich streiften und erinnerte sich unwillkürlich an die Liebkosungen dieser Hände in seinem Gesicht nur einige Minuten früher. Nun begann er wieder es zuzuknöpfen und als er fertig war trat er von Micha weg und musterte ihn still. „Micha, das ist mein Ernst. Geh morgen zum Arzt und lass dich abchecken, nur zur Sicherheit. Die Chemiearbeit nimmt dir keiner weg und wenn du noch mit mir lernst, kann es nicht schlechter werden.“ „Ich überleg’s mir“, gähnte Micha und stieg vorsichtig in sein Bett, sich in seine Decke mummelnd. „Versprich es mir!“ Er hatte sich an die Bettkante gesetzt und die Finger seiner linken Hand berührten vorsichtig die Wunde an Michas Stirn, was diesen zusammenzucken ließ. Doch dann ergriff er die warme Hand mit seinen eigenen klammen Fingern und schmiegte seine Wange an sie, Geros verdutzten Blick ignorierend. „Na gut“, murmelte er und schloss die Augen, leicht lächelnd, denn er hatte Geros Hand losgelassen und sie ruhte noch immer auf seiner Wange. Doch im nächsten Moment zog Gero sie weg und erhob sich. „Dann ist gut“, sagte er und Micha hörte, wie sich seine Schritte der Tür näherten. „Gute Nacht, schlaf gut.“ Er löschte das Licht und schloss die Tür hinter sich. Und keine zwei Minuten später holte sich Micha endlich den Schlaf, den er brauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)