Zum Inhalt der Seite

Feuer, Stein, Magie und Liebe

Kampf um eine fremde Welt und eine unmögliche Liebe
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Another Person

Die Menschen auf der Burg empfingen sie wie die Helden der Nation, die sie auch waren. Die Soldaten freuten sich über die Aufmerksamkeiten, den Jubel und die Rufe. Sie ritten durch Blumenregen und Gesängen und auch Sheila konnte sich nicht ganz der Freude der Bevölkerung erwehren. Trotzdem hielt sie sich nach der Ankunft in der Burg nicht lange auf, sondern zog sich augenblicklich zurück, nachdem sie Kasukes Wächtern den Befehl gegeben hatte, ihn in das größte Verlies zu bringen, welches die Burg hergab.

Sie wusste, dass die Soldaten ihr Verhalten argwöhnisch beobachteten, aber sie hatte im Moment genug davon ständig jemanden um sich zu haben.

Auf ihrem Zimmer, welches sich nicht ein bisschen verändert hatte, erwartete sie ein Zuber mit heißem Wasser. Angesichts dieses Luxus, der so liebevoll für sie hergerichtet worden war, noch bevor sie die Burg betreten hatte, stiegen ihr erneut Tränen in die Augen.

Sie musste unbedingt was gegen ihre Emotionen tun. Seit dem Ende des Krieges weinte sie öfter als ihr ganzes bisheriges Leben davor.

Als sie sich entkleidete, wagte sie es kaum in den verschwommenen Spiegel zu blicken. Sie wusste, dass sie nicht nur enorm abgenommen hatte. Auch ihre Haare waren strähnig und glanzlos und einige Blutergüsse aus der letzten Schlacht, schillerten in den Farben des Regenbogens. Das warme, duftende Wasser ließ sie jedoch alles vergessen.

Mit einem leisen Seufzer glitt sie weiter ins Nass und hoffte wenigstens für einen Moment einfach nur nicht denken zu müssen.
 

„Ihr habt ihn in Ketten gelegt?“

Sheila war von dem langen Tisch in der Bibliothek aufgesprungen, an dem sie vor einigen Wochen noch die Karten der Welt Kemono studiert hatte. Sie hatte nicht Vergessen können und deshalb hatte sie Konomi aufgesucht. Sie musste einen Weg finden Kasuke zu retten, doch das Einhorn hatte seine eigene Meinung in dieser Sache. Kaum hatte sie angefangen, ihn um Hilfe zu bitten, als er ihr schon erklärt hatte, dass sie den Wolf nicht retten konnten und er daher im tiefsten Verlies in Ketten lag.

„Dazu hattest du kein Recht!“

Sheila war außer sich.

„Ich weiß, dass du immer noch die Hoffnung hast, dass er sich erinnert. Aber Sheila, er ist nur noch ein Monster. Bitte versteh doch, dass unser primäres Ziel sein muss, dass er niemanden etwas tun kann.“

Sheila blieb vor ihm stehen und schlug auf den Tisch.

„Solange die Türen dort unten geschlossen sind, kann er niemanden was tun. Die Ketten waren unnötig.“

Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Saal.
 

„Herrin bitte. Wir haben Anweisungen!“

„Und wie lauten diese Anweisungen?“

Sheila sah dem Soldaten an, dass ihm bei ihrem Anblick sichtlich unwohl war. Ihrer Wut nach zu urteilen, musste sie auch einen beängstigenden Eindruck machen. Was ihr ganz recht war.

„Niemand darf in das Verlies. Keiner!“

„Und wie bekommt der Gefangene Wasser und Futter?“

Der Mann wusste scheinbar keine Antwort. Sheila machte einen Schritt auf ihn zu.

„Du öffnest jetzt sofort die Tür. Meinetwegen kannst du danach deinem Befehlshaber sofort bescheid sagen, aber ich werde nicht zulassen, dass ihr den Wolf verhungern lasst. Dann seid ihr alle nicht besser, als unsere Feinde es waren.“

Sie entriss ihm den schweren Schlüssel und öffnete die ersten Gitter, die zur Holztür führten und somit zum Gefängnis.
 

Als Sheila Kasukes Verlies betrat verließ sie der Mut. Der Wolf hatte tatsächlich den größten Raum bekommen, doch schwere Ketten legten sich um seinen Hals, seinen Körper und jedes seiner Beine. Er lag auf der Seite und hob nicht einmal den Kopf, als sie die Tür hinter sich schloß. Sie musste einige Stufen hinuntergehen, um zu ihm zu gelangen. Fackeln wurden an den Wänden gehalten, spendeten aber so wenig Licht, dass sie nur Umrisse des Wolfes erkennen konnte.

Vorsichtig näherte sie sich dem Schatten.

„Kasuke?“ Ihre Stimme war dünn, doch sie wusste, dass er sie hörte.

Ein leises Knurren erfüllte den Raum.

„Verschwinde!“

Sheila blieb stehen.

„Kannst du dich aufrichten?“

Er antwortete nicht. Sie ging einen weiteren Schritt auf ihn zu. Plötzlich sprang er auf uns fletschte die Zähne. Sein Maul verfehlte nur knapp ihren Arm. Erschrocken fiel Sheila hinten über. Die Ketten hatten ihn daran gehindert, ihr etwas anzutun.

Ein Zittern durchlief ihren Körper. Doch es war keine Angst.

„Du Vollidiot!“ Innerhalb eines Augenblicks war sie wieder auf den Beinen und schlug ihm mit einer Faust auf die Schnauze. Im ersten Moment waren beide vollkommen perplex. Kasuke fing sich schneller als Sheila und begann erneut zu knurren.

„Was willst du eigentlich von mir?“ Die tiefe Stimme, die Dämonen in ihrer tierischen Gestalt eigen war, machte es Sheila noch schwerer Kasuke in dieser Gestalt wider zu erkennen.

Sheila ließ sich auf die kalte, lehmige Erde sinken.

„Keine Ahnung! Ich dachte, ich könnte dir helfen.“

„Ich will deine Hilfe nicht. Verschwinde!“

„Willst du in diesen Ketten verrotten?“

Kasuke begann nun unruhig hin und her zu laufen. Soweit es ihm möglich war.

„In dem Moment, in dem du mich befreist, besteht die Möglichkeit, dass ich dich töte. Und trotzdem willst du mir helfen.“ Sein heiseres Lachen glich einem Husten.

„Dummes Weib.“

„Dummes Tier!“

„Wie bitte?“ Erneut fletschte er die Zähne. „Pass auf was du sagst.“

„Wenn du mich tötest, wirst du ebenso sterben. Wenn du dich jedoch benimmst, wirst du die Ketten los und bist vielleicht bald wieder frei. Da du aber nicht gerade kooperativ bist, endet es für dich scheinbar auf jeden Fall tödlich. Wer ist hier also dumm?“

Der Wolf grummelte, sagte aber nichts weiter.

„Kasuke, bitte erklär mir bitte, was du willst. Der Imperator ist tot. Seine Armee zerschlagen.“

Stille. Sheila seufzte leise. Kasuke war schon immer stur gewesen, doch in der jetzigen Situation hasste sie das noch mehr. Gerade als sie aufstehen wollte, begegnete er ihrem Blick und sie zögerte.

„Ich kann mich an vieles erinnern. Ich weiß wer ich war und was ich getan habe. Aber es ist mir egal. Ich möchte nicht mehr der sein, der ich war. Das heißt aber, dass ich entweder hier verrotte oder jedem von euch die Kehle durchbeiße. Es gibt nicht viele Optionen für jemanden wie mich.“

„Du würdest es nicht einmal versuchen, nicht wahr?“

Er schüttelte sein Fell.

„Was soll ich denn noch versuchen?“

Sheila stand auf und sah nachdenklich auf den Wolf hinab. Das war nicht Kasuke. Nicht der, den sie geliebt hatte.

„Zu überleben. Ich will nicht, dass sie dich töten. Aber genau das wird früher oder später passieren, denn in einem seid ihr euch einig. Sie interessieren sich auch nicht dafür, was du gewesen bist.“

Sie wandte sich ab. Es war an der Zeit, dass sie die Hoffnung aufgab. Er wusste wer sie war. Aber es war ihm egal.

„Wieso interessierst du dich dafür?“ Seine Stimme war voller Hohn. Sheila biss sich auf die Lippen. Dieser Mistkerl.

„Wenn du das nicht weißt, dann weiß es keiner.“

Oben an der Tür drehte sie sich noch ein letztes Mal um.

„Wenn du bereits bist, mit mir ordentlich zu verhandeln, kannst du nach mir rufen lassen. Ansonsten sag ich dir wohl Lebwohl.“

Die Tür schloss sich geräuschvoll.
 

Mika gesellte sich zu Sheila, die über die Ebene sah und beobachtete, wie die Sonne sich hinter den Horizont schob. Diesen Platz hatte sie damals schon gerne aufgesucht, doch heute war einfach alles anders. Mika lehnte sich über die Balustrade und sah in den Burghof, wo die Menschen ihre Waren zusammenpackten. Es war Zeit, nach Hause zurück zu kehren.

„Diese Normalität fühlt sich irgendwie seltsam an, nicht wahr?“

Sheila schloss die Augen und nickte.

„Trotzdem sehe ich ihnen gerne zu. Es beruhigt mich.“ Sie sah auf.

„Wann wirst du zu Sekura gehen, Mika. Ich sehe dir doch an, dass du ihn vermisst.“

Mika rieb sich ein wenig unbehaglich über den Arm.

„Solange ich nicht weiß, was mit Kasuke geschehen wird, kann ich nicht gehen. Er ist…war der Clanführer.“

„Du kannst nichts tun, Mika.“ Sheila seufzte und sah wieder dem roten Himmel entgegen. „Entweder er entscheidet sich für den Frieden oder Konomi wird ihn töten.“

Mika standen plötzlich die Tränen in den Augen. Dies war das erste Mal, dass Sheila ihrer Freundin die Last der letzten Tage und Wochen ansah. Sie umarmte die Wölfin. Der Duft von Lavendel stieg ihr in die Nase.

„Er hat die Wahl. Kehre zu Sekura und deinem Clan heim. Sie brauchen dich. Ich komm so bald wie möglich zu euch. Bete, das es gute Nachrichten sein werden.“

Auch Sheila würde beten.
 

Es dauerte fünf Tage bis Hotori, der Sheila sehr viel Zeit gewidmet hatte, ihr die Nachricht überbrachte, dass der Wolf nach ihr gefragt hatte. Sheila hatte fast nicht mehr damit gerechnet und an der Art, wie Hotori über Kasuke sprach, hörte sie seine Ablehnung.

Kasuke saß aufrecht, als sie seine Zelle betrat, doch sie sah, dass er geschwächt war. Die Ketten hatten ihm Fell weg gescheuert und sie meinte auch Blut sehen zu können. Doch das Licht war nach wie vor sehr schlecht. Trotz seiner schlechten Verfassung, glühten seine Augen und Sheila sah denselben Hass in ihnen, wie vor einigen Tagen.

Doch sie ließ sich nicht beirren. Sie ging so weit heran, wie sie es wagte und blieb dann mit verschränkten Armen vor ihm stehen. Solange er Wolf war, konnte sie auf ihn hinab sehen.

Zunächst sagte keiner von ihnen was und Sheila hatte das Gefühl, dass er so eine Art Nervenkrieg führte. Vollkommen lächerlich, wenn man bedachte in welcher Lage er war. Doch sie konnte sich vorstellen, dass es ihm nicht leicht gefallen war, sie zu bitten.

„Ich bin bereit, mit dir zu verhandeln.“

Sheila musste sich eine abfällige Bemerkung verkneifen. Trotzdem konnte sie nicht umhin, ihn in seine Schranken zu verweisen.

„Ich muss vorher eins klar stellen. Da du dich an deine Vergangenheit erinnern kannst, solltest du wissen, dass auch für mich nichts davon noch eine Bedeutung hat. Daher brauchst du nicht glauben, dass du mich in der Hinsicht übers Ohr hauen kannst.“

Der Wolf bleckte die Zähne, was Sheila als Grinsen verstand.

„Ich weiß zwar nicht, was „übers Ohr hauen“ heißt, aber ich denke ich weiß, was du meinst. Also können wir ja zum Geschäft kommen.“

Sheila nickte erwartungsvoll.

„Ich möchte, dass die Ketten abgenommen werden. Ich möchte meine menschliche Gestalt annehmen können und ein Bett, sowie Licht und Feuer haben. Ich brauche regelmäßige Mahlzeiten, die mir nicht von den Wachen, sondern von dir gebracht werden. Sonst will ich, dass man mich in Ruhe lässt.“

Sheila wartete einen Augenblick, ob Kasuke noch weitere Forderungen stellen würde. Doch er beobachtete sie nur durch seine blauen Augen, die so verwirrende Gefühle in ihr wach riefen.

„Die Ketten werden dir nur abgenommen, wenn du das Versprechen ablegst, niemanden etwas zu tun.“

Kasuke nickte: „Mehr als mein Wort werde ich dir nicht geben können.“

„Die Frage ist, wie viel das Wort eines Verräters wert ist.“

Bei dem Wort „Verräter“ brummte der Wolf zornig.

„Komm näher!“, bellte er.

Sheila zögerte. Das war doch nicht sein ernst.

„Entweder ich beweis es dir jetzt oder nie. Also komm näher!“

„Wenn du dir nicht langsam angewöhnst höflicher mit mir zu reden, kannst du das Ganze vergessen.“, giftete sie, trat aber einige Schritte in seine Richtung. Was war nur in sie gefahren?

In dem Augenblick, in dem sie sich diese Frage stellte, setzte Kasuke zum Sprung an. Sheila hatte keine Chance. Sie fiel und schlug mit dem Kopf auf dem harten Boden auf, sodass ihr einen Augenblick schwindelig wurde und der Schmerz ihr den Atem nahm. Jetzt würde er sie töten, da war sie sich ganz sicher.

Doch es passierte nichts. Ein schweres Gewicht lag auf ihr und als sie die Augen öffnete, blickte sie geradewegs in Kasukes. Ihr blieb die Luft weg.

„Wenn ich dich hätte töten wollen, könnte ich es genau jetzt tun.“ Seine Schnauze kam ihrer entblößten Kehle gefährlich nahe und ein Schaudern lief durch ihren Körper, während sie ihm unverwandt entgegenblickte. Kasukes Blick verschleierte sich einen Augenblick und er schien verwirrt. Im nächsten Moment war er auch schon wieder von ihr herunter gesprungen.

„Ich werde nur dir nichts tun. Daher möchte ich sonst niemanden sehen. Ist das klar?“

Sheila nickte, doch sie brachte kein Wort hervor. Ihm so nahe zu sein, auch wenn er nicht mehr der Kasuke war, den sie gekannt hatte, war verstörend gewesen.

Sie wandte sich ab und verließ das Gefängnis ohne ein Wort zu sagen.
 

Konomi hatte sich zwei Stunden so heftig mit Sheila gestritten, dass alle Dienstboten das Weite gesucht hatten. Sie hatte ihn im Saal beim Abendessen vorgefunden, wo er mit Mika und Loros zusammen gesessen hatte. Sheila sah Mika und auch Loros an, dass sie skeptisch über Kasukes Vorschlag dachten. Aber Konomi war wirklich außer sich.

„Das kommt nicht in Frage. Er wird irgendwann die Situation ausnutzen und dich töten, auch wenn er es jetzt noch nicht getan hat. Er ist immer noch der Feind.“

„Er ist aber auch immer noch Kasuke! Und solange die Möglichkeit besteht, dass wir ihn zurück holen können, werde ich nichts unversucht lassen.“

„Das lass ich nicht zu.“

„Was willst du denn tun?“, schrie Sheila. „Ich gehöre gar nicht in eure Welt. Meine Aufgabe ist erfüllt. Selbst wenn ich bei diesem Versuch sterbe, dann ist nur alles wie vorher und ihr könnt Kasuke immer noch töten.“

Konomi verlor die Fassung. Sein Gesicht glich einer Maske aus Zorn, doch auch Schmerz war darin zu lesen.

„Du denkst wirklich, dass du nicht in unsere Welt gehörst? Du bist ein Teil von Kemono. Von uns. Wie kannst du nur so etwas sagen!“

Angesichts seiner Reaktion war Sheila ein wenig erschrocken. Konomi war nicht nur stur, die Situation ging im wirklich nah. Sie trat auf ihn zu und umschlang ihn mit ihren Armen.

„Es tut mir Leid, Konomi. Ich habe mich zu sehr auf Kasuke konzentriert und nicht gesehen, was um mich herum geschieht.“

Sie blickte auf und wusste, dass ihr das Oberhaupt der Einhörner so nah stand wie ein Vater.

„Aber bitte vertrau mir. Wenn ich es nicht versuche, wird mich die Frage zugrunde richten, ob ich ihn hätte retten können.“

Damit war der Streit beendet gewesen.

Alle Bediensteten waren dazu angehalten, Sheila alles zu bringen was sie benötigte.
 

Doch sie war die einzige, die das Verlies betrat. So wie Kasuke es gewünscht hatte. Bevor sie die Ketten löste, richtete sie ihm den Raum so behaglich ein, wie sie konnte. Sie schürte ein Feuer, das den Raum so hell erleuchtete, dass sie zum ersten Mal richtig sah, wie schlimm Kasuke wirklich aussah. Doch sie verbot sich jegliche Gefühlsregung.

Sie brachte Stühle und Tische, Kissen, Decken und eine Matratze aus Stroh. Sogar Bücher legte sie auf den Tisch, auch wenn er sie nicht gewünscht hatte.

Der Wolf selber sagte die ganze Zeit kein Wort, sondern sah ihr nur zu, wie sie sein Gefängnis einrichtete. Erst als sie den Tisch mit Fleisch, Käse und Wein gedeckt hatte, trat sie auf ihn zu um ihm die Ketten abzunehmen.

Die letzen Schritte waren die schwersten und es gelang ihr nur mit Mühe zu verhindern, dass er ihre Angst roch. Doch er schien so sehr von der Mahlzeit abgelenkt zu sein, dass er nicht einmal zuckte, als sie ungelenk an seine aufgescheuerte Haut kam.

Als sie auch die letzten Ketten gelöst hatte, verwandelte Kasuke sich augenblicklich in einen Menschen. Er trug nicht einen Fetzen Kleidung am Leib und Sheila hätte sich beschämt beiseite gedreht, wenn die vielen Verletzungen seine blasse Haut nicht so verunstaltet hätten. Gerade als sie auf ihn zugehen wollte, um die malträtierte Haut zu berühren, fing sie seinen Blick auf, der sie musterte. Sofort stockte sie. Es war ein Reflex gewesen. Ein Reflex der ihr sagte, dass sie Kasukes Verlust in ihrem Unterbewusstsein noch immer nicht verkraftet hatte. Und der Dämon vor ihr sah das auch.

Als sie zurück weichen wollte, packte er sich an beiden Armen und zog sie zu sich heran. So nah, dass sich ihrer beider Gesichter beinahe berührten. Sheila war wie erstarrt. Wie ein Tier, das im Augenblick des zu erwartenden Todes nicht mehr fähig war sich zu rühren.

Sein Atem strich warm über ihr Gesicht.

„So ist das also. Es ist nicht von Bedeutung, he?“

Er war nicht Kasuke. Sheila versuchte diesen Gedanken zwischen sie zu schieben, wie eine rettende Barriere. Er war nicht Kasuke.

Seine Lippen strichen über ihren Hals, wie Tage zuvor, als er noch ein Tier gewesen war. Er schnupperte an ihr, sie hörte seinen Atem, hörte wie er ihre Witterung in sich aufnahm.

„Du riechst gut. Eine Abwechslung zu dem Gestank hier unten.“

Sie schaffte es ihm einen Arm zu entziehen und im nächsten Augenblick hatte sie ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. Kasuke schien so verblüfft zu sein, dass er zunächst gar nicht reagierte. Sheila ging zum Tisch und hob einen Bündel Kleider auf, den sie ihm mitgebracht hatte. Immer noch perplex fing der Dämon das Bündel auf, während Sheila ihn alleine ließ.
 

„Halt mich bloß auf den Laufenden.“, sagte Mika.

Sheila und die Wölfin gingen gerade über den Burghof und hinaus über die Ebene. Mika würde heute nach Hause zurück kehren und die Freude darüber war unverkennbar.

„Natürlich, aber du weißt ja, dass sich nicht viel tut.“

Mika schüttelte hilflos den Kopf.

„Und er redet gar kein Wort mit dir?“

Sheila zuckte mit den Schultern.

„Er ignoriert mich. Meistens liest er und sieht nicht einmal auf, wenn ich ihm sein Essen hinstelle. Er behandelt mich wie ein Herr seine Magd.“

Sie mussten beide über den Vergleich schmunzeln. Sheila hatte so gar nichts von einer Magd. In den letzten zwei Wochen, nachdem sie Kasuke von den Ketten befreit hatte, war sie wieder aufgeblüht und schöner denn je. Die Herren der Burg, allen voran Hotori machten Sheila den Hof und Mika und sie hatten sich nicht selten über diverse Aufmerksamkeiten amüsiert. Unter anderem über kitschige Ständchen unter ihrem Fenster, mitten in der Nacht. Wahrscheinlich hätte der Windkanter sich auch noch hinzu gesellt, wenn er nicht vor einigen Tagen abgereist wäre. Er wollte ein wenig die Gegend erkunden, hatte er gesagt. Sheila wusste, dass er einen Platz für sich in diesem Teil der Welt suchte.

Aber sie war auch nicht bereit einen Mann zu wählen.

„Vielleicht solltest du dich hin und wieder bei ihm einnisten, damit du deine Ruhe vor deinen Verehrern hast.“, scherzte Mika. Sheila verdrehte die Augen.

„Erinnere mich nicht daran. Wenn das so weiter geht, breche ich meine Zelte ab und folge dir.“

Sie lachten und umarmten sich.

„Grüße die anderen von mir.“

Dann war die Wölfin schon verschwunden.
 

Nachdem Mika abgereist war, fiel es Sheila schwer, die Niedergeschlagenheit zu bekämpfen. Konomi plante einen Schlag in den Westen, hinter die Kalten Berge, um sicher zu gehen, dass sich dort keine neue Macht erhob und da Sheila sich nicht an kriegerischen Planungen beteiligen wollte, verbrachte sie viel Zeit alleine. Abgesehen von den Momenten, an dem sie von den Männern in Anspruch genommen wurde, die im heiratsfähigen Alter waren.

Das hielt sie meist nicht lange aus und so wirkte sie eines Tages fast erleichtert, als sie Kasuke sein Essen bringen musste. Als sich die schweren Gitter hinter ihr schlossen, atmete sie sichtlich auf. Mika hatte recht, sie musste sich hier verkriechen um ihre Ruhe zu haben.

Wie immer ging sie in das Verlies um ihm das Essen hin zu stellen und wie immer beachtete sie Kasuke nicht. Daher bemerkte sie nicht, dass er nicht wie üblich auf dem Bett hockte und las. Erst als sie sich umwandte, um das Verlies zu verlassen, bemerkte sie, dass etwas anders war, denn sie lief direkt in hin hinein. Vor Schreck quietschte sie und legte eine Hand auf die Brust um ihren Atem zu beruhigen.

„So tief in Gedanken versunken zu sein, kann mitunter tödlich enden.“, sagte er leise.

Sheila funkelte ihn böse an und versuchte sich an ihm vorbei zu schieben, doch er stellte sich ihr in den Weg.

„Was soll das?“, sie schlug ihm vor die Brust. Sie hätte genauso gegen Granit schlagen können.

„Ich will, dass du mir Gesellschaft leistest.“

„Das ist kein Teil der Abmachung!“ Ihre Laune war wirklich nicht die beste. Musste jetzt auch noch dieser Monster ihr auf die Nerven gehen.

Er lächelte süffisant und ließ sich mit verschränkten Armen elegant auf die Tischkante nieder.

„Du kannst natürlich auch zu der hechelnden Meute zurück, die dich oben erwartet.“

Überrascht riss sie die Augen auf.

„Woher…?“

„Nun ja, das ein oder andere bekomme sogar ich mit.“ Er nickte in Richtung Tür. „Die Wächter unterhalten mitunter lautstark über die Vorgänge in der Burg. Sie sagen auch, dass du noch immer keinem deine Gunst schenken willst, sehr bedauerlich.“

„Das geht dich nichts an!“, fauchte sie. Doch ihn amüsierte ihre Reaktion.

„Wenn man es in Betracht zieht, dass wir ja mal so etwas wie ein Liebespaar waren, darf ich wohl auch eine Meinung dazu haben, oder nicht?“

Sheila blieb der Mund offen stehen. Der hatte sie doch nicht mehr alle. Über so was redete sie gar nicht erst mit ihm.

„Geh mir aus dem Weg!“ Sie schob sich an ihm vorbei, doch im nächsten Moment hatte er sie gepackt und mit einem Griff auf den Stuhl befördert. In der nächsten Sekunde saß er mit ihr am Tisch. Während er die Nahrungsmittel auspackte, die sie ihm gebracht hatte ließ er sie nicht aus den Augen. Sheilas Herz raste, aber nicht aus Angst.

„Was willst du von mir?“

„Das sagte ich doch, Gesellschaft!“

„Ein Monster wie du hat Verlangen nach Gesellschaft?“

„Touché!“ Er lachte. Was war nur in ihn gefahren?

Er teilte das Fleisch auf und schob es ihr auf einem Stück Stoff entgegen. Während er zu essen begann, starrte sie ihn nur böse an.

Dass sie nicht aß, schien ihn überhaupt nicht zu stören. Sie musterte ihn. Er trug nur eine Kombination aus grauem Leinen und doch sah er so gesund und kräftig aus, wie lange nicht mehr. Erst als er fertig war, sah er sie wieder an.

„Da du nun hier bist, erzähl mir ein bisschen von dem Teil von mir, den ich nicht mehr besitze.“ Sheila hob die Augenbrauen.

„Das interessiert dich doch nicht wirklich. Du hast gesagt, du willst nicht mehr so sein.“

Er wirkte einen Augenblick so, als ob er darüber nachdachte. Sheila ahnte aber, dass dies nur Theater war.

„Nein, ich möchte nicht mehr so sein. Aber du hängst an diesem Ich. Daher find ich es interessant.“

Sheila stand auf: „Da es diesen Teil nicht mehr gibt, spreche ich auch nicht darüber.“

„Sag mir, diese Momente bevor ich in die Hände des Imperators gefallen bin, hast du sie genossen?“

Sheila bekam eine Gänsehaut. Diese Erinnerung hatte sie sich bewahrt, denn es waren die letzten Augenblicke der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft gewesen. Indem er darüber sprach, beschmutzte er sie.

Er kam auf sie zu und Sheila musste sich stark zusammenreißen, damit sie sich nicht auf der Stelle umdrehte und den Raum verlies. Als er vor ihr stand, berührte er sie sanft an der Wange. Eine trügerische Art, die sie ihm nicht abkaufte.

„Hat dir das Gefallen, wenn ich dich so berührte?“

Seine Hand fuhr ihr über das Kinn in den Nacken und legte sich dann dem Weg folgend auf ihre Hüfte. Kasuke sah ihr die ganze Zeit in die Augen, doch Sheila konnte keine Regung in ihnen sehen, während ihre die Farbe des Sturms annahmen. Diese Grausamkeit würde sie ihm nicht verzeihen.

Als sie nun den Mund öffnete, lag in jedem ihrer Worte das Gift von Tausenden von Schlangen: „Lieber würde ich mich von einem der Männern dort oben berühren lassen, als dir je zu Willen zu sein.“ Dann spuckte sie ihm ins Gesicht. Kasuke war verblüfft, doch nicht sehr lange. Bevor Sheila die Flucht ergreifen konnte, packte er so hart zu, dass sich ihr ganzer Körper an seinen schmiegte.

„Ich könnte dich auf der Stelle töten und dir fällt nichts Besseres ein, als mich zu beleidigen?“

Auch wenn ihr Herz ihr bis zum Hals schlug, zitterte nicht einmal ihre Stimme: „Dann bring es hinter dich. Töte mich!“

Kasuke knurrte, aber er bewegte sich nicht.

„Du bist so ein dummes Ding. Das wird dich noch einmal das Leben kosten.“

Und seine Lippen senkten sich so hart und heiß auf die ihren, dass ihr die Luft wegblieb. Auch jetzt spürte sie, dass es nicht Kasuke war, der sie küsste. Er war ihr vertraut, aber im selben Augenblick so fremd, wie überhaupt möglich. Was sie jedoch überraschte war, mit welcher Intensität er sie küsste. Einer Leidenschaft und Härte, als suche er etwas, ein Ertrinkender der den Sauerstoff brauchte.

Sheilas Gegenwehr erlosch ziemlich schnell, da sie nicht in der Lage war, ihm zu entkommen. Alles in ihr strahlte dieselbe Hitze aus, die auch er empfinden musste. Die Härte in ihm schmerzte bald und sie wusste, dass er dafür sorgen würde, dass jeder sehen konnte, was hier geschehen war.

Als er endlich von ihr abließ, waren sie beide außer Atem, doch Sheila war es, die sich am Tisch festhalten musste. Warum fühlte es sich auf einmal so an, als habe sie etwas so unwiderruflich verloren, wie ihr eigenes Leben? Es breitete sich eine unglaubliche Leere in ihr aus und sie war den Tränen nahe. Sie sah auf und bemerkte, dass Kasuke sie ansah. Seine Augen waren verschleiert, als würde er sie gar nicht richtig wahrnehmen. Sie stieß sich vom Tisch ab und ging an ihm vorbei. Diesmal hielt er sie nicht auf.

„Damit ist unsere Abmachung hinfällig.“, brachte sie nur mühsam hervor. „Meinetwegen kannst du hier unten krepieren!“

Sie spürte nicht einmal seinen stechenden Blick, der ihr folgte, bis sie die Tür geschlossen hatte.
 

Auch wenn Sheila tief verletzt und unglaublich wütend war, schaffte sie es nicht, Kasuke aus ihren Gedanken zu verbannen. Mit dem Verlassen der Zelle vor einigen Tagen, war keiner mehr in das Verlies gegangen um den Wolf zu versorgen. Einige Soldaten hatten hin und wieder Wasser und Brot durch einen winzigen Spalt geschoben, aber es genügte nicht und das wusste Sheila.

Aber sie konnte nicht wieder zurück.

Sie schlief schlecht, träumte grauenvolle Dinge und bekam keinen Bissen herunter. Das Schlimmste war, dass sie nicht wusste, was sie so fertig machte. Immer öfter fühlte sie sich eingesperrt und bald war sie dazu übergegangen, mit einem der Pferddämonen lange und schnelle Ausritte zu unternehmen, damit sie dem Grau der Burg entkommen konnte. Der Rappe war ein Freund von Loros und er schien jederzeit zu wissen, was sie brauchte und empfand selbst Freude an den teils riskanten Manövern.

Sheila war ihm unendlich dankbar. Doch es waren meist nur wenige Stunden, die sie betäubten. Dann musste sie sich erneut ihrer tief empfundenen Verzweiflung stellen. Viele der jungen Männer hatten bereits aufgehört ihre Nähe zu suchen, zu seltsam verhielt sich die Zauberin. Nur Hotori blieb an ihrer Seite, auch wenn sie sich nie mit ihm unterhielt. Er war einfach anwesend.

In solchen Momenten fragte sie sich, ob es nicht sinnvoll war, die Burg zu verlassen und ein neues Leben in der Abgeschiedenheit zu gründen. Sandaru ließ hin und wieder von sich hören und meist berichtete er von der Ablehnung der Menschen und Dämonen des Ostens. Vielleicht sollte sie ihn bitten, sie mit zu nehmen. Sie vertraute ihm. Zusammen hatten sie vielleicht eine Chance.

Sheila saß im Burggarten und lauschte den Vögeln. Der Sommer ging dem Ende zu, aber die Sonnenstrahlen wärmten ihre Haut, sodass sie sich für einen Moment einbilden konnte, dass sie die Wärme auch im Herzen spürte.

Hotori schien ausgerechnet heute Gartendienst zu haben, denn er jähtete ausgerechnet wenige Meter von ihr entfernt Unkraut. Mittlerweile tat es ihr fast leid, dass sie ihm nicht das schenken konnte, was er sich von ihr erhoffte. Eine junge Magd eilte über den Kiesweg, doch als sie Hotori erblickte stockte sie kurz und errötete augenblicklich. Interessiert musterte Sheila das Mädchen. Sie war ein wenig jünger als sie selbst, aber sehr hübsch und eindeutig schwer verliebt in den treuen Diener. Doch dass sie nicht Hotori sondern Sheila ansteuerte merkte diese erst, als die Kleine direkt vor ihr stehen blieb.

„Herrin?“

Sheila blinzelte gegen die Sonne.

„Was kann ich für dich tun?“

Die Magd räusperte sich unbehaglich und schielte zu Hotori, der zwar weiter arbeitete, aber ihnen mit Sicherheit zuhörte.

„Der Wolf verlangt nach Euch!“

Sheila verdrängt alle negativen Gefühle.

„Lass ihm ausrichten, dass ich nicht mehr an seine Abmachung gebunden bin.“

Das Mädchen rang die Hände in den Falten ihrer Schürze und mittlerweile vermutete Sheila, dass nicht nur der junge Mann im Blumenbeet der Grund war.

„Nun, die Soldaten bitten Euch, sofort zu kommen. Der Gefangene, er hat versucht…er wollte dir Tür aufbrechen. Dabei ist einer von ihnen verletzt worden.“

Entsetzt sprang Sheila auf.

„Ist er ernsthaft zu Schaden gekommen?“

„Ich weiß es nicht genau, Herrin!“

Doch das hörte Sheila nicht mehr, sie hatte bereits das Ende des Gartens erreicht.
 

Es war schwierig gewesen, die Soldaten davon zu überzeugen, dass sie in die Zelle gehen musste. Kasuke hatte sich gegen die Tür geworfen, als der Wächter ihm Wasser hinein schieben wollte. Dabei hatte sich der Mann die Schulter ausgekugelt. Da sie aber zu Dritt gewesen waren, hatte Kasuke keine Chance gehabt, doch Konomi war bereits unterrichtet und Sheila hatte die Befürchtung, dass Kasukes Uhr nun endgültig abgelaufen war. Das konnte sie doch nicht einfach hinnehmen.

Die Soldaten hatten sich erst überreden lassen ihr den Weg zum Verlies freizugeben, als sie ein Kurzschwert von ihnen genommen hatte. Sheila hatte keinen Zweifel, dass sie bereit war, dies zu nutzen, wenn es nötig war. Sie hatte den Umgang mit der Waffe nicht verlernt.

Einer der Wächter öffnete vorsichtig die Tür und Sheila ging mit der gezückten Klinge voran in die Zelle. Dass dies vollkommen unbegründet war, zeigte sich als sich die Tür hinter ihr schloss. Kasuke stand mit dem Rücken zum Eingang, vor der erloschenen Feuerstelle. Noch immer auf dem oberen Treppenabsatz stehend, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Es roch unangenehm, da die Bettpfanne seit längerem nicht geleert worden war. Doch was sie noch mehr erschreckt war der Zustand der Zelle, denn Kasuke musste in einem Wutanfall alles kurz und klein geschlagen haben. Der Tisch lag zwar auf der Seite, schien aber heile geblieben zu sein. Die Stühle dagegen waren zu Brennholz verarbeitet worden zu sein, ebenso das Bett und die Bücher.

In diesem Augenblick wandte sich der Wolfsdämon um und blickte zu ihr hinauf. Als er das Schwert in ihrer Hand sah, lächelte er spöttisch. Seine Wangen waren hohler geworden und seine Erscheinung verdreckt, doch seiner gefährlichen Ausstrahlung tat dies keinen Abbruch.

Sheila löste sich von der Tür und ging die Stufen in den Raum hinab, das Schwert immer im Anschlag und die Augenauf die Gefahr gerichtet. Kasuke bewegte sich nicht von der Stelle.

„Ich hoffe dir ist bewusst, dass du mit deiner Aktion deinem Leben ein Ende gesetzt hast. Konomi wird keinen Grund mehr sehen, dich am Leben zu erhalten.“

Der Wolfsdämon verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und warum kommst du dann noch einmal hierher?“

Sheila stutzte. Er hatte Recht. Wieso war sie in das Verlies gekommen, wenn sie doch wusste, dass sein Schicksal so unausweichlich war. Sie ließ das resigniert das Schwert sinken.

„Ich habe keine Ahnung!“

Sie sah auf und begegnete den kühlen Augen des Wolfdämons. Es war tatsächlich an der Zeit, sich irgendwo ein neues Leben aufzubauen- oder zu sterben. Sheila atmete tief durch.

„Konomi wird genau in diesem Augenblick darüber entscheiden, wie du sterben wirst. Ich kann dir leider nicht mehr helfen.“

Sie wandte sich ab. Sie würde jetzt gehen und versuchen, alles hinter sich zu lassen. Am Besten sie fand einen Weg, in ihre Welt zurück zu kehren. Dort hatte sie andere Herausforderungen zu meistern, normale Geschichten. Nichts mit Dämonen, Monstern oder Kriegen.

Doch sie schaffte es nicht weiter, als bis zu der ersten Stufe der Treppe. Dann packte sie etwas von hinten und legte die kalte Klinge des Schwertes an ihre Kehle.

„Du hast selbst gesagt, dass unsere Abmachung hinfällig ist. Und nun bringst du mich hier raus!“
 

Sheila hätte Angst haben sollen, aber stattdessen war sie sauer. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden und spürte einen scharfen Schmerz am Hals. Vor Wut stieß sie einen Schrei aus. Der Griff verstärkte sich.

„Wenn du so weiter machst, bist du tot bevor wir die Zelle verlassen haben!“, presste Kasuke hervor.

Sie trat ihm mit der Ferse gegen das Schienbein. Der Wolfsdämon zuckte nur leicht zusammen.

„Du Bastard!“, fauchte sie. „Ich geh keinen Schritt mit dir!“

Kasuke knurrte.

„Das werden wir ja sehen!“

Plötzlich explodierten Millionen Lichter aus Schmerz in ihrem Kopf, bevor es dunkel wurde.
 

Schaukeln. So ein unerträgliches Schaukeln. Wieso hörte das nicht auf. Übelkeit übermannte sie, wallte in ihr hoch. Sie schaffte es gerade noch, die Augen zu öffnen und erkannte L

laubbedeckten Waldboden, bevor dieser auch schon näher kam. Der Aufprall schmerzte, aber der Schwindel war schlimmer. Mit letzter Kraft übergab sie sich. Dann konnte sie nur noch den Kopf festhalten. Wieso drehte sich nur alles so schnell. Sie wimmerte leise. Als Antwort erhielt sie ein wütendes Schnauben.

Ein Pferd! Das hatte so geschaukelt.

Etwas landete dumpf neben ihr und sie erkannte wage zwei blanke Füße.

„Steh auf!“ Sie wurde in die Höhe gerissen, doch ihre Beine trugen sie nicht. Wieder musste sie würgen. Sie bekam eine Ohrfeige und als ob der Schmerz ihr Gehirn wieder an die richtige Stelle rückte, schaffte sie es endlich, ihre Augen auf ihr Gegenüber zu fixieren. Kasuke!

Mit einem Schrei warf sie sich auf ihn, schlug nach ihm, doch sie konnte nicht stehen. In dem Moment, als er ihr auswich, sackte sie wieder in sich zusammen.

Diese Kopfschmerzen. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie ihren Hinterkopf nach Verletzungen abtastete. Sheila spürte eindeutig eine Beule, ernsthaft verletzt war sie aber nicht, zumindest äußerlich. Sie schlang ihre Arme um die Knie und legte ihr Gesicht darauf. Wenn sie nur einen Augenblick zum Ausruhen hatte, würde das Kopfkarussell mit Sicherheit aufhören.

„Bleib wo du bist oder ich sorg dafür, dass es schlimmer wird!“

Als könnte sie gerade auch nur einen Schritt machen.

Sie hörte, wie Kasuke um sie herum lief und irgendwelche Dinge tat. Hass loderte in ihr auf, doch er hatte sie wirksam außer Gefecht gesetzt.

Als sie einige Zeit später Wärme verspürte, vermutete sie, dass er ein Feuer geschürt hatte. Zumindest schien er nicht mehr zu erwarten, dass sie heute weiter ritten. Sheila hob den Kopf und versuchte das Pferd zu erkennen, welches sie getragen hatte. Wenn sie richtig lag, war es der Rappe Orpheus, ihr Freund. Sie musste sich stark konzentrieren, damit sie ihn richtig sah. Das Pferd blickte in ihre Richtung, doch wenn sie sich nicht irrte, was Orpheus auf jegliche, erdenklich Art gefesselt, sodass er nicht fliehen konnte. Sie meinte Wut in seinen Augen lodern zu sehen.

In dem Moment trat Kasuke aus dem Wald. Dem Licht nach zu urteilen, ging die Sonne unter. Der Dämon trug Holz auf den Armen, welches er nun in die Flammen warf. Hungrig leckten sie daran.

„Trink!“

Er hielt ihr einen ledernen Wasserschlauch hin. Sie wandte den Kopf ab. Sofort griff er nach ihrem Kinn und versuchte sie zu zwingen, den Mund aufzumachen. Das Ergebnis war, dass sie sich verschluckte und husten musste. Sofort kam es ihr so vor, als würde der Kopf von ihren Schultern fallen.

„Lass mich in Ruhe!“, wimmerte sie, erneut den Kopf auf die Knie gepresst.

Wieder spürte sie seine Nähe, roch den brennenden Gestank von Alkohol. Im nächsten Moment fühlte sie einen stechenden Schmerz am Hals. Sie schlug nach ihm und traf ihn am Arm, sodass er von ihr ablassen musste. Ihr Blick fiel auf einen sauberen Leinenstreifen in seiner Hand, an der feuchten Stelle war Blut.

„Entweder du lässt mich den Schnitt am Hals säubern oder du wirst Fieber bekommen.“

Sheila erinnerte sich. Der Schnitt, den er ihr zugefügt hatte, mit ihrem Schwert.

„Fahr zur Hölle!“, zischte sie und wich vor ihm zurück. Kasuke seufzte und blickte verächtlich auf sie hinab.

„Willst du etwas so etwas wie einen Märtyrertod sterben? Wenn ja, bist du auf dem besten Weg dorthin.“

Sheila warf Orpheus einen Blick zu, was dem Wolf nicht verborgen blieb.

„Lass ihn frei!“

„Und was glaubst du, wie ich mit dir im Schlepptau vorwärts kommen soll?“

Sheila fuhr sich über das nasse Gesicht. Sie würde keine Schwäche mehr zeigen.

„Dann lass ihn und mich hier. Du brauchst uns nicht mehr. Als Wolf bist du schneller, als mit uns.“

Orpheus schnaubte, ließ aber den Wolfsdämon nicht aus den Augen. Sein Hals war an den Baum gebunden worden, sodass er nicht einmal den Kopf bewegen konnte.

„Schöner Versuch, aber du bist zu wertvoll. Du bist mein Freischein.“

Er sah sich um und schien zu wittern.

„Es war zwar sehr einfach die Burg zu verlasse, als sie bemerkten, dass ich dich in meiner Gewalt hatte. Aber sie werden mich verfolgen.“ Er sah auf Sheila hinab. „ Solange du jedoch bei mir bist, werden sie mir nicht zu nahe kommen.“ Er grinste böse. „Wie töricht Gefühle machen können.“

„Du hast ja keine Ahnung!“, gab Sheila angewidert zurück.

Kasuke hob nur eine Augenbraue und setzte sich. Er hatte irgendwann gejagt, denn er begann nun ein Kaninchen auszuweiden. Sheila wandte sich mit Ekel erfüllt ab.
 

Weder aß Sheila, noch trank sie. Alles in ihr widerstrebte dieser Gefangenschaft und es war ihr egal, ob sie überlebte oder nicht.

Nachdem Kasuke mit Gewalt versucht hatte, sie zu ernähren, hatte er es bald auch schon aufgegeben. Sheila war so unglaublich stur. Sie waren mittlerweile zwei Tage unterwegs und er konnte mit ansehen, wie sie Stunde für Stunde mehr in sich zusammen sackte. Mittlerweile saß sie vor ihm im Sattel, sodass er sie stützen konnte. Seine Verfolger saßen ihm im Nacken, aber wenn sie so weiter machte, hatte er mehr als nur ein Problem.

Er blickte sich um und witterte. Er konnte sich dunkel an diese Gegend erinnern. Sie konnten sich hier verstecken, aber er musste das Pferd los werden. Kasuke schob Sheila von dem Rappen und sie landete unsanft zu Füßen einer großen Eiche. Sie stöhnte vor Schmerzen, aber mehr als sich zusammen zu krümmen schaffte sie nicht. Er sprang nun ebenfalls ab und nahm dem Tier das Halfter ab.

„Verschwinde!“ Er schlug dem Rappen gegen die Flanke. Das Pferd scheute, wollte sich aber nicht vom Fleck bewegen. Seine Augen rollten und es versuchte um Kasuke herum zu tänzeln. Sheila lag hinter ihm und der Wolf durchschaute die Absicht des Tieres.

„Wag es nicht, mich herauszufordern!“, knurrte er. „Dann seid ihr beide tot.“

Orpheus blähte die Nüstern und stieg auf die Hinterbeine, aber er wagte keinen weiteren Schritt. Er warf den Kopf herum und bleckte die Zähne, dann jedoch machte er auf der Hinterhand und galoppierte zwischen den Bäumen davon. Kasuke war sich jedoch sicher, dass er Orpheus nicht das letzte Mal gesehen hatte.

Er wandte sich Sheila zu. Die junge Frau hatte sich zusammen gerollt, aber ihre Augen waren wach und bei Bewusstsein und sie starrte ihn an.
 

Orpheus ist frei! Sheila konnte einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken, aber der Wolfsdämon war zu abgelenkt um es zu hören. Wenigstens konnte Kasuke nur noch sie mit in den Abgrund reißen. Nun sah er sie an. Sein Blick sagte ihr, wie frustriert er darüber war, dass sie sich so quer stellte. Aber sie wollte einfach nicht zulassen, dass er sie als Druckmittel nutzen konnte.

Er hockte sich neben sie. Noch immer erwischte sie sich dabei, wie sie hin und wieder bekannte Züge in seinem Gesicht suchte. Doch da war nichts als Härte.

„Ich werde dich jetzt tragen!“, er knurrte diese Worte fast und Sheila versuchte, sich ihm zu entwinden.

„Hör sofort auf damit!“ Er schlug ihr ins Gesicht. Sheila spuckte ihm ins Gesicht.

„Du widerlicher Köter. Fass mich nicht noch einmal an!“

In diesem Moment schalt sie sich selbst als dumm, weil sie sich zum Hungern entschieden hatte. Sie hatte ihm kaum was entgegen zu setzen. Kasuke fluchte auch nur ausführlich und im nächsten Moment hatte er sie trotz allem auf den Arm gehoben.

„Wenn es dir lieber ist, dass ich dich wieder ins Land der Träume schicke, mach so weiter.“

Frustriert musste Sheila zugeben, dass sie nicht schon wieder geschlagen werden wollte.
 

Mit tiefen Zornesfalten auf dem sonst so glatten, erhabenen Gesicht beobachtete Konomi die Ärzte, die sich um die Verletzungen von Orpheus kümmerten. Der Rappe hatte sofort wieder umkehren wollen um Sheila zu retten, aber Konomi wusste, dass sie keine Fehler machen durften. In dem Moment, indem sich der Wolfsdämon in die Enge getrieben fühlte, würde er Sheila verletzen. Das mussten sie verhindern.

Periphae landete neben ihm und sträubte ihr Gefieder.

Kurz nachdem er hilflos hatte mit ansehen müssen, wie Kasuke Sheila mit einer Klinge an der Kehle entführte, hatte er die Clanführer zur Hilfe gerufen. Nicht alle hatten seinem Ruf sofort folgen können, da die Clans immer noch im Aufbau ihrer Dörfer waren, aber Periphae, die Felidae und die Echsen hatten sich bereits bei ihm eingefunden.

„Ich habe sie verloren!“, kreischte Periphae frustriert. „Er muss geahnt haben, dass wir ihn von der Luft aus suchen werden.“

Ein Fauchen zu seiner Rechten kündigte Sekura an. Konomi wusste, dass der Panter Sheilas Entführung durch seinen ehemaligen Kameraden mehr als persönlich nahm.

„Er wird sich ein Versteck suchen. Ich werde ihn suchen!“

Doch Konomi schüttelte nur den Kopf, sein silbernes Haar wehte im schwachen Wind.

„Er weiß wer du bist, Sekura, und wird wissen was deine nächsten Schritte sind. Ich habe jemand anderes nach ihnen ausgesandt.“

Sekura wirkte verwirrt und sah Periphae an, die Konomi nicht aus den Augen ließ.

„Mit ihm wird Kasuke nicht rechnen.“
 

Durch einen winzigen Gang, in den sie nur auf dem Bauch liegend hinein passten, hatte Kasuke sie in eine Höhle geschoben, die scheinbar immer tiefer in die Erde führte. Sheila sah nichts und es fiel ihr schwer zu kriechen, da es sehr Kraftraubend war. Doch Kasuke dränget sie bestimmt und grob weiter.

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich vor ihnen eine Kathedrale aus Stein. Verblüfft stockte Sheila und sah sich um. In der Mitte der Höhle lag ein See, der zu strahlen schien und sein Licht reflektierte sich in den feuchten Wänden. Wie tausende Kristalle.

Kasuke war über sie hinweg geklettert und lief um den See herum, der schätzungsweise nicht mehr als 25 Meter Umfang hatte. Er schien etwas zu suchen und wenige Augenblicke später erhellte eine Flamme die doch vergleichsweise kleine Höhle. Die Reflektionen hatten sie größer wirken lassen. Der Wolf entzündete eine Fackel und steckte sie in eine Halterung, die schon vorher dort gewesen sein musste. Das hieß, er wusste wo er war. Ein großer Vorteil gegenüber seinen Verfolgern.

Sheilas Hoffnung, dass man sie bald finden würde, schwand gerade gegen null.

Der Wolfsdämon kam auf sie zu und Sheila konnte sich nicht dagegen wehren, dass sie zurückweichen wollte. Doch Kasuke war es eindeutig leid, sich immer mit ihr zu streiten und warf sie einfach nur über die Schulter.

Er schleppte sie zu einem Platz, der eindeutig schon vorher zum Lagern genutzt worden war. Kaum hatte er sie abgesetzt, da zog er auch schon Decken aus einer Nische und warf ihr eine zu.

„Wenn du schon verhungern willst, halt dich wenigstens warm.“

Dann hatte er die Höhle auch schon wieder verlassen.
 

Jetzt war der Moment der Flucht. Das sagte sie sich nun bereits seit über einer Stunde. Trotzdem kauerte sie sich nach wie vor in eine Ecke der Höhle und starrte auf den Ausgang, durch den Kasuke verschwunden war. Was sollte sie nur tun? Egal wie sehr sie sich zur Wehr setzte, sie kam nicht gegen ihn an. Trotz der Strapazen behielt er sie immer noch bei sich, kümmerte sich sogar um sie.

„Verdammt noch mal!“ Sie versuchte sich auszurappeln. Sie musste diesen dummen Essstreik aufgeben, sonst würde er leichtes Spiel mit ihr haben, außerdem quälte sie der Durst fürchterlich. Sie stand etwas wackelig auf den Beinen, doch sie stand. Sie streifte die Decke von den Schultern und die Kälte der Höhle trieb ihr eine Gänsehaut über den kompletten Körper. Langsam ging sie zu dem kleinen See hinunter.

Die Kristalle auf dem Boden des Wassers leuchteten so unglaublich hell, dass Sheila nicht mehr die Augen davon abwenden konnte. Ein Summen erfüllte den Raum, etwas zog an ihr. Ein warmes Gefühl, ein Versprechen, dass es einen Ort gab, der besser war als alles was sie bisher kannte. In ihren Ohren rauschte es. Sheila berührte das Wasser und plötzlich war ihr nicht mehr kalt. Nein, eine Wärme strömte durch ihre Fingerspitzen in den Rest ihres Körpers und sie hörte Stimmen. Aber sie kannte diese Stimme doch!

„Mama?“, flüsterte sie. Jemand rief nach ihr, doch die Rufe kamen nicht von dem Ort, der so schön leuchtete. Die Rufe kamen aus der kalten Welt. Dort wollte sie aber nicht hin. Sie fiel dem Wasser entgegen und Glückseligkeit empfing sie.

Während sie dem Grund des Sees entgegen sank und der Sauerstoffgehalt in ihrem Gehirn immer mehr abnahm, sah sie eine Wiese voller Blüten. Die Vögel zwitscherten vergnügt und die Sonne wärmte ihre Haut. Alle Sorgen waren vergessen. Genau dort wollte sie hin. Dort wartete jemand auf sie. Da war sie sich sicher.

Aber warum sank sie nur so langsam. Sheila versuchte den Wiesen entgegen zu schwimmen, doch sie kamen einfach nicht näher.

Wieder Rufe. Lauter diesmal, bestimmter. Wer war das denn nur? Sah er denn nicht, was sie sah?

Plötzlich tauchte eine Gestalt vor ihr auf. Sie kannte das Gesicht, doch es störte das Bild. Es gehörte nicht in ihr neue, schöne Welt. Ein Ruck ging durch ihren Körper und etwas wollte sie von den Wiesen fort zerren. Sheila schrie und wehrte sich. Sterne tanzten vor ihren Augen. Sternschnuppen explodierten. Dieses Wesen entführte sie durch das Universum, wollte ihr den Frieden nicht gönnen, doch sie kam einfach nicht dagegen an. Die Wärme verschwand und Kälte breitete sich in ihr aus. Etwas stieß sie hart gegen die Brust und eine Stimme brüllte so laut, dass ihr die Ohren weh taten. Kein Vogel war mehr zu hören.

„Verdammt! Mach die Augen auf!“

Ein Schwall Wasser ergoss sich aus Sheilas Mund und genau dies war der Augenblick, an dem sie das Bewusstsein zurück erlangte. Ein schwerer Hustenanfall schüttelte sie, während irgendjemand ihr die Schultern und Kopf hielt. Sie war vollkommen orientierungslos und verwirrt.

„Ist dein neuer Plan, Tod durch Ertrinken?“

Sheila folgte der Stimme und blickte in unglaublich blaue Augen. Sie wirkten erschrocken und gehetzt, doch Sheila wusste nicht was der Grund dafür war.

„Du bist…“, sie hustete. „Du bist so wunderschön.“, flüsterte sie.

Ihr Gegenüber wirkte überrascht und amüsiert zugleich.

„Was auch immer in diesem Wasser ist, für Menschen ist das wohl nichts.“

Er löste sich von Sheila und lehnte sie gegen einen Felsvorsprung. Jetzt konnte sie ihn ganz sehen und Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf. Ihr wurde schummrig. Wieso hatte sie das Gefühl, als würden zwei Herzen in ihrer Brust schlagen?

„Wer bist du?“ Sie wusste, dass sie ihn kannte, aber diese Frage war so präsent. Der Mann runzelte leicht die Stirn.

„Hast du dir den Kopf auch angeschlagen?“

„Du bist nicht der Richtige!“

Dann war es dunkel.
 

Nachdenklich blickte Sandaru auf die Spuren, die sich im Fluss verloren. Der Wolf war gut. Er versuchte nicht nur seine Spuren zu verdecken, sondern auch seine Witterung. Und wenn er den Spuren der letzten Stunden Glauben schenken konnte, musste Kasuke Sheila getragen haben. Seine Abdrücke waren tiefer gewesen, als habe er eine Last mit sich geschleppt. Der Windkanter musste dem Wolfsdämon Respekt zollen. Er hatte Sheila mehrere Stunden getragen, ohne einen Augenblick sein Tempo zu zügeln. Doch wieso ließ er sie nicht einfach zurück. In seiner jetzigen Lage war sie doch nur ein Hindernis.

Sandaru hörte die anderen nahen. Sie würden sich nicht sehr über seine Vermutungen freuen.
 

Die Wärme kehrte in ihren Körper zurück und vertrieb die klamme Kälte. Ihre Lunge und Kehle brannten, aber sie konnte atmen und es fühlte sich an, als habe sie das zu lange nicht mehr gemacht.

Sheila öffnete die Augen. Sie lag noch immer in der Höhle, doch mittlerweile brannte ein Feuer und ein Fasan briet darüber. Sie versuchte sich aufzusetzen und konnte nur mit Mühe ein Husten unterdrücken. Was hatte sie denn nur getan? Es war alles so verschwommen.

Sie sah an sich hinab und erschrak. Sie war nackt. Nur eine Decke aus weichem Fell bedeckte ihre Blöße. Panisch sah sie sich um und entdeckte ihre Kleider über die Felsen verteilt, ausgebreitet und scheinbar feucht.

„Da wünscht sich mein altes Ich nichts sehnlicher, als dir einmal so nah zu sein und dann kann man es nicht einmal ausnutzen.“

Kasuke kam mit der Feldflasche in der Hand ans Feuer. Sein spöttisch, herablassender Blick widerte Sheila an.

„Ein dreckiger Köter wie du kann froh sein, wenn er so etwas überhaupt sieht. Ich hoffe für dich, dass du weg geschaut hast!“

„Wie hätte ich dir dann die nassen Kleider ausziehen sollen? Ich hätte dich im See lassen sollen!“, brummte er.

„Das hättest du. Der Tod war wirklich verlockend.“ Sie musste nun doch husten, was das Brennen in ihrer Kehle verschlimmerte.

„Das war eine Illusion. Dämonen sind vor diesen mächtige Kristallen gefeit, aber ich habe irgendwie vergessen, dass ihr Menschen schwach genug seid, davon angezogen zu werden.“

„Lieber eine tödliche Illusion, als deine Gesellschaft, noch dazu unbekleidet.“

Kasuke lachte leise. Ein tiefes, wohltönendes Lachen. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals.

„Dabei könnten wir so gut miteinander auskommen, wenn du nicht so kratzbürstig wärst!“

Sheila ignorierte ihn. Sie war es so leid. Konnte er sie nicht einfach zurücklassen?

„Warum geht’s du nicht einfach in den Westen, hinter die Kalten Berge. Dort würde niemand nach dir suchen und du bräuchtest mich nicht mehr.“

„Mit gefällt deine Gesellschaft aber!“ Er schmunzelte und blickte bedeutungsschwer auf die Decke, die sie sich bis unter das Kinn gezogen hatte. Sheila musste sich wirklich zusammen reißen, damit sie diplomatisch blieb.

„Ich bin doch nur eine Last. Du musst mich tragen und ich habe einen Hang dazu, mir das Leben zu nehmen. Was kann daran schon unterhaltsam sein?“

„Dass du den alten Kasuke noch immer liebst!“

Sheila schnappte erschrocken nach Luft.

„Wie bitte?“

Seine blauen Augen musterten sie so intensiv, als wollten sie bis in ihr Innerstes dringen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

„Nun ja, du hast es selber auf den Punkt gebracht. Es gibt auf dieser Welt nichts mehr, was meine Existenz rechtfertigen würde. Der Imperator, der mich geschaffen hat, ist tot und seine Armee zerschlagen. Mein jämmerliches, von Zweifeln und Schuldgefühlen zerfressenes Ich wurde von den Nachtmahren vollkommen verinnerlicht und nur meine böse, egoistische Seite ist übrig geblieben.“ Er hob die Arme, als wäre er hilflos, doch seine Augen glitzerten amüsiert. „Womit soll ich mir also die Zeit vertreiben?“

Sheila schluckte hart.

„Es ist wirklich nichts mehr von dem Kasuke übrig den ich gekannt habe!“, zischte sie. „Du bist einfach nur eine Ausgeburt der Phantasie eines Wahnsinnigen. Du quälst mich und hast Spaß dran. Das hättest du mir niemals angetan!“ Sie würde nicht weinen! Nicht vor ihm!

Er kam ihr gefährlich nahe und der Duft von Erde und feuchter Haut stieg ihr in die Nase.

„Trotzdem hast du versucht, mir das Leben zu retten. Und ich das deine.“

„Ein schwerer Fehler!“ Sie konnte nicht verhindern, dass sich ihr Atem beschleunigte.

„Denkst du das wirklich?“ Er schien tatsächlich an der Antwort interessiert zu sein. Sheila wünschte sich jedoch gerade nichts sehnlicher, als dass er von ihr abrückte.

„Du warst es, der gesagt hat, dass nur deine böse Seite übrig ist. Und diese Seite kann keinerlei Interesse an meinem Wohlergehen haben.“

Kasuke musterte sie, nahm ihren erhöhten Puls und ihre Nervosität wahr. Sie erwartete Hohn, erntete aber keinen.

„Ich bin nicht der Wolf, den du gekannt hast, aber ich bin Kasuke.“ Er forschte in ihrem Gesicht und wurde mit einem kurzen, schmerzverzehrten Aufblitzen belohnt. „Und du weißt das.“

„Was ändert das?“ Er labte sich an diesen Grausamkeiten. Er nahm die Tränen in ihren Augen genauso wahr, wie das Zittern ihrer Stimme.

„Dich reizt doch nur deine Macht über mich, die Zauberin die den Imperator getötet hat. Du bist kalt und grausam.“

Er fing eine Träne auf und musterte sie wie ein seltenes Insekt.

„Ich kann mich an dich erinnern, aber nicht an das Gefühl, was ich in deinen Augen sehen kann.“ Er blickte ihr in die Augen, als müsse er seinen Worten eine Stütze verleihen. „Ich weiß nicht was du für mich bist, aber ich weiß, dass ich dich nicht töten will.“ Er berührte eine Strähne ihres Haares.

Sheila begann zunehmend unkontrolliert zu zittern. Alles in ihr schrie.

„Bitte hör auf!“, schluchzte sie. „Das ist nicht fair…das habe ich nicht verdient.“

Kasuke rückte ein wenig von ihr ab, blieb aber stumm. Die junge Frau machte den Eindruck, als habe sie furchtbare Schmerzen, doch er konnte nicht wirklich den Ursprung dafür ausmachen.

Und genau in diesem Augenblick entlud sich ein blaues Licht. Sheilas Macht und sie wusste nicht, woher sie auf einmal kam. Doch sie traf Kasuke wie ein Blitzschlag mitten auf die Brust. Mit einem Knall flog er durch die Höhle und prallte so hart gegen die Wand, dass der Berg zitterte.
 

Erschrocken schlug Sheila die Hände vor den Mund. Wie gelähmt blickte sie auf den leblosen, in Rauch gehüllten Körper, der einige Meter von ihr entfernt liegen geblieben war. Ähnliche Bilder drängten sich ihr auf. Damals hatte sie gedacht, sie hätte ihn umgebracht. Dort, vor der Burg.

„Kasuke!“

Beinahe wäre sie über die geraffte Decke gestürzt und doch war sie in wenigen Schritten an seiner Seite.

Der Wolfsdämon lag auf dem Rücken. Seine Augen waren geschlossen und es sah fast so aus, als ob er schliefe, wenn nicht die grauenvolle Verletzung auf seiner Brust gewesen wäre. Als hätte ihn ein Schwert aus Feuer getroffen, lief eine verbrannte Fleischwunde von der linken Schulter zu der rechten Hüfte. Der Geruch von verkohltem Fleisch drang nur mühsam in Sheilas Bewusstsein. Die Panik schnürte ihr die Kehle zu.

Sie wagte es nicht ihn zu berühren, verharrte unschlüssig über ihm.

„Kasuke, bitte sag was!“, flüsterte sie. „Bitte mach die Augen auf.“

Mit zitternden Fingern versuchte sie seinen Puls zu fühlen, doch sie konnte ihn nicht finden. Jetzt konnte Sheila die Tränen nicht mehr zurück halten. Laut schluchzend legte sie ihr Ohr an sein Gesicht, in der Hoffnung, dass er atmete. Sie hörte nur ihr eigenes, unkontrolliertes Keuchen.

Was hatte sie nur getan.

Sie legte eine Hand auf seine Stirn und sah in genau diesem Augenblick nur den Kasuke, den sie geliebt hatte.

„Es tut mir so leid, hörst du?“, wisperte sie, noch immer geschüttelt durch die Tränen. Sie schloss die Augen. Sheila, du musst dich zusammen reißen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und schlug gegen die Felswand. Es war jetzt nicht wichtig, wer da vor ihr lag. Sie musste sich darauf konzentrieren, was getan werden musste.

Diesmal suchte sie mit ruhiger Hand nach dem Puls des Dämons. Erneut musste sie die Panik niederkämpfen, dass sie zu spät sein könnte. Dass sie ihn getötet hatte.

Doch da! Sie spürte etwas.

Sofort konnte sie wieder freier atmen. Er lebte und noch dazu schlug sein Herz recht kräftig. Okay, das war eine gute Nachricht, als nächstes die Wunde.

Sie hatte ihn schwer getroffen, schlimmer als damals. Ein Mensch hätte das nicht überlebt, doch Kasuke war anders. Sheila hatte mehr als einmal gesehen, wozu Dämonen fähig waren.

Vorsichtig berührte sie ihn an der Wange: „Kasuke, bitte, du musst zu dir kommen!“ Er musste sich verwandeln. „Kasuke!“ Sie hatte solche Angst seine Verletzungen zu verschlimmern. Nun nahm sie sein Gesicht in beide Hände. Tränen liefen erst ihr und dann ihm über die Wangen. „Hörst du mich, Kasuke? Unsere Diskussion ist noch nicht beendet. Hast du gehört?“

Sie strich ihm über den Kopf. Irgendwie musste sie ihn dazu bringen, das Bewusstsein zurück zu erlangen. Nur er konnte sich selbst halten. Sheila blickte sich um. Wenn sie zum See ging um Wasser zu holen, lief sie erneut Gefahr, von den Kristallen verzaubert zu werden. Dann war sie Kasuke auch keine Hilfe mehr.

Trotzdem zögerte sie nicht eine weitere Sekunde.

Sie hastete zum See, mit dem leeren Wasserschlauch in den Händen und schon nach wenigen Metern summte es wieder in ihrem Kopf.

Er wird sterben! Wenn ich jetzt einknicke, kann ich ihm nicht mehr helfen!, wiederholte sie immer wieder und konzentrierte sich auf ein Bild. Eine Erinnerung aus einer Zeit, als der Wolf noch ihr Freund gewesen war. Der letzte Moment, bevor sie ihn verloren hatte.

Sie stolperte über die Ecken der Decke und ging am Ufer in die Knie. Die Kristalle schienen noch intensiver zu leuchten. Warum dauerte es nur so lange, bis der Schlauch sich füllte? Wieder hörte sie Stimmen. Sie flüsterten und Sheila verstand sie nicht.

Kasuke! Kasuke!

Der Name war wie ein Anker, der sie in der Realität hielt auch wenn die Ränder ihres Bewusstseins bereits unscharf waren. Dann war der Wasserschlauch voll. Sheila wäre beinahe erneut gestürzt, als sie zu dem Wolfsdämon zurückeilte. Doch sie fing sich.

Wieder suchte sie seinen Puls. Keine Veränderung. Sheila hob den Schlauch an und leerte ihn über seinem Gesicht. Keine Reaktion. Verdammt, wie hatte sie auch glauben können, dass das half. Verzweifelt sah sie dem Wasser nach, das über den Felsenboden zurück in den See floss. Blau Blitze…..

Das war’s!!! Sie suchte in ihrem Inneren nach der Macht, die sich solange verborgen hatte und dann in einem Moment, in dem sie in Not war wieder aufgetaucht war. Sie brauchte jetzt ihre Hilfe.

Sheile legte die Hände in die Reste des Wassers. Das nannte man wohl eine mittelalterliche Art der Reanimation. Dann schossen die Blitze über das Wasser in Kasukes Körper. Sheila versuchte die Energie einigermaßen zu bündeln, damit sie ihn nicht grillte. Der Wolf öffnete sofort die Augen und keuchte.

„Kannst du mich hören?“, sie beugte sich über ihn, versuchte seinen Blick auf sie zu konzentrieren. Seine Augen folgten ihrer Stimme. Er wollte sprechen, aber seine Stimme versagte.

„Du musst versuchen, dich in einen Wolf zu verwandeln. Verstehst du?“

Kasuke blinzelte, sein Blick verschleierte sich und im nächsten Moment schmolz seine Gestalt auch schon und wurde zu dem schwarzen Wolf, den sie so gut kannte. Die Verletzung sah immer noch schlimm aus, aber wirkte weniger gefährlich. Kasuke versuchte sich knurrend aufzuraffen. Es schien, als wolle er zwischen Sheila und sich Abstand bringen.

„Bleib liegen!“, schimpfte sie, doch als sie ihn berühren wollte schnappte er nach ihr. Alle Angst um sein Leben war mit einem Mal verflogen. „Du sturer Mistkerl!“

Der Wolf fletschte die Zähne.

„Ich schwöre bei allen Mächten dieser Erde, dass ich dir nie wieder das Leben retten werde!“ Sie stand auf und ging zurück zum Lager. Es war an der Zeit, dass sie wieder ihre Kleider trug. Solange Kasuke verletzt war, konnte sie fliehen und diesmal würde sie nichts abhalten.

Ein Winseln ließ Sheila kurz zögern. Als sie sich umdrehte, sah sie wie der Wolf seinem Instinkt folgend an der Wunde leckte.

„Nein! Bist du verrückt geworden?“ Ohne sich der Gefahr weiter bewusst zu sein, die seine Nähe bedeutete, schlug sie ihm auf die Schnauze. „So wird es nur schlimmer.“ Sie durchsuchte seine Sachen und fand den Branntwein, mit dem er vor einigen Tagen versucht hatte ihren Schnitt am Hals zu reinigen. Sauberes Leinen jedoch hatte sie nicht. Sheila sah sich um. Ihre Kleider waren voll von dem Wasser des merkwürdigen Kristallsees, das war keine gute Alternative. Sie blickte an sich hinab. Nur die Decken blieben ihr.

„Dass ich so etwas für dich tu!“, seufzte sie.
 

Blitze zogen über dem Himmeln und das laute Grollen verriet Sandaru, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Wenn er die Spur nicht in wenigen Minuten wieder fand, würde er Sheila nie aufspüren können. Er bemerkte, dass die Fogal abzogen. Bei dem Wetter liefen sie Gefahr, von Blitzen getroffen zu werden.

„Wenn wir sie nicht bald finden, werde ich verrückt.“ Der Anführer der Felidae war aus dem Schatten der Bäume getreten und sah wie der Windkanter besorgt in die Lüfte.

„Kasuke scheint eine Möglichkeit zu kennen, sich hier in dieser Gegend zu verstecken!“, er blickte auf den Panter hinab. „Du hast wirklich keine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte?“

Der Panter fauchte wütend.

„Wenn ich es wüsste, würde ich mit Sicherheit nicht mit dir hier stehen, du ….“

Sandaru hatte sich jedoch bereits abgewandt. Er wusste, dass Sekura eine Abneigung gegen ihn hatte, aber dafür hatte er keine Zeit. Er sah noch einmal in den Himmel. Es war sogar zu spät.
 

Eine Stunde später trug sie das einzige einigermaßen trockene Kleidungsstück, ein dünnes Unterhemd, und hatte die Decken in Streifen gerissen. Mit einem Teil des Stoffes hatte sie die Wunde gereinigt und nur ihre bösen Blicke schienen den Wolf davon zu überzeugen, dass er sich besser nicht wehrte. Die Wunde heilte bereits leicht, also musste sie sich beeilen. War sie einmal geschlossen, konnte Sheila sie nicht mehr ordnungsgemäß reinigen. Dann nutze sie den Rest der Decke um ihn zu verbinden. Während der Behandlung hatte der Wolf hin und wieder gewinselt, doch ansonsten hatte er sich vorbildlich verhalten.

Kaum war sie fertig gewesen, hatte sie sich auch von ihm abgewandt. Sie wusste, dass es ihm widerstrebte ihr gegenüber hilflos zu sein, denn er robbte trotz größter Schmerzen ans Feuer heran, ohne sie um Hilfe zu bitten. Doch dann sackte er auch sofort wieder auf die Seite.

Sheila tat so, als habe sie es nicht bemerkt. Der in Vergessenheit geratene Fasan war mittlerweile mehr als nur gut durch und sie nahm ihm vom Feuer. Kasuke musste für den Heilungsprozess, der durch das hohe Tempo des Dämonenbluts sehr viel Energie kostete, viel fressen. Sie zerschnitt mit dem Kurzschwert etwas umständlich den trockenen Vogel und legte das Fleisch vor die Schnauze des Wolfs. Kasuke öffnete die Augen und wirkte einen Augenblick überrascht. Er ließ Sheila nicht aus den Augen, während sie ihm alles in kleinen Happen vorbereitete.

Erst als sie sich wieder gesetzt hatte, begann er zu fressen.

Sheila war auf einmal so unglaublich müde. Nicht nur, dass sie einen Teil ihrer Energie durch die Gegend geschossen hatte, auch ihr Angst Kasuke zu verlieren und die Anspannung zollten ihren Tribut. Sie rollte sich am Feuer zusammen, da sie nun auch dank der fehlenden Kleider fror.

Außerhalb des Berges donnerte es dumpf. Ein Gewitter! Jetzt würde sich die Suche nach ihr erst einmal verzögern.

Sheila blickte mit schweren Lidern in die Flammen.

Dabei hatte sie doch die Möglichkeit zu fliehen und trotzdem war sie noch hier. Sie hatte Angst Kasuke zu verlieren, dabei war er doch schon länger kein Teil mehr von ihr. Ihre Augen schlossen sich. Darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken. Nicht jetzt.
 

Träge beobachtete Kasuke die junge Frau, die ihm gegenüber am Feuer noch immer tief schlief. Das dünne, graue Hemd bedeckte Sheila kaum und er konnte sehen, dass sie fror. Ihr schwarzes Haar lag wirr um ihren Kopf herum und fiel ihr in Gesicht.

Sie hatte ihn verletzt, aber auch gerettet. Die Wunde heilte aus irgendeinem Grund rasend schnell, schneller als er es gewohnt war und er fragte sich, ob es an Sheilas Macht lag. Er hatte noch immer Schmerzen und er wusste, dass er momentan nicht weit kommen würde, aber er lebte.

Er robbte um das Feuer herum, damit er sie genauer betrachten konnte. Warum war sie nicht geflohen? Er hätte sie nicht aufgehalten, nicht hindern können. Seine Schnauze berührte ihr Haar. Sie war so unbeschreiblich traurig und das nur, weil er nicht mehr der war, den sie einst gekannt hatte. Auch Trauer war ihm kein Begriff. Doch er sah, dass Gefühle auch körperlicher Natur waren und er wusste was physische Schmerzen waren. Gerade jetzt war ihm das nur allzu deutlich.

War es dann so, dass Sheila die ganze Zeit Schmerzen litt? Als ob er ihr mit seiner Anwesenheit jede Minuten einen Dolch in ihr zartes Fleisch stieß.

Der Gedanke störte ihn. Er wollte sie nicht verletzten und auch nicht töten. Er war grob gewesen, dass wusste er, aber er hatte es ernst gemeint, als er gesagt hatte, dass er ihr nichts antun würde.

Er legte den Kopf auf die Vorderpfoten und musterte Sheila lange.

Was war das mit ihr nur?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-04-07T14:06:40+00:00 07.04.2012 16:06
Hallo : )
Tschuldige, dass ich das Kapitel erst jetzt gesehen habe... . Es ist wunderschön. Vielen Dank. Ich sitze hier mit Tränen in den Augen. Es ist so traurig, bei der Person zu sein, die man liebt, die das aber wiederum nicht erwidern kann ..

Wünsche Dir schöne Ostern, Mako


Zurück