One and a half Lovesong von -Yue (Wie alles begann) ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Es dauerte nur Sekunden doch es kam Reita vor wie eine Ewigkeit. Uruhas Augen hatten seinen Blick eingefangen und ihm stockte der Atem. Der Ausdruck in seinen Augen glich Wehmut und Reitas Herz schlug bis zum Hals. Es erinnerte ihn an ihren letzten Abschied. Uruha war so freundlich gewesen und in seinen Augen hatte etwas Undefinierbares geglänzt. Doch nachdem Reita einen Fuß aus dessen Wohnung gesetzt hatte war es verschwunden. Und nun wusste er den Grund. Er hatte ihn verletzt, ihn restlos enttäuscht, denn er hatte sich an nichts erinnern können. Nicht an ihr Gespräch und viel schlimmer noch, ihr Kuss war durch seine Trunkenheit nicht nur getrübt sondern darüber hinaus von dem dichten Nebel in seinem Kopf geschluckt worden. Und nach und nach lichtete er sich, ließ Erinnerungen in sein Bewusstsein strömen. Und mit ihnen folgten die Fragen. Wieso stand Uruha hier so vertraut mit ihrem Schlagzeuger, der offensichtlich mehr war als nur ein Freund. Wie hatte er so blind sein können? Doch Uruhas Verhalten ihm gegenüber war, wenn er richtig darüber nachdachte, so hoffend gewesen. Hatte er verspielt oder hatte es nie etwas bedeutet? Er hatte das Gefühl zu fallen. So tief, dass seine Stimme sich anhörte als würde sie aus einem leeren Brunnen, an steinernen Mauern, widerhallen. „Aoi wollte mit uns auf den Plattenvertrag anstoßen. Kommt ihr?“ Der Bassist wartete die Antwort nicht ab. Während er den schlauchartigen Flur zurücklief wurde ihm klar, dass er Yune ab sofort mit anderen Augen sehen würde. „Hast du sie gefunden?“ Aoi hielt es anscheinend keine Minute länger in diesem Club. „Ich denke sie kommen gleich.“ Reita rieb sich den Nacken. „Sag mal, wollt ihr eigentlich so angezogen bleiben?“, fügte er leicht grinsend hinzu um seine Zerstreutheit gekonnt zu überspielen. Nachdem auch Yune und Uruha zu ihnen gestoßen waren und sie sich ihrer verschwitzen Bühnenkleidung entledigt hatten traten sie ihren Weg zu einem weiteren Club an diesem Abend nicht weit entfernt an, um auf den plötzlichen Erfolg anzustoßen. Sehr schnell mussten sie feststellen, dass voll bepackte Taschen und Rücksäcke eher hinderlich waren als sie sich einen Platz durch die Masse hindurch erkämpften. „Was wollt ihr trinken?!“, rief Aoi als sie endlich alle einen Platz gefunden hatten. Er musste schreien um gegen die laute Musik anzukommen und hatte Mühe seine Bandkollegen zu verstehen. Ruki erhob sich schließlich und bot Aoi seine Hilfe an, mit der Begründung, dass sie sonst den Boden wischen und kehren konnten. Der schwarzhaarige Gitarrist brummte etwas Unverständliches bevor er sich mit dem, gut einen Kopf, Kleineren, einen Weg durch die Menge bahnte um die Getränke zu besorgen. Ehe Reita es sich versah, saß er alleine mit Uruha und Yune an dem Tisch mit, der im bunten Licht momentan orange leuchtenden, Plastikplatte. Die Musik dröhnte in seinen Ohren doch zwischen ihnen herrschte angespannte Stille. Zumindest hatte Reita das Gefühl, denn sein ganzer Körper hatte sich verkrampft und er versuchte keinen der beiden anzusehen. Die Plattenfarbe wechselte von orange nach blau und wieder abwechselnd von grün nach gelb. Sein Blick heftete sich in der Menschenmasse fest und suchte scheinbar angestrengt nach seinen beiden Freunden, die wie er hoffte bald mit den Getränken auftauchen würden. „Habt ihr euch überlegt wie wir Uruhas Ausstieg Aoi beibringen sollen?“, ergriff Yune plötzlich das Wort. Reita wandte sich zu ihm um und sah ihn überrascht an. „Ich dachte er wüsste bescheid!“ Uruha und Yune tauschten einen verlegenen Blick aus. „Es fiel mir etwas schwer…“, versuchte Uruha gegen die laute Musik anzukommen, „Ich hab irgendwie das Gefühl ich würde euch verraten.“ „Dann bleib!“ Reitas Einwurf klang drängend und entschieden und ihm war bewusste, dass es unfair von ihm war, wusste er schließlich um Uruhas Situation. Dieser hatte die Hände in seinem Schoß vergraben und spielte unstetig mit seinen Fingern. Er schien hin und her gerissen und schon tat Reita seine Unüberlegtheit leid. Wieso konnte er wenn es um den brünetten Gitarristen ging nur keinen kühlen Kopf bewahren? Das metallene Knallen einer Kollision von Glas und Tischplatte ließ die drei verwirrt aufsehen und ein Blick in Aois Gesicht ließ schnell erahnen, dass Ruki ihnen die unliebsame Aufgabe abgenommen hatte, dem Schwarzhaarigen Uruhas Ausstieg aus der soeben neu entstandenen Formation, beizubringen. „Wieso erfahre ich das erst jetzt?!“, schnaubte Aoi und ließ sich neben Uruha auf seinen Platz sinken, „Ich dachte dir wäre klar geworden, dass dein Leben der Musik gilt als du hier eingestiegen bist!“ „Aoi, versteh doch, es ist für mich nicht leicht…“, versuchte Uruha sich zu erklären, doch Aoi hob die Hand und gebot ihm zu Schweigen. „Lass mich dir eine Frage stellen. Wieso bist du heute mit uns aufgetreten?“ Uruhas Stirn legte die Stirn in Falten, er überlegte einen Moment bevor er antwortete. „Weil Reita mich darum gebeten hat und ich euch nicht von einem Tag auf den anderen hängen lassen wollte.“ Auf Aois Lippen schlich sich ein überlegenes Grinsen. „Falsch!“ Ruki, der sich mittlerweile gesetzt und scheinbar desinteressiert an seinem Drink genippt hatte, richtete seinen Blick nun ebenfalls wie alle anderen auf den Gitarristen. Uruhas Lippen kräuselten sich und er wirkte angespannt. Beinahe erweckte er den Eindruck verärgert über Aois Widerwort zu sein, doch er schwieg und wartete mit zusammengebissenen Zähnen darauf, was der andere ihm als nächstes zu sagen hatte. „Es ging dir nicht um uns. Wir hätten unseren Auftritt schon gemeistert, wenn vielleicht auch weniger gut als geprobt war. Aber es war deine Neugier auf ein Leben, das du nur zu gerne leben würdest. Du wolltest wissen wie es ist auf einer Bühne zu stehen, jetzt wo sich dir die einmalige Chance bot. Und im Grunde genommen hast du dich damit doch schon entschieden. Du kannst dein Studium jederzeit fortsetzen, aber ist dir ein Auslandsjahr wirklich wichtiger als dein Traum?!“ Mit diesen Worten hatte er die so sicher geklungene Entscheidung Uruhas ins Wanken gebracht und Reita schöpfte neue Hoffnung. Seine Augen fingen Uruhas Profil ein und dessen Züge wirkten noch angespannter als zuvor. „Du willst mir doch nicht sagen, der Auftritt heute hätte dir nicht gefallen?!“, neckte Aoi ihn weiter und Reita war sich nicht sicher ob es gut wäre Uruha noch mehr zu provozieren. „Natürlich hat er das“, presste Uruha hervor. Es schien im schwer zu fallen sich in dieser Situation zurecht zu finden. Aoi hob abschätzend eine Augenbraue. „Dann hättest du dir bei deinem Solo ruhig mehr Mühe geben können“, stichelte er. Yune schnappte nach Luft. Wenn es etwas gab, das Uruha nicht ausstehen konnte, dann war es Kritik an seiner Spielweise. Uruhas Züge verhärteten sich, doch ganz gegen Yunes Annahme wurde er nicht wütend sondern blitze Aoi herausfordernd an. „Das nächste Mal spiele ich dich an die Wand“, grinste er. Aoi stieß einen Freudenschrei aus noch ehe der Rest der Band sich der Bedeutung dieser Worte bewusst wurde. Aoi umarmte den Gitarristen so stürmisch, dass Yune vorsichtshalber Uruhas Stuhl festhielt. Reita musste bei der Überschwänglichkeit des Schwarzhaarigen unweigerlich schmunzeln und warf einen Seitenblick zu Ruki, der das Ganze eher missmutig zu beobachten schien. Der Bassist runzelte die Stirn bevor er Ruki schließlich freundschaftlich in die Seite knuffte, was diesen endlich dazu brachte seine versteinerte Mine zu lösen und ein Lächeln zustande zu bringen. „Auf Gazette!“ Aoi hob sein Glas. Der Rest der Band folgte seiner Aufforderung und auch sie erhoben ihre Gläser und gemeinsam stießen sie an. Reita hatte aus seiner letzten unliebsamen Begegnung mit zuviel Alkohol gelernt und stieg nach seinem ersten Drink, zur allgemeinen Erheiterung, auf Fruchtsäfte um. Doch er nahm Aois Feixen gerne in Kauf, wenn er so einem Kater entgehen konnte. Ruki hingegen schien es darauf angelegt zu haben, denn er kippte einen Drink nach dem anderen und bald ruhte nicht nur Reitas sorgenvoller Blick auf ihm. „Ist er immer so?“ Yune hatte sich zu Reita gebeugt und sein leicht alkoholisierter Atem kitzelte Reitas Ohr. Dieser bemühte sich das Gesicht nicht zu verziehen, die Nähe des anderen war ihm unangenehm. „Ab und an“, antwortete er, „Er ist standhaft.“ Ruki, der bis eben eine wahnwitzige Diskussion über Quallen und deren prozentualen Bestandteil aus Wasser geführt hatte um Aoi, der den glitschigen Lebewesen nur wenig Begeisterung entgegenbringen konnte, einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen, horchte bei diesen Worten unwillkürlich auf. Er kicherte leise. „Reita ist auch standhaft, in anderer Hinsicht“, grinste er breit und griff Reita mit der Hand in den Schritt, was diesem ein ungehörtes Keuchen entlockte bevor er ruckartig aufstand. Aoi und Yune hoben anerkennend die Daumen ehe sie anfingen in Rukis Grinsen mit einzustimmen. Reita schnaubte kurz, verschwand dann aber zielstrebig in Richtung der Toilette. Uruha, der den Blonden mit gemischten Gefühlen beobachtet hatte, erhob sich ebenfalls, lächelte flüchtig in die Runde und folgte dem Bassisten schließlich. Reita war gerade dabei sich zu erleichtern als er aus den Augenwinkeln wahrnahm wie Uruha sich an einem Gast vorbei zu ihm hinein schlängelte. Wie selbstverständlich stellte er sich neben ihn und öffnete seinen Hosenladen. Reita schluckte trocken, wandte den Blick nun gänzlich ab und versuchte nicht auf gewisse Stellen des Brünetten zu achten. Als er zog schloss auch Uruha seine Hose wieder und folgte ihm schweigend an die beiden, kleinen Waschbecken gegenüber. Die weißen Kacheln spiegelten das Licht unnatürlich hell wider und Reita fühlte sich wie so oft aus der Realität gerissen, was wie er vermutete nicht zuletzt mit der Anwesenheit des Gitarristen zu tun hatte. „Seid ihr zwei zusammen?“ Uruha trocknete sich die Hände unter der heißen Luft des Händetrockners, an dem die weiße Lackierung zu Teilen schon absprenkelte. Reita glaubte zunächst sich aufgrund des lauten Geräusches, das das Gerät verursachte, verhört zu haben, doch Uruhas Augen sahen ihn mit solch einer Intensität an, begierig darauf eine Antwort zu erhalten, dass seine Ohren wohl gut genug zu funktionieren schienen. Endlich schüttelte er den Kopf. „Nein, wir sind nicht zusammen.“ Uruha nickte, schien nachdenklich. „Was ist los?“ Argwöhnisch hob Reite eine Braue. „Ich weiß nicht ob ich mich über diesen Umstand freuen sollte oder nicht“, lächelte er matt. Reita blickte ein wenig verwirrt auf die schmächtige Gestalt Uruhas bis es ihm dämmerte auf was dieses Gespräch hinauslaufen sollte. „Was ist mit dir und Yune?“ Hätte Uruha nicht damit begonnen hätte er womöglich nie danach gefragt und einfach versucht es zu verdrängen. „Ich fürchte wir spielen das gleiche Spiel wie du und Ruki.“ Er strich sich über die Arme und Reita empfand diese Geste als so hilflos, dass er ihn am liebsten in die Arme geschlossen hätte. Doch er brachte es nicht über sich, schon allein die Situation erschien im zu seltsam und unwirklich und so probierte er es metaphorisch und versuchte Uruha mit seinen Worten in eine wärmende Schutzhülle zu kleiden. „Ich… hab mich an unseren Kuss erinnert.“ Und es schien zu funktionieren. Uruhas Wangen zierte ein feiner Hauch rosa und seine Lippen deuteten ein Lächeln an. „Aber es tut mir leid, dass es passiert ist als ich betrunken war“, fügte Reita geknickt hinzu. „Vielleicht wäre es sonst nie passiert“, lächelte der brünette Gitarrist, „Außerdem lässt sich so etwas nachholen.“ Uruhas melodiöse Stimme jagte Reita ein Kribbeln über die Haut und unsicher machte er einen Schritt auf sein Gegenüber zu. Langsam neigte Uruha seinen Kopf um Reitas Lippen entgegenzukommen als in diesem Moment die Türe aufflog und einige betrunkene, lärmende Clubgäste den kleinen Räum füllten. Etwas peinlich berührt blickte Reita den Brünetten an, doch dieser lächelte nur sanft. Mit einem Kopfnicken deutete Reita in Richtung Tür und zusammen drängten sie sich aus zwischen den Männern hindurch. Der Moment, der ihre Distanz hätte brechen können, verstrich ungenützt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)