One and a half Lovesong von -Yue (Wie alles begann) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Die Woche schien sich für Reita dahin zu ziehen wie zähflüssiges Karamell. Den nachfolgenden Tag hatte er mit einem nachmittäglichen Kinobesuch über die Runden gebracht und hatte innig gehofft Ruki würde den Samstag frei haben, denn Videogames alleine zu zocken hatte ihm noch nie viel Spaß bereitet, im Gegensatz zu dem Sänger. Doch er wurde enttäuscht. So musste er sich auch diesen Tag wenigstens bis zum späten Nachmittag allein vertreiben. Immerhin ließ ihn die bevorstehende Bandprobe nach dem Wochenende eine einigermaßen gute Laune bewahren. Nach einem warmen Mittagessen beschloss er, sich einen Satz neuer Basssaiten zu besorgen. Das letzte Mal war er zusammen mit Ruki in einem Musikladen gewesen um Kopfhörer für den Verstärker zu kaufen, weil die Nachbarn sich über die Lautstärke beschwert hatten. Und das lag schon eine Weile zurück. Auf dem Weg dorthin fragte er sich in welchem Laden Uruha wohl sein Geld verdienen mochte und erwischte sich dabei wie er auf den verschiedenen Etagen nach dem Brünetten Ausschau hielt. Ihm war bewusst, dass der hübsche Gitarrist in der letzten Zeit vorwiegend seine Gedanken beherrschte, doch es viel ihm schwer ihn auszublenden und er musste sich eingestehen, dass er dies auch gar nicht wollte. Der Anruf, der ihn erreichte während er sich in dem Geschäft umsah, ließ seine Gedanken noch wilderen Purzelbäume schlagen und Uruha bis zum frühen Abend nicht vergessen. „Ruki? Hast du meine Nasenbinde gesehen?“ Müde blickte der Sänger von seiner Zeitschrift auf. „Welche? Die Dunkelblaue, die Weiße, die Schwarze, die weiß Geriffelte, die schwarz Gemusterte, die…“ Er grinste als Reita ihn mit einem bösen Blick bedachte, denn er könnte schwören Ruki war gerade dabei sich über ihn lustig zu machen. „Die Weiße“, brummte er. „Mann, bin ich froh wenn der Gips abgenommen wird. Du bist doch sonst nicht so zerstreut.“ Der Brünette richtete sich langsam auf, strampelte die Wolldecke von seinen Füßen und legte die aufgeschlagene Zeitschrift auf den Tisch. „Wo bewahrst du deine neuste Modekreation denn normalerweise auf?“ „Rechte Schrankschublade.“ Während Reita sich sein Polohemd zuknöpfte, machte Ruki sich daran in der Schublade nach Reitas verloren geglaubten Nasenschmuck zu forschen. „Bei dieser Ordnung ist es ja nahezu unmöglich etwas zu finden.“ „Bring mir nichts durcheinander!“ Reita hob missbilligend eine Augenbraue und begutachtete das undurchsichtige Suchsystem des Sängers. Doch trotz der scheinbar wahllos herausgezogenen Textilstücke hielt Ruki wenige Sekunden später triumphierend das Gesuchte in der Hand. Brummelnd band der Blonde sich das Stück Stoff um die Nase. „Und du willst wirklich nicht mit?“ „Er hat ja nicht ausdrücklich verlangt mit uns beiden zu sprechen und ich bin wirklich verdammt müde. Noch eine Tasse Tee und dann ist Sense.“ Reita nickte und zog den Knoten noch etwas fester. Die Aussicht mit Uruha alleine zu sein erschien ihm reizvoll und er würde die Gelegenheit nur zu gerne nutzen. „Dann bis später.“ Der Bassist beugte sich zu dem Kleineren hinab, der mittlerweile wieder auf dem Sofa platz genommen hatte und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Ruki lächelte. Es war eine heimelige Atmosphäre wie man sie nur noch selten fand, die Reita erwartete als er die Bar betrat. Helle Holzverkleidung säumte die Wände und zusammen mit dem Dämmerlicht der alten Lampen strahlte der Raum eine Ruhe aus, die sich auf die Gäste zu übertragen schien. Aus den Lautsprechern drang gerade so laut Jazzmusik, dass man sie zwischen den Gesprächen leise im Hintergrund dahinplätschern hören konnte. Suchend glitt sein Blick über die Tischreihen bis hin zur Bar, die sich am Ende des Raumes in einer geschwungenen Linie erhob und sich nach rechts in einem Bogen schloss. Dahinter hantierten zwei Männer in mittlerem Alter mit Flaschen und Gläsern und bedienten routiniert ihre Gäste. Endlich entdeckte er Uruha, der mit dem Rücken zu ihm saß und sein Glas abwesend in der Hand drehte. Reita zog den Hocker neben dem Brünetten zurück und setzte sich neben ihn. Er machte einen der Barkeeper mit Handzeichen auf sich aufmerksam und bestellte sich einen Brandy Sour. Scheinbar bemerkte Uruha den Blonden erst als er dessen Stimme vernahm. „Hei.“ Reita lächelte und glaubte einen Moment lang Uruha würde die Geste nicht erwidern. Doch auch seine Lippen bogen sich geschwungen nach oben und in Reita machte sich Erleichterung breit. Seit Uruhas Anruf hatte er das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte, denn er hatte sich nicht erklären können weshalb Uruha so dringend mit ihm sprechen wollte. „Hast du Ruki nicht mitgebracht?“ „Nein, er war ziemlich erledigt. Wäre es denn wichtig gewesen?“ Reita hob zweifelnd eine Augenbraue und wartete während Uruha an seinem Drink nippte auf eine Antwort. Er beobachtete die feinen Perlen, die an seiner voller Unterlippe hingen wie Tautropfen auf Klee, als der Brünette sein Glas zurück auf den Tresen stellte, und diese schließlich mit seiner Zunge tilgte. Er presste seine Lippen einen Moment zusammen ehe seine schlanken Finger erneut damit begannen das Glas auf dem Tresen zu drehen. Unwillig schüttelte er schließlich den Kopf. „Ich glaube es wäre mir einfach leichter gefallen mit euch beiden zu sprechen, aber eigentlich macht es keinen Unterschied. Ich hätte dann vielleicht nicht das Gefühl, ich würde dich zu tief fallen lassen.“ Er zog eine Zigarette aus der Schachtel, die vor ihm lag, klemmte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie an. Seit Reita sich zu ihm gesetzt hatte, hatte der Gitarrist ihn kaum angesehen und auch jetzt heftete sich sein Blick fest auf die klare Flüssigkeit in seinem Glas. Noch immer verstand der Blonde nicht auf was dieses Gespräch hinauslaufen sollte. Innerhalb von Sekunden schien es um Grade kälter geworden zu sein. Reitas ungutes Gefühl schlich sich zurück in seine Blutbahn und rauschte mit Höchstgeschwindigkeit durch seinen Körper und er hatte Mühe seine aufkeimende Wut zu unterdrücken. Die Undeutlichkeit in Uruhas Worten und das, was sie durchscheinen ließen brachten ihn innerlich vollkommen aus der Fassung, ließen seine Stimme harscher klingen als er es eigentlich wollte. „Auf was willst du hinaus?“ „Ich kann nicht in der Band spielen.“ Diese Worte zogen Reita den Boden unter den Füßen weg. Obwohl er es geahnt hatte, trafen die Worte einen Punkt in seinem Inneren, der ihn stolpern und ins Straucheln geraten ließ. Er sah Uruhas traurigen Gesichtsausdruck. Seine Miene strafte seine Worte lügen, tiefer noch glaubte Reita Verzweiflung zu erkennen, spürte den Wunsch Musik zu machen, der in dieser Band seine Erfüllung gefunden hätte und einzig und allein eine Frage stellte sich ihm, wirbelte in seinem Kopf und er glaubte er müsse zerbersten würde er nicht, ganz gegen seine sonstige Devise, Entscheidungen anderer ohne Vorbehalte zu akzeptieren, seine Frage stellen, die ihm mittlerweile auf der Zunge brannte. „Warum?!“ Uruha schien der Tonfall nicht aus der Ruhe zu bringen. Er wirkte in sich gekehrt als wollte er einen Schutzwall aufbauen. Nachdem er einen weiteren Zug von seiner Zigarette genommen hatte blickte er auf. „Es ist etwas kompliziert.“ Er drückte die Zigarette in dem vorhandenen Aschenbecher aus. „Ich kann die Band nicht mit meinem Studium vereinbaren. Es ist im Gespräch, dass ich ein Semester ins Ausland gehen werde.“ Reita sah ihn einen Moment stumm an. Er hatte sich schon Gedanken darüber gemacht wie sich das Studium und Uruhas Absichten für die Zukunft auf die Band auswirken würde, doch er hatte fest damit gerechnet, dass Uruha hinter der Musik stehen würde. Es war offensichtlich, dass Uruha das Musikmachen liebte und Reita würde ihn aus solch einem Grund nicht ziehen lassen. „Es gibt genügend Wege wie wir trotz Distanz zusammenarbeiten können. Wir müssen uns zu allererst eine Grundlage schaffen und dann versteifen wir uns das halbe Jahr, dass du abwesend bist, schlichtweg darauf Songs zu schreiben und uns um Auftritte zu kümmern.“ Doch Uruha schüttelte den Kopf. „Es geht nicht.“ „Was ist es noch? Was hält dich davon ab bei uns zu spielen?!“ „Aoi.“ Reitas Gesichtsausdruck wandelte von überrascht zu entsetzt bis er Uruha schließlich vollkommen überfordert anblickte. „Verstehst du nicht? Ich wollte nur ein wenig nebenher in einer Band spielen. Zumindest bis ich mein Studium abgeschlossen habe. Meine Eltern sind nicht reich und das Studium kostet Geld. Ich kann mich nicht auf beides gleichermaßen konzentrieren. Ich möchte dieses zweite Standbein um meiner Familie unter die Arme greifen zu können sollte es mit der Musikkarriere nicht klappen.“ Aber Reita verstand nur Bahnhof. Noch immer sah er ihn verwirrt an und seine Gedanken drehten Kreise, in denen er versuchte einen roten Faden zu finden. Was zur Hölle hatte Aoi damit zu tun?! „Das war dir doch sicher davor klar. Ich meine du hast doch genügend Zeit für dein Studium. Von heute auf morgen wird die Band nicht durchstarten können.“ Uruha runzelte die Stirn und nach und nach schlich sich Erkenntnis in seine Miene. „Aoi hat es dir noch gar nicht gesagt“, hauchte er und blickte verunsichert vor sich auf den Tresen. Es entstand eine kurze Pause ehe Reita das Wort ergriff. „Was nicht gesagt?“ „Den Grund weswegen Artia sich getrennt haben.“ „Doch, er….“ Reita stockte. Aoi hatte ihm gesagt es hätte Spannungen in der Band gegeben, doch den Grund dafür hatte er ihm nicht genannt. Uruhas leises, gedehntes Seufzen mischte sich mit der Jazzmusik, verklang nach und nach in dem von fremden Stimmen erfülltem Raum und Reita hatte das Gefühl Uruha versuchte einer Antwort auszuweichen. Seine Stirn zog sich nachdenklich in Falten. Es schien als ob er seine Worte in Gedanken abwog und versuchte eine imaginäre Waagschale ins Gleichgewicht zu bringen. Schließlich räusperte er sich und nahm das Gespräch mit rauer Stimme wieder auf. „Früher oder später würdest du es sowieso erfahren. Ich weiß nicht weshalb Aoi ein Geheimnis daraus macht. Vielleicht will er warten bis er seine Schäfchen im Trockenen hat. Ich selbst weiß es von Yune. Es ging um einen Plattenvertrag. Der Haken an der ganzen Sache war, dass sie nur Aoi unter Vertrag nehmen wollten. Das sorgte natürlich für Zwist in der Band. Immerhin hätte Aoi an diesem Tag ohne sie nicht auf der Bühne gestanden. Aber so wie wir ihn kennen und lieben machte er dem Produzenten klar, dass es ihn nur mitsamt der Band gäbe. Während darüber nun diskutiert und beraten wurde versuchten Artia ihr Glück auf dem letzten Event, dass mit deiner gebrochenen Nase endete. Was niemand von den Bandmitgliedern ahnte war, dass Aoi den Vertrag mittlerweile so gut wie unter Dach und Fach hatte. Für Aoi war dieser Auftritt eine Generalprobe. Er wollte sehen ob die Band bereit dafür war einen Schritt weiter zu gehen, Bestand für die Zukunft zu haben. Doch er wurde bitter enttäuscht wie du miterleben musstest.“ Er machte eine kurze Pause, fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „So verloren Artia nicht nur Gitarrist und Drummer sondern gleichzeitig auch einen Plattenvertrag, denn diesen nahm Aoi mit. Verstehst du auf was ich hinaus will? So wie die ganze Sache momentan aussieht wird es nicht mehr lange dauern und ihr habt ein Label.“ In Reitas Kopf rauschte es. Er versuchte das Gehörte zu verarbeiten, die Informationen wie Teile in einem Puzzle zu einem Ganzen zusammenzufügen. Uruha würde nicht für sie spielen weil Aoi einen Plattenvertrag an Land gezogen hatte und er sein Studium für eine nicht so frühzeitig geplante Musikerkarriere an den Nagel hängen müsste? Wusste Uruha eigentlich was er mit seinen Worten angerichtet hatte!? Er hatte seinem und Rukis Traum Flügel verliehen und gleichzeitig riss er gewaltsam an den weißen Schwingen, ließ eine Feder nach der andere mit dem harten Boden der Realität kollidieren und Reita begreifen, dass seine Kalkulationen sich von Anfang an in Träumen verstrickt hatten. Ihm wurde schwindlig. Halt suchend hing sein Blick an Uruhas tiefbraunen Augen und dasselbe Gefühl wie schon Minuten zuvor schlich sich ein. Doch diesmal erkannte er, dass es keine Wut war, die er auf den Gitarristen hatte. Er war wütend auf sich selbst weil man ihm seine Gefühle anmerkte, seine Angst den Brünetten zu verlieren. Uruha hatte ihn durchschaut und nicht einmal Ruki hätte seinen freien Fall jetzt stoppen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)