Internats-Chaos von abgemeldet (Now Join everyone) ================================================================================ Part 7 - Where is the love? --------------------------- Part 7 - Where is the love? *Kira’s p.o.v* “Hi, mein Engel“, ich begrüße Dean standardgemäß mit einem kleinen Kuss - für den Rest haben wir im Verlauf des heutigen Nachmittags noch genug Zeit - und klettere dann zu ihm rauf ins Hochbett. Der Glückspilz hatte heute nur zwei Unterrichtsstunden, der Rest ist ausgefallen - auch Lehrer brauchen ganz offensichtlich mal Hofpause und manche kehren eben einfach nicht zurück - und ich beneide ihn wirklich darum, denn mein Tag war alles andere als amüsant. „Hi. Und, wie war die Hölle heute?“, er schmunzelt und macht ein bisschen Platz, damit ich mich an seine Schulter kuscheln kann. Ich LIEBE Gemütlichkeit wie diese!! „Ziemlich heiß. Vor allem dann, wenn ich an dich denken musste“, ich grinse vor mich hin, obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob er es sehen kann, möglicherweise hat auch Dean ein bisschen die Augen zugemacht. „Soso, du musstest also an mich denken.“ „Klar, aaaaaaaandauernd“, ich drehe mich auf die Seite und schaue ihn einfach nur an. Er ist so wunderschön, dass ich das stundenlang tun könnte - was weder Stunden- noch Hausaufgabenplaner tolerieren würden -, ohne irgendeine andere Beschäftigung zu brauchen. „Ich hab auch an dich gedacht. Um genau zu sein hab ich dich vermisst und bemitleidet, weil du dich umsonst langweilen musst und ich nicht. Und ich hab mich ganz schön alleine gefühlt“, ich liebe diese Art von ihm, wenn er einfach nur vor sich hinjammert, nicht, weil er wirklich gelitten hat oder weil er Schmerzen hat oder so - es ist einfach seine Art und Weise, mir solche Dinge zu sagen. „Alleine? War Kyo denn gar nicht hier?“, jetzt bin ich aber wirklich erstaunt, denn eigentlich hatte ich vermutet, dass die Sozialschleuder (Anmerkung der Autorin: Da ist es wieder, mein former Lieblingswort =D) sich krankgemeldet hat oder heute Morgen einfach im Bett geblieben ist. Möglicherweise spielt er ja auch Verstecken mit dem Hausmeister, aber das ist nicht sein Stil, also streichen wir das schnell wieder. „Nein, war er nicht. Ihr seid doch in derselben Klasse, dann müsste er doch im Unterricht gewesen sein“, antwortet Dean und setzt sich plötzlich auf - Umfallmanöver rechtzeitig abgeblockt -. „Aber im Unterricht war er nicht, deswegen dachte ich, er sei hier geblieben. Merkwürdig, er verschwindet doch sonst nicht einfach so“, das ist wirklich komisch, sonst sagt Kyo eigentlich fast immer Bescheid, wenn er irgendwo hin will, in die Stadt zum Beispiel. „Sollen wir die anderen mal fragen gehen, ob er sich bei ihnen hat blicken lassen? Möglicherweise hat er denen auch gesagt, wo er hin ist, falls er wirklich weggegangen sein sollte. Vielleicht hat er das Wochenende nach vorne gezogen, um seine Familie zu besuchen, immerhin ist heute schon Donnerstag“, mein Hase zieht mich nach oben und dann klettern wir gemeinsam nach unten und laufen ins Zimmer von Ayaro und Co., das zum Glück auf derselben Etage liegt. Als ich hinter mir die Tür zu mache, fällt mein Blick auf das Bücherregal hinter Kyo’s Bett. Irgendetwas ist da anders, aber was? Dass sein Tagebuch - das innig geliebte Ding - verschwunden ist, bemerke ich nicht, aber die Tatsache schwirrt dennoch in meinem Unterbewusstsein umher. *Akio’s p.o.v* Als Kira und Dean plötzlich bei uns im Zimmer stehen und atemlos erzählen, dass Kyo heute weder im Unterricht noch in der Gruft war, kriege ich mit einmal ein schlechtes Gewissen. Ist er etwa so wütend gewesen, weil ich ihm eine gescheuert hab - zu Recht! -, dass er einfach abgehauen ist. „Meine Güte, jetzt regt euch doch nicht so auf. Vielleicht ist er nur bei jemand anderem“, schlägt Niko vor und widmet sich wieder seinem Buch. Klar, er ist kein Fan von plötzlicher Aufregung, aber diese Reaktion ist doch ein bisschen zu kalt angesichts der Situation. „Den ganzen Tag?! Wie blind muss man eigentlich sein, um nicht zu erkennen, dass dieses Verhalten nicht mehr normal ist?“, eigentlich hätte ich bei Kira mehr mit dieser Art von Antwort gerechnet, aber es ist Dean, der offensichtlich kurz vorm Austicken ist und das, obwohl er Kyo - und seine ungewöhnlichen Eigenarten - nicht sehr lange kennt. „Dean hat Recht. Was, wenn ihm was passiert ist?“, mischt sich Ayaro jetzt ein. Ich hoffe inständig, dass die beiden eben Dazugestoßenen nicht allzu deutlich sehen, dass er die ganze Zeit geweint hat, seit er den Brief auf seinem Schreibtisch gesehen hat. „Was soll ihm denn schon groß passieren. Jungs, Kyo ist - fast - erwachsen und kann selbst entscheiden, ob er mal einen Tag schwänzt oder nicht. Regt euch ab, setzt euch und trinkt einen Tee, so wie er es jetzt tun würde“, Niko sitzt immer noch alleine in seiner Ecke, während wir anderen alle am Schreibtisch stehen. In diesem Moment hört man ihm seinen Befehlston, den er von seinem Vater - unserem Schuldirektor - geerbt hat, leider zu sehr an und die andern werden immer wütender. „Okay, wenn du nicht mitkommen willst, ist es in Ordnung. Ich jedenfalls werde Kyo suchen gehen, wer kommt mit?“, Kira wendet sich Richtung Tür und sofort folgen Dean, Aya, Mitsuki und ich. Nur Nikolai bleibt alleine in unserem Zimmerchen zurück. *Aya’s p.o.v* Ursprünglich sollte ich mit Akio und Mitsuki zusammen suchen, aber ich habe mich geweigert und wollte lieber alleine gehen. In einem solchen Augenblick schätze ich die Einsamkeit dann doch mehr und wende mich ausnahmsweise mal von der Geselligkeit einer gut funktionierenden Gruppe ab. Dass Kyo mich einfach so verlässt - natürlich hat mich das verletzt. Obwohl ich natürlich schon vorher wusste - gleich am Anfang, als unsere Beziehung losging -, dass ich nicht seine große Liebe bin, er meine Gefühle aber wenigstens akzeptiert. Bis vorhin habe ich mich noch fragen müssen, was der Auslöser dafür war, dass er es nicht mehr ausgehalten hat, allen anderen etwas vorzumachen, wenn man so will. Mir, unseren Mitschülern, sich selbst. Er konnte einfach keine Maske mehr tragen. Aber dass er sich in Kira verknallt hat - ausgerechnet in jemanden, den er zu Beginn überhaupt nicht ausstehen konnte -, hätte ich nicht gedacht. Akio hat mir von dem erzählt, was er die letzten Wochen für sich behalten hat. Kyo hat es ihm zwar nicht persönlich anvertraut - er ist vielmehr selbst darauf gestoßen -, aber den Grundsatz, Geheimnisse nicht weiter zu erzählen, haben wir beide gemeinsam und da machen wir selbst unter uns Zwillingen keine Ausnahmen. Trotzdem - warum hat Kyo mir nicht einfach erzählt, wie er empfindet? Warum hat er immer noch nicht kapiert, dass ich ihn verstehe und alles - wirklich alles - dafür tun würde, nur damit er glücklich ist? Warum hat er nie begriffen, wie sehr ich ihn liebe? Wieder eine Träne, diesmal aber eine einzelne - einsame. Genauso alleine und verlassen wie ich im Moment. *Akio’s p.o.v* „Glaubst du, dass es richtig war, deinen Bruder einfach allein gehen zu lassen?“, will Mitsuki plötzlich wissen. Zwar ist es oftmals nervig, dass er sich immer genau dann einmischt, wenn man eigentlich seine Ruhe haben will, aber immerhin tippt er tatsächlich jedes Mal auf die Dinge, die einen gerade beschäftigen. „Aya ist erwachsen und kann auf sich selbst aufpassen. Im Gegensatz zu Kyo“, antworte ich und schieße ein paar Steine beiseite, einfach nur, um eine Beschäftigung zu haben. Jetzt verstehe ich endlich, warum Leute so was machen, egal, wie sinnlos diese Sache auch ist. Sie sind einfach, warum auch immer, hilflos und wissen sich nicht anders abzulenken. Ich bin machtlos mir selbst gegenüber, weil ich es war, der Kyo davongejagt hat. Vielleicht mag er den Plan, spurlos zu verschwinden, schon vorher gehabt haben, aber ich war es, der ihm einen konkreten Auslöser geliefert hat. Ausgerechnet ich, der sonst immer über die Gefühle und Eigenarten anderer urteilen musste, der immer zur Stelle sein musste, um zu helfen - ausgerechnet ich hatte mich diesmal nicht mal selbst unter Kontrolle. „Akio?“, Mitsuki’s Stimme reißt mich wieder zurück in die Realität. „Was denn?“ „Warum ist Aya erwachsen und Kyo nicht?“ „Hast du dir Kyo’s Zimmer mal genauer angesehen? Außer die von der Uniform hat er keine einzige warme Jacke mit. Er geht normalerweise niemals nach draußen, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Und wenn er in die Stadt muss, um irgendwas zu erledigen, borgt er sich von einem anderen eine Jacke, was er in diesem Fall nicht getan hat. Ich fürchte, es steht nicht gut um seinen Drang zur Selbsterhaltung.“ *Kira’s p.o.v* „Du machst dir Sorgen, oder?“, Dean hat einen Arm um meine Taille geschlungen, sodass wir leider nur langsam vorankommen. Ich wäre lieber schneller, aber irgendwie möchte ich auch nicht auf die Stütze, die er mir gibt, verzichten, so albern sich das auch anhört. „Du dir doch auch, gib’s zu. Und dabei kennst du Kyo erst seit so kurzer Zeit“, entgegne ich und knuffel ihn in die Seite, obwohl mir überhaupt gar nicht nach Scherzen zumute ist. „Natürlich mache ich mir Sorgen. Ich bin wahrscheinlich einfach zu gutmütig gestrickt und kann nicht tatenlos zusehen, wenn irgendjemand Probleme hat, egal wie nahe ich dieser Person stehe oder nicht. Stop mal kurz!“, plötzlich bleibt er stehen und starrt auf einen See, der sich in ziemlicher Entfernung befindet. „Was ist los?“, frage ich verwundert und sehe mich um. Weit und breit keine Spur von Kyo und bei dem See kann ich lediglich Bäume erkennen. „Siehst du das denn nicht?“, er stellt sich hinter mich und hält meinen Arm hoch, um mir die Richtung zu zeigen, in die ich schauen soll. „Dean, ich kann wirklich nichts erkennen. Was meinst du denn?“ „Man kann am Seeufer zwischen den Baumstämmen unten durchsehen und da ist eine Bewegung im Wasser, so wie Wellen. Aber an einem See gibt es normalerweise keine Wellen. Komm, lass uns nachsehen gehen“, Dean rennt schon los, aber ich bleibe stehen. Als er das bemerkt, fragt er nur erstaunt: „Kira, was ist los?“ Sein ernster Unterton sorgt dafür, dass ich zittere und sich in meinem Hals ein Kloß von der Größe eines Elefantenbabys bildet. Dann spreche ich das aus, was mir durch den Kopf geistert, seit wir festgestellt haben, dass Kyo weg ist - und was schon lange vorher da war -: „Dean, ich glaube, dass ich daran schuld bin, dass Kyo sich in den letzten Tagen so sehr verändert hat.“ Er kommt wieder zurück und bleibt direkt vor mir stehen. Dann, als er mich auf einmal in den Arm nimmt, zucke ich zusammen und erinnere mich wieder an das wunderbare Kribbeln im Bauch, als wir uns zum ersten Mal geküsst haben. Und sofort verdrängt seine ganze Wärme und Kraft alle Sorgen und Ängste, die vorher in mir waren. „Was es auch sein mag, von dem du glaubst, dass es der Auslöser für Kyo’s Verschwinden gewesen sein könnte: Wir reden später darüber. Jetzt ist erst mal das Wichtigste, den Blindgänger zu finden, in Ordnung?“ „In Ordnung“, wie schafft er es nur, einem immer wieder Mut zu machen? *Kyo’s p.o.v* So langsam ist mir kalt geworden. Vielleicht hätte ich mir doch irgendwo einen Mantel besorgen sollen, immerhin haben wir schon Oktober und da sind die Temperaturen ja doch nicht mehr ganz so angenehm wie im Sommer. Der Tee ist inzwischen auch leer und auch diese Tatsache ist nicht gerade ermutigend: Ich habe kaum noch Taschengeld übrig, von dem ich mir etwas zu essen kaufen könnte. Eigentlich will ich nur noch weg, die Frage ist nur: Wohin? Nach „Hause“ kann ich nicht mehr, die würden sich daheim vermutlich nicht allzu sehr freuen, mich zu sehen und von daher ist diese Möglichkeit schon mal gestrichen. Und ins Internat zurück kann ich auch nicht, erst recht nicht nach meinem Verschwinden. Außerdem ertrage ich es einfach nicht mehr, jeden Tag mit ansehen zu müssen, wie glücklich Kira und Dean doch miteinander sind. Aya versteht auch nichts. Für mich gibt es einfach keinen Platz mehr in dieser Welt. Und jetzt? *Kira’s p.o.v* „Ich fasse es nicht, du hattest wirklich Recht. Wie konntest du das nur von da hinten erkennen?“, ich bin fassungslos - im wahrsten Sinne des Wortes, denn mir fehlt zu meinem Glühwürmchen die Fassung zum Reinschrauben, damit mir ein Licht aufgehen kann -, denn tatsächlich sitzt eine kyoähnliche Gestalt auf einem Steg am Seeufer und grummelt vor sich hin - auch wenn man sein Gesicht von unserem jetzigen Standpunkt nicht sehen kann -. „Ich habe einfach gute Augen und ein bisschen Gespür dafür, wohin man sich gut zurückziehen kann. Also, sollen wir zu ihm hingehen?“, da gibt es eine gewisse Zurückhaltung in der Frage. Klar, es muss schließlich einen Grund für sein Abhauen geben, aber vielleicht ist auch alles ganz harmlos und er wollte nur ein bisschen seine geliebte Ruhe haben und nicht von uns genervt werden. Allerdings sieht es mit seiner Gesundheit schon seit den letzten zwei Wochen nicht allzu gut aus und da ist es doch gerechtfertigt, dass wir uns Sorgen um ihn machen. „Wenn überhaupt, dann gehe ich alleine zu Kyo“, nanu, wo kommt denn plötzlich diese Selbstsicherheit her? Das kenne ich ja gar nicht von mir. „Warum soll ich nicht mitgehen?“, Dean ist ebenso erstaunt über meine Entscheidung wie ich selbst, aber die Sache steht fest. „Ich habe dir doch schon gesagt: Ich bin Schuld daran, dass er weggelaufen ist und deshalb ist das ein Ding nur zwischen UNS BEIDEN, das auch nur WIR regeln können. Alleine. Bitte geh zu den anderen zurück und sag ihnen, dass alles okay ist. Ich komme nachher mit Kyo nach, in Ordnung?“, normalerweise stehe ich ja nicht so auf Rollenspielchen (Anmerkung der Autorin: Nicht? O.O Schade .... TT.TT), aber in diesem Fall hab ich Deans Selbstbewusstsein übernommen und versuche es jetzt anzuwenden, in dem ich es als mein eigenes ausgebe. Am Seeufer ist der gesamte Waldboden von Moos bedeckt, sodass meine Schritte sehr stark gepolstert werden. Ich gehe also einfach mal taub davon aus, dass Kyo mich nicht gehört hat. Erst als ich nur noch ein paar Schritte hinter ihm stehe, bemerkt er mich plötzlich und dreht sich ruckartig um. „Was willst DU denn hier?“, Verzweiflung spricht aus seiner Stimme und ich sehe immer noch Tränen in seinen eisblauen Augen glitzern. „Ich bin hier, um mit dir zu reden“, meine eigene Stimme klingt ruhig und entspannt, sie spiegelt also genau das Gegenteil meines akuten Seelenzustandes wieder. „Und wenn ich nicht mit dir reden will?“, er wendet sich von mir ab und lässt die Beine über dem Wasser baumeln. „Dann bleibe ich trotzdem hier stehen, solange, bis zu mit mir zusammen zurück zur Schule kommst.“ „Mach doch.“ Endlose Freude wallt in mir auf angesichts des blühenden Sarkasmus’. Immerhin: Er kann es noch. „Darf ich mich auch hinsetzen?“, Annäherungsversuch numero uno. „Wenn du dadurch glücklich wirst“, okay, Annäherungsversuch numero uno gescheitert. Aber so was von. „Ist dir eigentlich klar, was du hier gerade für einen Mist baust?“ „Kira, bitte verarsch mich nicht. Ich bin erwachsen und ich weiß, was ich tue“, ich sitze inzwischen neben Kyo, wovon er ganz offensichtlich nicht sehr begeistert ist, aber es ist mir egal. Denn er weiß eben nicht, was er tut. „Hast du auch eine Ahnung, was für Sorgen wir uns um dich gemacht haben, als wir überhaupt nicht wussten, wo du steckst?“, ich versuche, so sehr wie möglich die Wut wieder in mir hochsteigen zu lassen, denn am liebsten würde ich ihm jetzt mal so richtig die Meinung geigen. Aber wenn ich daran denke, warum er hier sitzt, wird mir ganz anders und ich kann ihm nicht mal böse sein. Ich kann ihm einfach nicht böse sein, egal, was er anstellt. „Ihr braucht euch keine Sorgen machen. Ich komme alleine klar“, antwortet er nur und starrt weiter apathisch auf die spiegelglatte Oberfläche des Sees. „Das sehe ich ja. Du hast dir nicht mal warme Sachen angezogen, obwohl du ja so genau weißt, dass es arschkalt hier draußen ist. Und dein Teevorrat hat offensichtlich auch nicht allzu lange gehalten“, ich deute auf die leere Tasse zwischen uns - die Wand -, um meine Aussage zu unterstreichen. „Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musst du mir noch mehr wehtun als du es sowieso schon getan hast?“, er ist aufgesprungen und will wahrscheinlich wieder wegrennen, aber ich bin auch sofort oben und lasse ihm keine Chance dazu. „Ich habe dir niemals mit Absicht wehgetan, Kyo. Ich wusste, wie du für mich empfindest, aber ich konnte deshalb nicht einfach meine eigenen Gefühle ignorieren und leugnen. Glaub bitte nicht, dass mir das einfach gefallen ist“, eigentlich soll es ihn beschwichtigen, aber jetzt ist mein Mitbewohner noch aufgebrachter als zuvor. „Warum bist du überhaupt in mein Leben gekommen? WARUM BIST DU NUR HERGEKOMMEN???!!!!“, endlich lässt er alle Verzweiflung aus sich heraus und stürmt weinend auf mich ein. Ich lasse es zu, dass er mit beiden Fäusten auf meinen Brustkorb einschlägt - allerdings nicht mit so viel Kraft, dass es für einen Kampfsportler wie mich schmerzhaft wäre - und stehe einfach nur da. Als die Schläge mit einem Mal abflauen, schließe ich meine Arme um ihn und drücke seinen Kopf gegen meine Schulter. „Ich kann dir dieselbe Frage stellen: Warum hast du dich in mich verliebt? Warum ausgerechnet in mich?“, ein tiefes Schluchzen entfährt mir. Ich konnte noch nie dabei zusehen, wie Freunde leiden. „Aber es wäre ungerecht, dich das zu fragen, denn allein dieser Satz macht es nicht ungeschehen. Ich bin nicht ungerecht dir gegenüber. Aber du bist unfair zu mir. Und ich kann dir deshalb nicht mal böse sein, so gerne hab ich dich“, Kyo’s weiche Haare kitzeln meine Wange, als ich meinen Kopf an seinen drücke, nur, um ihm irgendwie ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln. „Wenn du mich so gerne hast, wie du es sagst, dann musst du jetzt eine Entscheidung treffen“, seine Stimme ist nur ein gebrochenes Flüstern - lange wird er nicht so reden können -. „Was für eine Entscheidung muss ich treffen, Kyo?“, ich lehne mich zurück und blicke tief in seine von Tränen überfüllten Augen. „Du musst dich für jemanden entscheiden. Entweder für den, der dich glücklich macht oder für den, den du glücklich machst.“ Kyo’s Stimme hallt in meinem Kopf nach. Und leider hat er Recht, das weiß ich. Er weiß genau, wie es im Moment in meinem Herzen aussieht. Wie auf einer Baustelle, die leider in zwei Sackgassen endet. Für welche der beiden soll ich mich entscheiden? Für wen soll ich meine Entscheidung treffen? Für Dean? Oder für Kyo? Mit wem kann ich letztendlich glücklich sein ohne meinen Weg für immer bereuen zu müssen. Irgendwie habe ich Kyo dazu überreden können, mit mir zurück zur Schule zu kommen. Dafür musste ich ihm versprechen, über alles nachzudenken. Das hört sich zuerst mal total bekloppt an, aber offensichtlich gibt es ihm Hoffnung und das ist jetzt erst mal das Wichtigste. Obwohl ich ihm eigentlich keine falschen Hoffnungen machen will. „Dean, ich muss mit dir reden“, mit diesem Satz hat alles angefangen. Ich habe ihn ein paar Tage ausgesprochen, nachdem Kyo’s Ausbruchsversuch gescheitert ist. Mein Freund hat gelassen reagiert, viel ruhiger, als ich es jemals von ihm erwartet hätte. Ich habe gedacht, er würde wütend sein, enttäuscht, unendlich traurig. So wie ich mich immer noch manchmal fühle, wenn ich so über mein Leben nachsinne. Über die Asse, die mein Schicksal für mich parat gehalten hat. „Kira, ich gehe jetzt“, Deans Stimme reißt mich zurück in die Wirklichkeit. In eine schmerzhafte Realität voller Leid und Qualen. „Jetzt schon? Kannst du nicht noch ein paar Minuten warten? Bitte“, ich flehe ihn an, denn ich weiß ganz genau, dass meine große Liebe gleich für immer verschwinden wird. Zu einer anderen Schule, dorthin, wo er nicht dauernd daran erinnert wird, was er vor Kurzem gewonnen und fast augenblicklich wieder verloren hat. Und in einigen Monaten wieder zurück in die Staaten - zu seiner Familie, seinen Freunden - und dann werden keine Erinnerungen mehr da sein, die uns noch zusammen halten. „Ich kann nicht länger warten. Es tut mir Leid, so unendlich Leid“, Dean hat zwar Tränen in den Augen, aber er weint nicht. Ich dafür umso mehr. Wir stehen an der letzten Bushaltestelle vor der Landstraße und hier kann niemand meine Trauer sehen - niemand außer ihm. Ein letzter, unendlich leidenschaftlicher Kuss - das ist alles, was in meinem Herzen all die Jahre der leeren Erinnerung überstehen wird. Nichts kann das ändern. Und niemand kann etwas an meiner Entscheidung ändern - dafür bin ich ganz alleine verantwortlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)