Internats-Chaos von abgemeldet (Now Join everyone) ================================================================================ Part 1 - Driving Trains - ------------------------- *Kyo's p.o.v* Doch etwas müde hieve ich meine Reisetasche in den schmalen Gang neben den Abteilen, wie jedes Jahr zu dieser Zeit, wenn die Sommerferien vorbei sind und ich wieder ins Internat fahren muss. Nachdem ich die Tasche in meinem Abteil in der Gepaeckablage verstaut habe, lasse ich mich auf die Sitzbank fallen, ziehe dieses Buch hier heraus und beginne zu schreiben. Vorbeifliegende Landschaft und ein muffeliger Schaffner, dazu das ohrenbetäubende Rattern des Zuges erinnern mich daran, dass meine freie Zeit wohl oder übel mal wieder vorbei ist. Jetzt heißt es früh aufstehen und nach den straffen Disziplinen leben, die andere vorgeben und das sind für jemanden wie mich nicht unbedingt rosige Aussichten, denn ich liebe es nun einmal, mein eigenes Leben zu führen und zwar so, wie ich, und nur ich, es will. Schon wieder kommt der Schaffner vorbei und fragt nochmals nach meiner Fahrkarte. Wenn ich eines hasse, dann ist es, beim Schreiben unterbrochen zu werden. Dieser Mann kennt mich jetzt schon so lange und er hat es nach all den Wutausbrüchen meinerseits immer noch nicht verstanden, was kann ich dazu noch sagen, gut, nichts eben. Vor zwei Jahren haben mich meine Eltern auf ein Jungeninternat geschickt, damals noch in dem sicheren Glauben, meine Leistungen würden sich bessern, wenn ich nicht dauernd mit Mädchen unterwegs wäre. Das ist ja an sich gar kein schlechter gedanklicher Ansatz, muss ich meinen Eltern in Bezug auf diese Idee schon lassen, es gibt da allerdings eine ziemlich groß klaffende logische Lücke: Ich, Kyo Kara, 17 Jahre alt und in voller jugendlicher Blüte, bin seit mehr als 1 Jahr schwul. Tja, damit habt ihr wohl nicht gerechnet, liebe Erziehungsberechtigte. *Kira's p.o.v* Meine ultimativ mörderschwere Tasche hieve ich mit größter Anstrengung in den schmalen Gang neben den Zugabteilen. Den Architekten oder Designer, was auch immer er war, der das damals für die Bahn vorgeschlagen und konstruiert hat, möchte ich gerne mal ins Diesseits schicken, ich gehe nicht davon aus, dass er nach all den Morddrohungen meinerseits noch lebt, ich tendiere zu Herzinfarkt, Schlaganfall finde ich unpassend, immerhin wird er ja wohl kein allzu helles Köpfchen gewesen sein, wenn er sowas fabriziert hat. Allerdings scheint auch meine Tasche nicht ganz unschuldig bei meiner Mühe zu sein. Was auch immer meine Mutter da reingestopft hat - Bücher, die ich eh nie lesen werde, Schmuddelheftchen, bei denen das schon wahrscheinlich wäre, Ziegelsteine, die man leider noch nicht lesen kann - es ist verdammt noch mal schwer! Urplötzlich, nachdem ich 99% des Zuges bereits begutachtet - durchquert - und die Arschitektur bewundert - verflucht - habe, springt mir die Zahl meines eigenen Abteils in hieroglyphischer Nanoschrift förmlich entgegen. Ich ziehe die Tür auf, versuche mit letzter Kraft meine Tasche hinein zu wuchten und stolpere, die es dem liebenswert tolpatschigen Kira so ziemlich täglich ergeht, über meine eigenen Füße. Kann man sich eigentlich vorstellen, wie demütigend es ist, als voll ausgestattener Visual Kei (A.d.A. aufgrund mangelnder Kreativität meinerseits stellt euch einfach Kaito Niikura aus "In the end" copyright Pink Psycho vor, so in etwa sieht Kira aus, ist auch irgendwie immer mein Vorstellungsausrichtungspunkt von Visual Kei, klingt komisch, ist aber so.. ^^') dauernd hin zu fallen, sich zu stoßen, verbrennen und sich - unabsichtlich wohlgemerkt - dauernd alles ausschneidet. Sicher, es gibt Meinesgleichen, die aus einer immerzu fröhlich-trottelig-ich-hab-alle-und-jedes-lieb-Verhaltensweise ihre Vorteile ziehen, ich allerdings bevorzuge die ich-bin-ein-cooler-unnahbarer-Visu-Art, welche mir leiderwegs nur allzu selten gelingt. "Alles klar da unten?", höre ich plötzlich eine Stimme über mir fragen und da fällt mir dann auch wieder ein, dass ich immer noch auf dem Boden des Abteils liege, was wahrscheinlich nicht allzu anregend aussieht, meine Tasche zur Hälfte auf dem Gang. "Jep, alles klar, alles klar!", ich rappele mich auf, in diesem Moment macht ein nicht gerade umsichtiger und zukünftig dauerhaft in Lebensgefahr schwebender Zugführer eine ungeplante Bremsung, ich verliere selbstverständlich - wie könnte es bei mir anders sein - das Gleichgewicht und falle mehr oder minder elegant auf die zur unbekannten Stimme gehörende Person. Erschrocken blicke ich in zwei erstaunt dreinblickende kristallklare blaue Augen, die mein Gesicht aus der Close-up-Perspektische durchdringend mustern. Mensch, Kira Naoya, das ist der bei weitem beste erste Eindruck, den du seit langem hinterlassen hast. *Kyo's p.o.v* Neben der Tatsache, dass es mehr lebensmüde als ungesund ist, mich beim Schreiben zu unterbrechen, muss ich noch eines einräumen: Ich HASSE trottelige/tollpatschige Menschen. Die meisten können ja nicht mal was dafür, dennoch finde ich es einfach nervtötend, wenn andere sich so anstellen wie das Prachtexemplar des Volltrottels, der gerade buchstäblich auf mir gelandet ist. Er erfüllt sogar beide Hass-Tatbestände und dass muss man erstmal schaffen. Die Hände zu beiden Seiten neben mir aufgestützt, steht dieser Typ, durch meinen Kennerblick selbstverständlich sofort als Visual Kei identifiziert, direkt vor mir. "Wärst du so gütig, dich wieder in eine normale Position zu bewegen?", frage ich, nicht nur leicht genervt, sondern vielmehr stinkewütend, was sich auch eiskalt in meiner Stimme niederschlägt. "Ähhh...ja, natürlich", er lässt sich nach hinten auf die mir gegenüberliegende Sitzbank fallen, was auch nicht unbedingt anmutig aussieht. "Entschuldige bitte dieses -" "Deine Tasche steht im Weg", falle ich im ins Wort, bevor weitere Gebrabbel die Gelegenheit bekommt, aus seinem Mund zu entweichen. Tja, Kyo Kara ist halt nicht unbedingt die Höflichkeit in Persona. "Wie? Oh, ja!", mein Gegenüber steht wieder auf, zieht seine Tasche ins Abteil und hievt sie mit größter Mühe auf die Gepäckablage. Warum ich ihm nicht helfe? Ganz einfach: Jeder ist selbst für das, was er - oder nahe Familienangehörige - einpacken, verantwortlich. Ich habe mich inzwischen wieder meinem Buch hier zugewandt und schreibe friedlich vor mich hin, so friedlich, wie man(n) im Zug eben schreiben kann, merke allerdings nach ca. 15 Minuten, dass mich dieser Kerl anstarrt. Okay, Kyo, einfach ruhig weiteratmen und schreiben, ignorier ihn, er stört dich doch überhaupt nicht. Du kannst keine morphischen Wellen spüren, nein, nein kannst du nicht. Dieses vor mich hin denken halte ich gute 20 Minuten aus, danach reißt mein Geduldsfaden etwa zu zwei Dritteln ein. Bedrohlich, aber noch nicht unbedingt ungesund gefährlich, wenn sich mein Gegenüber jetzt ins Harmlose rettet. "Hast du irgendein Problem?!", frage ich wütend und hoffe, dass er die Gefahr in meinem funkelnden, blauen, Gefriertruhenblick Güteklasse A erkennt. "Nein, warum sollte ich?", fragt er, inzwischen schon etwas ruhiger, aber augenscheinlich immer noch nervös. Das wäre ich auch, wenn ich mir gegenüber sitzen würde. "Weil du mich die ganze Zeit blöd anstarrst. Also, was ist?", wenn er jetzt einfach mit einem verlegenen 'Nichts' antworten und sich dann wegdrehen würde - noch sicherer wäre es, um Hilfe rufend und weinend weg zu laufen - dann wäre ich ja noch mit meiner unendlichen Geduld noch mal bereit, die Sache zu vergessen. Vielleicht, wenn heute kein nachtragenden Tag ist. "Du bist ein Emo, oder?", will er zögernd wissen. "Nein, ich will zum Karneval. Ja, bin ich, und?", das war nicht die Reaktion, die ihn in Sicherheit gebracht hätte und meine Geduld nähert sich bedrohlich ihrem endgültigen Ende. "Weiß du, was Visual Kei ist?", lieber Gott, wie blöd kann man eigentlich sein? Okay, ich werde Gnade vor Recht ergehen lassen, immerhin ist er mit sich selbst schon fast genug gestraft. "Noch nie davon gehört", Achtung, Achtung, Sarkasmus im Tiefflug. "Ich muss weg." So schnell ich kann, stehe ich auf, schnappe meinen Rucksack und das Buch und verlasse das Abteil, bevor mich der Volltrottel noch weiter in ein Gespräch verwickeln kann. Sicherheitshalber flüchte ich in den Speisewagen, der am anderen Ende des Zuges liegt. Nicht ganz Gentleman, sicherlich, aber egal. *Kira's p.o.v* Also das nenne ich mal einen Abschlug. Schneller als ich gucken konnte, war der Typ verschwunden, inklusive dekorativem Rauchwölkchen. Wobei mir da einfällt, dass ich seinen Namen gar nicht kenne, weil ich noch keine Gelegenheit hatte, danach zu fragen. Allerdings, wenn er, so wie ich das vermute, auch auf das Internat geht, welches meine neue Schule sein soll, werden wir uns schicksalshaft trottelig bestimmt noch öfters begegnen, bei dem Glück, dass ich immer habe. Aber warum ist er eigentlich verschwunden, und das auch noch so fix? Okay, vielleicht hat es ihn ja etwas genervt - aber wirklich nur vielleicht und etwas - dass ich ihn die ganze Zeit angesehen habe, aber das hatte doch auch seinen Grund, alles bei mir hat seinen Grund, auch wenn der meistens nicht ganz normal und verständlich ist. Ich habe über dem Gedanken, ob dieser kühl zurückweisende Emo, so wäre ich ja manchmal selbst gerne, vielleicht auch auf meine neue Schule geht -ich bin mir inzwischen zu 99% sicher, dass es so ist, ich kenne das Regenwölkchen über meinem Kopf doch - nämlich glatt nicht bemerkt, dass ich ihn ansehe. Ja klar, das ist mehr als blöd und auch nicht unbedingt die beste Art, neue Leute kennen zu lernen, ich gebe es ja zu, aber so bin ich eben. Naiv und ein bisschen sehr trottelig - ein bisschen?! - aber immer noch liebenswert. In meinem Rucksack, der nicht unbedingt weniger schwer ist als meine Reisetasche, finde ich, nach mehrmaligem reinfallen, dann auch endlich das Buch, das ist gesucht habe. Irgendwas mit Nietzsche, von dem meine liebenswerte Mutter - im Übrigen nicht weniger tollpatschig als ich, ach ja, die Vererbung - dachte, es könnte mir helfen, ein bisschen Langeweile zu überbrücken - wie kommt sie bloß auf die Idee, mir könnte langweilig werden - da nichts langweiliger ist als eben dieses Buch. Ein bisschen widerwillig fange ich an zu lesen, denn ich habe schließlich nichts Besseres zu tun. Komischerweise vergeht die Zeit dadurch relativ schnell, obwohl ich mich kaum auf den Text konzentriere, sondern vielmehr auf die Landschaft draußen. Dabei wird mir bewusst, dass ich mich irgendwie schon darauf freue, auf eine neue Schule zu kommen, obwohl ich meine alte natürlich ebenso sehr vermisse. Dennoch verunsichert mich der Gedanke, dass es dabei auf ein Jungeninternat gehen soll. *Kyo's p.o.v* Ich habe mich sicherheitshalber in den Speisewagen zurück gezogen, dem Wagon, der am weitesten von unserem Abteil entfernt ist. Ja, sicher, es hört sich übertrieben an, ich bezweifle aber, dass es das ist. Ich brüte über dem Buch und lasse meiner Gedankenflut freien Lauf, neben mir eine dampfende Tasse Tee. Wir haben Mitte August, es ist brütend heiß draußen, man sucht eigentlich die Steine um einen Aufguss für die Sauna im Gartenteich zu machen, und ich trinke Tee. Ich gehöre nun mal zu der Sorte Menschen, die unabhängig aller Jahreszeiten und ihrer stereotypischen Eigenschaften ihre gesamten Gewohnheiten beibehalten, und wenn es manchmal auch bloß zum Trotz ist. Tee zu trinken gehört bei mir dazu, das ist aber nicht so, weil ich trotzig bin, sondern einfach, weil ich zu den elenden Tee-Junkies gehöre. Andere Leute sind Kaffee-Junkies - gut, das war ich auch mal, aber ich bin dann auf Tee umgestiegen - und ich trinke eben gerne Tee. Manch einer macht sich darüber lustig, das aber meistens nicht lange, sobald dieser jemand einen Wutanfall meinerseits erlebt hat, von dem man übrigens auch nicht mehr als einen erleben sollte, wenn man ein langes und gesundes Leben haben möchte. Vor allem an die Tasse Tee, die dauerhaft und immer gefüllt neben mir steht, sollte man sich gewöhnen, wenn man es mit mir aushalten will. Die Kellnerin - ein junges, aufgedrehtes, viel zu blondes Mädchen, das in einem Zug, der zu einem angesehen Jungeninternat fährt, eigentlich nichts zu suchen haben sollte - kommt schon wieder an und fragt stinkefreundlich - es kommt fast die Decke runter - ob ich vielleicht noch etwas essen möchte. Es dürfte das inzwischen vierte oder fünfte Mal sein, dass sie zu mir kommt und ich hege allmählich den Verdacht, dass das nicht nur an ihrem Job liegt. Okay, mir steht das "Achtung, Homo!!!" ja nun nicht gerade auf der Stirn geschrieben, das ist mir schon klar, aber dennoch könnte man als Angestellte einer Bahngesellschaft doch wenigstens ein bisschen weniger aufdringlich sein - fehlt nur noch, dass sie versucht, mir ihre Telefonnummer zu zustecken - Entschuldigung! Da unsereins aber ja immer schön nett bleiben soll, auch wenn es mal schwer fällt - ich meine hierbei nicht die Schwulen-Gesellschaft, sondern die Schüler unseres Internats, es steht sogar in unserer Schulordnung, dass wir immer freundlich zu allen sein sollen, und das bei einer ausgeschriebenen Jungenschule, die damit sofort als schwuchtelig hingestellt wird, na aber hallo! - gebe ich mir also die größte Mühe mit ihr, obwohl sie mir, ehrlich gesagt, zum Hals raushängt und zwar mehrfach. Mit dem freundlichsten Lächeln, das ich entbehren kann - Normalsterbliche erkennen da wohl gar keines, aber sie interpretiert ja sowieso in alles zuviel hinein - verneine ich und widme mich, indem ich sie bestmöglich ignoriere, erneut dem Schreiben. Kurz darauf, gefühlte und gesegnete Stunden später, kommt ein Schaffner an. Super, noch einer, der nichts Besseres zu tun hat, als in seiner Arbeitszeit arme kleine Jungs zu terrorisieren. Also wirklich! "Entschuldigung", er steht direkt neben mir und starrt arrogant herunter - ich sitze ja -. "Was ist denn?", habe ich nicht schon erwähnt, dass ich es hasse, beim Schreiben gestört zu werden? Warum kapiert das hier keiner??! "Könnten Sie wohl bitte in Ihr Abteil gehen?", der Herr mittleren Alters, nicht unbedingt attraktiv selbst für Frauen gleichen Status, deutet zur Tür des Wagons. Das ist doch jetzt ein Witz oder? Da komme ich doch flüchtend her, warum soll ich jetzt bitte zurückgehen?! Bestimmt hat sich die kleine, blöde, hormonsüchtige Kellnerin über mich beschwert, weil ich nicht auf ihre hüftenschwingende Anmache reingefallen bin, aber schwul zu sein ist doch kein Verbrechen, zumindest nicht mehr, früher war's das ja mal. "Warum das?", ich klinge erstaunt, aber noch halbwegs ungefährlich, fürchte ich. Man will mir meine letzte Ruhe nehmen und mich zurück zu dem Volltrottel, der sich hier ebenfalls Fahrgast nennen darf, schicken. Niemals werde ich das zulassen, zumindest nicht ohne Kampf! - Achtung, Raubtier, bitte nicht füttern!! - "Sie sitzen im Speisewagen, aber Sie essen nichts", lasche Geste auf das nicht von Lebensmitteln gesäumte Tischchen vor mir. Na gut, wenn das so ist. "Aber ich trinke etwas", ebenso lasche Geste, Handbewegung - mehr schlecht als recht als solche identifizierbar - zur noch fast vollen Tasse. Na, was kommt jetzt, Herr Schaffner?? "Den Tee können Sie auch in Ihrem Abteil einnehmen, andere Fahrgäste möchten hier wirklich etwas essen und für diese ist der Speisewagen bestimmt." Okay, ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es sich hierbei um einen Witz - zumindest um eine Verschwörung - handeln muss. Nicht allein deshalb, weil der Speisewagen so gut wie leer ist - wenn man von mir und ein paar Strebern der untern Jahrgänge unserer Schule einmal absieht, dieser Zug hier fährt nämlich ausschließlich zum Internat - mutet das ganze wie eine Lachnummer an. "Werfen Sie mich raus, wenn ich mich weigere, freiwillig in mein Abteil zurück zu gehen und darauf bestehe, meinen Tee hier zu trinken?", frage ich herausfordernd. Leider ist mir nicht nach Wut, sondern eher nach Heulen oder Lachen zumute, je nachdem, was letztendlich den besseren Eindruck macht, deshalb sehe ich meine Chancen, meinen Platz hier zu verteidigen, bereits schwinden. "Es wäre äußerst schade, wenn Sie sich weigern würden", meint der Typ daraufhin nur. Alles klar, er will mich rauswerfen lassen, dabei haben wir meine Heimatstadt schon lange hinter uns gelassen, meine Eltern würden eine Ewigkeit brauchen, mich hier irgendwo auf zu sammeln. Es ist im Übrigen schon vorgekommen, dass Mitschüler von mir den Zug unfreiwillig verlassen haben. Okay, darauf habe ich nun wirklich keine Lust, holt mir den sauern Apfel her, ich bin bissbereit. "Wissen Sie was? Auch wenn ich nicht so aussehe, aber ich muss mich nicht dauernd mit anderen anlegen", mit diesen äußerst diplomatischen Worten stehe ich auf, schnappe mir meine Tasse und mein Buch und verlasse hoch erhobenen Hauptes - was sich ändert, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe - den Speisewagen. *Aya's p.o.v* "Ayaro, wo ist mein Block?", seit fast 20 Minuten stellt Akio unser Abteil komplett auf den Kopf und das nur wegen seines dämlichen Pseudo-Blocks. Ich sitze relativ gelassen - ich bin stinkwütend - auf meinem Platz und beobachtete, wie diverse Kleidungsstücke von mir durch die Gegend fliegen und ihren neuen Platz auf dem Fußboden finden. Ach ja, ich liebe meinen Bruder, das ist wahrscheinlich auch der einzige Grund, warum ich nicht mit Mörderblick über ihn herfalle oder zur Abwechslung mal anfange, seine Tasche auszuräumen. "Das fragst du mich nicht zum ersten Mal, ich keine Ahnung, Mann!", grummele ich, nachdem eines meiner Lieblingst-shirts direkt auf meinem Kopf gelandet ist. So langsam ist es nicht mehr lustig, beim besten Willen nicht. In diesem Moment huscht ein schwarz-grün gestreifter Schatten mit dekorativem Rauchwölkchen hinter sich an unserer Tür vorbei. Pfeilschnell und mit einer Tasse in der Hand - es kann nur Kyo sein -. "Guck mal, da war unser Tee-Emo", ruft Akio aus, wedelt mit einer meiner Hosen in Richtung der Tür rum und starrt die Glasscheibe an. Mein Brüderchen ist quasi der Meister der sinnvollen Gestiken, erst recht, wenn Kleidungsstücke meinerseits integriert werden können. "Ach echt? Ich hätte gewettet, dass es ein alkoholisiertes Wiesel war, dass mit der Grinsekatze Fangen spielt. Ich geh mal eben zu ihm rüber!", in der Hoffnung, Akio ist so ein Blitzmerker wie immer, stehe ich schon an der Tür und habe ebendiese bereits geöffnet, stehe zur Hälfte schon im Gang, als er reagiert. Heute ausnahmsweise - und zu meinem Leidwesen - mal ohne Zeitverzögerung. "Nichts da, du gehst erst, wenn ich meinen Block gefunden habe!", ruft er aus und reißt mich ins Abteil zurück. Ich wusste es, der Pseudo-Block hat ihn total verändert! *Kira's p.o.v* Ich brüte immer noch über meiner Einstiegslektüre für das neue Schuljahr - man sollte Nietzsche für Schüler verbieten, oder zumindest für ihre Eltern - als plötzlich die Abteiltür aufgeht - sie wird aufgerissen, um genau zu sein, und ich hab mich fast zu Tode erschrocken, vor allem bei den leuchtend roten/eigentlich blauen Augen, die mich sofort anfunkeln - und mein Emo-Mitfahrer, dessen Namen ich ja aus verhaltenstechnischen Gründen meinerseits nicht kenne, mit einer Tasse Tee in der Hand hereinkommt. "Ist es für Tee nicht ein bisschen zu heiß?", frage ich lachend und stecke einen Finger zwischen die Seiten, was nicht wirklich viel bringt, weil ich trotzdem nie die Stelle finde, bei der ich vorher war. Okay, vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, denn er sieht mich nur einen Nano-Moment mit seinem Eisblick an - er wirkt ein bisschen harmloser, wenn man ihn schon kennt - dann setzt er sich, schlägt sein Buch auf und fängt an, zu schreiben, wobei er zwischendurch immer wieder einen Schluck aus der dampfenden Tasse trinkt. Einen Augenblick warte ich noch, danach komme ich zu dem Schluss, dass Ignoranz ja auch irgendwie eine Antwort - eine, die er verdammt gut zu beherrschen scheint - ist. Auf eine Gesprächsform, die wenigstens anteilig aus Worten bestimmt, scheine ich nicht gefasst sein zu müssen. Vielleicht eine Viertelstunde sitzen wir so, als schon wieder mehr als plötzlich die Abteiltür aufgerissen wird - ich falle fast von meinem Platz, kann nicht mal jemand die Tür langsam und ruhig aufmachen?! - und ein rot-schwarzer großer öhm...Verrückter hineinspringt. Er stürzt sich auf mein Gegenüber - ich würde wegen versuchten Mordes gerne die Polizei alarmieren, ich weiß nur noch nicht, wer eher tot ist, der andere oder ich - drückt ihn auf die Sitzbank - okay, der andere - und knuddelt ihn wie wild - wohl doch eher ich. "Kyo! Wie gehts dir, Kyo? Aaaaaaaaahhhhhhh, mein Kyo!!!", ruft der Fremde, fuchtelt dabei so wild herum, dass er sich fast selber den roten Pulli auszieht - es sieht einfach nur affig aus, noch affiger als ich im Normalzustand, das will was heißen -. "Wenn du nicht von mir runtergehst, Ayaro, dann gleich nicht mehr allzu gut", der, der namentlich offenbar Kyo ist, versucht sich von der Kuschelbestie zu befreien, allerdings eher mit wenig Erfolg, das diese um einiges größer ist als ihr ich-guck-immer-böse-Opfer. "Naja, das wollen wir ja nicht", lachend steht Ayaro - wenn er denn überhaupt so heißt - auf und lässt sich neben den Emo fallen. "Wie waren deine Ferien Kyo-chan?" "Bis jetzt ganz gut", moment mal, war das da eben auf seinem Gesicht etwa ein Lächeln?? Ich hätte nicht mal erwartet, bei diesem Typen überhaupt mal etwas Lächel-Ähnliches zu sehen, alle Achtung, für offenbar wenig Übung in Gesichtsgymnastik war das echt gut - ein bisschen unpassend für sein Gesicht, aber echt gut, nee, nur Spaß, zu lächeln steht ihm viel besser als der Eisblick -. "Bis jetzt? Kyo-chan, die Ferien sind endgültig vorbei", lacht der andere - bei mir setzt Wehmütigkeit ein beim Gedanken an mein Ferienende - und stupst Kyo in die Rippen - ein Gefrierschrank und ein Spielkind, ein hübsches Bild -. "Du weißt doch, meine Ferien dauern das ganze Schuljahr!", einen Moment bitte, verdammt, ich glaube, das war ein Witz. Es ist nahezu atemberaubend. "Alles klar. Und wer ist das hier?", will Ayaro - ? - nun wissen und wendet sich mir zu - ja, gib mir soziale Anerkennung!! -. "Irgendjemand, der mich beim Schreiben stört", wieder ein Eisblick zu mir - nicht die soziale Art, an die ich eigentlich gedacht hatte -. *Aya's p.o.v* Mein Kennerblick bezüglich Kyo erkennt natürlich sofort, dass er den anderen, der mit ihm im Abteil sitzt, absolut nicht leiden kann - bis jetzt hat unserer Schule es immer geschafft, genau die Leute im Zug zusammen zu setzen, die sich auf den Tod nicht ausstehen können, oder bei denen dieser Zustand noch einsetzen wird, alle Achtung -. Okay, beurteilen wir den Rest, wenn wir ihn persönlich kennen gelernt haben, so wie es sich für einen anständigen Menschen wie mich - hab ich das gerade gesagt? - wie mich gehört. "Er mag es nicht, wenn man ihn beim Schreiben unterbricht", sage ich wohlwollen und deute auf Kyo, ich bin der Meister der grenzenlosen Untertreibungen. "Er ist aber eigentlich nicht so schlimm, wie es den ersten Eindruck macht. Also, wie heißt du?" "Kira Naoya, freut mich, dich kennen zu lernen. Ähm, Ayaro, richtig?", fragt er lächelnd und mit ausgestreckter Hand zurück - westliche Einflüsse lassen grüßen -. "Eigentlich nur Aya, aber die meisten sagen Ayaro zu mir, Ayaro Kuuya!", ich ergreife seine mir dargebotene Hand und lache - wenn hier jemand die Grinsekatze ist, dann bin auf jeden Fall ich es! -. "Und die Sozialschleuder hier neben mir ist Kyo Kara." "Aya, das geht den überhaupt nichts an! Warum musst du dauernd allen meinen Namen auf die Nase binden?!", ruft dieser plötzlich und springt wütend auf. "Ich gehe zu Akio, inzwischen wird er seinen Block ja wohl gefunden haben." "Und weg war er!", grinse ich, als sich die Tür knallend schließt, diesmal leider ohne das sonst Kyo begleitende theatralische Rauchwölkchen. *Kyo's p.o.v* Sollen diese beiden Trottel doch machen, was sie wollen! Das Ayaro ein Idiot ist, das wusste ich ja schon - und ich nehme es ja auch gerne in Kauf, meistens zumindest - aber dass er sich jetzt auch noch mit dem Volltrottel Kira anbändelt - Verräter!! -. Vor mich hinfluchend laufe ich den engen Gang entlang, bis ich endlich das Namensschild entdecke, auf dem "Akio meets Ayaro - für den unsinnigen Notfall" steht. Das ist so typisch für die beiden Zwillinge, machen sie jedes Mal auf der Fahrt nach den Sommerferien ins Internat - und es würde allen fehlen, wenn sie es nicht täten -. Ich klopfe, etwas zögerlich, muss ich zugeben und warte, bis ich die Stimme von Akio höre: "Komm rein, Kyo!" "Woher wusstest du, dass ich es bin?", will ich wissen, als ich im Abteil stehe. Mitten im puren Chaos sitzt Akio in aller Ruhe und kritzelt Trivals in seinen Block. Anscheinend musste er erst alle Tasche ausräumen, um seinen heiß geliebten Pseudo-Block zu finden, überall liegen seine und Aya's Sachen in der Gegend herum, nicht unbedingt sehr dekorativ. "Nii-san ist zu dir gegangen, da wusste ich schon, dass du früher oder später herkommen würdest. Aber eher wild rummachend mit ihm als alleine, was ist denn los?", will er wissen und deutet auf die Sitzbank ihm gegenüber, allerdings ohne aufzusehen. Na dann: Auf zur Therapiestunden bei Doktor Akio! "Ach, da ist bloß so ein Volltrottel, mit dem ich mir das Abteil teilen muss und Ayaro versteht sich viel zu gut mit ihm", antwortete ich seufzend und lehne mich gegen einen der Pullover, von dem ich mir relativ sicher bin, dass er nur nicht eines von Aya's, sondern auch eines meiner Lieblingsstücke ist - also wenn er es anhat, versteht sich -. "Und du bist scharf auf den Trottel, oder was?", Akio macht immer noch mit seinem Trival weiter, ohne wirklich auf mich zu achten. "Auf Ayaro oder wie?", ich verstehe nicht, was er meint, immerhin war ich schon mal mit dem zusammen, bzw. bin es eigentlich immer noch irgendwie. "Nein, ich meine auf den. der bei dir im Abteil sitzt", antwortet er kopfschüttelnd - ach ja, ich mag es übrigens auch nicht, wenn man mit mir spricht und mich dabei nicht ansieht, Akio ist dabei meistens eine wohlwollende Ausnahme, weil er einen nur selten bei Sprechen anschaut -. "Bist du wahnsinnig? Wieso sollte ich auf jemanden, der nicht mal seine eigenen Füße unter Kontrolle hat, scharf sein?!", Entsetzen steht in meinem Gesicht geschrieben. "Volltreffer", meint Akio nur. "Wieso Volltreffer?", Entsetzen wandelt sich in Erstaunen um, nur der Anfangsbuchstabe bleibt gleich. "Du findest den trotteligen Typen niedlich, er weckt deinen Beschützerinstinkt", stellt unser inoffizieller Schultherapeut nüchtern fest. "Du hast echt 'ne Vollmeise. Ich bin mit Aya zusammen, zumindest so, dass ich mich für niemand anderen interessiert. Und selbst wenn es nicht so wäre, warum sollte jemand, der nicht mal ein Zugabteil betreten kann, ohne dabei Schaden an sich und Mitmenschen anzurichten, mein Interesse wecken?" "Weil du auch nur ein Mann bist." "Ja und?", erneutes Erstaunend Sorte 'Was willst du eigentlich?'. "Jeder Mann hat einen Beschützerinstinkt. Frauen wecken den bei ihrem Partner, wenn sie auf süß und niedlich tun, vor allem aber auf hilflos. Und bei dir wird er eben durch deinesgleichen geweckt, die auch irgendwie hilflos sind, trottelig zum Beispiel", Doktor Kuuya hat gesprochen. "Ich glaube, ich bin hier bloß von Verrückten umgeben", seufze ich - ich will nicht mal daran denken, was ist, wenn das, was er eben von sich gegeben hat, auch nur im Ansatz stimmt. "Du bist doch selber einer, Kyo-chan!", Akio sieht zum ersten Mal während dieses Gesprächs von seinem Trival, das mal wieder ein Meisterwerk werden wird, auf und grinst mich breit an. Na gut, wo er Recht hat, da hat er wohl doch Recht. *Kira's p.o.v* Ich sitze immer noch mit Aya im Abteil, Kyo bleibt weiterhin verschwunden. Nicht das ich mir um die Sozialschleuder - ich finde den Begriff, den Ayaro für ihn verwendet hat, nicht nur passend, sondern einfach geil - Sorgen machen würde und außerdem habe ich ja auch wesentlich nettere Gesellschaft als vorher, dennoch finde ich sein Verhalten irgendwie affig. Dauert raus zu rennen, wieder zu kommen und dann nochmals wegzulaufen ist einfach nur merkwürdig, naher blöd. Ich habe inzwischen allerdings in Erfahrung gebracht, dass alle, die jetzt im Zug sitzen - außer dem Personal natürlich - auf das Jungeninternat gehen, das ich meine neue Schule nenne, auch Aya und Kyo. Demnach hat sich zumindest meine Starrerei von vorhin irgendwie bezahlt gemacht. "Und, erwartet mich die Hölle?", will ich lachend wissen - mal ehrlich, wie stellt ihr euch das Leben in einem Internat vor? Ich möchte nicht mit der Frage beginnen, ob es da auch Lehrerinnen gibt -. "Wenn du mit Kyo-chan zusammen in ein Zimmer kommst, dann schon", erwidert Ayaro, allerdings plötzlich irgendwie ziemlich ernst, was mich verwundert - es macht mir Angst -. "Ähm, warum das?", frage ich, dann doch leicht nervös - wundert es jemanden, der Kyo bereits kennen gelernt hat? -. Ob es wirklich so schlimm ist, wie sein Gesichtsausdruck vermuten lässt? "Naja, er ist nicht unbedingt der Sozialste, weißt du? Aber das scheinst du ja bereits mitbekommen zu haben. Und Außerdem müsstest du dann ständig unser Gekuschel ertragen", jetzt lacht er wieder - es ist einfach nur beruhigend - und lehnt sich zurück, ein Bein auf der Sitzfläche angezogen. "Wieso ständig, ist das von vorhin etwa Normalzustand bei euch?", frage ich lachend - wär schon irgendwie komisch -. "Ja klar. Kyo und ich, wir sind seit, auf den Tag genau übrigens, 13 Monaten zusammen", ein Hammerschlag ist bei Weitem nichts dagegen. *Akio's p.o.v* "Gesundheit Kyo", sage ich ruhig und schaue auf, als mein Kumpel plötzlich eine Niesattacke bekommt - sieht lustig aus -. "Was denn, redet mein Nii-san etwa wieder schlecht über dich?", bei dem Gedanken pruste ich los, unwillkürlich selbstverständlich. Wäre ja nicht das erste Mal. "Ja, wahrscheinlich schon", meint er nur und starrt weiter gelangweilt aus dem Fenster. Wo ich da gerade seinen Blick sehe, fällt mir was ein. "Du, sag mal, hat sich Niko mal bei dir gemeldet in der letzten Zeit?", ich sehe von meiner Arbeit auf - ein Wunder geschieht -. "Unser kleiner Pseudo-Russe? Nein, Nikolai hat sich während der Ferien nicht bei mir gemeldet. Wahrscheinlich lassen seine Eltern wieder sein Handy überwachen. Und den Computer sowieso", antwortet er bloß und sieht zu mir herüber. "Ich hatte allerdings erwartet, dass er sich mal bei dir meldet, immerhin, naja." Weil ich seinen Blick, der inzwischen nicht mehr allzu kalt, sondern vielmehr brennend ist, etwas zu deutlich spüre - und leider auch genau weiß, was er meint - schaue ich schnell aus dem Fenster. Leider stehe ich nicht so sehr auf Plastiklandschaft, deshalb ist das Vergnügen auch ganz schnell wieder vorbei. "Nein, er hat sich nicht gemeldet. Naja, wahrscheinlich hast du Recht und seine Eltern beschatten wieder mal alles. Wundern würde es mich nicht", ich muss seufzen beim Gedanken an Nikolai's erbarmungslose Eltern. Wer seinen Kindern verbietet, Kontakt zu sämtlichen Schulfreunden zu haben, sollte eigentlich eingesperrt werden - soziale Einkerkerung für Tyrannen quasi -. "Naja, er hatte mir zumindest am Anfang der Ferien eine Mail geschickt, aber danach kam dann nichts mehr. Du weißt nicht zufällig, welches Abteil er hat, oder, Herr der unsinnigen Notfälle?", Kyo lacht, immer noch ein viel zu seltenes Geräusch - aber wenn man gedenkt, was er alles durchgemacht, auch verständlich, dass ihm nicht oft nach Lachen zu mute ist -. "Aber sicher doch", antworte ich und ziehe meine allwissende Liste heraus, denn eigentlich habe ich auch nur nach einer Gelegenheit gesucht, mich selbst zu belügen und nachzusehen. *Kyo's p.o.v* Ich habe Akio hinter mir gelassen, weil ich ihm versichert habe, nach Nikolai zu sehen. Er meinte nur, ich möchte ihn dann mal bitte zu ihm schicken, er würde solange weiter an seinem Trival arbeiten, es hätte eh keinen Sinn, wenn er selbst nach ihm suchen würde. An sich kann ich ja verstehen, warum er so reagiert, dennoch finde ich es nicht unbedingt passend. Sowieso finde ich die Verhaltensweise meiner Mitmenschen fast nie passend. Nicht, dass es immer richtig ist, wie ich mich gebe, aber es ist zumindest schonend für die eigene Person. Als ich letztendlich - ich habe es nach einiger Beruhigungsarbeit dann doch geschafft, Akio mit seinem endlosen 'Geh nicht!'-Geschrei von meinem Bein abzuschütteln - auf dem Gang stehe und zu Nikolai will, kommt mir eben dieser dann auch entgegen. Also ehrlich, Zufälle - Gedankenlesen - gibt's! "Kyo! Nach dir habe ich gesucht!", ruft er und bleibt genau vor mir stehen - die liebe Zufälle halt -. "Ich wollte auch gerade zu dir", antworte ich und richte meine Frisur wieder hin, indem ich alles im Zugfenster begutachte - muss ja nicht gleich jeder sehen, dass ich gerade erst einem Wahnsinnigen entflohen bin -. "Echt? Hm, klönnten wir vielleicht in dein Abteil gehen? Bei mir werde ich noch wahnsinnig!", er seufzt und sieht sich um. Auf Akio's Liste konnte ich unter anderem sehen, dass Niko sich sein Abteil mit drei wesentlich jüngeren Schülern teilen muss, was meistens denen passiert, die ganz unten in der Liste der Schule stehen, normalerweise wird nach Jahrgängen sortiert. Naja, vielleicht hat er kurz vor dem letzten Schuljahresende auch nur wieder irgendeine dämliche Regel gebrochen und das ist jetzt die Strafe - aber hallo? Ich bin schließlich auch gestraft mit meinem Mitfahrer, warum müssen wir ausgerechnet zu mir. Lieber auf dem Gang stehen bleiben und riskieren rausgeschmissen zu werden oder neben den schreienden Kleinkindern als gegenüber dem Volltrottel und seinem neuen besten Freund Ayaro, der Grinsekatze!!! -. "Müssen wir wirklich zu mir, ich werde da auch schon wahnsinnig, geht denn nicht auch.....na gut, egal, komm mit", ich greife - grabsche - nach seinem Arm - viel zu dünn, die Ferien scheinen nicht gerade wohlnährend gewesen zu sein - und ziehe ihn in unsere Kabine. *Kira's p.o.v* Ich scheine den ersten Schreck überwunden zu haben, denn inzwischen unterhalte ich mich schon sehr anregend - absolut nervös - mit Ayaro über das Leben eines homosexuellen Pärchens in einem Jungeninternat. Es ist faszinierend - erschreckend -. "Ist das eigentlich erlaubt, also eine Beziehung allgemein, in einem Internat?", frage ich gerade, als die Tür aufgeschoben wird - zum wievielten Mal heute eigentlich?? - und Kyo hereinkommt, im Schlepptau noch einen anderen Mitschüler hinter sich herschleifend. "Wenn man vom Teufel spricht. Ja klar ist es das, außer man erzählt den Lehrern oder Aufsehern davon", Aya lacht und zieht Kyo neben sich, küsst ihn leicht auf die Wange. "Ihr redet doch nicht etwa über mich?", Kyo lehnt sich an ihn und sieht ihn von der Seite an. Irgendwie sieht er dabei faszinierend - erschreckend - zärtlich aus. "Doch, Schnuffel, klar tun wir das. Ich habe Kira gerade davon erzählt, dass wir seit genau 13 Monaten ein glückliches Pärchen sind", Ayaro wuschelt ihm durch die pechschwarzen - sehen aus wie frisch gestylt - Haare, ich hätte dabei Angst, ein überraschtes Mordopfer mit Eigenverschuldung zu werden. "Habe ich dir nicht vorhin schon gesagt, dass ihn das nichts angeht?", wahrscheinlich soll es grummelig aussehen, allerdings mutet das Ganze verdammt nach Schlafzimmer an, verliert deshalb wie geplante - ungeplante? - Wirkung. "Schon, aber macht das einen Unterschied?" "Ähm, Leute, habt ihr vergessen, dass ich noch da bin? Es wäre toll, wenn ihr eure Beziehungskisten auf nachher verschieben könntet", meint der andere plötzlich und lässt sich seufzend - es klingt wie ein altes Sofa - neben mich fallen - wahrscheinlich war es doch nur die Sitzgarnitur der dubiosen Bahngesellschaft, was ich gehört hab -. "Oh, sorry, Niko, war keine Absicht. Ähm, sag mal, was machst du eigentlich hier?", Ayaro wendet sich mit fragendem Blick dem neben mir zu. Niko heißt er also, hm, aber irgendwie sieht er anders aus als wir - anders ist ein verdammt weit definierbarer Begriff -. "Ich wollte nur in Ruhe mit Kyo sprechen und in meinem Abteil geht das nicht unbedingt so gut", Niko fährt sich nervös durch die Haare, zumindest würde ich es als unruhig einstufen, aber ich glaube, nach dem heutigen Tag ist mein Gestik-Wahrnehmungs- und -Einschätzungsvermögen schon ziemlich gestört - vielen Dank der Sozialschleuder und ihrem Freund, der außerirdischen Grinsekatze -. Gibt es eigentlich eine Richterskala fürs sich-durch-die-Haare-fahren? "Dann schieß los, ich höre!", Kyo wirkt mal wieder leicht gereizt - ich gehe vorsichtshalber schon mal in Deckung, denn es wird sich garantiert auf mich entladen - warum auch immer. Vielleicht wäre er nur einfach viel lieber mit Ayaro alleine, wer weiß. "Warst du heute schon bei Akio?", was ist das denn für eine passende Frage, um ein Gespräch, bei dem es augenscheinlich um ihn gehen soll, anzufangen? Kyo nickt jedenfalls bloß, na gut, auch okay. "Er ist nicht ganz zufällig sauer auf mich?", inzwischen sieht Niko mehr ängstlich als nervös aus. Die Tür wird aufgerissen - so langsam bekomme ich Mitleid mit ihr, so viel, wie sie heute arbeiten muss - und jemand, den ich noch nicht kenne, aber wohl bald kennen lernen werde, wie ich das hier kenne, steht im Rahmen angelehnt und starrt auf Niko neben mir herunter. Wie viele werden das eigentlich noch? "Klar bin ich das, was denkst du dir eigentlich, Nikolai?" Super, jetzt gibt's ne Schlägerei - Krieg - hier oder wie? *Aya*s p.o.v* Meinen Schatz Kyo neben mir, sitze - liege - ich da und beobachte die Szenerie vor mir. Es ist einfach atemberaubend komisch, zumindest wenn man Bescheid weiß. Tut man das nicht, sollte man jetzt entweder schreiend weglaufen, oder wie ich die 3D-Brille aufsetzen und das Popcorn rausholen. "Ich gebe ihnen zwei Minuten, maximal", flüstere ich Kyo grinsend ins Ohr und sehe, wie sich seine Nackenhaare aufstellen, ich weiß schließlich, wie empfindlich seine Öhrchen sind. "Weniger, viel weniger?", antwortet er lässig. Ach ja, so liebe ich mein Schnuffelchen! Sicherheitshalber werfe ich einen Blick auf Kira und prust los. Er sieht aufgeregt zwischen Nikolai und Akio, den er wohl noch nicht kennt, hin und her und fragt sich entweder, wo er hier gelandet oder aber, wo hier der nächstgelegene Fluchtweg samt Notausgang ist. "Ich...es....es tut mir Leid", stottert Niko - so kenne ich ihn ja gar nicht - und sieht Akio von unten mit seinem meisterhaften Reh-im-Scheinwerferlicht-Blick an - so kenne ich ihn schon eher, also wenn Akio da widerstehen kann, verleihe ich ihm einen Orden für absolute Standhaftigkeit -. Akio scheint nur einen Moment zu zögern, was einfach nur dämlich aussieht, weil eh alle außer unserm Neuling wissen, wie er reagieren wird, dann stürzt er sich auf Nikolai und die beiden fangen wie immer sofort an, wie wild rumzuknutschen. Wenn Schwule wie die beiden sich endlich mal ein bisschen in der Öffentlichkeit zusammenreißen würden, dann würde unsereins auch nicht dauernd so sehr durch den Prosecco gezogen werden. Ein bemitleidenswerter Kira sitzt geschockt daneben und starrt kategorisch aus dem Fenster - ich bewundere ihn, ich hätte längst ganz unverhohlen hingeglotzt -. Ich stupse ihn mit dem Fuß am Knie an, grinse, als hätte ich irgendwas geschluckt, was man eigentlich nicht schlucken sollte - Normalzustand der Grinsekatze namentlich Ich - und meine: "Herzlich willkommen im Homo-Paradies, Schnucki!" ---End of Part 1 - Driving Trains - --- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)