Beichte von Jadis (Confession) ================================================================================ Kapitel 17: nach dir kommt nichts --------------------------------- Kapitel 17 ~ nach dir kommt nichts ~ Alexandra war mit sich übereingekommen, dass sie Tom als Playboy abstempelte und dass die Sache mit dem Kuss kein großes Ding war. Meine Güte, ihm war halt so gewesen. Es gab keinen Grund deswegen einen Aufstand zu machen oder sich irgendetwas darauf einzubilden. Er war eben so. Punktum. Bei der nächsten Gelegenheit die sich ihr bot würde sie sich Bill schnappen und ihrerseits zu Boden knutschen, oder so ähnlich. Das tat man heutzutage halt so. Man kannte sich, man grüßte sich, man küsste sich... Ihr Blick wanderte nach rechts. Sie saß neben Georg und hatte genau wie dieser schon mit dem Frühstück begonnen als Bill zu ihnen stieß. Na ja, vielleicht würde sie das mit den zu Boden knutschen doch erst beim übernächsten mal realisieren...oder nie. Als sie vollzählig waren erschien David und forderte sie auf etwas für ihre französischen Fans zu schreiben. Da Alexandra bereits zu Ende gefrühstückt hatte und außerdem ein Mädchen war und somit, zumindest theoretisch, die bessere Handschrift haben sollte, fiel ihr diese Aufgabe in die Hände. Sie schrieb mit Edding ein paar Sätze auf ein weißes Blatt und ließ das Papier dann eine Runde um den Tisch wandern, damit jeder seine Unterschrift darunter setzen konnte. Georg lachte als das Stück Papier bei ihm war und er es durchlas. “Was denn?” wollte Tom wissen der dies nicht getan hatte, sondern nur seinen Namen darunter gesetzt hatte. Alexandra bemerkte, dass seine Haare noch immer nass waren. Sie wusste aber auch, dass sie immer zwei Tage zum trocknen brauchten. “Nichts weiter. Ich finds nur toll, dass du unterschrieben hast, dass du beim nächsten Auftritt in Frankreich ‘Hoch auf dem gelben Wagen’ a capella zum besten geben willst.” “WAS?” Georg und der Rest grölten vor lachen während Tom versuchte nachträglich zu lesen was er unterschrieben hatte. “Du lügst doch.” “Nichts da,” meinte Georg und reichte David das Blatt der auch augenblicklich damit verschwand “unterschrieben ist unterschrieben.” Oh ja, dachte Alexandra als Tom in ihre Richtung funkelte und “Ich hasse dich.” mit seinen Lippen formte, Rache ist ein Gericht was kalt serviert wird. Eine Woche war seit ihrem Parisaufenthalt vergangen. Alexandra stand in der Küche der WG und rührte Waffelteig an während die Jungs auf der Couch hockten und stritten welchen Film sie sich heute rein ziehen wollten. Das hieß, eigentlich stritten sich nur Gustav und Georg. “Vergiss es, den ham wir letzte Woche schon gesehen,” sagte Georg und zeigte Gustav den Piep “Dreimal!” Alexandra bekam nicht mit was Gustavs Erwiderung war da sie zu sehr erschrak als plötzlich jemand neben ihr stand und Teig stibitzte. Anschließend wurde sie zur Seite gedreht und hatte sich einen Kuss eingefangen. Georg, Gustav und Bill beachteten diese Merkwürdigkeiten schon gar nicht mehr, genau wie Alexandra selber. Anfangs, als Alexandra plötzlich mitten in ihrer Lobby von Tom “überfallen” wurde, waren ihnen fast die Augen raus gesprungen so weit hatten sie diese voller Unglauben aufgerissen. Doch zwischenzeitlich hatten sie sich an Toms Anwandlungen, die allen Anschein nach nichts zu bedeuten hatten, gewöhnt. Alexandras Nervenkostüm allerdings hatte anfangs sehr darunter gelitten. Doch anschreien brachte bei Toms Sorte rein gar nichts. Also versuchte sie es auf die defensive Methode: Ignoranz. Bills Handywecker rettete sie aus dieser Situation. “Ich bin weg.” sagte Bill im gehen und verschwand nach draußen. Alexandra blickte ihm hinterher. Etwas wunderte sie. Bill war doch der Waffel-Freak. Warum haute er jetzt so einfach ab? Tom nahm ihr die Schüssel aus den Händen und begann den Waffelmacher mit Teig zu füttern. Alexandra hatte ihre liebe Mühe einen Teller mit Waffeln vor den Jungs zu verteidigen den sie für Bill aufheben wollte. “Ich hatte nur drei Waffeln,” beschwerte sich Georg als sie zu Ende genascht hatten “Wie soll ich denn da satt werden?” Alexandras Antwort darauf blieb unausgesprochen da das Schloss der Wohnungstür klackte und Bill seinen Kopf ins Innere steckte. “Wir müssen lohos.” Alexandra befreite sich aus Toms Griff der wieder anfing aufdringlich zu werden, schnappte sich ihre Tasche, verschwand im Treppenhaus und rannte auf den Hof hinaus. Das Ganze dauerte keine fünf Sekunden. Die Jungs murmelten eine Zustimmung und schleppten sich und die DVD für die sie sich entschieden hatten hinter Alexandra her. Alexandra saß, in ein Buch vertieft, in der Lobby des Tourbusses und blickte auf als sich Georg, Gustav und Bill neben sie setzten. Kaum eine Sekunde später flimmerte ihnen ein Actionfilm von der Mattscheibe entgegen. Die ersten zehn Minuten des bleihaltigen Filmes vergingen, dann erschien Tom mit einem Tablett und servierte ihnen ein zweites Frühstück. Ha, es geschahen also doch noch Zeichen und Wunder. Alexandra legte ihr Buch zur Seite und beobachtete wie er ihr Kaffee und Toast servierte. Sie brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass darauf ein Herz eingetoastet war. “Was soll das denn?” platzte es aus ihr heraus und alle Köpfe wandten sich in ihre Richtung. “Was soll was?” fragte Tom leicht verwirrt. Alexandra ließ ihren Blick über den Tisch wandern und sah, dass die anderen ebenfalls dieses Muster auf ihrem Weißbrot eingebrannt hatten. Sie biss sich auf die Zunge. Da hatte sie wohl überreagiert. Konnte es sein, dass sie zu einer unleidlichen Zicke mutierte? “Ach, nichts. Vergiss es.” sagte sie schnell und stürzte einen Beruhigungskaffee runter. Tom setzte sich auf seinen Platz neben sie. Unbewusst rückte Alexandra ein Stück mehr nach rechts wo sie augenblicklich gegen Bills Knie stieß. Erschrocken wich sie in die andere Richtung zurück, nur um sich plötzlich Arm an Arm mit Tom wieder zu finden. Leicht panisch sah sie hin und her, schluckte schwer und griff nach ihrem Toast. Warum war es eigentlich plötzlich so heiß hier drin? Mit einem Satz war sie aufgesprungen und über den Tisch hinweg gefegt. “Ich bin telefonieren.” ließ sie noch verlauten und war auf dem Weg in ihre Koje. Sie zog den Vorhang hinter sich zu, machte es sich auf dem Bett bequem, schloss die Augen und ließ das gleichmäßige Schaukeln des fahrenden Busses beruhigend auf sich einwirken. Sie atmete tief ein. Seit ein paar Tagen wusste sie nicht so richtig mit ihren Gefühlen umzugehen und konnte einige auch nicht definieren. Vielleicht sollte sie anfangen Texte oder kurze Geschichten darüber zu schreiben? Gelangweilt blätterte sie in ihrem Handy das Telefonbuch durch. Mehr im Unterbewusstsein wählte sie den zweiten Eintrag aus und ließ sich verbinden. Anstatt eines langweiligen Freizeichens hörte sie einen Song von “Halts Maul Und Spiel”. Sie grinste. Typisch. “Ja?” hörte sie eine Stimme am anderen Ende und hörte auf mit zu summen. Plötzlich wusste sie gar nicht was sie eigentlich wollte. “Hallo?” fragte die Stimme erneut als sie sich nicht meldete. “Hallo Andy.” sagte sie endlich. Das war immerhin das normalste was sie sagen konnte. “Lexa, hi. Was gibts?” Alexandra holte Luft um etwas zu sagen, jedoch verließ nur ein undeutlicher Laut ihren Mund und sie stammelte irgendetwas unverständliches. “Alles in Ordnung?” fragte Andreas. “Äh, ja. Ich wollte dich eigentlich nur daran erinnern, dass du das Geschenk nicht vergisst. Du weißt schon. Für die Party.” Alexandra konnte regelrecht hören, wie seine Stirn sich in Falten legte und die linke Augenbraue in die Höhe schoss. “Die Party ist erst in sieben Wochen.” “Öh ja, ich weiß. Nicht das dus vergisst.” “Äh, okay,” war nun Andreas an der Reihe zu stammeln “Ist wirklich alles in Ordnung?” Sie lauschte den Fahrgeräuschen, dem statischen Rauschen und den Geräuschen in Andreas’ Umgebung bevor sie begann: “Ich weiß nicht genau. Ich glaube ich habe...” “Ja?” “Ich...also...wahrscheinlich bin ich nur wegen heute Abend aufgeregt.” “Ach ja, das Konzert.” Andreas klang enttäuscht. Es war offensichtlich, dass dies alles nicht der wahre Grund ihres Anrufes war. “Ich will dich nicht länger stören. Man sieht sich dann in sieben Wochen.” wollte Alexandra das Gespräch schnell zu Ende bringen. “Du störst doch nicht. Sag allen nen schönen Gruß.” “Mach ich.” “Und Lexa?” “Ja?” “Wenn irgendetwas ist, egal was, du kannst mich immer anrufen.” “Ich weiß, danke. Machs gut.” “Machs besser.” Sie legte auf und zog den Vorhang wieder zurück um aus der Koje klettern zu können. Wieder oben angekommen warf sie ein allgemeines “Liebe Grüße von Andy.” in die Runde bevor sie sich wieder setzte und sah, dass Tom ihr Buch in den Händen hielt und darin blätterte. “So was liest du?” fragte er ungläubig und reichte das Buch seinen Bruder weiter der schon die ganze Zeit versuchte darin zu lesen “Wusste gar nicht, dass du lesen kannst.” neckte er Alexandra die darauf nicht reagierte. “‘Die Geduld der Spinne’,” las Bill den Buchtitel laut vor und schauderte “Ich hasse Spinnen.” “Oh, guckt mal.” wechselte Alexandra das Thema und lenkte die Aufmerksamkeit auf den laufenden Film “das ist meine Lieblingsstelle.” Sie hasste es im Stau zu stehen. Doch noch schlimmer war, dass der Beginn des Konzertes vor zehn Minuten gewesen war. Der Beginn IHRES Konzertes. Es war zum aus der Haut fahren. “Wir kommen zu spät,” stellte Gustav unnötigerweise fest und machte dabei den Eindruck eines kleinen weißen Hasen aus einem bekannten Zeichentrickfilm “zu spät, zu spät, zu spät.” Tom zuckte nur gelassen mit den Schultern. “Is ja nicht so, dass sie nicht auf uns warten würden, oder?” “Ich hasse Unpünktlichkeit.” sagte Bill nur zum rund hundertsten Mal und sah nach links um über Alexandras Schulter hinweg auf Seite einhundertsiebenundneunzig bei Kapitel dreiundvierzig in die Story ihres Buches einzusteigen. “Geduld ist eine Tugend.” flötete Georg vor sich hin und bewarf Tom mit Papierkügelchen. Gerade als Gustav anfing laut “Du kannst nicht immer siebzehn sein” zu singen, löste sich der Stau einigermaßen auf und sie kamen ihrem Ziel wieder näher. “Du wirst für mich immer heilig sein.” hallten die letzten Töne noch durch die Halle während sich Bill und Alexandra Hand in Hand auf der Bühnenmitte gegenüberstanden und die Fans sich die Seele aus dem Leib grölten. Nervös wanderte Alexandras Blick immer wieder auf ein Plakat in der Menge. In großen Lettern prangte dort der Schriftzug “Lexa x Bill - küsst euch!” Unter normalen Umständen hätte sie mit dem Finger darauf gezeigt und ihren Spaß gehabt, doch das hier waren keine normalen Umstände mehr. Unter normalen Umständen hätte sie jetzt auch, nachdem Bill die Massen mit einem “Hallo Kiel!” begrüßt hatte, etwas gesagt. Doch sie sagte nichts, sondern beobachtete aus ihren Augenwinkeln das auf und ab hüpfende Plakat. “Wie gehst euch?” hörte sie Bills Stimme nach einiger Zeit sagen. Die Fans schienen nichts zu merken, doch die Jungs warfen ihr und sich gegenseitig fragende Blicke zu. Alexandra riss sich zusammen. “Habt ihr bock heute Abend die Halle zu rocken?” fragte sie und erntete die gewünschte Reaktion: Schreien und Kreischen am Rande der 130 Dezibel-Grenze. Das Intro zu “Ich brech aus” begann noch im selben Augenblick und Alexandra konzentrierte sich wieder auf wichtigere Dinge: die Performance nicht zu versauen. Sie fing an sich selbst zu hassen als sie es an diesem Abend nicht gebacken bekam nach “Spring nicht” in die Menge zu springen. Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Menge, dauerte allerdings nicht lange an, da Bill einen weiblichen Fan auf die Bühne winkte und seine Soloversion von “Reden” für sie sang. Alexandra ging auf den hinteren Teil der Bühne und hatte etwas mehr als drei Minuten Zeit sich wieder zu sammeln. Tom warf ihr unsichere Blicke zu als sie sich auf einem Barhocker nieder ließ und versuchte einen nicht ganz so zerknirschten Eindruck zu machen. Unter normalen Umständen wäre es jetzt die Zeit für sie gewesen sich in den Graben vor der Bühne gleiten zu lassen, Fotos mit den Fans zu machen und Autogramm zu geben. Unter normalen Umständen. Alexandra wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und beobachtete die Bühnenshow von ihrem Platz aus. Genau wie damals bei ihr warf Bill seinen Arm um die Schulter des Mädchens die mit der Situation ein wenig überfordert zu sein schien. Der Anflug eines Lächeln huschte über Alexandras Gesicht. “Ich will mit keiner außer dir reden, redehehehehehehehehehen.” Die letzten Sekunden des Songs vergingen und Alexandra wurde schmerzlich bewusst, dass sie ihren Blick kaum von Bill nehmen konnte. Noch während sie sich fragte warum dies so war verabschiedete sich Bill von dem Mädel was nun den Tränen nahe war und kündigte den nächsten Song an. Alexandra erhob sich und tappte auf wackeligen Beinen in seine Richtung. Die erste Strophe von “Nach dir kommt nichts” sang er im Alleingang und wanderte den Steg nach vorn. “Zerfetz dein Tagebuch, ich find mich nicht auch wenn ich such, denn-“ Sie wusste, dass dies ihr Einsatz war, doch konnte sie sich nicht dazu zwingen einen Laut über ihre Lippen zu bringen. Statt dessen sah sie tanzende Sterne vor ihren Augen aufflackern. Ihr Blickfeld verdunkelte sich und sie versuchte es wieder klar zu blinzeln, vergeblich. Sie schloss die Augen, griff an ihre Schläfe und strauchelte. Ihr Bewusstsein verabschiedete sich und als sie hart auf den Bühnenboden aufschlug entglitt das Mikro ihrem gelockerten Griff und kullerte in den Bühnengraben. ~ Ende des 17. Kapitels ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)