Aer Avis Ais von Nyadam (Yubin-Haitatsunin-Saga) ================================================================================ Kapitel 3: Das Zeichen des Todes 1 ---------------------------------- KAPITEL 3- Das Zeichen des Todes 1 Für einen kurzen Moment konnte sich Ais vor Verwirrung und Schreck kaum rühren, dann jedoch schüttelte er sofort den Kopf und rannte einfach darauf los, den Stimmen entgegen, die aus so vielen Richtungen zu kommen schienen. Welch Glück waren die Büsche und Sträucher des Waldes aufgrund der Trockenzeit so klein und spröde, das es kein größeres Problem war, durch sie hindurch zu rennen oder darüber hinweg zu springen. Je tiefer er im Wald verschwand, desto näher schien er den Stimmen zu kommen, denn nun konnte er sogar schon einzelne Wortfetzen verstehen. Wörter wie „VERSCHWINDE!“ oder „LASS MICH LOS!“, die sich unter die verzweifelten Kinderschreie mischten und dennoch klar und deutlich hervordrangen. Als er merkte, wie nah er schon am Geschehen war, wurden seine Schritte plötzlich träger und schwerer bis er letzten Endes hielt und wie gebannt gerade aus sah, immer noch in die Richtung der Schreie. Wollte er eigentlich wirklich sehen, was dort gerade geschah? So verzweifelt wie die Schreie durch das Unterholz hallten war er sich da nicht mehr so sicher. Einen kurzen Moment rang er mit sich selbst, machte dann kurz einen Ansatz durch das vor ihm befindliche Gebüsch zu springen und nachzusehen, was hier vor sich ging, zog aber wieder zurück als die Schreie noch lauter wurden als zuvor. Ais wurde regelrecht die Luft abgeschnürt und komischerweise stieg in ihm plötzlich ein sehr unangenehmes Gefühl auf- Angst. Es war vielleicht wirklich besser einfach umzukehren und gegebenenfalls sein eigenes Leben nicht aufs Spiel zu setzen… aber, nein, das war der definitiv falsche Weg. Der Aeone nahm seinen Mut zusammen, schluckte und bahnte sich, wenn auch etwas zaghaft, einen Weg durch das Gebüsch auf eine kleine, freie Lichtung mit seichtem Gras und größeren Felsen. Nicht weit von ihm entfernt konnte er eine Person sehen, wie er es sich schon dachte eine Frau und den Wortfetzen und der Kleidung nach zu urteilen Mutter, die einen schweren Stein über ihren Kopf erhoben hatte und nur zitternd so halten konnte. Ais rührte sich nicht, lediglich sein Mund klappte leicht auf als er sah, was die Schreie von sich gab. Es war ein kleines, vielleicht 10-jähriges Mädchen, das direkt vor der Frau im Gras an einem Felsen kauerte, mit feuchten Wangen und verweinten Augen. Die braunen Augen des Mädchens, welches schulterlange, schwarze Haare und einen unordentlichen Pferdeschwanz besaß, waren weit aufgerissen und starr nach oben gerichtet. Verzweiflung war definitiv zu milde ausgedrückt wenn man diesen Anblick sah- Es ging über Verzweiflung und Angst hinaus… Ais sah von seinem Standpunkt aus, wie neue Tränen über die Wangen des Kindes flossen, es leise zu wimmern und zu weinen begann und versuchte sich an den Beinen ihrer Mutter zu klammern, während sie Dinge schluchzte wie „Hör auf Mama“, was kaum noch zu verstehen war. Die Frau wurde laut, schrie schon beinahe und trat ihr eigen Fleisch und Blut hemmungslos zurück. „FASS MICH NICHT AN!“, brüllte sie und das Kind zuckte nur noch mehr zusammen, woraufhin Ais schlagartig klar war, das der große Stein in den Händen der Mutter wohl demnächst den Kopf des Mädchens zertrümmern würde. Das sie zitterte ließ ja nur darauf schließen, das sie den Stein schon länger hielt und etwas in ihrem Inneren sie hinderte diesen fallen zu lassen, was jedoch zunehmend nachließ und diese Frau skrupellos und unberechenbar machte. „Aufhören!“, mischte sich der Blondschopf ein, als er sah was dieses Geschehen ausgelöst hatte. Ein schwarzes Zeichen, eine Art Tattoo, prägte den Handrücken des kleinen Mädchens, welches sich wie ein Häufchen Elend zusammengekauert an den Stein hinter sich drückte. In sekundenschnelle hatte er verstanden und sah dem Schauspiel weiterhin schockiert zu, bis er plötzlich einfach darauf losstürmte um diesem Vorgang Einhalt zu gebieten. „AUFHÖREN- Legen sie den Stein weg!“, kam es laut aus seinem Munde, woraufhin die Frau herumschleuderte und Ais erschrocken ansah. Auch der Blick es Mädchens haftete an dem Blonden, der zu ihnen hinüber rannte, ehe ihre grünen Augen über den Körper ihrer Mutter zu dem großen Stein schwangen. Durch Ais plötzliches Auftreten erreichte der Blondschopf allerdings das Gegenteil von dem, was er bezwecken wollte- Die Frau schreckte zusammen und fühlte sich dazu gedrängt, die Tat schnell hinter sich zu bringen, woraufhin sie laut schreiend den Stein niedersausen ließ. Ais riss förmlich seine Augen auf und sah ungläubig schockiert dabei zu, wie dichter Staub aufgewirbelt wurde und sich über der Lichtung verteilte. Nun kam er langsam zum stehen. Sein Herz raste, sein Brustkorb hob sich hastig und man sah ihm den Schock wirklich an. Wieso tat man so etwas? Der Aeone konnte nur noch die Silhouette der Frau sehen die inmitten des Staubes stand. Sie rührte sich nicht und dennoch konnte man sehen das irgendetwas nicht stimmte… Ein gewaltiger Ruck ging durch den Körper des Postboten, ehe unter einem leichten Windstoß tausende kleiner, braun-schwarzer Federn aus seinen Schultern sprossen und zwei prächtige Falkenflügel formten, wobei der braune Mantel, den er die ganze Zeit getragen hatte, von ihm geworfen wurde und man nun auch die aufgefächerten Schwanzfedern sehen konnte. Ohne weiteres begann er mit seinen Flügeln zu schlagen, sie in kreisförmigen Bewegungen durch die Luft zuziehen. Wie er es sich erhofft hatte, konnte er den Staub so verwehen lassen und klare Sicht schaffen, wobei sein Blick schlagartig an einem Käfig aus dunkelbraunem Stein um das Mädchen hängen blieb, der aus dem Boden gewachsen zu sein schien und den Mord verhindert hatte. „Aber…a…aber“, kam es leise aus der völlig verwirrten Mutter, die nun am ganzen Leib zitterte und langsam eine Hand an ihren Mund legte. Das Mädchen war nicht minder mitgenommen, sah mit leicht leeren Augen erst durch die Gitter ihres steinernen Gefängnisses hindurch, ehe die mit weiteren Tränen gefüllten Augen zaghaft zum Gesicht der Frau wanderten. „Mama…“, kam es nur stockend aus dem Munde des Kindes „Mama…“. Augenblicklich war Stille eingetreten. Keiner der Anwesenden hatte sich seit dem Verwehen des Staubes gerührt. Das einzige was zu hören war, war das zaghafte Flüstern dieses Kindes, das anscheinend nicht verstand, was das alles sollte und noch weniger verstand, das sie gerade durch diesen Steinkäfig dem Tode entgangen war… Ais Flügel hingen nun schlaff von seinem Körper hinab. Jedes Wort des Kindes war wie der Stich einer Nadel in eine offene Wunde… Es schmerzte ihn zusehen wie weit sogar Mütter gingen, wenn jemand DAS Zeichen trug. Wegen diesem kleinen, schwarzen Tattoo auf dem Handrücken des Mädchens, das eigentlich keinerlei Bedeutung hatte und dennoch dazu veranlasste, den Träger des Zeichens auf brutalste Weise töten zu lassen, war diese Situation entstanden. Aber das sogar die Eltern eines Trägers dazu bereit waren ihr Kind deswegen hinzurichten, das war selbst für Ais einfach zu grausam… Immerhin waren es oft die Unwissenden, die sich ein Urteil über die Zeichenträger erlaubten. Die, die keine Ahnung von gar nichts hatten und sagten, das jeder, der mit dem Zeichen geprägt war, Unheil über das Land bringe… Ais musste hart schlucken. Dieses Bild setze ihm einfach nur zu. Langsam faltete er die Flügel auf dem Rücken zusammen, ehe sich sein Schockzustand in verzweifelte Wut wandelte und er sich nun einfach auf die Mutter des Kindes stürzte, mit ihr hart auf dem Boden landete. Zwar war er selbst noch ein Kind, doch was sagte das schon aus wenn man wütend war? Das sich seine eigenen Augen auch langsam mit Tränen füllten, spürte er gar nicht, irgendwann packte er die Mutter am Kragen ihres Pullovers und rüttelte nur noch an ihr. „Was sollte das?! Haben sie einen Knall!? Sie können so etwas doch nicht machen!“, schrie er sie wütend an, wobei er immer aufgewühlter wirkte und grober wurde „Sie können doch nicht ihr eigenes Kind töten! SIE DÜRFEN DAS NICHT!!!“. Er drückte sie grob zurück auf den Boden, sodass ihr kopf auf diesem aufschlug, aber nichts Schlimmeres geschah. Selbst wenn er wütend war- Er wollte nicht zu dem werden, was er über alles hasste. Ais würde nicht zum Mörder werden… nein, das sicherlich nicht. Die Hände der Frau drückten Ais nun von sich, was leichter gesagt als getan war. Damit er sie los ließ krallte sie sich sogar in seine Arme und letzten Endes schaffte sie es auch ihn von sich zu werfen. „VERSCHWINDE!“, keuchte die Frau, die nun, wie Ais, dreckverschmiert war, was unter anderem durch den vorher aufgewirbelten Staub kam „Verschwinde! Lass mich in Ruhe, hörst du!?“. Sie versuchte aufzustehen, was jedoch schwerer fiel als sie gedacht hatte, sodass sie sich nur an einem Baum in der Nähe hochziehen konnte. Sie atmete schnell und fuhr sich mit dem Arm durchs Gesicht, warf einen scharfen Blick zu Ais und anschließend dem eingesperrten Mädchen, ihrer Tochter. „Und… du… stirb… ver-verrecke“, flüsterte dessen Mutter bösartig, zischte schon fast und strich sich mit stark zitternden Händen ein paar der ebenfalls schwarzen Strähnen zurück „Komm… ja nicht wieder… ich will… das du verendest… dafür, was… dafür was du deinem Vater angetan hast… du verdammter Dämon…“. Langsam verstummten die schweren Atemlaute und sie konnte wieder teils normal Luft holen. Ihre Tochter jedoch starrte sie immer noch aufgewühlt durch die steinernen Gitterstäbe hindurch an, gab abermals ein verzweifeltes „Mama“ von sich und drückte sich gegen die Käfigwand, wobei sie eine Hand sehnend ihrer Mutter entgegen streckte. Wieso war sie plötzlich so zu ihr? Sie verstand es nicht, das einzige was sie verstand war, das sie bald alleine sein würde… „Halten sie gefälligst ihr Maul!!“, kam es nun ebenfalls etwas stockend aus Ais Munde, der sich langsam aufgesetzt hatte „… Seien sie still… das… das ist immerhin ihre Tochter…“. Ais hielt sich den linken Oberarm, in welchen sich die Nägel der Frau gegraben und ein paar kleinere Wunden hinterlassen hatten, wohingegen seine Flügel nun wieder schlaff von seinem Körper im Gras hingen. „Das ist nicht meine Tochter!“, knurrte die Frau nun Ais an und warf schwach einen kleinen Stein nach ihm, der ihn jedoch um weiten verfehlte „Verschwinde!“. Ais zuckte leicht. Diese Frau war völlig verwirrt… fast schon psychisch beeinträchtigt; Sie schien nicht einmal verstanden zu haben was sie vorhin beinahe getan hätte. Und ihre Tochter hatte darunter zu leiden… Ais konnte sich wirklich schon einiges zusammenreimen und je mehr er sich zu erklären versuchte, desto schmerzhafter wurde es auch für ihn. Denn er konnte sich besser als jeder andere vorstellen, wie sich das Mädchen fühlen musste, das von ihrer Mutter so abgewiesen, ja beinahe getötet worden war. Ein Knacken ließ alles auf der Lichtung zusammenfahren und nun kam auch Shiron zu der kleinen Gruppe über die Lichtung gelaufen, alleine und mit ernstem Blicke. Er sah nur kurz zu dem eingesperrten Mädchen, dann zu Ais und der Frau. „Gehen sie nach Hause… sie haben für heute wirklich genug Schaden angerichtet…“, sprach er dann leise, aber hörbar und verschränkte langsam die Arme „… Also gehen sie“. Die Frau wurde wieder unruhiger. Gegen zwei hatte sie keine Chance, auch wenn Ais angeschlagen wirkte. Seelisch sowie körperlich. Mit einem zornigen Ausdruck wandte sie sich dann ab und rannte durch das Unterholz davon. Sie würde sofort ganz Aisen erzählen was geschehen war und das diese beiden Jungen einen „Dämonen“ schützten. Ais sah ihr nach. Sein Herz schlug ihm wirklich bis zum Halse und er biss sich auf die Lippe, ehe er einige seiner eigenen Tränen fortwischte und sich nun wieder ganz erhob. „Danke Shiron…“, murmelte er und sah über seine Schulter hinweg zu dem Bibliothekar hinter ihm. Dieser blickte Ais nur traurig, fast schon ein wenig entschuldigend an und wank ab: „Schon gut… was für ein Glück, das ich euch rechtzeitig gefunden habe…“. Er schnippte kurz mit gehobener Hand woraufhin sich der Käfig auflöste und das Gestein zurück in die Erde fuhr. „Es ist wirklich nützlich über solche Art von Magie zu verfügen, oder?“, lächelte Shiron schwach und sah zu Ais der wirklich dankbar wirkte. „Ja… deine Magie hat ein Leben gerettet…“, stimmte er leise zu und versuchte sich ebenfalls an einem Lächeln, welches allerdings gezwungen wirkte. Ais hatte wirklich einen seiner schlimmsten Alpträume live erleben dürfen und das zerrte nun an den Kräften des Blondschopfes. Shiron erkannte schnell, das es seinem Freund nicht sonderlich gut ging, trat zu ihm und drückte ihn leicht in Richtung eines Steines, damit sich dieser erst einmal setzen und beruhigen konnte. „Ich.. ich bin okay..“, murmelte Ais und zog die Flügel, die sich in der Zwischenzeit leicht gespreizt hatten, wieder an, ehe er sie ganz verschwinden ließ. Das Shiron ihm das nicht abkaufen würde war ihm ohnehin klar, aber schwach wollte er nun erst recht nicht wirken. Wo er doch beinahe mit Schuld am Tode des Kindes vor ihm gewesen wäre… „He… Kleine… du bist nun sicher…“, setze er langsam an und sah zu dem Mädchen, das völlig entkräftet auf dem Boden kauerte und sich nicht einmal aufzusetzen wagte. Ais seufzte leicht und rieb sich vorsichtig über die Wunden auf seinem linken Oberarm, die seine Fingerkuppen rot färbten. „…Es… das Zeichen…“, wisperte Ais dann nur noch und machte seinen Freund auf das Tattoo auf dem Handrücken des Mädchens aufmerksam. „… Das Zeichen des Todes… diese Welt wird wirklich immer grausamer…“, kam es nur noch leise aus dem Munde Shirons, ehe er langsam den Blick senkte und auf den Boden sah. Dem Braunhaarigen und Ais tat sich nur noch eine Frage auf… …Wieso meint man alle Probleme nur mit dem Tod aus der Welt schaffen zu können?… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)