Aer Avis Ais von Nyadam (Yubin-Haitatsunin-Saga) ================================================================================ Kapitel 1: Aishiro Yamaki ------------------------- KAPITEL 1- Aishiro Yamaki Das Klingeln einer Türglocke erklang und die alte Holztür des Warenlagers, welches zu „FlyingWing“, einem Postunternehmen, gehörte, öffnete sich knarrend und gewehrte einem Jugendlichen Eintritt. In dieser ziemlich zugestellten Hütte hausierte nur schummriges Licht, das durch eines der wenigen Fenster ins Innere fiel und einen Einblick auf einige der Waren gönnte, die oft aufeinander Kistenweise gestapelt oder in Ecken verstaut waren. Der Junge schritt geradewegs zu einem Tresen, nicht weit von der Tür entfernt, und schlug einen dicken Ordner vor den Augen zweier älterer Mitarbeiter auf die staubige Unterlage, woraufhin der Schmutz nur so aufgewirbelt wurde. „Oh, das man dich hier auch mal wieder sieht“, kam es belustigt aus dem Munde eines 20-Jährigen Kollegen. Er musterte den jugendlichen Postboten kurz, schmunzelte und wandte sich den Akten zu. „Soso…drei Rundflüge, zwei davon durch einen Canyon, der letzte über ein Steppengebiet…richtig?“, seine Augen schienen in sekundenschnelle alles Wichtige zu überfliegen. Der Jugendliche nickte, wobei sein kurzer, blonder und geflochtener Zopf auf und ab wippte. „Ja. Einmal Steppe, zweimal Schlucht“, wiederholte der Postbote, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich wartend gegen den Tresen. Diese Flüge waren ziemlich anstrengend gewesen und er würde sich wohl gleich zu Hause die verdiente Ruhe holen, wenn denn nichts anderes dazwischen kam…. „Die Daten… dein Name war Aishiro, stimmts?“, erkundigte sich der Mann und durchblätterte nun einen dicken Ordner mit den Daten der Angestellten des Unternehmens bis er zu der gewünschten Seite kam. „Hier haben wir es doch- Yamaki, Aishiro… geboren am 25.05.1810, Postbote für die unteren Gebiete…“, gab der 20-Jährige einige der Daten preis und blickte über den Rand der Blätter zu dem Kind vor ihm „Wie alt bist du eigentlich?“. „15“, kam es aus dem Munde Ais’ und er runzelte leicht die Stirn. Sein Kollege schien überrascht. „Kommt selten vor, dass Kinder in deinem Alter schon so Selbstständig sind…“, erklärte der Mitarbeiter und schien Ais ein leichtes Lächeln zu schenken „Ich leite alles Wichtige an die Sekretärinnen weiter, du kannst dann auch schon gehen. Es stehen keine weiteren Lieferungen an, und wenn, dann geben wir wie immer bescheid…“. Auf Ais Lippen machte sich nun ebenfalls ein Lächeln breit. Seine bernsteinfarbenen Augen schienen kurz vor Freunde aufzublitzen, ehe sich seine ganze Mimik zu einem freudigen Grinsen verzog. „Danke! Bis Morgen dann!“, verabschiedete er sich auch schon und begab sich aus dem Gebäude hinaus ins Freie. Draußen herrschte reger Sonnenschein. Schon seit einiger Zeit war der Schnee, der ansonsten die gesamte Umgebung bedeckte und die Temperaturen auf Minusgrade fallen ließ, vom Erdboden verschwunden und hatte der Sonne Platz gemacht. Diese stand nun schon tagtäglich am höchsten Punkte des Himmelsgewölbes und jagte ihre warmen Strahlen auf die Erde hinab. Eigentlich solle man sich im Sommer ja über solch „erfreuliches“ Wetter nicht aufregen, doch hier brachte es den ganzen Rhythmus aus dem Gleichgewicht. Normalerweise lag hier nämlich das ganze Jahr zentimeterdicker Schnee und ganze Eismassen formten die Gebirge der Region To-San’s. Nun begannen diese Massen langsam und allmählich zu verschwinden und die Bewohner der Berge hatten mit einer Hitzeperiode zu kämpfen, welche die Felder verdorren und Flüsse austrocknen ließ. Inzwischen hatte sich der 15-jährige Junge auf den Heimweg gemacht. Er bog durch eine Seitengasse in die Haupthandelsstraße ein, wo immer reges Treiben herrschte. Viele Stimmen plapperten wild durcheinander und erfüllten das Dorf Aisen mit Leben. Ganze Massen zogen durch die Straßen, Händler, die ihre Stände an den Seiten aufgebaut hatten, warben lauthals rufend um ihre Waren. Alles hatte einen mittelalterlichen Charme, vor allem weil es hier kaum höhere Technologien gab- die Häuser waren aus dunklem Holz gebaut und mit roten Kacheln bedacht; Die Schilder, die zum Marktplatz, der Bibliothek, dem Postservice oder andern Unternehmen verwiesen, waren oft große Holzpfähle und anscheinend Handarbeit. Jeder mit roter oder auch schwarzer Farbe darauf gezeichnete Buchstabe war einzigartig. Hier und da standen Statuen, die Menschen mit prächtigen Vogelschwingen und Schwanzfedern zeigten, oft posierend mit Waffen oder langen Gewändern. Im Zentrum des Dorfes, dem Marktplatz, befand sich ein großer Springbrunnen. Selbst in dieser Trockenzeit gab er Quellwasser von sich und die Leute hier waren mehr als dankbar dafür, wenigstens nicht bis zu den Seen laufen zu müssen um genug zum Trinken zu haben. Die Seen lagen nämlich tief in den Schluchten der Gebirgspässe und der Weg dorthin war weit und nicht gerade ungefährlich. Denn nun, wo die Sonne den Boden erwärmt hatte, kam es häufiger zu Angriffen von Drachen oder anderen Tieren, die in Schneegebieten ansonsten kaum anzutreffen waren. Ais schlug den direkten Weg zu seinem Haus an, weswegen er fast die halbe Handelsstraße hoch laufen musste, ehe er beim Marktplatz gleich zu seinem zweistöckigen Haus gehen konnte, das auf einer Anhöhe seinen festen Platz hatte. Ein Zaun zog sich um die Anhöhe um vor eventuellen Unfällen zu schützen. Das Haus wirkte neu, war aber in Wirklichkeit schon von Ais’ Urgroßeltern bewohnt worden. Wenn man es so wollte dann lag das Haus im Familienbesitz und als letzter Angehöriger der Yamaki-Familie war nun der Blondschopf der rechtmäßige Eigentümer. Sein Bruder und seine Eltern lebten schon lange nicht mehr…zu jener Zeit hatte sich ein Familiendrama ereignet, das den Postboten noch eine ganze Weilelang verfolgen würde. Aus den Hosentaschen des dunkelblauen Postbotenanzuges, der mit reichlich schwarzen und weißen Streifen ausgeschmückt war, kramte er ein Schlüsselbund hervor womit er schon kurze Zeit später die Tür öffnete und in die geräumige, nicht allzu große Wohnung trat. Rechts an der Wand neben der Tür hing sogleich eine Schlüsselablage mit einer noch freien Stelle. An ihr fand der Schlüsselbund auch gleich seinen rechtmäßigen Platz. Ais zog das ebenfalls dunkelblaue Oberteil seines Anzuges aus und hing es über die Lehne eines Stuhles in der Nähe, ebenso die dazugehörige Hose, bis er letzten Endes in seinen schwarzen Shorts zu einer Kommode schritt und sich neue Kleidung zurecht legte. Hier im unteren Stockwerk verschmolzen Wohn- und Esszimmer miteinander, die Küche und Rumpelkammer fanden in separaten Räumen ihre Plätze. Über eine Treppe, die am anderen Ende des Untergeschosses lag, konnte man in den zweiten Stock gelangen. Hier lagen Schlaf- und Badezimmer sowie Dachboden. Die Einrichtung generell war schlicht gehalten- In der Wohnecke ein Sofa, ein Kamin, ein grüner Sessel und rustikaler Tisch auf weinrotem Teppich, so aufgestellt das man direkt vor dem großen Fenster saß, welches einen Blick auf den Marktplatz preisgab. Neben dem Kamin stand ein kleiner Eimer. In ihm fanden die Holzscheitel ihren rechten Platz, die vor allem an sehr kalten Tagen gebraucht wurden. Ais, der sich inzwischen mit einem lockeren, ärmellosen Shirt bekleidet hatte und nun Barfuss durch seine Wohnung lief, warf einen Blick in die Küche aus der schon die ganze Zeit über Geräusche gedrungen waren. Am Herd saß eine schwarze, gut acht Meter lange Schlange. Weiße Federn befanden sich an ihrem Hinterkopf und Nacken, der Bauch war weiß und der Schwanz endete in einem roten Fellbüschel. Auf dem Rücken trug sie zwei Flügelpaare. Die dunkelroten Augen des Tieres blitzen auf und richteten sich auf den Jugendlichen, der langsam in die Küche trat. Ein Grinsen zierte sein Gesicht und die Hände waren fast schon neckend in die Seiten gestemmt. „Na, was kochst du feines?“, erkundigte sich Ais und warf einen Blick über die Schulter des Flugbasilisken, der bekannter Weise den Namen „Shaill“ trug. Shaills Kopfgefieder schien sich kurz etwas aufzurichten, dann öffnete er den Mund, seufzte und lächelte schwach: „Eintopf, siehst du doch...“. Ais Blick hing kurz an der milchigweißen Brühe, die mit Gewürzen, Paprika, Karotten und Fisch abgeschmeckt war. Shaill, der in einem der Flügel, die wie Hände agieren konnte, einen Kochlöffel hielt, rührte noch ein paar Mal um, setze den Deckel auf den Topf und nahm diesen etwas vom Herd. Ais hingegen schlenderte bereits durch die Küche und warf ein paar flüchtige Blicke aus dem Fenster. „Weißt du wo ich die Akten hingetan habe? Ich wollte sie heute noch einmal richtig sortieren, damit ich den Ordner morgen oder übermorgen bei den Sekretärinnen abgeben kann…“, erklärte Ais, kratze sich am Hinterkopf und öffnete seinen Zopf. Seine strohblonden Haare fielen glatt und ordentlich auf seine Schultern. Generell waren sie etwas länger und hielten in einem geflochtenen Haarstrang perfekt zusammen. „Die solltest du eigentlich im Schrank im Wohnzimmer aufbewahren“, erinnerte sich der Flugbasilisk und wandte sich leicht zu Ais, der dankend nickte und an seinen Haaren spielend aus der Küche ins Wohnzimmer und zu entsprechendem, längerem Schrank trat um mit der Suche zu beginnen. Viele verschiedenfarbige Buchrücken eröffneten sich dem Postboten. Er jedoch überflog sie alle schnell und stieß schon nach kurzer Weile auf den dunkelroten Ordner, nach dem er schon Tage zuvor vergeblich gesucht hatte. Er war nicht sonderlich dick oder gut erhalten, aber die Schreiben darin waren umso wichtiger und wertvoller. Es waren Reiseberichte aus Regionen, in die nur selten Boten geschickt worden waren. Und damit man eine bessere Route erarbeiten konnte, wollte er sie von Norden nach Süden sortieren und einordnen. Um in Ruhe arbeiten zu können ließ sich der Jugendliche rücklings in den Sessel vor dem Kamin fallen und schlug den Order auf seinen Schenkeln liegend auf, wobei ein schwarz-weißes Foto heraus fiel und zu Boden segelte. Ais stutze, legte den Ordner zur Seite, bückte sich und hob die Fotografie auf. Ein Lächeln zog sich über seine Lippen, als er sah, dass das Foto aus seinen unbeschwerten Tagen vor gut 8 Jahren stammte…damals, wo er noch ein „richtiges“ Kind war und mit seinem großen Bruder Kanjiro Aisen unsicher machte…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)