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Hauptsache Glücklich

von

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Arthemis

Diese Nacht schlief ich so gut wie gar nicht. Der Gedanke daran, dass der Junge mit den weißen Haaren, den ich so unheimlich interessant fand, sich ernsthaft verletzen könnte, jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Auch wenn ich ihn längst nicht so gut kannte, wie ich es vielleicht gerne hätte, ging mir sein unsicheres Schicksal nicht aus dem Kopf. So sehr ich mich auch in meinem Bett hin- und herwälzte, ich fand einfach keine Ruhe. Mir gingen die ganze Zeit die furchtbarsten Szenen durch den Kopf, und sie wiederholten sich immer und immer und immer wieder …

„Macht euch keine Gedanken“, sagte er, und ich weiß noch ganz genau, so unpassend es auch war, dass ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre, Denn der Mut, der in seinen Augen funkelte, war zum Dahinschmelzen! Er wirkte fast wie ein furchtloser Kämpfer, der sich heldenhaft in einen nahezu hoffnungslosen Kampf stürzt und seine Truppen noch immer davon überzeugen will, dass dieser noch nicht vorbei ist … Ich sah ihn eine kurze Zeit verträumt an und zuckte zusammen, als ich bemerkte, was ich eigentlich tat. Doch niemand hatte Etwas bemerkt.

„Du kannst immer noch aussteigen“, sagte Salem betrübt, aber doch ein wenig hoffnungsvoll.

„Das kannst du bei dem aber vergessen!“, sagte Gwen und der Junge mit den weißen Haaren sah schmunzelnd auf den Boden. „Der ist viel zu stolz, um einfach so aufzugeben!“

„Du würdest das Selbe tun, oder?“, fragte der Junge mit den weißen Haaren und gab Gwen einen Schubser mit dem Ellenbogen. Dieser tat so, als würde er überlegen und sagte dann: „Du hast Recht. Ich würde es ganz genauso machen. Aber leider haben Falken, nein, eigentlich sämtliche Vögel bei diesem Turnier null Chance.“ Er seufzte.

„Du vergisst Ellis, die Monsterkrähe.“, sagte der Junge mit den weißen Haaren. „Die macht einen Gegner nach dem anderen Platt.“

„Du sagst es: ein Monster“, verteidigte sich Gwen. „Die ist doch ein Kerl, so viel Krafttraining wie die macht. Habt ihr gesehen, wie fett die ist? Die Krähe ist so groß wie ne Seekuh!“

„Du bist bloß feige.“, rief Salem dazwischen. Die Jungs rangelten eine Weile und ich hatte fast das Gefühl, sie hätten schon längst wieder vergessen was noch vor kurzer Zeit geschehen war. „Habt ihr denn keine Angst?“, hätte ich am liebsten geschrieen, doch das ist eine Frage, bei denen es Jungs evolutionstheoretisch unmöglich ist, eine tiefsinnige Antwort zu geben, die dazu auch noch der Wahrheit entspricht. Also ließ ich es bleiben und belächelte die drei einfach nur weiter, wie sie sich freundschaftliche Kopfnüsse gaben.
 

Doch heute, einen Tag später, war meine Unsicherheit noch größer als gestern. Erst jetzt hatte ich wirklich realisiert, was da gestern geschehen war. Ich konnte nicht anders – ich musste noch mal zu den Jungen mit den weißen Haaren gehen und ihn darauf ansprechen, auch wenn ich ihm dadurch sämtliche emotionale Reserven entlocken musste.

Nachdem ich mir im Bad eine ausgiebige Katzenwäsche gegönnt und die Knautschfalten aus meinem Gesicht entfernt hatte (die im Übrigen entstanden waren, weil ich heute früh von fünf bis sieben doch noch ein wenig Schlaf bekommen und prompt auf dem einzigen Kissen mit Muster geschlafen hatte, das ich besaß) ging ich auf die sonnenüberflutete Straße, als mir plötzlich einfiel, dass ich doch gar nicht wusste, wo der Typ wohnte! Und Gwen wollte ich auch nicht fragen, der würde mir mit Sicherheit nur unangenehme Fragen stellen …

Als ich gerade mit dem Gedanken spielte, noch einmal zum See zu gehen, in der Hoffnung jemandem zu begegnen, den ich kannte, sah ich etwas planlos in die Gegend – und ihr glaubt nicht, wer mit da entgegenkam: der schlaksige Panther-Junge! Er schien noch etwas neben sich zu stehen, sah aber durchaus lebendiger aus, als das gestern noch der Fall war.

Völlig perplex und ohne nachzudenken sprach ich ihn an: „W-was suchst du hier? Du bist doch tot! Also, ich meine-„

„Das haben viele gedacht, oder?“, fragte er mich lässig.

„J-ja, um genau zu sein alle.“

„Oh. Das wollte ich nicht.“ Er schaute in die Gegend und tat ein wenig so, als ob es ihm tatsächlich Leid tat, einfach so zu Sterben und von den Toten wieder aufzuerstehen.

„In Wahrheit“, sprach er weiter, „hatte ich mir nur meine Wirbelsäule gebrochen und den Kopf angeschlagen, daher war ich ein wenig unfähig, mich zu bewegen. Aber die haben mich wieder hinbekommen.“

„Was? Hinbekommen? Da müsste man schon zaubern können!“ Noch während ich das sagte, wusste ich bereits, dass das wieder diese eigenartige Magie war, die ich mir bis Heute nicht erklären kann. Es ist einfach so, dass Menschen sich in Tiere verwandeln, dass Wege, die eigentlich ins Nichts führen, plötzlich in einer schier unendlichen Wüste enden und dass in tausend Teile zersplitterte Wirbelsäulen mal ganz fix wieder zusammengesetzt werden, wie ein Puzzle!

„Frag mich bloß nicht!“, wehrte er freundlich, aber bestimmt ab. „Ich war die ganze Zeit bewusstlos. Das einzige, was ich noch mitbekommen habe ist, dass ich auf einer Art OP-Tisch aufgewacht bin … und dass ich plötzlich seltsam gelenkig war …“

In gewisser Weise beruhigte es mich, dass er wieder fit war. Ich machte mir auch nicht mehr allzu viele Sorgen über den Jungen mit den weißen Haaren, dennoch wollte ich ihn besuchen – unter Anderem, um ihn nun endlich nach seinem Namen zu fragen…

Der schlaksige Junge wollte gerade gehen, als ich ihn doch noch zurückhielt.

„Hey!“, rief ich etwas zu laut, da er noch immer vor mir stand. „Entschuldige … kennst du einen Jungen mit weißen Haaren? Er ist ein Schneewolf und –„

„Du brauchst ihn mir nicht zu beschreiben, den kennt hier jeder.“

„Was?“

„Jep. Allgemein bekannt als sehr guter Kämpfer, schweigsamer Schönling, Frauenschwarm, … anscheinend hat er schon einen neuen Fan …“

„Wie meinst du …? Oh! Nein, ich bin doch nicht – das verstehst du völlig falsch!“

„Schon klar“, sagte er und zwinkerte mir zu. „Ich werd’s ihm nicht verraten.“

„Aber –„ Ich wollte protestieren, doch ich hatte das Gefühl, es wäre so wie so zwecklos.

„Er wohnt gleich dort drüben“, sagte der Junge und zeigte auf ein Haus ganz in der Nähe. Dann ging er weiter den Weg entlang, als ich ihn noch ein letztes Mal zurückrief.

„Warte! Wie heißt du eigentlich? Vielleicht laufen wir uns noch mal über den Weg, da will ich dich wenigstens mit deinem Namen grüßen!“

Auch wenn mich die helle Sonne blendete, sah ich, wie der Junge mir zulächelte. „Ich heiße Chris.“, rief er mir zu.

„Feeda“, erwiderte ich.

„Mach’s gut Feeda. Wir sehen uns sicher noch mal, in diesem Dorf ist es quasi unmöglich, sich nicht über den Weg zu laufen!“

Er verabschiedete sich mit einem kurzen Kopfnicken, dann verschwand er um die Hausecke. Ich ging die paar Schritte zu dem Haus des Schneewolfes und merkte, wie mein Herz mit jedem Schritt höher Schlug, auch wenn es dazu eigentlich keinen Grund hatte. Als ich direkt vor seiner Tür stand, holte ich noch einmal tief Luft und klopfte.

„Bin gleich da!“, rief eine gedämpfte Stimme von drinnen. Es war ein lautes Poltern zu hören, dann näherten sich Schritte der Tür und jemand öffnete sie, jedoch nur einen Spalt weit.

„Ach, du bist es nur“, sagte der Junge mit den weißen Haaren scheinbar erleichtert. Er bat mich mit einer Handbewegung hinein. Ich setzte mich auf sein Sofa und er setzte sich mit seinem Frühstück neben mich.

„Wen hast du denn erwartet?“, fragte ich.

„Mh?“, murmelte er mit vollem Mund.

„Weil du an der Tür so komisch warst.“

„Ach so. Da gibt’s so ne Verrückte, die ist ’n Fan von mir. Nervt mich schon seit Wochen und ich bekomm sie einfach nicht los. Hunger?“ Er bat mir einen Toast an.

„Danke“, sagte ich und nahm mir einen.

„Also“, sagte er, „Was willst du so früh hier? Es gibt Leute, die schlafen um die Uhrzeit noch …“

„Aber du anscheinend nicht, oder?“

Er schmunzelte. „Da hast du Recht. Aber trotzdem: was ist los? Ist es wegen dem Turnier?“

Ich nickte. „Ich … hab einfach Angst, dass etwas passiert …“

„Du hast Angst? Wegen mir?“ er sah mich interessiert an. „Also … Das Turnier ist gefährlich, das weiß ich. Aber deswegen mache ich mich nicht verrückt. Ich meine, es ist mir auch nicht egal, was da passieren kann. Ich gebe es zwar nicht gerne zu, aber … ich hab auch Angst.“

Ich war ganz überrascht von seiner ehrlichen Art. Er sah ein wenig beklommen auf den Boden, doch dann sagte er lächelnd „Wehe du erzählst Gwen was davon“, und schien wieder gut gelaunt zu sein.

„Wo wir gerade bei Gwen sind“, sagte ich. „Er hat mir seinen Namen schon verraten, du aber nicht …“

„Ganz vergessen“, sagte er. „Ich heiße Arthemis.“
 

Ich konnte mit Arthemis so gut reden wie mit sonst kaum jemandem. Das heißt, eigentlich habe ich mehr erzählt und er hat zugehört, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ihn langweilte. Vielleicht war es auch der Wunsch danach, mit ihm gut auszukommen der mich so denken ließ. Man glaubt vieles, wenn man verknallt ist …

Auf jeden Fall ging ich gegen um vier Uhr nachmittags wieder nach Hause – zumindest hatte ich das vor. Denn die frische Luft veranlasste mich dazu, noch ein wenig durch das Dorf zu laufen. Es waren nicht viele Leute auf der Straße, wahrscheinlich hingen alle in ihren Häusern herum oder badeten im See, denn die Luft war schon fast unangenehm schwül. Letztendlich landete ich an einem Springbrunnen, der in der Mitte des Dorfes stand. Ich setzte mich auf die Steinkante des Brunnens und ließ meine Fingerspitzen ins Wasser hängen. Ich träumte ein wenig vor mich hin und betrachtete die kleinen Wellen, die sich im Wasser bildeten. Doch irgendwie sah das Wasser nicht ganz wie richtiges Wasser aus, mehr wie eine Art Gelee …

„Das ist ein Transportbrunnen“, sagte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich blitzschnell um und erblickte den Jungen, der mich zusammen mit Arthemis und Gwen begrüßt hatte. Jedoch war er bei unserem ersten Treffen recht schweigsam gewesen. Er war etwas älter, vielleicht 18, hatte dunkelbraune Harre und trug – wie ich früher – eine Brille.

„Zu festgelegten Zeiten bildet sich eine Art Tor aus Wasser, das in die anderen beiden Städte hier in der Wüste führt. Ein paar Freaks hier nennen es Watergate, wo auch immer die das herhaben …“ Er rückte seine Brille zurecht. „Verzeihung. Ich hab mich nicht vorgestellt. Ich heiße Nig.“ Er gab mir die Hand.

„Sollte ich nicht raten, wie du heißt?“, fragte ich ihn, während er sich neben mich setzte.

„Ach, du kennst doch die beiden anderen schon. Da kann ich ruhig mal aus der Reihe tanzen. Außerdem … find ich es ein wenig kindisch …“ Er lächelte mich an.

Ich unterhielt mich mit Nig, bis es dunkel wurde. Er schien der Vernünftigste der Jungs zu sein, außerdem wusste er wahnsinnig viel. Als es dann schon fast ein wenig zu kühl wurde, beschlossen wir, nach Hause zu gehen. Praktischerweise wohnte Nig nur ein paar Häuser weiter weg, schräg gegenüber von Arthemis. Ich verabschiedete mich von ihm, huschte kurz ins Bad und kuschelte mich dann in mein Bett. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich endlich schlafen konnte, denn tausende Gedanken huschten in meinem Kopf hin und her – von Wölfen, Adlern und dem Watergate, das in fremde Städte führte …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Giga
2008-04-01T20:25:55+00:00 01.04.2008 22:25
woow bin die erste die ein Kommi zu deiner Fanfic schreibt. ^^
Sie ist echt klasse.
Kanste mir bitte eine ENS schicken wenns weitergeht.
Giga


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