Der Rhythmus Deiner Seele von Nyn ================================================================================ Kapitel 6: Vertrauen -------------------- Mein erster Dank gilt wieder meinen fleißigen und wohlwollenden Kommentarschreiberinnen! Ihr schafft mich jedes Mal, Mädels! *TränchenderRührungausdemAugenwinkelwisch* Douzo yoroshiku, Bitte bleibt mir auch weiterhin wohlgesonnen :) Mein zweiter Dank gilt meiner ersten eigenen Betaleserin, die zwar nicht das Thema, wohl aber mich zu mögen scheint *g* Danke, Süße! :) --- Zoro hatte das Training für heute an den Nagel gehängt. Es hatte einfach keinen Sinn, so unkonzentriert wir er im Moment war. Eben hatte er sogar fast eine Hantel fallenlassen, das war ihm wirklich noch nie passiert. Und alles nur wegen dem dämlichen Smutje? Das war doch wirklich zu lächerlich! Aber an den Tatsachen änderte das auch nichts und so legte der Schwertkämpfer seine Gewichte – vorsichtig – zu Boden und beschloß, seiner zweiten Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Schlafen konnte er schließlich immer und überall, da würde auch der blonde Koch nichts dran ändern können! Da er an Deck des Schiffs auf äußerst lästige Weise an den gestrigen Abend erinnert wurde, hielt er es für ratsam, es sich stattdessen im Krähennest bequem zu machen. Oben angekommen, setzte er sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloß die Augen. Und wartete. Verdammt! Grummelnd änderte er seine Position ein wenig, bis er etwas bequemer saß. Und wartete. VERDAMMT! Der Schlaf wollte einfach nicht kommen, ständig schwirrte ihm der dämliche Löffelschwinger durch den Kopf. Verdammter Mist! Er mußte dringend etwas unternehmen. Schäfchen zählen fiel aus, weil...na, weil ein gefürchteter Schwertkämpfer eben keine Schäfchen zählte! Eine heiße Milch mit Honig kam aus dem gleichen Grund nicht in Betracht. Außerdem hätte er dafür wieder runterklettern und in die Küche gehen müssen. Die war ja nun wirklich nicht seine natürliche Umgebung, dafür hatten sie schließlich den Löffelschwinger dabei. Was der wohl gerade machte? Verdammt! Grimmig knirschte Zoro mit den Zähnen, das durfte doch einfach nicht wahr sein! Jeder verfluchte Gedanke brachte ihn früher oder später zurück zu dem blonden Plagegeist. Schon fast verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Ha! Er würde einfach sein mentales Training fortführen. Das verlangte ihm unbedingte Konzentration ab, da war einfach kein zusätzlicher Platz mehr für den Smutje. Entschieden setzte er sich im Lotussitz auf und versuchte sich zu entspannen. Und tatsächlich fiel ihm das jetzt schon leichter als am Anfang und schon bald konnte er seine Sinne wieder auf die Reise schicken. Beim letzten Mal hatte er endlich entdeckt, wie er auch den "Atem" von nicht lebendigen Dingen hören konnte. Das bedeutete einen wichtigen Schritt zu seinem Ziel, auch in Zukunft nach Belieben Eisen schneiden zu können! Damals bei Mr. 1 hatte er Glück gehabt, ein weiteres Mal würde er das nur mit sehr viel Training schaffen. Daher war er sehr zufrieden gewesen, als er, leise und von den Atemzügen seiner Freunde fast verdeckt, den Rhythmus der Going Merry bemerkt hatte. Das Holz ihrer Planken, des Mastes und sogar der Inneneinrichtung war einmal lebendig gewesen und trug immer noch eine leise Erinnerung an das Leben in sich. Damit war er noch weit davon entfernt, Eisen zu schneiden, aber es war ein Anfang. Hochkonzentriert begann er dem schwachen hölzernen Rhythmus des Schiffs zu lauschen und bald war Zoro wieder schweißgebadet. Für eine Weile bestand die Welt nur aus ihm und dem Schiff. Doch schon bald wurde die Anstrengung selbst für den Schwertkämpfer unerträglich und Zoro öffnete seinen Geist für die lebendigeren Rhythmen um ihn herum. In Richtung der Stadt nahm er ein riesiges Knäuel bunter Stränge wahr, die heillos ineinander verwickelt waren, miteinander interagierten und sich wieder von einander trennten. Zoros Kopf schwamm, überwältigt von der schieren Macht des Lebens und er war dankbar, daß die Stadt so weit entfernt war. Würde er seine Sinne mitten in diesem Gewimmel ausschicken, er würde bestimmt den Verstand verlieren. Doch er wäre nicht Roronoa Zoro, wenn er vor einer Herausforderung einfach zurückschrecken würde! Inzwischen schweißtriefend, warf er sich mental dem Gewühl entgegen und versuchte einen bekannten Rhythmus zu entdecken. Sein Atem pfiff scharf durch die zusammengebissenen Zähne und die Sehnen in seinem kräftigen Hals traten hervor. Irgendwo hier mußte er doch sein! Ach, verdammt! Abrupt ließ Zoro los und sackte erschöpft gegen die Wand des Aussichtskorbes zurück. Schwer atmend schloß er die Augen und ließ den leichten Wind über sein erhitztes Gesicht streicheln. Schon wieder kam ihm dieser verdammte Smutje in die Quere! Du spinnst doch, Marimo! Zoro konnte förmlich sehen, wie sich die gekringelte Augenbraue des Blonden spöttisch hob. Und schon wieder zu Recht, verdammt! Sanji hatte ihn garantiert nicht gebeten, sich um ihn zu sorgen. Oder vielleicht doch? Schließlich hatte er ihm den Zeitungsartikel selbst in die Hand gedrückt. Klar, nachdem Du mich dazu genötigt hast. Vor Zoros geistigem Auge gesellte sich ein verächtlicher Zug an der allgegenwärtigen Zigarette zur erhobenen Augenbraue. Schuldbewußt rieb sich der Grünhaarige mit einer Hand den Nacken und ließ sie sofort wieder sinken, als er bemerkte, was er da tat. Warum sollte er sich schuldig fühlen? Der Suppentopf war doch selber schuld, wenn er sich so komisch benahm. Da durfte man sich doch wohl seine Gedanken machen! Verdammter Löffelschwinger. Wenn er doch nur wieder hier wäre. Dann könnte er seine völlig überflüssige Sorge vergessen und endlich schlafen! Oder trainieren. Oder was trinken gehen, ha! Genau, Durst hatte er nämlich inzwischen auch. Vielleicht sollte er sich doch mal auf den Weg in die Küche machen. Das Bier war zwar schon längst leer, aber zur Not würde Zoro sich sogar herablassen, dieses Mädchengetränk zu trinken, auf das der Koch so stand. Vor allem, weil er wußte, daß Sanji einen Anfall bekommen würde, wenn seine edlen Tropfen an ihn verschwendet würden. Bei diesem Gedanken grinste der Schwertkämpfer breit. Jetzt fühlte sich schon viel besser. Gerade wollte er aufstehen, da fingen seine immer noch geschärften Sinne ein neues Signal auf, das sich aus dem Gewühl gelöst hatte und sich nun der Going Merry näherte. Den Rhythmus kannte er doch! Zoros Herz machte einen kleinen Sprung noch bevor sein Verstand den nun vor dem Schiff verharrenden Menschen als den blonden Koch identifiziert hatte, den er gerade erst erfolgreich aus seinen Gedanken verdrängt hatte. Der Grünhaarige rollte mit den Augen, noch während er sich vorsichtig wieder gegen die Korbwand sinken ließ und sich voll und ganz auf Sanjis Atem konzentrierte. Wenn das nicht völlig unmöglich gewesen wäre, dann wäre Zoro jetzt ein bißchen rot geworden. Schließlich hatte es schon etwas sehr intimes an sich, dem Atem eines anderen zu lauschen. Und der Löffelschwinger hatte sich da als besonders reizvolles Testobjekt herausgestellt. Vor allem nachts... Jetzt wurde er definitiv ein bißchen rot! Am liebsten wäre Zoro sofort aufgesprungen und hätte den nächstgelegenen Wald gefällt oder vielleicht auch einfach sein dämliches Herz herausgeschnitten, das aus unerfindlichen Gründen nun auch schneller zu schlagen begann. Aber unten stand Sanji und würde ihn bestimmt sehen. Und das war das letzte, was Zoro gerade wollte. Also harrte er aus und wartete darauf, daß Sanji... ja, was? Wieder abhaute? Aufs Schiff kam? Zoro war sich nicht sicher, welche der beiden Optionen er bevorzugte. Beide waren aber besser, als daß der blöde Smutje einfach da stehenblieb, wo er war. Was war bloß los mit dem? Konnte er sich nicht mal normal verhalten? Ah! Jetzt bewegte er sich endlich! Aber was zum Teufel war jetzt schon wieder? Anstatt wie sonst auf seine affig saloppe Art über das Deck zu schlendern, stürmte er wie ein Irrer in die Küche. Zoro spürte genau, wie der Atem des Kochs raste und langsam begann er sich ernsthafte Sorgen zu machen. Der Sunnyboy war zwar im Normalzustand die reinste Nervensäge, aber wie er sich im Moment benahm, war einfach unerträglich. Ehe er noch großartig darüber nachdenken konnte, war er schon mit einem Satz aus dem Krähennest gesprungen und auf dem Weg in die Küche. Die Hand auf der Klinke verharrte kurz, dann öffnete er die Tür. Einen Spalt breit. Weiter kam er nicht, denn Sanji stand offensichtlich im Weg. Sein Atem hatte Zoro verraten, daß er sehr nah sein mußte, aber warum stellte der Idiot sich genau vor die Tür! Der Grünhaarige rollte mit den Augen und steckte seinen Kopf durch den Türspalt. Er konnte Sanjis Gesicht durch die blonden Haare, die seine linke Gesichtshälfte weitestgehend verdeckten, nicht richtig erkennen, aber soweit er das einschätzen konnte, war der Smutje körperlich unversehrt. Plötzliche Erleichterung machte sich in ihm breit und so fiel seine Begrüßung erheblich sanfter aus als erwartet. Moment, hatte er ihn tatsächlich gerade Kochlöffelchen genannt? Das ging ja nun doch ein bißchen zu weit! Zoro überspielte seine Verlegenheit indem er dem regungslos dastehenden Koch den Türgriff ein zweites Mal unsanft ins Kreuz trieb. Wieso rührte der Schwachkopf sich denn nicht? Einzig seine schnellen Reflexe bewahrten ihn vor Schlimmerem, als urplötzlich Leben in den Blonden kam und er ihm völlig unerwartet die Tür ins Gesicht rammte. Verdammt! Das tat weh! Wutentbrannt trat er die unschuldige Tür ein, in der festen Absicht, dem verdammten tretwütigen Koch eine Lektion zu erteilen, die er seinen Lebtag nicht mehr vergessen würde! Was hatte er sich bloß dabei gedacht, auch nur einen Gedanken an diesen Idioten zu verschwenden! Mordlüstern stand er dem Blonden gegenüber und hätte schon längst seine Schwerter gezogen, wenn er nicht gewußt hätte, daß er Usopp gegenüber in echte Erklärungsnot kommen würde, wenn er sein Schiff jetzt auch noch mit dem Blut des Smutjes versaute. Und was tat dieser gehirnamputierte Löffelschwinger? Erst machte er Anstalten abzuhauen. Zoro war ehrlich geschockt. Wann hatte er das denn schon mal von ihm erleben müssen? Aber dann entschied er sich wohl doch zu kämpfen. Aha! Das war schon besser! Und was machte er jetzt? Starrte ihn komisch an. Ja, ich blute, Du Penner, na und? Hey! Jetzt kam er doch glatt auf ihn zu und griff nach seiner Hand! Begriff der Blonde nicht, daß Roronoa Zoro ihn gerade umbringen wollte? Entschlossen rüttelte er an der schmalen Schulter des Kochs, doch der war offenbar so weggetreten, daß er noch nicht einmal bemerkte, wie ihm die Kippe aus dem Mund fiel. Zoro hörte augenblicklich auf, den Blonden zu schütteln, als dessen schlanke kühle Finger seine eigene Hand packten. Das war angenehm, irgendwie. Auch wenn seine rechte Gesichtshälfte gerade bemerkte, wie sehr sie mißhandelt worden war und schmerzhaft zu pochen begann. Aber Schmerzen interessierten Zoro nicht besonders. Viel spannender war auf einmal der schlanke blonde Mann, der seine eigene schwielige Hand so sanft hielt, als sei sie aus Porzellan. Aufmerksam beobachtete er das Gesicht des anderen, verfolgte den inneren Kampf, den er ausfocht und erkannte, als Sanji diesen endlich verlor und seine Gefühle ihn überwältigten. Die plötzliche Verzweiflung in den blauen Augen ließ Zoros Herz sich zusammenziehen und ohne darüber nachdenken zu müssen, zog er seinen hilflos weinenden Freund in seine Arme. Es war schon eine ganze Weile her, daß er das letzte Mal eine solch hoffnungslose Verlassenheit gesehen hatte – genau genommen kurz bevor er Luffy kennengelernt hatte. Nach Kuinas Tod war er nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen. Er hatte zwar, getrieben von ihrem Versprechen, trainiert wie ein Berserker und körperlich konnte ihm bald keiner mehr etwas vormachen. Aber von dem tiefen Schmerz in seiner Seele und der Einsamkeit in seinem Herzen wußte niemand etwas. Und keiner, der an seinem Leben hing, hätte es jemals gewagt, den grimmigen Schwertkämpfer nach dem Leid, das seine Augen nicht verbergen konnten und das ihn jeden einzelnen Tag aus seinem Spiegel heraus anstarrte, zu fragen. Zoro wußte ganz genau, was wirkliche Einsamkeit bedeutete und er hatte es auch trotz der vergangenen Monate auf der Going Merry nicht vergessen. Minutenlang stand er einfach nur da und hielt Sanji fest. Er brummte irgendein unverständliches Zeug und strich mit seiner freien Hand beruhigend über den schmalen Rücken. Wie zerbrechlich Sanji auf einmal wirkte. In Zoro regte sich ein überwältigender Beschützerinstinkt, dessen Ausmaß ihn selbst überraschte. Er zog den Blonden noch etwas näher an sich heran, legte seine Wange gegen das weiche blonde Haar und schloß die Augen. Er lauschte auf Sanjis Atem und versuchte, ihm soviel Kraft und Nähe zu geben, wie er nur eben konnte. Dann war er halt doch ein verdammtes Kindermädchen. Und wenn schon. Er mußte zugeben, daß es sich gut anfühlte. Zögernd erlaubte Zoro sich, sein eigenes Herz ein wenig zu öffnen und die Nähe des anderen zu genießen. Das vom Weinen erhitzte Gesicht an seiner Brust, die inzwischen ebenfalls warmen Hände an seiner eigenen, den außerordentlich lebendigen Körper in seinem Arm und die weichen Haare, die ihn ein wenig in der Nase kitzelten. Noch nie hatte Zoro jemanden so gehalten, nie jemanden so vollkommen wahrgenommen. Verdammt, es fühlte sich gut an! Deshalb fiel es ihm auch schwer, den Blonden wieder loszulassen, als dieser sich auf einmal von ihm lösen wollte. Irgend etwas war mit ihm passiert und zum ersten Mal war der Schwertkämpfer dankbar, daß Sanji ihm offenbar nicht in die Augen sehen wollte. Er wußte nicht, was die seinen verraten hätten. Er fühlte sich irgendwie schutzlos, aber die neue Wärme in seinem Herzen wirkte seiner instinktiven Defensive entgegen. Statt also den Smutje von sich wegzustoßen und sich in seine vertraute Einsamkeit zurückzuziehen, folgte er ihm zahm und beobachtete interessiert, wie dieser erst seine Hand und dann sein Gesicht wusch. Als er seine frische Wunde berührte, brauchte Zoro allerdings seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht zurückzuweichen. Auch ein zweites Mal hielt er es ohne mit der Wimper zu zucken aus, doch als der Blonde sich erneut umdrehte, hielt er ihn fest. Die Schmerzen hatten ihm jedoch zu einem klareren Kopf verholfen und sein Verstand machte sich nun an die Arbeit, die neuen Gefühle zu analysieren. Sanft zwang er den Smutje, ihm ins Gesicht zu sehen. Doch anders als gestern abend sah er diesmal genau hin. Mit dem neuen Bewußtsein, daß der Blonde ein ähnlich schwieriges Seelenleben hatte, wie er selbst, sah er nun in den blauen Augen, was ihm zuvor entgangen war: Hilflosigkeit, Verzweiflung und den brennenden Wunsch, sich dies nicht anmerken zu lassen. Er bemerkte sehr wohl, daß Sanji unter seinem Blick errötete und versuchte, den Blickkontakt zu brechen, aber er hielt ihn unerbittlich fest. Denn er hatte noch etwas anderes gesehen. War das Sehnsucht? Der Grünhaarige mochte zwar vielen wie ein gefühlskalter Eisblock erscheinen, doch sie irrten sich. Gewaltig. Zoro war zu großer Leidenschaft fähig. Doch für einen Schwertkämpfer bedeuteten Gefühle im Kampf den sicheren Tod und so hatte er schon früh gelernt, sie unter einem unnahbaren Äußeren zu verbergen. Es war seine einzige Chance, wenn er der beste Schwertkämpfer der Welt werden wollte. Tatsächlich wurden die unablässig in seinem Inneren brodelnden Gefühle nur durch seine eiserne Selbstkontrolle gebändigt, ein ständiger Kraftakt, der zweifellos mitverantwortlich für seinen hohen Schlafbedarf war. Andererseits erlaubten sie ihm aber auch einen tieferen Einblick in die Seele seiner Mitmenschen, als manch anderem. Wenn er es zuließ. Gewöhnlich interessierte er sich aber einfach nicht genug für seine Mitmenschen, um sich mit deren Gefühlsleben auseinanderzusetzen. Selbst wenn sie der immer noch neuen Kategorie der Nakama angehörten, fand er, daß seine Loyalität Entgegenkommen genug war. Aber jetzt war etwas anders. Der verdrehte Koch hatte nicht nur eine unerwartet schwere Last zu tragen, nein, er hatte es auch irgendwie fertiggebracht, Zoros gut gepanzertes Herz ein wenig zu öffnen. Und was der Schwertkämpfer jetzt in den blauen Augen sah, war gelinde gesagt überraschend. Ob positiv oder negativ, war er sich noch nicht sicher. Und solange er das nicht wußte, würde er sich auch nichts anmerken lassen. Inzwischen verlangte sein schmerzender Kopf so nachdrücklich nach Linderung, daß er die Erforschung der blonden Seele erst einmal abbrach und sich der Kühlung seines heißen Gesichts widmete. Die Kälte des Eises durchzuckte ihn wie ein Blitz und genauso plötzlich hatte er einen Entschluß gefaßt. Es hatte keinen Sinn zu leugnen, daß er an dem Smutje interessiert war, auch wenn er noch nicht verstand, welcher Art dieses Interesse nun war. Aber er würde es herausfinden und er wußte auch schon wie. Als er seine Augen wieder öffnete, hatte er zum ersten Mal seit vielen Jahren für einen anderen Menschen seine Selbstkontrolle gelockert. ♨ Als Sanji wieder die Kneipe betrat, hatten Jeffs Männer ihm bereits berichtet, was vorgefallen war. Viel hatten sie nicht gesehen. Nur, daß der Junge eine Zeitlang das Schiff angestarrt hatte und dann hineingegangen war. Kurz darauf war ihm der grünhaarige Schwertkämpfer gefolgt. Dann war bestimmt anderthalb Stunden lang nichts weiter passiert, bis Sanji wieder an Deck aufgetaucht war und sich schnurstracks auf den Weg zu ihrem Treffpunkt gemacht hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte den beiden Aufpassern nichts verraten, aber als der Junge jetzt zur Tür hereinkam, war Jeff bei seinem Anblick nicht ganz wohl zumute. Irgend etwas sagte ihm, daß die Sache nicht so glimpflich ablaufen würde, wie er sich das erhofft hatte. Aber er wußte, daß sein Plan wasserdicht war. Er hatte genug Zeit gehabt, alle Eventualitäten einzuplanen. Dennoch wappnete er sich jetzt innerlich als er darauf wartete, daß der Jüngere anfing zu sprechen. ♨ Sanji hatte sich entschieden. Wobei das der Wahrheit nicht ganz Genüge tat. Er hatte einfach keine Wahl gehabt und das war das. Nach seinem Gefühlsausbruch hatte er sich erstaunlicherweise besser gefühlt. Ja, es hatte gutgetan, sich von Zoro halten zu lassen und es hatte auch gutgetan, mit ihm zu reden. Wobei er eigentlich der einzige gewesen war, der gesprochen hatte. Und er hatte Zoro alles erzählt, einfach alles. Über den Grund, warum er wegen Jeffs Rückkehr so aufgeregt gewesen war, über dessen tatsächliches Motiv. Darüber, wie beschissen er sich fühlte, weil er sich dem Einfluß des alten Sacks einfach nicht entziehen konnte, wie es ihm das Herz brach, seine Nakama zurücklassen zu müssen und warum er sich nicht anders entscheiden konnte. Er hatte sich in Zoros bodenlosen Augen verloren und geredet und geredet, dem anderen seine Seele offengelegt. Der Schwertkämpfer hatte ihm einfach nur zugehört. Wobei „einfach nur“ bei Roronoa Zoro eine Intensität bedeutete, um die ihn jeder Inquisitor beneidet hätte. Dabei hatte er die ganze Zeit keine Mine verzogen. Nur in seinen Augen spiegelten sich Emotionen wider, die Sanji hätten erschauern lassen, wäre er nicht so gefangen von ihnen gewesen. Erst als er drauf und dran war, für diesen menschlichen Röntgenapparat auch das kleine geheime Türchen zu seinem Herzen zu öffnen, hatte er sich mit einem sichtlichen Ruck zurückgehalten. Das ging den Marimo wirklich nichts an! Wen denn dann? Die klugscheißende Stimme verfluchend preßte er seine Lippen noch fester aufeinander. Die Irritation des Grünhaarigen wegen seines abrupt endenden Redeflusses bemerkte er mit einer gewissen Genugtuung. Ganz bin ich Dir noch nicht verfallen, Roronoa Zoro! Dieser Gedanke erheiterte ihn irgendwie und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die neuerliche Irritation in Zoros Blick ließ ihn sogar laut auflachen. „Du hast sie nicht mehr alle, Suppentopf“, schüttelte dieser den Kopf, aber in seinem Ton lag kein Spott. „Mag sein“, erwiderte Sanji immer noch schmunzelnd. Schweigen breitete sich aus, aber es war ein angenehmes, freundschaftliches Schweigen, als jeder der beiden Männer seinen eigenen Gedanken nachhing. Mit einem Blick auf die Küchenuhr bemerkte Sanji schließlich: „Halb drei. Ich muß los.“ Mit einer geübten Bewegung klopfte er die letzte Zigarette aus der Packung und zündete sie sich an. Zoro bedachte ihn mit einem langen Blick. Fast schien es, als wollte er noch etwas sagen und der blonde Smutje war sich nicht sicher, ob er darauf hoffen oder es befürchten sollte. Was würde er tun, wenn Zoro ihn bat, nicht zu gehen. Hätte er dann noch die Kraft, sich dagegen zu wehren? Doch der Grünhaarige machte es ihm leicht: Er nickte stumm und ... lächelte? Er lächelt! Sanji fühlte eine heiße Welle von Gefühlen über sich hinwegwaschen, doch diesmal blieben seine Augen trocken. Zu sehr war er darauf bedacht, dieses außergewöhnliche Bild in seinen Kopf zu brennen. Seine Hand fand wie von selbst ihren Weg zu diesem einzigartigen Gesicht. Hauchzart strichen die empfindlichen Fingerkuppen des Meisterkochs über die ungewohnten Lachfältchen um die wilden Augen des zweitbesten Schwertkämpfers der Welt, fanden ihren Weg zu dem bisher ebenfalls unentdeckten Grübchen im linken Mundwinkel und fuhren furchtlos über die unvergleichlich weiche Unterlippe, wo sie für einen Sekundenbruchteil verweilten, bis die Hand abrupt zurückgezogen wurde und nach der halb abgebrannten Zigarette griff. Nun wandte Sanji seinen Blick endgültig von dem Grünhaarigen ab, sicher, daß er ihn niemals vergessen würde. Mit erbarmungsloser Entschlossenheit verbarrikadierte er sein Herz, sperrte alle Gefühle ein, neue wie alte, bis er nur noch eine funktionsfähige Hülle war, ein scharfer Verstand, der die grenzenlose Leere in seinem Inneren gleichgültig betrachtete und für bedeutungslos befand. Als er die Kombüse verließ, rührte Zoro sich nicht. Als er das Schiff verließ, rührte Zoro sich nicht. Erst lange nachdem der leuchtend blaue Rhythmus des blonden Smutjes mit dem Getümmel der Stadt verschmolzen war, ließ der Schwertkämpfer endlich los. Aber noch lange saß er da und starrte auf die kläglichen Überreste der Zigarette, die der Smutje auf dem Küchentisch ausgedrückt hatte, bis nur noch ein paar Papierfetzen und verstreute Tabakkrümel übrig geblieben waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)