The Black Widow Tale von Archimedes (Sparrington) ================================================================================ Kapitel 11: Sophia - 3 ---------------------- Ich atme tief ein bevor ich durch die offen stehende Türe des Admirals trete. Zu meiner grenzenlosen Freude hält der Betrunkene, dessen Bekanntschaft ich vor zwei Abenden zu machen die Ehre hatte, sie heute nicht offen, stattdessen ein Weidenkorbstuhl mit sich einer in der Sonne räkelnden Katze. Diese ist ausgesprochen groß für ihre Art, von langem, seidigen Fell und interessantem, farbenfrohen Couleur. Und sicherlich ist die majestätische Erscheinung nicht dazu gedacht sich der Mäuse in den Mauerritzen anzunehmen, eher des Besitzers eben jener Mauern. Die dicke Matrone im Vorübergehen ein wenig hinter dem Ohr krauelnd, verdiene ich mir ein wohliges Schnurren und Entgegenrecken, bevor ich eintrete. Jetzt während der Mittagszeit in der schwülen, karibischen Hitze sind Örtlichkeiten wie diese stets Zufluchtstätten für ausgedörrte, von der Arbeit ermüdete Kehlen und nicht für die, die sich ein lasterfrohes Abenteuer erhoffen. Dementsprechend gibt sich die Kundschaft erfrischend ´kultiviert´ und lautlos. Schnellen Schrittes steige ich die Treppen hinab in der Hoffnung Anamaria sogleich anzutreffen, denn auch wenn die Atmosphäre der Hafentaverne heute zu meinem Wohlsein beiträgt, so tut es meine Aufmachung keinesfalls. Die Piratenkluft klebt energisch unangenehm auf der Haut, auf der sich das grobe Leinen mit meinem Schweiß zu einem scheuernden Gemisch verbunden hat und ich mich zwingen muss nicht sekündlich an irgendeinem Zipfel herum zu zerren. Alles in mir schreit nach einem ausgiebigen Bad und einer erlösenden Rasur. Doch sehe ich ein, dass sich das Piratenmädchen nicht wesentlich von anderen Frauen unterscheidet und ich den schwärmerischen Gedanken an einen großen Zuber mit kaltem Wasser zunächst verwerfen muss. Die Taschenuhr meines Vaters, die er mir voller Stolz zum Eintritt in die Marine schenkte, tickt vorwurfsvoll aus meiner Westentasche heraus, und auch ohne mir die Zeit zu besehen, weiß ich, dass es weder zu früh noch zu spät ist. Damen, wie mir scheint ganz gleich auf welchem schönen Flecken Land, haben das unziemliche Vorrecht einen Gentleman auf sie warten zu lassen und alle machen sie von diesem Vorrecht ausgiebigen Gebrauch. Selbst Elisabeth bildete da keine Ausnahme… In der Hoffnung, dass das Mädchen aber nicht allzu viel zu packen haben dürfte und ich kaum eine andere Wahl habe als ihr ihr recht zu gewähren, bestelle ich mir Tee, – immer noch erstaunt, dass er gerade in solch einem Hause zu bekommen ist -, und übe mich in asketischer Geduld. Ich sehe bereits auf den Grund meines zweiten Becher Schwarztees, der nicht besser riecht als faulendes Brackwasser und dessen bitterer Geschmack keinen anderen Schluss zulässt, als dass die wertvollen Blätter schon mehrfach aufgebrüht worden sind. Am Ende meiner Ruhe stehend will ich aber lieber anderes tun als klagen und wieder, wie die Zeit davor, stoisch auf die Türe starren, damit sie sich möglicherweise etwas schneller auftue und die junge Miss in ihr erscheine. Zunächst jeden Schatten einfangend, der seinen Weg entlang der Mauern und des Bodens durch den offenen Eingang nahm und der jeweiligen Person vorauseilend den Raum betrat, zähle ich nun seit einiger Zeit, wie oft sich die Türe aufgetan hat, nachdem sie von einem klugen Geiste geschlossen worden war, damit die Kühle sich in den Mauern halte. Und jedes Mal schürt das spannende Ereignis aufs Neue die Hoffnung, dass das Mädchen endlich kommt… nur um dann mit einem fremden Gesicht diese wieder grausam zu Staub zu zertreten. Gerade eben war wieder ein solcher Glücksmoment, einer wie sie alle nur von brüchiger Dauer sind. Auch füllt sich so das Haus auf unerträgliche Weise, denn keiner der Ankommenden ist bereit die es auf demselben Wege wieder zu verlassen. Ich seufze verärgert auf und reibe mir dir Stirn. Pünktlichkeit sollte wirklich in die heiligen Reihen der Tugenden als solche aufgenommen werden. Als sich die Tür des Admirals aber schließlich öffnet und Anamaria den Raum betritt ist sie in Begleitung zweier Damen, angeregt ins Gespräch vertieft. Ihr bloßes Erscheinen auf dem Treppenabsatz genügt, um die Gespräche für einen kurzen Augenblick zum erliegen zu bringen, die Aufmerksamkeit auf die Gruppe zu lenken und auch ich kann die Veränderung, der das Mädchen unterworfen ist nur zu deutlich sehen. Kleidung, durch und durch aus Leder bis auf das Hemd und passend zum nachtschwarzen Ton ihrer Haut gewählt, ein großer Hut mit reichem, sehr dunklem Federschmuck, darunter ein breites Band, das ihr krauses Haar hinter dem Kopf zusammenhält. Selbst die Handschuhe sind schwarz und runden das zierliche, doch nichtsdestoweniger imposante Bild der jungen Frau ab, die wirkt, als sei sie über Nacht um viele Jahre gealtert. Auch ist sie heute erheblich stärker gerüstet, in weiser Voraussicht auf eventuell zu bestreitende Kämpfe. „Anamaria!“, rufe ich deutlich zu laut und vorwurfsvoll quer durch den Raum, würge den Satz der Brühe hinunter und werfe den letzten Penny meiner Habe, den ich mir aufgespart habe auf den Tisch. Noch während ich Anamaria schnellen Schrittes entgegeneile wendet sich die kleine Gruppe meiner Stimme zu. Die drei Augenpaare blicken mich allesamt gleichermaßen überrascht wie sprachlos an, beinahe so, als empfänden sie es als ungeheure Unverfrorenheit, sie angesprochen zu haben. In meinen eigenen Groll vertieft stelle ich mich der Miss in den Weg, die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt. „Ihr seid wahrlich übertrieben spät“, schnaube ich; warum verbergen, was mich reizt? „Bin ich das?“, entgegnet sie mir mit einem leichten, gleichgültigen Schulterzucken und geht an mir vorbei, ohne auf den Vorwurf auch nur im Geringsten einzugehen. „So lieb es mir auch ist Gelegenheiten wie diese zu Sparrows Unwohlsein zu nutzen…-“ will ich einen kühlen Befehl vortragen - es ist mir immer ein Dorn im Auge, wenn ich mit derlei Kaltschnäuzigkeit ignoriert werde - doch muss ich ihn erst gar nicht vollenden, da die Erwähnung des Piraten allein genügt, um die wohl verdiente Aufmerksamkeit der jungen Frau zu erringen. „Jack? Jack Sparrow?“, unterbricht sie mich herrisch, sich in der Bewegung umwendend und mich noch einmal von oben bis unten musternd, als vergegenwärtige sie sich erst jetzt so recht, wer vor ihr steht. „Ist er hier?“ Mit flinkem Auge überfliegt sie die Köpfe an den Tischen. „Nein. Ich fürchte er sieht es lieber einen Commodore zu schicken, denn sich selbst, um sich um Euch zu bemühen. Zumal Ihr ihn sicher hören würdet, wäre er anwesend“ Ich grolle dunkel, doch sie zieht lediglich die Brauen in purem Unverständnis in die Höhe. „Er erwartet uns auf der Black Pearl am Pier“, ergänze ich mit einer geheuchelten Verbeugung, gleich einem Kutscher der ein edles Fräulein zum Balle abholt, worauf sie nur ein düsteres Lachen hören lässt. „Aye, natürlich tut er das“ Den Finger an die Lippen legend senkt sie den Blick, während sie überlegt. Dann tauscht sie einen raschen Blick mit ihren Begleiterinnen aus, die uns auf einen Fingerzeig hin in Richtung Treppe verlassen. Es kommt mir merkwürdig vor zu sehen, wie sehr sie es gewöhnt zu sein scheint zu befehlen. „Und was verschafft mir nun die Ehre. Commodore?“ Die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen gezogen sieht sie mich an, meinen Titel seltsam betonend. „Junge Frau, ihr schicktet nach einem Träger für Euer Gepäck. Und hier bin ich“ Als mache sie eine Kehrtwende mit einer Jolle, so erhellt sich ihr Gesicht schlagartig und wird von einem entzückenden Lächeln gesäumt, vergleichbar mit Sparrow, wenn er in einer brenzligen, ungleich hoffnungslosen Lage den zündenden Einfall zur Flucht bekommt „Das tat ich dann wohl“ Ich dagegen, weit weniger erhellt, rümpfe die Nase und nehme Haltung vor ihr an. „Aber wie ich sehe habt Ihr bereits Hände dafür gefunden? So denn. Wollen wir dann?“, verlange ich, demonstrativ mit einer auf die Türe weisenden Bewegung meines Armes. Anamaria reagiert darauf mit einem geheimnisvollen Lächeln und mein Gesicht muss sich einer erneuten Musterung unterziehen lassen durch ihre ach so blauen Augen. Ähnlich, wie es der Pirat am ersten Abend vor seiner Schlaffstatt getan hat, mit Augen, die zum ersten Male richtig sehen… In einer geschmeidigen Bewegung legt die hübsche Frau dabei ihre Hand auf den Knauf ihres Degens, eine dieser Gesten, die bezeichnend ist und ich mich frage, ob wohl alle Piraten diese Angewohnheit an sich haben, sich derart überlegen präsentieren zu müssen. „Commodore… Norrington, nicht wahr?“ Die Handschuhe, die mir bereits beim Hereinkommen aufgefallen waren, werden nun gemächlich ausgezogen, „der gute Jack wird es sicher verstehen, wenn wir noch einen Becher zusammen leeren, gerade, weil Ihr Euch umsonst herbemüht habt. Kommt ich werde Euch einladen und ein bisschen mit Euch plaudern“ Sie zwinkert mir freundlich zu und will jeden Widerspruch, den ich möglicherweise auf den Lippen haben könnte verhindern. „Miss, ich denke es ist kein günstiger Zeitpunkt. Auf dem Schiff bleibt uns genug Zeit“, versuche ich es trotzdem, obwohl sie bereits im Begriff ist sich zu setzen und auf ihren Wink hin der Wirt zwei Becher bringt. „Pah! Kommt schon, kommt. Ich will zu gerne wissen, was es in Port Royal Neues gibt“ „Warum habt Ihr nicht vor zwei Tagen gefragt?“ Noch angewurzelt vor dem Tisch bin ich nicht bereit ihrem unterschwelligen Befehl Folge zu leisten. Erst als der schlaksige Wirt sich leise entschuldigend und mit gesenktem Kopf an mir vorbeischiebt, zwei Weinkrüge in der Hand, gebe ich ihr nach. „Da gab es wichtigeres zu besprechen, oder?“, sagt sie und steckt dem duckmäuserischen Mann einige Münzen in die dreckige Schürze. Der hagere, fast schon ausgemergelte Kerl weicht bei ihrer Berührung unwillkürlich zurück und schluckt hart. „Durchaus“ Ich sehe ihm mit einem Stirnrunzeln bei seinem regelrecht panischen Rückzug zu, anders kann man es nicht nennen. Kopfschüttelnd wende ich mich von dem sonderbaren Bild ab und lasse Anamaria ihren Willen nach einem Gespräch. „Dann redet, worüber immer Ihr zu reden wünscht“, „Aye. Sehr gern“ Das Mädchen setzt den schwarzen Hut mit dem prächtigen Schmuck vom Kopfe, streift einige Strähnen aus dem hübschen Antlitz und gibt damit den Blick auf eine dünne, ungewöhnliche Narbe unter dem Haaransatz frei. Ungewöhnlich weil sie sich von einem Ende ihrer Stirn bis zum anderen erstreckt. Vor zwei Tagen war mir dieses doch sehr auffällige Detail entgangen. „Erteilt Ihr mir auch eine Prokura Sir?“ Ich rolle mit den Augen. „Wenn es denn hilft schneller den Admiral zu verlassen, so dürft Ihr sie als Euer betrachten“ Anamaria stützt ihren Kopf in die Handfläche und mustert mich spitzbübisch. „Wisst Ihr was, Ihr gefallt mir. Dann will ich wissen, wie Jack es geschafft hat, dass Ihr alleine auf seinem Schiff seid. Das seid Ihr doch…“ „Doch nicht über Port Royal?“ Mit einem Anflug von Abwesenheit beginnt sie an einer dieser gewellten Locken zu zupfen, die hinter ihren Ohren hervorschauen. „Später vielleicht“ “In der Tat. Ich bin alleine auf der Black Pearl.“, lüge ich, „es war unumgänglich“ „Ah. Seit wann besitzt ein Offizier der Marine derart weit reichendes Vertrauen zu einem Lumpen wie Jack Sparrow?“ Anamaria lacht auf, setzt sich zurück und lässt den Arm über die Rückenlehne ihres Stuhls hängen. „Miss, er ist Pirat... Genau wie Ihr“ „Commodore, Ihr weicht aus“, lächelt sie mich wissend an. „Natürlich“, bestätige ich, „von Vertrauen zu sprechen grenzte schon fast an Blasphemie. Sagen wir einfach, dass der Mann durchaus mit sich verhandeln lässt und er Abmachungen einhält, wenn man das richtige Argument zur richtigen Zeit zur Hand hat“ Langsam kreist ihr Zeigefinger um den Rand ihres Bechers. „Und die Männer? Hat er noch die alte Mannschaft oder wurde wieder gewechselt? Die hässliche Sache mit Barbossa, Ihr wisst schon… Es wäre keine schöne Vorstellung für ein Mädchen, wenn es noch dieselben wären. Sagt Sir, wie viele hat Jack davon behalten?“ Verwundert über diese Frage lege ich den Kopf in den Nacken und rechne. Das Mädchen müsste eigentlich besser darüber Bescheid wissen, als ich, schließlich war sie mit an Bord, als Sparrow aus dem Wasser gelesen wurde… nachdem er höchst elegant von den Zinnen des Forts gefallen war. „Lasst mich nachdenken… einige wurden von meinen Männern auf der Isla de Muerta getötet, nachdem der Fluch aufgehoben war und wieder einige ließ ich in Port Royal exekutieren. Ihr müsst schon verzeihen, aber ich behalte nicht die Namen noch die Zahl von Piraten, deren Todesurteile ich unterschrieben habe“ Ein Schnauben verlässt ihre Kehle. „Sparrow wird Eure Sicherheit sicher berücksichtigen“, versuche ich sie zu beruhigen, „zumindest gegenüber Damen scheint er sich einen gewissen Anstand zu bewahren“ Ihrem Gesicht nach zu urteilen befriedigen sie meine aufmunternden Worte aber keineswegs. „Und Gibbs?“ „Ich hörte, dass er Eure Anwesenheit missbilligt“ „Das könnte interessant werden“, meint sie nickend und einen Schlucken aus ihrem Becher nehmend. „Und wie sieht die Pearl aus? Ich habe Gerüchte gehört, Jack hätte Ärger gehabt mit Davy Jones und seiner Crew. Die Pearl sein vom Kraken in die Tiefe gezogen worden…“ Ich blicke sie stumm an, eine ganze Weile lang. „Ist das Schiff arg beschädigt und überhaupt noch waffenfähig?“ „Miss, es kommt mir so vor, als horchtet Ihr mich aus“, konfrontiere ich sie direkt mit meinem Verdacht. „Entschuldigt, aber Ihr seid nicht sehr gesprächig. Gleich welches Thema ich anbiete“ Ich lache vergnügt auf. „Aber keines zu dem ich mich äußern will. Die Crew des Piraten und sein Schiff sind mir einerlei, solange er mich nur zu Elisabeths Vater bringen kann“ Daraufhin breitet sich anhaltendes Schweigen zwischen uns aus. Es ist wahr, ich suche nie das Gespräch und bin auch kein Mensch, der redet um des Redens Willen… und Anamaria weiß scheinbar nicht anders anzusetzen, als belanglose Nichtigkeiten zu erfragen, die sie in Kürze an Bord ohnehin erfahren wird, sobald sie nur aufstehen und mir folgen würde. Im Geheimen drängt sich mir sogar die Feststellung auf, dass sich Gespräche zwischen mir und Sparrow anders verhalten. Natürlich, sie nehmen immer einen irrwitzigen Verlauf, doch ergeben sie sich stets einfacher. Gut, meistens redet er und ich höre zu… zumeist fassungslos... aber es ist nicht von der Hand zu weisen… Ein Räuspern meines Gegenübers, lässt mich aufblicken. „Wo seid Ihr Commodore?“, fragt sie in einem leichten, wohlig klingenden Singsang und schlägt lächelnd die Lider zu mir auf. „Jedenfalls nicht bei mir“, haucht sie heiser dazu und legt ihre kleinere Hand über meine, dass mir anders dabei wird. Irritiert über den plötzlich aufgetretenen Stimmungsumschwung starre ich sie an. „Was muss ich tun, damit ich Eure Aufmerksamkeit bekomme und Ihr es nicht nur als lästiges Unterfangen anseht, mit mir hier zu sitzen?“ „Es ist mir nicht lästig“, widerspreche ich, auf die schlanken Finger sehend. „Nur nicht entsprechend der Etikette und zeitlich überaus unpassend“ Ich muss ordentlich betreten dreinschauen, als sie beginnt über meine Haut zu streicheln, denn genauso schnell beendet sie die Berührung, wie sie sie begonnen hat. „Schade drum, dass Ihr so verstockt seid“, meint sie enttäuscht und nippt von ihrem Getränk. Dennoch lässt sie ihre Hand weiterhin auf der meinen ruhen. Unumwunden beginne ich sie zu betrachten. Die Narbe verunstaltet sie keineswegs, sie ist kaum zu erkennen und gut geheilt. Ihr schönes Äußeres wird dadurch nicht geschmälert. Auch das ist mir vor zwei Abenden nicht ins Bewusstsein getreten: Was für eine schöne Frau Anamaria doch ist. Doch jetzt im Lichte des Tages und durch ihre… nennen wir es… kühne Tat meine Hand zu ergreifen… Ich muss gestehen, dem Mann, dem sie einst angetraut sein wird, bietet sie viel. Und noch mehr. Unwillkürlich schlucke ich bei dem Blick in ihre blauen Augen, denen keine andere Beschreibung gerecht werden würde, als der Vergleich mit der tosenden See. „Ihr starrt Commodore“, lächelt sie spöttisch und beugt sich dekadent vor. Dabei öffnen sich die Kordeln ihres schwarzen Hemdes ein kleines Stück und geben den Ansatz samtener Brüste frei. „Tue ich?“, frage ich mich verlegen räuspernd, habe ich es nicht bemerkt und suche Halt für meine Finger und vor allem für meine Augen an dem Becher vor mir. Sie wendet sich aber nicht ab von mir, was mir das drückende Gefühl der Blöße vermittelt. Ich meine das eigene Blut in meinen Ohren rauschen zu hören, peinlich, wie ausgesprochen peinlich… wie ein dummer Scolar, der zum ersten Male erfahren hat, was es heißt ein Mädchen als solches zu erkennen… Der klägliche Versuch einer Erklärung: es ist lange her, dass ich eine Frau in mein Bett holte. „Mhm. Mit glänzenden Augen. Als sei ich ein edler Schmuck“ „Ich bitte um Vergebung Miss. Es lag nicht meiner Absicht Euch zu diskreditieren“, entgegne ich reserviert, die angemessene Distanz wieder aufbauend, indem ich ihr meine Hand entziehe und meinen eigenen Becher an die Lippen führe. „Oh, aber bitte. Diskreditiert! Reden muss nicht das Einzige sein… nicht wahr?“ Ich beobachte sie über den Rand hinweg, wie sie in seidiger Bewegung ihrer Fingerspitzen über die leicht verschwitze Haut ihres Halses streicht, hinunter zu dem kleinen Tale zwischen dem Ansatz ihrer Brüste und, meinen Blick mit ihren stürmischen, blauen Augen derweil einfangend. Und gerne lasse ich mich fangen, selbst wenn ich es nicht wollte, so kann man diesen bezaubernden Tiefen und dem samtigen Glanze junger Begierde kaum entkommen. Ich würde mich selbst einen Lügner schimpfen, würde ich behaupten, dass mir das Mädchen nicht gefällt. Erst recht wenn ich mich bei dem niedren Gedanken erwische mich zu fragen, ob sich ihre Haut wohl genauso anfühle, wie ich es mir in meiner Vorstellung ausmale. Wie versteinert durch den Blick einer Medusa verweile ich in meiner Position bis sie sich erhebt, ihren Weg mit geschmeidigen, kleinen Schritten um den Tisch herum macht, an der Ecke des Tisches kurz verharrt, nur um sich dann hinter mich zu stellen. Ohne mich umzuwenden, spüre ich ihren ruhenden Blick auf mir und ein bisschen mulmig ist mir zumute, als sich ihre weichen Hände auf meine Schultern legen. Schöne, minutiös zärtliche Hände auf dreckigem, nichtswürdigen und grobem Stoff, die in kleinen Kreisen die verspannten Muskeln abfahren und nur einen Moment später spüre ich ihren warmen Atem an meinem linken Ohr. „Mein feiner Commodorre“ Mich nicht gegen die zarten Berührungen sträubend, lasse ich es zu, dass sie über meine Schulter greift, sich auf mich lehnt und mir den Becher aus der Hand nimmt. Sie trinkt davon und nachdem sie vor mich getreten ist, zurück an den Platz, an dem ihr verführender Reigen begonnen hat, nimmt sie anregend langsam den letzten Tropfen von den dunkelroten Lippen. Achtlos wird dann der Becher auf den Tisch gestellt. Es ist lange her, dass mich eine schöne Frau derart offensiv und mit solcher Offenheit begehrt hat. Und das tut sie, keinen Zweifel, auch wenn ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Ich war kein Kind von Traurigkeit, sicher nicht. Und bestimmt nicht war ich es die Monate nach Elisabeths Zurückweisung gewesen. Lieber ist es mir nicht zu wissen, wie oft ich des Morgens neben einer Schankmaid erwacht bin, deren Namen ich nicht einmal kannte. Ich schließe die Augen. Und diese Frau ist schön, bei Gott, betörend schön! Jeder Mann klaren Verstandes wäre ein Dummkopf ein Angebot wie dieses abzulehnen, zumindest für eine kurze Weile… Ein wenig Vergnügen bedeutet nicht die Ehe. Gerade ein schwarzes Mädchen weiß das Aber das Verhalten entspricht so gar nicht ihrem Naturell, das ich bisher, wenn auch kämpferisch, eher als zurückhaltend erlebt habe. „Anamaria, seid Ihr wohl auf? Ihr wirkt heute ein wenig… anders…“, bemerke ich darum verstockt, aber das leichte, erregte Zittern meiner Stimme bleibt nicht einmal mir selbst verborgen. „So?“ Sie ergreift die Rückenlehne meines Stuhls und bevor ich etwas daran ändern kann, habe ich Hände kraftvoll am Kragen meines Hemdes und sie einen Augenblick später rittlings auf meinem Schoß. Der Stuhl ächzt bedenklich unter unserem Gewicht und schaukelt nach hinten. „Wie anders genau Commodore?“, flüstert sie mir ins Ohr, die Worte gleich dem Schnurren einer Katze. Ich ziehe die Luft scharf ein, als sie mir so nahe ist, um so vieles näher als zuvor, sie ihre Stirn gegen meine Schulter lehnt, ich ihren heißen Atem nun an meinem Hals fühle, wo unter der weißen Haut mein Puls rast. Völlig überrumpelt weiß ich nicht wohin mit meinen Händen. „Eh“ So balle ich sie zu Fäusten, um wenigstens etwas zu tun und um nicht in die Verlegenheit zu geraten sie dort zu platzieren, wo sie nichts zu suchen haben. Noch immer krallen sich Anamarias Hände in den Stoff meines Hemdes, weigern sich mich frei zu geben und als sie ihre Augen zu mir hebt, lese ich in ihnen Verlangen, Begierde, aber auch etwas Undeutbares. Kaum abwenden kann ich mich von ihr. Von der makellosen, dunkelbraunen Haut, dem ebenmäßigen Gesicht, in das einzelne Löckchen ihres Haars fallen und wie gebannt starre ich auf die blutroten Lippen. „So ist… es kaum Eure Art einen Mann der Navy verführen… zu wollen. Oder ich müsste… einer… schweren Fehleinschätzung erliegen“, stammle ich unschuldig vor mich hin, doch spüre ich geradezu vernichtend, wie mein Körper nach kalter, freudloser Abstinenz auf ihre Nähe weit weniger unschuldig reagiert. Anamaria lacht nur leise mit einer warmen, wunderbaren Stimme, verführerisch und von unbeschreiblichem Klang. „Ihr glaubt mich gut zu kennen, was mein Lieber? Piraten sind doch alle gleich. Etwas in der Art dachtet ihr doch gerade nicht wahr“ Wie zur Demonstration, dass es nicht so ist, bewegt sie ihre Hüften sanft auf meinem Schoß…. Und das Gefühl überrollt mich mit der Wucht einer Welle. Und führe mich nicht in Versuchung… „Nicht hier Miss!“, bringe ich mit einem verhaltenen Laut hervor, der Einwand der Piraterie lässt meinen Kopf ein wenig klarer werden und das aufkommende Verlangen nach Vereinigung niederringen. Auch tritt mir jetzt überdeutlich ins Bewusstsein, dass wir uns nicht im dunklen, lichtlosen Schutze eines Hinterzimmers befinden, fernab der Blicke. Und mit einem Mal fühle ich mich beobachtet. Hektisch sehe ich mich um, jeder Blick eines Gastes ist nichts anderes als lüstern und verstohlen. Richtig. Sie ist ein Pirat. Eine Frau. Aber ein Pirat. Und es ist nicht recht! „Doch, Norrington. Genau hier“ „Nein, Anamaria“, sage ich jetzt bestimmter und zwinge mein Gesicht in eine ausdrucklose Maske. Die Maske, die ich gerade unbedingt brauche, um wieder Herr meiner Sinne und dieser Situation zu werden. „Ihr werdet jetzt aufstehen Miss und danach werden wir auf direktem Wege zur Black Pearl gehen“, sage ich gepresst, doch ich bin zuversichtlich, dass ich dieses Mal das Zittern meiner Stimme verbergen kann. „Gefalle ich Euch denn nicht, Commodore Norrington? Sagt, was muss eine Frau tun, damit sie Eure Gunst erhält, hm? Auswählt ist, bei Euch liegen zu dürfen…“ Unendlich langsam nehme ich wahr, wie ihre Fingerspitzen meine Wange berühren und beginnen sie zu kosen. Spielerisch vergraben sie sich dabei in meinem Bart. Für einen Augenblick, der mir quälend lange erscheint verharre ich, unfähig auch nur zu denken. Ein kurzer Moment der zurückkehrenden Schwäche, in der ich es genieße und am liebsten meine Augen schließen würde. Dann aber treffen mich die Wirklichkeit und all die Probleme, die sich aus dieser zweifelsfrei vergnüglichen Liaison ergeben würden mit einem Schlag. Ich packe ihr Handgelenk. „Sofort!“ Das Mädchen lässt sich von meinem brüsken Befehl aber nicht beirren, sondern drückt mich mit ihrem Gewicht stärker auf den Stuhl. „Aaah…Ja, man sagte mir, der Kommandant der Flotte Port Royals sei unnahbar und bar jeder Empfindung. Dass er nur die Pflicht kenne und kein Vergnügen. Übertriebenes Geschwätz, dachte ich, denn Männer sind alle gleich auf ihre Art. Ein wenig Kokettieren hier, gehobene Rockschöße da und die guten Geister verlassen Euch. Und ich spüre, du bist da nicht anders. Auch wenn du zäher bist“ Mittlerweile sitze ich wie erfroren unter ihr, das angenehme Gefühl vom Anfang macht dem des Zorns Platz. Ich weiß, dass ich das hier nicht will, nicht auf ihre Art und ganz sicher nicht jetzt unter den Augen anderer. „Ich fordere ein letztes Mal: Steht auf.“ „Nun, was kann man da tun, hm? Was kann ein Mädchen tun, um dieses kalte Offiziersherz zu erwärmen?“ Meinen Willen vollständig übergehend verschränkt sie ihre Hände in meinem Nacken und zwingt mein Gesicht vorwärts, dicht an ihres heran. Ich habe den Eindruck, dass sie mich nicht einmal mehr richtig wahrnimmt. „Ich will Euch nicht verletzen, aber Ihr werdet die Konsequenzen tragen“, entgegne ich kalt während ich den Kopf abwende und sie bei den Hüften packe, um sie zur Not von mir herunter zu stoßen. Verärgert über meine Zurückweisung packt sie mit einer Hand meine Kehle. Es ist erstaunlich, welche Kraft in ihren kleinen Händen liegt „Droh mir nicht Schätzchen“ Ihre eisige Stimme hat jeden Hauch von Wärme verloren und auch jene Zärtlichkeit, die ich in langen einsamen Nächten herbeigesehnt habe, wenn auch von nur einer einzigen bestimmten Frau. Schauerlich ist die Szenerie geworden, in der Anamaria wie verwandelt agiert. „Ich akzeptiere kein „nein“ Norrington“ Mich und meinen Willen verachtend, greift sie mit ihrer freien Hand grob in mein Haar und reist meinen Kopf nach hinten. In ihren Augen steht weniger Lust und Verlangen als pure Bosheit. Ich winde mich unter ihr, als sie versucht ihren Mund meinem näher zu bringen. Das mit dem herunter stoßen gestaltet sich jedoch schwieriger, als erwartet… Bleibt nur der Ausweg Worten auch Taten folgen zu lassen… In Gedanken ein Gebet sprechend, hole ich aus…. Doch noch bevor ich mich innerlich tatsächlich überwunden habe dem Mädchen ihren Verstand wieder einzuprügeln, vernehmen wird beide hinter meinem Rücken lautes Klatschen, begleitet von einer selbstgefälligen, wohlbekannten Stimme, die das Mädchen dazu bringt von mir abzulassen und an mir vorbei zu sehen. „Reizvoll. Unsagbar reizvoll Liebes. Du hast nichts verlernt in den dreizehn Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben. Doch mein untrügliches Gefühl sagt mir, unser lieber Freund Jamie hier fühlt sich reichlich ungut unter dir“ Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich je über seine Anwesenheit aus tiefstem Herzen so vollkommen ehrlich freuen könnte. Ich spüre sogar die verlangende Neigung ihn an mein Herz drücken zu wollen, so lieb und teuer ist er mir! Ich atme befreit auf, lege den Kopf in den Nacken und schließe kurz die Augen. Erleichtert wische ich mir den Schweiß von der Stirn… so unsagbar erleichtert… „Danke Mister Sparrow“ Doch die glückliche Zufriedenheit weicht ebenso schnell aus mir, als ich mich ihm zuwende und sehe, wie er mit entsicherter Pistole auf den Kopf der jungen Miss zielt, ihr mit gefährlich ruhiger Miene bedeutet von meinem Schoß zu steigen. „Wenn ich dann also bitten dürfte“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)