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Sportfreak 1/2

von

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Du siehst mich nicht

Der Flur des Wohnhauses lag beinahe still im Dunkeln. Von draußen drangen die Geräusche des all abendlichen Straßenverkehrs gedämpft nach Innen. Schemenhafte Schatten bewegten sich in unregelmäßigen Abständen und fielen sodann auf das von der Straßenbeleuchtung beschienene Gesicht. Dieses war dem gegenüberliegendem Wohnblock zugewandt.

Ein Schreck durchfuhr die Person, als hallende Schritte das Kommen einer weitern Person verräterisch ankündigten.
 

Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Reika konnte sich diese Frage selbst nicht beantworten.

Vor etwa einer Stunde war sie zufällig diesem Yuki in die Arme gelaufen. Normalerweise pflegte sie keinerlei Kontakt zu solch seltsamen Vögeln, doch die Art und Weise wie er sie angesprochen hatte, trug letztlich die Verantwortung dafür, dass sie ihm doch Gehör geschenkt hatte.

Was nur, was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht, als sie vor einigen Monaten im nächtlichen Juban-Park den Entschluss gefasst hatte Haruka auf andere Weise auf sich aufmerksam zu machen?

Der Teufel musste sie geritten haben!

Ja, so war es bestimmt gewesen., dachte sie, als sie den Flur des Wohnhauses betrat, in dem Haruka wohnte.

In all den Wochen, während sie krampfhaft versucht hatte Haruka durch ihre Abwesenheit für sich zu gewinnen, war es ihre sich sonst mit allem einverstanden erklärende innere Stimme gewesen, die ihr sagte, wie sehr sie die Gesellschaft ihrer Freundin vermisse.

Diese gewonnene Erkenntnis vertrug sich sehr schlecht mit den Neuigkeiten über Haruka.

Reika sorgte sich, obgleich sie sich in wenigen Minuten selbst einen Überblick über die Situation verschaffen konnte.
 

Ein letztes Mal bog das braunhaarige Mädchen ab. Zielstrebig visierte sie Harukas Wohnungstür an.

„Nanu?“, verwirrt blieb Reika stehen.

Die angesteuerte Tür stand sperrangelweit offen und wirkte so einladend wie ein beim Gähnen zu weit aufgerissener Mund. Zudem hatte sich gerade in jenem Augenblick, da sie um die Ecke gekommen war, eine Person in ihre Richtung gedreht.

Auf einmal kehrte das Gefühl, das sie so lange von Haruka fern gehalten hatte, zurück. Eifersucht bemächtigte sich ihrer. Eifersucht und Wut.

Sie war es gewesen, die ihrer Freundin eindeutige Blicke zugeworfen hatte.

Michiru Kai’oh.

„Was wird hier gespielt?“, knurrte Reika angewidert von der Anwesenheit dieser Frau in die Stille des Flures hinein.

Eigentlich wollte sie sich weder verletzlich noch zu gefühlsbetont geben. Doch dafür war es bereits zu spät.

Die Wut überwog seit mehreren Sekunden ihre Vernunft.

„Was wird hier gespielt?“, fragte sie abermals unfreundlich, da Michiru ihr nicht antwortete.

Reika funkelte die ruhig dastehende Frau bösartig an. In jenem Moment aber, als ihre Blicke sich begegneten, konnte sie ihr nicht mehr böse sein. Etwas in ihrem Blick verriet der Braunhaarigen, dass es ihr nicht sehr viel anders mit ihrer Gefühlswelt erging als ihr selbst.

Soviel Schmerz spiegelte sich in grün-blauen Augen wider. Soviel, dass Reika ihren Wutausbruch bereits bereute.

„Verzeih.“, murmelte sie schließlich verlegen.

Erneut trafen sich ihre Blicke und Reika vermeinte die Traurigkeit und Verzweiflung des Allmächtigen darin zu erkennen.

Das war zuviel!

Schuldbewusst drehte sich Reika in Richtung Wohnungstür. Inmitten der Bewegung erstarrte sie.

„Haruka.“

Die Angesprochene verharrte regungslos im Eingang. Wie starr ihre Miene war und wie ausdruckslos ihre blauen Augen auf sie gerichtet waren. Die Haare standen strubblig in alle Richtungen. Um ihren Hals schlang sich ähnlich wie eine Kletterpflanze ein dunkelblaues Handtuch, welches sie mit beiden Händen festhielt.

Reika hatte Harukas Kommen nicht einmal bemerkt. Vermutlich trugen ihre lauten, zornigen Worte, die sie vor wenigen Minuten an Michiru gerichtet hatte, Schuld daran, dass Haruka nun in der Tür stand.

Die Braunhaarige beobachtete ihre sportliche Freundin. Sie sah, dass Harukas Blick nun auf Michiru ruhte. Die Art und Weise, wie die beiden einander eingehend betrachteten missfiel Reika.

Siehst du mich denn gar nicht?

Diese Frage, von ihren Gedanken formuliert, hallte immer lauter werdend in ihrem Kopf.

Haruka?

Eine stumme Frage folgte der nächsten.

Reika erschien es als ginge der Schmerz Michirus nun auf alle Anwesenden über.

Du hast nur Augen für sie!

Die Erkenntnis traf sie derart, dass ihr dicke, salzige Tränen in die Augen stiegen.

Würde der Landstreicher etwa doch Recht behalten? Musste sie sich tatsächlich damit zufrieden geben unerwidert geliebt zu haben?

Nein!

Reikas Seele schrie vor Schmerz. Ihr Herz setzte aus, als Haruka auf Michiru zuging.

Die Liebe, welche die junge Frau für ihre sportliche Freundin empfand, schnürte ihr nicht nur das unregelmäßig schlagende Herz, sondern auch die Kehle zu.

Reika ahnte, was nun geschähe.

Unfähig sich zu regen, beobachtete sie Haruka angespannt.

Wie starr ihr Blick Michiru fixierte. Wie hart ihr Gesichtsausdruck war. Offensichtlich litt die Sportlerin sehr.
 

Einen Moment später war das einzige was Reika noch hörte ihr eigenes ersticktes Schluchzen.

Leer, die junge Frau fühlte sich so furchtbar leer.
 

Haruka, übermächtig wirkend im Vergleich zu der zierlichen Musikerin, beugte sich, als sie nahe genug vor ihr stand, langsam zu Michiru herab. Ihre Arme umschlagen die kleinere Frau, während Haruka Michirus Lippen durch ihre eigenen versiegelte.
 

Das eigene Schluchzen brachte Reikas Bewusstsein zurück.

Weg!

Sie musste hier weg!

Abrupt drehte Reika diesem Schauspiel den Rücken zu. Ihre Beine, die im Grunde das ganze Jahr über träge waren, trugen sie diesmal zuverlässig davon.
 

Reika rannte den Flur und die Treppen hinab. Sie wollte nicht sehen, wie die beiden einander eng umschlungen da standen und wilde Küsse tauschten.

Sie wollte nicht sehen, was ihr das Herz zerbrach.

Also lief sie so schnell sie nur konnte und schloss die Augen. Sie rannte. Ihre ausgepumpten Lungen brannten, als etwas ganz plötzlich ihre Flucht beendete.
 

Brennender Schmerz, verursacht von aufgeschürften Knien und Handflächen durchzuckte sie, als sie alle Viere von sich gestreckt auf dem kalten Steinplatten des Flures lag.

Noch ehe Reika sich versah, spürte sie, wie zwei starke Hände, ihren Oberkörper umschlagen. Ruckartig, aber nicht grob, zog man die junge Frau auf ihre Beine.

„Sie hatten es ja ganz schön eilig.“, stellte eine wohlklingende männliche Stimme fest.

Erstaunt, und ihren Kummer für einen Moment vergessend, drehte sie sich um.

Vor ihr stand ein großgewachsener junger Mann, dessen Haar so schwarz wie der Tod persönlich war. Ohnehin kam dieser Vergleich der Gesamterscheinung des Mannes recht nahe. Seine Haut, obgleich er jung aussah, schimmerte bleich. Aus den Augenhöhlen stachen zwei markante Augen grüner-brauner Farbe hervor. Insgesamt wirkte er äußerst elegant und zuvorkommend.

„Sehr gesprächig scheinen Sie ja nicht zu sein.“, fügte er sanftmütig lächelnd hinzu.

„Verzeihen Sie, ich hatte es eilig.“

Leider klangen die Worte nicht so wie sie es sich gewünscht hatte. Aus der unterschwelligen Stimmlage war herauszuhören gewesen, dass sie totunglücklich sein musste.

„Oha.“, erwiderte der Fremde. „Also hat Ten’ou wieder zugeschlagen und Casanova gespielt.“

Abermals schenkte er ihr ein Lächeln.

Reika stutzte.

„Sie kennen Haruka?“, erstaunt sah sie dem Fremden in die Augen.

Verdutzt zog ihr Gegenüber eine Augenbraue graus. Er tat dies auf die gleiche Art und Weise, wie Haruka es immer tat. Eine Geste, die Reika so sehr an Haruka liebte. Doch sie an diesem Mann zu sehen, dass gestand sie sich ehrlich ein, linderte ein wenig den Seelenschmerz.

„Ach herrje, also kommen Sie wirklich von Ten’ou? Verstehe, deshalb hatten Sie es so eilig. Eigentlich wollte ich Scherzen. Schließlich ist es bekannt, dass die berühmte Haruka Ten’ou in diesem Haus wohnt.“

Er seufzte und fuhr sich mit der rechten Hand über das Gesicht.

„Aber ein wirklicher Casanova…“, fügte er nachdenklich hinzu, beendete den angefangen Satz jedoch nicht.

Reika antwortete ihm nicht. Sie wollte ihm weder zustimmen noch widersprechen. Haruka war und blieb eben Haruka, ihre beste Freundin. Der Schmerz über diese Erkenntnis, die schon so lange vorhanden war, saß tief. Tiefer als der Höllenschlund je sein könnte.

Etwas aber linderte ihre Pein. Seltsamerweise es war das Schweigen, das zwischen den Fremden und sie getreten war. Sie empfand es als unangenehm mit ihm zu sprechen, da er scheinbar schon sehr lange Haruka kannte. Sie aber im Gegenzug ihn nicht kannte.

Warum sie so empfand, konnte sie sich selbst nicht erklären. Vermutlich lag es an der Art und Weise wie er sie ansah. Er sah sie an, so als würde er verstehen wie sehr sie litt, als wüsste er um alles was geschehen.

„Nun…“, begann er schließlich nun die eine Hand verlegen über den Hinterkopf führend, „seien Sie doch so gut und erzählen mir, was ich dort finden werde.“

Reika stutzte. Sie wusste, was er mit „dort“ meinte und merkwürdigerweise breitete sich zugleich mit dem Wissen ein Gefühl in ihr aus, das der Liebe ähnlich war. Woher es stammte, vor allem aber, warum es just in diesem Augenblick ihr Herz eroberte, konnte sie sich selbst nicht erklären. Sie fühlte sich so, als wäre er ein alter Bekannter.

Der quälende Schmerz, welcher so lange schon in ihrer Brust wohnte ebbte langsam ab. Ihr war, als zöge die Anwesenheit des Schwarzhaarigen die Trauer aus ihrer Seele. Vielleicht war es ja sogar die Trauer, welche seine Haare so pechschwarz hatte werden lassen.

Was zum Teufel dachte sie da?

Kaum besaß sie Klarheit über ihre eigenen Gefühle im Bezug auf Haruka, gepaart mit der unverwechselbar erschlagenden Erkenntnis, dass Haruka sehr viel für Michiru empfand und schon verlor sie jenes bisschen Verstand, dass all die Zeit ihr liebeskrankes Herz erfolgreich überlebt hatte!

„Ah ich verstehe, sie lassen mich ungewiss aufs Schlachtfeld treten und ich bin dazu verdammt den Heldentod zu sterben.“, sagte er lächelnd in die Stille hinein.

Reika sah zu ihm auf. Ihre milden aber durch das Weinen aufgequollenen und rot leuchtenden Augen fixierten aufmerksam die seinen.

„Woher kennen Sie Haruka?“

Sie musste es wissen. Diese Gefühlsachterbahn, in welche ihr Herz vor Jahren eingestiegen war, sollte endlich einmal anhalten und ihr Herz wieder aussteigen lassen! Solang konnte ihr Fahrschein doch gar nicht gelten! Zudem, so ganz nebenbei, war Haruka ihre beste Freundin. Sie kannte sie seit klein auf. Seit jenem schicksalshaftem Tag, da sie mit dem Rest ihrer Familie in die kleine Vorstadt hier ganz in der Nähe gezogen war.

Der Fremde schloss lächelnd die Augen und als er sie öffnete suchte er Reikas Blick. Seine geheimnisvollen Augen funkelten spitzbübisch während das Lächeln, welches seine blassen Lippen umspielte, ehrlich wirkte.

„Das ist eine lange Geschichte.“, sagte er schließlich.

Er hatte die Worte so leise in den Flur gesprochen, sodass sie vermeinte es wäre nur das Wispern des Windes in den Wipfeln der Bäume gewesen.

„Ich habe Zeit.“, entgegnete sie ihm fest entschlossen mehr über Haruka zu erfahren. Mehr über das, was der Grund dafür zu sein schien, dass ihre beste Freundin ihrer Liebe entglitt. Oder war es etwa die Liebe, die sich verselbstständigte und lange im Verborgenen auf diesen Moment gewartet hatte, da sich ihr die Augen öffneten?

„Ich fürchte.“, sagte er lächelnd, „dass wir das verschieben müssen, ich habe noch einen Heldentod zu sterben.“

Spielerisch kniff er ein Auge zu und wandte sich der Treppe zu.

„Werden wir uns wiedersehen?“

Diese Frage glitt Reika schneller über die Lippen als ihr eigentlich lieb war. Irgendwas aber, etwas das der Liebe ähnlich war… nein nicht etwas wollte ihn nicht einfach so gehen lassen: Sie wollte ihn nicht einfach so gehen lassen?

„Nun ja.“, entgegnete er freundlich. „Es ist Jahrmarkt.“

Er lächelte und verschwand schließlich lautlos über die Treppen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  eulchen
2008-06-20T18:23:17+00:00 20.06.2008 20:23
Wow, wirklich eine sehr tolle Fanfiction. Mir gefällt der Plot sehr und ich finde es wirklich klasse, wie du die verschiedenen Charaktere darstellst. Ich mag vor allem deinen Schreibstil sehr.
Wirklich eine tolle Geschichte, ich kann die Fortsetzung kaum erwarten.
lg
eulchen
Von:  xi_on
2008-06-19T19:42:56+00:00 19.06.2008 21:42
dem Sadismus bleibst du also treu ^_-... AUFTRITT eines mysteriösen Mannes (klang das ein wenig nach Saiya???, oder einfach nur ein Unbekannter?).. Ich hoffe du lässt mich als treuen Leser nicht im Stich, den es ist einfach klasse deine FF zu lesen ^-^...ICH LIEBE ES!!! Bin sehr gespannt auf eine Fortsetztung... das war doch jetzt hoffentlich kein offenes Ende??? *verzweifel*.. vielen Dank auch für die Nachricht! Bekomme ich das nächste Mal auch eine? Dankeschön ^_-.. lg xi_on



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