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Sportfreak 1/2

von

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Depression

Die Wochen zogen schwermütig ins Land. Ein Morgen wurde zum Nachmittag und dieser wandelte sich in die Nacht bis ein neuer Morgen graute. Auf diese Weise endete der Sommer und glitt hinüber in die bunte Herbstzeit. Die Welt veränderte einmal mehr ihr Äußeres. Die riesige Leere aber, die Haruka seit jenem Tag der Verabredung in sich spürte, wollte nicht abebben.
 

Doch Haruka wäre nicht Haruka, wenn sie damit nicht irgendwie klar käme. Schließlich hatte eine leise Stimme in ihrem Inneren stets dezent auf diese Eventualität hingewiesen. Letztlich sah sich die junge Sportlerin sogar in ihren Befürchtungen bestätigt.
 

Menschen verletzten einander stets und überall.
 

Diese Erkenntnis jedoch befriedigte in keinster Weise das verräterische Gefühl des Schmerzes, welcher ihr Herz immer wiederkehrend heimsuchte.
 

Ja, sogar Reika, die ihr Jahre lang eine treue Begleiterin gewesen war, hatte sich seit Wochen nicht mehr bei ihr Blicken lassen.

Auf der einen Seite schmerzte Haruka diese Tatsache. Andererseits wog der betäubende, lähmende Schmerz, welcher der fehlgeschlagene Ausspracheversuch mit Michiru nach sich zog, zu schwer, als das sie einen klaren Gedanken bezüglich Reikas seltsamen Verhaltens hätte fassen können.

Michiru.

Haruka seufzte, als ihre lahmen Gedanken wieder einmal über das Abbild der junge Geigerin stolperten und sie diese wie einen übergroßen Felsbrocken nur schwerlich bei Seite schieben konnte.

Michiru.

Mittlerweile hatte sie schon eine Art Hass entwickelt, wenn ihre Gedanken erneut über diesen Namen stolperten. Es bedeutete nur Schmerz. Schmerz über einen zu gut schmeckenden Kuss, der nie andere Lippen hätte berühren dürfen!

Michiru…

Haruka seufzte.

Das Leben war grausam und ungerecht – ebenso wie damals.

Damals.

Ja, damals vor vielen Jahren, als Haruka noch nicht dieses Appartement in einer ihr völlig fremden und viel zu großen Stadt bezogen hatte, hatte sie auch so etwas ähnliches wie eine Familie besessen.

Allein der Gedanke an das Vergangene quälte die junge Sportlerin. Fast schon hätte sie vergessen wie es war sich einsam zu fühlen. Beinah hätte das Leben die Leere ihres Herzens überwogen, wenn sie nicht gewesen wäre.

Und so schloss sich ein weiteres Mal der Kreis, welchen Harukas Gedanken unendlich oft in den letzten Tagen und Wochen beschritten hatten.

Michiru.
 

„Man! Ten’ou hör auf zu pennen!“, herrschte eine Haruka bekannte Stimme von der Seite. „Wirfst Du mir nun endlich den Schraubendreher rüber oder was?“

Haruka blinzelte so als ob sie aus einem viel zu langem Schlaf aufgewacht sei und tastet gedankenverloren auf der Ablage, die gleich neben ihr stand, herum bis sie den besagten Gegenstand ergriffen und dem Mechaniker zu geworfen hatte.

Es dauerte nicht lange, bis Yuri fertig war und sich zu ihr gesellte.

„Du machst mir echte Sorgen, man! Seit Wochen schon hängst du deinen Gedanken nach. Das sieht dir gar nicht ähnlich.“

Haruka reagierte nicht.

Was wusste er schon.

Ja sicher, es passte nicht zu ihr, dass ihre Gedanken ständig an dieser Person klebten. An dieser einen Person, der sie ungewollt auf Anhieb ihr Herz geschenkt hatte. Diese eine Person, die sie aber auch nicht so akzeptierte wie sie war. Sie war ja noch nicht einmal in die Verlegenheit geraten es ihr erklären zu dürfen!

Welche dieser Erkenntnisse sie nun mehr Schmerze, wusste sie jedoch noch nicht.

„Weißt du was, ich lad dich ein! Komm, lass uns einen trinken!“

Der Mechaniker, er besaß in etwa die gleiche Größe wie Haruka selbst, klopfte ihr eifrig auf die Schultern.

„Hab keinen Bock.“, erwiderte Haruka nur.

Mit Ekel erinnerte sie sich an das letzte Mal, als Yuri sie mit in diese Bar geschleppt hatte. Schmierig war sie gewesen, eng und stickig. Das alles wäre nur halb so wild gewesen, wenn er nicht alle Nase lang eine Schlägerei angezettelt hätte. In dieser Beziehung war Yuri einfach unmöglich. Auch wenn sie selbst die eine oder andere Rauferei mochte. Sich jedoch im betrunkenen Zustand zu prügeln, unterbot eindeutig ihr Niveau!

„Mhm“, brummte der ölverschmierte Mechaniker. „Dann muss ich wohl alleine gehen. Also, ich hau dann ab.“

Kaum, dass die Worte seinen Mund verlassen hatten, war er auch schon zur Tür hinaus und Haruka blieb allein in der großen Werkstatt, ihrem Zufluchtsort, zurück.

Seit sie sich erinnern konnte war sie hier hergekommen. Diese KfZ Werkstatt hatte es schon immer gegeben und wann immer sie Kummer gehabt hatte, war es ihr hier möglich gewesen sich mit Schrauben, Öl und Motoren abzulenken. Sie mochte den Geruch von altem und frischem Öl der hier in der Luft hing, vermischt mit dem Geruch von Benzin und Ruß. Ja, sie mochte sogar den Rost, den sie des Öfteren von alten Fahrzeugen entfernte. Irgendwie beruhigte sie der Gedanke altes zu Erneuern oder gar zu retten.
 

Das fahle Licht, draußen begann es bereits zu dämmern und Yuri hatte die Beleuchtung noch nicht eingeschaltet, welches durch die Fenster fiel, erhellte kaum noch die Werkhalle. Es reichte allerdings zum Aufräumen, obwohl die junge Sportlerin einen Augenblick mit dem Gedanken spielte, alleine an dem europäischen Oldtimer aus dem Jahr 1963 zu basteln.

Sie seufzte.

Yuri würde sie umbringen! Und so begann sie damit gemächlich die Werkstatt auf Vordermann zu bringen.
 

Eines aber war verrückt! Auf einmal wirkten die fahlen Wände trostlos, ja sogar furchteinflößend. Manchmal kam es ihr sogar vor, als verhöhnten diese sie. Die Werkstatt wuchs ins Unermessliche und Haruka verspürte den Drang zu fliehen.

Ihre Hände, die gerade nach dem auf dem Boden liegenden Werkzeug greifen wollten, besaßen plötzlich die Temperatur von Eisklötzen. Sie verlor jegliche Konzentration.

Weg! Sie musste hier weg!

Hastig verstaute sie das Werkzeug notdürftig in einer der dafür vorgesehen Kisten. Raschen Schrittes ließ sie die Werkhalle hinter sich, um gleich darauf von außen die Tür zu schließen und abzusperren.

Haruka spürte wie das klamme Gefühl weiter, nun aber nicht mehr so intensiv nach ihr verlangte. Es fühlte sich beinah so an, als griffe die Leere, welche Michiru in ihrem Herzen zurück gelassen hatte, nach ihrer Seele.

„Verdammt.“, zischte sie.

Da kehrten sie zurück! Die Gedanken an die junge Musikerin.

Grob riss Haruka den Schlüssel aus dem Schlüsselloch und begann zu rennen, als könnte sie der stetig wiederkehrenden Qual auf diese Weise entfliehen.

Haruka rannte.

Ihre Füße berührten kaum den Boden. Ihre sandblonden Haare, welche um einiges länger geworden waren, fielen ihr ins Gesicht und verdeckten somit ihren Blick. Um sie herum herrschte Dunkelheit, auch sah sie nicht wohin ihre Füße sie trugen. Im Grunde aber maß sie dem Weg oder gar dem Ziel keinerlei Bedeutung bei.

Weg!

Das war es, was sie sich wünschte, ungeachtet aller fragenden Blicke, die Passanten ihr zu werfen würden. Ungeachtet dem stummen Mitleid, was diese für sie übrig hatten und ungeachtet dessen was ihre innere Stimme rief, leise, so leise wie das Wispern des Frühlingswindes der sanft über das erste Grün des Jahres streifte.

Wie gerne wäre sie der Wind!

Frei und unabhängig. Tobend und sanftmütig zugleich. Vor allem aber zärtlich, wenn man es nur gut mit ihm meinte!
 

Es krachte. Etwa zeitgleich bekam Haruka ihre eigene Wucht am Leibe zu spüren, als sie gegen etwas Hartes prallte und sodann vorn über auf dieses Etwas fiel.

Im Gegensatz zu ihrem Herz, arbeitete ihr Verstand an diesem Abend zuverlässig. Sie war nicht in Etwas sondern in jemanden gerannt – sprichwörtlich.

„Verzeihen Sie bitte.“, sagte sie, hielt den Kopf jedoch gesenkt um die Person, welche vor ihr auf dem Boden lag nicht ansehen zu müssen.

„Schon gut.“, erwiderte ihr Gegenüber.

Dem Klang nach zu urteilen, lächelte sie.

Ein Menschenlächeln war so etwas schönes, dachte Haruka, und zugleich so qualvoll.

Der Höflichkeit halber reichte sie der offenbar weiblichen Person ihre Hand, damit diese besser aufstehen konnte.

Ganz automatisch hob sie den Kopf ein wenig an, um nun doch einen Blick auf diese Person zu werfen.

Das Blut gefror Haruka in den Adern, obwohl es lebendiger nicht hätte sein können.

„Michiru.“

Sie hatte es bereits gesagt, als die frohe und peinigende Botschaft ihr Herz erreichten.

Und genau in diesem Moment ergriff Michiru die ihr angebotene Hand und ließ sich auf helfen.

Tausend kleine Nadeln bohrten sich angenehm und unangenehm kribbelnd in ihre Haut. Michirus Hand strahlte eine derartige Wärme ab, dass sie Haruka vor Ehrfurcht erzittern ließ.

„Danke.“, erwiderte Michiru.

Offenbar wusste diese nicht, wen sie vor sich hatte, so fragend wie die junge Musikerin drein schaute.

Haruka schluckte hart, während sie ihre Hand zurück zog.

Es war besser so.

Was hatten sie sich überhaupt zu sagen? Was hatte sie ihr zu sagen? Das ganze war doch mehr als lächerlich!

Warum aber, warum verkrampfte sich dann ihr Inneres so sehr?
 

Ihre Füße begannen erneut sich in Bewegung zu setzen. Ihre kalten Hände fanden ganz automatisch den Weg in ihre Hosentaschen.

Was gab es schon zu sagen?

Nichts würde den alten und auch den neuen Schmerz lindern.

Sie seufzte und zog automatisch den Kopf zwischen die Schultern, während sie gedankenverloren auf den kalten Straßenasphalt, der unter ihren Schritten dahinglitt, starrte.
 

Zu Hause angekommen führte ihr Weg direkt ins Bad. Kaltes Wasser rann plätschernde Geräusche verursachend durch die Kuhle, die ihre Hände bildeten. Einen Augenblick betrachtete Haruka das sich in ihren Händen bewegende Nass. Ungestüm, so als besäße es eigenes Leben, schwappte es Wellen bildend hin und her um kurze Zeit später in kleineren und größeren Tropfen von ihrem Gesicht zu perlen.

Haruka, die gebeugt vor dem Waschbecken stand, richtete sich auf und blickte in die Realität ihres eigenen Spiegelbildes.

Kein Wunder, dass Michiru sie nicht erkannt hatte, so wie sie nun aussah: Das sandblonde Haar klebte an vielen Stellen wegen diverser Ölspritzer. Ihr sonst glasklarer Blick aus ihren blauen Augen wirkte müde. Ihr Gesicht, ihr männliches Gesicht war dem Fluch des männlichen Haarwachstums zum Opfer gefallen.

Eine Tatsache, die früher einmal regelrechtes Entsetzen zu Tage gefördert hatte.

So kann es nicht weiter gehen.“ mahnte ihre innere Stimme.

Zumindest vermeinte die Junge Sportlerin es wäre so.

Soll sie doch sagen, was sie will!, antwortete ihr Herz, während Haruka sich weiterhin im Spiegel betrachtete.
 

Völlig unbeeindruckt dessen, was ihre Stimmen an gut gemeinten Ratschlägen erteilten, begann sie sich schließlich wie ein unbeteiligter Zuschauer, der zufällig Zeuge einer Auseinandersetzung wurde, aus ihren dreckigen Klamotten zu schälen.

Ihr müder Blick fiel registrierend auf die weit offenstehende Badezimmertür, jedoch machte sie keinerlei Anstalten diese zu schließen.

Wozu auch?

Gleichmütig wandte Haruka sich der offenen Dusche zu.

Das Geräusch, welches auf Keramik prasselndes Wasser erzeugte, vereinigte sich mit der Stille ehe die junge Frau dieses durch ihren Eintritt in die Dusche veränderte.

Kaltes Wasser rann ihren Körper entlang, zog geschmeidige Bahnen und hinterließ wo immer es gewesen war wohltuende Feuchtigkeit.

Es muss ein Ende haben!, schrie ihr Inneres, während ihr Herz sich derart verkrampfte, dass sie sich mit einer Hand gegen die kalten, gefühllosen Fliesen lehnen musste.

Ein qualvoller Laut entglitt ihren Lippen, als ihre linke Hand das Wasser von kalt auf warm stellte.

Ihr Körper veränderte sich wie so oft. Diesmal aber blieb das Schauspiel nicht unbeobachtet. Ein Augenpaar von grünblauer Natur beobachtete in stummer Verstörtheit und Faszination das seltsame Ereignis.
 

Einige Minuten und eine gründliche Wäsche später stellte die blonde Frau ihre Dusche ab. Etwas bessergelaunt trat sie auf einen der auf dem Boden liegenden Läufer und griff nach ihrem sandfarbenen Handtuch.

Haruka wollte sich rasch abtrocknen, da es durch die offene Tür unangenehm zog. Der leichte aber eiskalte Luftzug, welcher ihren nackten Körper zielsicher anvisierte, ließ sie frieren. Ihre Nackenhärchen richten sich auf. Dazu gesellte sich die ihren gesamten Körper überziehende Gänsehaut. Der Luftzug aber war nicht der einzige Grund, weshalb sie schauderte. Eine kaum merkliche Bewegung und ein noch leiseres Geräusch hatte ihren aufmerksamen Sinnen verraten, dass sich jemand unmittelbar vor ihrem Badezimmer befand.

Misstrauisch kniff Haruka die Augen zusammen, sodass diese sich zu hauchdünnen Schlitzen verengten.

„Dummkopf!“, maulte ihre Vernunft, „du hast nicht nur die Badezimmertür offengelassen. Nein!?! Madame war sogar noch zu faul die WOHNUNGStür zu schließen!“

Dabei legte ihre Vernunft besonderen Wert auf die Betonung des Wortes Wohnungstür.

„Hmpf.“, antwortete Haruka sich selbst.

Ernüchtert musste sie feststellen, dass ihre Verrücktheit sich auf siegesreichem Vormarsch befand.
 

Es dauerte nur einige Sekunden, bis Haruka einen Entschluss gefasst hatte. Lautlos, so wie Gott sie erschaffen hatte, schlich sie zur Tür, ehe sie mit ihrem Handtuch bewaffnet vor genau diese sprang.
 

Die Gardinen blähten sich auf Grund eines Windhauchs, der durch das offene Fenster in die Wohnung verirrte, wie die Backen eines Hamsters auf. Das fahle von draußen ins Wohnzimmer fallende Licht der Straßenlaterne, vermochte es kaum die von der zunehmenden Dunkelheit verursachten Schatten zu vertreiben.

Stille.

Nichts als Stille und eine menschenleere Wohnung.
 

„Ich muss verrückt geworden sein.“, seufzte Haruka resignierend.

Ihr sonst so unerschütterlicher Stolz sowie ihr Kampfgeist erloschen in jenem Moment beinah völlig. Mit der hereinbrechenden Nacht war auch der Schwermut zurückgekehrt, welcher ihr Herz bleiern werden ließ.

Einen Augenblick lang stand sie noch so da, das Handtuch in der Hand so als sei es eine moderne Schlag- oder Feuerwaffe. Ihre Finger zitterten, da ihr Griff die vermeintliche Waffe so sehr umklammerte, dass ihre Knöchel weiß hervor traten.

Sie seufzte erneut, lockerte den Griff und wandte sich wieder dem Badezimmer zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Tidus17
2008-05-29T10:40:49+00:00 29.05.2008 12:40
so jetzt bin ich durch XDD

deine schreibart gefällt mir^^
und die story find ich gut, wie gesagt am anfang war es etwas verwirrend, aba die idee is genial^^

bin gespannt wie es weitrer geht
Von:  xi_on
2008-04-05T18:14:58+00:00 05.04.2008 20:14
*schock* oh...kay ^^ (Ich glaube du hast eine leicht sadistische Veranlagung mit deinen Lesern umzugehen ^_- <- ist garantiert nicht böse gemeint)... GRUND: du kannst doch nicht an so einer spannenden Stelle einfach Kapitelende machen... Freue mich schon auf das nächste Kapitel! Also SCHREIBEN... LADEN...(xi.on bescheid sagen) !!!
Dass du richtige Absätze im Kapitel gemacht hast gefällt mir. Es sind aber recht viele, sodass ich es eher störend, als übersichtlich oder hilfreich beim Lesen empfinde. Wenn sie länger wären, wäre dies vermutlich nicht der Fall. WIEDERMAL ein hervorragendes Kapitel! *vordirverneig* lg xi_on


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