Blues Brother von abgemeldet (Kaiba x Joey) ================================================================================ Kapitel 2: Der erste Auftritt ----------------------------- 2. Der erste Auftritt Grummelnd zog ich mir meine Decke weiter über den Kopf. Warum musste ich auch das Zimmer haben, in das morgens immer die Sonne schien und einen weckte? Das war soooooooo ungerecht! Konnte die mich nicht wenigstens einmal schlafen lassen? Ich wollte mich umdrehen und weiterschlafen, doch jetzt, wo ich einmal wach war, konnte ich nicht mehr einschlafen. Komisch, das ging normalerweise immer. Sollte mir das jetzt zu denken geben? Vermutlich schon, aber nicht so früh am Morgen. Normalerweise konnte ich immer schlafen, und warum jetzt nicht? Genervt, wenn auch verschlafen, schlug ich die Decke weg und sah auf meinen Wecker, oder besser, ich sah auf die Stelle, wo er gestern morgen noch gestanden hatte. Doch dieser Platz war leer. Dann fiel es mir wieder ein: Ich hatte ja gestern früh aus Versehen meinen Wecker geschrottet... unabsichtlich versteht sich. Wie spät war es denn dann jetzt? Mit wackligen Beinen stand ich auf - zu dieser unchristlichen Uhrzeit wollten sie mir noch nicht so recht gehorchen - und schlurfte in Richtung Küche. Als ich dort ankam, machte ich mir gemächlich ein Brötchen und sah erst dann auf die Uhr, die gegenüber der Küchenzeile an der Wand hing. Mir fiel fast das Brötchen aus der Hand. Fluchend rannte ich zurück in mein Zimmer und schlang währenddessen mein Brötchen hinunter. Ich kam schlitternd vor meinem Schrank zum Stehen, riss die Türen auf und schlüpfte so schnell es ging in meine Schuluniform. Es war viertel vor acht. In einer Viertelstunde würde mein Unterricht anfangen. Warum musste sowas eigentlich immer mir passieren? Warum hatte immer ich die kaputten Wecker (du hast ihn doch selbst geschrottet! Du bist also selbst dran schuld), warum hatte ich den dämlichsten Vater und warum passierte eigentlich immer mir alles schlechte und nicht irgendwem anders? Warum immer ich? Ich meine, man muss sich nur mal diese Aktion von letzter Woche antun. Flashback Wir hatten Schluss und Tristan, Tea, Yugi, Yami und ich – Marik, Malik, Ryou, Bakura und Duke waren nicht in unserer Klasse, wobei letzterer zur Zeit sowieso auf einer Geschäftsreise war – waren ins Erdgeschoss gegangen, um möglichst schnell aus dem Gebäude heraus zu kommen, das sich Schule schimpft. Yugi ging ein Stück vor uns, drehte sich dann aber um, weil ihn irgendwer gerufen hatte. Dann war er zu der Person hin, die ihn gerufen hatte und wir anderen sind schön weitergegangen, um wenigstens schon mal die süße Luft der Freiheit zu atmen. Tja, wenn Yugi nicht gerufen worden wäre, dann hätte er sich langgelegt, aber da er zurückbeordert wurde, war ich der erste und deswegen war ich schön auf die Schnauze gefallen und nicht er. Der Grund? Irgendsoein Dösbaddel hatte genau vor dem Schuleingang seine Bananenschale drapiert, um arme, unschuldige Schüler zu malträtieren und um eben diese vor der gesamten Schülerschaft zum Idioten zu machen. Natürlich hatten es alle gesehen. Natürlich hatten alle gelacht. Man konnte von Glück reden, dass ganz zufällig an diesem Tag Kaiba nicht da gewesen war. Was ein Verlust... Nicht. Der hatte irgendsoeinen hochwichtigen Feinenpinkeltreff von seiner Firma aus und war deswegen leider (Sarkasmus lässt grüßen) nicht in der Schule gewesen, sonst hätte ich bestimmt noch einen niederschmetternden Kommentar zu hören bekommen. Der hätte mir dann vermutlich endgültig den Rest gegeben und den Tag dann zu einem noch mieseren degradiert. Ich schnappte mir meine Tasche und sprintete zur Tür, um zur Schule zu hetzen. //Irgendwer da oben hasst mich doch! Sonst würde mir so ein Mist nicht immer passieren!// Ich hetzte die Straßen entlang, rannte fast vor ein Auto, wurde fast von einem LKW überfahren und hätte beinahe drei alte Omas über den Haufen gerannt. Das Ergebnis: Ich kam eine Viertelstunde zu spät auf dem Schulhof an. Ich hetzte in das Gebäude, rannte die Treppenstufen empor und flitzte den Gang entlang. Vollkommen außer Atem kam ich vor einer Tür zum Stehen. Um hierher zu kommen hatte ich weitere fünf Minuten gebraucht. Diese paar Minuten würden vermutlich meine anschließende Folter nur verschlimmern. Ich klopfte an, wohlwissend, dass meine Englischlehrerin mich zusammenstauchen würde. Die Folter würde höchstwahrscheinlich auf Nachsitzen hinauslaufen. „Enter“, erklang es von drinnen. //Oh, scheiße! Die klingt schon wieder richtig angepisst! Womit hab ich das nur verdient?//, bemittleidete ich mich selbst. Ich betrat also den Raum, nur um gleich von ihr angefahren zu werden (nein, nicht mit einem Auto! Ich weiß, der war doof-.-): „Well, Mister Wheeler! So finally you have come. Who do you think you are? The king or why are you too late? Do you think you can allow yourself everything? (Ich garantiere nicht für die Grammatik)“ So ging das noch eine ganze Weile weiter, doch ich stellte meine Ohren schon nach den ersten Sätzen auf Durchzug. Immerhin war das immer das gleiche. Ich wurde zusammengestaucht. Also, warum sollte ich noch auf die feinen Unterschiede meiner Strafpredigten achten? Es lief doch immer auf ein „Na, sind sie auch endlich da?“ oder ein „Wer glauben sie, sind sie?“ oder ein „Warum sind sie so spät?“ oder ein „Glauben sie, sie können sich alles erlauben?“ hinaus (wer jetzt aufgepasst hat, wird merken, dass das die ungefähren Übersetzungen für oben sind). Nur halt immer ein wenig anders verpackt, aber im Grunde das gleiche. Ich sah sie mit leerem Blick an, so tuend als wenn ich ihr zuhören würde. Aber das tat ich nicht. Ich sah sie noch nicht einmal richtig. Um ehrlich zu sein wollte ich das auch gar nicht, denn wenn man sie zu lange ansah, bekam man Augenkrebs oder irgendeinen bleibenden psychischen Schaden. Ihr strenges Gesicht, das nur so mit Falten übersehen war, lief langsam rot an. Sie steigerte sich da schon wieder in eine Sache rein... Alte Leute sollten sich nicht mehr so aufregen, immerhin ist das nicht gut für den Blutdruck. Da würde sie letzen endes nur einen Herzkasper oder so davon tragen und dass das nicht gut für ihre Gesundheit war, musste ich ja wohl nicht extra erwähnen. Allerdings wäre das für meine Freunde und mich sehr gut, denn dann würde immer der Englischunterricht ausfallen, was natürlich sehr schade wäre... nicht. Langsam lösten sich auch schon Strähnen aus ihrem strengen Haarknoten. Immerhin färbte sie sich ihre grauen Haare nicht. Sie war wohl der Mensch, der der Meinung war, dass Haarefärben schlecht für eben diese war und stand zu ihrem Alter. Meiner Meinung nach sollte sie das ruhig mal ausprobieren. Dann sah sie vielleicht nicht mehr ganz so schlimm aus. Manchmal – so wie in diesem Moment wieder – fragte ich mich, wie sie es schaffte, dass ihre – meistens – Kleider nicht rissen. Ich hatte immer das Gefühl, sie würde sich nur Klamotten kaufen, die mindestens eine Nummer zu klein für ihr massiges Körpervolumen waren. Die liefen nämlich immer Gefahr, dass sie bei zu viel Aktivität rissen. Wenn sie sich aufregte, dann bewegte sie sich so dermaßen viel, dass man damit glatt eine ganze Stadt versorgen könnte, wenn ihre Bewegungen in Strom umgewandelt werden würden, z.B. indem man sie in ein ihr angepasstes Hamsterrad steckte. Allein schon bei dem Gedanken an meine Englischlehrerin, wie sie in einem Hamsterrad lief, ließ mich gefährlcih auffällig mit den Mundwinkeln zucken. Eine dicke, alte Frau, die ungefähr einen Kopf kleiner als meine Wenigkeit ist, mit Hängebusen und einem Kleid in einem Hamsterlaufrad. Das war schon eine lustige Vorstellung und ich musste sehr an mir halten, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. „What do you have to say for your apology?“, fragte sie auf einmal. Somit riss sie mich aus meinen Gedanken. „Nun, ich“-begann ich, doch sie unterbrach mich. „In English, please.” Ich seufzte. Womit hatte ich das nur verdient? „Yesterday in the morning I broke my alarm clock, so today there was nothing that could wake me.” Sie sah mich ungläubig an. Anscheinend war sie überrascht über meine heutige Ausrede. Normalerweise starb bei mir immer jemand, sodass ich große Depressionen hatte und es deswegen nicht schaffte, rechtzeitig aus dem Bett zu kommen, oder aber ich musste erst noch einer alten Dame über die Straße helfen, die ja bekanntlich nicht sehr schnell waren und deswegen kam ich dann halt immer zu spät. Dass ich dieses Mal zu so einer simplen Ausrede griff, schien sie zu überraschen. Ich rechnete jeder Zeit mit einem Wutausbruch ihrerseits – doch er kam nicht. Was war denn mit der los? Stand die unter Medikamenteinfluss oder so? Normalerweise ließ die doch keine Möglichkeit aus, um mich fertig zu machen (an wen erinnert uns das?). Stattdessen ließ sie ein ganz normales, und wenn ich es nicht besser wüsste schon fast nettes „Sit down, please“ verlauten, was ich natürlich auch gleich tat. Man konnte immerhin nicht wissen, wie lange diese vorrübergehende Freundlichkeit noch anhielt. Im Nachhinein würde sie sich das mit der nicht vorhandenen Strafe womöglich noch einmal überlegen. Ich glaube sogar, dass sie sie vergessen hatte, weil ich so eine - für meine Verhältnisse - abstrakte Ausrede parat hatte. „So when that is clear now, let’s go on with the lesson.“ In der Pause waren meine Freunde und ich gemeinsam draußen auf dem Schulhof. Wir standen unter einem großen Baum, der mehr als genug Schatten spendete und die Sonne von uns fernhielt. Sommer bzw. Frühling war schon gemein, ganz besonders wenn die Sonne beschloss, unbarmherzig auf die arme Schülerschaft hinabzuknallen. Tristan meinte: „So, dein Wecker war also kaputt, ja? Wer's glaubt, wird selig.“ Ich drehte mich zu meinem Freund um und meinte: „Ausnahmsweise stimmt das mal. Ich hab euch doch gestern morgen erzählt, dass ich den geschrottet hab, oder nicht?“ „Stimmt, und du hast immer noch keinen neuen?“, fragte Tea leicht vorwurfsvoll. Warum musste sie sich eigentlich immer wie meine Mutter aufführen? Oder wie mein Gewissen? „Dann ist es ja kein Wunder, dass du zu spät kommst.“ „Jaja, mach mich ruhig fertig. Hab ja kein Problem damit, aber zu deiner Information: Ich hatte gestern keine Zeit, um mir einen neuen zu kaufen. Weil wie du dich sicher noch erinnerst, war ich gestern bei einem Vorstellungsgespräch.“ Tea sah mich erst verständnislos an, wurde dann aber leicht rot. „Ja, und sowas nennt sich Freunde, die einem noch nicht mal zuhören, geschweige denn, das, was man erzählt hat, gleich wieder vergessen.“ Teas Gesichtsfarbe wurde nich ein Stück intensiver. Wie ich es doch liebte, sie zu necken. Das geschah ihr allerdings ganz recht! Immerhin hatte sie vergessen, dass ich ein Vorstellungsgespräch hatte! Und sowas nannte sich Freunde! „Komm, lass doch die arme Tea in Ruhe. Erzähl stattdessen lieber, wie's war“, meinte Yugi. Er mochte keine Streits und erst recht nicht zwischen seinen Freunden. Ich sah ihn an und schwieg. Yugi musterte mich neugierig, wie ungefähr der gesamte Rest meiner Freunde. „Jetzt erzähl schon, Alter! Wie war's?“, wollte Tristan ungeduldig wissen. Er hatte ja noch nie sonderlich viel Geduld gehabt (stimmt das?). Ich lachte und meinte: „Ich hab den Job.“ Meine Freunde sahen mich erst ungläubig an, ganz so, als hätten sie nicht gedacht, dass ich den Job wirklich kriegen würde. Und sowas nannte sich Freunde! Sie trauten mir noch nicht einmal zu, dass ich mir einen Job beschaffen konnte! „Jetzt lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen!“, mischte sich nun auch Tea wieder in das Gespräch ein. Ich ignorierte die Tatsache, dass sie vergessen hatte, dass ich mir ja überhaupt einen Job besorgen wollte, zuckte stattdessen mit den Schultern und meinte: „Naja, ich muss jeden Tag arbeiten, bis auf montags, donnerstags und zwei Freitage im Monat. Vielleicht kriege ich später auch drei Freitage frei, dass wusste Carlos noch nicht. Kommt ganz darauf an, wie viel ich ihm einbringe.“ Die anderen sahen mich weiterhin neugierig an, wenn Yami auch einen etwas seltsamen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Wieso sah der mich so komisch an? Hatte ich irgendetwas falsches gesagt (mal davon abgesehen, dass man das da oben auch zweideutig sehen kann, nein)? „Heißt das, dass du auch am Wochenende arbeiten musst?“, wollte Yugi wissen. Ich nickte. „Dann können wir ja gar nicht mehr so viel zusammen abhängen!“, beschwerte er sich. „Ach komm, so schlimm ist das nun auch wieder nicht. Ich muss schließlich nur von neun bis elf abends arbeiten.“ „Was ist das denn für ne Uhrzeit?“, fragte Tristan. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann damit leben. Eigentlich find ich's ja ganz lustig.“ „Solange du die Schule nicht noch mehr vernachlässigst, als du sowieso schon tust, ist das ok. Aber ist dir eigentlich klar, dass die Wahrscheinlichkeit dadurch noch mehr zunimmt, dass du zu spät zur Schule kommst?“, wollte Tea von mir wissen. Sie benahm sich schon wieder wie mein Gewissen. Wie ich das hasste... „Ja, ich weiß“, erwiderte ich gelassen und igrorierte dabei komplett ihren entsetzten Gesichtsausdruck. „Sag mal, als was arbeitest du eigentlich?“, fragte nun Yami, der das ganze Gespräch über ruhig gewesen war. Ich verstummte. Es war mir irgendwie peinlich, zugeben zu müssen, dass ich als Entertainer, besser, als Sänger arbeiten würde. Immerhin war ich ein Junge. Und als Junge zu singen war schon irgendwie ziemlich uncool. „Muss ich darauf antworten?“, fragte ich. Yami zog eine Augenbraue hoch und sah mich musternd an. Jetzt hatte ich anscheinend wieder etwas falsches gesagt. Was er wohl dachte? „Ok, ok, reicht es, wenn ich euch sage, als was ich arbeite, wenn ich dieses Wockenende überlebt habe? Dann kann ich euch immerhin sagen, dass ich den Job immer noch habe und nicht so grottenschlecht war, dass ich alle vergrault habe.“ Jetzt folgte die zweite Augenbraue Yamis auf die erste. Was ging nur in seinem Kopf vor? Selbst die anderen sahen mich nun mit einem abschätzenden und erschrockenen Blick an. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, was ich da gerade gesagt hatte und nach was sich das anhörte. Ich errötete und meinte: „Jetzt denkt bloß nichts falsches! Ich weiß, dass sich das gerade ziemlich dreckig angehört hat, aber glaubt mir, ich bin in keine schmutzige und zwielichte Geschäfte geraten!“ Das schien die anderen wieder einigermaßen zu beruhigen, denn ihre Gesichter entspannten sich. „Solange du uns nach dem Wochenende verrätst, als was du nun arbeitest. Obwohl ich nicht verstehen kann, warum du es uns nicht jetzt schon sagst. Wir würden bestimmt nicht lachen“, meinte Yugi. Ich schüttelte nur abwehrend den Kopf. Die anderen schienen es jetzt aufgegeben zu haben, zu versuchen herauszufinden, was ich in Zukunft arbeiten würde, denn Tea fragte: „Wann fängst du denn an?“ „Am Freitag.“ „In zwei Tagen also. Alter, ich wünsch dir viel Glück“, sagte Tristan und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. „Danke, Alter“, gab ich zurück. „Was habt ihr denn jetzt für Unterricht?“, fragte ich den Rest, um endlich von diesem Thema loszu-kommen. „Spanisch, mit dir zusammen, falls es dir entfallen sein sollte“, meinte Yami. „Dito“, meinte Yugi nur. „Französich“, erwiderte Tea. „Zwei Freistunden“, sagte Tristan. „Hey, Alter, dann hast du doch gerade nichts zu tun, oder?“, fragte ich Tristan hoffnungsvoll. „Ja, wieso?“ „Dann könntest du doch sichter in die Stadt gehen und mir einen neuen Wecker besorgen, oder? Dann muss ich das nicht nachher machen. Das Geld würde ich dir selbstverständlich wiedergeben.“ „Eigentlich habe ich ja keine Lust“, erwiderte Tristan. Warum war der eigentlich immer so faul? Ich setzte meinen Hundeblick auf, sah ihn eine Weile an, bis er seufzte und meinte: „Dieser Blick gehört eigentlich verboten! Beschwer dich dann aber nicht darüber, wenn er dir nicht gefallen sollte.“ „Ey, danke, Alter! Is egal, wie er aussieht, hauptsache, er weckt mich.“ Tristan grinste diabolisch. „Also ist es auch egal, wenn er pink und von Barbie ist, ja?“ Ich sah ihn entgeistert an. „So hab ich das nicht gemeint! Barbie ist schrecklich!“ Meine Freunde sahen mir eine Weile in mein entgeistertes Gesicht, bis Tristan schließlich anfing zu lachen, der Rest mit einstimmte, bis ich mich auch zu einem herzhaften Lachen hinreißen ließ. Als es schließlich wenige Augenblicke später klingelte und wir wieder zurück in die Schule gingen, blickte ich noch einmal kurz über meine Schulter und rief Tristan zu: „Wehe, er ist von Barbie und pink!“ „Rosa pink gestreift mit ner Barbie in nem Bikini und Ken als Baywatcher!“, gab er zurück. „Wehe, dann bist du tot!“ Die Doppelstunde Spanisch, die wir jetzt hatten, ging schleppend langsam voran, auch wenn Spanisch eines der Fächer war, in denen ich gut war – was noch ungefähr auf Englisch und Kunst zutraf. Aber diese beiden Stunden wollten einfach nicht vorübergehen. Ich konnte noch so viel machen: Es half alles nichts. Dann kam noch die Tatsache hinzu, dass ich ständig mit Papierkügelchen von hinten abgeworfen wurde. Ich konnte mir schon denken, wer das war. Kaiba. Wer sollte es sonst sein? Warum musste eigentlich immer ich das Pech haben? Warum musste Kaiba ausgerechnet in meinem Spanischkurs sitzen? Und in meinem Französischkurs? Warum konnte er nicht mit Tea tauschen? Tea war immerhin ganz allein in ihrem Französisch- und Spanischkurs. Außerdem wäre es mit Tea wesentlich angenehmer gewesen. Die würde noch nicht einmal auf die Idee kommen, mich mitten im Unterricht mit Papierkugeln abzuwerfen. Ich seufzte. Was konnte ich machen? Richtig, nichts. Ich meine, ich könnte mich melden und meinem Spanischlehrer sagen, dass eine gewisse Person mich ständig mit zusammengeknülltem Papier abwarf, doch das würde mir sicher nicht geglaubt werden. Immerhin war das ja Kaiba. Der war doch immer so erwachsen und vernünftig. Der würde doch noch nicht mal den Gedanken an so etwas verschwenden. Doch, verdammt! Er würde einen Gedanken an so etwas verschwenden! Und doch verdammt, er würde es auch machen! Ich musste mich also mit meinem Schicksal abfinden und es über mich ergehen lassen. Es heiterte mich ungemein auf, dass ich das meinem Lehrer auch auf Spanisch erklären konnte. Das konnten aus meinem Kurs nicht viele, denn er war ziemlich schlecht, wenn man mal von ein paar Ausnahmen absah – die aus Yugi, Yami, mir, und Kaiba bestand. Das beste an der ganzen Sache war sowieso, dass ich es schon mal geschafft hatte, in einer Klausur besser zu sein, als Kaiba. Das munterte mich immer noch auf, auch wenn das schon fast ein Jahr her war. So verging also auch irgendwie Spanisch. Gerade, als wir auf den Schulhof betraten, kam Tristan von seinem Stadtbummel wieder. Ich sah deutlich die Tüte in seiner Hand. Das war sicherlich der Wecker, den er mir besorgen sollte. Und wenn er wirklich auch nur im entferntesten rosa oder pink sein sollte, dann konnte Tristan sein blaues Wunder erleben! Tristan hatte sich anscheinend zum Weiterleben entschieden, denn der Wecker war ganz normal grün. Sehr gut für seine Gesundheit. Der Tag ging ziemlich schleppend vorbei. Ich musste noch bis zur siebten Stunde bleiben. In der siebten hatte ich Französisch, wozu ich, um ehrlich zu sein, keine wirkliche Lust hatte, was vermutlich daran lag, dass Kaiba wieder hinter mir saß. Tatsächlich machte er weiter, was er in Spanisch angefangen hatte: Er bewarf mich wieder mit Papier! Argh!!! Dieser arrogante Geldsack! Nach der Schule würde ich ihm erst mal gründlich die Meinung geigen!!! Das ging so nicht weiter!!! Glaubte der etwa, ich würde mir alles gefallen lassen??!! Da hatte er sich geschnitten!! Ich würde ihn so zusammenscheißen, dass er nicht mehr wissen würde, wo vorn und wo hinten ist!!! Als die Stunde immer weiter ihrem Ende entgegen ging, wurde ich immer gereizter. Der hatte die gesamte Stunde nicht aufgehört, sogar dann nicht, als wir eine Stillarbeit machen sollten. Ich kochte mittlerweile vor Wut. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn mich mein Französischlehrer ansprechen würde. Wenn ich Pech hatte, dann würde ich ihn anfauchen. Vermutlich war das Kaibas Ziel. Er wollte, dass ich mich wieder bei meinen Lehrern unbeliebt machte. Wie ich ihn doch hasste! Nur, weil er im Unterricht nichts zu tun hatte, hieß das noch lange nicht, dass das bei anderen auch so war. Schließlich konnte er alles und brauchte keine weitere Übung. Wenn ihm langweilig war, dann sollte er gefälligst wem anders auf die Nerven gehen, aber nicht mir! Ich verstand sowieso nicht, warum er eigentlich noch in die Schule ging, immerhin konnte er doch alles. Warum übersprang er nicht wenigstens eine Klasse? Dann würde er mir wenigstens nicht mehr auf die Nerven gehen! Dann müsste ich ihn im Unterricht nicht mehr ertragen, wenn überhaupt in den Pausen, aber selbst da suchte er sich eine ruhige Ecke, damit er ja ungestört arbeiten konnte. Es war also sehr fraglich, ob ich ihm überhaupt noch begegnen würde. Aber warum übersprang er nicht einfach? Verdammt, nur, weil ich dann nicht mehr leiden musste? Wieso hasste mich die Welt nur so??? „Monsieur Wheeler?“, sprach mich mein Französischlehrer an. Ich wollte ihn gerade anfauchen, als es klingelte. Ich konnte mich gerade noch so zurückhalten und fauchte ihn nicht an. Immerhin war jetzt Schulschluss. Warum sollte ich mich also noch mit so etwas wie einem Lehrer anlegen? Das wäre vollkommen überflüssig. Was würde mir das schon bringen? Also packte ich meine Sachen schnell zusammen und sprintete aus dem Klassenraum, damit ich Kaiba einholen konnte, um ihn erst mal gründlich in Grund und Boden zu stampfen. „Warte mal, Kaiba!“, schrie ich, als ich auf dem Schulhof ankam und sah, wie er vor seiner Limousine zum Stehen kam. „Warum sollte ich auf dich hören, Köter? Ich nehme keine Befehle entgegen, und erst recht nicht von so einer dreckigen Flohschleuder wie dir“, entgegnete er kühl. „Warum hast du das gemacht?“, fragte ich ihn, seine Beleidigungen geflissentlich ignorierend. „Was, Köter?“, fragte er desinteressiert. „Warum hast du mich die ganze Zeit mit Papierkügelchen abgeworfen?“, fragte ich ihn. Ich war bemüht, ruhig zu bleiben, aber bei seiner Visage fiel mir das alles andere als leicht. Allein schon wenn ich in dieses arrogante Gesicht sah, kam mir ein Brechreiz. „Ach, das war dein Kopf? Ich dachte, das wäre eine Zielscheibe.“ „Du mieser, kl-“, setzte ich an, doch er ließ mich ihn noch nicht einmal zu ende beleidigen. „Falls es dir entgangen sein sollte: Ich habe eine Firma zu leiten. Ich habe also leider keine Zeit, mir deine sicherlich bemühten Versuche mir hochintelligente Beleidigungen entgegen zu bringen anzuhören.“ Noch bevor ich explodieren konnte, war er in seiner Limousine verschwunden und fuhr auch schon davon. „Du arroganter Geldsack“, schrie ich ihm hinterher, doch ich bezweifelte stark, dass er das noch gehört hatte. Aber es half ungemein, meinen Frust abzubauen. Allerdings war meine Wut, die ich jedes Mal bekam, wenn ich versuchte anständig mit ihm zu reden, immer noch so groß, dass ich meine rechte Hand zu einer Faust ballte und sie volle Wucht gegen die Schulmauer schlug, die wie der Zufall es so wollte, neben mir stand und ich einen kurzen Zornesschrei verlauten ließ. Die Schüler, die alle aus der Schule strömten, warfen mir zwar einen recht seltsamen Blick zu, doch das war mir ziemlich egal. Im nächsten Augenblick bereute ich den Schlag gegen die Mauer allerdings schon wieder, denn nun tat meine Hand höllisch weh. Ich hatte so dolle zugehauen, dass sich die Haut an meinen Knöcheln verabschiedet hatte und nun ein wenig Blut aus der aufgeschabten Haut quoll. „Scheiße“, sagte ich leise und ließ meinen Kopf gegen die Mauer sinken. Warum hasste mich die Welt nur so? Ich schlurfte langsam nach Hause, das Pochen in meiner Hand ignorierend, und stellte mir immer wieder diese Frage. Und ich fragte mich, warum mein Leben denn mit so einem Kotzbrocken wie Kaiba gesegnet worden war. Nur, um mich zu quälen? Das konnte doch nicht irgendwessens Ernst sein! Das war ein viel zu banaler Grung, um wirklich der echte zu sein? Aber wozu war er sonst noch da, wenn nicht, sich über ihn aufzuregen? Im Grunde war ich ziemlich fertig. Nicht nur seit heute, sondern auch schon die Tage davor. Ich bemitleidete micht ständig selbst. Das passte überhaupt nicht zu mir. Wo war nur der Joey Wheeler geblieben, der sich gerne mit Kaiba stritt, dem es egal war, dass die Welt ihm ständig ein Bein stellte. Wo war der nur abgeblieben? Als ich vor meinem kleinen Appartement stehen blieb, schloss ich die Tür auf und ging geknickt in mein Zimmer, nur um meine Tasche in eine Ecke meiner Wahl zu werfen und anschließend in das Badezimmer zu gehen, um mich dort meiner aufgeschürften Hand zu widmen. Ich hielt sie kurz unter fließendes Wasser. Fehler. Es brannte höllisch. Allerdings war das ein Zeichen dafür, dass sie desinfiziert wurde und so ließ ich sie extra noch ein wenig länger unter dem Wasser. Dann kremte ich sie mit einer kühlenden Salbe ein und wickelte einen Verband um sie. Danach ging ich in die Küche, um mir etwas zu essen zu holen und danach wieder in mein Zimmer zu gehen. Es war nicht sehr groß, aber mir reichte es. Gegenüber der Tür stand ein Schreibtisch, an der rechts angrenzenden Wand stand mein Bett, das die gesamte Wand einnahm und über dem sich das einzige Fenster in meinem Zimmer befand. Dafür war es ziemlich groß und ich fand es schön, von meinem Bett aus nach draußen sehen zu können, wenn auch nur die Straße zu sehen war. Rechts neben der Tür war mein Kleiderschrank. An der linken Wand neben der Tür stand noch ein kleines Bücherregal. Ja, so unlogisch sich das auch anhörte, ich besaß ein Bücherregal und sogar Bücher – wenn auch nicht sehr viele. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und schloss die Augen. Den Schmerz in meiner Hand ignorierte ich und so dauerte es nicht lange bis ich eingeschlafen war. Ich schreckte erst wieder aus meinem Schlaf, als ich das laute Türenknallen meiner Haustür hörte. Mein Vater war also wieder da. Ich schlich zur Zimmertür und lugte heraus, in der Hoffnung, einen Blick auf ihn erhaschen zu können, um seinen Zustand feststellen zu können. Und tatsächlich, ich konnte ihn wirklich sehen. Ich verzog mein Gesicht, als ich sah, dass er schwankte. Er hatte also wieder getrunken. Leise schloss ich die Tür wieder und schloss sie ab. Seit neustem trank er. Das hatte er noch vor ungefähr einem halben Jahr nicht getan. Aber da hatte er auch noch einen Job gehabt. Er war zwar schon die ganze Zeit über nicht mehr der alte gewesen, weil er den Verlust meiner Mutter und meiner Schwester nicht verkraftet hatte, die eines Tages einfach ihre Sachen gepackt hatten und verschwunden waren, doch seit er gefeuert worden war, versuchte er sich im Rausch zu ertränken. Insgeheim hoffte ich, dass er es schaffte, denn wenn er betrunken war, war er unausstehlich. Er hatte mich sogar schon geschlagen. Das war jedoch eine einmalige Sache gewesen, zum Glück, sollte ich wohl sagen. In letzter Zeit hatte er das jedoch wieder aufgenommen. Er schlug mich immer öfter, ganz oft einfach so, ohne Grund. Ich sah auf den Wecker, den mir Tristan gekauft hatte. Halb sieben. Was machte ich denn jetzt noch den Rest des Tages? Ich meine, wenn mein alter Herr zu Hause war, dann wollte ich mich nicht unbedingt in unserem Haus herumtreiben. Wer wusste schon, ob er mich noch einmal schlagen würde? Und ganz ehrlich, auf Prügel von ihm konnte ich verzichten. Das tat nicht nur körperlich weh, sondern auch geistig. Immerhin war er mein Vater und ich hatte mich recht gut mit ihm verstanden - jedenfalls, als er noch seinen Job gehabt hatte. Es tat mir unwahrscheinlich weh, wenn er mich schlug. Er war immerhin mein Vater und ich liebte ihn. Es war kein besonders prickelndes Gefühl, von einer Person, die man liebt, geschlagen zu werden. Man wurde durch solch eine Aktion verraten, bis aufs Äußerste verraten, bis hin tief in die Seele hinein. Das Vertrauen, das man einer solchen Person entgegen brachte, wurde missbraucht (das hört sich irgendwie bescheuert an-.-). Man fühlte sich irgendwann nur noch dreckig, denn man gab sich die Schuld an dem seelischen Zustand der geliebten Person. man fragte sich, was man falsch gemacht hatte. Und irgendwann zerfraßen einen diese Zweifel und Gedanken. Jetzt aber genug davon. Ich seufzte. Bevor ich weiter solch selbstzerstörerischen Gedanken nachhing, sollte ich lieber etwas nützliches tun. Etwas, das mich von diesen Gedanken wegbrachte. Und so kam es, dass ich Hausaufgaben machte. Hallo??? Seit wann macht ein Joey Wheeler Hausaufgaben? Es gab wohl für alles ein erstes Mal. Donnerstag und Freitag verliefen eigentlich genauso wie Mittwoch, wenn man mal davon absah, dass mich Kaiba nicht mit Papierkügelchen bewarf. Woher kam auf einmal dieser plötzliche Sinneswandel? Hatte er sich meine Rebellion am Mittwoch nach der Schule zu Herzen genommen? Aber seit wann interessierten Kaiba die Gefühle anderer - wenn man mal von Mokuba absah? Seit wann interessierten ihn meine - ausgerechnet meine - Gefühle? Oder bildete ich mir da jetzt zu viel drauf ein? War er es leid geworden, mich mir Papierkügelchen abzuwerfen? Der Grund, warum er aufgehört hatte, war mir eigentlich recht egal, hauptsache, er ließ mich in Ruhe. Allerdings wurde ich Donnerstagmorgen in der Schule gleich von meinen Freunden gefragt, was ich denn mit meiner Hand gemacht hätte. Ich grinste und meinte, sie habe eine unfreiwillige Bekanntschaft mit der Wand gemacht. Daraufhin mussten sie lachen und fragten nicht weiter nach. Sie konnten sich sicherlich denken, dass ich eine sehr frustrierende Begegnung mit Kaiba hatte und das diese kleine Blessur vom Frustabbau kam. Sie waren also doch nicht so oberflächlich, wie ich sie am Mittwoch noch gehalten hatte, als die liebe Tea vergessen hatte, dass ich mir einen Job suchen wollte. Und deswegen fragten sie vermutlich auch nicht weiter nach, um mich 1. nicht wieder daran zu erinnern und weil sie es sich 2. sicherlich denken konnten. Als am Freitag Schulschluss war – was schon nach der sechsten Stunde der Fall war, Gott sei Danke - ging ich gemächlich nach Hause und war den Rest des Tages nervös. Ich wusste einfach nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich tigerte die ganze Zeit in der Wohnung umher ohne wirklich etwas zu machen. Das war zum Verrücktwerden! Warum zum Henker war ich so nervös? Nur, weil ich in ein paar Stunden vor einer vollen Disko singen sollte? Ließ sich ein Joey Wheeler von so etwas einschüchtern? Nein, natürlich nicht! Das wär ja noch schöner! Ein Joey Wheeler hat vor nichts Angst! Und damit basta. Und wenn das eventuell doch mal der Fall sein sollte - was natürlich nie war - dann ließ er es sich nicht anmerken. Als das Telefon klingelte, machte ich einen Luftsprung vor Schreck. //Naja, soviel dazu, ein Joey Wheeler hat vor nichts Angst...// Ich ging zum Telefon, nahm ab und meldete mich. „Hi, Joey! Ich bins, Yugi.“ „Hey Alter, was verschafft mir die Ehre?“ „Ach, ich dachte mir einfach, dass ich dich mal anrufen sollte. Ich kenn dich doch; vermutlich läufst du durch dein Zimmer und weißt nicht, was du mit dir anfangen sollst. Stimmts oder hab ich Recht?“ Ich grummelte etwas unverständliches, woraufhin Yugi laut lachte. „Yugi, nicht so laut, ich bin nicht taub!“, giftete ich ihn an, immerhin hatte er gerade versucht, mir einen Hörsturz zu verpassen - ob nun unabsichtlich oder absichtlich tat nichts zur Sache. „Sorry, Alter, bin wohl doch ziemlich nervös“, meinte ich entschuldigend. Wieder lachte Yugi - dieses Mal jedoch nicht ganz so laut - und meinte: „Ich hab zwar keine Ahnung, als was du arbeitest, aber so schlimm kanns schon nicht werden.“ „Glaubst du?“ „Klar, du schaffst das schon.“ „Danke, Yugi.“ Nach diesen aufmunternden Worten Yugis redeten wir noch einige Stunden weiter, bis ich ihm dann so gegen sechs sagte, dass ich ihn jetzt leider abwürgen müsste, da ich mich noch fertig machen müsste. Bevor er auflegte, wünschte er mir noch viel Glück, dann überließ er mich wieder meiner selbst. Ich schlüpfte aus meinen Klamotten und stellte mich unter die Dusche. Nachdem ich fertig war, ging ich in die Küche, um ausgiebig zu essen. Schließlich konnte man nichts vernünftig machen, wenn man nichts im Magen hatte. Danach putzte ich mir die Zähne und ging anschließend in mein Zimmer, um mir die richtigen Sachen anzuziehen. Ich entschied mich für eine dunkelblaue Jeans und ein rotes T-shirt. Carlos hatte schließlich nicht gesagt, wie ich mich anziehen sollte. Und dann machte ich mich auf den Weg. Ich brauchte etwa eine halbe Stunde, um bei dem Nachtclub anzukommen. Doch ich ging nicht, wie die Gäste, durch den Vordereingang, sondern durch den Eingang auf der Hinterseite der Bar. Dieser Eingang war nur für das Personal, also für mich. Carlos hatte gesagt, dass ich den nehmen sollte, wenn ich zur Arbeit kommen würde, damit ich auch ja pünktlich auf der Bühne stand und ich mich nicht erst noch mit der langen Schlange herumschlagen musste, die sich vor der Disko gebildet hatte, um in den Club zu kommen. Dafür hatte ich extra einen Schlüssel bekommen. Jetzt fühlte ich mich wichtig. Wie viele Personen hatten immerhin einen Schlüssel für einen Hintereingang? - Vermutlich ziemlich viele, doch das ignorierte ich gekonnt (kann es sein, dass Joey bei mir ziemlich viel ignoriert?). Ich betrat also meine neue Arbeit und traf sofort auf Carlos, der mit dem Rücken zu mir stand und auf irgendeine Angestellte einredete. „Hola, Carlos“, begrüßte ich ihn. Er zuckte zusammen und drehte sich um, nur um festzustellen, dass ich es war und nicht irgendein Geist seiner Wahl. „Hallo, Joey. Warum bist du denn schon so früh hier? Es ist doch erst“- er sah auf seine Uhr-„acht Uhr.“ Ich zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich hatte nichts besseres zu tun und da dachte ich mir, dass ich schon mal hier auftauchen könnte.“ Carlos nickte, wandte sich noch einmal kurz zu der Angestellten um und sagte irgendetwas zu ihr. Sie nickte und verschwand. Dann drehte sich Carlos wieder zu mir und meinte: „Gut, und jetzt lass dich einmal ansehen.“ Er musterte mich und kam ein Stück auf mich zu. „Kann ich so auftreten?“, fragte ich ihn. „Irgendetwas fehtl... Ich weiß aber nicht was. Komm einfach mit in mein Büro, da zeige ich dir kurz, welche Lieder du singen sollst. Vielleicht fällt mir dann ein, was dir noch fehlt.“ Er drehte sich um und ging in Richtung seines Büros. Auf dem Weg dorthin fragte er mich: „Was ist mit deiner Hand?“ Ich sah irritiert auf meine Hand, hatte ich doch die Verletzung schon wieder vergessen (sowas vergisst man doch nicht einfach!). „Ach das, das ist nicht schlimm. Ich hab sie am Mittwoch gegen ne Wand gehauen, um ein wenig Frust abzubauen. Dabei hab ich allerdings vergessen, dass sone Wand hart ist und hab sie mir aufgeschürft.“ „Den Verband würde ich an deiner Stelle abmachen, wenn das geht.“ „Ja, das geht. Müsste eigentlich schon wieder ganz ok sein.“ „Dann ist gut. Ich will nicht, dass meine Gäste denken, meine Angestellten würden sich in ihrer Freizeit prügeln.“ „Sí, Carlos, wird nicht wieder vorkommen.“ „Dann ist ja gut.“ In dem Büro angekommen reichte mir Carlos eine Liste, mit den Liedern, die ich singen sollte. Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein Grinsen in meinem Gesicht bildete. „Was gibts da zu grinsen?“, fragte Carlos irritiert. „Ach nichts, ich mag nur die Lieder, die ich singen soll. Gut zum Tanzen und so. Gute-Laune-Lieder. Das wird lustig werden.“ Carlos grinste jetzt auch. „Wollen ja mal sehen, wie die Gäste das empfinden werden.“ Ich nickte. „Ja, ich bin mal gespannt. So, dann sag mir jetzt mal, was mir noch fehlt.“ Schlagartig wurde er wieder ernst und grübelte weiter. „Es fällt mir sicher noch ein. Kannst du die Lieder alle?“ Ich nickte. „Kannst du sie auch singen?“ „Klar! Das wäre ja noch schöner, wenn ich das nicht könnte! Solche Lieder gehören zu meinen Lieblingsliedern. Das wäre also eine ziemliche Schande für mich, wenn ich die nicht singen könnte.“ Carlos nickte. „Du musst dir die Liste nicht einprägen. Du singst ja schließlich mit Musik, das heißt, spätestens bei dem Intro solltest du wissen, welches Lied das ist.“ Ich nickte. Dann fuhr er fort: „Mir fällt einfach nicht ein, was dir noch fehlt. Warte mal kurz hier, ich bin gleich wieder da“, meinte Carlos. Noch bevor ich nicken konnte, wurde ich allein gelassen. Allein mit meinen Zweifeln an meinem Können. Hier saß ich also. Allein gelassen und darauf wartend, dass das Spektakel endlich anfing. Ich war ziemlich aufgeregt, immerhin sang ich nicht alle Tage vor so einer Masse, die vor dem Club auf Einlass wartete. Außerdem zweifelte ich nicht daran, dass auch schon Leute in dem Club gewesen waren. Langsam bekam ich wirklich Muffensausen. Ich sollte definitiv aufhören, mir über so etwas Gedanken zu machen. Das war nicht gut für mein Ego. Da bekam ich nur Angst von. Der Gedanke, dass ein Joey Wheeler vor nichts Angst hat, war längst vergessen. Zu meinem Glück kam Carlos nun wieder und rettete mich aus meinen einschüchternden Gedanken. Zu meiner Überraschung folgte ihm eine Frau, die noch ziemlich jung zu sein schien. Vielleicht war sie etwa 20. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr in einem Pferdeschwanz über den Rücken bis zu ihrem Po. Sie war schlank, würde mir aber, wenn ich stehen würde, höchstens bis zu meiner Stirn reichen. Ihr Gesicht war hübsch. Das Außergewöhnlischte an ihr waren jedoch ihre blutroten Augen. Ob die echt waren? Oder waren das Kontaktlinsen? Vielleicht sollte ich sie bei Gelegenheit mal fragen. „Darf ich vorstellen?“-Ich stand auf, als ich Carlos’ Stimme hörte-„Das ist Joseph Wheeler, unser Neuzugang. Und das ist Kitian Sato, die Oberkellnerin in meinem Etablissement. Neben ihrer unbeschreiblichen Courage, die so groß ist, dass sie sich sogar mit Männern anlegt, die sie bei weitem überragen, also z.B. zwei-Meter-Männer, besitzt sie auch einen guten Modegeschmack. Sie wird dir sicher gleich sagen, was an dir noch fehlt“, erklärte Carlos. Ich reichte ihr meine Hand, sie griff zu und wir schüttleten sie kurz. „Nenn mich ruhig Joey.“ „Dann nenn du mich Kitian.“ Ich nickte. „So, und nun lass dich mal ansehen.“ Sie trat zwei Schritte zurück, um mich gut mustern zu können. Sie ging einmal um mich herum und ich konnte ihr ansehen, dass sie nachdachte. „Du siehst verdammt gut aus", meinte sie. Aha? Ich war also ihr Typ? Vielleicht würde ich das bei Gelegenheit ausnutzen... "Das ist eine gute Frage, Carlos", fuhr sie dann fort. "Lass mich kurz nachdenken.“ Sie blieb wieder vor mir stehen. „Also erst mal würde ich sagen, dass du deinen Verband abmachst, wenn das geht“, meinte sie. „Oh, stimmt ja, das wollte ich machen.“ Ich löste also meinen Verband und musterte meine Hand eingehend. Sicher, auf ihr war noch getrocknetes Blut, aber das würde nicht sehr auffallen, wenn ich auf der Bühne stand. Es sei denn natürlich, unter dem Publikum waren auch Leute, die auf mindestens einem Meter Abstand im Dämmerlich noch getrocknetes Blut erkennen konnten, woran ich sehr zweifelte, denn immerhin gab es Supermann oder so jemanden nicht - jedenfalls nicht, dass ich wüsste... „Sollte ich fragen?“, fragte sie mich, als sie den Schorf gesehen hatte. Ich zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Meine Hand hat Bekanntschaft mit einer Mauer gemacht, als ich gerade ein wenig Frust abzubauern hatte.“ Sie zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts weiter dazu. „Ich weiß nicht. Vielleicht sollte er ein paar Handschuhe anziehen. Natürlich schwarz, versteht sich. Und auch nur solang, bis sie das Handgelenk erreichen. Und fingerfrei. Hast du sowas hier?“, fragte sie an Carlos gewandt. „Ich glaube schon, wartet kurz hier.“ Damit war er wieder verschwunden. „Meinst du im Ernst, ich soll Handschuhe anziehen?“, fragte ich sie ungläubig. Das konnte ich mir nicht so recht vorstellen. Verständlich, immerhin hatten wir Frühling. Das würde schon sehr seltsam aussehen, wenn ich hier mit Handschuhen durch die Gegend lief. Sie nickte. „Ich glaube, dass das ganz gut aussehen wird.“ „Meinst du?“, fragte ich ungläubig. Sie nickte wieder. „Hast du Lampenfieber?“, fragte sie dann. Ich schreckte hoch und sah sie verwirrt an. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich zurück. Sie zuckte mit den Schultern und meinte: „Würd ich nur logisch finden. Immerhin ist das da draußen ne ziemliche Meute.“ „Mach mir ruhig Mut“, meinte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Oh, entschuldige, das wollte ich nicht. Ich bin mir sicher, dass du das schon schaffen wirst. Jedenfalls, wenn man dem Glauben schenken darf, was Jonny erzählt hat.“ „Was hat er denn erzählt?“, fragte ich neugierig. „Och, nur, dass er die geilste Performance von >It’s all coming back to me now< in seinem Leben gehört hat.“ „Echt?“ Sie nickte. „Ganz besonders von dem männlichen Part war er beeindruckt. Hat ja angeblich ohne Mikro gesungen, und das auch noch mit Instrumentalbegleitung und trotzdem konnte man den noch hören. Der muss echt ne Hammerstimme haben.“ Meine Augen leuchteten. So sehr war mein Lied also bei ihm angekommen? Das Kitian von einem >er< redete, war mir im Moment egal, ich wusste ja schließlich, wer gemeint war. Und Carlos war von meinem Auftritt ja auch ganz hin und weg gewesen. Das konnte doch eigentlich nichts schlechtes heißen, oder? Das musste doch eigentlich heißen, dass ich hammermäßig gut war, oder? „Du schaffst das schon, vor allem mit der Stimme, die du haben sollst.“ Komischerweise beruhigte mich dieser eine Satz ungemein. Schon nach kurzer Zeit kam Carlos wieder. Er hatte etwas schwarzes in der Hand un gab es mir. Ich musterte es und stellte fest, dass es tatsächlich zwei schwarze Handschuhe waren, die aus irgendeinem schönen, weichen, dünnen Stoff waren, also nicht auf meiner rechten Hand scheuern würden. Ich zog sie über und stellte fest, dass sie da, wo die Knöchel waren, silberne Nieten hatten. Das war irgendwie cool. Aber ob mir so etwas stand, wusste ich nicht, geschweige denn, ob ich der Typ für so etwas war. Sicher, Heavy-Metal-Typen trugen so etwas, aber ich, der an diesem Abend den Softy raushängen lassen würde? Ich weiß ja nicht... „Das ist perfekt“, meinte Kitian. „So kann er sich sehen lassen“, stimmte Carlos zu und nickte. Er sah auf die Uhr und meinte: „Noch zehn Minuten. Kitian, du gehst am besten wieder an deine Arbeit. Und du, Joey, kommst mit mir mit.“ Ich nickte und so folgte ich ihm durch den Backstagebereich. Wir traten schließlich durch eine Tür, die auf den Bereich seitlich der Bühne führte und so nicht vom Publikum gesehen werden konnte. Die Vorhänge waren bereits zur Seite gezogen, sodass ich, wenn ich mich ein wenig verrenckte, sehen konnte, wie viele Zuschauer ich haben würde. Ich wünschte mir auf der Stelle, ich hätte nicht nachgesehen, wie viele Zuschauer ich haben würde, denn es waren höllisch viele. Der gesamte Raum war voller Menschen. Sie drängelten sich regelrecht vor der Bühne und es war kein Quadratmeter mehr frei. Wenn ich mich unter den Menschen in dem Saal befunden hätte, hätte ich vermutlich Platzangst bekommen, so voll war es und das, obwohl ich eigentlich nicht darunter litt. Bei dieser Menge blieb einem einfach nichts anderes übrig. Und sofort kam mein Lampenfieber wieder. Wieso musste ich auch so ein neugieriger Mensch sein? Warum konnte ich nicht einfach meine Neugierde besiegen und nicht immer alles tun, was sie von mir verlangte? War das denn zu viel verlangt? Carlos war bereits auf die Bühne gegangen, um seine Gäste zu begrüßen und sie für mich aufzustacheln. Ich musste wohl recht entgeistert ausgesehen haben, denn als Jonny zufällig an mir vorbei kam, blieb er neben mir stehen. „Lampenfieber?“, fragte er. Ich nickte nur, außer Stande, etwas zu sagen. „Du schaffst das schon. Stell dir einfach vor, die ganze Menge da draußen ist nicht da. Oder wenn das nicht geht, stell sie dir alle in Unterhosen vor.“ Ich wandt meinen Blick von der tosenden Menge vor der Bühne ab und starrte stattdessen Jonny ungläubig an. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, als er mich sah. „Das hilft, wirklich. Und wenn du so einen hervorragenden Auftritt wie am Mittwoch hinlegst, dann ist die Sache schon so gut wie gegessen.“ Ich wollte eigentlich noch etwas erwidern, doch in diesem Moment hörte ich, wie mich Carlos aufrief. Ich sammelte schnell alles, was ich noch an Mut, Würde und ähnlichen unnützen Gefühlen in mir hatte und stählte mich für die Meute. Dann machte ich mich auf den Weg in mein Verderben. Kurz bevor ich die Bühne betrat, hörte ich noch wie mir Jonny viel Glück wünschte. Statt mich noch einmal umzudrehen oder ihm etwas zu antworten, hob ich einfach meine rechte Hand und machte das Victoryzeichen, denn ich wusste, wenn ich mich noch einmal zu Jonny umdrehen würde, um etwas zu erwidern, würde ich mich anschließend nicht mehr aufraffen können, um den erforderlichen Mut aufzutreiben, den man brauchte, um vor so einer Menge aufzutreten. Als ich auf die Bühne trat, wurde es still in dem Saal. Noch nicht einmal ein Husten war zu hören. War das etwa unheimlich? Nein! Überhaupt nicht! (Sarkasmus lässt grüßen...) „Das ist Joey. Er wird den Rest des Abends für eure Unterhaltung sorgen“, meinte Carlos. Heute Abend glich die Bar eher einer Disko als einem Nachtclub der gehobenen Gesellschaft. Allerdings hatte ich nichts dagegen. Ich fühlte mich in der Umgebung solcher Spießer nicht sonderlich wohl. Da musste ich mich verstellen und musste aufpassen, dass mir nicht aus Versehen ein >Scheiße< oder >Kacke< über die Lippen kam, ganz anders als bei Jugendlichen in meinem Alter. Da konnte ich mich so geben, wie ich war, ohne dass mir das übel genomnen wurde. Ich trat vor und stellte mich neben Carlos, der mir das Mikro reichte, damit ich mich vorstellen konnte. An diesem Abend wagte ich es nicht, ohne Mikro zu singen. Wer wusste schon, ob ich auch den gesamten Raum mit meiner Stimme erfüllen konnte, wenn er voller Leute war. Wer wusste schon, ob meine Stimme nicht eher einem Piepsen glich, weil ich vor lauter Aufregung nichts anderes herausbrachte? Ich schluckte noch einmal, bevor ich mich an die Menge wandte. „Hey Leute! Ich bin Joey und hoffe, dass ich euch angenehme zwei Stunden verschaffen kann.“ Ich sah in die Runde um eventuelle Regungen in den Gesichtern der Meute erkennen zu können. „Aber bevor ich euch ordentlich Feuer unterm Hintern machen kann, muss Carlos von der Bühne.“ Die Menschen schienen nicht ganz sicher zu sein, was sie von der ganzen Situation halten sollten, aber sie nickten mir zustimmend zu. Dann drehte ich mich zu meinem Chef und meinte: „Also, Carlos, hättest du die Freundlichkeit deinen Hintern von der Bühne zu bewegen? Ich kann sonst nicht arbeiten und deine Gäste unterhalten,“ Er zog zwar eine Augenbraue hoch, verschwand dann aber hinter der Bühne. Und schon begann das erste Lied. Ich brauchte nicht einmal das Ende des ersten Taktes abzuwarten, um zu wissen, um welches Lied es sich handelte. An der richtigen Stelle setzte ich ein und erfüllte den ganzen Saal mit meiner Stimme. Die Besucher sahen mich erst ungläubig an – vermutlich hatten sie mir nicht so eine Stimme zugetraut – doch schon bald begannen die ersten zu der Musik zu tanzen. Manche blieben auch einfach auf ihrem Platz stehen und lauschten meiner Stimme, sangen lautlos mit. Schon nach kurzer Zeit tanzten so gut wie alle. Ich traute meinen Augen nicht. Das alles taten sie nur, weil ich hier oben auf der Bühne mehr schlechte als rechte Musik machte? Alles wegen meiner Stimme? Das war doch nicht möglich! Wer wollte sich denn schon zu meiner Stimme bewegen? Das war doch unmöglich! Trotz meines inneren Konflikts schienen sich die Gäste bestens zu amüsieren, und solange das der Fall war, war ich zufrieden und Carlos sicher auch. Nach kurzer Zeit kam ein Mädchen nahe an die Bühne heran. Wenn es hochkam, war sie 16, älter aber nicht. Sie sah mich schüchtern an, ganz so, als würde sie mich etwas fragen wollen, doch anscheinend traute sie sich nicht. Schon nach kurzer Zeit hatte ich mich an das Singen vor so einer gewaltigen Menschenmenge gewöhnt und genoss es nun regelrecht, mich hier oben zu präsentieren. Deswegen konnte ich es mir auch nicht verkneifen und lächelte und sang sie an. Das Mädchen wurde rot, ganz so, als wäre ihr das mehr als nur peinlich. Das war schon irgendwie niedlich. Vor allem, da ihr der Rotton gut stand und gut mit ihren braunen Haaren harmonierte. Als sie kurz aufsah, konnte ich außerdem erkennen, dass sie braune Augen hatte. Zwar nicht ganz mein Typ, aber trotzdem niedlich. Sofort, als sie bemerkte, dass sie mir in die Augen sah, richtete sie ihren Blick wieder zu Boden. Als das Lied zu Ende war, kniete ich mich zu ihr herunter und fragte sie, ohne ins Mikro zu sprechen: „Was ist denn?“ Ihre Errötung nahm noch ein wenig zu und sie sah wieder auf. „Ich wollte dich fragen, ob du für mich >If you believe< von Sasha singen könntest?“ Ich zog eine Augenbraue hoch, denn immerhin war das ein ziemlich langsames Lied und man konnte eigentlich nicht sehr gut dazu tanzen, außer eng umschlungen wie Liebende es taten. Wollte sie etwa mit ihrem Geliebten dazu tanzen? Oder hatte sie keinen und sie hoffte, dass sie sich bei diesem Lied einen angeln konnte? Sofort schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht. Sie lief noch röter an. Langsam konnte sie echt einer Tomate Konkurrenz machen. Sie senkte den Blick wieder. Anschenend hatte ich genau den Grund für ihre Anfrage erraten. Mein Grinsen wurde breiter. „Mal sehen, ich frage mal.“ Damit stand ich wieder auf und fragte ins Mikro: „Jonny, hast du >If you believe< von Sasha?“ Dabei sah ich in den Backstagebereich, den man von unten – vor der Bühne – nicht sehen konnte. Jonny stand nämlich gut versteckt hinter der Bühne und kümmerte sich um die Musik. Die Menge auf der Tanzfläche fing an zu tuscheln und schien sich ebenfalls Gedanken zu dem Mädchen zu machen, denn anscheinend war es für sie klar, dass sie danach gefragt hatte. Jonny sah auf und nickte in meine Richtung. „Muss es aber erst noch suchen“, formte er mit den Lippen. Mein Grinsen wurde noch breiter, wenn das überhaupt noch ging. Ich nickte. Damit konnte ich leben, und sie sicher auch. Bevor ich also >If you believe< singen konnte, musste ich erst noch ein anderes Lied singen, denn der Song stand nicht auf der Liste der Lieder, die ich heute Abend performen sollte. Als ich jedoch mit dem Lied fertig war, lief auch gleich das nächste und ich musste wieder grinsen, denn es war tatsächlich >If you believe<. Die Zeit, bevor ich einsetzen musste, suchte ich mit meinen Augen in der Menge nach dem Mädchen, das mich danach gefragt hatte. Immerhin wollte ich den Grund erfahren, warum ich das Lied singen sollte. Viele der Besucher gingen von der Tanzfläche herunter oder setzten sich auf eine der Sitzgruppen am Rand, denn anscheinend wollten sie nicht danach tanzen oder wollten es einfach nur genießen. Ich entdeckte das Mädchen, als ich anfangen musste zu singen. Sie stand vor einem Jungen, der auf einem der Sessel saß und sprach ihn stotternd an, denn dass sie stotterte, konnte man ihr deutlich ansehen. I know it`s not a game to play your eyes they show no fear I burn inside and cannot wait to be the man that feels your body close is here to set you free to hold you near and satisfy your needs Vermutlich fragte sie ihn gerade, ob er mit ihr tanzen wolle. Ganz nah an ihrem Körper. Und genau das war der Grund, warum ich dieses Lied singen sollte. Anscheinend ließ er sich nicht zweimal fragen – jedenfalls nicht von diesem Mädchen – denn er stand sofort auf und folgte ihr auf die Tanzfläche. You shiver as I touch your neck and slowly close your eyes I can`t resist you even if I try we both surrender to the touch as we lay there side by side and everything around us disappears Vorsichtig legte der Junge seine Arme um sie und sie fingen an sich langsam zu bewegen. Sie legte ihre Hände in seinen Nacken. If you believe in love tonight, I`m gonna show you one more time If you believe then let it out , no need to worry there`s no doubt If you believe, if you believe, if you believe, then let it out Ein Grinsen bildete sich auf meinen Lippen, als ich sah, dass sich das Mädchen immer dichter an den Jungen presste. Der schien nichts dagegen zu haben, festigte eher seinen Griff um sie noch. As you run your fingers through my hair your lips come close to mine the tension becomes more that I can bear then you wrap your arms around me and I feel your every move this feeling could now lead us anywhere now we leave the world behind us this moment we both share, just you and me, that how is meant to be I never wanted you so much I feel your every breath- as you gently whisper in my ear Das Mädchen beugte sich zu dem Jungen hoch und flüsterte ihm auch etwas ins Ohr, genau wie in dem Lied. Was, das konnte ich mir nur denken. Aber sicher etwas ähnliches wie in dem Lied. lf you believe in love tonight I’m gonna show you one more time lf you believe then let it out No need to worry there’s no doubt lf you believe, if you believe If you believe then let it out lf you believe in love tonight lf you believe in love tonight Im gonna show you one more time Show you one more time lf you believe then let it out No need to worry there’s no doubt lf you believe, if you believe Don’t worry you gotta let it out babe you gotta let it out babe Dann ließ ich das Lied ausklingen und sah weiter auf das Paar, das schon das gesamte Lied lang meine Aufmerksamkeit hatte. Und dann tat sich doch tatsächlich etwas bei den beiden. Der Junge beugte sich zu dem Mädchen hinunter und küsste sie. Das Mädchen riss erst überrascht ihre Augen auf, schloss sie dann jedoch und genoss den Kuss. Ich musste lächeln. Hatte ihre Taktik also funktioniert. Als die beiden sich wieder losließen und sich verliebt in die Augen sahen, fingen die Leute um sie herum an zu klatschen. Anscheinend hatten auch sie mitbekommen, was da ablief. Das Mädchen wurde wieder rot. Mein Lächeln wechselte zu einem Grinsen. Das Mädchen war wirklich niedlich. Der Junge hatte eine gute Wahl getroffen. Mein Grinsen wurde noch breiter, als ich feststellte, dass ich einer der Hauptbeteiligten war, die bei dieser Geschichte helfend unter die Arme gegriffen hatten. Fast musste ich lachen, konnte es mir jedoch noch verkneifen. Ich war hier in diesem Club also nicht nur Sänger, sondern auch Kuppler. Bei dieser Vorstellung musste ich wieder grinsen. Das war schon eine komische Vorstellung. Der große Joey Wheeler, der sich eigentlich eher prügelte als so einen Mädchenkram zu machen, fing an zu kuppeln, um anderen in ihrem Liebesglück zu helfen. Ich musste auf den Kopf gefallen sein, denn früher hätte ich das 100-prozentig nicht getan. Ich war erst so geworden, als ich Yugi und den Rest kennen gelernt hatte. Sie verweichlichten mich. Aber was solls? Ich konnte damit recht gut leben, machte immerhin Spaß. Der weitere Abend verlief eigentlich recht ereignislos. Ab und zu kamen allerdings ein paar Menschen zu mir, um ihre Musikwünsche zu äußern. Anscheinend waren sie durch das schüchterne Mädchen ermutigt worden. Allerdings kam kein weiteres langsames Lied vor. So, wie es aussah, brauchte kein weiterer die professionelle Hilfe des Beziehungspsychologen Joey Wheelers. Erst, als ich mein letztes Lied für diesen Abend singen sollte, geschah wieder etwas nicht vorhergesehenes. Kitian hatte sich zu der Bühne durchgeschlagen und stand nun vor mir. Ich kniete mich zu ihr herunter und fragte sie: „Na, brauchst du professionelle Hilfe von mir, um dir einen Typen zu krallen?“ Ich grinste sie an. Sie grinste zurück und schüttlete den Kopf. „Nein, so schüchtern wie das Ding von vorhin bin ich nicht. Aber hast du hervorragend gemacht. Immerhin sollst du die Menschen unterhalten und sie zum Wohlfühlen bringen. Da gehört kuppeln auch zu.“ „Gut, wenn du also nicht meine Hilfe brauchst, was willst du dann von mir?“, fragte ich neugierig. Hatte ich nicht vorhin gelernt, dass es ganz schlecht für mich war, wenn ich meiner Neugierde nachgab? Hatte ich nicht gelernt, dass ich das auch gar keinen Fall machen durfte? Und was machte ich hier? Ich gab ihr schon wieder nach! Das würde sicher noch mal irgendwann mein Verderben sein! Nun grinste sie schelmisch. „Wie wärs, wenn du ohne Mikro singst? Und ohne Begleitung? Du hast mich bis jetzt echt überzeugt. Alles, was Jonny über dich gesagt hat, war wahr. Jetzt musst du mir nur noch zeigen, dass du es auch ohne Mikro und alles kannst.“ Ich schüttlete energisch den Kopf und meinte: „Ich glaube nicht, dass ich das kann. Immerhin war bei meinem Vorsingen der Saal so gut wie leer. Jetzt ist er so gut wie voll. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Außerdem glaube ich nicht, dass das die Gäste gut finden würden.“ In ihren Augen glitzerte es seltsam und kombiniert mit dem Grinsen war mir das irgendwie unheimlich. „Frag sie doch. Wenn sie ablehnen, dann singst du dein letztes Lied mit Musik, wenn nicht, dann singst du es ohne.“ Ich sah sie skeptisch an, erhob mich dann aber und sah das Publikum an, das schon langsam anfing zu tuscheln. Es fragt sich sicherlich, was ich da mit dieser Frau zu besprechen hatte. Dann fragte ich es in das Mikrofon sprechend: „Ich singe jetzt mein letztes Lied für heute Abend. Deswegen hat mich meine liebe Arbeitskollegin Kitian hier“-ich deutete auf sie-„gefragt, ob ich das nächste Lied ohne Mikro und Musik singen würde. Da ich aber nicht weiß, ob ihr das wollt, wollte ich euch vorher fragen.“ Das Tuscheln wurde lauter. Anscheinend hatten sie nicht mit so etwas gerechnet. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie sie überlegten, wie schwer es sein musste, den gesamten Raum mit seiner Stimme auszufüllen. Ich hoffte, dass sie Kitian widersprechen würden, denn ich wusste nicht, ob ich das wirklich schaffen würde. Es war immerhin ein gewaltiger Unterschied, einen leeren Raum mit seiner Stimme zu erfüllen als einen vollen. Ich seufzte. Womit hatte ich so etwas nur verdient? „Also, soll ich ohne Mikro und Hintergrundmusik singen?“, fragte ich. //Bitte, lass sie nein sagen. Bitte, lass sie nein sagen!!!// Das Publikum brach in Gegröle aus. Schock! Mir bleib fast das Herz stehen! War das jetzt eine Zustimmung? Hatten die überhaupt eine Ahnung, wie anstrengend so etwas war? Das ging auf die Stimme! Und außerdem brauchte ich meine Stimme morgen auch noch! Und dann hörte ich eine Art Sprechgesang: „Ohne Mikro! Ohne Mikro!“ Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Kitian grinste mich von vor der Bühne an. Wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte ich jetzt nicht ohne singen müssen! Das würde Rache geben, aber sowas von! Ich wusste zwar noch nicht, wie ich das anstellen sollte, aber die würde mir nicht ungeschoren davon kommen, so viel war sicher! Ich steckte das Mikro also in seine Halterung und wartete darauf, dass es sich wieder beruhigte. Während ich wartete, sah ich wieder zu Jonny hinüber. Der sah zurück und grinste. Dann zeigte er mir einen Daumen nach oben und formte mit den Lippen: „Du schaffst das schon!“ Das sagte sich so einfach. Aber das war es nicht. Hatte der schon mal versucht, einen ganzen Raum mit seiner Stimme zu erfüllen? Sicher, wenn man schrie war das einfach, aber wenn sich das noch nach einigermaßen gutem Gesang anhören sollte, dann war das gar nicht so einfach! Die hatten ja alle keine Ahnung! Ich sah ihn noch einmal an und er formte mit den Lippen den Titel des Liedes, das ich singen sollte. Ich seufzte und sah meinem Untergang entgegen, denn die Besucher hatten sich mittlerweile beruhigt und warteten gespannt darauf, dass ich anfing. //Komm, Joey, je eher du das hinter dich bringst, desto eher hast du es hinter dir.// Mit diesem Gedanken holte ich ein letztes Mal tief Luft und fing an. Die Zuschauer schienen geplättet zu sein, denn ganz vielen stand der Mund offen. Innerlich musste ich grinsen. Jetzt mussten sie aufpassen, dass ihnen nicht eine Fliege in den Mund flog. Anscheinend hatten sie nicht mit so einer Stimme meinerseits gerechnet. Ich schaffte es doch tatsächlich, sogar den weitentferntesten Winkel des Saales zu erfüllen. Schon bald holten einige der Gäste Feuerzeuge heraus und begannen sie im Takt meines Liedes mitzuschwenken. Ging es denen noch ganz gut? Was würden sie machen, wenn der Club anfangen würde zu brennen? Carlos wäre sicherlich nicht sehr begeistert, wenn er das sehen würde. Die taten ja geradezu so, als wenn ich ein berühmter Popstar wäre! Und das war ich definitiv nicht! Ich verdiente mir hiermit nur ein wenig Taschengeld, mehr nicht. Als ich das Lied beendete, war es zuerst ganz still in dem Raum, doch schon nach kurzer Zeit brach das Publikum in haltloses Klatschn und Beifallrufen aus. Einige fingen sogar an „Zugabe“ zu schreien, was von den anderen aufgenommen wurde, sodass der ganze Club erbebte. Das war sicherlich noch in dem Gebäude negenan zu hören... Ich ging zurück zu meinem Mikro und sprach hinein: „Das wird aber jetzt nicht jeden Abend so“-ich grinste-„das geht nämlich unwahrscheinlich auf die Stimme.“ Die Beifallrufe wurden jedoch nicht weniger, sodass sich Jonny ihnen erbarmte und ein neues Lied auflegte, dass ich auch gleich sang. Eigentlich hätte ich ja einen Song ohne Musik und Mikro singen müssen, aber da ich meine Stimme morgen Abend auch wieder brauchen würde, wollte ich ihr lieber nicht mehr zutrauen, als unbedingt nötig war. Als ich auch dieses Lied beendet hatte, wollten die Gäste zwar, dass ich noch eine Zugabe sang, doch ich lehnte ab. „Morgen Abend bin ich auch wieder da. Wenn ihr Lust habt, kommt doch wieder vorbei. Und wenn ihr schon dabei seid, dann bringt doch auch gleich ein paar Freunde mit“-mir war schon klar, dass es eigentlich keinen Platz für weitere Zuschauer gab, aber Werbung machen durfte ich ja wohl-„sagt ihnen, dass hier ein ganz toller, unwahrscheinlich gutaussehender, junger Mann singt. Wir sehen uns hoffentlich morgen.“ Ich schenkte meinem Publikum noch ein letztes freches Grinsen, bevor ich im Backstagebereich verschwand. „Deine Stimme ist einfach nur geil! Kommst du auch mal zu meinen Privatpartys, um da ordentlich Stimmung zu machen?“, wurde ich von Kitian begrüßt. Ich zuckte mit den Schultern und meinte: „Weiß nicht. Muss ich mir mal überlegen. Kommt drauf an wann.“ Wieder grinste ich. Kitian wollte etwas sagen, doch Carlos kam angerauscht. Der schien nicht sehr begeistert zu sein, denn er starrte mich ohne auch nur eine Gefühlsregung zu zeigen an. „W...Was? Ha... Hab ich was falsch gemacht?“, fragte ich verunsichert. Hallo? Wann war ein Joey Wheeler verunsichert? Das war er noch nicht mal in Kaibas Umgebung, bzw. wenn er es war, dann ließ er es sich nicht anmerken. „Du warst...“, fing er an. Ja? Ja?? Was war ich denn? Grottenschlecht? Er konnte es mir ruhig sagen. Ich würde es schon verkraften. „...ganz gut.“ Ich starrte ihn ungläubig an. Ganz gut? Mehr nicht? „Wir werden sehen, wie viel morgen los ist.“ Ich starrte ihn weiterhin ungläubig an. Hallo? Das Publikum wollte ne Zugabe von mir haben! Sogar eigentlich noch eine zweite! Und was sagte der? Der sagte, ich wäre „ganz gut“. Das war ja fast so schlimm wie wenn man versuchte vor Kaiba zu prahlen. Der wertete das, was man gut konnte, auch erst mal ne Runde ab. Er konnte es einfach nicht anerkennen, dass auch andere in etwas gut waren. Hosted by Animexx e.V. 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