Guardian angel von Jei (Schuldig x Ken [mit wildest_angel]) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Wieder war es stockdunkel in seinem Zimmer, als Ken die Augen aufschlug. Sein Zimmer? Nein… ein kaltes, ungemütliches Krankenhauszimmer, in dem er nun schon einige Wochen verbracht hatte. Oder waren es inzwischen sogar Monate? Er wusste es nicht. Noch immer war er mehr als verwirrt. Omi hatte ihm erzählt, dass er von einem Auto angefahren worden war. Die Erinnerung war weg. Er wusste es nicht mehr. Doch dafür war inzwischen so manches anderes wieder gekommen. Er war mit Schuldig zusammen gewesen, er erinnerte sich noch wie dieser ihm die Wohnung gezeigt hatte. Doch selbst der Gedanke daran konnte sein Lächeln nicht zurückbringen. Die Wohnung.. Sie war das letzte, woran er sich noch erinnern konnte. Wie viel Stufen waren es gewesen? Er wusste es nicht mehr. Aber es waren zu viele. In Zukunft würde für ihn jede Stufe zu viel sein. Wieder wurde alles kalt und er spannte sich an, zwang sich, nicht auf die Beine zu schauen, die regungslos unter der Bettdecke lagen, sondern starrte aus dem Fenster. Seine Finger fanden einen Ring an seiner linken Hand. Omi hatte ihm den gegeben, weil man ihm den bei seinem Unfall abgenommen hatte. Sein Blick glitt auf das schöne Metal. Auch die Erinnerung an den Ring war fort. Hatte er ihn gefunden? Gekauft? Geschenkt bekommen? Vielleicht von Schuldig? Zum Geburtstag… Dass das alles ausgerechnet an seinem Geburtstag hatte passieren müssen. Kein Weihnachten, kein Sylvester… Wieder einmal stand Schuldig vor der breiten Tür, die in Kens Krankenzimmer führte. Er war in den letzten Wochen oft hier gewesen, eigentlich jeden Tag, sogar mehrmals. Anfangs hatte Ken geschlafen, und der Telepath wusste nicht, ob der Andere die zärtlichen Berührungen überhaupt mitbekommen hatte. Später war immer jemand anderer bei Ken gewesen, meistens Omi, oft auch Yohji, seltener Aya. Sogar Birman hatte der Schwarz ein paar Mal gesehen.... Nur nachts konnte er also zu seinem Liebsten, wenn der, durch Schmerz- und Schlafmittel ins Land der Träume geschickt, wieder nichts mitbekam. Aber heute schien Schuldigs Glückstag zu sein. Er konnte keine Präsenz außer Kens feststellen. Tief durchatmend betrat er das Zimmer. Es war schon später Abend und so hatte Ken niemanden mehr erwartet abgesehen von einem Arzt oder der gleichen. So staunte er nicht schlecht, als er Schuldig erkannte. Auch wenn seine Gesichtszüge sich nicht rührten, so blitzten seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde vor Freunde auf. „Schuldig…“ Seine Stimme war leise und brüchig. Das Herz des Japaners schlug sonst wo und ihm wurde schwindelig. Doch nichts dergleichen war ihm anzusehen. Ob das nun am dunklen Zimmer lag oder daran, dass selbst Ken manchmal das Gefühl hatte, das jegliche Emotion aus ihm gewichen war, war nicht sicher. Ruhig trat der Schwarz auf das Bett seines Liebsten zu, lächelte ihn liebevoll an und strich ihm sanft über die Haare. "Wie geht's dir, Schatz?", wollte er leise wissen. Er wagte nicht, lauter zu reden, weil er seiner Stimme nicht ganz traute, die bestimmt nicht so fest und sicher klingen würde, wie er es sich wünschte. Leicht zuckte Ken zusammen als der Mann ihn berührte. Doch er zwang sich, nicht zurückzuweichen. „Geht schon… Ich kann nicht schlafen…“, murmelte er leise und wandte den Blick ab. Wie sollte er Schuldig jetzt noch ansehen können? Nach dem was passiert war. Und doch: „Wo warst du die ganze Zeit? Ich lieg seit… Wochen in diesem Krankenhaus und du… warst nicht einmal da…“ Ken wusste nichts von den Besuchen des anderen, wusste nicht, dass Schuldig jeden Tag da gewesen war und nach ihm gesehen hatte. Den Tränen nahe kniff Schuldig die Augen zusammen und atmete tief durch. "Du hast immer geschlafen, wenn ich hier war", antwortete er kaum hörbar und fragte sich, warum das wie eine gottverdammte Lüge klang. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante, in der Haltung, in der er die ganze Zeit hier verbracht hatte. Geschlafen. Ken hatte nicht das Gefühl, dass er sonderlich viel geschlafen hatte in der Zeit, die er hier war. Dazu war er dauernd viel zu müde und lag viel zu oft wach. Noch immer sah er Schuldig nicht an. Wusste der Telepath was los war? Wusste er von dem Unfall und dessen Auswirkungen? Ken flehte innerlich, dass Schuldig nichts davon wusste. Nervös und unsicher verflocht er die Finger ineinander und drehte an dem Ring an der linken Hand. Er wusste nicht was er sagen sollte und so schwieg er. Lächelnd hielt Schuldig die nervösen Hände seines Freundes auf, verschränkte seine Finger mit denen Kens, so dass ihre beiden Ringe direkt nebeneinander lagen. "Wie lange musst du noch hier bleiben? Dein Weihnachtsgeschenk wartet noch zu Hause auf dich... Zusammen mit mir." Kens Blick war auf die Ringe geheftet. Das war doch nicht zu glauben. Was hatte das alles zu bedeuten? Doch die Worte des anderen rissen ihn aus seinen Gedanken und seine Hand entfloh den Fingern des anderen. Er zog die Decke höher und schaute Schuldig dann endlich wieder an. „Zu Haus?“, leicht schüttelte Ken den Kopf, „in ein paar Tagen werde ich wieder in meinem Zimmer im Koneko wohnen, Schuldig…“ "Schon klar", erwiderte der Telepath zärtlich, "Aber du hast doch noch den Schlüssel, den ich dir gegeben habe, oder? Unsere Wohnung, Schatz." Kurz stockte er, sah erschrocken in die braunen Augen. "Du erinnerst dich doch, oder?" Nein, das durfte nicht sein, dass Ken das vergessen hatte. Das wollte Schuldig nicht wahrhaben, das durfte doch gar nicht sein. "Schatz, bitte!" Eine ganze Weile schwieg Ken und sah in die grünen Augen des anderen. Schlüssel? Sein Denken raste. Schlüssel! Er war mit seinen Sachen sicher nach Hause gebracht worden. Omi hatte ihm auch davon erzählt und ihn gefragt, was das für ein Schlüssel war. Ken hatte ihm das nicht beantworten können. Jetzt wusste er, dass es der Schlüssel zu jener Wohnung sein musste, die seine letzte Erinnerung war. „Doch… ich erinnere mich… an die Wohnung…“, kam es dann leise von ihm. Erleichtert schnaufte der Orangehaarige auf. Also war doch alles nicht so schlimm, wie er soeben befürchtet hatte. "Na also!", lächelte er leicht. "Dann weißt du ja, was ich mit 'zu Hause' meine. Ich freu mich schon so, wenn ich dich endlich wieder bei mir haben kann!" Ken schwieg wieder. Leicht biss er sich auf die Unterlippe, wie immer, wenn er unsicher oder verlegen war, und senkte den Blick. „Nein, Schuldig… Ich… Ich kann das nicht. Ich kann da nicht mit dir wohnen“, sagte er dann und sah den Telepathen fest an. Es musste sein. Das war ihm klar. Er wollte nicht, dass der Telepath je erfuhr, dass der Mann, den er liebte, von nun an ein Krüppel war, gebunden an einen Rollstuhl bis in den Tod. Das sollte Schuldig nie erfahren. Und wenn er es schon wusste… ja, dann würde Ken ihm eh nie wieder in die Augen blicken können… NEIN! Das konnte nicht Kens Ernst sein! "Schatz, warum? Du kannst mich doch nicht einfach so allein lassen! Ich... ich warte doch schon so lange auf dich!" Kaltes Entsetzen stieg in dem Orangehaarigen auf, griff mit unbarmherzigen Klauen nach seinem Herzen. Ken war doch so glücklich gewesen, als er ihm endlich ihr Heim gezeigt hatte... Alles schien wieder gut zu werden. Warum jetzt, nach all den Mühen, die er sich gemacht hatte, um seinen heimlichen Schwarm überhaupt zu bekommen? Wieso tat Ken ihm das an? Es zerriss Ken innerlich, den Telepathen so zu sehen, die Verzweiflung aus seiner Stimme zu hören und in seinen Augen erkennen zu können. „Schuldig… Geh… Bitte! Es war ein scheiß Fehler mit dir in diese Wohnung zu gehen… Bitte geh…“ Ken wusste, dass der Telepath sicher nicht mehr hier sein durfte, es war schon viel zu spät für Besucher. Und so glitt seiner Hand zu dem Knopf, der gleich eine Schwester auf den Plan rufen würde. „Geh, Schuldig… Ich will dich… nie wieder sehen, hörst du??“ Schuldig sah den Ernst in Kens Augen. Verzweiflung vereiste sein Inneres, ließ ihn aufstehen und kühl auf den Kleineren herabsehen. "Wenn es das ist, was du willst..." Wofür hatte er monatelang sein Leben riskiert, um seinen Liebsten zu schützen? Warum hatte ihm Ken das Paradies gezeigt, wenn er ihn jetzt erbarmungslos daraus verstieß? Doch jedes Wort, jeder Versuch, den Anderen umzustimmen, schien ihm jetzt sinnlos. Ohne ein Wort des Abschieds warf der Telepath die Tür ins Schloss. Von außen. Kaum dass Schuldig verschwunden war, überfiel Ken ein Zitteranfall wie noch nie. Tränen rannen ihm über die Wangen und apathisch saß er da. Der einzige Mensch, der ihn wirklich berühren durfte… Der einzige Mensch, den er all die Wochen hatte sehen wollen… Der einzige Mensch, der ihm noch wirklich was bedeutete… Weg. Er hatte ihn weggeschickt. Und Schuldig würde nicht zurückkommen. Das wusste Ken jetzt schon. Er würde nicht zurückkehren, sondern ihm diesen irren Wunsch erfüllen… Jetzt war Ken wirklich alleine. Die ganze Zeit hatte er sich einsam gefühlt, doch das war nichts im Gegensatz zu den Gefühlen, die jetzt in ihm aufwallten. Weg… Alles weg... Heiße Wut war das einzige, was Schuldig empfand, als er das Krankenhaus verließ. Wenn er das vorher gewusst hätte, hätte er ja ohne weiteres damals wirklich mit Yohji... Aber das konnte er ja jetzt nachholen. Das, und noch so einiges anderes, das er während der Zeit mit Ken abgelegt hatte. Seine Barbesuche, zum Beispiel. Ohne zu wissen, was er tat, steuerte er tatsächlich die nächste Kneipe an. ~+~tbc~+~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)