Verloren von Tio (Drei Stories unter einem Titel) ================================================================================ Kapitel 1: Part I ----------------- Einsam und verlassen lief er durch die Straßen. Der beißend kalte Wind schnitt ihm in die Haut unter dem dünnen schwarzen Stoff seines halb zerrissenen Shirts. Wieder schlang er die nackten Arme eng um seinen Körper, versuchte sich so zu wärmen, oder wenigstens nicht mehr ganz so arg zu frieren. Längst hatte er die Orientierung verloren, hatte die Straßen hinter sich gebracht, die ihm sonst so vertraut waren. Heut hatten selbst sie keine Bedeutung für ihn. Alles hatte seine übliche Ausstrahlung verloren, war kalt und ausladend geworden. Seit sehr langer Zeit hatte ihn das Gefühl des Verlorenseins wieder eingeholt und ihm auf brutalste Weise gezeigt, dass er niemanden mehr hatte, dem er sich anvertrauen könnte. Diesmal hatte er nicht einmal mehr einen Platz an den er zurückkehren könnte. Wieder bog er um eine Ecke, betrat eine weitere graue Straße, die ihm sofort entgegenrief er solle verschwinden. Seine Schritte wurden schwer, ob des erneut aufkommenden Windes und seinen langsam schmerzenden Füßen. Eine einsame Träne schlich sich seine Wange hinab. Mit einem Kopfschütteln redete er sich ein, der Wind brenne zu sehr in seinen Augen, dabei hatte er längst bemerkt, wie die Einsamkeit von innen an ihm zerrte und nach und nach in seine Augen kroch, um dort seinen Blick zu trüben. Fast hätte er eine kleine alte Dame angerempelt, als er versuchte die restlichen Tränen aus dem Auge zu wischen, bevor sie für irgendjemanden sichtbar wurden. Noch während er mit seiner eigenen verhassten Schwäche kämpfte, bog er erneut ab. Als er wieder aufsah, musste er mit Erschrecken feststellen, dass er bereits wieder an einer seiner alten Lieblingsstellen angekommen war. Verärgert zog er die Anse kraus, kam doch mit diesem Platz eine mehr als unangenehme Erinnerung auf. All den Spaß, den er hier immer gehabt hatte, war nun nur allzu leicht zu überschatten. Ein leises Seufzen kam über seine Lippen, als er sich dort nieder ließ, wo er schon so einige Stunden, ja möglicherweise Tage, verbracht hatte. Wieder zog der Wind scharf über den kleinen Platz und es brauchte nur wenige Minuten, bis er endgültig zitterte wie Espenlaub. Doch auch das störte ihn nun nicht mehr. Längst war er dabei seinen ziellosen Spaziergang fortzusetzen. Seine Augen lagen trüb auf der grauen Szenerie, die ihm die Stadt bot, während seine Gedanken ihn in entfernteste Ecken führten. Bald verlor er jegliches Gefühl für Zeit und auch wenn sein Gesicht von einem matten Lächeln geziert wurde, so hatte er doch auch jegliches Körpergefühl verloren. Eine Plötzliche Wärme brachte ihn zurück zu diesem grauen Platz. Eine mit Körperwärme angefüllte Stoffjacke hatte sich über seine hängenden Schultern gelegt. Langsam hob er den Kopf, sah auf, um zu erfahren, von wem eben jene Wärme stammte. „Du siehst so traurig aus…“, drang es in einem Hauchen an sein Ohr, noch bevor er den Kopf hatte ganze heben können. Und bevor er antworten konnte, was er im übrigen nicht vorhatte, spürte er, wie sich zwei lange starke Arme um ihn legten und ihm genau das gaben, wonach er seit Tagen suchte. Den Ort an dem er jetzt sein wollte und an dem er sich geborgen fühlte. Kapitel 2: Part II ------------------ „Ehrlich gesagt bin ich ganz froh mal meine Ruhe zu haben…“, sagte sie mit klarer sicherer Stimme, bevor sie nach einer letzten Verabschiedung den Hörer zurück auf die Gabel ihres alten Telefons legte. Noch immer zierte das sanfte Lächeln ihre Lippen, das sich kurz nach Beginn des Telefonats dort bemerkbar gemacht hatte. Gelogen hatte sie nicht. Ruhe war es wirklich wonach sie sich sehnte. Doch das setzte nicht voraus, dass sie auch allein sein wollte. Die meisten Menschen konnten ihr nur im Moment ohnehin nicht das Gefühl der Einsamkeit nehmen und so saß sie heut ein weiteres Mal ganz allein auf ihrem großen Sofa in ihrem hellen Wohnzimmer. Die letzten orangen Strahlen der untergehenden Sonne fielen noch durch ihr Fenster an die Wände. Gleich würde sie allein und in völliger Dunkelheit da sitzen. Dann würde auch endlich dieses Zimmer so wirken, wie sie sich längst fühlte. Verloren saß sie da, die langen dünnen Finger in ein Kissen gedrückt und stumm auf ihrer Unterlippe kauend. Zwanghaft versuchte sie das Brennen aus ihren Augen zu verbannen, das sich dort nach einigen hilflosen Gedanken bemerkbar gemacht hatte. Sie wollte jetzt nicht weinen, schoss es ihr durch den Kopf bis ein anderer Gedanke alle vorher da gewesenen überdeckte. „Du bist allein!“, klang eine kalte Stimme aus ihrem Hinterkopf. Und noch während diese Worte in ihrem Kopf wiederhallten, lösten sich die ersten Tränen von ihren Augen und liefen heiß und langsam ihre Wangen hinab. Sie schlang die Arme fester um das Kissen und ließ sich zur Seite fallen. Schweigend lag sie so da und gab dem Drang ihrer brennenden Augen immer Widerstandsloser nach, bis sie schließlich hemmungslos in ihr Kissen weinte. Ein Anruf und jemand wäre bei ihr gewesen. Doch niemand hätte sie so trösten könne, wie sie es sich wünschte. Alle hätten mit ihr reden wollen, oder sie zum reden bringen wollen. Dabei wäre es so viel einfacher gewesen sie zu trösten. Warum taten sich nur alle so schwer sie mal in den Arm zu nehmen? War es so unverständlich, dass jemand wie sie auch einfach mal nur umarmt werden wollte? All das fragte sie sich, während sie weiter ihren Tränen nachgebend langsam einschlief. Kapitel 3: Part III ------------------- Sie war mit ihrer Mama unterwegs gewesen um in dem Rummel der großen Stadt Papas Geburtstagsgeschenke zu kaufen. Stets hatte sie festen Druck an ihrer Hand gespürt, mit dem ihre Mama sie festhielt. „Mama du tust mir weh!“, hatte sie in ihrer kindlichen Art dann oft gesagt, obwohl sie doch wusste, dass ihre Mama Angst hatte, sie zu verlieren. Hilflos sah sie sich nun um, suchte den vollen Platz immer wieder mit ihren großen Augen ab und hoffte darauf, ein ihr vertrautes Gesicht zu sehen. Sie konnte die Minuten und –stunden nicht zählen, die sie nun schon allein an dem großen Springbrunnen unter dem seltsamen Dach saß. Sie wusste nicht einmal wie genau, sie ihre Mama eigentlich verloren hatte. Erst hatte sie sich keine Sorgen gemacht, hatte ihre Mama sie doch schon so oft wieder gefunden. Außerdem war der Ort voller interessanter Dinge, die sie so nicht nie gesehen hatte. Aus dem Springbrunnen hüpften immer wieder große Wassertropfen wie von selbst und sollte sie daran das Interesse verlieren, so war auf der anderen Seite an dem großen Haus ein Fernseher, so groß wie sie niemals einen Fernseher erwartet hatte. Doch selbst dieser konnte sie nun, da es auch für sie merklich dunkler und kühler wurde, nicht mehr beruhigen, so mal sich das doofe Programm ja auch dauernd wiederholte. So lang hatte sie ihre Mama noch nie irgendwo allein sitzen lassen. Immer wieder spürte sie Tränen in ihre großen Augen steigen. Jedesmal sagte sie sich erneut, dass sie für ihre Mama stark sein müsse und wischte sich ihre laufende Nase an ihrem Jackenärmel ab. Dann legte sie ihre kurzen Arme wieder eng um ihren zierlichen Körper und sah sich weiter nach ihrer Mama um. Irgendwann hörte sie Männerstimmen, und wie sie ihren Namen riefen. Da ihr diese Männer unheimlich waren, war sie unmerklich etwas an eine ältere Dame neben sich heran gerutscht, sodass es nicht so aussah, als wäre sie allein. Als die Lichter um sie herum kalt und hell schienen und sie nicht mehr nur vor Angst zitterte vielmehr aber vor Kälte, halfen all ihre mutigen Gedanken nicht mehr, um die Tränen zurück zu halten. Sie hatte sich noch nie so verloren gefühlt und sie hatte sich schon lang nicht mehr so sehr nach der warmen schützenden Umarmung ihrer Mama gesehnt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)