Freunde, Feinde & Geschwister von Idris (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 3: Achterbahnen, die man niemals fahren wird ... [Joey, Joey Jr., Seto] ------------------------------------------------------------------------------- Charaktere: Joey & sein Sohn (Joey Jr.), Erwähnung von Seto Kaiba und Mai Valentine Genre: Drama, dark Inspiriert von: http://animexx.onlinewelten.com/fanfic/output/?doc_modus=html&ff=105079&kapitel=245303&relink=%2Ffanfic%2F%3Fdoc_modus%3Dstartseite%26ff%3D105079 Die Ausgangssituation gehört somit Redhead - aber ich fand den Gedanken an Joey Junior so toll, dass ich das hier unbedingt schreiben wollte. "Papa ...?" Kleine, bloße Kinderfüße tapsen lautlos über den Teppichboden. Sie wandern an dem großen Ehebett der Eltern vorbei und hinterlassen Grashalme und dreckige Fußabdrücke. Seine Augen sind violett, wie die seiner wunderschönen Mutter, aber seine Haare sind ein blonder chaotischer Mopp, der in alle Richtungen absteht und er sieht damit aus, wie ein Ebenbild seines Vaters, dessen Namen er trägt. Joey Jr. Ein leises Geräusch erreicht seine Ohren und er bleibt stehen. Unsicher und ein wenig erschrocken. Seine Mutter hat ihm verboten jetzt nach oben zu gehen und vielleicht hätte er auf sie hören sollen. Sekundenlang spielt er mit dem Gedanken sich in sein Zimmer zu verziehen und seine Schwestern zu ärgern … aber irgendetwas hält ihn zurück. Es ist dämmrig in dem Schlafzimmer seiner Eltern, weil nur wenig Licht durch die heruntergelassene Jalousie dringt. Grade genug, um alles schemenhaft sehen zu können. „Papa …?“ Seine Stimme klingt leise und verunsichert und sie erzielt beinah umgehend eine Reaktion. Zwischen Bett und Fenster taucht ein blonder Schopf auf, identisch zu dem eigenen und wirft ihm einen Blick zu. „Hey, Junior.“ Sein Vater lächelt, so wie er das fast immer tut, aber irgendetwas an diesem Lächeln ist nicht in Ordnung. Seine Augen leuchten nicht und er hat einen angespannten Zug im Gesicht, wie Mama, wenn sie so schlimme Kopfschmerzen hat. Zögernd tapsen die kleinen Füße um das Bett herum. Sein Vater sitzt auf dem Boden, mit dem Rücken an das Bett gelehnt und er hat etwas in den Händen, mit dem er unaufhörlich herumspielt. Irgendetwas ist passiert. Joey weiß es, auch wenn er noch so klein ist, dass seine Schwestern ihn immer damit aufziehen, dass er noch nicht in die Schule geht. Er kann noch nicht lesen und nicht schreiben. Aber er kann spüren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. „Bist du krank …?“ Behutsam kommt er näher. Menschen verhalten sich anders, wenn sie krank sind. Vielleicht ist es das, was nicht stimmt. Wenn Joey krank ist, dann darf er auf der Couch liegen und fernsehen, und seine Mutter bringt ihm Orangensaft und streichelt ihm über den Kopf. Vielleicht wird das seinem Vater auch helfen. Die Antwort ist ein Kopfschütteln und ein leises Geräusch. Es klingt wie ein unterdrücktes Lachen … nur anders. Und kein bisschen fröhlich. „Nein, ich bin nicht krank. Ehrlich nicht …“ Aber seine Stimme ist rau, so wie Joeys, wenn er Halsschmerzen hat und seine Stirn ist in angespannte Falten gelegt, als hätte er Kopfschmerzen. „Bist du traurig …?“ fragt Joey unsicher. Der Gedanke beunruhigt ihn. Eltern dürfen nicht traurig und nicht krank sein. Das geht einfach nicht. Immerhin ist es ihr Job, dafür zu sorgen, dass es ihren Kindern gut geht und dass die nicht traurig sind. Es macht ihn kribbelig und unruhig, wenn es seinen Eltern nicht gut geht. Als ob die ganze Welt dann plötzlich ein unsicherer, gefährlicher Ort wird, an dem er nicht mehr beschützt wird. Es dauert einen Moment, bis er eine Antwort erhält. „Ich weiß nicht.“ Sein Vater fährt mit einer Hand durch seine Haare und sieht aus, als denkt er ernsthaft über diese Frage nach. „Ja. Vielleicht. Ein bisschen …“ Deswegen liebt er seinen Vater. Er sagt nie die Dinge zu ihm, die alle anderen Erwachsenen immer sagen. ‚Dafür bist du noch zu klein.’ ‚Das verstehst du nicht.’ Er gibt immer Antworten und versucht alles zu erklären. Joey kommt noch ein wenig näher und endlich sieht er was es ist, was sein Vater in der Hand hat. Es ist ein Stapel Karten. Braune, abgenutzte Spielkarten, die er immer wieder mischt, ohne auch nur hinzusehen und die unaufhörlich durch seine Finger gleiten. „Papa … wer war der Mann da eben? In dem Auto?“ Er ist nur ein Kind, aber Joey spürt instinktiv, dass da irgendein Zusammenhang besteht. Das große, fremde Auto und dieser Mann, und die Tatsache, dass sein Vater jetzt hier in einem dunklen Zimmer sitzt und einen Stapel alter Karten mischt. Die Finger stoppen mitten in der Bewegung, und sekundenlang erwartet Joey, dass die Karten jetzt alle auseinanderflattern und auf den Boden fallen. Aber sein Vater schließt ungewohnt behutsam die Hand darum und legt sie neben sich auf den Nachttisch. „Komm her“, befiehlt er sanft und streckt eine Hand aus. Ohne zu zögern kommt Joey näher und spürt wie sein Vater den Arm um ihn legt und ihn behutsam zu sich zieht. Beruhigt kuschelt er sich an ihn. Das ist wieder der Vater, den er kennt. Der ihn hoch in die Luft wirft und ihn immer wieder auffängt, und der ihn auf seinen Schultern reiten lässt, und ihn nachhause trägt, wenn er so müde ist, dass er nicht mehr laufen mag. Sein blonder Schopf landet auf einer starken Schulter und er schlingt seine schmalen Kinderarme um den dazugehörigen Nacken. „Erinnerst du dich, als wir letzten Sommer in dem Freizeitpark waren …? Als dir auf dem Riesenrad schlecht geworden ist?“ wird er leise gefragt und er nickt bestätigend. „Das war Kaibaland. Und dieser Mann eben … das war Seto Kaiba.“ Da ist irgendetwas in der Stimme seines Vaters, dass er nicht zuordnen kann. Aber er kann sein Gesicht nicht sehen und weiß nicht, was es ist. Also, nickt er brav und versucht das Gehörte zu verarbeiten. „Ihm gehört der ganze Park?“ „Ja. Ihm gehört das alles.“ „Meinst du, er fährt immer kostenlos mit allen Achterbahnen?“ „Ich weiß nicht. Ich denke eher nicht …“ Auch ohne ihn zu sehen, weiß er, dass sein Vater grade lächelt. „Ich glaube nicht, dass er jemals mit einer einzigen seiner Bahnen gefahren ist. Vermutlich weiß er nicht mal, was er damit verpasst.“ „Oh …“ Joey runzelt die Stirn. Er ist verwirrt und er weiß immer noch nicht, was ein Mann, dem das ganze Kaibaland gehört, hier gemacht hat. „Ist er dein Freund?“ Er stellt es sich mächtig cool vor, einen Freund zu haben, der so viele tolle Dinge besitzt, wie sie in Kaibaland stehen. „Wir haben uns mal gekannt … das ist schon lange her.“ Die Stimme seines Vaters ist rau und leise und er räuspert sich ein paar Mal. „Aber Freunde … Nein, Freunde sind wir nicht gewesen …“ „Wieso war er hier?“ „Er … weil …“ Er spürt, wie eine Hand sanft über seinen Rücken und seine Haare fährt, und er spürt, wie sein Vater tief Luft holt, bevor er es ausspricht. „Er ist sehr krank, weißt du?“ Joey löst sich ein wenig aus der Umarmung und hebt den Kopf. Seine Augen fragend und verunsichert. „Wie krank?“ „Sehr krank …“ Sein Vater hält inne, und es dauert einen Moment, bevor er weiter sprechen kann. Seine Augen sind ungewohnt ernst und ohne dass Funkeln, dass sonst darin ist. „So krank, dass er sterben wird …“ Joey weiß, dass sterben bedeutet, dass Leute nicht mehr wiederkommen. Eine Freundin seiner Mutter ist letztes Jahr bei einem Autounfall gestorben. Er erinnert sich, dass sie geweint hat, weil sie ihre Freundin nie wieder sehen wird. Und endlich fängt es an, ein bisschen Sinn zu machen, was hier grade passiert. „Bist du deswegen traurig?“ „Ich denke schon, ja …“ Er sieht dabei zu, wie sein Vater sich heftig über das Gesicht fährt. „Aber wieso … wieso bist du traurig, wenn er gar nicht dein Freund gewesen ist?“ Er will nicht, dass sein Vater weint. Und vor allem nicht wegen jemandem, der nicht einmal ein Freund gewesen ist, und der niemals auf diesen tollen Achterbahnen gefahren ist, die alle ihm alleine gehören. Wegen so jemandem darf er nicht weinen. Eine Hand fährt über seinen Schopf und wuschelt ihm einmal quer durch die Haare. Vertrauensvoll lehnt Joey sich dagegen. Minutenlang ist alles still und Joey lässt sich einfach festhalten. Er schmiegt sich ganz dicht an seinen Vater und will so gerne etwas tun, irgendetwas damit er bloß nicht mehr traurig ist, aber ihm fällt nichts ein, außer einfach da zu sein und sich festhalten zu lassen. „Weißt du, manchmal sind Menschen auch traurig, wenn jemand stirbt, denn sie nicht gemocht haben …“, hört er seinen Vater schließlich sagen. „Weil man sich so viele Dinge gesagt hat, die man nicht so gemeint hat. Weil man nie wieder eine Gelegenheit bekommt, etwas anders zu machen. Weil man weiß, dass jemand nur ein arrogantes Großmaul war und ein sturer, egoistischer, reicher Geldsack … und dass man sich einfach so sehr daran gewöhnt hat, ihn zu verabscheuen … dass einem etwas fehlen wird, wenn er plötzlich nicht mehr da ist. Und weil man weiß, dass er seine verdammten Achterbahnen niemals fahren wird … dabei hätte er so unglaublich viele Möglichkeiten gehabt, das zu tun …“ Joey schlingt seine Arme um den Nacken seines Vaters und hält ihn fest, so gut er das kann. „Mama sagt, du sollst nicht fluchen“, sagt er leise. Er spürt, wie die Umarmung um ihn fester wird und sein Vater nickt und unter Tränen lächelt. „Entschuldige, Kleiner …“ Und Joey weiß, dass er es eines Tages verstehen wird. Noch nicht jetzt, aber irgendwann. Wie man um jemanden traurig sein kann, den man nicht gemocht hat … Und wie man etwas vermissen kann, dass man nie erlebt hat. Etwas wie die Freundschaft eines Mannes, der ein Leben lang so gegensätzlich von einem selbst war, wie er nur hätte sein können … und den man trotz allem irgendwie verstanden hat. „Hey Junior …“ wird plötzlich leise gesagt und sein Vater streckt eine Hand aus, um nach dem Stapel Karten auf dem Nachttisch zu greifen. Nachdenklich lässt er sie durch seine Finger gleiten. „Soll ich dir zeigen, was man damit alles anstellen kann? Wenn du Lust hast, bringe ich dir bei, wie es geht … dann können wir vielleicht irgendwann zusammen spielen.“ ~ „Hey, spielst du etwa auch Duell Monsters? Ist ja irre! Da können wir vielleicht irgendwann zusammen spielen …“ (Joey Wheeler, Eps. 1 zu Seto Kaiba) ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)