The waves of time von MorgainePendragon (Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Tod. Und von Wiedergeburt…) ================================================================================ Kapitel 7: Shadow of doubt and way into light --------------------------------------------- Erstaunlicherweise hielt sich das Wetter heute noch ganz gut, als würde es zum letzten Mal vor dem herannahenden Winter noch alle Register ziehen wollen. Ehrlich gesagt interessierte mich das jedoch nur am Rande. Ich war so voll und ganz mit mir selbst und meinen Gedanken und Gefühlen beschäftigt, dass ich kaum merkte wohin genau mich zunächst meine Füße trugen. Dieser Wald… er hatte etwas Seltsames an sich. Beschützend und zugleich bedrohlich wirkte er, gerade auch jetzt, während die immer heftiger werdenden Windböen die alten knorrigen Äste seufzen und die Blätter wispern und raunen ließen. Als ich in die Schatten des Waldes eindrang war mir, als würde ich eine andere Welt betreten. Seltsam. Noch nie war mir dieser Gedanke gekommen, denn ich war schon unzählige Male hier gewesen. Nun, es stimmte wohl. Andere Jahreszeiten veränderten nicht nur das Angesicht eines Waldes, sondern vielleicht auch… sein Wesen. Was dachte ich da bloß? Merkwürdig. Ich raffte die Zeichenutensilien fester an mich und beschleunigte meine Schritte. Ich wusste nun wieder wo ich war. Ich war schon ziemlich weit gelaufen. Ohne es gemerkt zu haben. Und das war eigentlich NOCH seltsamer. Ich blieb stehen. Mein Blick wanderte hinauf zu den hohen Wipfeln der Bäume über mir, die einen buntfarbigen Baldachin bildeten, der hier und da schon aufgerissen war, da die Blätter bereits zu fallen begonnen hatten. Es war bewölkt. Aber es roch nicht nach Regen. Ich schüttelte den Kopf und ging weiter. Ich benahm mich schon wie ein witterndes Tier. Und genau als wäre ich ein solches warnte mich plötzlich mein Instinkt. Irgendetwas… beunruhigte mich. Ich trat an einen Baum, schloss die Augen und lauschte, bemühte mich, meinen Atem flach zu halten. Ich spürte es nun ziemlich deutlich. Jemand war hier. Ich war nicht mehr allein. Und irgendetwas an dieser Präsenz ließ mich frösteln und mit einem Mal sogar so etwas wie Furcht empfinden. Mir wurde klar, WIE weit ich mich schon vom Universitätsgebäude entfernt hatte. Ich wusste zwar, wo ich hingehen wollte, denn an jenem Ort war ich schon oft gewesen um meine Gedanken zu klären und zu zeichnen. Aber mir war nie aufgefallen, dass ich dort wirklich so gut wie IMMER allein gewesen war. WENN etwas passierte, würde nie jemand da sein, um… Schluss! ‚Du einfältiges, ängstliches kleines Mädchen!’, schalt ich mich selbst. ‚Hör auf dir etwas einzubilden! Wahrscheinlich ist alles was hier sonst noch auf dem Campus herumstreunt höchstens so etwas wie Wild. Närrin.’ Ich ging also weiter, unterdrückte die immer stärker werdende Furcht in meinem Herzen. Dann hörte ich eine Stimme. Jemand lachte. Dunkel. Böse. Und sehr kalt. Sekunden später trat ein Mann aus den Schatten des Dickichts in meinen Weg. Ich sog scharf die Luft ein, trat unwillkürlich einen Schritt zurück, den Zeichenblock wie einen unnützen Schild an mich pressend. Ich fühlte, wie mein Gesicht auch noch das letzte bisschen Farbe verlor. „Enishi...“, flüsterte ich tonlos. Meine Lippen zitterten. Ich kannte diesen Mann nicht wirklich. Und doch war alles, was ich in diesem Moment empfand, lähmende Angst. Alle meine Sinne schrieen mir zu fortzulaufen so schnell ich konnte. Doch ich rührte mich nicht. Wie ein Kaninchen beim Anblick des Wolfes, die Augen weit aufgerissen, verharrte ich. Wieder dieses Lachen. Enishi legte Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand ans Kinn. „Ich bin gerührt. Du hast dir meinen Namen gemerkt, kleines Mädchen.“ Etwas, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass ich es besaß (wahrscheinlich Mut – ich hielt es jedoch für eine Art bizarre Todessehnsucht…) brandete in mir herauf. Ich spürte plötzlich so etwas wie… Trotz. Und Zorn. Dieser Mann hatte Himura verletzt. Wie sehr ich ihn hasste… „Ich heiße Madoka!“ Wie kam er dazu, mich kleines Mädchen zu nennen? Die Wut in mir half tatsächlich, das Zittern aus meiner Stimme für einen Moment zu vertreiben. „Was willst du?!“ Enishi hob leicht eine seiner schwarzen, kühn geschwungenen Augenbrauen. Er war gutaussehend. Doch, das war er. Enishi war ein attraktiver, stattlicher junger Mann. Sein Haar glänzte ebenmäßig schwarz und seine Augen blitzten klar, wie seltene, jedoch eiskalte Basaltkiesel, tief und dunkel. Er ließ makellose Zähne blitzen, als er nun die Lippen zu einem Lächeln verzog, das jedoch nicht seine Augen erreichte. Er ignorierte meine Frage. Natürlich. „Du bist ziemlich weit entfernt vom Haus, nicht wahr? Was treibt dich hierher? Nur die Lust am Malen oder… vielleicht Angst? Vor der Wahrheit?“ Ich verstand kein bisschen, von was er da sprach. Die Wut in mir machte jedoch plötzlicher Betroffenheit Platz. Was… sollte das? „Sag mir was du willst und geh. Ich… möchte allein sein.“, sagte ich nun, schon nicht mehr ganz so sicher. „Dein Mut ist bewundernswert. Aber ich führe ihn auf Unwissenheit zurück. Unwissenheit darüber, mit wem du sprichst, Mädchen.“ Als ich zurückweichen wollte war er plötzlich so schnell neben mir, dass ich die Bewegung nicht einmal wirklich gesehen hatte! Es erschreckte mich bis ins Mark als plötzlich seine kalten, schlanken Finger mein Kinn umfassten und meinen Kopf zu ihm herum zwangen. Er sah mir tief in die Augen. Gefühllos. Kalt. Ironisch. „Ist es wirklich das, was du willst? Allein sein? Oder willst du zu IHM? Zu Battosai Himura?“ Mit dem Ausdruck „Battosai“ konnte ich überhaupt nichts anfangen. Dieses Wort ließ jedoch… einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen. Sehr wohl verstand ich den Namen, den er genannt hatte, brachte jedoch keinen Ton heraus. Enishis Finger drückten tief in meine Wangen. Es tat weh. „Ist da nicht etwas in dir, das dich warnt, Madoka-chan?“ Seine Stimme hatte nun etwas… Lauerndes, Schleichendes an sich. Heimtückisch wie Gift. „Eine kleine, leise, hartnäckige Stimme, die dir sagt, dass irgendetwas an diesem Mann, der dich so fasziniert, nicht stimmt? Dass er irgendetwas… verbirgt? Und dies vielleicht mit gutem Recht?“ Oh, wie gut er es verstand im Herzen Zweifel aufkommen zu lassen. Zu meiner eigenen ohnmächtigen Enttäuschung spürte ich, wie seine falsch wirkenden Worte Nahrung in meinem innersten Selbst fanden und auf ein Echo stießen. Ich begann mich in seiner Umklammerung zu winden. Er hielt mich fest, zwang mich weiter, ihn anzusehen. Sein Gesicht war nur Millimeter von meinem entfernt und doch schien selbst sein Atem kalt zu sein. Wie der Atem… die Anwesenheit eines Geistes. Ich schloss die Augen. Eine Träne der Hilflosigkeit fand ihren Weg unter meinen Lidern hervor. Sie schien auf meiner Wange zu erstarren ob des eisigen Hauchs, der mich nun zu umgeben und einzuhüllen schien. „Himura Battosai. Der Attentäter. Mörder von Hunderten, wenn nicht Tausenden.“ Ich zuckte zusammen, öffnete reflexartig auch wieder die Augen, starrte ihn ungläubig an. „Was…?“, brachte ich mühsam heraus. Und endlich, endlich ließ er mich los. Ich taumelte zurück, keuchte, als ich plötzlich wieder zu Atem kam. Seine Finger hatten rote Abdrücke auf meinen Wangen hinterlassen. „Von was zum Teufel REDEST du da?“, verlangte ich voller Angst und zugleich dunkler Ahnung, jedoch nicht ohne die mir eigene, verdammte Neugierde zu wissen. Etwas in mir wandt sich bei dem Gedanken daran, dass etwas Wahres an meinen Träumen sein konnte. Und dennoch… Wenn dieser Mann etwas wusste… Er KANNTE Himura. Ich hatte es gesehen, als sie sich gegenüber gestanden hatten. Ich wollte die Wahrheit wissen. Auch, wenn ich Angst vor ihr hatte. „Du weißt genau, was ich meine. Du hast es gesehen. Das weiß ich.“, antwortete er ganz leise und ruhig. Wieder so eine merkwürdige, rätselhafte Aussage. Wie konnte er von meinen Träumen wissen? War er nicht von dieser Welt? Aber wer (oder was) war er dann? Ich wich zurück, bis ich die kühle, knorrige Rinde eines Baumes im Rücken spürte. Seltsamerweise gab mir das Kraft. Ein kleines bisschen Realität in dieser albtraumhaften Szene in meinem verrückten Leben. „Frag ihn, Madoka. Frage ihn, ob die Stimmen verstummt sind. Frage ihn, ob er nicht immer noch Nacht für Nacht seine „Frau“ (er betonte dieses Wort sehr merkwürdig) in seinen Armen sterben sieht. Ob ihr Blut immer noch an seinen Händen klebt! Frage ihn wenn du den Mut dazu hast. Aber wenn die Angst in dir zu groß ist, dann flieh. Lauf, so weit du nur kannst und vergiss diesen Mann. Seine Buße für das, was er getan hat, muss um JEDEN Preis anhalten und darf niemals enden.“ „N… nein…“, hauchte ich kraftlos. Meine Geddanken rasten. Himuras Frau? Ihr Blut an seinen Händen? Was bedeutete das alles nur? Etwas in mir zog sich schmerzhaft zusammen bei Enishis Worten. „Oh doch, Madoka. Himura ist böse. Er ist ein eiskalter Mörder. Du hast es gesehen! Du hast den Regen aus Blut gesehen! Verschließe dich nicht davor! Höre auf deine innere Stimme die dir selbst auch sagt: Flieh! Und versuche niemals wieder ihm zu begegnen.“ „Ich… Nein…“, ich weinte mittlerweile wieder. Doch ich merkte es nicht einmal. „Das kann… nicht sein. Unmöglich… Du lügst!“ „So…?“, Enishi verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust. „Ist das so. Nun denn. Ich meine es nur gut mit dir. Du wirst es herausfinden. Du wirst die Wahrheit erfahren. Und dann wirst du dich der Frage stellen müssen, ob du wirklich imstande bist, einen Mörder zu lieben und damit seine Schuld auch zu der deinen zu machen!“ Er fuhr herum und war ebenso lautlos und schnell wieder im Halbdunkel des Waldes verschwunden, wie er aufgetaucht war. Als hätte es ihn niemals gegeben. Nur der Wind raunte leise in den Baumkronen über mir. Ich war innerlich wie zu Eis erstarrt. Es war… sehr merkwürdig. Ganz entgegen der Worte, die ich Enishi entgegengeschleudert hatte, glaubte ich seltsamerweise in diesem Moment jedes Wort von dem, was er gesagt hatte. Er hatte nicht nur Zweifel gesät. Er hatte Gewissheit hervorgerufen. Eine dunkle, böse Gewissheit, dass an seinen Worten und somit auch an meinen Träumen viel mehr Wahres dran war, als mir lieb sein konnte. Eigentlich war die Entscheidung die daraus resultierte sehr einfach. Wenn all das nun auch meine Überzeugung war, dann sollte ich Himura wirklich meiden. Für immer. Nur… Warum tat es dann so weh? Ich sah sein Gesicht vor mir. Himuras Gesicht. Seine sanften, blauen Augen, sein trauriges Lächeln. Was hatte Enishi gesagt? Er tat Buße? In welcher Form? Dass er es wahrhaftig bereits tat war unübersehbar ob seiner Trauer, die man deutlich wie eine Aura um ihn herum wahrnehmen konnte. Himura litt. Ganz egal, was in seiner Vergangenheit gewesen war, jetzt und hier litt er Höllenqualen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Mann, der Himura heute war, jemals etwas Böses tun konnte. Und dieser Gedanke und auch die Neugier, SEINE Version der Dinge zu erfahren, brachte mich dazu, meinen Entschluss Himura zur Rede zu stellen nur noch fester ins Auge zu fassen. Ein kleines, grimmiges Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Mir war klar, dass Enishi es alles andere als „gut“ mit mir meinte, wie er es ausgedrückt hatte. Er war mir von Anfang an nicht geheuer vorgekommen. Was auch immer Enishi mit seinen dunklen Eröffnungen hatte provozieren wollen – es war nicht aufgegangen. Ich hatte für einen Augenblick geschwankt (und vielleicht würde ich wieder schwanken, das wusste ich natürlich nicht), aber im Augenblick war ich umso entschlossener nun endlich Licht ins Dunkel zu bringen. Enishi… DER würde sich wundern. ‚Idiot!’, dachte ich wütend. Dass er es überhaupt geschafft hatte die Tiefe meiner Gefühle für Himura ins Wanken zu bringen ärgerte mich maßlos. Aber… was dachte ich denn da überhaupt schon wieder… Gut, ich mochte ja so fühlen. Aber Himura war keinesfalls dazu verpflichtet mir Rede und Antwort zu stehen. Wahrscheinlich würde er mich auslachen. Oder fortschicken. Oder beides… Was sagte mir denn, dass ihm ÜBERHAUPT etwas an einem Gespräch mit mir lag? Oder gar an mir? Himuras Frau… Wieder dieser Schmerz tief in meiner Brust. Ich war mir sicher: Niemand hier an der Universität wusste, dass der junge Japaner verheiratet war. Wenn Enishi Recht hatte… Wo war sie dann? Und WER war sie? Warum sollte Himura ihr Blut vergossen haben? Vielleicht war es Enishi nicht gelungen, mich von meinem Entschluss abzubringen. Dennoch hatte ich plötzlich Angst Himura gegenüberzutreten. Enishi hatte einen dunklen Keim gesät, der tatsächlich in mir Wurzeln geschlagen hatte, ob ich nun wollte oder nicht. Unsinn. Ich musste jetzt wirklich einmal zu dem stehen, was ich mir vorgenommen hatte. Wenn ich nicht wenigstens versuchte mit Himura zu reden, würde ich für immer diesen Zweifel in mir tragen. Kein Zustand, den ich aufrechterhalten wollte. Es war nicht mehr weit bis zum Bach. Ich hörte ihn schon nach ein paar weiteren dutzend Schritten murmeln. Wenn ich seinem Verlauf zurück folgte, dann musste ich zu jener Lichtung kommen, auf der die alte Jagdhütte lag, in welcher Himura Quartier bezogen hatte. Während ich zurückging wurden meine Schritte immer langsamer. Mein Gott, wie ich Enishi hasste! Jetzt noch mehr als vorher! Wie ich mich selbst verabscheute! Zweifel. Angst. Verzweifelt seufzend verdrehte ich die Augen. Es half nichts. Es gab nur einen Weg, meine rasenden Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Ich steuerte das Ufer des Baches an und ließ mich auf einer riesigen Baumwurzel nieder. Ich öffnete den Zeichenblock. Weiß und jungfräulich lag die Seite vor mir auf meinen Knien. Und doch sah ich bereits das Bild, dass sie wiedergab, vor mir. Ich brauchte es nur hervorzulocken, herauszuarbeiten. Wie ein Bildhauer sein Werk aus einem Stein herausarbeitet. Aber es war bereits da. Und während meine Hand über das Papier glitt verschwamm mein Blick. Ich begann erneut und vollkommen hilflos zu weinen. Denn ich wusste, ganz egal was oder wer Himura nun wirklich war, ich liebte ihn schon zu stark, um mich gegen die tiefe Sehnsucht nach ihm wehren zu können. *** Himura Kenshin stand an dem kleinen Bach, der klar und leise vor sich hin murmelnd seine Hütte umfloss. Er liebte es einfach die Schuhe auszuziehen und in das kalte Wasser zu steigen. Es erfrischte ihn nicht nur rein körperlich. Es klärte auch seine Gedanken. Im Sommer badete er auch in dem kühlen Nass. Allerdings war es dafür nun bereits zu kalt. Er legte, im Wasser stehend, den Kopf in den Nacken. Der Himmel, der die Lichtung überspannte, war mit Wolken bedeckt. Allerdings sah es nicht nach Regen aus. Eine Ahnung des herannahenden Winters lag in der Luft. Aber heute wirkte das Wetter noch einmal versöhnlich. Er bückte sich, tauchte die aneinander gelegten Hände in das Wasser und schöpfte es sich ins Gesicht, während er sich wieder aufrichtete. Es war wie ein kleiner Schock, der durch alle seine Sinne jagte. Er lächelte, während er den Kopf zurücklegte, sein langes Haar über die Schulter zurückwarf und das sanfte Perlen der Tropfen auf seiner Haut spürte. Es prickelte und tat sehr gut. Es war in diesem Augenblick etwas Reales in dieser Welt voller Albträume, die sein Leben ausmachten… Tropfen, wie kleine Edelsteine, benetzten sein langes, kupferfarbenes Haar, umspielten einzelne Strähnen, fingen das Licht des vielleicht letzten angenehmen Tages im Jahr auf und warfen es zurück. Dann ruckte sein langer, schlanker Hals herum. Er hatte etwas gehört. Etwas… Seltsam. Es klang, als würde jemand weinen. Es schien aus dem Wald hinter ihm zu kommen. Er stieg aus dem Wasser und zog seine Schuhe wieder an. Neugierig und auch ein wenig beunruhigt folgte er dem leisen Seufzen und Klagen, dass den Geräuschen eines Herbstwaldes nicht unähnlich war. Was erzählten sich die Menschen dieses Landes noch für seltsame Sagen? Ein versunkenes Königreich, in welchem alle gleich waren, auf weißer Magie basierend errichtet? Ein alter Zauberer, der von einer Nymphe in einem Baum eingeschlossen worden war? Geschichten von mächtigen Hexen, Flüchen und Intrigen? War es vielleicht die klagende Stimme Merlins, die er vernahm? Er blieb stehen und musste beinahe über sich selbst lachen. Dieses Land barg interessante Geschichten. Aber das sollte ihn keinesfalls zu solch albernem Irrglauben verleiten, kam er doch aus einem Land, das die Mutter aller Dämonengeschichten zu sein schien. Zudem hatte er wahrhaftig genug mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen, um sich nun auch noch Gedanken über mittelalterliche Geister zu machen. Er ging weiter. Wer auch immer dort weinte war aus Fleisch und Blut. Vielleicht brauchte er Hilfe? Er erreichte eine Stelle, wo der Wald etwas vom Bachlauf zurückwich. Dort, im Schatten einer uralten Eiche, saß jemand. Als er sich behutsam von hinten näher an die Gestalt heranschlich konnte er erkennen, dass es eine junge Frau war, die… Er stockte mitten im Schritt. „Madoka…“ Die Gefühle, die in ihm aufbrandeten waren unbeschreiblich. Alles auf einmal empfand er. Freude, Liebe, unendlich tiefen Schmerz und eine beinahe qualvolle Sehnsucht. Sein Entschluss, ihr aus dem Weg zu gehen kam ihm in den Sinn. Er sollte machen, dass er hier weg kam. Dann sah er, wie ihre Schultern unter nie gekannter oder erwarteter Pein bebten. Sie weinte! Die kehligen, hilflosen Laute riefen eine Gänsehaut bei ihm hervor. Er begann zu zittern. Warum weinte sie? Warum war sie hier, ganz allein? Sie hielt den Kopf geneigt, als würde sie etwas auf ihrem Schoß betrachten. Dann sah er die gleichmäßige Bewegung ihres rechten Armes und wusste, dass sie zeichnete. Er schlug alles in den Wind. Er war nicht mehr fähig klar und rational zu denken. Um ihrer selbst willen sollte er gehen, solange sie ihn noch nicht bemerkt hatte. Doch seine Neugier siegte. Und auch die Beunruhigung ob ihrer Trauer. Was veranlasste eine so junge Frau wie so, so abgrundtief traurig zu sein? So trat er unendlich behutsam hinter sie. Er beugte sich vor, um über ihre Schulter einen Blick auf das Bild zu werfen, das sie zeichnete. Und es wunderte ihn nicht, nicht wirklich, dass er mit einem Mal in einen Spiegel zu blicken schien, der sein eigenes, trauriges, müdes Gesicht wiedergab… *** Ich hatte alles um mich herum vergessen. Tatsächlich gab es nur noch mich, meine Trauer und die Zeichnung vor mir. Von ihm. Natürlich. Warum waren mir seine Züge nur so unendlich vertraut? Warum war das Bedürfnis ihn zu berühren so stark? Wieso schien ich all diese Empfindungen zu kennen? Dieser Schmerz… So vertraut. Ebenso wie die Sehnsucht. Ich hielt inne und meine Finger glitten langsam, zärtlich, über sein Gesicht, seine Lippen. Er schien mich anzusehen. Sein Blick ging direkt durch mich hindurch. „Warum….“, flüsterte ich unter neuerlichen Tränen. „Warum muss ich dich lieben? Sag es mir… Wer BIST du nur! Und wer… bin ich?“ Dann… spürte ich etwas. Es war ganz ähnlich wie das Gefühl, dass ich schon vorhin gehabt hatte, bevor Enishi erschien. Aber die Qualität dieses Gefühls war eine ganz andere. Ich war nicht allein. Aber dieses Mal jagte mir die Anwesenheit des anderen keine Angst ein. Im Gegenteil… Die kleinen Haare in meinem Nacken stellten sich auf. Eine sehr leise, ruhige und gefasste Stimme sagte direkt neben meinem Ohr: „Das ist ein… eine sehr gute Zeichnung…“ Ich schloss die Augen. Der Ausdruck auf meinem Gesicht mochte schwer zu deuten sein. Gequält vielleicht. Vielleicht auch resignierend – schicksalsergeben. Eine letzte Träne lief über meine Wange. Ich spürte, wie sie sich ihren Weg suchte, genauso wie ich seinen warmen Atem auf der Haut meines Nackens spürte. Er war ganz nah. So nah… Es war mir gar nicht peinlich, dass er mich beim Zeichnen dieses Motivs entdeckt hatte, dem einzigen Motiv, das für mich noch existierte zu dieser Zeit. Meine Hand, die den Stift hielt, zitterte unmerklich. „Madoka….“ Wenn er meinen Namen sagte, wurde mir ganz warm. Ich fühlte, wie sich mein Puls- und Herzschlag beschleunigten. „Warum weinst du?“, leise, beinahe sanft. Ich konnte nicht antworten. In diesem zeitlosen Augenblick war mir völlig egal, wer oder was Kenshin nun war. Er war hier. Bei mir. Nur das zählte wirklich. Die Berührung seiner Hand auf der Schulter war wie ein Hauch und doch warm und beschützend. Er zog mich zurück. Mein Rücken lag nun an seiner Brust. Ich lehnte mich an, legte den Kopf zurück, sodass er an seinem Hals zum Ruhen kam, schloss die Augen. Er legte den Arm um mich. Seine Hand fand meine. Unsere Finger verflochten sich. Es war… so natürlich. Es wirkte richtig. Es war, als hätte ich nie etwas anderes getan als in seinen Armen zu liegen. Irritierend vertraut. Und doch war es neu, aufregend, und ungleich intensiver, als alles, was ich jemals empfunden hatte. Wir sagten nichts. Lange Zeit saßen wir einfach nur so da. Der Tag dunkelte, die letzten Glühwürmchen tanzten über dem Bach. Das kühle, silberne Licht einer bleichen Mondsichel stach durch die Wolken, glitt über das Wasser. Der Zweifel, den Enishi in mir zu einer trügerischen Gewissheit hatte werden lassen, war verschwunden. Nichts war mehr wirklich wichtig. Wir hatten alles hinter uns gelassen. Zeit hatte keine Bedeutung mehr für uns. Ich war, wo ich sein sollte, wohin ich gehörte und immer schon gehört hatte. Der regelmäßige Schlag seines Herzens war ganz nah an meinem. Ich atmete seinen Duft ein. Ganz leicht nach Honig. Und ich weinte nicht mehr. Irgendwann, Stunden später, von denen ich nicht einmal gemerkt hatte, dass sie verstrichen waren, bewegte er sich leicht. „Es wird kühl.“, flüsterte er in mein Ohr. „Lass uns gehen.“ Er half mir auf. Ich raffte meine Sachen zusammen und folgte ihm durch die beinahe vollkommene Dunkelheit zwischen den Bäumen, in der er sich mit beinahe traumwandlerischer Sicherheit zurechtfand. Er hielt meine Hand umfasst. Ich hatte keine Angst. Wir erreichten die Lichtung, auf welcher die Jagdhütte stand. Und als er die drei überwucherten Stufen zu der Tür hinaufstieg war es nur allzu natürlich, dass ich alles hinter mir ließ und ihm auch dorthin folgte. ****** close your eyes let me touch you now let me give you something that is real close the door leave your fears behind let me give you what you’re giving me you are the only thing that makes me want to live at all when I am with you there’s no reason to pretend when I am with you I feel flames again just put me inside you I would never ever leave just put me inside you I would never ever leave you Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)