Indifferent von peri (Reita x Ruki) ================================================================================ Kapitel 2: ZWEI --------------- Kommentar: Erst mal sorry, dass es so lange gedauert hat mit Kapitel zwei. v__v;; Ich schäm mich ein wenig, dass ich meinen Hintern nicht hochgekriegt hab. Verzeiht mir. Zweitens: Vielen, vielen Dank für all die lieben Kommentare, die ihr mir geschrieben habt! Ich hab mich sehr darüber gefreut! *verbeug* Drittens: Dieses Kapitel ist ein wenig voller Rumgesülze, aber joah... XD Es ist mal wieder mit mir durchgegangen. Deswegen hoff ich nun umso mehr, dass Kappi zwei euch dennoch gefallen wird. Viel Spaß damit also!! Kapitel ZWEI // Indifferent Zum einen war es traurig, zum anderen aber auch urkomisch, dass immer die Dinge, von denen man geglaubt hatte, man hätte sie für immer verloren, irgendwann plötzlich wieder auftauchten. Als würde man eine zweite Chance erhalten. Wie Schnee im Sommer. Nicht ganz logisch, aber dafür sehr erfrischend zum trostlosen Alltag, an den man sich doch schon viel zu sehr gewöhnt hatte. Hatte Reita Ruki bis vor einem Tag noch komplett versucht zu ignorieren, so schien sich das Blatt auf einmal dramatisch verändert zu haben. Und selbst wenn die gestrige Begegnung mit seinem Freund alles andere als normal abgelaufen war, so hatte sie ihm doch vor Augen geführt, dass er nicht kalt und Ruki ihm nicht egal war. Auch wenn er es nur ungern zugab. Aber diese wenigen, unbedeutenden Worte, die sie gewechselt hatten, hatten so gut getan. Auf eine so ganz andere Weise, als Reita es für möglich gehalten hätte. Und obwohl er so dachte, konnte er sich dennoch nicht eingestehen, was er tatsächlich wollte: Wieder mit Ruki befreundet zu sein. Seine Eitelkeit und sein Stolz standen ihm im Weg. Zuzugeben, dass er es damals nicht einmal versucht hatte ihre Freundschaft zu retten, lieber geflohen war und ab da an alles Vergangene unterdrückt und verdrängt hatte... das war das Schwerste und für Reita die unüberwindbarste Hürde. Wenn er eines nicht konnte, dann über seinen eigenen Schatten zu springen. Ein Feigling war er nicht. Nein, ganz im Gegenteil. Aber Angst hatte er trotzdem. Angst davor abgelehnt zu werden. Und Ruki würde ihn ablehnen. Das wusste Reita. So wie er wusste, dass er seine Zeit nicht mit sinnlosen Gedanken an ihn verschwenden sollte. Ruki hatte jetzt neue Freunde. Bessere. Warum sollte er sich wieder mit einem wie Reita abgeben, der wahrscheinlich nur auf Biegen und Brechen die Schule meistern würde. Warum? Ruki müsste doch unendlich bescheuert sein, wenn er ihn wieder als Freund zurück nehmen würde. Reita hoffte inständig darauf, dass Ruki dumm wie ein Knäckebrot war. Ganz offensichtlich seine einzige Chance. Als Aoi ihn an diesem Morgen vor dem Schulgelände über den Haufen rannte, hatte er diesen Uruha an sich kletten. Reita wusste gar nicht, warum Aoi so ein mords Theater gemacht und sich über ihn lustig gemacht hatte, nur weil er gedacht hatte dieser Uruha sei eine Frau. In Reitas Augen war er das auch. Oder vielleicht auch eine lila Milchkuh... wie auch immer. "Reita! Altes Haus!" "Morgen." Bereits zu Beginn des Tages war Reitas Laune mal wieder im Keller. Schon schlimm genug, dass er für Aoi ab jetzt nur noch 2. Wahl zu sein schien, aber das er diese Transeglucke auch noch ertragen musste setzte dem ganzen noch ein Sahnehäubchen auf. "So, noch mal ganz offiziell jetzt. Das hier ist Uruha." Aois Lächeln blendete ihn mindestens genauso abartig wie er sich darüber freute Bekanntschaft mit diesem Weihnachtsbaum zu machen. "Uruha, das ist mein Kumpel Reita." "Ah, du bist also Reita. Aoi hat mir schon so einiges über dich erzählt." Mit einem Lächeln auf den Lippen verbeugte sich Uruha höflich. "Hoffentlich nur Schlechtes...", brummte Reita in seinen nicht-existierenden Bart, so leise, dass es für seine Gegenüber unhörbar blieb, schob aber noch nach: "Schön dich kennen zu lernen, Uruha." Was natürlich glatt gelogen war. Aoi hatte Recht gehabt: Er sollte langsam wirklich aufhören so zynisch zu sein. Damit würde er nicht nur den anderen einen Gefallen tun, sondern auch sich selbst. Manchmal fühlte er sich wirklich schlecht wegen dem, was er so von sich gab oder was er bitterböse in seinem Hinterkopf dachte. Kein Wunder, dass niemand mit ihm befreundet sein wollte, so muffelig und unausstehlich wie er es war. "Lasst uns rein gehen. Der Unterricht fängt gleich an", warf Reita in ihre kleine Runde, nicht weil er so scharf auf das Gesülze seines Lehrers war, sondern ganz einfach weil er so schnell wie nur möglich von hier weg wollte. Da konnte man schon mal ein Opfer bringen wie z.B. pünktlich zur Unterrichtsstunde zu erscheinen. Die Augenbrauen so weit hochgezogen, dass sie unter dem schwarzen Haar verschwanden, blinzelte Aoi ihn an. "Was'n mit dir los?" "Gar nichts. Mir's... kalt." Boah, wie geil er lügen konnte. Das war ja schon fast Oscar-reif. "Es ist fast 20°C, aber von mir aus." Die Augenbrauen blieb dort, wo sie hin gewandert waren, aber Aoi gab Uruha einen Wink und beide trotteten Reita wortlos und ohne Widerworte hinterher, so dass es fast schon unheimlich war. Was sich jetzt auch immer zwischen Aoi und seinem neuen Kumpel abspielte, der sollte ja nicht glauben, dass er Uruha in ihre bisher immer nur aus zwei Leuten bestehende Gruppe integrieren konnte. Nein, so lief das hier nicht. Sie waren seit Jahren immer nur zwei gewesen. Und wenn Aoi sich nun bereits in seinem Kopf ein traumhaftes Dreiergespann ausgemalt hatte, dann sollte er von Reita aus bleiben wo der Pfeffer wächst. Drei waren einer zu viel und zwischen einem Reita und einem Aoi passte kein anderer mehr. Schon gar nicht so ein Uruha. Dann blieb er lieber alleine. Was auch scheiße wäre, weil Reita gänzlich unfähig war sich selbst zu erheitern, aber mit Uruha befreundet zu sein wollte er unter gar keinen Umständen. Warum wusste er selbst nicht. Doch etwas in ihm, das unaufhörlich wummerte sagte, dass er es nicht wollte. Nein. ~*~*~*~ Ein Ausredenkünstler war Reita schon immer gewesen. Hier und da eine Notlüge, war schon okay. Aber sich ständig heraus zu reden... irgendwann fand man sich wieder als jemand, der lieber flüchtete, das Handtuch warf, ohne es überhaupt probiert zu haben zu kämpfen. Aus Furcht vielleicht, sowieso nicht gewinnen zu können. Natürlich war das dumm, das wusste er selbst. Wegrennen war auch keine Lösung. Die Augen zu verschließen der größte Fehler, den man begehen konnte. Denn am Ende würde man feststellen, dass nichts geblieben war außer der ewig bohrenden Frage "Was wär gewesen wenn...?", nichts worauf man stolz sein konnte und gern drauf zurückblickte. Der Spruch "Wer nichts wagt, der nichts gewinnt" kam schließlich auch nicht von ungefähr. Aber Reita war zu schwach sich selbst aus seinem Sumpf zu ziehen, zu schwach sich zu ändern, wenn es nichts gab, von dem er sich sicher sein konnte, dass er es erreichen könnte, nichts das es wert war sich endlich zu erheben. Er war bemitleidenswert, oder? Obwohl er vielleicht noch nicht einmal dieses Mitleid verdient hatte. Doch in jedem Leben eines Menschen kam einmal der Punkt, an dem man eine zweite Chance bekam und sich wie aus dem Nichts neue Wege auftaten. Einem bot sich die Möglichkeit auf dem alten Weg fortzuschreiten oder sich auf den neuen, unbekannten Weg zu begeben. Dabei schien der noch unbekannte Weg verlockend und fast ein wenig zu schön, um wahr zu sein, dass auch mancher Mensch vor lauter Überraschung dann vergas rechtzeitig die richtige Richtung einzuschlagen. Aber die, die sich nicht blenden, wohl aber fesseln ließen, verstanden es auch ihre Füße einen Schritt vorwärts zu tun. Mut gehörte dazu, doch werden wir alle zu mutigen Kriegern, wenn wir etwas vor Augen sehen, dass so nah, greifbar scheint, dass es wirklich lohnt dafür zu kämpfen, etwas, dass uns Angst zum Fremdwort werden lässt. Und wenn wir diesen Punkt erreicht haben, eröffnen sich mitunter auch ganz neue Horizonte. Vielleicht kann man somit erklären, was Reita nun passieren würde. Man mag es Fügung des Schicksals nennen oder auch Zufall, vielleicht auch beides oder aber keines von beidem. Reita war nicht besonders wählerisch. Die ersten vier Stunden waren mehr oder weniger dahingerieselt wie klumpiger Sand durch eine Sanduhr. Reita hatte Uruha jetzt schon satt, konnte weder sein Lachen mehr hören noch sein Gesicht ertragen, während sich die Aoi-Pflaume köstlich zu amüsieren schien. "Kannst du mir vielleicht mal erklären, was du dir eigentlich dabei gedacht hast?! Weißt du, ich gebe mir ehrlich Mühe, dich zu verstehen, aber es tut mir Leid: Ich tu's einfach nicht!" Es war nun wieder die alte Leier: die von gestern. Doch gestern war Aoi auch mehr ausgewichen und hatte alles als Friede-Freude-Eierkuchen dargestellt. Es war aber rein gar nichts okay. Reita wollte eine vernünftige Erklärung dafür, was Aoi sich da am Wochenende geleistet hatte. Das er Uruha einfach zu dem Konzert "ausgeführt" hatte, auf das Reita bereits seit Monaten schielte, sein Kleingeld aber einfach nicht ausgereicht hatte. Aoi wusste doch wieviel ihm die Band bedeutete. Was war er für ein Freund ihn links liegen zu lassen? "Aoi, wirklich. Ich versuch es zu verstehen, aber ich kann's einfach nicht. Ich raff's einfach nicht!" Reita warf die Hände in die Luft und war in diesem Moment sehr glücklich, dass sie alleine unter ihrer Buche standen, ohne Lehrer, ohne Schüler und ohne Uruhas. Dieser hatte sich nämlich schnell noch zur Cafeteria aufgemacht und damit wohl auch die bessere Entscheidung getroffen. Zwischen Aoi und Reita flogen die Fetzen. Oder eigentlich war es mehr Reita der Feuer spuckte, Aoi schien nur wenig beeindruckt. "Da gibt's nicht viel zu raffen." Aoi hob die Schultern. "Ich kann nichts dafür, dass du scheinbar ein Problem mit Uruha hast." "Ich hab kein Problem mit Uruha! Ich hab nur ein Problem damit, dass du kein Problem mit ihm hast! Und ihm diese Sonderbehandlung verpasst!" "Bitte was? Das ist doch Schwachsinn." Lässig gegen den Baum lehnend zündete Aoi sich eine Kippe an. "Fakt ist, dass du mich hast sitzenlassen. Zweimal. Beabsichtigt. Das hast du noch nie gemacht und ja: Ich nehm es dir verdammt übel. So was macht man nicht. Das gehört sich nicht!" "Ach komm... so was aus deinem Mund..." "Was soll das nun wieder heißen?!" Es war unverkennbar, dass Reita immer aufgebrachter wurde. "Das hätte ich nicht erwartet, dass jemand wie du es überhaupt wagt von sitzenlassen und dass es sich nicht gehört zu reden. Gerade du." Aoi nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch aus seinem Mundwinkel wieder aus. "Ich hab keine Ahnung wovon du redest." "Jetzt stell dich nicht dumm, du hast Ruki fallen gelassen, weil du Angst hattest er könnte dich eines Tages fallen lassen, weil er dich nicht mehr braucht. Du hast ihn verlassen, bevor er dich verlassen konnte. Und das weißt du ganz genau. Aber so warst du schon immer. Verletzen bevor andere dich verletzten. Deine Art von Selbstschutz ist zum Kotzen." Reita biss sich auf die Lippe, so sehr, dass er bitteres Blut schmecken konnte. "Also mach dir nichts vor. Du bist keinen Deut besser als ich. Das ich dich versetzt hab ist halt so passiert. Ich hab es ganz einfach vergessen, dir Bescheid zu sagen. Es war nicht beabsichtigt, ich wollte es nicht und im Nachhinein tut es mir auch sehr Leid, dass ich dich so behandelt hab. Es war wirklich nicht meine Absicht. Aber du weiß ja, dass ich eine Erinnerung wie ein Sieb hab. Ich bin vielleicht ein zwielichtiger Typ, aber so einer, der es strategisch plant anderen wehzutun, so einer bin ich nicht. Und das solltest du eigentlich wissen. Wenn nicht, dann tut es mir Leid deine Zeit verschwendet zu haben." Aois Worte waren so klar, dass sie Reita einen Stich in die Brust versetzten. Sie schmerzten ihn. Er hatte ja Recht. Warum war er bloß so stur es nicht auch einzusehen, dass sein Freund Recht hatte? Er wusste es nicht. Reita wusste gar nichts mehr, nur dass er ein Idiot war. Einer der übelsten Sorte. Aoi schaffte es immer wieder, dass er sich schlecht fühlte. "Sorry..." Es fiel ihm unendlich schwer diese Worte über die Lippen zu bringen. "Du musst dich nicht entschuldigen", seufzte Aoi mit der Zigarette im Mund. "Bist ja nicht Schuld. Ich hab mich nicht richtig verhalten, nicht du. Ist irgendwie ganz klar, dass du eifersüchtig auf Uru bist. Musste aber nicht. Also hör auf den Kopf hängen zu lassen. Hab dir doch schon gesagt, dass hier keiner deinen Platz einnimmt und ich möchte, dass du mir das auch glaubst. Okay?" "Hmpf." Reita fühlte sich noch unwohler in seiner Haut. "Was 'hmpf'? Du musst mir schon sagen, was du willst." "Ich weiß es hört sich total bekloppt an, aber ich will dich nicht mit Uruha teilen. Ich will dich entweder ganz oder gar nicht." Teilen war noch nie seine Stärke gewesen. Schulterzuckend warf Aoi die Zigarette weg und trat sie mit der Schuhspitze aus. "Ganz ehrlich, ich kann es nicht nachvollziehen, warum du ihn nicht magst." "Das kann ich ja nicht mal selbst." "Warum gibst du ihm nicht einfach ne Chance?", fragte Aoi und versuchte ihn zu knacken. "Lass uns am Wochenende doch alle zusammen einen heben gehen und danach kannst du immer noch darüber entscheiden, was du von ihm hältst. Ist das n Vorschlag?" Eigentlich hatte Reita vorgehabt dieses Wochenende in Selbstmitleid zu ertrinken und sinnlosen Computerspielen nachzugehen. Mit den zwei Auszugehen schien auch nicht besonders spannender. "Maaah~ Okay." Aber er tat das nur, um Aoi einen Gefallen zu tun. "Cool!" Das Grinsen auf Aois Gesicht wurde breit und strahlend. "Mh." Der sollte sich jetzt aber bloß nicht einbilden, dass Reita dabei auch Spaß haben würde. "Und nur damit das klar ist: Ich bin nicht wieder dein wandelnder Geldautomat." "Schon klar!", lachte Aoi und machte damit ganz deutlich, dass es gerade durchs eine Ohr rein und durchs andere wieder rausgegangen war. Nur wenige Augenblicke später trat Uruha wieder zu ihnen und zusammen schlugen sie noch den Rest der Pause tot. Das zwar mit einer eher unangenehmen Stimmung wie Reita fand, aber er wollte sich nicht schon wieder darüber beschweren noch auslassen, wie außen vor und Fehl am Platze er sich vorkam. So ertrug er es stummschweigend, versuchte seinem Freund wegen sogar ein paar Worte mit Uruha zu wechseln, war jedoch überglücklich als es schellte und der Unterricht wieder anfing. Selten hatte er sich so auf den Unterricht gefreut, doch jetzt kam er ihm gerade Recht. Zu doof nur, dass er vergessen hatte, dass sie nun Biologie hatten. Natürlich fand die Stunde in einem speziellen Raum statt. Einem Raum, in dem Uruha noch nie zuvor gewesen war, denn er war ja neu. Somit war es schon fast klar, dass an den Zweiertischen jetzt auch ein Platz zu wenig war und es kam so wie es kommen musste. Der Lehrer schloss den Raum auf vor dem die Klasse bereits lärmend wartete und ließ sie herein. Das altbekannte Gedränge herrschte und jeder eilte mit seinem besten Freund zu einem der Tische und nahm Platz. Uruha setzte sich an einen der freien Tische, Aoi belegte sofort den Stuhl neben ihm. War ja klar. Es war doch so klar gewesen. Und nun? Nun stand Reita hier alleine, blickte drein wie bestellt und nicht abgeholt. Wie ein begossener Pudel. Wie ein Schluck Wasser in ner Kurve. Ganz toll. Wirklich. Er glotze Aoi an, der ihn wie ein Auto zurück anglotze. "Wie jetzt?!" Reita musste allen Erstes extrem viel Selbstbeherrschung aufbringen, um seinem Unmut nicht schon wieder lautstark Ausdruck zu verleihen. "Ach, komm schon Reita." Das schiefe Lächeln, das auf Aois Lippen auftauchte, nützte ihm auch nichts. "Ist doch nur für ne Stunde. Bist doch kein kleines Kind mehr. Stell dich nicht so an." Stell dich nicht so an?! Das brachte Reitas Geduldsfass nun wirklich zum überlaufen. Stell dich nicht so an, sagte der. Reita hatte aber allen Grund sich 'so anzustellen'! Verdammt noch mal! "Reita, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich nun auch setzen würdest." Der Lehrer war hinter ihm aufgetaucht und lächelte ihn aus müden Augen freundlich, aber bestimmt an. Noch einmal blickte er zu Aoi, der jedoch geschickt wegsah. Uruha rutschte etwas unruhig auf seinem Stuhl rum. Wahrscheinlich fühlte der sich jetzt schlecht. Sollte er auch. Mit einem leisen Laut der Empörung wandte Reita sich ab und suchte wohl oder übel nach einem neuen freien Platz. Er wurde schnell fündig; neben Ruki war noch etwas frei. Reitas Augen huschten noch einmal über alle Stühle des Klassenraums, fanden aber keinen weiteren unbesetzten, sondern nur die Augen des Lehrers, die ihm immer noch erwartungsvoll entgegenblickten. So blieb ihm also nichts anders übrig. Murrend schlurfte Reita rüber zu dem Platz neben Ruki, der sich etwas weiter vorne befand. Er wollte das eigentlich nicht tun - lieber hätte er auf dem Boden gesessen, aber das ging ja leider nicht. Neben Ruki sitzen zu müssen machte ihn noch wütender auf Aoi. Dummer Mistkerl, elende Ratte, treulose Tomate, puffloser Windbeutel... verdammichnoma. Voller Missmut schleuderte Reita seine Tasche auf den Boden und schmiss sich auf den Stuhl, ohne auch nur einmal Blickkontakt mit Ruki aufzunehmen. Er wusste, dass dieser am allerwenigsten daran Schuld hatte, dass Reita gerade vor Wut am liebsten in Trillionen Teile zerplatzen wollte, aber an irgendwem musste er es ja auslassen. Ruki neben ihm stöhnte. Ihm passte die Situation wohl auch gar nicht in den Kram. Sag danke zu der Flachpfeife da hinten, dachte Reita erbittert und warf sein Biobuch auf den Tisch. 45 Minuten. 45 lange Minuten ignorieren und Luft anhalten - so schwer konnte das doch nicht sein. Den Lehrer konnte er bereits ganz gut ignorieren, er hörte in nicht mal mehr. Das war gut. Dafür hörte er Ruki neben ihm, wie er begann Sachen mitzuschreiben, die diktiert wurden. Nicht gut. Wo war bloß der Schalter, mit dem man sein Gehör abschalten konnte? Und wenn man dabei war auch bitte gleich seine Gefühle. Hier und jetzt neben Ruki zu sitzen kam ihm so unwirklich vor, dass es ihn ganz plem-plem machte. Irgendwie schaffte es die Stimme des Lehrers dann aber doch nach über 30 Minuten des gekonnten Ignorierens an Reitas Ohren zu dringen. Ja, sie brachte ihn sogar dazu interessiert den Kopf zu heben. "Wie ich bereits letzte Woche erwähnt habe werden wir uns ab der nächsten Stunde eingiebig mit unserem neuen Thema und mit den Projekten beschäftigen, an denen ihr ab sofort zu zweit arbeiten werdet." Wie? Was? Moment, Projekte? "Die Wahl des Projektes steht euch dabei völlig frei. Bitte bedenkt nur, dass das Projekt auch geeignet sein und dem Sinne des Unterrichts entsprechen sollte. Da wir, wie gesagt, Zweiergruppen haben werden, schlage ich vor, dass jeder mit dem zusammenarbeitet, der gerade neben ihm sitzt." Es geschah ganz aus Reflex, ohne dass Reita es irgendwie steuern oder abwenden konnte: Er riss den Kopf ruckartig rum und starrte Ruki an, der ihn zu seiner Verwunderung ebenfalls voller Entsetzten angaffte. Reita fiel fast vom Stuhl. Rukis Gesicht war ihm so nah, die Farbe seiner weit aufgerissenen Augen so unglaublich dunkel. Hatte Ruki immer schon so ausgesehen? In dieser Sekunde vergaß er, warum er so blitzartig herumgewirbelt war. Sein Kopf war mit einem mal komplett leergefegt. "Ihr habt dafür genau einen Monat Zeit. Danach werdet ihr es der gesamten Klasse präsentieren." Reita kam immer noch nicht ganz mit. Es lag höchstwahrscheinlich an seinem derzeit nicht funktionierenden Gehirn. Er und Ruki... und ein Projekt? Zusammen? "Und ach ja, die erreichte Note wird ausschlaggebend für eure Endnote sein. Ich denke das ist alles." Wie alles? Entschuldigung, aber Reita hatte es immer noch nicht ganz begriffen. Das war doch nicht... Reita schluckte. Nur er und Ruki... sein alter Freund, mit dem er 2 Jahre einen kalten Krieg geführt hatte, den er sich noch nicht einmal anzusehen traute, geschweigedenn mit ihm an einem Projekt für die Schule arbeiten konnte. Das konnte doch nicht des Lehrers Ernst sein! "Herr Matsunaka!" Immer noch fixierten Reitas Augen Ruki, der gerade eben die Hand hoch gehalten und seine Stimme erhoben hatte. "Ja, Ruki? Noch Fragen?" "Ich... also..." "Ja?" "Ich... Ah... ach nichts." Als Ruki den Kopf schüttelte und ein verlegenes Lächeln nachsetzte, war Reita verwirrt. Hatte er nicht eben etwas sagen wollen? Reita war sich ganz sicher, dass er gerade Einspruch gegen die Zusammenarbeit mit ihm einlegen hatte wollen, aber warum hatte er es dann nicht auch getan? Wieso? Reita verstand es nicht. Noch während der restlichen, endlos wirkenden Minuten der Schulstunde verlor Reita Stück für Stück, mehr und mehr den Verstand. Das alles kam ihm vor wie ein schlechter Film oder wie ein absurder Albtraum. Es machte keinen Sinn, es ergab einfach keinen Sinn. Warum? Warum hatte Ruki Herrn Matsunaka nicht darum gebeten mit jemand anderem zusammenarbeiten zu dürfen? Mit Sicherheit hätte er ihn breittreten und sofort einen anderen Partner kriegen können, aber er hatte es nicht mal versucht. Warum? Und warum saß Reita jetzt neben ihm und wünschte sich er würde auch nur ein Wort in seine Richtung aufbringen können, anstatt nach wie vor wieder Löcher in die Luft zu starren? Warum?! War Reita denn einfach zu beschränkt es zu kapieren oder gab es hier schlichtweg nichts zu kapieren? AHHH~ Verdammt. Und wer hatte ihn in diesen ganzen Schlamasel reingefahren? Dieser Wasserkopf Aoi natürlich! So ein verdammter Mist aber auch. Das es klingelte, nahm Reita zuerst gar nicht richtig wahr. Erst als besagter "Wasserkopf" ihm die flache Hand auf die Schulter donnerte und auch Uruha wieder in seinem Blickfeld auftauchte, schreckte er benommen, aber wieder stinkwütend, aus seiner Trance hoch. "Na, ist doch ganz gut gelaufen!", grinste Aoi kackenfrech daher. "WAS?!" Aoi zeigte mit dem Daumen über seine Schulter auf Ruki, der schon aufgestanden war, sich an ihnen vorbei geschoben hatte und gerade versuchte in dem aufgekommen Gewusel das Klassenzimmer zu verlassen. "Na, das mim Ruki." "Sag mal, spinnst du?!" "Was denn?" "Ach, weißt du was, Aoi? Du kannst mich mal kreuzweise!!" Stocksauer packte Reita sein Zeug und schleuderte es zurück in seinen Rucksack, riss den Verschluss zu, griff die Tasche und dampfte ohne Aoi und seinen 'neuen besten Freund' noch eines Blickes zu würdigen einfach ab. "Was hat der denn?", hörte er Uruha noch verwundert fragen, bevor er das Zimmer verließ. Was er hatte?! Einen Nervenzusammenbruch hatte er hier! Wie konnte man nur so ignorant sein?! Was bildete sich Aoi eigentlich ein? Reita hatte die Schnauze gestrichen voll von ihm! Sollten er und sein minderbemitteltes Saufenkennenlernwochenende mit diesem Uruha ihm doch gestohlen bleiben! So aufgebracht, dass er gar nicht aufgepasst hatte, wohin er überhaupt hinstolzierte, machte sein Kopf wenige Sekunden später unfreiwillige Bekanntschaft mit dem eines anderen, in den er geradewegs hineingerannt war. Natürlich war es Ruki, den er in seiner blinden Wut angerempelt hatte. Und noch während Reita sich seinen nun schmerzenden Schädel rieb, wunderte er sich darüber, was er denn noch hier am Ende des Ganges zu suchen hatte. Hatte er etwa auf ihn... gewartet? Nein, bestimmt nicht. Aber in dem Raum war sonst niemand außer ihm und diesen Idioten gewesen, also... vielleicht doch? "Autsch..." Auch Ruki verzog das Gesicht und strich mit den Fingern über die wachsene Beule an seiner Stirn. Was lief Reita auch immer mit so herab hängendem Kopf rum... Das hatte er nun davon. Plus einen blauen Fleck mehr. "Scheint so, als würde es zur Gewohnheit werden, dass du mich ständig umrennst." Reita konnte damit nichts anfangen. Er konnte es noch nicht mal fassen, dass Ruki im Moment mit ihm redete, noch dazu in einem schon fast beängstigen freundlichen Ton. "Was? Ah, ach so... Tut mir echt Leid. Ich bin gerade etwas..." "Kopflos?" "Ja, das trifft's wohl am besten." Das Schweigen war schon beinahe peinlich. Aber was sollte man auch sagen, nach all dem, was hinter ihnen lag? Was hätte Reita schon sagen können, ohne nicht als noch größerer Trottel dazustehen als ohnehin schon? Froh darüber, dass Ruki zuerst das Wort ergriff, fischte Reita bei Gelegenheit auch seine bei dem Zusammenprall fallengelassene Tasche vom Flurboden. "Ich... also... Wir sind ja jetzt quasi Partner bei diesem Projekt und..." Reita hatte sich dazu entschlossen damit aufzuhören so verdammt eingeschüchtert und desorientiert zu erscheinen und sich ein Herz zu fassen. Sie waren ja schließlich (fast) erwachsene Menschen und bei Zeiten konnte man sich auch ruhig mal so benehmen. Das war natürlich auch leichter daher gesagt als letztendlich getan. "Du... meinst wie wir das regeln?" "Ähm, ja." "Am besten wär's wir treffen uns am Wochenende bei mir und überlegen uns ein Thema und fangen dann auch gleich an zu arbeiten." Obwohl etwas verwundert über Reitas plötzliche Festigung nickte Ruki bestätigend. "Wie wär's denn mit Samstag? Da hab ich Zeit. Wär das passend?" "Ja... ja, das wär super." Das Lächeln auf Rukis Gesicht jagte Reita zwar irgendwie Angst ein, aber es gab ihm auch etwas Hoffnung. Hoffnung auf was wusste er selbst nicht. Fakt war nur, es machte ihm Hoffnung. "Samstag so gegen 4, bei dir dann... okay?" "Ja, okay." Ruki nickte ein weiteres Mal. Dann wandte er sich um, öffnete die Gangtür und sah Reita noch mal an. "Okay..." Und dann ging er ganz einfach. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, während Reita ihn noch durch das Glas weggehen sehen konnte. Ja, alles war okay... Alles war okay. Alles war bester Ordnung. Nur, dass Reita sich gerade ein weiteres Mal ganz, ganz tief in die Scheiße geritten hatte. Aber sonst war wirklich alles okay. KAPITEL ZWEI ~ENDE~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)