Bis(s) in den Tod von BabyG2005 ================================================================================ Kapitel 12: Eine Seele für Jedermann ------------------------------------ Menschen leben, Menschen sterben. Das ist der Lauf der Natur. Doch was geschieht dazwischen? Was passiert mit der Seele nach dem Tod? Shana hatte sich noch nie mit Seelen oder anderen übernatürlichen Kram beschäftigt, doch das sollte sich bald ändern. „The Kill Birds“ wurden wahrscheinlich unter Vertrag genommen und probten deswegen neue Stücke ein. Oder sie versuchten einen neuen Hit zu landen. Was auch immer es war, sie gingen Shana tierisch auf die Nerven. Sie zog sich das Kissen über den Kopf, doch das Gezwitscher verstummte nicht. Sie knurrte übellaunig, als sie unter ihrem Lärmschutz hervorlugte und auf den Wecker sah. Es war erst 7:00 Uhr morgens. Sie hatte gerade mal fünf Stunden geschlafen. Sie holte ihren Kopf unter dem Kissen hervor und drückte ihr Gesicht dann in die weichen Daunen. Ein merkwürdiger Geruch stieg ihr in die Nase. Duschgel und ein etwas süßlicher Geruch, den sie nicht genau definieren konnte. Obwohl ihr dieser Geruch irgendwie auch bekannt vorkam. Shana überlegte einen Moment und sprang plötzlich wie vom Affen gebissen aus dem Bett, verfing sich in ihrer Decke und fiel der Länge nach hin. Ethan hatte in ihrem Bett geschlafen und sie hatte vergessen, es abzuziehen. Das war Ethan, den sie da gerochen hatte. Sie schnupperte an sich und sie roch tatsächlich leicht nach Ethan. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust. Warum kam ihr das so unkeusch vor? Es war irgendwie verrucht und verboten. Was denkst du dir da eigentlich wieder für einen Schwachsinn zusammen?, dachte sie verwirrt. Ein Gutes hatte es zumindest. Sie war wach. Und da Shana jetzt relativ klar im Kopf war, fiel ihr auch die letzte Nacht wieder ein. Sie lag nach wie vor auf dem Boden und hob ihre linke Hand vor ihr Gesicht. Das Blut auf dem Ring war schon längst getrocknet und hob sich leicht von dem Schwarz des Ringes ab. Mika hatte ihr zwar das ein oder andere Mal Schmuck geschenkt, aber Shana trug es nicht. Wer legte schon Schmuck für mehrere 10000 Yen an? Sie hatte viel zu große Angst den Schmuck zu beschädigen oder zu verlieren. Doch mit diesem Ring hier war das etwas anderes. Es fühlte sich so an, als ob der Ring genau an ihren Ringfinger gehörte. Es fühlte sich so richtig an. Shana lächelte. Endlich etwas, was ihr wirklich gehörte. Sie ließ ihre Hand wieder sinken und starrte an die Zimmerdecke. Die gestrigen 24 Stunden waren einfach nur verrückt gewesen. Sie musste an Yue denken. Sie war vermutlich ein klein wenig verknallt in ihn, auch wenn sich das kindisch anhörte. Dabei kannte sie ihn noch nicht mal. Doch er war wirklich nett zu ihr gewesen. Er hatte sie nicht Monster geschimpft, als sie den Kuss auf so unprofessionelle Weise verpatzt hatte. Und er wollte sie auch noch wieder sehen. Es war schon komisch. Sie hatte schon gedacht, dass sich kein männliches Wesen je für sie interessieren würde und dann so was. Aber erstmal müsste sie ein Treffen mit ihm ausmachen. Ihr Blick glitt zu dem silbernen Handy, welches immer noch auf ihrem Nachttisch lag. Wie hatte Chris es überhaupt hierher bringen können? Der Einzige, der letzte Nacht bei ihr war, war Ethan gewesen. Als Shana an den schlecht gelaunten Vampir dachte, fing ihr Körper an zu zittern. Er war furchtbar wütend auf sie gewesen. Aber sie hatte doch nichts getan. Außer, dass sie die Truhe der Wächterin geborgen und sie diese komische Sache mit dem Ring gemacht hatte. Und das hatte sie unbewusst gemacht. Es war, als ob jemand ihren Körper übernommen hätte und sie diese Dinge hat tun lassen. Moment mal! War es das gewesen? Die Tatsache, dass sie jetzt offiziell Wächterin war? Plötzlich erinnerte sie sich an ein Gespräch mit Ethan. Er hatte gesagt, er hasste Wächterinnen. Egal, wer diese Bürde auf sich nahm. War das wirklich der Grund für seinen Zorn? Ethan musste etwas über Wächter wissen. Immerhin war er es, der geholfen hatte, dass Shana den Schlüssel ablegen konnte. Nur warum hatte er Rowen oder den anderen gegenüber nie etwas gesagt? Er erzählte ihnen anscheinend doch sonst auch alles. Irgendwas musste da im Busch sein. Doch Shana würde dem nicht auf den Grund gehen – Oh nein. Niemals! Sie würde ihren Job als Wächterin machen, so gut sie eben konnte. Wenn das erledigt war, würde sie mit dem ganzen Kram nichts mehr zu tun haben. Sie würde sich mit Chris, Jay und Rowen treffen, aber das war’s dann auch. Ethan und Hunter würde sie bestimmt nicht mehr wieder sehen. Und mit Hawk hatte sie praktisch nichts zu tun. Ihm wäre es sicher egal, wenn sie sich nicht mehr sahen. Ganz so einfach sollte es dann doch nicht werden, aber das wusste Shana bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie stand auf und nahm das Handy zur Hand. Sie klappte es auf und schaute sich die Einstellungen an. Als sie zum Adressbuch kam, sah sie, dass die Nummern von allen Mitgliedern des Clans eingespeichert waren. Wobei sie sich fragte, warum Hawk ein Handy hatte, wenn er nicht sprach. Und die Nummer von Ethan und Hunter würde sie sicher nicht anwählen. Trotzdem löschte Shana sie nicht. Sie speicherte noch einige andere Nummern ein. Darunter die von Mika und die von Yue. Sie hätte ihm gerne eine sms geschrieben, um ihn viel Glück für seine Klausur zu wünschen, aber sie wusste nichts über die Konditionen. Wie teuer waren sms oder Telefonate? Oder war es sogar mit Vertrag und sie musste Grundgebühren bezahlen? Das hätte Chris doch mal erwähnen können. Sie klappte das Handy wieder zu und legte es neben den Schlüssel. Es klebte immer noch ihr Blut an ihm. Sie würde Rowen nachher fragen, was sie damit jetzt anfangen sollte. Wegwerfen wollte sie ihn nicht, obwohl sie eine persönliche Abneigung gegen diesen Schlüssel entwickelt hatte. Da Rumsitzen sie nicht weiter brachte und an Schlaf nicht mehr zu denken war, ging Shana ins Badezimmer und nahm erstmal ein ausgiebiges Bad. Nachdem sie sich angezogen hatte, zog sie ihr Bett ab. Sie wollte Ethan nie wieder mit einem Bett in Verbindung bringen. Als sie frische Bettwäsche aufgezogen hatte, ging sie einkaufen, da im Kühlschrank gähnende Leere herrschte. Das dauerte bis zum Mittag. Und als Shana dann Hunger bekam, genehmigte sie sich eine Portion Ramen bei Suoshi. Als sie dann zu Hause war, klingelte auch schon das Telefon. „Bei Minabe.“, meldete sich Shana. „Und wie war es noch mit Yue?“ „Hallo Mika.“ „Ich will Einzelheiten.“ „Er hat mich nach Hause gebracht. Mehr war da nicht.“ „Shana! Zwing mich nicht, Yue persönlich zu fragen!“ Na toll. Das wollte Shana auf jeden Fall verhindern. „Es war nett mit ihm.“ „Und weiter?“ „Wir haben uns unterhalten.“ „Über was?“ „Dies und das.“ „Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“ Shana seufzte und erzählte Mika eine geschönte Kurzfassung. „Und er wollte dich nicht küssen?“, fragte Mika dann, als Shana geendet hatte. Wie gesagt. Eine geschönte Kurzfassung. „Nein.“, wich sie aus. „Schade. Ihr wärt das perfekte Paar.“ „Nun übertreib mal nicht.“ „Und mach du dich nicht so schlecht. Wäre das nicht cool? Ich meine, wenn meine beste Freundin mit dem besten Freund meines Freundes zusammen wäre?“ „Was soll daran cool sein?“ „Na überleg doch mal.“, fing Mika an und hielt geschlagene zehn Minuten einen Monolog über die Vorteile solch einer Verbindung. Shana hörte wie immer nicht zu und schenkte ihre Aufmerksamkeit dem Ring der Wächterin. Warum war er eigentlich schwarz gewesen? Hatte das eine besondere Bedeutung? Woher wusste sie, was sie tun musste? Sie erinnerte sich an das erste Mal, als Ethan bei ihr zu Hause war. Als er ihr versuchte klar zu machen, dass sie die Wächterin war und es Vampire wirklich gab. Da hatte sie auch so ein komisches Gefühl gehabt. Nannte Ethan es nicht auch Seele der Wächterin? War es das gewesen? Yamamoto Makoto, die kurzzeitig ihren Körper übernommen hatte und die Sache mit dem Ring getan hatte? Die Vorstellung war gruselig. „Shana?“, drang die Stimmte von Mika auf einmal zu ihr durch. „Äh… was?“ „Du hast mir nicht zugehört oder?“ „Den Anfang habe ich noch mitbekommen.“ „Willst du mich ärgern?“ „Das würde ich doch nie wagen.“ „Von wegen!“ „Du Mika. Ich wollte mir gerade etwas zu Essen machen.“ Glatte Lüge, aber sie wollte die Unterhaltung beenden. „Okay. Ich verstehe schon. Aber halte mich wegen Yue auf dem Laufenden, ja?“ „Du bist die Erste, wenn es etwas Neues gibt.“ Nachdem Shana aufgelegt hatte, machte sie sich einen gemütlichen Nachmittag vor dem Fernseher. Shana schreckte von irgendeiner Soap auf, als es plötzlich an der Tür klingelte. Langsam stand sie auf und ging zur Tür. Wer konnte das nur sein? Leider konnte sie nicht erkennen, wer es war, da es an einem Spion mangelte. „Wer ist da?“, fragte sie durch die geschlossene Tür. Seit der Sache mit den Werwölfen war sie vorsichtiger geworden. „Ich bin es, Chris.“, kam es gedämpft als Antwort. Chris? Und das an der Tür? Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass um diese Zeit die Sonne schon untergegangen war. Vorsichtig öffnete sie die Tür und es war tatsächlich Chris. Doch was machte sie hier? Dann fiel ihr aber ein, dass Ethan, dieser nachtragende Vampir, bestimmt immer noch sauer auf sie war. Und das würde sich sobald vermutlich auch nicht ändern. „Hey.“, sagte Shana und trat zur Seite, um Chris Einlass zu gewähren. Doch sie rührte sich nicht. „Bist du fertig? Rowen erwartet dich.“ Shana runzelte die Stirn. Warum war sie so distanziert? Was war aus der Chris geworden, die sie immer so überschwänglich in die Arme schloss? „Ähm.. einen Moment.“ Shana ging rasch nach oben und holte ihre Umhängetasche, die sie schon vorher gepackt hatte. Nachdem sie sich Schal, Mantel und Schuhe angezogen hatte, kletterte sie auf Chris’ Schulter und sie erhoben sich in die Luft. Während des Weges zum Friedhof schwiegen sie. Auch das war nicht normal. Und auch als sie nebeneinander herliefen und sich auf den Weg zur Gruft machten, schwiegen sie beharrlich, was Shana auf die Nerven ging. „Habe ich dir irgendwas getan?“, platzte sie einfach heraus. „Nein. Warum?“ „Weil du so tust, als ob ich Luft wäre.“ „Das hat nichts mit dir zu tun.“ „Ach, bitte. Seit wir die Truhe geborgen haben, benimmst du dich irgendwie merkwürdig.“ Chris seufzte und blieb, so wie auch Shana, stehen. „Es ist nur… Ethan ist seit gestern Nacht nicht mehr aufgetaucht.“ „Was?“ Ein Ruck ging durch Shana’s Körper. Warum machte sie sich Sorgen? Blöde, blöde Shana. „Es ist ja nicht so, dass er nicht öfters mal verschwindet, aber sonst sagt er Bescheid oder ist zumindest auf seinem Handy zu erreichen. Ich mache mir Sorgen um ihn.“ Shana wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Stattdessen legte sie Chris die Hand auf die Schulter. Sie wusste nicht, dass Chris eine so tiefe Verbindung zu Ethan hatte. „Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe.“ „Schon gut.“ Sie lächelte. „Du konntest es ja nicht wissen.“ Plötzlich hatte Shana eine Idee. „Ist sein Handy aus oder geht er nur nicht ran?“ „Er würde es nie ausschalten.“ Shana sah, dass Chris nicht genau wusste, worauf sie hinauswollte, obwohl es doch offensichtlich war. Und bevor Chris fragen konnte, hatte sie in ihrer Tasche gewühlt und ihr neues Handy herausgeholt. „Danke übrigens dafür.“ „Kein Problem. Du brauchtest eins.“ „Du musst mich dann nachher mal über die Konditionen aufklären.“ Shana klappte das Handy auf, tippte kurz etwas herum und führte es dann an ihr Ohr. Sie brauchte auch nicht lange zu warten. „Jetzt hör mir mal gut zu, du dämlicher Vollidiot!“, schrie sie schon fast ins Handy. „Ich weiß nicht, was dein Problem ist und im Grunde interessiert es mich auch nicht. Egal, was es ist, du kannst nicht einfach so abhauen! Es gibt Leute, die sich Sorgen um dich machen. Und keine Angst. Mir ist egal, was aus dir wird. Benimm dich nicht so kindisch und blöd! Beweg dich gefälligst hierher und entschuldige dich bei deinem Clan für dein respektloses Verhalten, Blödmann!“ Dann klappte sie das Handy wieder zu. „Hast du gerade mit Ethan geredet?“, fragte Chris ein wenig schockiert. „Was denkst du denn? Ein Wunder, dass er meinen Anruf nicht einfach ignoriert oder mittendrin aufgelegt hat.“ „Hat er etwas zu dir gesagt?“ „Weiß nicht. Habe vorher aufgelegt. Wahrscheinlich hätte er mich eh nur beleidigt und darauf kann ich verzichten.“ Chris lachte und umarmte Shana. „Ich bin froh, dass wir dich gefunden haben.“ „Das ist zwar zuviel der Ehre, aber danke.“ Sie lachten und setzten ihren Weg fort. „Von was für Konditionen hattest du eigentlich gerade gesprochen?“ „Na wie teuer der Handyvertrag, sms und Telefonate sind. Soviel Geld habe ich nämlich nicht zur Verfügung.“ „Dich kostet es nichts.“ „Was?“ „Das Handy war ein Geschenk und um die Kosten brauchst du dich nicht zu sorgen.“ „Ich kann euch das doch nicht bezahlen lassen.“ „Doch, das kannst du. Wir haben eine Menge Geld so was sammelt sich mit den Jahren und den richtigen Investitionen einfach an. Benutz das Handy so oft und soviel du willst. Und mach dir über die Rechnung keine Sorgen.“ „Das kann ich doch nicht annehmen.“ „Du kannst und du wirst. Sonst werde ich ernstlich böse. Außerdem hast du Ethan die Meinung gesagt, wofür ich dir dankbar bin.“ Shana lächelte. „Danke.“ „Nicht der Rede wert.“ Sie betraten die Gruft und nachdem Shana Jay und Hawk begrüßt hatte, ging sie zu Rowen. Als Shana sein Arbeitszimmer betrat, empfing er sie herzlich. „Sei mir willkommen.“ „Hallo, Rowen-san. Wie geht es dir?“ „Sehr gut. Danke der Nachfrage. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich dir alles zu berichten habe.“ Doch, das konnte sie sogar sehr gut. „Du hast also in den Büchern gelesen?“, vermutete sie. „Es sind nicht nur einfach Bücher, sondern Tagebücher.“ „Aha.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein. So ganz konnte sie seine Leidenschaft für Bücher eben nicht teilen. Rowen lächelte sie an und bat Shana, platz zu nehmen. „Bevor wir anfangen- Möchtest du einen Tee?“ „Ich wäre dankbar dafür.“ Ihr Mantel war zwar warm, aber gegen etwas Heißes hatte sie nichts einzuwenden. Rowen nickte und verließ den Raum. Shana schaute sich die Bücher -Verzeihung- Tagebücher an. Zwar interessierten Bücher sie nicht, aber sie war trotzdem gespannt, was diese Tagebücher hervorbringen würden. Ihr Blick heftete sich auf den Dolch, der mitten auf dem Schreibtisch lag. Im Schein der Kerzen schimmerte er verlockend. Ohne, dass sie es sich wirklich bewusst war, griff sie danach. Sie drehte und wendete den Dolch, um ihn genau in Augenschein zu nehmen. Ihr war der Schmerz, den sich damit zugefügt hatte, als sie sich in den Finger geschnitten hatte, nur noch wage bewusst. Bei genauerer Betrachtung sah sie noch ihr Blut an der Klinge kleben. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Nichts, wie immer. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Vielleicht gaben die Tagebücher ja Aufschluss über ihr Verhalten in der letzten Nacht. Sie grübelte noch ein bisschen über die vergangenen Ereignisse, als Rowen mit zwei dampfenden Tassen Tee wieder den Raum betrat. Dankend nahm sie ihre Tasse grünen Tee entgegen. Rowen setzte sich ihr gegenüber an seinen Schreibtisch. „Du scheinst von dem Dolch fasziniert.“, bemerkte er. Shana zuckte zusammen und legte den Dolch wieder auf den Tisch. Ihr war gar nicht bewusst, dass sie ihn immer noch in der Hand hielt. Sie nickte Rowen zu und versteckte ihren roten Kopf hinter der Tasse, indem sie vorgab, zu trinken. Wie peinlich. Rowen lachte. „Es muss dir nicht unangenehm sein. Es ist ganz natürlich, dass du dich zu dem Dolch hingezogen fühlst.“ Shana antwortete nicht. „Es ist dir sogar bestimmt, den Dolch bei dir zu tragen. Also nimm ihn bitte an dich.“ Rowen seufzte, als Shana sich immer noch nicht rührte. „Also… dann erzähl mal.“ Sie wollte das Thema von dem Dolch ablenken. Rowen ging auf die Ablenkung ein und fing an zu strahlen. „Sehr gerne.“ Er wühlte in den Tagebüchern, die überall auf seinem Schreibtisch verstreut lagen und zog eines heraus. Es war ziemlich alt und in Leder gebunden. An den Seiten waren die Blätter schon ganz gelb und angefressen. Als Rowen es aufschlug und im Begriff war, daraus vorzulesen, hob Shana die Hand. „Bitte, Rowen-san. Eine kurze Zusammenfassung reicht mir. Ich glaube auch nicht, dass ich es verstehe, wenn du es mir in der Originalfassung vorliest.“ Rowen schien ein wenig enttäuscht, doch er respektierte ihren Wunsch. Er räusperte sich. „Nun…“, begann er und stoppte. Da er sich darauf vorbereitet hatte, vorzulesen, brauchte er einen Moment um einen Anfang zu finden. „Das erste Tagebuch und somit auch der erste Beweis einer Wächterin, lässt sich im Jahre 1463 verzeichnen.“ „Aber gab es Vampire nicht schon vorher?“, unterbrach Shana ihn. Rowen nickte. „Schon vorher gab es Vampire, und auch Werwölfe. Doch es waren noch nicht sehr viele, sodass sie eine Wächterin benötigt hätten. Tatsächlich werden Vampire erst mit dem Jahre 1767 in Verbindung gebracht. Wann allerdings der erste Vampir entstand, lässt sich leider nicht genau sagen. Ich habe Aufzeichnungen, in denen Vampire schon zu Lebzeiten Jesu existierten. Aber ich denke, darüber berichtete ich dir ein anderes Mal.“ Shana nickte zur Bestätigung. Außerdem war die Wächtersache gerade interessanter und auch wichtiger für sie. „Erzähl weiter.“, bat sie ihn. Rowen lehnte sich in seinem Stuhl zurück und rückte seine Brille zurecht. „Die erste Wächterin hieß Romia und lebte in Prag auf dem Land. Wie auch alle weiteren folgenden Wächterinnen, wusste sie nicht, welches Schicksal sie ereilen würde. Damals war es in Prag üblich, Seelen zu erhalten.“ Shana verschluckte sich fast an ihrem Tee bei dieser Aussage. „Seelen erhalten?“ Hatte sie das richtig verstanden? „Ja. Du kennst doch sicher den Aberglauben, dass Katzen 9 Leben haben. Und mit jeder großen Gefahr oder Fast-Todeserfahrung verlieren sie ein Leben. Und das glaubten die Menschen damals auch. Wenn man z.B. hingefallen war oder sich verbrannt hatte, glaubte man, einen Teil seiner Seele verloren zu haben. Trat so ein Fall also ein, ging man zur Dorfheilerin und ließ sich eine neue Seele geben. Romia war in dieser Hinsicht ein besonderer Fall. Sie war der größte Tollpatsch im Dorf und war meist bis zu dreimal täglich bei der Dorfheilerin um sich eine Seele geben zu lassen. Dadurch war sie mit ihren 17 Jahren auch noch nicht verheiratet. Keiner wollte einen Trampel zur Frau nehmen. Jeder im Dorf spottete über sie und nannte sie Seelenfresserin, weil sie so viele Seelen benötigte. Es war eher eine Verkettung unglücklicher Zufälle, dass sie zur Wächterin wurde. Und alles nur wegen der Seelen.“ „Wie das?“ „Es begann damit, dass ein Reisender in ihr Dorf kam. Er war ein stattlicher Mann und von blendender Schönheit. Er war auf der Durchreise und wollte nur für einen Tag im Dorf bleiben, um sein Pferd zu tränken und sich auszuruhen. Wohin genau er reisen wollte, war in dem Tagebuch nicht verzeichnet. Sein Name war Sarej.“ Shana fing leicht an zu zittern. Irgendwas schien ihr der Name zu bedeuten, sie wusste nur nicht, was. Rowen schien ihre innere Unruhe nicht zu bemerken und fuhr fort. „Alle Frauen waren hin und weg von Sarej. Jede wollte seiner Geschichten lauschen und sich in seinem Antlitz baden. Romia hatte am Morgen zwar von ihm gehört, doch sie hatte Pflichten im Hause ihrer Eltern zu erfüllen und konnte so nicht in den Genuss kommen, den Reisenden in Augenschein zu nehmen. Sie wäre zu gerne in die dunkle Schenke gegangen um einen Blick auf Sarej zu werfen, doch es war ihr nicht vergönnt. Aber es war auch ganz gut so, denn Romia fühlte sich als nicht hübsch genug, um einen Mann unter die Augen zu treten. Es war später Nachmittag, als Romia mal wieder zur Dorfheilerin musste, weil sie vom Schemel gefallen war. Die Dorfheilerin, musst du wissen, wurde von allen nicht sonderlich gemocht, da sie ziemlich gemein sein konnte. Außerdem hatte sie übernatürliche Kräfte. So was machte den Leuten dieser Zeit immer Angst. Nur Romia kam mit ihr aus.“ „Kein Wunder. Sooft, wie sie da war.“ Rowen lachte. „Wohl wahr. Die Dorfheilerin stöhnte wie üblich über die Tollpatschigkeit von Romia, doch das schöne Gesicht des Mädchens ließ sie erweichen und sie war mal wieder bereit ihr eine Seele zu geben. Das Ritual war recht simpel. Man brauchte nur eine Kerze, einen Kessel und einige geweihte Kräuter, um das Tor der Toten zu öffnen, damit man eine Seele fordern konnte. Man verbrennt diese Kräuter in dem Kessel und pustet dann gleichzeitig die Kerze aus. Der Rauch, der dann durch das Verbrennen und Verlöschen entsteht, stellt dann die neu gewonnene Seele dar.“ „Also war es nur Humbug?“ Rowen zuckte mit den Schultern. „Die Leute damals glaubten daran. Und solange man daran glaubt, ist es für einen real.“ Er nahm einen Schluck Tee, ehe er wieder weiter sprach. „Diesmal jedoch ging etwas schief. Eine Fledermaus flatterte durch den Raum. Romia erschrak dadurch und stieß dann einige andere Kräuter um, die dann zusammen mit der Kerze in den Kessel fielen. Der Inhalt explodierte und Romia war dadurch ganz mit Ruß verdreckt. Die Dorfheilerin war erzürnt und schickte Romia fort. Das Mädchen fühlte sich seltsam. Irgendwie nicht so wie sonst. Ein wenig verwirrt machte sie sich auf den Weg nach Hause und traf zum ersten Mal auf Sarej. Er war mit den Frauen aus dem Dorf unterwegs und als diese Romia erblickten, fingen sie an zu lachen und schimpften sie als Seelenfresserin. Sarej war wirklich, wie die anderen Frauen im Dorf gesagt hatten, wunderschön und edel. Und was war mit ihr? Ihr Haar war verfilzt und ihre Kleider und ihr Gesicht waren schwarz. Unterschiedlicher hätten sie nicht sein können. Doch Sarej war fasziniert von Romia. Er ließ die bildhübschen Frauen stehen, mit denen er einen Spaziergang gemacht hatte und geleitete Romia nach Hause. Normalerweise schickte sich so etwas nicht, doch es war ihnen egal. Von da an trafen sie sich jeden Abend. Sarej verwarf sein Vorhaben zu reisen und blieb im Dorf. Da Romia Pflichten hatte, trafen sie sich immer nach Sonnenuntergang. Romia veränderte sich. Von Tag zu Tag wurde sie nicht nur hübscher, sondern auch geschickter. Ihr Haar und ihre Haut glänzten und sie musste nicht mehr zur Dorfheilerin um nach einer Seele zu verlangen. Auch ihr Wesen wurde nobler. Sie drückte sich gewählter aus und bewegte sich anmutig. Sie gewann ebenfalls an Selbstvertrauen. Vorher hat sie sich von allen alles gefallen lassen. Doch nun erhob sie ihre Stimme und verteidigte sich. Romia konnte sich diese Veränderung nicht erklären. Vielleicht lag es ja daran, das sie versuchte, Sarej zu gefallen und strengte sich deswegen an. Doch auch wenn beide glücklich schienen, erging es dem Dorf nicht so. Eine Art Mordwelle ging durch das Dorf. Fast jede Nacht wurde ein Toter aufgefunden. Noch brachte niemand Sarej mit den Morden in Verbindung, doch nach zwei Wochen eskalierte es.“ Rowen machte eine kleine Pause. Shana ärgerte sich darüber, da sie diese Geschichte wirklich fesselte. Nachdem er sich noch etwas von seinem Tee genehmigt hatte, begann er erneut. „Du musst wissen, dass Romia wusste, dass Sarej kein Mensch war. Er sagte es zwar nicht, aber sie konnte es fühlten. Sie spürte, dass er nicht so war, wie andere Menschen. Trotzdem liebte sie ihn. Es war eine Art tiefes Band, welches die beiden geknüpft hatten und sie fest aneinander band. Eines Nachts gestand auch Sarej sich die Liebe zu Romia ein und offenbarte ihr, dass er ein Vampir war.“ Shana schluckte. Eigentlich wollte sie etwas sagen, doch sie wollte Rowen nicht ein weiteres Mal unterbrechen. „Obwohl Romia wusste, was Vampire waren, liebte sie ihn und klagte ihn nicht an. Sarej war nicht nur erleichtert, sondern seine Liebe zu Romia wuchs dadurch noch. Ihre Toleranz gab ihm Mut und er machte ihr einen Antrag, den Romia nur zu gerne annahm. Der Ring, den du an einer linken Hand trägst, war er Verlobungsring.“ Shana starrte den Ring an. Das konnte doch nicht sein. Und sie hatte ihn sich auch noch links übergestreift. Das Zeichen für Verlobung. Sie legte ihre rechte Hand über die linke und sah Rowen an. Er nickte nur. „Nur leider waren sie nicht ungestört und jemand hörte ihr Gespräch mit. Die Nachricht, dass Sarej ein Vampir war und Romia sich mit ihm verbünden wollte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. So dauerte es nicht lange und Sarej wurde der Morde angeklagt. Das ganze Dorf hatte sich mit Fackeln und Heugabeln auf dem Marktplatz versammelt und forderte den Tod von Sarej. Romia stellte sich schützend vor ihn und gab an, dass er von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang mit ihr zusammen war. Doch die Dorfbewohner glaubten ihr natürlich nicht. Immerhin war sie mit ihm verlobt. Romia wollte, dass Sarej floh, doch er wollte nicht ohne sie sein. Sarej hatte bereits seine Vampirgestalt angenommen und wollte die Dorfbewohner töten, die seiner Romia Leid zufügen wollten, als Wolfsgeheul das Treiben zum Stillstand brachte. Ein Rudel von fünf sehr großen Wölfen versammelte sich auf dem Marktplatz. Noch nie hatte man so riesige Wölfe gesehen und es war sofort klar, dass es sich nur um Werwölfe handeln konnte. Die Dorfbewohner wichen vor dieser Bedrohung zurück, doch die Werwölfe wollten nur Sarej. Er war schon seit längerer Zeit auf der Flucht vor ihnen und nun hatten sie ihn endlich gefunden. Sarej wollte sich zum Kampf stellen, doch Romia wusste, dass er schwach war. Er hatte schon mehrere Nächte kein Blut mehr zu sich genommen. Deswegen zog Romia seinen Dolch - nebenbei bemerkt der Dolch hier auf dem Tisch - und schnitt sich die Pulsadern auf. Sie hielt ihm ihr blutendes Handgelenk hin und flehte ihn an von ihr zu trinken. Sarej haderte mit sich, doch er musste ihr Blut trinken, sonst waren sie alle verloren. Also senkte er seine Lippen um die Wunde und trank, soviel er Romia zumuten konnte. Danach hauchte er ihr einen blutigen Kuss auf die Lippen und stürzte sich in den Kampf. Durch ihr Blut war er stärker denn je. Er konnte drei der Werwölfe vernichten, bis er selbst schwer verletzt wurde und dem Tode nahe war. Die verletzten, aber noch lebenden Werwölfe hatten genug und zogen sich zurück. Romia konnte nicht glauben, dass ihr unsterblicher Geliebter dahin scheiden sollte. Doch bevor Sarej starb, sagte er etwas sehr wichtiges zu ihr.“ Rowen nahm dann doch das Tagebuch zur Hand und blätterte bis zur entsprechenden Stelle um daraus vorzulesen. „Meine Geliebte. Teuerste Romia. Höre auf die Wallungen deines Blutes und folge dem Weg der Unsterblichen. Gebe ihnen deinen Lebenssaft, um sie zu stärken. Sei ihre Wächterin, damit sie im Kampf gegen die Wolfsbrut bestehen können.“ Rowen schlug das Tagebuch zu. „Dann starb er. Da die Dorfbewohner in Romia eine Hexe und Verbündete der Vampire sah, verbrannten sie sie noch in derselben Nacht. Doch Romia nahm ihren Todesspruch widerstandslos hin. Sie wollte ihr Leben nicht ohne Sarej fristen. Sie gab den Ring und den Dolch der Dorfheilerin, die ihr das letzte Gebet abnahm. Sarej hatte mit seinen Worten verständlich gemacht, was zu tun war. Romia bat die Dorfheilerin, diese Geschichte in ihren Namen nieder zu schreiben. Die Dinge, die Romia von Sarej bekommen hatte, sollten zusammen mit der Niederschrift in einer Truhe vergraben werden. Sie wünschte, dass man sie in der Nähe der Truhe begrub. Um die Truhe zu beschützen, sollte die Dorfheilerin einen Schlüssel fertigen, der nicht nur die Truhe, sondern auch die angehende Wächterin selbst, beschützt. Denn Romia wusste nur zu gut, dass die Dorfheilerin eine richtige Hexe war. Den Schlüssel sollte sie dem nächsten Vampir überreichen, der das Dorf betrat und auf der Suche nach der Wächterin war. Der Vampir würde dann schon wissen, was zu tun war. Während Romia auf dem Scheiterhaufen brannte, befahl sie ihrer Seele, aus ihrem Körper zu fahren und das nächste Mädchen zu suchen, dass die Bürde der Wächterin tragen sollte. Die Dorfheilerin tat, was Romia ihr aufgetragen hatte und betete, dass bald ein Vampir kommen würde, da sie den Schlüssel und auch die Truhe loswerden wollte. Es dauerte einige Jahre, bis ein Vampir kam, der wahrhaftig auf der Suche nach der Wächterin war.“ Shana war noch nie ein Fan von Kitsch gewesen, aber das war die schönste Geschichte, die sie je gehört hatte. Auch Rowen schien tief berührt davon. „Ich trage eine ziemliche alte Seele in mir. Und den Verlobungsring von Sarej.“, scherzte Shana um die Stimmung ein wenig zu lockern. Rowen lachte. „Das stimmt wohl.“ „Haben alle Wächterinnen ihre Geschichte aufgeschrieben?“ „Ich denke. Ich konnte erst sechs Tagebücher übersetzten. Die Sprachen sind von Tagebuch zu Tagebuch verschieden und die Übersetzung erschwert sich durch die Handschrift und verblasste Tinte.“ „Oh. Danke, dass du dir solche Mühe gibst.“ „Nicht doch. Soll ich dann weitermachen und dir die nächste Geschichte erzählen?“ „Gerne.“ Doch gerade, als Rowen fortfahren wollte, schwang die Tür auf und knallte laut gegen die Wand. Shana hatte kaum Zeit sich umzublicken, als sie schon am Kragen gepackt und aus dem Stuhl gerissen wurde. Es war natürlich Ethan, der sie eiskalt und mit tief-goldenen Augen anfunkelte. „Was fällt dir eigentlich ein, so mit mir zu reden, blöde Kuh?!?“ Shana rang nach Fassung. „Lass mich los!“ „Nein! Ich bringe dich um!“ „Ethan! Beruhige dich bitte.“ Rowen war aufgesprungen, doch Ethan fauchte in seine Richtung. „Zwing mich nicht, dich auch zu töten, Rowen.“ Dann wandte er sich an Shana und öffnete den Mund. Seine langen Fänge hätten sie eigentlich in Panik versetzten müssen, doch sie bewirken das genaue Gegenteil. Sie machten sie wütend. Richtig wütend. Shana rammte ihre Faust in seinen Magen, sodass er von ihr abließ. „DU!“, schrie sie ihn an und bohrte ihren Zeigefinger in seine Brust. „Was glaubst du eigentlich wer du bist? Denkst du wirklich, du könntest mir Angst machen? Das ich nicht lache! Was ist überhaupt los mit dir? Hast du ein paar Schläge zuviel auf den Kopf bekommen? Warum hasst du mich eigentlich so sehr? Das würde mich wirklich mal interessieren. Ist es, weil ich die Wächterin bin? Denkst du, ich habe darum gebeten? Denkst du, ich habe geschrieen: ’Ihr braucht eine Wächterin? Hier bin ich!’ Denkst du das? Sag mal, bist du eigentlich noch zu retten? Du hast ein Problem mit Wächterinnen? Fein! Ich habe auch ein Problem mit dir, du Vollidiot! Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass ich nicht nur die Wächterin bin, sondern auch Shana?! Nein, natürlich nicht. Das wäre auch zuviel verlangt. Merk es dir gefälligst! Hasse von mir aus die Wächterin, aber ich, Shana, habe dir nie Anlass dazu gegeben. Also hör endlich auf, dich so verdammt idiotisch zu benehmen!“ Shana keuchte, weil sie so geschrieen hatte und ihm die ganze Zeit ihren Finger in die Brust gebohrt hatte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte raus. Da sie sich in der Gruft nicht sonderlich gut auskannte, rannte sie in den Raum, der neben dem von Rowen lag, die Küche. Oh. Mein. Gott. Hatte sie Ethan gerade wirklich runtergeputzt? War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Hatte sie Todes Sehnsucht? War sie verflucht noch mal irregeworden? Ihr Herz wummerte heftig in ihrer Brust. Da sich ihre Beine wie Wackelpudding anfühlten, hielt sie sich an einem der Stühle fest und atmete tief durch. Zwar hatte Ethan vorher keinen triftigen Grund gehabt sie zu hassen, aber jetzt hatte sie ihn praktisch dazu ermutigt. Was war nur in sie gefahren? Wo war ihre Angst geblieben? Sie war doch sonst nicht so mutig gewesen. Etwas knackte und Shana wandte sich um. War das Ethan gewesen? Bereit, ihr die Kehle zu zerfetzen und sie auszusaugen? So genau konnte sie es nicht sagen, da es einfach zu dunkel war. Sie erkannte nur einen Schatten, der sie anscheinend ignorierte und zur Anrichte schlurfte. Erst die LED-Lampe der Kaffeemaschine ließ sie erkennen, dass es Hunter war. Zum Glück. Doch kaum, dass sie sich sicher fühlte, waren auch schon die nächsten in die Küche gestürmt. Und sie brauchte ihre Augen nicht, um zu wissen, wer das war. „Ethan! Halte dich bitte zurück!“ „Lass mich los, Rowen.“, knurrte er. „Was ist denn hier los?“, vernahm Shana die Stimme von Chris. Na toll. Wollte sonst noch jemand ihrer Hinrichtung beiwohnen? Es nervte sie, dass sie nichts sehen konnte und machte das erstmal zu ihrem Hauptproblem. „Verflucht noch mal! Ihr habt massig Geld und könnt euch noch nicht mal elektrisches Licht leisten?“, brüllte sie über den Lärm hinweg. Diese Dunkelheit machte sie wirklich fertig. Chris fing plötzlich an zu kichern. „Wir haben doch Licht.“ Um ihre Aussage zu bekräftigen, ging plötzlich das Licht an. Es war zwar gedämmt, aber es reichte aus, um alles sehen zu können. „Und warum lauft ihr mit Kerzen rum?“, verlangte Shana zu wissen. Chris zuckte mit den Schultern. „Wir sehen gut in der Dunkelheit. Und Kerzen finden die anderen authentischer.“ Damit deutete sie auf Rowen und Ethan und Shana war sich ihrer Situation wieder bewusst. Ethan riss sich endlich von Rowen los und ging auf Shana zu, gefährlich wie eine Raubkatze. Shana machte sich bereit. Am liebsten hätte sie sich in die Hosen gemacht, aber kampflos würde sie sich nicht ergeben. Das wäre ja noch schöner. Er blieb direkt vor ihr stehen. Sein Körper presste sich hart an ihren. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, weil sein Körper sich so kalt anfühlte. Gleichzeitig jedoch schockierte sie die Intimität und erregte sie ein klein wenig. Na super. Ethan wollte sie umbringen und ihr schwirrten Bilder von seiner nackten Brust durch den Kopf, als sie ihn verarztet hatte. Super Timing, Trottel!, schalt sie sich. „Du!“, knurrte er sie an und benutzte dasselbe Eröffnungswort wie sie zuvor. „Ich bin nicht sehr geduldig und Beleidigungen lasse ich mir grundsätzlich nicht gefallen. Von niemanden! Ich hasse sowohl Wächterinnen, als auch dich. Dass muss nicht im Zusammenhang stehen. Du bist dumm, hässlich, laut, naiv und gehst mir auf die Nerven. Reichen diese Gründe, um meinen Hass zu rechtfertigen?“ Seine Stimme war so verflucht kalt und beherrscht, dass Shana eine Gänsehaut bekam. Sie nickte und schluckte, da sie ihrer Stimmte nicht traute. Ethan beugte sich zu ihr herunter. Sein Atem streifte ihr Ohr, als er Folgendes zu ihr sagte: „Vergiss nicht, dass ich dich innerhalb eines Wimpernschlages töten kann.“, flüsterte er ihr zu, woraufhin sie wieder nickte. Dann ließ er von ihr ab, ging zur Anrichte und machte sich einen Tee. War das denn zu fassen? Erst drohte er ihr und machte ihr Angst und jetzt machte Ethan sich einfach Tee? Das war zuviel für Shana und sie musste sich setzten. Dadurch entlud sich die angespannte Stimmung ein wenig. Rowen räusperte sich. „Nun…“, begann er. „Ich hoffe, damit konnten alle Differenzen aus der Welt geschafft werden. Aber auch ich muss dir etwas mitteilen, Shana.“ „Nur zu. Schlimmer als das von Ethan kann es ja nicht sein.“, meinte sie sarkastisch. Ja, eindeutig hatte sie Todessehnsucht, doch Ethan ignorierte sie. Auch recht. „Du musst als Wächterin stärker werden. Deswegen möchte ich, dass du in Kampfkunst unterwiesen wirst.“ Shana nickte. Das hörte sich doch mal interessant an. So was wollte sie schon immer mal lernen, aber ihre Eltern erlaubten es ihr natürlich nicht. „Und wer soll sie trainieren?“, fragte Chris misstrauisch. „Hunter.“ Hunter verschluckte sich an seinem Kaffee. „Nein!“, kam es von Hunter und Shana gleichzeitig. „Ich bitte euch. Hunter ist der Beste, wenn es um den Kampf mit und ohne Waffen geht. Ich bitte dich darum, Hunter.“ „Vergiss es, Ro. Eher bringe ich die Göre um, als dass ich sie unterrichte.“ Chris fing bei dieser Antwort an zu kichern. „Was ist daran so komisch?“, blaffte Hunter. „Na ja. Ich frage mich nur, was Rin-chan wohl dazu sagen würde.“ Ein tiefes und sehr bedrohliches Knurren entwich Hunter. Chris fing erneut an zu kichern und Rowen klatschte in die Hände. „Also ist es beschlossene Sache.“ Shana fragte sich, wer Rin war. Doch viel wichtiger war, dass sie einfach übergangen wurde und man sie nicht nach ihrer Meinung gefragt hatte. Sie machte den Mund auf und wollte protestieren, aber Rowen war schneller. „Des Weiteren ist es wichtig, dass du noch viel in Bezug auf Wächter, Vampire und Werwölfe zu lernen hast, Shana. Die Nächte sind zu kurz und die Zeit des Lernens nur knapp bemessen. Daher bitte ich dich, vorübergehend in der Gruft zu wohnen.“ Jetzt schaute nicht nur Shana dumm aus der Wäsche. „Und wie stellst du dir das vor, Rowen?“, ergriff Chris das Wort. „Wo soll sie schlafen? Hunter und Hawk teilen sich ein Zimmer, sowie Jay und ich. In deinem Zimmer ist ja kaum Platz für dich selbst. Und das Wohnzimmer wird von Hawk ständig belagert-“ Chris brach ab, als ihr plötzlich ein Licht aufging. Rowen sprach aus, was sie dachte. „Du hast es richtig erkannt. Shana wird bei Ethan nächtigen.“ And That’s All? Ist schon wieder ein Monat rum? Scheint wohl so. Na ja. Ich hoffe, ihr hattet Gefallen an dem Kapitel. Mal so eine Frage. Fehlt euch die Spannung grad son bissel oder kann man es noch so aushalten? Zum nächsten Kapitel: Es wird lustig und einen Tick romantisch *zwinker* Mehr will ich noch nicht verraten. Na ja... vielleicht noch, dass mal wieder Mord und Totschlag herrschen wird, aba nu is wirklich genug gesagt. Also wir lesen uns dann Ende Juni wieder. Und vielen Dank für die Kommentare zu Kapitel 11. Ihr habt mir Yue anscheinend verziehen. Okay… genug geredet. Bis denn dann BabyG Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)