Am Set des Lebens von abgemeldet
(...was wir spielen)
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Kapitel 12: Das Haus auf der Lichtung
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Hallo ihr Lieben! Ich hoffe ihr habt mich noch nicht vergessen >_
http://animexx.onlinewelten.com/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=147685)
hat mich so sehr in Anspruch genommen! Sorry!!
Gabriel
12. Das Haus auf der Lichtung
Nirgends stand eine Sonne am Himmel. Das weißlich diffuse Tageslicht aber
tauchte den längst angebrochenen Wintermorgen in ein einheitliches
schattenloses Leuchten und unter einer dünnen Schicht von Raureif glitzerte die
Umgebung heimtückisch schön.
Gleich bizarren Silberskulpturen schraubten sich ringsum riesige Bäume in die
Höhe. Ihre knorrigen Äste ruhten kahl und unbewegt in der gläsernen Luft...
Keuchender Atem durchbrach die allumfassende Stille! Ausgestoßen als weißer
Dampf schien er jedoch sogleich wieder von dieser verschluckt zu werden.
Einzelne Zweige, welche unter Kyokos Füßen brachen, das Geräusch ihrer
Schritte, alles verhallte im trostlosen Schweigen dieses unwirklichen Waldes,
der die junge Frau plötzlich von allen Seiten her einschloss. Wo war sie bloß
gelandet?
Schnell, wie ein gehetztes Tier das achtlos ein dichtes Unterholz durchdringt,
rannte sie immer weiter. Gestrüpp verfing sich in ihren Sachen, in ihren
Haaren; zerkratzte Gesicht und Hände. Schweiß lief trotz der Kälte an der
Innenseite ihrer nebeldurchfeuchteten Kleidung ihren abgekämpften Körper
hinab. Wenn sie stehen blieb, würde der Stoff bestimmt anfrieren! Aber sie
eilte ja unbeirrt voran, wenn auch ohne Ziel, denn längst sahen ihre tränenden
Augen schon nicht mehr, wohin sie eigentlich lief. Da war ohnehin nur totes
Gehölz um sie herum! Unheimlich leer wirkte dieser Ort… so als wäre außer
ihr nichts Lebendes gegenwärtig? Fortkommen! Das war das Einzige was jetzt
zählte. Nur fort!
Doch nach und nach erstarben ihre Schritte. Sie konnte einfach nicht mehr
weiter! Verzweifelt strauchelte und stolperte das Mädchen geradewegs in eine
unbekannte Richtung über den rutschig matschigen Boden, fiel hin, raffte sich
auf, fiel noch einmal.
Beim dritten Versuch Aufzustehen durchfuhr ein heftiger Zitterkrampf die junge
Schauspielerin. Ein letztes Aufbäumen ihrer entkräfteten Muskeln gegen die
völlige Erschöpfung, bevor sie schließlich zu Boden ging. Von irgendwo drang
das schwache Rauschen einer Straße an ihr Ohr, aber sie konnte sich beim besten
Willen nicht mehr rühren. Jeglicher Körperbeherrschung beraubt lag sie im
langsam überfrierenden Schlamm. Grenzenlose Verlorenheit umschlang ihren
Verstand und hinderte ihn bei seiner Arbeit. Liegenzubleiben, einzuschlafen
konnte den Tod bedeuten. Aber wie sich gegen die übermächtige Müdigkeit
wehren in dieser Position? Ihre Finger krallten sich in die Erde. Wer würde sie
hier schon jemals finden? An einem derartig entlegenen Ort! Und wenn es jemand
tat: Was würde derjenige mit ihr machen!? Eine Träne rann über ihre Nase,
diese Situation kam ihr nicht ganz unbekannt vor.
Das Luftholen wurde zunehmend schwerer. Alles drehte sich mit rasender
Geschwindigkeit kreuz und quer. Jegliches Zeitempfinden schien verloren. Wie
weit, wie lange war sie gesprintet, nachdem einer der schwarzen Männer
zurückgekehrt war, um nach ihr zu suchen?
Er hatte sie nicht bekommen! Aber nun sog die alles durchdringende Nässe auch
noch das letzte bisschen Wärme aus ihr heraus und würde sie hier irgendwann
erfrieren lassen…
Mit der hilflosen Untätigkeit kamen die Gedanken an das Geschehene zurück. War
ihr Plan gelungen? Hatte man sie am anderen Ende der Leitung verstanden?
Isamu-chan hatte gestern von der hypochondrischen Ader ihres Vaters erzählt
gehabt und Kyoko damit auf eine Idee gebracht. Ihr Fieberanfall war zwar
durchaus echt gewesen, nicht jedoch der Zusammenbruch. Dieser sollte lediglich
dazu dienen, dass man sie fortschaffen musste und ihr so zu einer Gelegenheit
verhelfen mit verhältnismäßig wenigen Bewachern allein zu sein. Dass es sogar
nur ein Einziger war, der sie wegbrachte, war dabei wohl ziemliches Glück
gewesen! Sicher, die Darstellerin hätte es auch mit 2 oder 3 Personen
aufgenommen, wäre aber in diesem Fall nie so glimpflich davongekommen. Auf ihre
Fertigkeiten konnte sie zwar vertrauen, doch war ihr Zustand nicht der Beste und
gern hatte sie es gewiss auch nicht getan.
Mit ununterdrückbarem Grauen erinnerte sich Kyoko wieder an die Zuckungen ihres
Opfers. Was wohl aus ihm werden würde? Erneut erklang jene altbekannte Stimme
in ihrem Ohr.
„Je eher man die Nadel entfernt, desto geringer sind die Folgeschäden. Bei
vielen verbotenen Stichen bleibt aber dennoch eine irreversible Störung des
Zielorgans zurück.“
Urteilte Kyoko nach einer Weile
und fragte sich gleichzeitig, warum man ihr wohl einst diese Dinge beigebracht
hatte…?
Sie war damals gerade 9 Jahre alt geworden und streifte - wie so oft seit Koon
weggegangen war - allein durch den verwilderten Hain um ihren Heimatort. Hier
gab stets es genügend Raum für ihre ganz privaten Gedanken und niemand war da,
der sich an ihren tröstlichen Gesprächen mit dem kleinen blauen Stein oder
ihrem Weinen hätte stören können…
Wie manches Mal bei solchen Touren legte sie auch an jenem besonderen Tag wieder
eine ungeheuer weite Wegstrecke zurück und spürte nach jedem Schritt, den sie
mit ihrem schweren Herzen tat, wie dieses plötzlich ein klein wenig leichter
wurde. Ab und an war sie früher auch auf einen großen Ast geklettert und hatte
brüchige Träume in die mächtigen Laubkronen gebaut, aber dieses Mal war ihr
irgendwie nicht danach und so marschierte das Mädchen nur immer tiefer ins
grüne Dickicht.
Nie hatte sie sich davor gefürchtet im Wald verloren zu gehen und bisher immer
auf wunderbare Weise den Rückweg gefunden. Wie das eigentlich möglich war, wo
sie sonst nur einen eher bescheidenen Orientierungssinn besaß, danach zu fragen
fiel der jungen Wanderin in ihrer Naivität nicht ein. Aber in diesem Wald galt
das Normale ja sowieso nicht und die Wirklichkeit schien ein bisschen außer
Kraft gesetzt! Man weilte weit weg von den Problemen des Alltags, dafür aber
viel näher am Leben oder besser gesagt an sich selbst und konnte einfach alles
tun, was den eigenen Kummer linderte…! Doch sollte noch etwas Anderes,
Außergewöhnlicheres hier geschehen. Etwas, das Kyoko nie mehr vergessen
würde…
Noch saß sie, traurig über eine eher unbedeutende Kleinigkeit, auf einem
Baumstumpf und grübelte vor sich hin, nichts ahnend von der interessanten
Begegnung, die ihr kurz bevorstand und ihr Leben deutlich verändern sollte.
„Was tust du denn hier, kleines Fräulein?“ Ertönte da plötzlich hinter
ihr eine tiefe männliche Stimme, welche das versonnene Mädchen sofort
erschreckt auffahren ließ. „Na, na nicht so hektisch. Ich fress dich schon
nicht auf.“ Fuhr der Fremde beschwichtigend fort, während das Kind ihn nun
mit unverhohlener Verblüffung beguckte.
Es handelte sich bei dem stimmgewaltigen Sprecher um einen erstaunlich kleinen,
gelblichen Kerl, dürr und schmächtig mit einem Bart, welcher älter zu sein
schien als das Männlein selbst und ihm in zwei langen Strängen fast bis zu den
Zehenspitzen reichte.
„Ich muss doch sehr bitten, junge Dame. Es ist leidlich unhöflich jemanden so
anzustarren ohne vorher zu grüßen!“ Ärgerte sich der sonderbare
Störenfried, grinste aber belustigt vor sich hin.
„G-Guten Tag, mein Herr!“ Verbeugte sich die Getadelte eifrig. Kein Zweifel,
das Wesen ihr gegenüber musste ein Hexenmeister sein! So jemanden durfte sie
auf keinen Fall verärgern!
„Du bist die Tochter von Mogami-san, nicht wahr?“ Fragte er. „Woher wissen
Sie das!?“ Wunderte sich Kyoko und glaubte ihre Vermutung sogleich bestätigt.
„Ich weiß sehr viel, mein Fräulein. Sehr viel über alles Mögliche. Aber
sag, wenn du Zeit hast, möchtest du mein Haus besuchen kommen?“ Er musterte
sie aufmerksam durch ein Mononokel, welches sein rechte Auge seltsam stark
vergrößerte.
„I-Ich …ähm… weiß nicht…“ Stammelte die Neunjährige überrumpelt
und zupfte nervös an ihrem Kleidersaum. „Das Problem am Leben ist, dass man
vorher nie weiß, was man später bereut und was nicht… Es ist deine
Entscheidung mit mir zu kommen, nur darfst du niemandem von mir erzählen und
erst recht nicht von dem, was ich dir zeigen werde.“ Verschwörerisch
zwinkerte er ihr zu, dass die faszinierte Märchenliebhaberin partout nicht mehr
widerstehen konnte. Ihre Neugier war gar zu groß und sein freundliches Gesicht
hatte sie nach und nach mit so etwas wie Zuversicht gefüllt. „Gut, ich komme
mit…!“ Willigte sie kurz entschlossen ein und folgte also dem mysteriösen
Mann, schon deutlich weniger befangen.
Er ging zügig voran, dass sie mit ihren kurzen Beinen Mühe hatte mitzuhalten.
Vielleicht wusste er als Hexer ja etwas über Koon? Ob sie ihn einfach fragen
sollte? Dafür fehlte ihr noch der Mut… Schweigend drangen die Beiden tiefer
und tiefer in den Wald vor und so langsam verlor Kyoko jede Orientierung,
wodurch auch ihre Zweifel daran stiegen, ob sie gerade klug gehandelt hatte oder
dumm. Mit einem Fremden dufte man normalerweise nicht mitgehen, aber…,
aber…
„Sind wir bald…?“ „Da sind wir!“ Wurde ihr noch vor Aussprechen der
Frage geantwortet und was sie sah verschlug ihr auch sogleich die Sprache:
Direkt vor ihnen stand inmitten einer kreisrunden Lichtung ein Häuschen, das
aussah als würde es aus einer Schneekugel stammen und wäre nur von
irgendjemandem aufgeblasen worden!
Die absonderliche Villa verfügte über mehrere (teils schiefe) Pilaster,
romanische Fensterbögen, kunstvolle Fresken und Alabasterverzierungen sowie
eine Vielzahl an fantasievollen Wandstatuen ähnlich einem griechisch römischen
Palast, doch war sie sogar noch etwas kleiner als ein durchschnittliches
Einfamilienhaus… „WOW!“
„Sieh es dir ruhig an.“ Murmelte der Zauberer sichtlich zufrieden mit der
glattweg überwältigten Reaktion auf sein “bescheidenes“ Anwesen. Das
erstaunliche Gebäude aber sah auf den anderen drei Seiten exakt genauso aus wie
von vorne und hatte auch überall diesen lächerlich kleinen Balkon, der nicht
einmal genügend Fläche für einen einzigen Stuhl bot. „Gefällt es dir?“
Wurde Kyoko bei ihrer Rückkehr zum Ausgangspunkt vom Hexenmeister gefragt und
nickte höflich. Trotz seiner verwirrenden Kleinheit hatte das Gebäude etwas
Beeindruckendes und strahlte außerdem so lilienweiß, als sei es ganz aus
Elfenbein geschaffen!
Die verzückte Besucherin schaute noch ein bisschen weiter. Um die prächtige
Zaubererbehausung war ein hübscher kleiner Garten mit Springbrunnen und
Fischteich angelegt, in welchem viele interessante Pflanzen halb willkürlich,
halb geordnet wucherten und einen würzigen Geruch verströmten. Auch drei
Gewächshäuser standen hier, eines vollständig überrankt von einer vermutlich
nicht einheimischen Grünpflanze, deren große violette Blüten zahlreiche
Schmetterlinge anzogen. Am Wasser beobachtete ein Graureiher die Eindringlinge
mit würdevollem Argwohn, während funkelnde Libellen seinen Kopf umschwirrten
wie spielende Elfen. „Es ist großartig!“ Hauchte das Mädchen schließlich
begeistert und ehrfürchtig zugleich. „Lass uns reingehen. Meine Frau erwartet
uns sicher schon.“ Erwiderte der Alte mit gönnerhaftem Nicken und wies sie
zur Vordertür. „Komm.“
Er öffnete langsam - denn die Spannung, welche auf dem Gesicht des Mädchens zu
lesen war, machte ihm sichtlich Spaß - das Schloss und sie traten in einen
schmalen dunklen Flur.
Es roch stark nach einem Gemisch aus schweren süßlichen Parfüm, Zimt,
Räucherstäbchen und lieblichen Duftkerzen hier drin, sodass sich Kyoko alsbald
benebelt fühlte. Die Wände waren mit wuchtigen Samtvorhängen bedeckt, am
Boden knarrte das Parkett. „Da seid ihr ja endlich!“ Eine ungeheuer dicke
Chinesin kämpfte mit einem dunkelroten Schleier und füllte dank ihres massigen
Körpers den Flur in seiner ganzen Breite aus, sobald sie durch das stoffliche
Hindernis hinein getreten war. Ihr rötliches Gesicht glänzte im matten Schein
des verschrobenen Kronleuchters, welcher bei Ankunft der Dicken augenblicklich
angesprungen war. Schätzte die
Neunjährige kein bisschen eingeschüchtert von der globigen Erscheinung, denn
das unbekannte Pfannekuchengesicht strahle ihr gut gelaunt entgegen…
„Kyoko-chan…“
Heiß, kalt, Brummschädel!! Mit Druck auf den Augen, Hals-, Ohren-, Kopf- und
Gliederschmerzen meldete sich Kyokos Bewusstsein zurück. Sie lag auf etwas
Weichem…
Jemand hielt ihre Hand und seine Stimme redete mit eindringlichem Flüsterton
auf sie ein. Ein sehr vertraute Stimme…
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