Am Set des Lebens von abgemeldet (...was wir spielen) ================================================================================ Kapitel 10: Ich habe keine Angst – makaberer Dreh um Mitternacht ---------------------------------------------------------------- BOAH! 10! Runder Geburtstag! Jippie ich bin ja schon weit gekommen! XD DANKE allen treuen Leseratten! Dieses Mal ist es ein echtes XXL Chappie geworden (zumindest für meine Verhältnisse) und so langsam aber sich nähern wir uns dem vorläufigen Ende >._< *seufz* 10. Ich habe keine Angst – makaberer Dreh um Mitternacht Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Von Sehnsucht über’s Feld gebracht. Die Himmel alle schlafen. Nur noch der Wind vom Wandern müd, Singt übers Meer sein Abendlied. Bringt Frieden hin zum Hafen! Die Träume wie die Wolken flieh’n Und lassen mich hier einsam stehn; Die Welt hat mich vergessen. Da trat Jemand wunderbar zu mir, Als ich beim Waldesrauschen hier gedankenvoll gesessen! O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat uns so müd gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Laß ausruhn uns von Angst und Not, Bis dass das ew'ge Morgenrot, Den Garten warm durchfunkelt.* *nach J. Eichendorff Leises Atmen im Halbdunkel. Zwei Menschen spenden sich Trost. Sie sind beide kraftlos, ruhen ineinander. Der Mond umreißt ihre Konturen silberweiß. Schatten zerrinnen an der Zimmerdecke und kauern sich in die Ecken. Es ist kühler geworden, aber sie merken es nicht. - Die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Eine Träne glitzert noch auf seiner Wange. Beschwichtigend gleitet eine kleine Hand über einen großen Rücken… Der Blick der schönen Schwarzhaarigen war glasig geworden, während sie aus der innigen Umarmung ihres Senpai heraus schweigend die Wandmalereien betrachtete. Ihre Gedanken strömten ruhig und träge dahin wie ein endlos langer breiter Fluss. Mündeten irgendwo ins Delta ihrer Müdigkeit… Sie unterdrückte ein Gähnen. Was war los mit ihr? Für jemanden der gerade zweimal hintereinander entführt worden war, schien sie wohl ziemlich gelassen. Fast fand sie es egal. Die totale Erschöpfung und der mysteriöse Einfluss von Tsuruga-san machten sie seltsam gleichgültig gegenüber den Dingen, die Rens kleiner Halbbruder und dessen Vater ihr zuletzt angetan hatten. Nicht einmal der befremdliche Körperkontakt regte sie noch auf. Bedenkenlos ließ sie es geschehen, wehrte sich längst nicht mehr gegen das ungewohnte Gefühl von Geborgenheit, dass begonnen hatte sie einzulullen. Stattdessen dachte sie immer wieder daran, was in den vergangenen Stunden alles über den Mann enthüllt worden war, der sie momentan so fest an sich drückte. Er war der Sohn einer Prostituierten. Sein Vater hatte ihn im Alter von 6 Jahren von seiner Mutter weggerissen. Er sollte sie nie mehr sehen, nie etwas von ihrem zweiten Kind erfahren – eigentlich bis heute nicht. Die Ehefrau seines Vaters hasste den hübschen Jungen, was der Schauspielerin sogar beinahe verständlich schien, obwohl es ihr auch wehtat. Viele Menschen in seiner Umgebung waren dem fremden Kind aufgrund seiner Herkunft mit Verachtung begegnet. Niemandem konnte er richtig vertrauen. Die neue “Familie“ reiste mit ihm im Schlepptau quer durch alle Länder. Ein Zuhause gab es nicht. Keine Freunde… Sie senkte bei dieser Vorstellung unwillkürlich den Kopf. Erneut sah sie vor sich den kleinen Jungen, der so schrecklich einsam war, noch einsamer als sie vermutlich und eine große Traurigkeit ergriff sie dabei. Das bruchstückhafte Bild von Koon breitete sich vor ihr aus. Sie erinnerte sich an den heimatlichen Hain, an seine Geschichten und die unglückliche Trübe in den sonst so schönen dunkelglänzenden Augen, während er ihr sein Schicksal erzählt hatte. Ein melancholisches Lächeln drängte sich ihr auf. Diese Augen... Auf einmal fielen sie ihr wieder ein? Aus irgendeinem Grund… - Eigentlich waren sie denen von Tsuruga-san doch unglaublich ähnlich… Oder bildete sie sich das nur ein? War es denn möglich? Sie richtete sich wieder ein Stückchen auf. Ihr Blick wurde klar, suchte das Gesicht des Anderen, hielt inne. Alles drehte sich. Sollte sie ihn fragen? Die Sache prickelte abenteuerlustig auf ihrer Zunge. Besser nicht… Sie war inzwischen sowieso fast sicher. Seine besonderen Fähigkeiten sprachen doch für sich! Wie es ihm immer wieder gelang ihre Sorgen und Ängste zu zerstreuen, sie in seinen Bann zu ziehen. Beängstigend! Ein gewöhnlicher Mensch könnte das garantiert nicht! Sie starrte immer noch ins Dunkel. So ergab alles einen Sinn… Er musste einfach der Nöck sein! Und… wer weiß? Vielleicht… Würde er ihr sein Geheimnis eines Tages von selbst anvertrauen? Er hatte es immerhin schon einmal getan… Ein erneutes Schmunzeln huschte über ihr Gesicht. Vorsichtig spähte sie zu ihm hinüber. In seine geheimnisvollen Augen war der besagte Glanz zurückgekehrt. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster, bemerkte nicht, wie er beobachtet wurde. Ein schönes Gesicht, beinahe edel zu nennende Züge. Ja, da war etwas Magisches an ihm. Ganz deutlich nahm sie es wahr. Er war schon annähernd ein König! Bestimmt würde er bald aufhören können sich zu verstecken und dann endlich frei fliegen. Wie groß, stark und stolz er inzwischen aussah! Kyoko fühlte sich entsetzlich klein und grau, sobald seine strahlende Erscheinung in ihrer Einbildung den Himmel eroberte. Plötzlich schien ihr Sempai noch unerreichbarer. Ein fremdes und dennoch vertrautes Wesen hoch über den Wolken. Das Zwielicht verstärkte diesen Eindruck und verlieh seiner Erscheinung eine zusätzliche Mystik. Sie könnte sich niemals mit ihm messen! Wozu auch? Wenn sie ihm nur wenigstens irgendwie danken könnte… Leichte Nervosität beschleunigte ihren Puls. Nur an ihr wirkte die Magie von Koon so stark, denn nur sie berührte er mit soviel Intensität, nur ihr schenkte er seine volle Aufmerksamkeit. Ohne etwas davon zu ahnen, war es zwischen beiden seit jeher so gewesen. Überdeutlich wurde Rens Anwesenheit in jener Minute für Kyoko, obwohl sie bereits wieder weggeschaut hatte. Sie schloss die Augen, schüttelte sich ein wenig. Ihre neue Erkenntnis machte die Sachlage kaum besser, sondern verwirrte sie zunehmend. Ren-Koon-Ren-Koon-Ren-Koon-Ren.... Langsam dämmerte ihr, dass der Junge es damals anders gemeint hatte, als er ihr von seiner Familie erzählte. Sein Vater war kein Monarch aus einem Märchen und er wahrscheinlich auch kein Elf, sondern die ganze Story nur eine Metapher für seine äußerst reale Situation. Koon und Ren, beide waren ein und derselbe Mensch! Ein Mensch, normal bis auf seine seltsamen Zauberkräfte, der sie schon seit ihrer Grundschulzeit kannte! Nur sie hatte ihn wegen seiner krassen Veränderungen, wegen seines großartigen Schauspiels natürlich nicht erkannt und konnte es auch jetzt kaum fassen. Der liebenswürdige Junge aus dem Wald war ihr Freund, die Person der sie am meisten vertrauen konnte. Und Tsuruga-san? Er war ihr hinterlistiger Senpai, bei dem man andauernd auf der Hut sein musste. Wie sollte sie das vereinbaren? Etwas von Koon war geblieben, das merkte sie sehr wohl und sie teilten die gleiche schlimme Vergangenheit. Vieles Andere an Ren konnte jedoch schwerlich in Relation zu seinem früheren Ich gebracht werden. Waren die Zwei nicht eigentlich Grund auf verschieden? Koon hatte sie gemocht, Tsuruga-san eine zeitlang regelrecht gehasst… Was sollte sie jetzt nur empfinden!? Die aufkeimende alte Verbundenheit zu dem Kindheitsfreund, der bis eben lediglich ein schwer zu durchblickendes Vorbild für sie war, machte sie verlegen. Ein schwaches Gefühl von Intimität ausgerechnet gegenüber DIESEM Menschen zu haben, warf das arme Mädchen völlig aus der Bahn! Genauso gut hätte man ihr sagen können, dass Takarada-san in Wirklichkeit ihr ehemals geliebter Prinz Sho-chan sei, der nur mit seinem bösartigen Bruder Rumpelstilzchen vertauscht worden war, oder dass der harmlose Junji tatsächlich ein verkleideter Reino wäre. Wie sollte sie ihre Beziehung zu Ren jetzt einordnen? Der Gelegenheitsfiese-Megastar-Status überwog selbstverständlich, doch die Distanz zwischen ihnen bröckelte… Irgendwann müsste sie sich doch noch Gewissheit verschaffen… Reglos verharrte sie in ihrer Haltung. Rens Daumen streichelte über ihre Schulter. Unter anderen Umständen wäre die Schauspielerin schon seit Langem aufgesprungen und in ein weit entferntes Land ausgewandert! Doch etwas hinderte sie daran. Vielleicht das Glück Koon wieder gefunden zu haben? Oder der Schock? Ohnehin war das Mädchen zu geschwächt um überhaupt weiter zu überlegen, ob es eigentlich in okay war, in den Armen ihres Senpais zu verweilen und zu spüren, wie sein Atem einzelne Haarstränchen über ihre Stirn kitzeln ließ. Sie wollte im Moment gar nichts mehr denken, brauchte dringend Ruhe. Es war entspannend, warm und bequem, selbst wenn es ihr nicht richtig vorkam, stellte sie dieses Befinden erstmal zufrieden. Ihre Muskeln gehorchten ihr nicht mehr und sie besaß auch keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Also fügte sie sich in ihre Position… Ursprünglich hatte sie ja nach der letzten Umarmung den Vorsatz gehabt, Tsuruga-san sicherheitshalber nicht wieder so dicht an sich herankommen zu lassen. Aber ihm wieder gegenüberstehen zu müssen, entpuppte sich jedes Mal als Herausforderung. Was eindeutig daran lag, dass dieser Mensch stets so schwierig zu handhaben war, in seiner unbeständigen Art mit ihr umzugehen. Widerstand zwecklos... Glück nur das niemand sie sehen konnte! (Junji saß abgewandt und bewachte Isamu) Ergeben an einen erwachsenen Mann -nein an IHN!- geschmiegt zu ruhen, welch ein Skandal für ein gut konservativ erzogenes Mädchen, noch dazu ihres Alters! Kindheitsfreund hin oder her! Mittelmäßig wie sie war, drohte ihr von Seiten des begehrtesten Junggesellen Japans zwar keine Gefahr: Nie würde der Herrscher des Showbizz etwas von ihr wollen und niemals würde sie sich etwas von auch nur Irgendjemandem ersehnen! Illegal blieb diese Konstellation trotzdem irgendwie...! Immerhin handelte es sich hier um die Frau, welche keine Liebe (schon gar nicht zu einem Mann) empfinden konnte und… und… Wen? Kyoko gab es schließlich auf sich diesen dummen Grübeleien hinzugeben. Sie lehnte wieder ein bisschen an Rens Schulter. Die Frage, was sie nun von diesem Herrn halten sollte, hatte Zeit. Ihr Kopf schmerzte. Kurz darauf ließ der Schlaf ihren ausgelaugten Körper zusammensacken. Eine Bewegung die mit Schrecken realisiert wurde. „Eh? Was ist? Kyo-…“ Ren besah sich die Schlummernde. Sein Blick schweifte nach rechts. Hakura und Isamu lagen bereits in den Betten. Nun war nur noch ein Bett frei. Die Entführer hatten schließlich nicht mit gleich 2 Top-Schauspielern gerechnet. Behutsam erhob er sich vom Boden und trug die Schauspielerin hinüber zum letzten Bett. Er brauchte eine Weile, da sein linker Fuß offensichtlich ebenso träumte wie seine Kohei und ihn das taube Gefühl beim Gehen behinderte. <…!?> Unterwegs klammerte sich das Mädchen wie ein kleiner Koala an ihn und machte auch keinerlei Anstalten loszulassen, als er sie niederlegen wollte. Etwas umständlich eroberte er mit seinem Anhängsel die Matratze und zog die Decke über Kyoko und sich. Instinktiv fanden seine Hände den Weg ihren Rücken hinauf, durch das seidig schwarze Haar, über die reizend zart geröteten Wangen. Er konnte sich nicht abwenden, wie in Trance verlor er sich in den Details ihres Gesichts. Dachte er, unfähig zu entscheiden, ob der gegenwärtige Zustand ein Fluch oder ein Segen für ihn war... Der süße Engel lockerte seinen Griff. Aber jetzt würde er ihr nicht mehr von der Seite weichen. Wer konnte schon versprechen, dass er ihr jemals wieder so nah sein konnte? Sie hatte ihn an diesem Tag gerettet, ihm vergeben. Seine schmerzhaften Erinnerungen waren keineswegs verschwunden durch ihre Worte, aber sie waren auf einmal in die Ferne gerückt, nicht mehr so bedeutsam. Er hatte heute etwas überwunden, die große Krise seines Lebens. Das hätte er nie für möglich gehalten. Dank ihr…! Ein neues Dasein konnte beginnen. Sein eigener Anfang. Das wollte er jetzt unbedingt! Er würde sie hier herausholen und mit sich selbst nochmal von vorne beginnen. Kyoko-chan konnte er dabei in seinem Herzen verwahren. Soviel Zuversicht hatte er noch nie verspürt, ebenso wenig wie er jemals etwas so sicher, so arg begehrt hatte. Selig dumm ins Ungewisse lächelnd schloss er die Augen, machte es endlich seinen kribbeligen Zehen nach und schlief vollständig ein. Die Liebe ist ein Versuch der Natur, den Verstand aus dem Weg zu räumen und zugleich das charmanteste Unglück, dass einem zustoßen kann. Sie veranlasst dich einen Menschen so zu sehen, wie er einst gemeint war, lässt dich schwelgen und leiden in deinem privaten Weltereignis! Blamm! Nase an Nase mit Ren war sie aufgewacht, komplett von ihm umgeben und vor Überraschung prompt aus dem Bett gefallen. Verstört drehte sie den Kopf in alle Richtungen. Der dumpfe Aufprall war nicht laut genug gewesen, um jemanden zu wecken. Wackelig auf den Beinen stand sie auf und trudelte wie von Geisterhand geführt ins Bad. Rasende Kopfschmerzen! Kühles, klares Wasser! Das half allezeit die Gedanken zu ordnen… Zurück im “Wohnzimmer“ beäugte sie die Schlafenden irritiert, rüttelte den Kopf. Obschon sie sich mit der Mauerblümchenfrage abgefunden hatte, beleidigte es sie doch ein wenig. Wie konnte er nur so gemein sein…? Hatte er denn gar nicht nachgedacht? Sie schauderte. Es war kalt und tiefste Nacht. Wassertropfen rannen ihren Hals hinunter. Nichts wärmt den menschlichen Körper mehr als die Nähe eines Anderen. Immer noch lag das Sinnesreiz von Ren auf ihrer Haut: Temperatur, Rhythmus, Oberfläche, Schwere… Sie taumelte. Doch diesmal war der Schauspieler unschuldig. Ihre Knochen kribbelten unangenehm. Sämtliche Glieder schmerzten. Kaum dass sie ihn mit dem eisigen Nass gekühlt hatte, beschulg eine enorme Hitze ihren gesamten Kopf, raubte ihr beinahe die Sicht. Jähe Übelkeit. Fiebrig und mit brennenden Augen tastete sie sich zurück ins Bett. „Tsuruga-san…“ Kurz vor der Ohnmacht packte sie ihn verzweifelt an der Schulter. Erschrocken riss er die Augen auf. “Moga… EH!!? Was hast du!?“ Sofort saß Ren kerzengerade da und packte reflexartig das selbst im Sitzen noch schwankende Mädchen. „Meine Güte, du glühst ja!“ Er brauchte nicht Nachzufühlen um das zu erkennen. Kyokos Gesicht war feuerrot und Schweißperlen vermischt mit Wasser standen ihr auf der Stirn. Sie zitterte. Ihre Hände waren eiskalt, die Augen verschwammen in Tränen. „Leg dich hin.“ Er bettete sie ängstlich neben sich hin, versuchte mit seinen Händen ihre Stirn zu kühlen. „Hey Hakura!“ Es widerstrebte ihm zweifelsohne ausgerechnet diesen Kerl um Hilfe zu bitten, aber in seiner Panik brauchte er dringend eine hilfreiche Hand. Der Gerufene reagierte nicht. „Was ist los?“ An seiner Statt kam Isamu von hinten hervor. Sein Bruder war Ren tatsächlich lieber. „Komm mal schnell! Mogami-san… ich glaube sie ist krank!“ „Was?“ Der Junge lief so rasch es seine Verletzung erlaubte. „Sie hat hohes Fieber!“ Stellte er kurzerhand fest. „Wir brauchen nasse Handtücher und etwas zu Trinken. Mach schon!“ Isamu hockte sich neben Kyoko und wies Ren an, zuerst ins Bad zu gehen. „Schön kalt! Vergiss aber nicht sie auszuwringen. Ich hole ein Glas.“ „Hey? Was stellt ihr da an?“ Junji war letztlich doch noch zu sich gekommen und eilte alarmiert zum Ort des Geschehens. „Kyoko-chan?“ Das Mädchen öffnete kurz die Augen, murmelte etwas Unverständliches. Der junge Mann ergriff besorgt ihre Hand, sie versuchte zu lächeln und versank anschließend wieder in Bewusstlosigkeit… „Wie spät ist es eigentlich?“ Junji fuhr sich entnervt durch die Haare. „Halb elf rum.“ Antwotete Isamu knapp. In einer halben Stunde war es den dreien gelungen Kyokos Fieberanfall einigermaßen in den Griff zu kriegen. Sie saßen schweigend um ihr Bett. Das Mädchen war in einen unruhigen Schlaf verfallen. Schluchzen. Ein kleines Kind, gerade so groß um noch aufrecht unter einem Stuhl hindurch laufen zu können, hockte im Winkel einer riesigen Hotelhalle und weite jämmerlich. Es wusste nicht wo es war und es vermisste seine Mutter. Ein adrett gekleideter Herr hob die Kleine sanft auf einen der roten Ledersessel, tätschelte das schwarzhaarige Köpfchen der etwa Dreijährigen. Dann sagte er mit freundlicher Stimme etwas in einer fremden Sprache. Ein Anderer rief ihn und sogleich ließ er das Mädchen wieder allein zurück. Sie sah im nach. Still aber immer noch ängstlich kauerte sich das Häufchen Elend an die Lehne gedrückt zusammen. „Mama!“ Panisch rannte sie hinter dem davonrasenden Taxi her. „Nein! Mama!“ „Ich will ja nicht fortgehen. Hier, nimm das.“ Ein kleiner blauer Stein fiel in ihre Hand. „Pass gut darauf auf.“ „Sie ist nur hier um sich ein bisschen um den Haushalt zu kümmern. Sie bedeutet mir nichts. Sie ist doch bloß ein langweiliges Mauerblümchen…“ Kyoko öffnete die Augen. Sie fühlte sich innerlich leer nach diesem Traum. Alle Menschen, die ihr etwas bedeutet hatten, hatten sie irgendwann sitzen lassen; ihr Leben lang. Nur Koon… Irgendetwas war da doch anders gewesen? Wurde sie wirklich auch von ihm verlassen? Eigentlich nicht… Jedenfalls nicht richtig. Aber war sie nicht von Geburt an ein solcher Mensch, der von niemandem geliebt werden konnte? Warum war er also freiwillig bei ihr geblieben? Teilten sie sich etwa dieselbe Einsamkeit? Stimmte schon, Tsuruga-san wurde von unzähligen Frauen angebetet, aber niemand außer ihr kannte Koon! Tiefe Dankbarkeit wallte in ihr auf. Er war gewissermaßen ihr Leidensgenosse! Und er hatte sie außerdem -wenn auch unbewusst- stets getröstet. Sie musste sich revanchieren! Ihre Hand wanderte unter der Decke zu ihrer Hose. An der Innenseite des Bundes fühlte sie das gesuchte schmale Metall durch ihre Finger gleiten. Sie hatte immer eine stabile Sicherheitsnadel dabei, um damit das Kopfteil an ihrem Hahnenkostüm besser befestigen zu können. Es war eine große zirka 8 cm lange Nadel und da ihre Kleidung über keine Taschen verfügte, steckte sie das Ding manchmal irgendwo hin, wo keiner es sah…Mit der Zeit hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, sie nahm es als Glücksbringer überall mit hin, wo Koons Stein nicht dabei sein konnte. [Seit den traulichen Begegnungen Bous mit Ren, hat sie den allergrößten Horror davor, ihren Kopf zu verlieren… Im wahrsten Sinne des Wortes…] Nie hätte das Mädchen allerdings geglaubt, dass sie diesen Miniaturspieß einmal so einsetzen würde, wie sie es sich eben vornahm, als Punkt Null Uhr die Tür aufgestoßen wurde. LICHT! Sie warf sich automatisch auf die andere Seite und bedeckte ihr Gesicht. Stühle kratzten über den Boden, weil um sie herum drei junge Männer aufgesprungen waren. Jemand zog sie aus dem Bett. „LOSLASSEN! LASS SIE LOS!!!“ Rens Stimme schäumte vor Wut. Er machte seinen vier zupackenden Geiselnehmern ganz schön zu schaffen. „Nur die Ruhe mein Freund.“ Schnarrte eine elektronisch klingende Männerstimme. Der Sprecher stand gelangweilt im Türrahmen und kontrollierte seine Fingernägel. Er war maskiert. Jede seiner Geiseln erriet postwendend, dass es sich bei ihm um Isamus Vater handeln musste, aber davon ahnte dieser natürlich nichts. Lässig schlenderte er auf die Geblendeten zu. Kyoko schielte bang zu ihrem Senpai. Er stand da, leicht nach vorn gebeugt, als würde er auf ein Geräusch irgendwo unter seinen Füßen lauschen. Jede Faser seines Körpers schien angespannt, wie bei einem wilden Tier, das sich zum Sprung bereit machte. Die dunklen Augen glitzerten bedrohlich. Seine Miene war unergründlich. Der Maskierte wirkte nun doch etwas beeindruckt und verschränkte die Arme vor seinem hageren Körper. Er hielt dem Blick des Schauspielers nicht stand und wandte sich schnell zu dem weniger angriffslustigen Junji. „Ich denke es ist Zeit mit dem Dreh zu beginnen. Von Profis wie ihnen erwarte ich vollen Einsatz.“ Seiner Stimme war ein unsichtbares Grinsen zu entnehmen. „Bringt die Männer in den Salon.“ Er klatschte. Ren und Junji wurden augenblicklich aus dem Zimmer geschoben. „So Mädels.“ Kyoko fixierte Isamu. „Ihr werdet noch ein bisschen hübsch gemacht für die Aufnahmen.“ „Wie bitte? Aufnahmen?“ Ein bisschen spät reagierte die Schauspielerin. Ihr Fieber war noch hoch und sie selbst schon wieder total neben der Spur. „Wir drehen jetzt ein kleines Erpresservideo für eure Agentur, meine Schöne. Da soll doch alles perfekt sein nicht wahr?“ Eine raue Hand strich über ihren Oberarm. Um ein Haar hätte sie zugeschlagen. „Okay.“ Nachdem die breitschultrigste Frau, die Kyoko je gesehen hatte, ihr etwas Make up und Haarspray aufgetragen ließ man ihr kurz Zeit sich umzuziehen. Danach führte eine dreiköpfige Eskorte die Gefangene durch einen hell erleuchteten Flur in den besagten Salon. Ren und Junji standen bereits dort unter einem gewaltigen Kronleuchter und schienen äußerst erleichtert über ihr Kommen. Sie trugen ebenfalls frische Kleidung. Anzüge. Das Mädchen fröstelte in kurzärmeliger Bluse und knielangem Seidenrock und stellte sich zwischen ihre Kollegen. Ihr Kopf war so heiß. Mit schwindender Konzentrationsfähigkeit betrachtete sie das rote Lämpchen der Kamera. Der Maskierte redete doch sie konnte seinen Worten nicht folgen. Die Lage belief sich auf 9 Vermummte, gegen drei Geiseln. Sie musste es dennoch versuchen! Noch ein tiefer Atemzug, dann ließ sie sich fallen. Ren schrie entsetzt auf. „Sie ist krank! Lasst mich!“ Kyoko notierte das Gerangel um sie herum mit einer gewissen Zufriedenheit. „Schafft sie hier raus und bringt diese Irren unter Kontrolle!“ Krähte Isamus Vater, der sich vor nichts mehr fürchtete als Infektionen. Selbst Junji beteiligte sich inzwischen an der Prügelei. Irgendwer zog Kyoko aus dem Getümmel. Der Lärm entfernte sich langsam, die Luft wurde noch kühler. Sie blinzelte. Hinter ihr lag der Flur. Die Tür war nur angelehnt. Dachte sie, während Unmengen Adrenalin durch ihre Blutgefäße stoben. Sie ergriff bedächtig die Sicherheitsnadel. Drückte die Spitze aus dem Verschluss. Jetzt oder nie! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)