Amerikanischer Traum von -Ayla- (Yami x Yugi) ================================================================================ Kapitel 5: zu Hause? -------------------- 5. Zu Hause? „Ryuji ist froh, endlich jemand gleichaltrigen hier zu haben“, brabbelt Yumiko einfach drauf los. Flüchtig frage ich mich, ob Ryuji denn keine Freunde hat, aber sicherlich meint sie die Zwillinge, die zehn Jahre jünger sind als wir. Ryuji und ich haben uns erst auf der Beerdigung richtig kennen gelernt. Zuvor hatten wir nur E-Mail-Kontakt. Aber ich hatte den Eindruck, dass er seine beiden kleinen Schwestern abgöttisch liebt. Genau so, wie ich Yura geliebt habe. Natürlich hat sie mich manchmal genervt. Doch im Grunde haben wir uns immer verstanden, haben zusammengehalten, wenn es drauf ankam. Wie es bei Geschwistern nun mal üblich ist. Obwohl ich auch Geschwisterpaare kenne, die sich spinnefeind sind, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich lasse mich von Yumiko auf einen riesigen Jeep zuschieben. So ein Riesenauto? Mir rutscht das Herz in die Hose, als Yumiko mich auf die Rückbank schiebt, selbst aber auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. Ryuji soll uns allen Ernstes fahren? OK, man kann in den USA mit 16 den Führerschein machen, aber ich bin da recht skeptisch. Normalerweise sind die Leute in unserem Alter einfach zu verantwortungslos. Meine Tante dreht ihren Kopf zu mir, so dass ihre schwarze Lockenmähne um ihren Kopf fliegt. „Du kannst hier natürlich auch den Führerschein machen“, grinst sie mich an. Gott bewahre! Ryuji legt den Gang ein und es kommt wie erwartet: das Fahrzeug springt regelrecht über den Boden. Ich weiß auch gar nicht, was das soll. Wollen sie mir unbedingt beweisen, wie ‚toll’ er fahren kann? Oder uns gleich in den nächsten Straßengraben setzen? Schon zum zweiten Mal an diesem Tag kralle ich mich in meinem Sitz fest. Ich schließe die Augen, als ein anderes Auto recht knapp vor uns rüber fährt und Ryuji keinerlei Anstalten macht, den Fuß vom Gas zu nehmen. Ich will hier raus! Lieber fahre ich mit dem Bus. Aber ich habe Angst, den Mund zu öffnen. Angst, dass sich dann mein gesamter Mageninhalt, samt Anzus leckerem Kuchen, den Weg nach oben bahnt und sich im ganzen Auto verteilt. Nach einer halben Stunde Fahrt, die für mich der absolute Horror war, hält Ryuji schließlich. Ich blinzele und sehe aus dem Fenster, um festzustellen, dass wir an der Villa angekommen sind. OK, ich korrigiere mich: es ist tatsächlich eine Villa. Oder zumindest hat es den Schein. Mit wackeligen Knien verlasse ich endlich das Todesgefährt und will Ryuji schon den Koffer abholen, doch der weigert sich hartnäckig. Eigentlich will ich nicht wie ein Gast behandelt werden, denn das bin ich nicht. Leider. Fünf Jahre hier auszuhalten wird ein hartes Stück Arbeit. Aber ich muss mich wohl oder übel damit arrangieren. Ich trotte Ryuji nach, der den Koffer keuchend über die breite Eingangstreppe schleppt. Tja, mein Lieber, du wolltest ihn ja unbedingt tragen. Und der Koffer ist verdammt schwer. Wenn mein Cousin auch sicherlich sehr viel Sport und somit viel für seine Muskeln macht. Ich habe alles in den Koffer hineingequetscht, was möglich war. Vielleicht sollte ich doch froh sein, dass ich einen Kofferträger habe. Immerhin muss ich mich noch um den Rucksack kümmern. Ich folge ihm also über die helle Treppe und durch das breite Tor. Innen ist es so dunkel, dass meine Augen sich erst daran gewöhnen müssen. Es sieht alles hier drinnen sehr edel aus. Oder zumindest würde es das, wenn es instand gesetzt würde. So macht alles einen etwas nachlässigen Eindruck. Aber das passt besser zu meinem Onkel und meiner Tante. Sie sind auch eher lässig und nicht wirklich streng, was sowohl ihren Kleidungsstil als auch ihre Umgangsformen angeht. Ryuji führt mich in den ersten Stock, während ich mich genau umsehe. Dort, wo man normalerweise Ahnengalerien erwarten würde, hängen ganz normale neumodische Fotos der Familie, und zwar in allen Lebenslagen. Wenn die Wände nicht gerade holzvertäfelt oder mit Blumenränken bemalt sind, ist die restliche Fläche regelrecht mit Fotos zugepflastert. OK, zugepflastert trifft es nicht ganz, immerhin sind die Fotos eingerahmt und dazwischen schlängelt sich immer wieder aufgemaltes Grünzeug hindurch. Jedoch ist es eine Fülle an Fotos. Geburtstagspartys, Grillpartys, Urlaubsfotos. Nur keine von dem Teil meiner Familie. Ich wende mich von den Fotos ab und folge Ryuji, der den Gang gerade verlassen und eines der Zimmer betreten hat. Im Zimmer sehe ich mich ebenfalls um. Fast hätte ich schon ein Himmelbett erwartet. Doch es steht nur ein kleines rustikales Bett an der kurzen Wand des Zimmers, darüber ein Moskitonetz an der Decke befestigt und auch ausgebreitet. Wirkt wie ein Himmelbett für Arme. Das Zimmer an sich ist recht groß, jedoch noch sehr leer, meine Umzugskartons werden wohl auch erst in frühestens einer Woche hier sein. So etwas ist ja nicht gerade einfach. Und so lange ich ein Bett habe, ist mir das auch relativ egal. Sogar einen Balkon kann ich mein eigen nennen. Ich stelle den Rucksack in eine Ecke, während Ryuji sich mir wieder zuwendet. „Das ist das zweitschönste Zimmer im Haus. Nach meinem“, erklärt er augenzwinkernd. „Dafür ist die Aussicht ebenso fantastisch. Aber ich kann mir vorstellen, dass du dich erst von dem langen Flug erholen willst. Und vielleicht den Koffer auspacken. Mein Zimmer ist das direkt nebenan.“ Er deutet auf die von mir aus gesehen linke Wand meines Zimmers. Ich nicke ihm zu und er verlässt das Zimmer mit dem Hinweis, dass er mir später eine Führung durch das gesamte Haus geben will. Aber bevor er das Zimmer verlässt, erwähnt er noch, dass sich das Bad, das ich mit ihm teilen muss, direkt meinem Zimmer gegenüber befindet. Zunächst trete ich auf den Balkon hinaus. Ryuji hatte Recht, die Aussicht ist gut. Aber zu weit, zu frei für mich. Aus meiner heilen Welt gerissen, muss ich mir erst wieder etwas Neues aufbauen. Will mich lieber in meine Gedankenwelt, in meine Erinnerungen zurückziehen, bevor mir alles über den Kopf wächst und ich doch noch anfange, alles aus mir herauszuschreien. Geschwind drehe ich mich wieder um, gehe in mein neues Zimmer zurück, lege mich auf das Bett, dessen Matratze härter ist, als die zu Hause. Ein zu Hause, das ich nicht mehr habe. Müde schließe ich die Augen, will nur noch meine Ruhe haben. Ich werde wach, als etwas Feuchtes meine Wange berührt. Da das Zimmer sonnendurchflutet ist, muss ich zunächst blinzeln. Dann sehe ich, dass die beiden sechsjährigen Zwillingsmädchen auf meinem Bett sitzen und mich angrinsen. „Es gibt Abendessen“, erklärt diejenige, die näher an meinem Kopf sitzt, in schlechtem Japanisch auf meinen fragenden Blick hin. Unterscheiden kann ich die Zwillinge nicht, ich weiß nur, dass sie Kazuko und Natsuki heißen. Japanische Namen haben sie, aber nach dem bisschen Japanisch zu urteilen, sprechen sie es kaum. Jedoch lächelt sie mich so stolz an, dass ich nur schmunzeln kann. „OK, ich komme“, erwidere ich auf Englisch und will aufstehen, doch das zweite Mädchen hält mich erst einmal davon ab, indem sie sich auf mich stürzt. „Auch“, meint sie nur und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Nun muss ich annehmen, dass das Feuchte, das mich aufgeweckt hat, ein Kuss von ihrer Schwester war. Was hab ich an mir, dass die beiden mich scheinbar schon auf Anhieb so mögen, dass sie mich verküssen, obwohl wir uns fast nicht kennen? Oder ist das in Amerika so üblich? Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass sie noch so jung sind. Hilfe! Ich wollte eigentlich nie wieder so kleine Kinder als Geschwister! Immerhin haben mich meine Tante und mein Onkel adoptiert. Zwangsläufig. Nun darf ich endlich aufstehen, habe aber schon im nächsten Moment jeweils eine kleine Hand in meinen Händen. Jetzt wollen sie mich auch noch entführen. Ohne mich zu wehren, lasse ich mich von den beiden durch das halbe Haus ziehen, bevor wir endlich im Esszimmer ankommen. Dort sitzt schon mein Onkel am Tisch, eine große Zeitung vor der Nase. Ryuji ist gerade dabei, Bier und Cola einzuschenken. „Wo soll ich mich hinsetzen?“ wende ich mich an die beiden Mädchen. Bei uns zu Hause war es Tradition gewesen, dass jedes Familienmitglied seinen Stammplatz am Esstisch gehabt hatte. Das hatten wir uns einfach ohne Absprache angewöhnt. Aber eigentlich auch ohne Grund. Dennoch hatten wir über Jahre daran festgehalten. „Setz dich einfach irgendwohin, wo ein Glas Cola steht“, meint Ryuji. Ich verziehe das Gesicht. „Und wenn ich keine Cola will?“ Ich trinke nicht oft Cola, mir ist die zu süß und zu klebrig. „Willst du etwa Bier?“ hakt Ryuji überrascht nach. „Nein, ich trinke keinen Alkohol. Ein Mineralwasser reicht völlig“, erwidere ich, während ich mich auf einen der freien Plätze setze. „Mineralwasser haben wir keines da. Das Leitungswasser kann man hier nicht trinken“, klärt mich meine Tante auf, die gerade einen dampfenden Topf aus der Küche bringt. Ryuji lässt die Cola-Flasche über meinem Glas schweben und sieht mich fragend an. Ich nicke und gebe ihm somit das OK, auch mir dieses klebrige Zeug ins Glas zu schütten. Dann muss meine liebe Tante eben beim nächsten Einkauf Mineralwasser besorgen, was ich ihr auch sogleich sage. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Teller lenke, ist dieser schon voll beladen. Na toll, so viel bekomme ich doch gar nicht runter! Ich beäuge das Essen skeptisch. Fettes Schweinefleisch statt Fisch, Kartoffeln statt Reis. Besteck statt Stäbchen. „Schau nicht so, an das Essen wirst du dich schon noch gewöhnen!“ Yumiko grinst mir zu, als sie sich setzt. „Das ist mir aber wahrscheinlich zu viel“, erkläre ich nur. „Dann ist es ja kein Wunder, dass du so mager bist, Junge!“ erwidert sie und greift sich ihr Besteck. Ich werfe einen Blick zu Ryuji, der schon kräftig am schaufeln ist. Wenn der wirklich alles isst, was auf seinem Teller liegt, muss er mit seiner schlanken Figur einen atemberaubenden Stoffwechsel haben. Ich greife nach meinem Besteck, bin aber schon nach der Hälfte des Tellers so pappsatt, dass ich Messer und Gabel schnell bei Seite lege, denn ich kriege keinen Krümel mehr in den Magen. Natürlich ist es unhöflich, wenn ich die Hälfte liegen lasse, normalerweise mache ich das auch nicht, aber ich habe es wirklich versucht, mir alles reinzustopfen, habe so schon mehr gegessen, als ich benötigt hätte, aber wenn ich weitermachen würde, müsste ich alles wieder auskotzen und das will ich nicht. Dennoch, auch wenn das Essen zu fettig und zu ungewohnt ist, es erscheint mir möglich, mich tatsächlich daran zu gewöhnen, denn ungenießbar schmeckt anders. Schweigend sehe ich den anderen beim Essen zu. Ryuji hat mittlerweile eine zweite Portion verdrückt, die Zwillinge sind schon fertig und fegen vergnügt um den Tisch. „Willst du das nicht mehr?“ fragt mein Cousin schließlich und ich schüttele den Kopf. Mit großen Augen sehe ich zu, wie er sich meinen Teller schnappt und meine Reste aufisst. Mir wird schon vom hingucken schlecht, weshalb ich mich den Zwillingen zuwende, die das aber leider falsch interpretieren und mir ihren Ken in die Hand drücken. Ich werfe der Plastikpuppe in meiner Hand einen skeptischen Blick zu. Na ganz toll. Ich setze ihn einfach auf den Tisch neben meinen Teller, was mir empörte Blicke der Schwestern einbringt. Aber ich habe jetzt einfach keinen Nerv, heile Welt zu spielen. Bleibe nur aus Höflichkeit sitzen, da Vielfraß Ryuji noch immer was auf meinem Teller hat. „Wie erhält man sich die Figur, wenn man so viel frisst, wie du?“ frage ich ihn quer über den Tisch. Der Schwarzhaarige lacht. „Ich bin im Basketballteam. Das heißt jeden Tag zwei Stunden Training und Samstags ein Spiel gegen eine andere Highschool.“ „Hast du dann überhaupt noch Freizeit?“ hake ich nach. „Noch genug“, erklärt er schlicht. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass meine Tante und mein Onkel lächeln. Ich wende mich stumm ab. Ich weiß, dieses Gespräch war keine Glanzleistung, aber ansonsten habe ich den ganzen Tag mit kaum jemandem gesprochen, weshalb die beiden Erwachsenen sichtlich froh sind, dass ich wenigstens zwei belanglose Sätze zustande bekommen habe. Nach dem Essen verziehe ich mich sofort wieder auf mein Zimmer, habe keine Lust auf Gesellschaft. Stattdessen fange ich an, meinen Koffer auszuräumen und stelle Fotos meiner Familie im ganzen Zimmer auf. 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