Kurzgeschichten von abgemeldet ================================================================================ Verloren -------- Es war eine kalte Winternacht. Vereister Rest von Schnee war das einzige, was die leeren Straßen erhellte. Wir hielten uns an den Händen. Ich fror. Er bat mich, weiterzugehen. Ich wollte mich fallen lassen. Er fing mich auf. Wir liefen weiter. Dort, ein warmes Haus. Wir gingen hinein. Ein Mann öffnete uns, bat uns in die Wohnung. Ich wollte nicht, wollte draußen bleiben. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Ich hatte Angst. Er zog mich hinter sich zur Tür hinein. Der Mann bat uns warmen Tee an, doch ich lehnte ab. Er auch. Aber eine Zigarette nahm er an, ohne sich dafür zu bedanken. Ich setzte mich aufs Sofa. Ich wartete. Wie viel Zeit vergangen war wusste ich nicht. War versunken in meiner eigenen Welt aus Fieberträumen. Versunken in einer fremden Realität. Irgendwann meinte er, wir sollten langsam gehen. Der Mann schien traurig. Er hatte gefallen an unserer Anwesenheit gefunden und bat uns, zu bleiben oder wenigstens wiederzukommen. Ich rannte aus der Wohnung. Ich konnte es keine Sekunde länger dort ertragen. Ich rannte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich schrie, ich weinte. Ich ließ mich auf den Boden sinken. Ich sang leise Lieder, um die Stille um mich herum zu vertreiben. Ich war allein. Einige Minuten später kam er mir hinterhergerannt. Er schimpfte mit mir. Warum ich fortgelaufen sei. Liebst du sie, war die Frage, die ich ihm stelle. Mir war kalt. Ich liebe euch beide, war seine Antwort. Wäre ich jetzt sonst bei dir, wenn ich dich nicht lieben würde? Er nahm mich in die Arme und küsste mich. Die Welt um mich herum schien so unwirklich. Wir standen, frierend, an dieser dunklen Straße, an eine Hauswand gelehnt. Es war eine kalte Winternacht. Vereister Rest von Schnee war das einzige, was Licht spendete. Es kam mir vor, als wären wir zwei verlorene Kinder, die auf ihrem Weg nach Hause verloren gegangen waren, sich nun an den Händen hielten und wussten, ihr zu Hause gab es nicht mehr. Wir suchten nach Trost, nach Hoffnung, und doch, finden konnten wir weder das eine noch das andere. Und so war alles, was wir hatten, die Hand des anderen, die wir krampfhaft hielten und unsere müden Körper, die wir aneinanderdrückten, um nicht zu frieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)