Illusion of Time/Gaia von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: 5 ------------ Von den so genannten Ruinen war nichts mehr zu erkennen. Abgesehen von den rar verteilten, etwa zwei Meter großen Steinköpfen also war weit und breit nichts als eine weiteren Blumenwiese zu erkennen. Nichts in dieser Gegend ähnelte dem, was Will sich vorgestellt hatte. »Das sollen die antiken Inka-Ruinen sein?«, fragte er verwirrt. »Nein«, antwortete Lilly, »das da hinten ist nur der Eingang. Im Laufe der Jahrhunderte muss das alles hier einfach darüber gewachsen sein. Vielleicht wurden sie auch absichtlich zugeschüttet. Wer weiß.« Sie machte ein paar Schritte und betrachtete einen der Felsenköpfe. »Hier soll die Lösung des Rätsels verborgen sein. Eine uralte Legende, weißt du? Meine Mutter hat sie mir erzählt, als ich noch ein Kind war…« Diese Bemerkung erinnerte Will daran, dass sie im Dorf weder Lillys Mutter, noch ihrem Vater begegnet waren. Waren ihre Eltern womöglich…? »Nach dem Großen Krieg beschlossen die Inkas, das Land zu verlassen, um neue Welten zu finden. Und so bauten sie ein riesiges Schiff und beluden es mit all ihren Reichtümern. Doch nirgendwo in den alten Überlieferungen wird erwähnt, dass das Schiff auch tatsächlich ausgelaufen ist… Wie auch immer - es scheint von großer Bedeutung für deine Mission sein.« Plötzlich hörte Will Schritte hinter sich und konnte das rosafarbene Kleid schon aus den Augenwinkeln sehen, bevor er sich ganz umgedreht hatte. Kara musste ihnen hierher gefolgt sein. »Ich kann nicht glauben, dass du mich wirklich zurückgelassen hast!«, fuhr sie ihn an. »Was machst du denn hier?«, rief Lilly, nicht minder zornig. »Hab ich dir nicht gesagt, dass das viel zu gefährlich für dich ist?« »Ich - ich hatte Angst um Will…« Plötzlich war Kara ungewohnt kleinlaut. »Was wenn ich ihn nicht wieder gesehen hätte…?« Will wurde rot und wandte sich hastig ab, um scheinbar äußerst interessiert die winzigen Runen zu inspizieren, die in einen der Steinköpfe eingeritzt waren. »Na ja…« Lilly wusste offenbar nicht, was sie antworten sollte. »Mein Gott, so etwas Stures… Was machen wir jetzt mit ihr, Will?« Der Angesprochene überlegte kurz und sagte dann: »Am besten bleibst du hier bei ihr und passt auf sie auf.« Er sah Karas Blick und räusperte sich. »Tut mir Leid, Kara, aber ich kann nicht zulassen, dass du dich in solche Gefahr begibst. Gott weiß, was da drin auf uns lauert.« Kara schien widersprechen zu wollen, und auch Lilly sah nicht sehr begeistert aus - aber Will hatte seine Entscheidung getroffen. Nach kurzem hin und her gehorchten die beiden widerwillig und setzten sich. »Aber mach schnell…«, hörte Will Lilly noch maulen, bevor er die Mädchen zurückließ und sich auf den Weg machte, das Larai-Riff zu erkunden. Kaum hatte er den letzten der steinernen Gesichter aus dem Blick verloren, befand er sich in einem Talkessel, durch den ein - wie er fand - menschenunwürdiger Wind pfiff. Er hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, als er sich weiterkämpfte - mit geschlossenen Augen allerdings, sodass er beinahe einem sehr steilen Abhang hinuntergefallen wäre. Glücklicherweise konnte er sich gerade noch an den Wurzeln eines toten Baumes festhalten; und dann sah er sie: zwei Vorsprünge, direkt an der Klippe, etwa zehn Meter unter ihm. Beide waren gleichgroß, gleichbreit und das Merkwürdigste: an beiden war so etwas wie eine Vorrichtung angebracht, die offenbar für die beiden Statuen gedacht war. Will konnte sein Glück kaum fassen, als er sein Seil hervorkramte und vorsichtig den Abstieg begann. Am ersten Vorsprung angekommen, bemerkte er sofort die plötzliche Windstille, und die ersten Worte des Rätsels kamen ihm in den Sinn. Dort, wo der Odem der Götter sie verschont… Damit musste der Wind gemeint sein! Innerhalb weniger Sekunden hatte er herausgefunden, welche Statue an welchem Pult angebracht werden musste und die wenigen Meter zwischen den Vorsprüngen waren kein Problem für den geübten Springer. Kaum hatte er auch das zweite Kleinod befestigt, hörte er ein ohrenbetäubendes Kratzen, Quietschen und Poltern. Dann war wieder alles still. Er vermutete schon, was geschehen war, während er wieder nach oben kletterte. Und tatsächlich - eine kleine Öffnung im Boden hatte sich aufgetan, die ihn tiefer in den Berg führte. »Ha!«, machte er triumphierend und kletterte die uralte Leiter hinab, dann stand er in völliger Dunkelheit. Die Stille drückte auf seine Ohren, während er versuchte, irgendetwas auszumachen, aber es war sinnlos. Er konnte nicht einmal die Hand vor Augen erkennen. Er zog schon in Betracht, einfach weiterzulaufen, entschied sich jedoch dafür, im Dorf um ein paar Fackeln zu bitten. Verärgert wollte er sich auf den Weg nach oben machen, doch dann stellte er mit Schrecken fest, dass die Öffnung sich wieder geschlossen hatte. »Oh nein -« Er trommelte gegen die Wand und schrie so laut er konnte nach Hilfe, aber niemand antwortete. Ruhig bleiben, dachte er sich. Keine Panik… Mit diesem Vorsatz war es endgültig vorbei, als er ein beunruhigendes Grollen hörte, dass zwar organisch klang, andererseits aber niemals von einem lebenden Wesen stammen konnte! In heller Panik riss er die Augen auf und starre in die Dunkelheit. Dann - mit einem Mal - wurden plötzlich überall Fackeln wie durch Geisterhand entzündet und zum ersten Mal konnten seine Augen die Umgebung erfassen. Er befand sich in einem simplen, quadratischen Raum, der kaum größer war als seine Seehöhle. In der Mitte klaffte ein gewaltiges Loch, das direkt zur Hölle zu führen schien. Und dann sah er es - das Wesen, das ebenfalls der Hölle entsprungen sein musste. Es war so gewaltig, dass nur sein hässlicher, schuppiger Kopf und die klauenartigen Hände durch die Öfnung im Boden passten. Die grünen, bösartigen Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie den erstarrten Jungen erfassten. Dann war ein übernatürliches Brüllen zu hören und ohne Vorwarnung schossen scharfe Klauen auf ihn zu. Gerade noch rechtzeitig erkannte Will, was geschah, und sprang zur Seite. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, zerfetzten die langen Krallen die Luft und hinterließen tiefe Kratzer im Steinboden. >Was ist das denn?<, schrie Will in Gedanken. >Auch dieses arme Geschöpf war einst dem Kometen ausgesetzt<, antwortete Freedan plötzlich, und wie immer, wenn die beiden sprachen, schien die Zeit stillzustehen. »Viel länger und intensiver jedoch als die Kreaturen, die du kennst.« >So, wie das Ding aussieht, muss es mal auf dem Kometen übernachtet haben!!< Freedan erkannte, dass Will kurz davor stand, vor Angst wahnsinnig zu werden, und ergriff die Initiative. >Ich werde mich darum kümmern.< Will willigte nur zu gerne ein, und so galt der nächste Angriff des Monsters dem Dunklen Ritter, der schon souveräner damit umzugehen wusste. Ohne zu zögern hob er sein Schwert, sprang zurück und schlug der Hand 3 Finger ab. Das folgende Heulen verstärkte sich noch, als Freedan dem Ungetüm sofort darauf ins Gesicht sprang und sein Schwert tief in einem Auge versenkte. Dann zog er sich zurück, um dem giftigen Atem und dem Racheschlag mit der unverletzten Klaue zu entgehen, der stattdessen das andere Auge der Bestie traf. Allzu intelligent konnte das Wesen nicht sein, vermutete Freedan, während er das Spiel minutenlang fortfuhr - angriff, kleinere und größere Verletzugen verursachte und gerade rechtzeitig auswich, um das Monster dazu zu verleiten, sich selbst zu schaden. Schließlich - der Kopf der Kreatur war inzwischen blutverschmiert und übersät mit Rissen und Verletzungen - schrie sie noch einmal, dass die Wände zitterten, und zog sich in die Tiefe zurück. Schwer atmend sank auch der Ritter auf die Knie. Will hatte kaum noch Kraft übrig. Freedan wusste, dass er seinen Zweck erfüllt hatte und ließ seinen Geist wieder in die Dunkelheit sinken - und wieder lag Will dort, auf dem staubigen, völlig zerkratzten und zerstörten Boden und rang um Atem. Er weigerte sich darüber nachzudenken, was gerade passiert war, oder ob das große Tor hinter ihm schon vorher dagesewesen war - stattdessen richtete er sich auf und schleppte sich auf zitternden Beinen in den dahinterliegenden Gang. Er war am Ende seiner Kräfte; er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und wusste, dass er jeden Moment ihn Ohnmacht fallen würde. Am Ende des Ganges war wiederum ein Loch im Boden, das aber irgendwie nicht bedrohlich wirkte. Er ließ sich einfach fallen und sein letzter Gedanke, bevor ihm schwarz vor Augen wurde, war, dass dies wohl sein Ende sein würde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)