Schlaf von Susulein ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Proudly presenting: Meine allererste MUCC Fanfic mit dem Titel "Schlaf" Also seid gnädig, ich hab schon ewig keine Geschichte mehr geschrieben und schon gar keine FF^^. Freu mich schon auf C&C. ----------------------- Prolog „Tatsurou hat Zöpfchen, Tatsurou hat Zöpfchen“, sang Yukke vor sich her, nachdem er seinen Bandkollegen sah, der sich auf dem schwarzen Ledersofa rekelte. Den Nacken auf die Rückenlehne gelegt um besser an die Decke starren zu können, baumelte sein Haar gen Boden und verführte geradezu zu einem frechen Spruch. Aus reiner Faulheit hatte Tatsurou diese Frisur beibehalten, die ihm die Friseurin am Morgen des mittlerweile schon in die Abendröte dämmernden Tages ins Haar geflochten hatte. Für das Photo shooting einer Zeitschrift zwecks Promotion für ihr neues Album “Gokusai“, hatte die junge Frau darauf bestanden, ihm Zöpfchen in die langen schwarzen Strähnen in seinem Nacken zu flechten. „Ich bin sicher, es wird Ihnen stehen und es passt auch gut zu dem Schmetterlings Make- up, dass Ihnen später noch aufgelegt wird!“, hatte sie gesagt, woraufhin Tatsurou die Augenbrauen hochzog und dem grinsenden Yukke mit der Elle einen Stoss in den Rippenbogen versetzte. „Kann ich die Entwürfe dafür mal sehen?“ fragte er und zog die Brauen noch höher, als er “künstliche rote Wimpern am unteren Lidrand“ in der Beschreibung neben der Skizze las. „Was hat Miya da bloß wieder abgesegnet?“, fragte er sich im Stillen und brummte ein zustimmendes „Also gut“, zu der neben ihm wartenden Friseurin. Satochi, der still und heimlich hinter ihm aufgetaucht war und nach Betrachten des Bilds ein noch fetteres Grinsen als Yukke aufgesetzt hatte, bekam ebenfalls einen Stoß in die Rippen. Nach der langwierigen (zumindest im Fall des Sängers) Prozedur des Schminkens und Stylens und mehreren anstrengenden Stunden vor der Kamera waren alle 4 Bandmitglieder noch in ihren nahe liegenden Proberaum gefahren. Miya hatte darauf bestanden um an dieser oder jener Einstellung noch zu feilen. Und schließlich war er der Bandleader – und ein Perfektionist. Miyas Philosophie war, dass Stillstand gleichbedeutend mit dem Tod ist. Nun, die anderen waren jedenfalls mittlerweile daran gewöhnt, nach jeder neuen CD immer noch weiter an den neuen Songs zu arbeiten. Schon allein deshalb, um auf der Bühne dem Publikum die Songs in mindestens der gleichen Qualität wie auf den Platten präsentieren zu können. Aber heute hielt sich sogar Miyas Arbeitseifer in Grenzen. Schon nach einer halben Stunde, in der er und Satochi gemeinsam am Rhythmus eines Liedes gearbeitet hatten, entfuhr dem sonst so selbst beherrschten Gitarristen ein herzhaftes Gähnen und sie beschlossen gemeinsam das heute genug gearbeitet wurde. Da aber Miya noch acht seiner heiß geliebten Gitarren stimmen und verpacken musste, beschlossen die übrigen Männer, es sich im Nebenraum bequem zu machen und sich ein wenig zu entspannen. Der Proberaum bestand eigentlich aus 3 Räumen; einem kleinen Badezimmer, einem Arbeitsraum mit Instrumenten, Verstärkern, Mischpults und Computern und einem kleinen Aufenthaltsraum mit einer gemütlichen Ledercouch, Sesseln, einem Fernseher mit einer Playstation und einer monströsen Hi-Fi Anlage. Zudem befand sich noch eine kleine Küchenzeile darin, obwohl der Begriff “kochen“ hier ziemlich unangebracht war. Der Herd war schon eingestaubt, das Geschirr stapelte sich seit Wochen unabgewaschen in der Spüle und lediglich der riesige Kühlschrank sah benutzt aus. Nur dass sich dort lediglich eine unfassbar große Menge an Satochis Energydrinks und Bierdosen befand. Genau einen dieser Drinks schnappte sich der gut gelaunte Drummer nun und warf Yukke und Tatsurou je ein Bier zu. „Habt ihr heute Abend noch was vor?“, fragte er in die Runde als er die Dose zischend öffnete und nur ein erschöpftes Kopfschütteln als Antwort bekam. „Schade… dann muss ich wohl Koyuki- chan anrufen, ob sie Zeit hat um noch ein bisschen um die Häuser zu ziehen. Ist ja erst 8 Uhr.“ Er trank die Dose in einem Zug aus, zerdrückte das Aluminium und traf mit einem gezielten Wurf in den Papierkorb. Grinsend verabschiedete er sich und ging. „Was er bloß von der Alten will… die ist doch total nervig!“, knurrte Tatsurou welcher auf der Couch hing, denn Koyuki war niemand anderes als die Friseurin, die ihn am Morgen unbedingt Zöpfe ins Haar flechten wollte. „Beschwer dich nicht immer, Rou- chan, immerhin steht dir diese Frisur ja wirklich“, bemerkte Yukke anbei „Und außerdem war sie echt süß. Ein Wunder, dass er ihre Nummer gekriegt hat.“ „Süß? Diese ätzende kleine Zöpfchenflechterin? Die wollte doch bestimmt nur mal ’nen Rockstar aufreißen, aber da sie es bei mir schon von Anfang an versaut hat, hat sie eben sich an Tochi versucht. Hat ja auch geklappt.“ „Mann bist du wieder gut drauf, Rou- chan“ sagte der Bassist und trank einen Schluck Bier „ist was?“, Manchmal benahm sich der junge Sänger wirklich unmöglich. „Das ewige Posen heute hat mich halb wahnsinnig gemacht, mir tut seitdem alles weh!“ beschwerte sich Tatsurou. Manchmal benahm er sich nicht nur unmöglich, sondern dazu auch noch wie ein kleines Kind. Besonders dann, wenn ihn irgendetwas zwickte oder er sich verletzt hatte. „Dreh dich ein Stück, dann kriegst du eine Schultermassage.“ bot Yukke an. Keine Antwort. Tatsurou hatte die Augen geschlossen und den Kopf auf die Rückenlehne gelegt. „Ich kann auch nach Hause gehen und dich in deinem Elend allein lassen.“ „Mmmh, eine Sekunde noch.“ Tatsurou war wirklich ein verwöhntes, egoistisches Balg dachte sich Yukke und konnte deshalb nicht umhin ihn noch ein wenig zu ärgern. Er schlich sich von der Küchenzeile vor der er gestanden hatte leise zur Couch. Als er direkt hinter Tatsurou stand, fing er wieder mit seinem “Tatsurou hat Zöpfchen“ Liedchen an und zog zur Bekräftigung einmal fest an besagten herunterhängenden Strähnen. „Heyyyy! Lass das gefälligst!“, knurrte der so arg Geschundene, rührte sich aber nicht von der Stelle sondern verzog nur das Gesicht. „Oh Mann, dir muss ja wirklich alles wehtun, wenn du mich deshalb nicht einmal um das Sofa jagst, Rou- chan.“ sagte Yukke und klang ein wenig besorgt, denn er wusste wie unausstehlich es jemanden machen konnte, wenn der Körper von der Fußspitze bis zum Scheitel verspannt war. Er hatte oft genug in einem Tourbus gesessen. „Nun dreh dich schon ein Stück, ich massier dich auch wirklich.“ versprach der blonde Musiker mit einem sanften Unterton und ging um die Couch herum. Und tatsächlich richtete Tatsurou sich nun langsam auf und drehte seinen Rücken zu Yukke. Jener begann damit, ihm fest Nacken zu kneten und erntete für seinen Einsatz auch gleich ein: „Au, au, au. Nicht so fest. Und weiter unten.“ Yukke hielt kurz inne und konnte sich Tatsurous Gesicht genau vorstellen wie jener jetzt mit den Augen rollte und ein knurriges „Bitte“, hinzufügte. Wenn man sich seit nunmehr schon acht Jahren kannte, war es leicht das Verhalten, die Mimik oder gar den nächsten Satz seines Gegenübers vorauszusehen. Yukke machte sich weiter an seinen Job und lockerte nun die wirklich arg verkrampften Schultern. „Weißt du, ich finde wirklich, dass dir das steht.“ meinte Yukke leise nach einer Weile und strich einen tiefschwarzen Zopf zur Seite, der seinen Händen im Weg war. „Yu- kun, ich stülp dir ja auch nicht ständig ein Schüssel über den Kopf und sing dabei “Yukke hat ’nen Pottschnitt, Yukke hat ’nen Pottschnitt“, also hör doch endlich mal auf über meine Haare zu reden. Mach die blöden Zöpfe lieber auf, anstatt dauernd darüber zu quasseln.“ äußerte ein schläfrig klingender Tatsurou, dem es trotz der harschen Worte offenbar sehr behagte, massiert zu werden. Yukke musste heimlich schmunzeln als er die Haarbänder öffnete und das pechschwarze Haar entflocht. Nicht die bissige Bemerkung amüsierte ihn, sondern der müde, entspannte Tonfall Tatsurous, der ihn immer an einen Kater, der gerade gefressen hatte und sich zufrieden in seinem Körbchen zusammenrollte erinnerte. Und genau wie ein geschmeidiger Kater entzog er sich nun Yukkes Griff, kuschelte sich an das Sofa und zog die Beine an. „Darf ich?“, fragte er noch mit flatternden Augenlidern und legte ohne eine Antwort abzuwarten, seinen Kopf in den Schoß des blonden Bassisten. Es war nicht besonders viel Platz auf der Ledercouch, sodass Tatsurous Füße auch so schon über die Armlehne ragten und es keine andere Möglichkeit gab um sich hinzulegen. Aber Yukke war es gewohnt, als Kissen missbraucht zu werden. In den engen Backstagebereichen vieler Konzerthallen war kaum Platz für mehr als ein mickriges Sofa und an einen Luxus wie Kissen war dort sowieso nicht zu denken. Deshalb lächelte der Blondschopf nur über diese kleine Vertraulichkeit und nahm dem anderen vorsichtig die Brille ab. „Er vergisst das auch jedes Mal.“ dachte Yukke kopfschüttelnd und erinnerte sich daran, wie viele Brillen auf diese Art und Weise ins Nirvana eingegangen waren. Er legte das schwarze Gestell auf den niedrigen Wohnzimmertisch und lehnte sich wieder zurück. An Tatsurous tiefen, gleichmäßigen Atemzügen erkannte Yukke, dass der andere schon fest eingeschlafen war. Im Schlaf rümpfte er die Nase, weil eine vorwitzige Haarsträhne es gewagt hatte nach vorn zu fallen und ihn nun kitzelte. Während er ihm vorsichtig die Strähne hinters Ohr strich musste Yukke erneut lächeln. Im Moment wirkte Tatsurou viel jünger als sonst. Jetzt sah er mehr wie der schlacksige Teenager mit den blitzenden Augen aus, der sich ihm vor vielen Jahren vorgestellt hatte, nicht mehr wie der energiegeladene Frontmann der alle Zuschauer mit seinem Charisma in den Bann ziehen konnte. Kaum zu glauben, dass die Band in ein paar Monaten schon ihr zehnjähriges Bestehen zu feiern hatte. Damals war es noch ein scheinbar unerreichbarer Traum war, einmal vor einem jubelnden Publikum zu stehen und zu spielen. Damals, als sie noch keine Vorstellung davon hatten, wie hart es oftmals ist, berühmt zu sein. Damals, als jene furchtbare Sache noch nicht passiert war, die ihr aller Leben umkrempeln sollte. Durch ein leises Geräusch wurde Yukke aus diesen düsteren Gedanken gerissen und sah Miya zur Tür hereinkommen. Der kleine Gitarrist mit der ernsten Miene schaute Yukke ins Gesicht, dann betrachtete er den schlafenden Tatsurou. „Tust du das immer noch? Ich dachte mittlerweile müsste er das doch hinter sich haben.“ merkte Miya mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Der Bassist senkte seinen Blick und verfiel wieder in unschöne Erinnerungen. Miya hatte Recht. Tatsurou suchte seine Nähe erst seit jenem Tag vor nunmehr fast drei Jahren. Seit dem Tag, an dem sich der Sänger sich umbringen wollte. --- Ich bin so frei und hör an dieser Stelle mal auf *.* Ich kündige an dieser Stelle aber noch ne ganze Ecke Drama und Romantik etc.. bleibt dran! Eventuell wirds auch noch lime/lemon, kommt drauf an, wie sich die Geschichte entwickelt. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Seit Gründung der Band war Miya der Leader, der Songwriter, der Anführer. Seine Lieder und Texte waren durchweg brillant und das sagte man ihm auch. Genauso eisenhart war sein Durchhaltewillen, sie alle eines Tages zum Erfolg zu führen. Nicht wegen Ruhm oder Reichtum, sondern um seine Botschaften in die Welt hinaustragen und davon leben zu können. Und obwohl die Anderen, also Tatsurou, Yukke und Satochi ihn für sein Talent, Emotionen in Texte und Melodien zu transferieren, bewunderten, wurde ihnen schon bald bewusst, dass eine gewisse Unruhe in der Gruppe brodelte. Unbewusst hatte sich besonders Tatsurou schon lange daran gestört, dass Miya ihm immer soviel vorschrieb. Es störte ihn, dass der Bandleader sich über mickrige fünf Minuten Unpünktlichkeit genauso aufregte, als ob er zwei Stunden Verspätung hätte. Genauso auf die Palme brachte ihn die Tatsache, dass Miya selten ein gutes Wort für ihn hatte, sondern ihn umso mehr für diesen falschen Ton oder jene aufkeimende Starallüre zu kritisieren pflegte. Auch Satochi und Yukke war schon aufgefallen, wie gestresst ihr Gitarrist in letzter Zeit geworden war und auch sie bekamen seine schlechte Laune öfters zu spüren. Jedoch konnten der Drummer mit seinem sonnigen Gemüt und der Bassist, der mit Miya schon als Kind Fangen auf der Straße gespielt hatte, die Seitenhiebe von ihrem Songwriter besser einstecken, als der schnell eingeschnappte Sänger. Mit wachsendem öffentlichen Interesse war Tatsurou allerdings wirklich zunehmend schlampiger und arroganter geworden. Auf jede Art von Kritik an seiner Person hielt er eine bissige Antwort bereit- obwohl sie häufig berechtig war. Zwar hatte der zu dieser Zeit rotblond gebleichte Musiker schon selbst bemerkt, dass er in seiner musikalischen Entwicklung stagnierte, wenn nicht gar sich verschlechterte, aber diesen beunruhigenden Gedanken verbarg er in den Tiefen seiner Seele. Jedes Mal wenn diese Selbstzweifel aufkamen, vergrub er sie unter einer Flut von Sarkasmus, die er ohne Vorwarnung auf seine Mitmenschen ablud. Dabei redete er sich ein, dass er ja nichts dafür konnte, dass der Stress durch die vielen Auftritte und Termine und der Wechsel zu dem großen Majorlabel dran Schuld hatte, dass die Anderen –und dabei allen voran natürlich Miya- ihn zu sehr unter Druck setzten und er deshalb nachließ. In den letzten Monaten hatte er zudem begonnen, seine Sorgen hin und wieder mit einigen Flaschen Bier oder Sake zu vergessen. Eines Abends, kurz vor dem Abschlusskonzert ihrer aktuellen Japan-Tour hatte Tatsurou sich mehrere Gläschen Sake beim fernsehen in seiner Wohnung gegönnt und war auf dem Sofa eingeschlafen. Als er durch das schon seit mehreren Minuten anhaltenden Piepsen seines Mobiltelefons, dass in seiner Jackentasche steckte, geweckt wurde und von Kopfschmerzen geplagt auf das „Annehmen“ - Knöpfchen drückte, wusste er gar nicht, wie ihm geschah, als er einen böse klingenden Miya am Apparat hatte. „Komm. Auf. Der. Stelle. Zum. Bahnhof.“ hörte aus dem Lautsprecher klingen, gefolgt von einem Tuten. Schon aufgelegt. Tatsurou stöhnte, als er auf die Uhr sah und nur noch fünfundvierzig Minuten hatte, um den Zug nach Tokyo zu bekommen. Vor dem letzten Konzert einer Tour war grundsätzlich immer wenigstens ein Tag Heimurlaub angesagt, den er diesmal auch redlich ausgenutzt hatte. Noch immer etwas wankend schlich er ins Bad, um eine Aspirin einzunehmen und steckte zur Sicherheit die ganze Packung in die Hosentasche seiner schlafzerknautschten Jeans. Nach einem wenig optimistisch stimmenden Blick in den Spiegel, trollte er sich ins Wohnzimmer zurück, schnappte sich seine Jacke und die glücklicherweise schon fertig gepackte Reisetasche. Mit dem Auto schaffte man es in knapp 30 Minuten zum Bahnhof. Dummerweise besaß Tatsurou aber kein Auto, schon gar nicht in Mito City, wo seine kleine Zweitwohnung lag, die er eigentlich kaum noch benutzte, aber aus Sentimentalität nicht aufgeben wollte. Das war seine erste, eigene Wohnung gewesen, nachdem er von zu Hause ausgezogen war, und da die Mieten im Vergleich zu Tokyo ein Witz waren, hatte er sie neben seiner jetzigen Hauptwohnung in der Hauptstadt eben behalten. Zwischenzeitlich hatten sie sogar zu dritt, er, Satochi und Yukke, hier gelebt, als sie den Durchbruch noch nicht geschafft hatte und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten mussten. Miya wohnte zu dieser Zeit noch bei seiner allein lebenden Mutter, die aus Ishioka City nach Mito gezogen war, damit ihr Sohn eine gute Highschool besuchen konnte. Der praktisch denkende Miya war der Meinung, dass es sich nicht lohnte allein zu leben. Außerdem war in Tatsurous winziger Wohnung sowieso kein Zentimeter Bodenfläche mehr frei. Tatsurou musste sich also ein Taxi bestellen, die morgendliche Rush Hour war schon vorbei und er konnte es nicht riskieren, den Zug zu verpassen, nur weil grade kein Bus zum Bahnhof fuhr. Denn an diesem kühlen Septembertag sollte, zu allem Überfluss, ihre erste Live- DVD aufgezeichnet werden. Drei ziemlich wütend aussehende Männer erwarteten ihn somit schon am Bahnsteig, als er die Stufen hinaufhetzte und der Zug auch schon laut ratternd einfuhr. Ohne einen Kommentar abzugeben sprang er in die nächste sich öffnende Zugtür und ließ sich vollkommen außer Atem auf einen Sitz plumpsen. Die Anderen verstauten zunächst ihr Gepäck über den Sitzen und setzten sich dann neben den rotblonden Sänger in die viersitzige Sitzgruppe. Um einem weiteren, bitteren Streit zwischen dem Vokalist und dem Gitarristen vorzubeugen, ergriff Satochi zuerst das Wort: „Warum bist du schon wieder zu spät?“, fragte er einfach. Aber es hatte keinen Zweck. Aufgebracht antwortete Miya ihm an Tatsurous statt: „Ich weiß wieso“, zischte er leise, damit die anderen Fahrgäste nichts mitbekamen. „du stinkst wie ein ganzes Sakefass!“ „Erstens: Ich bin gar nicht zu spät, sonst würde ich ja jetzt nicht hier sitzen. Zweitens hab ich gar nicht soviel getrunken, nur ein paar Gläschen. Und dritt- “ „Lass die Haarspalterei! Wenn du nicht so schlampig wärst und dich weniger betrinken würdest, dann hättest du viel früher da sein können und dich vielleicht vorher auch noch waschen können! Du siehst aus wie ein Stück Scheiße!“ „Miya- kun!“ Yukke unterbrach seinen Freund und hielt Tatsurou den Mund zu, der schon eine hässliche Erwiderung auf Lager hatte. „Rou- chan! Ihr beide hört jetzt gefälligst auf, ich will meine Ruhe haben! Wir haben heute ein letztes Konzert, dass auch noch gefilmt wird, da könntet ihr beide euch doch bitteschön beherrschen.“ Miya wandte sich knurrend ab und starrte aus dem Fenster, während Tatsurou seine Sonnenbrille aus der Tasche nahm und aufsetzte, um damit in die andere Richtung zu starren. Nicht, dass groß eine Gefahr bestand, von Fans erkannt zu werden, es war schließlich Vormittag und die meisten Mucc- Fans gingen noch zu Schule. Aber die Sonnenbrille verschaffte ihm immer einen Schutz vor der Außenwelt und er konnte die müden Augenlider dahinter schließen, ohne dass die Anderen es bemerkten. Es war sicher nicht ihr bestes Konzert gewesen, dafür lag zufiel Spannung in der Luft. Diese Spannung sorgte allerdings auch dafür, dass besonders in Tatsurous Stimme die nötige Portion Aggressivität lag, die auch den Balladen immer das gewisse etwas verlieh und Mucc deshalb nie in Gefahr gerieten, zu kitschig zu klingen. Aber nach so vielen Jahren Erfahrung auf der Bühne, waren sie in der Lage, trotz der vorangegangenen Differenzen eine einwandfreie und befriedigende Show abzuliefern. Nach dem Schlussapplaus rauschte Tatsurou, wie immer nach einem Konzert, erregt in die Umkleide und ließ sich, zufrieden mit sich selbst, in einen Sessel fallen. Er hatte die Auseinandersetzung mit Miya am Vormittag schon beinahe vergessen, als der kleine Gitarrist eintrat und sich auf den zweiten Sessel fallen ließ. Eine kurze Zeit blieben sie still nebeneinander sitzen, dann raffte Tatsurou sich auf, zog das obligatorische Zugaben- Band- T- Shirt aus, dann das weiße zwangsjackenähnliche Kostüm darunter, schlüpfte in saubere Jeans und Sweatshirt und öffnete ein Bierdose. „Musst du schon wieder trinken?“ bemerkte Miya scharf, der das zischende Geräusch des entweichenden Gases gehört hatte. „Das hätte mir heute schon beinahe die ganze Arbeit versaut, die ich hinter mir hab, um diese DVD produzieren zu lassen.“ „Immer nur du, du, du; als hättest du alles allein gemacht! Ich, Satochi und Yu- kun hatten ja wohl auch gewaltigen Anteil an der ganzen Sache!“ protestierte Tatsurou. „Was hast du denn schon groß gemacht? Hast für das letzte Album ja auch kaum was getan. Ein paar Texte geschrieben, klar, aber das ganze Arrangement hast du den Anderen überlassen. Hauptsache Mr. Superstar muss keinen Handschlag rühren!“ brachte Miya verächtlich heraus. „Hey, DU warst es doch, der mich immer wieder angekrittelt hat, wenn ich mal versucht hab, eine Melodie für einen Text zu schreiben und der immer alles abgelehnt hat, was ich geschrieben hab! Und ich kann ja nix dazu, dass ich nun mal größer und schöner bin, als du und MIR deshalb die Mädchen immer zu jubeln und nicht dir!“ sagte der rotblonde Mann und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Dose. „Größer und schöner? Du hast deinen Quadratschädel wohl einmal zu oft an einem niedrigen Türsturz gestoßen, du saufender Fischkopf! Und deshalb singst du auch nicht mehr richtig!“ “Fischkopf“ war der Spitzname, mit dem er als Kind immer wegen seiner Oberlippe geärgert wurde und der ihn einhundertprozentig zur Weißglut brachte. Und Miya hatte mit seinen letzten Worten auch noch die schwelende Glut von Tatsurous Unzufriedenheit mit sich selbst angefacht „Nur weil dein Alter bei einem Autounfall gestorben ist, den er selbst verschuldet hat, weil er soviel gesoffen hat, brauchst du mir ja nicht das kleine Bierchen hier verderben!“ platzte Tatsurou unbedacht heraus. Aus ihm sprach schon der Alkohol, denn im Grunde vertrug er nicht viel. Eine unangenehme Stille breitete sich aus und dem Sänger ging auf, dass er zu weit gegangen war. „Raus!“ brüllte Miya „Ich will dich nie wieder sehen! Wag es ja nicht, hier noch einmal anzukommen, du bist endgültig RAUS!“ Tatsurous Wut verflog in Windeseile, als er Miyas vollkommen entgleisten Gesichtsausruck sah. Der extrem ruhige Gitarrist wurde nur selten wütend, und wenn, dann erhob er kaum seine Stimme. Sein Gegenüber wurde in der Regel mit einem eiskalten Blick abgestraft und so lange von ihm geschnitten, bis man sich zu einer Entschuldigung überwinden konnte. Danach war Miya immer genauso wie vorher. Diesmal war alles anders. Tatsurou spürte, wie ernst Miya es meinte, als dieser ihn mit zornesrotem Gesicht anschrie. Aber er war so geschockt, dass er die Bedeutung seiner Worte zunächst gar nicht richtig erfassen konnte. „W-w-was meinst damit?“ stotterte der junge Sänger und starrte den anderen Mann an. „Was ich damit meine? Du bist… ab sofort kein Mitglied von Mucc mehr.“ sagte Miya, der sich inzwischen wieder gefasst hatte und sah mit seiner typischen kalten Miene auf den größeren Mann hinab. „Aber.. was ist mit den anderen …u-u-und den Verträgen… die Tournee... Masaaki- kun?“ Der sonst so selbstbewusste Tatsurou war kreidebleich geworden und schaute Miya ins Gesicht. Seine Hände zitterten. Nach einem letzten Blick auf das Häufchen Elend, dass einmal der Frontmann seiner Band gewesen war, wandte der kleinere Mann sich ab und öffnete die Tür. „Das ist nicht mehr dein Problem“, sagte er gegen den hölzernen Türrahmen und verließ den Raum. Wie angewurzelt stand Tatsurou da und schaute Miya mit blinden Augen nach. Mehrere Minuten stand er so da, bis Satochi eintrat und ihn aus seiner Lethargie riss. Der Drummer hatte zusammen mit Yukke einigen Fans, die vor dem Künstlereingang wartenden Autogramme gegeben und nichts von dem vernichtenden Schlag Miyas mitbekommen. „Hey, Yukke sucht dich, er will zur Feier des Tages noch einen ausgeben!“ sagte er mit erschöpfter Stimme. „Was? Ach so, ich komm schon“ brachte Tatsurou mit belegter Stimme hervor und folgte Satochi. Direkt neben der Tokyo Bay N.K.Hall, wo sie eben vor 7000 Zuschauern aufgetreten waren, lag das Hilton Tokyo Bay Hotel, in dessen berüchtigter "Silva" Bar schon einige Bands einen erfolgreichen Abend begossen hatten. Dorthin zerrte Yukke jetzt alle und in der großen Männergruppe, bestehend aus Roadies, Managern und Produzenten, fiel Tatsurous seltsame Stimmung und Abstinenz zunächst genauso wenig auf wie Miyas Abwesenheit. Bis Yukke sich verwirrt nach Miya erkundigte und von ihrem Roadie Kitagawa- san erfuhr, dass der Gitarrist sich mit Kopfschmerzen entschuldigt hatte. Nach knapp 2 Stunden bezahlte Yukke ihrer aller Getränke und löste die trinkfreudige Runde auf. Er wollte sich mit Tatsurou ein Taxi teilen, denn ihre beiden Wohnungen lagen nicht weit voneinander entfernt im Süden der Stadt. „Rou?“ fragte er, als sie nebeneinander auf dem dunklen Rücksitz saßen und Yukke der glasige Ausdruck in Tatsurous Augen auffiel „Alles in Ordnung?“ In Tatsurous Augen spiegelten sich die Nachtlichter Tokyos, als er sich zu dem Bassisten umdrehte und ihn anschaute. „Können Sie bitte auf der Rainbowbridge anhalten? Ich möchte mir gern die Bucht bei Nacht ansehen.“ sagte er zu dem Taxifahrer. Die Brücke lag genau zwischen der künstlichen Halbinsel auf der sich die Konzerthalle, das Hotel und Tokyo Disneyland befanden und dem Festland, wo Tatsurou und Yukke ihre Wohnungen gemietet hatten. Am Ende der gigantischen Brücke hielt der Fahrer an, ließ sich bezahlen und fuhr weiter. Die beiden Männer kletterten über das hüfthohe Gitter, das die Fahrbahn von dem Fußweg trennte. Auf der anderen Seite angekommen, lehnte sich Tatsurou mit den Armen auf das äußerste Geländer und schaute in das nachtschwarze Wasser. „Rou- chan… was soll das, warum wolltest du hier aussteigen? Mir ist kalt und außerdem fängt es an zu regnen.“ „Weißt du, warum ich damals in der Schule mit dem Singen angefangen habe?“ „Warum fragst du plötzlich so etwas?“, fragte Yukke verwirrt und stellte sich neben den Anderen. „Aber um deine Frage zu beantworten- ja. Satochi hat es mal erzählt, angeblich lag es an einer Neujahrskarte, die er dir mal geschickt hat.“ Tatsurou lächelte, als er an diese Karte dachte, auf deren Vorderseite ein singender Fisch abgebildet war und für die der Drummer damals einen gewaltigen Schlag in die Rippen von ihm bekommen hatte. „Ja, die Karte… aber die war zum Teil der Grund. Weißt du, das Singen macht… es macht dich frei. Manchmal-“, er zögerte, „Manchmal denke ich… dass ich ohne das nicht mehr leben kann. Nein, nicht mehr leben möchte.“ Er drehte sein Gesicht zu dem Bassisten und Yukke sah, dass seine Augen unnatürlich stark glänzten. „Verstehst du das? Kannst du das verstehen?“ „Rou- chan, ich- ich weiß nicht, warum?“ Der Unterton in Tatsurous Stimme hörte sich in Yukkes Ohren so an, als ob er ein Weinen zu unterdrücken versuchten. Der blonde Mann mit dem auffälligen Haarschnitt sah auf den Boden herab und fragte sich vollkommen durcheinander was hier eigentlich Thema war. Durch eine Bewegung im Augenwinkel sah er instinktiv auf und erblickte fassungslos wie der große Sänger auf das Geländer stieg. „Tatsurou! Komm da wieder runter! Das ist gefährlich. Hör auf mit solchen Spielchen!“ er versuchte nach ihm zu greifen, aber die Gefahr war zu groß, das der andere dadurch den halt verlor. „Spiel?“, Tatsurou lachte trocken, ein Laut, der Yukke eine Gänsehaut verpasste „Ich spiele nicht. Ich wollte doch nur singen.“ Jetzt konnte man die schimmernden Tränen sehen, die zwischen den windgepeitschten Strähnen ihren Weg die Wangen hinab fanden. „Warum sprichst du in der Vergangenheit? Du bist doch unser Sänger. Komm jetzt bitte darunter.“ Langsam stieg kalte Angst in dem jungen Musiker am Boden auf. Er spürte wie ernst es dem anderen war. „Hat das etwas mit Miyas Abwesenheit vorhin zu tun? Habt ihr euch wieder wegen irgendetwas gestritten? Du weißt doch wie er ist, wenn du dich bei ihm entschuldigst ist alles wieder in Ordnung.“ Tatsurou schüttelte darauf nur den Kopf. „Er hat mich angebrüllt. Er-Er … ich hab etwas Furchtbares gesagt und da hat er mich angeschrieen und- und gesagt, dass ich raus bin. Ich soll mich nie wieder blicken lassen.“ Die Hand zitterte, mit der er sich an einer Verstrebung festhielt. „Masaaki hat dich angeschrieen?“, solange Yukke und der Gitarrist sich kannten, hatte er nicht einmal erlebt, wie jener die Stimme erhob. „Aber die Verträge, er kann doch nicht einfach ohne uns andere so was sagen, er- er kann das nicht so gemeint haben.“ „Doch.“ war Tatsurous vernichtende Antwort. „Er hat das so gemeint und ich bin sicher, dass er irgendwas in die Verträge reingeschrieben hat. Das sähe ihm ähnlich. Als Leader.“ „Aber das… ist doch kein Grund von der Brücke zu springen. Er ändert seine Meinung. Da bin ich mir ganz sicher. Und wenn, singen kannst du doch auch woanders-“ „Nein! Ich kann nicht. Ich wollte immer nur mit euch singen. Mit Satochi, mit- mit Miya und mit dir Yusuke- kun.“ Mit diesem geflüsterten Worten löste der Sänger seine Hand von dem Halt und stand jetzt frei auf dem regenfeuchten, schmalen Sims. „Rou- chan! Rou- chan! Tu das nicht, bitte.“ Auch Yukke liefen jetzt Tränen übers Gesicht. Seine weichen Knie konnten sein Körpergewicht nicht mehr halten und er fiel auf die Knie. „Bitte…“ Tatsurou begann eine Melodie zu summen, die der andere sofort erkannte. Es waren die ersten Takte von “Zetsubou“. Minna shindeshimatta sudete konagonani natte saki tondeshimatta Hitori kouyano hateni okizarini sareta… "kitto ashitaha" nante kotoba koreppochino kachimo nai gomi souda, jisatsuno manedemo shiyou sukoshiha rakuni narou dosuguroi zetsubouni kakomarete hisshini tsukanda sonoteha boroboroni natte kieta totemo taisetsuna hitono omoide deshita kurushinde kurushinde kurushinde yatto mitsuketa chiisana kibou soresaemo imadeha kusatte shimateruyo "yume ha itsuka kanau" nante kotoba kikiakita "kibou" nante kotoba kantanni kuchini suru gizenshayo shindekure "kodoku" shika sonzai shinai kono bashoni naniwo motomereba ii? "zetsubou" shika sonzai shinai konobashoni naniwo sagaseba ii?? Daremo inai nani mo nai kokoniha itamisaemo nokocchainai Ikirutameni subeki koto sorega naninanoka saemo mitsuykerarenakute Imaha tada imaha tada oshiyoseru kodokuni kakomare atemo naku Genkakuno sorawo kusawo kaminagara yukkurito arukunda „Tatsurou... bitte komm da runter”, schluchzte Yukke herzzerreißend, als Tatsurou sein unendlich einsam klingendes Lied beendete. „Wenn du es schon nicht um deinetwillen machen willst, dann tu es für mich! Wir brauchen dich! Ich brauche dich! Wärst du damals nicht gewesen und hättest mich überredet, wäre ich niemals in die Band eingetreten, ich hätte ein tristen Job als Angestellter in irgendeinem Büro verbracht und hätte niemals professionell Musik gemacht. Du hast mir soviel gegeben… also bitte tu mir das nicht an.“ „Yu- kun.“ Der verzweifelte Sänger drehte sich um und starrte seinen Bassisten an, der jetzt sich jetzt auf dem nassen Asphalt vor ihn kniete und ihn nach traditioneller japanischer Art bat, sich nicht in die Tiefe zu stürzen. „Yu- kun“, wiederholte Tatsurou und verlor einen Moment die Balance. Wie in Zeitlupe sah ein entsetzter Yukke, der seinen Kopf leicht angehoben hatte, wie sein Freund hinabstürzte. „Rou!“, rief er gellend und warf seinen Oberkörper über die Brüstung. Tatsurou hatte sich in letzter Sekunde an einem der senkrechten Gitterstäbe des Geländers festgehalten und starrte in das tränenverschmierte Gesicht des anderen, der seinen Arm packte und versuchte ihn hochzuziehen. „Rou- chan.“ wisperte der Yukke, der den Unterarm so fest hielt, dass es schmerzte. „Ich kann dich nicht allein hochziehen. Du musst mir dabei helfen. Ansonsten werden wir beide ins Meer stürzen. ALSO VERDAMMT NOCH MAL HALT DICH FEST UND KOMM FÜR MICH WIEDER HIERRAUF, ICH WILL HEUTE NICHT MIT DIR STERBEN!“ „Yu- kun.“ flüsterte Tatsurou und hob langsam seinen herabhängenden Arm nach oben und packte das Gitter. „Gut!“ sagte Yukke und mit gemeinsamen Anstrengungen schafften sie es, über die Brüstung in Sicherheit zu gelangen. „Tu mir so was nie wieder an, nie wieder, nie wieder.“ hauchte der vollkommen erschöpfte Lebensretter mit einem schmerzhaften Lächeln und zog den Größeren in seine Arme. In dieser Haltung, zwei erwachsene Männer, die auf dem kalten nassen Boden einer Brücke saßen und sich umarmten, verblieben sie bis der nächste Tag anbrach. --------- Endlich ist Kapitel 2 fertig *uff*. Ich hab ziemlich lang dafür gebraucht, mir einen Grund für Miyas Zorn zu überlegen, bis ich dann etwas passendes in seiner Familiengeschichte gefunden habe. Ich weiß nicht, wie sein Vater umgekommen ist, aber Autounfälle sind ja nicht gerade selten. Oh und wie ihr wohl mitbekommen habt, hab ich auch ein wenig recherchiert^^. Die Halle, das Hotel, die Brücke, die Heimatstadt Mito, all das gibts so wirklich. War gar nicht so leicht, die gruseligen englischen layouts von jap. Touristenseiten zu durchforsten XD Wo natürlich die 4 jetzt genau wohnen weiß ich nicht, aber ich wollte die Story möglichs authentisch rüberbringen. Das Konzert, dass ich erwähne könnt ihr übrigens hier: http://www.youtube.com/watch?v=0_yErHrKQtA anschauen bzw. die DVD kaufen^^ Und als kleines Schmankler, für Leut, die die Saishuu Ressha Single nicht haben: Übersetzung von zetsubou: Zetsubou (Verzweiflung) Alle sind gestorben, alles ist zu Staub zerfallen und fortgeweht. Zurückgelassen völlig allein in dieser Einöde ... Die Worte "ganz bestimmt morgen ..." sind wie wertloser Abfall. Ich stell mir vor, ich brächte mich um - dann würde es mir etwas besser gehen. Diese Hand, die verzweifelt klammerte und nun umgeben ist von dunkler Verzweiflung, War eine sehr wichtige Erinnerung an einen Menschen, die nun zerbröckelt ist. Wie habe ich gelitten, bis ich endlich ein kleines Stück Hoffnung fand. Doch auch dieses Stück Hoffnung ist fort. "Wann wird sich der Traum erfüllen?" - oh, wie bin ich diese Worte leid. Stirb, du Heuchler, der du das Wort "Hoffnung" so leicht aussprichst. Was kann ich von diesem Ort erwarten, an dem nur die "Einsamkeit" existiert? Was soll ich an diesem Ort suchen, an dem nur die "Hoffnungslosigkeit" existiert? Niemand ist hier, nichts ist hier, noch nicht einmal der Schmerz existiert hier. Ich kann hier nichts finden, wofür ich leben soll. Jetzt bin ich ohne Zuversicht von einer näher herandrängenden Einsamkeit umgeben. Ich spaziere langsam am imaginären Himmel und kaue Gras. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 3 „Tatsurou- chan… wenn wir jetzt nicht aufstehen, liegen wir beide die nächste Woche mit einer Lungenentzündung im Bett.“ merkte Yukke an, schob den anderen ein wenig von sich, um ihm schief ins Gesicht zu grinsen. Tatsurou knurrte nur etwas unverständliches, und zog vor Kälte zitternd den warmen Körper Yukkes’ wieder näher an sich. Da mit dieser Art von Unterstützung wohl nicht zu rechnen war, zog der blonde Bassist seinen Sänger einfach erbarmungslos hoch und legte sich dessen Arm um seine Schulter. Langsam gingen die beide in dem dämmernden Licht bis zum Ende der riesigen Stahlbrücke. Dort angekommen versuchte Yukke ein Taxi heranzuwinken, aber an diesem frühen Sonntagmorgen war kaum Verkehr und deshalb mussten sie zu Fuß weitergehen. In drei Stunden würde die Rainbowbridge ein autoverstopftes, hupendes Verkehrchaos sein. Aber jetzt hörte man– abgesehen von einigen vorbeifahrenden LKW- nur den Wind, der zwischen den Stahlstreben der Brücke und den angrenzenden Hochhausschluchten rauschte. Trotz der Gefahr, erkannt zu werden, entschied sich Yukke den nächsten U-Bahnschacht hinab zusteigen und den Frühzug zu nehmen. Es war zu schwer, den anderen die ganze Zeit zu stützen, denn Tatsurou war körperlich und geistig vollkommen erschöpft und konnte kaum noch selbst laufen. Er stolperte immer wieder über seine eigenen Füße und zu seiner Müdigkeit war auch noch ein leichtes Zittern hinzugekommen. Die vergangene Nacht hatte ihnen beiden sehr zu schaffen gemacht, doch Yukke versuchte das beängstigende Bild von Tatsurou auf dem Geländer stehend, in den Abgrund hinab sehend, wenigstens solange zu verdrängen, bis sie in seiner Wohnung angekommen waren. Er wollte nicht in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen und womöglich am nächsten Tag in der Boulevardpresse erscheinen. Deshalb versuchte er seine Gedanken abzulenken und starrte auf den Monitor gegenüber dem Bahnsteig auf dem eine freundliche Nachrichtensprecherin die Wettervorhersage vorlas. Sie erzählte, dass der leichte Regen und auffrischende Seewind der vergangenen Nacht sich den nächsten Stunden durchaus zu einem ausgewachsenen Unwetter entwickeln würde und riet den Menschen an diesem Sonntag lieber daheim zu bleiben. Yukke mochte schlechtes Wetter, denn dann war es besonders gemütlich sich in der Wohnung einzukuscheln und einfach nur nichts zu tun als dem Regen zuzuhören, dessen Prasseln die Geräusche der Stadt vollkommen übertönte. Ein Privileg, welches er in letzter Zeit ausgesprochen selten wahrzunehmen konnte, denn sie waren den ganzen Sommer auf Tour gewesen. Es war allerdings sehr zweifelhaft, ob er heute dazu kommen könnte. In dem Moment als er diesen Gedanken hegte, schoss die U-Bahn heran und hielt quietschend an. Genau vor den beiden wartenden Männern öffneten sich die automatischen Türen mit einem leichten Zischen und sie betraten den Zug. Die Bahn war kaum besetzt, sodass die beiden in einem fast leeren Wagen saßen und es gar nicht auffiel, als Tatsurou mit dem Kopf auf Yukkes Schulter einschlief und im Schlaf einige Tränen verlor. Nach zwanzig Minuten Fahrtzeit kamen sie in dem Viertel an, wo ihre beiden Wohnungen lagen. Glücklicherweise befand sich die Haltestelle direkt gegenüber dem Wohnhaus, in welchem Yukke lebte. Weiter als über die Straße und in den Fahrstuhl hätte er den größeren Mann unmöglich transportieren können, denn mittlerweile musste er Tatsurou beinahe tragen. Jetzt ärgerte er sich fast, dass er nicht auf Satochis Angebot eingegangen war, mit ihm in das Fitnessstudio zu gehen, in dem der Drummer Stammgast war. Nachdem sie endlich vor der Haustür standen hatten sich solcherlei Gedanken allerdings vollständig aus Yukkes Kopf verflüchtigt und er wollte nur noch schlafen. Mir einer Hand wühlte er in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel und mit der anderen hielt er Tatsurou fest, der jetzt gegen die Wand lehnte. Yukkes Wohnung war klassisch japanisch eingerichtet, mit Tatamimatten auf dem Fußboden, Wandschränken und Schiebetüren. Die Wände bestanden allerdings nicht aus Papier, sondern waren nur damit verkleidet. Dies war besonders im brütend heißen und feuchten Sommer Tokyos angenehm, nützte aber auch seiner Nachbarschaft, denn Yukke liebte es mitten in der Nacht auf seinem Bass zu klimpern. Die Strenge der beiden großzügig geschnittenen Räume wurde allerdings durch die beiden riesigen Regale aufgelockert, in denen Yukke seine Bearbricks Figürchen sammelte und durch den halb offen stehenden Schrank, aus dem einige bunte Hawaiihemden hervorstachen. Völlig erschöpft zog er Tatsurou in das Schlafzimmer, legte ihn auf seinen Futon und deckte ihn zu. Zu kaputt, um noch seinen Gästefuton aus dem Wandschrank zu ziehen, schnappte er sich eine weitere Decke, zog sich und Tatsurou noch schnell die Schuhe aus, legte sich neben den Sänger auf die Matratze und schlief sofort ein. Gegen Mittag wachte Yukke durch das Klopfen der schweren Regentropfen an den Fenstern auf. Wie vorausgesagt, hatte der Taifun die voll Stadt erwischt und schwarze Regenwolken entluden sich in strömenden Regenfällen über Häusern, Autos und Menschen. Neben sich spürte er die Hitze eines Menschen, der sich im Schlaf ganz dicht an seinen Rücken gerollt hatte. Yukke drehte sich vorsichtig um und betrachtete Tatsurous Gesicht. Er wirkte so friedlich. Kaum zu glauben, dass das der gleiche Mensch war, der die Nacht zuvor auf der Brücke stand. Voller Sorge dachte er über ihre unsichere Zukunft nach und beschloss für sich, dass er Tatsurou jetzt unmöglich allein lassen konnte, aus Angst, sein Freund würde sich wieder etwas antun. Er wollte dem Schlafenden einen fast schon mütterlichen Morgenkuss auf die Stirn geben, aber als Tatsurou im Schlaf wie ein kleines Kind die Stirn runzelte, hauchte er ohne nachzudenken einen Kuss auf seine Lippen. Durch sein eigenes Tun erschrocken, zuckte Yukke zurück und berührte fassungslos seine eigenen Lippen. Was hatte ihn da überkommen? Vollkommen verwirrt stand er auf und ging ins angrenzende Badezimmer. Die kalten Fliesen waren angenehm kühl. Er presste seine vor Aufregung erhitzte Stirn dagegen und atmete tief durch. Erst jetzt bemerkte er, dass er am Abend zuvor erkältet hatte und schob seine Gefühlsverwirrung auf die fiebrig verstörten Gedanken. Eine heiße Dusche half ihm, seinen Geist etwas zu ordnen und für die folgenden Tage zu planen. Bestimmt hatte sich Tatsurou ebenfalls erkältet, also musste er Medikamente kaufen, denn für einen Sänger war eine Erkältung oder gar eine Bronchitis viel problematischer. Außerdem musste er einige Klamotten für ihn besorgen, denn der große Mann würde in einer von Yukkes Hosen ziemlich lächerlich aussehen. Der Bassist musste unwillkürlich lächeln, als er sich vorstellte, wie Tatsurou in einer extremen Hochwasserjeans aussehen mochte. In ihrem Beruf mussten sie zwar öfters seltsame Kostüme tragen, aber sie hatten zu Beginn ihrer Karriere gemeinsam beschlossen, es nicht zu übertreiben. Eine kalte Hand krampfte sich um Yukkes Herz, als ihm wieder einfiel, was ihm gestern Nacht von Tatsurou berichtet wurde. Vielleicht würden sie nicht mehr zusammen Musik machen können, wenn es Miya wirklich gelang, den Sänger aus der Band zu werfen. Ein kurzer Blick in das Schlafzimmer verriet ihm, dass der andere immer noch fest schlief. Yukke beeilte sich, bei dem schlechten Wetter ins Krankenhaus zu gelangen, um dort Medizin für sich und Tatsurou zu besorgen und dann schnell ein paar Straßen weiter in dessen Wohnung einige Dinge einzupacken. Den Schlüssel für die Wohnung hatte er aus Tatsus Jackentasche gefischt und jetzt stand er pudelnass darin und sah sich um. Wie zu erwarten, herrschte ein unfassbares Chaos. In dem kleinen Wohnzimmer stapelten sich Türme von Comics und Manga gen Himmel. Überall lag schmutzige Wäsche auf dem Boden, unterbrochen wurde diese Potpourri an Kleidung, von einem Haufen CDs, DVDs und Büchern. Der blonde Bassist stakste wie ein Flamingo durch das Gewühle und bemühte sich, auf nichts zu treten, was mehr als 100 Yen kostete, als er zum Kleiderschrank trat und ihn aufschob. Eine ganze Ladung weiterer Gegenstände fiel ihm dabei entgegen; Aufräumen bedeutete für Tatsurou immer nur, alles in den Schrank zu werfen, um ihn dann schnell zu schließen und alles zu vergessen. All das verwunderte Yukke nicht besonders, schließlich hatte er schon einmal in einer Wohngemeinschaft mit diesem Schlamper gelebt. Schnell packte er ein paar von den wenigen sauberen Kleidungsstücken in eine Sporttasche. Auch an einige Utensilien aus dem Badezimmer dachte Yukke und war schon fast zur Tür hinaus, als er auf einer kleinen Kommode etwas Glänzendes sah. Es war Tatsurous Brille. Früher, in der Schule hatte er sie immer getragen, aber ein Stylist der Plattenfirma hatte ihm zu Kontaktlinsen geraten. Auf Konzerten waren diese in der Tat auch viel praktischer, denn so konnte er seine ekstatischen Tänzchen auf der Bühne aufführen, ohne sich Gedanken um die Gläser zu machen. Und auf der letzten Tour hatte er sogar ganz vergessen, sie einzustecken. Auf diese Weise konnte er auch nicht vergessen, sie beim Schlafen abzunehmen und niemand konnte darauf treten, wenn sie ihm in den engen Schlafkojen der Tourbusse nachts von der Nase fiel. Ein wenig bedauerlich empfand das Yukke, denn er war immer der Meinung gewesen, dass Tatsurou mit der Brille besser aussah. Er steckte also die Gläser für ihn ein und machte sich schnell wieder auf den Weg, durch den strömenden Regen, zurück nach Hause. Vollkommen durchnässt erreichte er seine Unterkunft und nahm eine weitere heiße Dusche, um seine wie Espenlaub zitternden Glieder wieder aufzuwärmen. Dadurch wacht nun endlich auch Tatsurou auf uns schaute sich verwirrt um. Er kannte zwar Yukkes Wohnung, hatte aber noch nicht oft dort übernachtet, war zudem im ersten Moment schlaftrunken und deshalb etwas orientierungslos. Erst als Yukke mit nassem Haar aus dem Bad kam, erkannte er, wo er sich eigentlich befand. „Yu- kun?...“, fragte er leise und musste dabei husten. „Ich hab dich in meine Wohnung gebracht. Hier“, er reichte Tatsurou ein Glas Wasser und zwei Tabletten „nimm das, du bist erkältet.“ Der Sänger schluckte gehorsam die Medikamente. „Ich habe ein paar Sachen aus deiner Wohnung geholt, als du geschlafen hast. Du kannst eine Zeit lang hier bleiben, wenn dir das recht ist.“ Der blonde Bassist schaute besorgt auf den anderen Mann hinab, der wie eine Puppe auf dem Futon saß und die Tapete fixierte. „Aber ich denke… dass vielleicht zu noch jemandem gehen solltest. Keinem normalen Arzt wegen der Erkältung oder so, sondern zu einem Spezialisten, einem Therapeuten oder so-“ „Nein! Nein! Alles nur kein Psychoheini der, der …“, Tatsurou konnte seinen Satz nicht beenden, drehte sich ruckartig zu Yukke und sah ihn mit panischen, fieberglänzenden Augen an. „Bitte! Yu- kun!“ „Rou- chan… ich will dir doch nur helfen. Gestern, da…“, Yukkes Stimme versagte, als er jetzt direkt mit Tatsurou und den vergangenen Geschehnissen konfrontiert wurde. „Neinneinnein“, murmelte der sonst so schlagfertige Tatsurou mit heiserer Stimme und ließ sich nach hinten in die Kissen fallen. Er hatte schreckliche Angst vor Ärzten und aus einem irrationalen Grund besonders vor Psychologen. Dies war Yukke schon früher aufgefallen, als sie sich scherzhaft darüber unterhielten, dass Künstler alle sowieso irgendwann in der Klapse landen würden und der junge Sänger sich furchtbar darüber ereifert hatte. Nun starrte er die Decke mit einem unendlich traurigen und ängstlichen Ausdruck im Gesicht an, und unbemerkt flossen ein paar Tränen seine Wange hinab und fielen auf den weißen Stoff. Dieser Anblick war kaum zu ertragen, sodass Yukke sich umdrehte und in die Küche stolperte. Dort stütze er sich auf der Anrichte ab und atmete tief durch. Die Anspannung und der Stress des vergangenen Tages fielen von ihm ab, er begann beinahe lautlos zu schluchzen und fiel auf die Knie. --- So jetzt mal Kapitel 3. Die Fic wird wahrscheinlich eine ganze Ecke länger, als ich gedacht hab, aber man kann irgendwie nicht mehr aufhören mit schreiben *g*. Mit diesem Chapter bin ich nicht so wirklich zufrieden, es passiert so wenig.. ich wollte aber meine netten Leser nicht solange warten lassen (in den nächsten beiden Kapiteln verspreche ich aber mehr Action), aber hey- dafür gabs nen Kuss^^. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Nachdem Yukke sich beruhigt und sein Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen hatte, beschloss er, etwas zu unternehmen. Er konnte und wollte nicht zulassen, dass Miyas Sturheit und Tatsurous Allüren, die mühsam aufgebaute Existenz als Band zerstörten. Dass sie ihrer aller Freundschaft einfach so in den Müll warfen. Als ob sie nichts bedeuten würde. Mit neu aufgeflammter Willenstärke begann Yukke Pläne zu schmieden. Zunächst galt es, Verbündete zu finden, denn er kannte Miyas Dickschädel, seit sie zusammen im Sandkasten um Spielzeugautos gekämpft hatten. Und Tatsurou stand dem normalerweise in nichts nach. Aber dessen Situation war im Moment sowieso außergewöhnlich, wie sich der Bassist wieder in Erinnerung rief und alle unnötigen Gefühle, die seiner Rettungsaktion im Wege standen, erstmal beiseite schob. Alle weiteren Taten verlangten sorgfältige Planung. Dies war vielleicht seine letzte Chance zu vermitteln. Deshalb rief er zunächst Satochi an und schilderte ihm mit einfachen, klaren Worten die gesamte Situation. Wie zu erwarten, war der Drummer fassungslos und konnte kaum ein klares Wort mehr herausbringen. Bis auf den Zwist in der Eisenbahn am vorigen Tag, hatte er gar nicht mitbekommen, wie nach dem Konzert alles eskalierte und reagierte entsprechend geschockt. Stotternd versprach er, Yukke in allen Belangen zu helfen. Der nächste Anruf war wesentlich komplizierter. Miyas Name erschien auf dem Display des Telefons, nachdem Yukke dessen Kurzwahltaste drückte. Das Freizeichen erklang, kurz darauf meldete sich der Gitarrist mit dem obligatorischen, japanischen: „Mochi- mochi?“ „Hey Miya, hier ist Yukke“, er atmete tief durch und versuchte Courage für seine nächsten Sätze zu finden „wir müssen reden.“ Nach einer kurzen Pause in der Miya tausend Gedanken durch den Kopf schossen, wie er seinem Kindheitsfreund erklären sollte, dass er Tatsurou fortgejagt hatte, antwortete er ganz schlicht: „Ja, das müssen wir. Und Satochi sollte auch dabei sein. Am besten kommt ihr beide heute Abend in den Probenraum, dann-“. „Nein, das geht nicht!“, antwortete Yukke schnell, denn im Hinterkopf rumorten schon seine speziellen Pläne „ich hab mich gestern erkältet und will ungern bei dem Wetter raus, du verstehst. Komm am besten in meine Wohnung, Tochi wollte sowieso heute hierher kommen.“ Nach einem Blick aus dem Fenster, das von einer grauen Regenwand erfüllt war, nickte Miya unwillkürlich am Telefonhörer. Mit einem :„Also gut.“ Beendete Miya das Gespräch. Ein wenig erleichtert warf Yukke den Hörer auf die Gabel des im Flur befindlichen Telefons. Dann spähte vorsichtig um die Ecke ins Schlafzimmer. Das Gesicht hatte Tatsurou vollkommen im Kissen vergraben, aber die gleichmäßig tiefen, rasselnden Atemzüge verrieten, dass er wieder eingeschlafen war. Zum ersten Mal an diesem Tag wurde Yukke eigentlich klar, was er noch halb unbewusst im Aufwachen begriffen getan hatte. Ein Kuss ließ sich nicht auf eine Erkältungsverwirrung schieben, zumal er bis auf etwas Schnupfen und einen kratzigen Hals gesundheitlich recht glimpflich die Nacht überstanden hatte. „Wäre ja noch schöner, wenn jeder wegen ein paar Erkältungsviren so… den Kopf verliert und… seine Freunde küsst“, dachte er. Diese Art von Gedanken schwirrten wie Mücken in einer lauen Sommernacht durch sein Gehirn und er spürte, wie seine Wangen rot anliefen. Es hatte ihm durchaus gefallen, das zu tun, was er tat. Gleichzeitig drückten ihn aber schwere Vorwürfe. Er warf sich vor, die hilflose Lage Tatsurous ohne dessen Wissen ausgenutzt zu haben. Yukke versuchte sich mit Hausarbeit abzulenken, bis Miya und Satochi am Abend eintreffen sollten. Seine Figurensammlung abstaubend, bemerkte er erst jetzt seinen laut knurrenden Magen und kochte mit den wenigen Lebensmitteln in seinem Kühlschrank zwei halbwegs essbare Portionen Ramen. Seine eigene Schüssel Nudeln schlang er gierig hinunter. Die Nächste balancierte er vorsichtig die ins Schlafzimmer. Hoffnungsvoll wollte er damit den wieder aufgewachten, aber teilnahmslosen Sänger mit seinem Lieblingsgericht zum Essen zu überreden. Seine Mühe war vergebens. Bis auf einen Bissen brachte Tatsurou nichts hinunter. Auch ließ er sich auch nur einen kleinen Schluck Tee einflößen, bevor er wieder mit schmerzerfülltem Blick in die Kissen zurücksank Der junge Bassist wusste nicht recht, wie er mit ihm umgehen sollte; woher auch, er war ja nur ein Junge aus der Provinz, der das große Glück hatte, allein mit seinem Hobby seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Verdrossen über seine eigene Unfähigkeit wandte er sich von Tatsurou ab. Vielleicht mochte er Erfolg damit haben, die Band zu retten, aber das bedeutete noch lange nicht, dass alles so wie zuvor werden würde. Oder das Rou wieder ganz gesund werden konnte. Lange Zeit verblieb er so auf dem Boden neben dem Futon sitzend, bis es an der Tür klingelte. Yukke sprang auf, vergewisserte sich, dass Tatsurou noch fest schlief, zog leise die Tür hinter sich zu und beeilte sich, auf den Türöffner zu drücken. Es war Satochi. Aufatmend, das die Konfrontation mit Miya noch ein paar Minuten auf sich warten ließ, bat er ihn hinein. Sie gingen in das Wohnzimmer und setzten sich an den niedrigen Esstisch. „Wie- wie geht es ihm? Wie geht es dir?“, fragte der Schlagzeuger mit beklommener Stimme. „Mir? Mir geht es gut. Rou- chan? Kss, kennst du diesen Ärztespruch „den Umständen entsprechend“? Ich glaube der würde jetzt angebracht sein.“ Eine leere Teetasse in seinen Händen drehend fuhr Yukke fort: „Er schläft jetzt. Das ist es, was er den ganzen Tag macht: Schlafen. Wusstest du, dass man sagt, Schlaf wäre eine Art von Tod? Weil das Bewusstsein ausgeschaltet ist, man genauso wenig Kontrolle darüber hat, wie über das Sterben. Es macht also fast keinen Unterschied für ihn ob-“, seine Stimme stockte und er blickte an die Decke, um etwaige aufkommende Tränen wegzublinzeln „ob, ob-“, setzte er wieder an und wurde prompt durch die erneue Türglocke unterbrochen. Hektisch erhob sich Yukke, dabei wischte er sich auffällig unauffällig mit dem Ärmel über die Augen „Jetzt geht’s los.“ verkündete er mit einem ausgesprochen halbherzigen Grinsen. „Miya- kun.“ Der Gitarrist nickte kurz angebunden zur Begrüßung und schob sich an Yukke vorbei in die warme Wohnung. Dort legte er seinen Regenschirm ab, schüttelte bedächtig die Wassertropfen von seinem Mantel, trocknete seine kurzen Haare mit dem Handtuch, welches Yukke ihm in weiser Vorrausicht gereicht hatte. Äußerlich vollkommen ruhig, betrat er den Wohnraum und setzte sich auf eines der Kissen, die um den Tisch herum auf den Reistrohmatten lagen. Er ließ sich von Satochi einen heißen Tee einschenken und ergriff das Wort, bevor der Bassist überhaupt genug Luft geholt hatte, um etwas zu sagen: „Ich habe Tatsurou gestern aus der Band geworfen.“ „Wie kannst du so was einfach über unsere Köpfe hinweg entscheiden?“, fuhr Satochi ihn an, obwohl die Nachricht ihn natürlich nicht überraschte „wir leben schließlich auch von und für Mucc!“. „Die Auswahl der Musiker ist meine Verantwortung, dass hab ich euch damals gesagt und das steht auch so in dem Plattenvertrag, ich denke ICH weiß am besten was gut für die Band ist und Tatsurous inakzeptables Verhalten die letzten Monate, besonders gestern Abend-“ „Willst du wissen, was gestern Abend passiert ist? Willst du das wirklich wissen??“ Yukkes Stimme hatte einen gefährlichen, leisen Tonfall angenommen. Miyas Kaltschnäuzigkeit ärgerte ihn tierisch. Er scherte sich keinen Deut mehr um seinen mühevoll geschmiedeten Schlachtplan und ließ seiner Wut freien Lauf. „Wie- wieso, das klingt so, als ob du schon wüsstest, was los war?“, Miya stotterte jetzt leicht, hatte sich aber seiner Meinung nach noch vollkommen unter Kontrolle. Trotzdem konnte man ein leichtes Zittern in seiner Stimme hören. „Weil es mir gestern erzählt wurde, weißt du. Ich hab mir gestern mit Tatsurou ein Taxi geteilt und er wollte auf der Rainbowbridge aussteigen und da hat er es mir gesagt.“ „Und-“, „Ich bin noch nicht fertig! Was glaubst du, Masaaki- kun, WIE er es mir erzählt hat?“ Mittlerweile flüsterte der blonde Bassist nur noch und seine schwarzen Augen glänzten in dem schwummerigen Licht der verregneten Abenddämmerung. Aber bevor Yukke seine Erklärung beenden konnte, wurde die Schiebetür mit einem ganz leichten Zischen geöffnet und drei Köpfe wandten sich ruckartig um. Tatsurou stand in der Tür und blickte sich verständnislos um. „Yu- kun? Wieso ist das hier so laut?“ dann klärte sich sein verschleierter Blick und er sah Satochi und Miya am Tisch sitzen. „Was soll das? Warum ist ER auch her? Ist das hier eine Verschwörung gegen mich?“, Miya sprang wütend auf die Beine und funkelte die anderen böse an „Miya- kun… Miya- kun es tut mir so leid, es tut mir so leid, es tut mir so leid…“ Tatsurous Stimme versagte heiser, er fiel auf die Knie und verbeugte sich unablässig. Erst jetzt konnte man sehen, dass er nur einen Pyjama trug, seine Haare vollkommen durcheinander waren. Ein ganz und gar ungewöhnlicher Anblick, für den sonst recht eitlen jungen Mann. „Weshalb sieht er so fertig aus? Soll das so eine Art Mitleidsmasche werden? Nein, danke, dass klappt bei mir nicht, ich gehe!“ Miya war schon halb an Tatsurou vorbei zu Tür hinaus, als Yukke ihn am Arm packte und grob in das Zimmer zurückzog. „Yukke, Miya, beruhigt euch doch!“, rief Satochi aus, stand auf und versuchte, die beiden auseinander zu bringen. „Nein Satochi- kun, ich beruhige mich nicht!“ sagte Yukke atemlos und hielt Miyas Arm nur noch fester umklammert. „Er will doch sicher noch wissen, WIE Tatsurou mir die ganze Geschichte erzählt hat, oder? Nun, Masaaki- kun, er stand mitten in der Nacht auf dem regenassen Geländer der Brücke und wollte sich in den nassen Tod stürzen, weil DU ihn aus der Band geworfen hattest, die ihm ja ganz anscheinend doch sehr viel mehr bedeutet hat, als du dachtest. Hörst du? Er wollte Selbstmord begehen, weil du ihm seine- seine Berufung wegnehmen wolltest. Weil du ihm Mucc stehlen wolltest! Weißt du, die Band ist nämlich nicht dein Eigentum! “All das brach in wenigen Sekunden aus dem Bassisten heraus. Das schlagartig blass gewordenen Gesicht Miyas bot einen krassen Kontrast gegenüber Yukkes zornesroten Wangen. Yukke löste seine Hand von Miyas Arm, ein roter Handabdruck war zu sehen. Dann beugte er sich hinunter, denn Tatsurou kniete immer noch wie ein Häufchen Elend am Boden. Er war atmete schwer. Noch während Yukke sich bückte, fiel er zur Seite um und wurde fast bewusstlos. Besorgt legte Yukke Tatsurous Kopf auf seinen Schoß, um ihm das Luftholen zu erleichtern und befühlte seine Stirn. Das leichte Fieber vom Nachmittag war stark angestiegen. „Satochi, bitte ruf einen Arzt, die Nummer ist im Telefon eingespeichert.“ sagte Yukke und versuchte ruhig und sachlich zu klingen. Die hohe Temperatur machte deutlich, dass dies nicht nur eine einfache Erkältung war. Deshalb wollte der Bassist kein Risiko eingehen und trotz Tatsurous Ärztephobie eine professionelle Meinung einholen. Mit den Zähnen knirschend ignorierte er Miya- der direkt neben ihm stand- und konzentrierte sich auf den Patienten. Miya stand immer noch mit kalkweißem Gesicht fest an die Wand gedrückt. Erschüttert starrte er auf den Boden. Niemals hätte er Tatsurou für fähig gehalten, sich etwas anzutun. Natürlich wusste er, dass jeder Mensch seine dunklen Seiten hat, dies bewiesen allein schon Tatsurous Texte und seine herzergreifenden Liveauftritte. Aber er hatte ihn immer für einen leichtherzigen Menschen gehalten, der jede Niederlage locker wegstecken, um danach nur mit doppeltem Elan ans Werk gehen würde. Insgeheim hatte er auch angenommen, Tatsurou würde nach dem Rauschmiss einfach mit der Singerei weitermachen. Sich einer anderen Gruppe anschließen, eine eigene Formation gründen oder gar auf Solopfaden wandeln. Miya wusste, welch außergewöhnliche Stimme Tatsurou besaß –einer der Gründe, warum er ihn überhaupt am Anfang in der Band akzeptierte- und hätte es für Verschwendung von Talent gehalten, wenn der Sänger einfach aufgeben würde. Nun musste Masaaki Yaguchi einsehen, dass er einen folgenschweren Irrtum begangen hatte. Langsam drehte Miya sich um. Im Hinausgehen blickte er noch einmal zurück auf Yukke, der zärtlich eine Strähne aus Tatsurous verschwitzter Stirn schob. Satochi, der im Flur telefonierte, bemerkte Miya erst, als die Wohnungstür hinter ihm zufiel. Traumwandlerisch langsam bewegte er sich auf den Lift zu. In der Fahrstuhlkabine fing er an mit der Faust gegen die Wand zu schlagen. Immer fester hämmerte er gegen die stählerne Wand, bis der Schmerz unerträglich wurde und er stoppte. Keuchend drückte er seine verletzte Faust gegen die Brust. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ pochte es in seinem Gehirn und ihm fiel kein anderer Weg als Selbstverletzung ein, um die nagenden Schuldgefühle zu dämpfen. Der Lift zeigte mit einem glockenhellen Ton an, dass das Erdgeschoss erreicht war. Miya taumelte leicht, als der ausstieg und zu seinem Auto ging. Schirm und Mantel hatte er oben in der Wohnung vergessen, deshalb prasselten die eiskalten Regentropfen jetzt direkt auf ihn ein. Die Kälte und den Wind ignorierend, ging er zu seinem Auto. Wieder begann er mit der geballten Faust auf grauen Stahl einzuschlagen, diesmal nahm er aber die unverletzte Hand. Unkontrolliert prügelte auf das unschuldige Auto ein. Fassungslos starrte der Gitarrist auf seine blutige rechte Hand, in der einige Glassplitter steckten. Mit dem letzten, harten Schlag hatte er versehentlich die Scheibe der Fahrertür zerbrochen. Eine ruhige, rationale Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass die Verletzung versorgt und verbunden werden musste. Ansonsten würde sie sich entzünden und es könnte ernsthafter Schaden entstehen. Diese Stimme bestimmte normalerweise sein gesamtes Handeln, aber in den letzten Tagen und Wochen war sie stellenweise verstummt und seine Emotionen nahmen Überhand. Dabei hatte sich Miya geschworen- nachdem er als Teenager beinahe auf die schiefe Bahn geraten wäre, weil er so unkontrolliert seinen Launen nachgab- dass von nun an sein Verstand über ihn herrschen sollte. Damals hätte er sich ins Verderben stürzen können, wäre kriminell geworden oder seine jugendlichen Depressionen hätten ihn in die trügerischen Arme des Freitods getrieben. Die Musik hatte ihm Gelegenheit gegeben, Kontrolle über seine Gefühle zu bekommen. Indem er sie in Texte und Melodien verpackte, beherrschten sie ihn nicht mehr. Der kalte Regen wusch langsam das Blut aus den beißenden Wunden. Miyas Vernunft übernahm seinen Körper kurzzeitig und er öffnete den Wagen. Die Splitter auf dem Fahrersitz wischte er mit einem Fensterleder auf den Boden. Dann fuhr er in das Krankenhaus nahebei, in dem auch Yukke nur wenige Stunden zuvor Medikamente besorgt hatte. Ein junger Assistenzarzt entfernte ihm vorsichtig die Scherben mit einer Pinzette. Als nächstes desinfizierte er alles mit rotbraunem Jod und legte einen Verband an. „Was machen sie beruflich?“, fragte der Arzt. Miya antwortete zunächst nicht. Er betrachtete eingehend die noch schneeweißen Binden, die um seine ganze rechte Hand gewickelt waren. „Ich spiele Gitarre. In einer Band.“ „Nun, dass wird die nächste Zeit ja wohl nicht drin sein.“ meinte der freundliche junge Mann mit einem Lächeln im Gesicht. „Die Verletzung ist nicht schwer, aber sie sollten ihre rechte Hand erst einmal schonen und alle 2-3 Tage den Verband wechseln lassen. Ich nehme mal nicht an, dass man einen Künstler krankschreiben kann, also bitte ich sie einfach, vorerst nicht Gitarre zu spielen.“ Mit diesen Worten entließ er Miya und ging, um sich in der überfüllten Notaufnahme um einen anderen Patienten zu kümmern. Jedoch blieb der kleine Bandleader noch sitzen. Er strich mit der unversehrten linken Hand über die Bandage. Und er grübelte. Natürlich ging er davon aus, dass alles gut heilen würde. Er danach wieder wie vorher sein würde. Trotzdem wurde ihm jetzt bewusst, dass es auch anders hätte ausgehen können. Miya mochte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn er nicht mehr richtig spielen könnte. Der Gedanke schlich sich in seinen Kopf, dass es ihm vielleicht ganz genauso wie Tatsurou ergehen könnte. Die Verzweiflung, die er nur mithilfe seiner mittlerweile 10 Gitarren bezwingen konnte, würde wieder aufwallen. Eine weitere Tatsache kroch in seinen Geist: Es war nicht nur die Musik gewesen, welche ihn in gewisser Weise „errettet“ hatte. Die Freundschaft mit Yusuke, Satoshi und Tatsurou hatte auch ihren Teil dazu beigetragen. Erst jetzt wurde ihm schmerzlich bewusst, was er mit dem Rauswurf des Sängers eigentlich verursacht hatte. Miya hatte nicht nur ein banales Geschäftsverhältnis beendet, sondern sich selbst auch eines treuen Freundes beraubt. Trotz aller Querelen, hatte Tatsurou nämlich immer zu ihm und Mucc gehalten. Zusammen mit Yukke hatte er es sogar manchmal geschafft, als unübertreffliches Klamaukduo, ihn, den reservierten Anführer aus der Reserve zu locken und zum Lachen zu bringen. Aber Yukkes zornige Miene war ihm noch genauso klar in Erinnerung, wie die blauen Flecken, die deutlich sichtbar auf seinem Unterarm prangten. Satochi schien auch zu Tatsurou zu halten. Vielleicht hatte er es mit seiner Sturheit geschafft, all seine Freunde zu verlieren. Den Kloß, der sich in seinem Hals bildete herunterschluckend, stand Miya auf. Vor der Tür des Hospitals atmete er tief die feuchtkalte Nachtluft des nur noch schwach wahrzunehmenden Taifuns ein. Erst jetzt verstand er. ---- Bis jetzt mein Lieblingskapitel. Ich find Miya ziemlich gelungen, jedenfalls so gut, dass ichs nicht peinlich fand, ihn nach dem Beenden der Story ... anzusehen. In nem Video >.>. Und Yukke in wütend mochte ich auch^^. Oh und die Fic wird noch echt lang... Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4 Satochi kam wieder ins Wohnzimmer zurück, nachdem er mit der Notärztin telefoniert hatte. „Die Ärztin hat gesagt, dass sie in der nächsten Stunde vorbeikommt.“ „Mmmh gut. Nicht so laut. Rou- chan ist grade wieder eingeschlafen und du weißt ja, was er von Ärzten hält. Wenn sie dann da ist, wird es schwer genug, ihn… zu überzeugen.“, flüsterte Yukke „Kannst du bitte eine Decke und ein feuchtes Tuch holen?“ „Klar…“, der Drummer war schon im Begriff sich umzudrehen, als ihm noch etwas einfiel: „Er ist übrigens eben gegangen. Er hat furchtbar ausgesehen, nachdem du das alles so gesagt hast.“ Ein wenig druckste Satochi herum „Musste das wirklich sein? Du kennst ihn doch noch viel länger als wir, du weißt doch, dass er nicht wirklich so kalt ist, wie er sich immer gibt. Ich glaube, man hätte ihm das auch schonender beibringen können.“ „Schonender? Er war auch nicht besonders schonend zu Rou- chan, oder? Sonst hätte er doch so was-“ Yukke kämpfte mit den Tränen „gar nicht erst versucht.“ Wie die beiden Männer so da saßen, Yukke verzweifelnd um seine Fassung ringend mit einem im Schlaf unruhig stöhnenden Tatsurou auf den Knien, die Hand in dessen Haar vergraben, fühlte sich Satochi unweigerlich an eine Pietà erinnert. Er wunderte sich, wie liebevoll Yukke den Kranken pflegte und fragte sich – Tatsurous Suizidversuch und Miyas lang unterdrückter Zorn eingeschlossen- wie wenig er eigentlich über die Menschen wusste, von denen er dachte sie wären seine besten Freunde. Letztlich kam sich zum außen stehenden Betrachter des ganzen Dramas degradiert, ziemlich hilflos vor. Dabei hatte er Verständnis für alle Seiten. Er verstand Miyas Rage. Er verstand Tatsurous Verzweiflung. Und er verstand auch, warum Yukke sich für Tatsurou einsetzte. Der Sänger wirkte durch seinen beißenden Zynismus unantastbar. Dabei waren seine frechen Sprüche letztlich nur ein Verteidigungsmechanismus, damit man nicht merkte, wie es ihm wirklich ging. Eigentlich meinte er es nie böse. Er wusste nur nicht, wie er anders antworten sollte. Dies hatte der Schlagzeuger schon früh erkannt, er kannte Tatsurou schließlich schon seit der Mittelschule. Und sein schwarzer Humor war schon damals in der ganzen Schule bekannt. Insbesondere unter den Mädchen, die er trotz einiger ernsthafter Versuche immer wieder mit seiner Ironie verschreckte. Eine Enttäuschung die auf die nächste folgte; ein Umstand, den Tatsurou unter immer bissigerem Sarkasmus zu verstecken versuchte. Satochi seufzte und brachte die Decke und das feuchte Tuch ins Wohnzimmer. Yukke legte den kühlen Lappen auf den glühenden Kopf Tatsurous und deckte ihn zu. Er hoffte, damit das Fieber etwas erträglicher zu machen. Ein paar Minuten später klingelte es an der Haustür und Satochi ließ die Ärztin in die Wohnung. „Ich gehe dann mal Yukke, ruf mich an wenn etwas ist.“ Satochi verabschiedete sich, um die Medizinerin nicht zu stören. Die Frau war etwa Mitte 50 und machte einen mütterlichen, netten Eindruck. Sie hörte Tatsurou ab, befühlte seine Lymphknoten, maß Temperatur und Blutdruck. Glücklicherweise wurde Tatsurou dabei nur halb wach und verstand gar nicht wie ihm geschah, sonst hätte er sich wohl arg beschwert. „Er hat wohl vorerst nur eine Bronchitis, aber es ist gut, dass Sie jetzt angerufen haben, denn momentan grassiert schon eine Grippewelle. “ Yukke nickte nur angestrengt und bedankte sich bei der Ärztin. Sie schrieb ein Rezept für Antibiotika auf ihren Block und wollte schon ihre Tasche zusammenpacken. Ihr scharfer Blick entdeckte aber auch an Yukke Erkältungsanzeichen. „Fukuno- san, Sie sehen auch nicht besonders gesund aus. Wenn ich schon mal da bin, kann ich sie auch untersuchen!“ Diesem ärztlichen Befehl konnte der blonde Bassist kaum etwas entgegensetzen und knöpfte sein Hemd auf. Nach der gleichen Untersuchung wie bei Tatsurou verschrieb sie ihm ebenfalls Antibiotika. „Besonders bei Familien und Paaren die zusammen auf engen Raum wohnen, geht die Ansteckung von einem zum anderen. Sie sind zwar noch nicht so stark erkrankt wie Iwagami- san, aber ich möchte kein Risiko eingehen.“ Trotz ihres freundlichen, beiläufigen Tonfalls wurde Yukke puterrot, antwortete aber nur mit:„er ist nur mein Kollege und guter Freund und nicht….“ „Entschuldigen Sie vielmals, ich wollte ihnen nichts unterstellen, mir ist nur aufgefallen, wie rührend Sie sich kümmern… es tut mir wirklich leid!“ Die Medizinerin entschuldigte sich noch ein paar Mal und machte sich endgültig fertig, zu gehen. Es befand sich immer noch eine beträchtliche Menge pulsierendes Blut in Yukkes sonst so blassen Wangen. „Vielleicht hatte die Frau gar nicht Unrecht, “dachte er bei sich, “schließlich war ja die Sache heute Mittag und gestern Abend hab ich auch solche Sachen gesagt…“ Etwas abwesend, bemerkte Yukke kaum, dass die Ärztin mit einem leisen Grinsen im Gesicht die Wohnung verließ. Sie hielt sich für eine gute Menschenkennerin und hatte sich in solcherlei Liebesdingen eigentlich noch nie geirrt. Ein krächzender Hustenanfall Tatsurous riss ihn aus seiner Lethargie und er sah die beiden Rezepte auf dem Tisch liegen. Seufzend kleidete er sich wieder an, um zum zweiten Mal an diesem Tage in die Krankenhausapotheke zu gehen. Glücklicherweise hatte der Regen gestoppt. Lediglich ein leichter, kalter Nebel umschwebte die Häuser. „Genau wie gestern!“ bemerkte Yukke und es kam ihm unbegreiflich vor, dass noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen waren, seit er um Tatsurous Leben gefleht hatte. An der Medikamentenausgabe des Hospitals war im Vergleich zur Notaufnahme wenig los; deshalb musste Yukke nur einige Minuten warten. Mit der kleinen Papiertüte in der Hand trat er aus der automatischen Schiebetür der Klinik. Eine vertraute Gestalt lehnte an einer der Säulen im dämmerigen Neonlicht der Krankenhauslampen und rauchte. An Miya vorbei zu gehen, ohne etwas zu sagen, erschien Yukke ziemlich kindisch. Und die Idee, den Fluchtweg durch die mickrigen Blumenbeete neben dem Eingang einzuschlagen, verwarf er aufgrund des schlammigen Bodens sofort. Er war viel zu erschöpft, um erneut zu streiten, deshalb ging er direkt auf Miya zu. „Kann ich eine Zigarette schnorren?“ fragte er laut. Miya sah auf und blickte erstaunt in Yukkes Gesicht. Wortlos versuchte er mit der verletzten Hand das Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche zu holen. In seiner Linken hielt er die brennende Kippe. „Was hast du da an der Hand gemacht? Ich dachte du bist Gitarrist!“ „Ein Unfall.“ murmelte Miya, zog die Schachtel aus der Tasche, bot sie Yukke an. „Idiot“, antwortete Yukke, zündete seine Zigarette an Miyas an und nahm einen tiefen Zug „ihr seid beide so unglaubliche Idioten.“ „Stimmt,“, sagte Miya. Er warf seinen Glimmstängel zu Boden und trat die letzte Glut aus „das sind wir. Und einer ist schlimmer als der andere.“ Yukke war überrascht. Nicht etwa, weil Miya nach allem was passiert war, so ruhig seien konnte- Selbstbeherrschung war dessen Spezialität. Sondern weil er einen Fehler zugegeben hatte. Es passierte schon nicht oft, dass der arbeitsame Perfektionist etwas verpatzte und wenn, dann gab er es nie zu. So war er schon gewesen, seit sie sich kannten: Yaguchi Masaaki, der größte Schweiger vor dem Herrn, den die Welt je gesehen hatte. Fukuno Yusuke hingegen schwieg fast nie länger als 3 Minuten am Stück. Entsprechend fiel es ihm schwer, jetzt ultracool Leine zu ziehen und Miya einfach stehen zu lassen. Ein Teil von ihm wollte wirklich gehen. Ein anderer Teil wollte Miya fragen, wie denn jetzt alles weiterging. Noch ein ganz anderer Teil wollte ihn laut anschreien, für dass, was er mit Tatsurou gemacht hatte. Aber in seinem Inneren nahm die kleine Inkarnation seiner Selbst überhand, die in solchen Situationen immer gewann: Der Lausebengel, die Kanaille, der freche Gauner. Er fing an Miya Rauchkringel ins Gesicht zu pusten. Dann piekste er ihn mit dem Zeigefinger in den Arm. Schließlich stahl er ihm die beinahe leere Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Die allerletzte Kippe zündete er an, hielt sie mit der anderen vor seine Nasenlöcher und prustete ordentlich Luft durch die Nase. Der beißende schwarze Rauch sorgte dafür, dass er wie ein blonder, pottschnittiger und fauchender Drache aussah. Die unglaubliche Dämlichkeit dieses Anblicks erzeugte sogar bei dem vollkommen irritierten Gitarristen einen plötzlichen Lachanfall. Miya lachte immer heftiger, immer weiter, er konnte sich gar nicht mehr beruhigen, es stiegen ihm Tränen in die Augen. Langsam hörte er auf zu lachen, aber die Tränen flossen weiter. „Miya- kun…“ flüsterte Yukke bestürzt. Er hatte seinen besten Freund noch nie weinen sehen. „Yusuke.. was soll ich denn jetzt machen? Ich hab alles vermasselt! Ich bin gestern total ausgerastet, wegen einem Sch… . Lag vielleicht auch an dem Stress. Er hat mich einfach rasend wütend gemacht! Mir ist quasi nichts anderes eingefallen, um ihn zu bestrafen, als ihn raus zuwerfen! Du kennst ihn ja, bei Tatsurou funktioniert nur die Holzhammermethode. Und ich wollte ihn auch wirklich feuern! Er hätte alles kaputt gemacht, so wie er drauf war! Uns schließlich hätte ja auch leicht woanders singen können! Dass ihm die Band, das Ganze, wir alle, so unglaublich wichtig sind…Das hätte ich nie gedacht. Aber- aber ich hätte nie damit gerechnet, dass er solch etwas tun könnte. Das wollte ich doch nicht! Das- das hat jetzt alles verändert. Und sieh ihn dir doch jetzt an!“ Miyas Gefühlausbruch kam plötzlich und unerwartet. „Miya- kun… es tut mir leid wegen vorhin. Ich wollte nicht so hart zu dir sein. Es ist nur- du weißt ja, Rou- chan, er kann einfach nicht auf sich selbst aufpassen und ist viel zu impulsiv und denkt nie, bevor er handelt und…“ „Das weiß ich doch!“ unterbrach Miya ihn mit erstickter Stimme. „Was soll ich jetzt machen? Was soll aus uns werden? Tatsurou wollte sich umbringen, ich hätte mir fast die Hände zerstört, Satochi sieht auch nicht aus, als wüsste er was zu tun ist und du …ich habe keine Ahnung was mit dir los ist.“ Yukke sagte zunächst nichts. Die Zigaretten waren mittlerweile schon heruntergebrannt und ihre Glut vom Regenwasser, das sich in den Pfützen auf dem Asphalt sammelte, längst gelöscht. „Ich glaube, das einzige, was Rou- chan und überhaupt uns allen helfen könnte, wäre, wenn du ihm vergibst. Und danach solltest du dir selber vergeben.“ Diese pragmatische, einfache Äußerung schwebte einen Moment durch die Luft wie die Rauchkringel ein paar Minuten zuvor. „Vergebung. Wie stellst du dir das vor? Ich kann doch nicht einfach hingehen und sagen: „Hey, alles wieder okay, komm wieder in die Band zurück! Alles wird wieder wie früher.“ Nicht nach so was! Nein.“ Kopfschüttelnd starrte Miya auf den Boden. Der Plan, den Yukke sich vor Beginn der grausamen Auseinandersetzung am Nachmittag gemacht hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Er wusste, um einen Menschen wie Masaaki zu überzeugen, genügten keine warmen Worte. Auch die ungeschönte Wahrheit brachte bei ihm nicht besonders viel ein. Was jemand wie Miya benötigte, waren praktische Vorschläge. Und eigentlich hatte Yukke auch vorgehabt, genauso vorzugehen. Er wollte vorschlagen, dass sie sich alle in Ruhe zusammensetzen und vernünftig über alles diskutieren sollten. Ohne sich dabei anzuschreien oder zu beschuldigen. Bei seinen kleinen Geschwistern hatte das auch immer funktioniert. Vielleicht könnte Tatsurou wieder Gesangsunterricht nehmen- und zwar diesmal ohne Miyas Kontrollblick. Er könnte auch schwören, sich wirklich zu bessern. Eigentlich hielt Tatsurou seine versprechen immer. Und als letzten Ausweg wollte Yukke einfach eine Bandpause vorschlagen; ein paar Wochen oder Monate ohne sich ständig zu begegnen und zu arbeiten. Das würde besonders Miya helfen, den ganzen Stress einmal zu vergessen. Man könnte man es wenigstens versuchen1 Bedauerlicherweise gibt es Situationen, die sich nicht so einfach klären lassen. Dies musste Yukke jetzt erkennen. Tatsurou würde ohne seinen Beruf als Sänger bei Mucc nicht genesen. Wenn es ihm nicht besser ging, konnte man kaum eine richtige Diskussion führen. Wenn Miya nicht überzeugt wurde, konnte Tatsurou nicht mehr singen. Ein Teufelskreis. Yukke schluckte. Dann sah er Miya an. Der Bassist hielt es für kaum möglich, das was zwischen ihnen allen zerbrochen war, noch zu kitten. Er schlug leise einen Neuanfang vor. Es stimmte, sie konnten nicht mehr zurück in ihr altes Leben. Aber solange man lebte, gab es immer noch Hoffnung. Miya hob den Kopf und schaute Yukke mit tränenverschleiertem Blick in die Augen. Dann nickte er. ---- Mikan no Kaiga - Unvollendetes Bild Alles Gefühl ist verschwunden, wer ist diese Leere? Zerrissene Flügel Egal wie oft ich es aufhebe, es verschwindet wie Sand Sich am Bewusstsein festhaltend, verschwindet das einzige Licht zusammen mit der Feder Mein Körper lehnt die Wirklichkeit ab, flieht vor der Realität Ah, ein Traum zusammen mit einem Versprechen Kann ich nicht noch einmal mit den Flügeln schlagen? Ich kann nichts weiter mehr als weinen Was soll ich meinem Herzen zeigen? Gefaltete Schwingen verwandeln sich in Einsamkeit Auch wenn ich blute Tränen weine Niemals wird sich dieses Bild verändern Dieses gemeinsam gezeichnete unvollendete Bild Er ist zerrissen und liegt verstreut Ah, ein Traum zusammen mit einem Versprechen Ich kann nie mehr mit den Flügeln schlagen Ich kann nichts weiter mehr als weinen Was soll ich meinem Herzen zeigen? Ich erinnere mich an die zerstörten, verschwundenen Schwingen Das unerfüllte Versprechen von Ewigkeit Nicht vergessen könnend, bin ich allein und gebe dem unvollendeten Bild Farbe Ich sammle die zerrissenen Splitter Unfähig mich einfach nur weiter von dem Traum zu ernähren Text & Music by Miya Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5 Ein vertrautes Geräusch weckte Tatsurou auf. Neben ihm lag Yukke auf einem zweiten Futon, die dünne Sommerdecke bis zur Nase gezogen und stöhnte im Schlaf. Der Sänger wusste, dass Yukke oft Alpträume hatte. Als sie vor ein paar Jahren zusammen mit Satochi in Mito gewohnt haben, hatte er ihn immer im Nebenraum aus dem Schlaf schrecken gehört. Er selbst hatte damals in dem beengten Schlafzimmer geschlafen, Yukke war im Wohnzimmer untergebracht und Satochi hatte eine Liege in der Küche. Der Drummer war in die Küche verbannt worden, weil er manchmal so laut schnarchte, dass man halb wahnsinnig davon wurde. Dafür murmelte der blonde Junge oft nachts unverständliches Zeug, während er unruhig träumte. Tatsurou hatte nie gefragt, was ihn nachts eigentlich quälte. Jetzt konnte er es sich denken, denn Yukkes undeutliche Worte klangen sehr nach seinem eigenen Namen. Schuldbewusst senkte Tatsurou den Blick. „Kein Wunder, dass er davon träumt. Was hab ich bloß getan? Ich hätte ihn beinahe umgebracht!“ Kalte Schauer liefen ihm über den Rücken. Sein eigenes Leben war ihm im Grunde nicht so wichtig, aber jemanden anderen – und dann auch noch Yusuke - zu verletzen, ließ pures Entsetzen in ihm aufkommen. Er schlug die Hände vors Gesicht und begann, verzweifelt wie ein verlassener Welpe, zu wimmern. „Yu- chan, Yu- chan, Yu- chan, verzeih mir, verzeih mir bitte!“ Yukke wachte auf und zog reflexartig den zitternden Sänger in seine Arme. Er drückte ihn fest an sich. Dort wo Tatsurous Kopf an seiner Schulter lag, spürte er, wie sich der Stoff seines T- Shirts langsam nässte. Behutsam strich Yukke ihm über den Rücken und redete mit schlaftrunkener Stimme auf ihn ein. Irgendwo in seinem Hinterkopf tauchte die Melodie eines alten Kinderlieds auf, das ihm seine Mutter immer als Kind vorgesungen hatte. Er fing an das Lied zu summen. Sichtlich entspannte sich Tatsurou und konnte sogar schon einen frechen Spruch murmeln: „Wenigstens singst du das Lied nicht, damit hättest du wahrscheinlich alles noch schlimmer gemacht!“ erklang Tatsurous Stimme dumpf gegen seine Schulter. Yukke schob ihn ein wenig von sich um ihm ins Gesicht schauen zu können: „Eigentlich hatte ich vor „Danzetsu“ zu singen, aber ich hab den Text vergessen. Was müssen Miya und du auch immer so schwierige Texte schrieben.“ Ein leichtes Lächeln stahl sich in Tatsurous schwarze Augen. Ganz nebenbei fiel Yukke auf, dass sie beide immer noch eng umschlungen da lagen. Tatsurou schien das nicht zu stören, aber Yukke schob mit hektisch auftretendem Herzklopfen ihn noch weiter von sich und versuchte die Situation hastig zu überspielen. Er griff nach den Pappschachteln mit den Medikamenten neben dem Futon und drückte die Pillen aus der Verpackung. „Hier nimm das. Ich hab keine Lust sie dir wieder mit Gewalt einzutrichtern, sowie gestern Nacht.“ Gehorsam schluckte der Sänger die Tabletten und spülte sie mit einem Schluck Wasser aus einer Plastikflasche neben dem Bett hinunter. Am vorigen Abend, nachdem Yukke vom Krankenhaus zurückgekehrt war, hatte er einige Probleme gehabt, die Medizin zu verabreichen. Erst einmal war es schwierig, den ständig tief und fest schlafenden Mann zu wecken. Dann musste er versuchen ihm die Medikamente einzuflössen, was wegen dem starken Husten recht schwierig war. Und zu guter letzt musste Yukke ihn auch noch vom Wohnzimmer- wo er sein provisorisch aufgeschlagenes Krankenlager hatte- ins Schlafzimmer befördern. Es war Yukke lieber, ihn nahe bei sich zu haben, falls es ihm schlechter gehen sollte. Zur Hälfte entsprach dies jedenfalls der Wahrheit. Denn Yukke hatte auch festgestellt, dass er wesentlich besser schlief, wenn jemand neben ihm ruhig und tief im Schlaf atmete. Und insbesondere wenn dieser jemand Iwagami Tatsurou hieß. In Nightlinerbussen versuchte er immer die Koje neben Tatsurou zu erwischen. Auf die Weise konnten sie sich nachts besser unterhalten. Und wenn Tatsu eingeschlafen war, konnte er ihm bisweilen eine weitere Brille vor der sicheren Zerstörung auf dem Fußboden des Fahrzeugs retten. Nachdem er ihm die Gläser abgenommen hatte, rollte sich Tatsurou dann immer mit einem zufriedenen Brummen zusammen und lächelte ein wenig im Schlaf. Sein Gesichtsausdruck war dann immer genauso friedlich und ruhig wie bei Yukkes Geschwistern, als sie noch kleine Kinder waren. Und generell wurde Yukke immer warm ums Herz, wenn er jemand in Morpheus Griff gefangen, entschlummern sah. Nur in diesem Moment ist die Fassade, die man ansonsten um sich herum aufbaute, eingerissen. Nur dann ist der Gesichtsausdruck eines Menschen absolut ehrlich und wahrhaftig. Yukke seufzte und wollte schon aufstehen um sein Bett zu machen, aber Tatsurou hielt einen Zipfel seines Shirts fest und zog ihn wieder hinunter. „Was ist denn?“ fragte der blonde Mann überrascht. „Ist so kalt…“ sagte Tatsurou und in der Tat zitterte er ein bisschen. „Ich kann dir noch eine Decke geben oder die Heizdecke holen-“ „Nein. Bleib doch einfach noch kurz da.“ Wie immer hatte der Sänger das bemerkenswerte Talent an den Tag gelegt, mit einem einfachen Satz den armen Yukke vollkommen durcheinanderzubringen. Und wie so oft gab Yukke seinen Launen nach. Er legte sich wieder hin. Tatsurou rückte an ihn heran; so nah, dass Yukke seinen Atem und die fiebrig erhöhte Körpertemperatur spüren konnte. Seine eigene Decke warf er zusätzlich noch halb über Tatsurou und deckte sich mit dem Rest notdürftig zu. Wider Erwarten schloss Tatsurou jetzt aber nicht die Augen, um der Beschäftigung nachzugehen, der er in den letzten 30, 40 Stunden nachgegangen war. Nein, die Medikamente und der viele Schlaf hatten schon angeschlagen. Mit wachen Augen sah er seinen Bassisten an. „Was mach ich denn jetzt?“ fragte er. „Weißt du, dass ist gerade wohl die Frage Nummer eins. Du fragst mich das, ich hab sie gestellt, Satochi hat mich gefragt… und Miya hat genau dasselbe gesagt.“ Bei der Erwähnung Miyas fing Tatsurou an auf seiner Lippe herumzukauen. Aus Versehen biss er sich das Fleisch auf und ein einzelner Blutstropfen trat aus. „Was machst du denn…“ Fürsorglich nahm Yukke ein Papiertaschentuch und wischte den Tropfen weg. „Du musst aufhören, dich selbst zu verletzten, sonst-, sonst kommt ihr zu nichts.“ „Wohin sollte ich denn kommen, ich bin doch gar nicht mehr dabei.“ äußerte Tatsurou mit trauriger Stimme. Yukke setzte sich auf und atmete tief durch. „Rou- chan.. ich muss dir etwas sagen. Ich habe gestern Abend noch einmal mit Miya gesprochen. Er stand vor dem Krankenhaus, wo ich die Medikamente her habe. Weißt du was? Er hat genau dasselbe wie du gemacht! Ohne nachzudenken hat er sich die Hand blutig geschlagen, hätte dann womöglich nie mehr richtig spielen können und sich alles versaut! Ihr seid beide so unglaublich dämlich! Warum macht ihr bloß so was! Weißt du überhaupt was für Sorgen du –ihr mir macht?! Kannst du dir vorstellen wie furchtbar das ist?“ „Es tut mir leid, Yu- kun. Wirklich, ich verspreche dir, ich mach so etwas nie wieder. Ich weiß auch nicht so genau, warum ich-“, stotterte Tatsurou mit bedrückter Stimme. „Ja, genau das ist dein Problem. Du machst Sachen ohne vorher drüber nachzudenken. Arrgh, “, knurrte Yukke, “nun ja, um zum Punkt zu kommen: Ich hab mit Masaaki- kun gesprochen und ihm vorgeschlagen neu anzufangen. Mit allem.“ „Wie- wie meinst du das?“ Tatsurou starrte ihn mit großen Augen an. „Ihr beiden- nein eigentlich wir vier müssen einen Neuanfang machen. Als Band. Aber auch… als Freunde. Es- es wird bestimmt nicht einfach und ich weiß auch nicht ob es funktionieren wird. Aber wir sollten es wenigstens versuchen.“ „Wir? Ich auch? Aber-“ „Kscht.“ Yukke legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Du redest einfach zuviel. Was wäre denn Mucc ohne Rou- chan? Ich glaube, Miya hat das gestern auch erkannt. Aber du musst auch etwas dafür tun, das ist ja wohl klar.“ „Du redest wie ein Priester. Hast du vielleicht den Beruf verfehlt?“ Tatsurou hatte Yukkes Hand abgeschüttelt, ein kurzes Grinsen flackerte in seiner Miene auf. „Kannst du nicht mal ernst bleiben? Ich hab dir grad gesagt, dass du wieder in der Band bist und du ärgerst mich schon wieder!“ „Ich weiß.“ Jetzt lächelte Tatsurou ihn an und musste etwas husten. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll…“ „Werd erstmal gesund und dann- dann könntest du vielleicht wieder zu dieser Gesangslehrerin gehen, ich glaube das würde Miya milder stimmen und du musst versprechen pünktlicher zu kommen die Arbeit ernst zu nehmen und nicht immer nur rumgammeln und- „Sonst noch was?“ „Ja. Halt öfter mal die Klappe.“ Yukke nahm all seinen Mut zusammen, beugte sich hinunter und küsste Tatsurou. Mit riesengroßen Augen starrte jener ihn an. Hastig stand der Bassist auf und wollte in die Küche huschen, als Tatsurou ihn abermals am Shirt festhielt. Yukke drehte sich mit rot glühenden Wangen um. „Was, was war das jetzt?“ fragte der vollkommen verblüffte Mann. „Anders kriegt man dich ja nicht dazu, still zu sein.“ Ausnahmsweise es einmal hatte Yukke es mit dieser Aktion geschafft, den Sänger zu überraschen. Er rauschte in den Flur und stürzte fast in die Küche. Tatsurou indes ließ sich in seine Kissen zurückfallen und starrte an die Decke. Diesmal war es jedoch kein lethargisches, verzweifeltes Starren. Der Mann er war einfach nur komplett verwirrt. Er wunderte sich, was plötzlich mit Yukke los war. Er fragte sich, warum er selbst so ruhig war. Schließlich war das kein alltägliches Über-den-Kopf-wuscheln oder In-die-Seite-pieken was Yukke normalerweise veranstaltete. Das war schon ein richtiger Kuss gewesen. Tatsurou warf sich im Bett herum und starrte auf den Futon, wo eben noch Yukke lag. Er streckte die Hand aus. Unter der Decke war es noch warm und man konnte sehen, wo der Bassist gelegen hatte. Auch sein Geruch hin noch in der Luft. Zum ersten Mal fiel Tatsurou aber auf, dass unter dem leichten Rauch von Zigaretten noch etwas anderes lag. Yukkes Kissen heranziehend schnupperte er mit gerunzelter Stirn daran. Der Duft kam ihm bekannt vor. Vielleicht etwas aus seiner Kindheit? Er vergrub sein Gesicht in dem Kissen, bis ihm die Erleuchtung kam. Aus einem seltsamen Grund erinnerte ihn Yukkes Geruch an die Hände seiner Mutter. Aber das konnte doch nicht sein?! Dem Rätsel immer noch nachgehend, schleppte sich Tatsurou ins Bad. Dort angekommen musste er sich erst auf dem Waschtisch abstützen. Das plötzliche Aufstehen hatte ihn schwindelig gemacht und er sah kleine leuchtende Punkte vor seinen Augen tanzen. Kaltes Wasser über den Handgelenken half ihm, die Benommenheit loszuwerden. Als er wieder klar sehen konnte, löste sich das Rätsel um den Geruch wie von selbst: Auf der Ablage vor dem Spiegel stand eine Tube mit Ringelblumensalbe. Tatsurou grinste, weil Yukke für seine schwieligen Bassistenhände das gleiche Mittel benutzte wie seine Mutter in ihrem Frisiersalon. Sie schwor auf Kinsenka (jap. für Ringelblumen) in jeder Beziehung und rieb sich regelmäßig die gelblich schimmernde, angenehm duftende Creme in die Hände ein. Als kleiner Junge hatte sie ihm dann immer mit den klebrigen Fingern einen Stups auf die Nase gegeben. Die Tube öffnend, lächelte Tatsurou und atmete den Blumenduft ein. Dann sah er in den Spiegel. Ein leichenblasses Antlitz mit rot geriebenen Augen und tiefschwarzen Ringen darunter schaute zurück. Seine Stirn war gerötet und zeigte ihm an, dass er immer noch ziemlich fiebrig war. Er seufzte und wusch sich das Gesicht. Als er seine Lippen berührte, fiel ihm wieder ein wie Yukke ihn geküsst hatte. Tatsurou wunderte sich wirklich, warum das Ganze ihm so vertraut vorkam. Vielleicht lag es daran, dass er sich in Yukkes Wohnung so wohl fühlte, mit all den schönen, klassischen Möbeln und den seltsamen kleinen Andenken die so typisch Yukke waren. Da war es irgendwie natürlich, sich auch näher zu kommen. Immerhin hatte er ihn vorher so liebevoll getröstet und ihm sogar wieder Hoffnung gegeben, wieder ein Mitglied von Mucc sein zu dürfen. Achselzuckend zog er sich aus und warf den verschwitzten Pyjama achtlos in die Ecke. Es ärgerte ihn, dass Yukke keine richtige Dusche hatte, sondern nur eine Badewanne und einen extra Duschkopf. Trotzdem tat das heiße Wasser auf seinen verspannten Muskeln gut - auch wenn er nur auf einem dieser lächerlich kleinen, weißen Plastikschemel sitzen konnte. Erst jetzt bemerkte er die blauen Flecken auf seinem rechten Unterarm. Sie hatten die Form eines Handabdrucks. Er legte seine andere Hand darauf, die etwas größer war als die grünlich angelaufenen Blutergüsse die Yukke unabsichtlich verursacht hatte als er ihn die Brüstung heraufzog. Tatsurou wusste, dass es nicht damit getan sein würde, nur Unterricht zu nehmen um Miya zufrieden zu stellen. Er musste auch für sich ganz allein etwas Neues beginnen. Leicht hustend stand er auf, stellte die Dusche ab und schlang sich ein Handtuch um die Hüften. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Yukke fiel halb ins Bad. Gerade noch konnte er sich an dem Türrahmen festhalten um nicht auf den nassen Fliesen auszurutschen. „Rou- chan… da bist du ja… Gott sein dank, ich dachte schon...“ Erleichtert atmete er tief durch. Als er das leere Schlafzimmer sah, hatte er befürchtet, Tatsurou wäre vielleicht weggegangen und hätte ihn allein gelassen. Stattdessen stand er hier vor ihm, mit klatschnassem Haar und lediglich einem Handtuch bekleidet. Obwohl Yukke ihm am Tag zuvor schon halb den Schlafanzug anziehen musste, drehte er sich jetzt beim Anblick von Tatsurous nassen, sehnigen Körper verschämt um und wollte gehen. „Entschuldige, ähm, du bist ja grad beschäftigt, ich geh dann mal-“ „Warte“ unterbrach ihn Tatsurou und Yukke blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. Tatsurou ging langsam auf ihn zu, bei jedem Schritt hörte man neue Wassertropfen auf den Boden platschen. „Warte“ sagte er noch einmal und umarmte den kleineren Mann von hinten mit seinen langen, schlaksigen Armen. „Iiieh, trockne dich erstmal ab, du-“ Yukke verstummte, denn Tatsurou hatte sich jetzt vor ihn geschoben, seinen Kopf ergriffen und gab ihm einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Einen kurzen Herzinfarkt später schloss Yukke die Augen und erwiderte den Kuss. Das kalte Wasser das gerade auf seine Kleidung tropfte interessierte ihn in diesem Augenblick überhaupt nicht mehr. Das einzige was zählte, war dieser eine Moment. -------------------------------------------------------- PS: Danzetsu (jap: Aussterben; Untergang; Bruch) ist Yukkes Lieblingslied (hat er mal in ’nem Interview gesagt), obwohl er es nicht selbst geschrieben hat. PSS: Morpheus ist der griechische Traumgott und nicht der aus Matrix XD. PSSS: Mein Gott, lass ich die Charas oft heulen *fällt mir grad auf*>.> Bin halt ne Dramaqueen XD PSSS: Kinsenka ist ein tolles Lied! (Von Mucc natürlich >.>) PSSSS: Schwielige Finger= Bassist ^^ Da Yukke soweit ich das sehe, kaum ein Plektrum zum Bass spielen benutzt, MUSS er einfach schwielige Finger haben, das ist jetzt nit eklig oder so. Schüler haben manchmal auch da, wo der Füller oder Kuli oder der Pinsel oder sonst was in der Hand liegt, Schwielen ... ich jedenfalls XD .. man kann sich sogar die Finger blutig spielen *recherchiert hab* brrr… Ach es ist so herrlich ihm beim Spielen zuzusehen… er tanzt immer so schön mit seinem Instrument (schwing die Hüften, Baby!) PSSSSS: Ich hab ngst vor meiner eigen FF.. jetzt wirds ernst *schwitz* Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6 Tatsurou stöhnte leise. „Bleib bei mir, Tatsurou, bleib bei mir.“ flüsterte Yukke atemlos dem anderen Mann ins Ohr als er sich kurz von ihm trennen konnte. Er öffnete die Augen und blickte in Tatsurous Gesicht. Dabei strich er mit seinen rauen Fingerspitzen über das fein geschnittene Profil Tatsurous und wischte eine Träne weg, die sich seltsamerweise aus dem Augenwinkel stehlen wollte. „Tatsurou? Rou- chan?“ Yukke schubste ihn, denn der andere hatte die Augen geschlossen und öffnete sie jetzt nicht. „Hey, Rou- chan? Rou- chan? HEYYY!“ Panisch schüttelte Yukke den regungslosen Mann, bis er endlich kapierte, dass Tatsurou schlicht und einfach bewusstlos geworden war. „Nicht schon wieder! Warum musst du ständig einpennen…“Eigentlich sprach Yukke jetzt nur noch zu sich selbst. „Weshalb wird man noch mal ohnmächtig… Luftmangel… Oh.“ Yukke erkannte grade, warum Tatsurou denn Sauerstoffmangel haben könnte, und wurde puterot. Das er seinen Freund halbnackt in den Armen hielt, dessen Handtuch sich langsam aber sicher zu verabschieden drohte, trug auch nicht unbedingt zu Yukkes Entspannung bei. Glücklicherweise erwachte Tatsurou mit einigem Stöhnen kurz darauf. Er schlug die Augen auf und schaute etwas desorientiert umher. Mit seiner typischen Gelassenheit befestigte er allerdings das feuchte Handtuch wieder und setzte sich mit Yukkes Hilfe auf den Rand der Badewanne. Der Bassist setzte sich neben ihn. „Mann, ist mir übel… war eben was?“ „Hey, DU hast doch eben angefangen mich zu-, du, du-“, brauste Yukke auf. „War doch nur ein Scherz.“, feixte Tatsurou, dem es sichtlich Spaß machte, Yukke mit seiner Verlegenheit zu ärgern. Normalerweise hatte er ja keine Probleme mit „Körperkontakt“. Im Gegenteil, Yukke selber betüddelte Tatsurou ja die ganze Zeit. Nur wenn es ernster wurde, entpuppte sich der junge Mann als ziemlich schüchtern. „Ich habe aber wirklich Kopfweh und mir ist schlecht…“ maulte Tatsurou herum. Durch Tatsurous gegensätzliche Aussagen und Handlungen vollends verwirrt, erhob sich Yukke seufzend vom Rand der Wanne. Aus dem Wäscheschrank entnahm er ein riesiges Duschhandtuch und einen Waschlappen. Behutsam wickelte er ihn in das knallbunte Froteetuch. Den Lappen hielt er unter den Wasserhahn, um ihn daraufhin Tatsurou auf die Stirn zu legen. „Bleib erst mal sitzen,“, befahl Yukke „ich föhne dir jetzt die Haare!“ Ungeschickt hantierte er mit der Bürste und dem Haartrockner auf Tatsurous Kopf herum. Mit einem unsicheren Kichern begutachtete er sei Werk: Er hatte es tatsächlich geschafft, die rotgebleichten Haare in eine Mischung aus Wischmopp und Löwenkopfäffchen zu verwandeln. Es gereichte Yukke zum Vorteil, dass der Spiegel noch vom Wasserdampf beschlagen war, als er Tatsurou am Arm fasste und aus dem Zimmer führte. Bestimmt wäre er wieder ausfallend geworden, hätte er sich im Spiegel sehen können. „Hinsetzen!“, ordnete Yukke mit gespieltem Befehlston an. Gehorsam setzte sich der Sänger neben den Futon. Das Strandlaken über den Kopf gezogen und so zusammengehalten, dass nur noch ein paar zerzauste Haarsträhnen hervorlugten, sah er wie eine steinerne Statue aus. Er saß einfach nur da und schaute Yukke beim Neubeziehen des Bettzeugs zu. Jener nutzte die kurze Ablenkung durch Hausarbeit um seine schwirrenden Gedanken zu beruhigen. „Ich würde gern mal was anziehen.“ Merkte Tatsurou derweil an und Yukke drehte sich zu ihm um. „Ähm ja, ich hab dir ein paar Sachen geholt, sie liegen da hinten auf dem Hocker.“ „Okay.“ Antwortete Tatsurou entspannt, legte das große und das kleine Handtuch ab, faltete sie beide ordentlich zusammen und ging splitterfasernackt durch den Raum. „Was denn, so verklemmt heute, Yu- kun?“ fragte er provozierend als er in seine Hosen stieg und Yukke sich mit flammend rosa Ohren auf die Knöpfe des Kopfkissens konzentrierte. Bevor er das Oberteil anlegte, ging er zu dem anderen hinüber und kniete sich hinter ihn. „Mmh, sexy.“ Murmelte er, als er aus dem tief hängenden Hosenbund Yukkes hinten den Zipfel einer Astroboy- Boxershorts hervorschauen sah. Ein bisschen zog er daran, um Astroboy besser sehen zu können, aber vor allem, um Yukke zu piesacken. Schamerfüllt färbte sich jetzt Yukkes Kopf vom Halsansatz bis zu den Ohrenspitzen rot. Er trat nach hinten aus und warf Tatsurou auf diese Weise um. Yukke kugelte- ihn kitzelnd und prügelnd- quer durch den Raum. „Du frecher Bastard! Immer kannst du nur gemein sein, man sollte dir echt mal den Mund mit Seife auswaschen!“ Ohne eine Antwort abzuwarten kitzelte er Tatsurou brutal durch. Jener wand sich wie eine Schlange, konnte aber den an zwei kleinen Geschwistern geprüften Händen des Bassisten kaum entkommen. Er lachte trotz einigem Husten fröhlich wie ein kleines Kind. Es tat Yukke gut, ihn wieder so herzhaft lachen zu hören. Ihn die letzten beiden Tage und auch die Wochen davor so deprimiert zu sehen, hatte ihn mehr betroffen gemacht, als er sich Zeit eingestehen wollte. Mittlerweile hustete Tatsurou jedoch schon sehr angestrengt vor lauter Lachen. Als Yukke kurz besorgt locker ließ, damit er wieder Luft holen konnte, drehte Tatsurou den Spieß um und wehrte sich. Er schaffte den anderen auf den Rücken zu werfen. Die Handgelenke Yukkes hielt er mit einer Hand fest über dessen Kopf auf den Boden gedrückt. Mit rasselnden Atemzügen blickte er ihm direkt in die Augen. „Dann wasch mir den Mund doch mit Seife aus- wenn du kannst!“ Mit seiner freien Hand packte er Yukkes Kinn und gab ihm einen harten, beinahe schmerzhaften Kuss. „Hast du vorhin nicht gesagt, anders bekommt man mich nicht still?“ Tatsurous Augen funkelten vor Schalk und Schelmereien als er sich von ihm löste. „So hab ich das nicht gemeint!“ Yukke wandte seinen Kopf zur Seite ab. Er wusste im Moment gar nicht, wie Tatsurou nun zu ihm stand. Empfand er auch etwas für ihn, das über Freundschaft hinausging? Oder war das wieder nur einer seiner schlechten Scherze? Aber vorhin, im Badezimmer und eben… Die grüne, noch zart nach frischen Binsen duftende Tatami konnte ihm auch keine Antwort auf diese brennende Frage geben. Deshalb schaute er wieder auf- zu Tatsurou, der ihn immer noch ansah. Dessen amüsierten Blick interpretierte er jedoch nur als Bestätigung seiner Befürchtung: Der größere Mann hatte ihn wieder einmal gründlich hereingelegt. Tatsurou wunderte sich, warum Yukke auf einmal so traurig aussah. Er konnte sich nicht daran erinnern, etwas gesagt oder getan zu haben, was den anderen so betrübt hätte machen können. Langsam ließ er die Handgelenke des Bassisten los. Er versuchte, Yukke tröstend durch die Haare zu wuscheln und wollte schon fragen, was denn los ist. Allerdings schüttelte Yukke unwirsch die Hand von seinem Kopf und rieb sich die Gelenke. „Das hat wehgetan.“ Sagte er und stand auf. „Du bist krank und gehörst ins Bett!“. Tatsurou fragte nicht und trollte sich auf den Futon zurück. Ein paar Minuten lag er so da. Dann wurde ihm langweilig und er begann Yukke zu beobachten, der die Tür zum Badezimmer offen gelassen hatte und dort die Wasserpfützen auf dem Boden aufwischte. Ein-, zweimal erhaschte Tatsurou einen Blick auf sein Gesicht. Den gequälten Ausdruck hatte er immer noch nicht abgelegt. Obwohl sonst weiß Gott nicht auf den Mund gefallen, wusste der Sänger nicht, wie er ihn darauf ansprechen sollte. Irgendwie wollte er Yukke auch seine Privatsphäre gönnen. Vielleicht hatte es ja etwas mit den Vorfällen der letzten Tage zu tun. Tatsurou beschloss sein Taktgefühl walten zu lassen, und erstmal wirklich nicht zu fragen. Der Tag zog vorüber. Yukke hatte etwas Reissuppe zum Frühstück gekocht, die Tatsurou allerdings angeekelt von sich schob und er daraufhin die nächsten 3 Mahlzeiten mit einfachen Reisbällchen aus dem Supermarkt abgespeist wurde. Der Fernseher stand dummerweise im Wohnzimmer, sodass Yukke ihm zur Unterhaltung eine Kiste mit alten Manga neben das Kopfkissen stellte. Er ermahnte ihn, nicht zuviel zu lesen, um die typischen Erkältungskopfschmerzen nicht noch zu verschlimmern. Tatsurou hielt sich auch beinahe daran, konnte aber nicht umhin, die ersten drei zerfledderten Bände von Astroboy, welche ganz unten in der Kiste lagen, mit einem genüsslichen Grinsen ganz langsam durchzulesen. Das Lesen erschöpfte ihn und hatte ein leichtes Pochen in der Schläfengegend verursacht. Deshalb warf er den letzten Manga auf Yukkes Futon und kuschelte sich wieder in die weichen Federn und das nach Blumen duftende Kissen Yukkes’. Durchs Fenster schienen die letzten Sonnenstrahlen in den Raum. Draußen war der Himmel von der Abenddämmerung blutrot gefärbt und das einfallende Licht ließ die weißen Blüten von Yukkes Orchideen zart rosa leuchten. Tatsurou bemerkte die Pflanzen erst jetzt und freute sich sehr darüber. Die beiden Töpfe hatte er ihm nämlich vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt. Damals hatte er sie ihm mit der Bemerkung überreicht, dass Yukkes Wohnung neben seinen Plastikfigürchen etwas Grün vertragen könnte. Außerdem war er stolz auf die Pflanzen, denn er hatte sie selbst gezogen und vermehrt. Obwohl er selbst seine Wohnung nur als chaotisch bezeichnen konnte, kümmerte er sich hingebungsvoll um seine Blumentöpfe auf der Küchenfensterbank. Er hatte sogar den Hausmeister seines Wohnkomplexes beauftragt, regelmäßig die Blumen zu gießen und zu düngen, wenn er grade mit der Band auf Tournee war. „Hey Yukke!“ rief er durch die ganze Wohnung. „Wie schaffst du es eigentlich, deine Pflanzen am Leben zu erhalten?“ Yukke steckte den Kopf durch die Tür und schaute verwundert ins Zimmer. Er hatte es geschafft, seine Gefühle wieder soweit unter Kontrolle zu bringen. Er wollte nicht, dass man ihm seine Traurigkeit von außen anmerken konnte. Jetzt benahm er sich wieder vollkommen normal. Und zumindest bildete er sich dies auch fest ein. Aber konnte ja nicht ahnen, dass Tatsurou ein feines Gespür für anderer Menschen Sorgen und Nöte hatte. Eine Fähigkeit, die Tatsurou sich jedoch erfolgreich nicht anmerken ließ. „Die nette alte Dame von nebenan kümmert sich darum, wenn ich nicht da bin. Wieso fragst du?“ „Nur so. Satochi killt die armen Blumen doch immer schon nach drei Wochen! Will aber auch ständig neue haben! Wieso schaffen du und Miya es, sie ordentlich zu gießen, nur er nicht? Dieser elende Mörder!“ Tatsurou schmollte und wollte mit seinem übertriebenen Schmollmund und den verschränkten Armen Yukke aufzuheitern. Der Bassist, der wusste wie gerne Tatsurou Blumen hatte, lächelte leicht. Manchmal, wenn sie von einem Fan einen Strauß geschenkt bekamen, konnte man Tatsurou beobachten, wie er verstohlen daran roch und vorsichtig die Blüten berührte. Dabei schaute er immer ganz verträumt und lächelte schüchtern. Die Liebe zu den Pflanzen hatte er wohl von seiner Mutter. Yukke erinnerte sich gut an die vielen Blumenkübel und Töpfe im Salon der Iwagamis, deren Duft sich mit dem Geruch von Shampoo, Haarspray und Festiger vermischte. Zwar war er nur einige Male dort zu Besuch gewesen, jedoch hatte ihm Tatsurous Mutter seinen ersten Topfhaarschnitt verpasst. Sie war ganz entzückt gewesen, wie gut ihm die Frisur stand. Das hatte ihn gefreut und er hatte es nie vergessen. Und schließlich war der Schnitt seitdem sein Markenzeichen. „Du mit deinen Blumen! Ich kann die doch nicht einfach vertrocknen lassen, wo du sie doch so liebst. Singst ja auch ständig davon.“ Schnurstracks flog ein Kissen in Richtung Yukke, dem er nur durch einen geschickten Hüftschwung zur Seite ausweichen konnte. Diesen gemeingefährlichen Angriff konnte der Bassist selbstverständlich nicht ungesühnt lassen! Rache war jetzt die Devise! Er schnappte sich eine Socke aus dem Wäschekorb und warf sie zielsicher genau auf Tatsurous Kopf. Die nächsten beiden Tage vergingen ohne eine Änderung am Status Quo. Tatsurou ging es gesundheitlich zunehmend besser. Yukke war traurig, kümmerte sich aber hingebungsvoll um den Sänger. Die Sorge um Yukke ließ Tatsurou seine eigenen, düsteren Gedanken erst einmal vollkommen vergessen. Aber immer noch traute er sich nicht, einfach direkt zu fragen. Er lenkte sich deswegen mit Wiederholungen von Anime seiner Kindheit auf drittklassigen Privatsendern ab. Es tat ihm sonst zu weh, den normalerweise so fröhlichen Bassisten so niedergeschlagen zu sehen. Jener hatte sogar gänzlich seine kleinen Neckereien eingestellt und reagierte kaum, wenn Tatsurou damit anfing. Am Donnerstagabend klingelte Yukkes Telefon. Miya erinnerte ihn an die beiden Promotermine am Wochenende in CD-Läden in Osaka und Tokyo, die sie noch vor sich hatten. Er sagte auch, dass das Management mindestens 3 Mitglieder der Band anwesend haben wollte, sonst würde der Vertrag gebrochen sein und das käme sie recht teuer. „Wie soll ich das anstellen?“, flüsterte Yukke mit vorgehaltener Hand in den Hörer. Tatsurou sollte nicht mithören „Ich kann ihn doch nicht allein lassen!“ „Yusuke! Ich bin mir sicher, dass er das verstehen wird. Wir- wir müssen jetzt alle Opfer bringen, wenn wir weitermachen wollen.“ Miyas Tonfall wurde etwas weicher: “Sein ältester Bruder wohnt doch auch in Tokyo. Der könnte doch nach Tatsurou sehen, es ist ja dann Wochenende.“ „Gute Idee!“, seufzte Yukke erleichtert und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann fiel ihm noch etwas siedendheiß ein: „Sag mal, hast du eigentlich Satochi Bescheid gesagt? Ich meine, dass jetzt... jetzt alles wieder gut wird.“ „Ich war am Montagnachmittag bei ihm. Ich wollte es ihm persönlich sagen.“ „Gut. Dann bis Samstag. Holst du mich wieder mit dem Auto ab? Und ääähm… darfst du wieder fahren?“ Miyas Handverletzung war ihm wieder in den Sinn gekommen. Der Gitarrist knirschte mit den Zähnen und betrachtete seine Hand. Immer noch war sie mit Binden umwickelt. Als er bei Satochi war, hatte jener ihn entsetzt am Arm gezerrt und fassungslos den Verband angestarrt. Nachdem Miya ihm die gesamte Story erzählt hatte, schüttelte Satochi wiederum nur tonlos den Kopf. Er wusste als Schlagzeuger natürlich, wie schmerzhaft eine Wunde an der Hand sein konnte. Manchmal hatte er sich selbst auf Konzerten oder auch schon bei der Probe die Hände blutig geschlagen. Nie hätte er jedoch Miya für fähig gehalten, sich selbst etwas anzutun. Nicht bei der schon an Fanatismus grenzenden Leidenschaft Miyas für seine Musik. Immer noch fassungslos, sah er, wie Miya den Kopf hängen ließ. Man konnte ihm ansehen, wie erschöpft er war und seine Schultern fingen an zu zittern. Der Drummer zog Miya zu sich und drückte ihn fest an sich. „Bis dahin geht das schon. Ich hole erst Satochi ab und dann dich gegen 7 Uhr. Ciao.“ Mit diesen Worten legte er auf. Yukke kaute auf seiner Oberlippe herum. Es passte ihm gar nicht, Tatsurou jetzt schon alleine lassen zu müssen. An die beiden Events hatte er gar nicht mehr gedacht, nur an das nächste Konzert- das Beauti-Fool's Fest03- welches aber erst nach Weihnachten stattfinden sollte. Aber es half nichts, Miya hatte ja Recht. „Rou- chan?“ Tatsurou befand sich grad im Wohnzimmer und zappte gelangweilt durch diverse Talkshows des Vorabendprogramms. „Rou- chan? Miya war grad dran. Weißt du noch, am Wochenende sind diese beiden Veranstaltungen in Osaka und hier. Und Miya hat gesagt, dass bei Teilnahme von weniger als 3 von uns Vertragsbruch droht…“, er druckste herum, “ich muss also dahin und bin dann fast 2 Tage weg.“ Tatsurou hörte auf sich durch die Kanäle zu zappen und starrte auf die flimmernde Mattscheibe. Die Hand mit der Fernbedienung hielt er immer noch fest auf den Bildschirm gerichtet. Er versuchte seine aufkommende Panik zu beherrschen. Er hatte noch gar nicht bedacht, dass die jetzige Situation ja kaum ewig andauern könnte. Irgendwann würde Yukke schließlich auch mal gehen müssen. Irgendwann würde er ihn verlassen. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- PS: Eine Ohnmacht bzw. eine Bewusstlosigkeit sollte nicht so auf die leichte Schulter genommen werden wie Yukke das hier macht oO. Das war nur dramaturgisch wichtig XD PSS: Tatsurou züchtet in meiner Fic übrigens Vanille^^ Das ist auch ne Orchidee. Es gibt viele, viel Sorten davon, nicht nur die mit der man würzen kann. PSSS: Keine Ahnung, ob Tatsus Bruder in Tokyo lebt XD PSSSS: Yeah, ein schönes, langes Kapitel^^ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7 Am frühen Morgen des 28. September bemühte Yukke sich darum, nicht allzu viel Lärm beim Aufstehen zu machen. An diesem Samstag war das Instore event in einem „Like a edison“ CD- Laden angesetzt. Zum Glück mussten sie dort aber nicht spielen, sondern nur eine Autogrammstunde und Interviews geben. Ein Liveauftritt wäre für Tatsurous Stimme, die noch von seiner Erkältung geschwächt war, absolut kontraproduktiv gewesen. Außerdem hatte ihn in den letzten beiden Tagen- seit Miya sie an diesen Termin erinnert hatte- eine trübsinnige und lustlose Aura umwölkt. Er wollte kaum essen und nahm eher widerwillig die Medikamente ein. Nicht einmal richtig schlafen wollte er. Stattdessen hockte er den ganzen Tag vor dem Fernseher und glotzte stumpfsinnig in die Röhre, bis er irgendwann vor dem Flimmerkasten einnickte. Yukke hasste es, dass der Sänger sich so gehen ließ. Zwar handelte es sich bei Iwagami Tatsurou auch normalerweise nicht um den fleißigsten Mann Japans (den Titel hielt Miya schon inne), jedoch zeigte er in der Regel einen gewissen Tatendrang. Doch nun nahm er nicht einmal Yukkes Vorschlag an, eine Stunde in die Pachinkohalle drei Häuser weiter zu gehen und dann eine große Schüssel Ramen in der besten Suppenküche des Viertels zu essen. Seufzend betrachtete Yukke Tatsurou, der zusammengerollt im Wohnzimmer auf den bunten Sitzkissen lag. Gestern Nacht hatte er ihn noch mit einer Wolldecke zugedeckt, die Brille abgenommen und den Fernseher ausgestellt. Tatsurou hatte es nicht einmal für nötig befunden, sich auf seinem Futon im Schlafzimmer zu Ruhe zu legen. Die kleine Reisetasche fürs Hotel hatte Yukke zum Glück schon tags zuvor gepackt. Jetzt begnügte er sich mit einem Nuttenfrühstück bestehend aus einem schwarzen Kaffee und einer Zigarette. Auf der Wanduhr näherte sich der Zeiger sieben Uhr morgens. Yukke entschied, jetzt schon das Haus zu verlassen um draußen auf Miya zu warten. Er wollte Tatsurou nicht so früh wecken. Mit einem herzzerreißenden letzten Blick auf ihn zog er die Wohnzimmertür hinter sich zu und ging. Einige Stunden später ertönte ein Knall, der Tatsurou augenblicklich hochschrecken ließ. „Hey Yukke, mach nicht deine ganze Kücheeinrichtung kaputt!“ rief er verschlafen durch die Wohnung. Aber sein Ruf blieb unbeantwortet. Stattdessen hörte man ein unfreundliches Gemurmel aus dem Treppenhaus. Beunruhigt erhob Tatsurou sich und ging in die Küche. In der Spüle stand eine benutzte Tasse und ein einzelner Zigarettenstummel befand sich im Aschenbecher. Unter dem hübsch-hässlichen schwarzen Ungetüm mit den kleinen Drachen auf dem Rand, lugte ein weißer Zettel hervor auf dem stand: Muss jetzt gehen, Miya holt mich gleich ab. Schau nicht soviel fern und iss etwas Ordentliches, im Kühlschrank sind noch die Reisbällchen, die du so gerne magst. Heute Nachmittag kommt dein ältester Bruder zu Besuch, um dich ein wenig aufzuheitern, während ich weg bin. Wenn etwas ist, ruf mich auf dem Handy an, die Nummer hast du ja^^. Yukke Mit abnehmender Müdigkeit erinnerte sich Tatsurou auch selbst wieder daran, dass heute schon Samstag war. Er riss die Fenster auf und ließ den frischen, kalten Morgenwind ins Zimmer streichen. Eben noch hatte er das Gefühl gehabt, ihm würde die Luft abgeschnürt. Fröstelnd setzte er sich in seinem dünnen Pyjama auf die Fensterbank. Es regnete leicht. Nicht so stark, dass viele Leute einen Schirm aufgespannt hätten, aber genug um den Blick in die Ferne gräulich zu trüben. Aus dem dritten Stockwerk konnte man gut die Menschen erkennen, die ihren Samstageinkäufen nachgingen und geschäftig hin und her sausten. Die Straße war ziemlich verstopft. Dabei lag Yukkes Wohnung eigentlich an einer Seitenstraße. Aber die Ausläufer der Hauptverkehrsadern Tokyos reichten sogar bis hierher. Jetzt war ihm richtig kalt und schnell schloss er die beschlagenen Scheiben. Er trollte sich ins Schlafzimmer und stahl eine der ordentlich zusammengelegten Bettdecken vom Boden. Darin wickelte er sich ein und ging wieder ins Wohnzimmer. Am Geruch erkannte er, dass er Yukkes Decke erwischt hatte und dies beruhigte ihn ein wenig. Aus Langeweile (und weil im Moment absolut nichts Interessantes im Fernsehen lief) öffnete er Yukkes Schränke. Im Wohnzimmerschrank befand sich nichts interessantes, nur ein paar Stofftiere, die er von seinen Fans bekommen hatte und Haushaltsgegenstände. Die meisten interessanteren Dinge waren sowieso offen in den Regalen platziert. Aber die dort befindlichen DVDs, Bücher und unzähligen Figürchen kannte Tatsurou schon allzu gut. Also suchte er weiter. Auch die Küchenschränke beförderten nichts Neues ans Licht, lediglich ein Packung Star Wars Cornflakes sah interessant aus. Eine große Müslischüssel (mit Sojamilch) später nahm Tatsurou sich das Schlafzimmer vor. Da ihm mittlerweile warm geworden war, warf er die Decke achtlos auf die Matratze am Boden. Jetzt nahm er sich den geschlossenen linken Teil des Einbauschranks vor. Die Schiebtür glitt auf und Roberto- chan, Yukkes Froschhandpuppe, die mittlerweile zu Muccs „Lovely Item“, ihrem Live- Markenzeichen, avanciert war, grinste ihm entgegen. Lächelnd nahm er die grasgrüne Puppe heraus. „Yukke- desu… Muccu .. sugoiiiii!“, quakte er und ahmte dabei Yukkes Stimme nach. „Yumeee no machiiii.. de, de, de…“Tatsurou lallte vor sich hin, dann fiel ihm etwas ins Auge. „Oi!“, sagte er zu dem Frosch. „Was haben wir denn da?“. Die Puppe sah ihn mit ihrem linken Auge an (das andere war von einer weißen Augenklappe verdeckt). Tatsurou hielt ein Videoband in der Hand. Es war mit „Sommer 1999“ beschriftet. Roberto- chan verschwand wieder im Schrankfach. Dann kramte er ein sauberes, aber vollkommen ausgeleiertes und ausgeblichenes Sweatshirt Yukkes hervor und zog sich an. Ein paar Tage zuvor hatte er an derselben Stelle gestanden und sich angekleidet. Nachdenklich strich er das Shirt glatt und fragte sich, warum Yukke da so seltsam reagiert hatte. An den leidenschaftlichen Kuss kurz zuvor erinnerte er sich noch zu gut. Warum also hatte er ihn dann abgewiesen? Hatte er Yukkes Verhalten vollkommen falsch interpretiert? Tatsurou hatte bis zu dem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, etwas anderes als Freundschaft wäre zwischen ihnen gewachsen. Etwas Tieferes. Schon seit längerem fühlte Tatsurou sich in seiner Nähe wohler, als bei jedem anderen. Und er hatte auch keinerlei Probleme damit, dass es Yukke war. Man musste eben nehmen was kommt. Er fühlte einen Stich im Herzen, als er daran dachte, wie der andere auf der Brücke schluchzend vor ihm auf den Knien lag. Zu dem Zeitpunkt hatte er auch gesagt, er würde ihn brauchen. „Warum sagt er so etwas und benimmt sich dann ganz anders?“, dachte Tatsurou ärgerlich. „Verdammt!“. Das Tape, welches beim Anziehen auf den Kopfkissen gelandet war und kaum sichtbar in eine Falte gerutscht war, verwaiste dort. Es war nämlich schon Mittag und es klingelte an der Tür. „Aniki!“, rief Tatsurou erfreut. Das breite Grinsen von seinem ältesten Bruder begrüßte ihn an der Tür. Er wohnte in Tokyo und arbeitete in einer Werbeagentur. „Hey Tat- chan, du bist ja gar nicht so krank, wie Yusuke- kun es mir am Telefon weiß gemacht hat. Ich dachte schon, ich muss dir Reissuppe kochen und Hustensaft einflößen. Ich hab sogar welchen dabei; du weißt schon, die Sorte die du als Kind so abgrundtief gehasst hast.“ „Mmh, na toll. Ich hoffe, du hast wenigstens auch was Richtiges zum Essen dabei.“ Brummte Tatsurou. Manchmal vergaß er wirklich, dass sein großer Bruder noch sarkastischer sein konnte als er selbst. „Selbstverständlich, aber vor allem habe ich auch einen ganzen Stapel DVDs dabei. Was magst du sehen: Action, Fantasy, Horror oder Lovecomedy?“ Strahlend zog er die Hüllen aus seiner Tasche und reichte sie Tatsurou. Der guten Laune des Älteren konnte man kaum entkommen und deshalb wählte Tatsurou blind einen Film aus. Zusammen fläzten sie sich vor die Glotze und aßen das Sushi und die frischen Takoyaki- Spieße vom Imbiss nebenan. „Wie geht’s meinem kleinen Rockstar so? Immer noch fleißig dabei, die Mädels im Publikum verrückt zu machen und Miya- kun auf der Nase herumzutanzen?“ Sein Bruder war der einzige, den Tatsurou kannte, der ihn „klein“ nannte. Und das auch nur, weil er 2 cm größer war als der Sänger. „So in etwa.“ Man merkte ihm an, dass Yukke nichts von den wahren Gründen erzählt hatte, warum Tatsurou nicht so lange allein bleiben sollte. Sicherlich hatte Yukke am Telefon seine Erkältung übertrieben, um die Wahrheit zu vertuschen. Tatsurou schwor, sich dafür inständig bei dem kleinen Bassisten zu bedanken. Seine Familie sollte nichts von seinen düsteren Geheimnissen erfahren. Nach drei Spielfilmen dämmerte es draußen schon und der Ältere kündigte seinen Abschied an. „Hoffentlich muss ich dich jetzt nicht ins Bett bringen. Früher hast du immer so ein Theater gemacht, wenn Mutter und Vater abends nicht da waren und wir unser kleines Nesthäkchen ins Bett zerren mussten.“ Lachend drückte er seinen kleinen Bruder fest an sich, bevor er mit diversen schwereren Gegenständen beworfen werden konnte. Schließlich packte er seine Sachen zusammen. „Sag mal, wieso bist du eigentlich in Yusuke- kuns Wohnung und nicht bei dir?“ fragte er, als er schon in der Wohnungstür stand. „Ach du kennst Yukke doch, manchmal ist er wie eine Glucke. Ich glaub ich war ihm zu krank, um allein zu Hause rumzuhängen.“ Ein wenig beschämt, dass er seinen eigenen Bruder anlügen musste fügte er noch rasch hinzu: „Außerdem ist es bei mir sowieso zu unordentlich, da hätte Yusuke nur die Krise gekriegt.“ „Damit hast du wohl Recht. Nun gut, sayonara kleiner Bruder, ruf mich bald mal wieder an.“ Die Tür klappte zu und nun war Tatsurou wieder allein in der kleinen Wohnung. Augenblicklich sank seine Stimmung. Der Besuch war lieb gemeint gewesen, aber er konnte nicht die ständige Anwesenheit seines Mitbewohners ersetzen. Tatsurou vermisste Yukke. Unzufrieden warf er sich auf die Sitzkissen. Der Versuch zu schlafen misslang komplett. Deprimiert schaute er an die Decke. Es war noch nicht ganz dunkel draußen, aber dafür regnete aber schon wieder. Nachdem Yukke an diesem Morgen die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Unruhig betrachtete er die geschlossene Tür. Dann fasste er sich ein Herz und riss sich los. Tatsurou würde das schon machen. Er musste ihm vertrauen. Miya war pünktlich wie immer und zusammen mit Satochi fuhren sie zum Bahnhof und stiegen in den Shinkansen nach Osaka. Der Hochgeschwindigkeitszug schaffte die mehr als 500km bis in die drittgrößte japanische Stadt in knapp 2 ½ Stunden. Deshalb hatten sie dank Miyas großzügiger Zeitplanung noch 3 Stunden zum Einchecken im Hotel und um etwas Essen zu gehen. Die Stimmung im Restaurant unter ihnen dreien war ruhig, aber nicht unbedingt bedrückt. Satochi war recht gut gelaunt, Miya still und konzentriert wie immer und Yukke nur etwas unkonzentriert. Auch später, bei dem Event in dem Laden- zu dem wirklich eine beachtliche Menge Fans gekommen waren- starrte er noch manchmal Löcher in die Luft. Satochi stieß ihm dann immer mit dem Ellenbogen in die Seite; schließlich wurden auch Fotos gemacht. Am frühen Abend, nach einigen Interviews, einer Autogrammstunde und einigen Plüschtieren von seinen Fans, saß Yukke im Hotelzimmer. Eigentlich wollte er gleich mit Miya im Hotelrestaurant essen gehen. Satochi war schon weg, er hatte schon vor ein paar Tagen gesagt, er wolle den Spätzug nehmen um am selben Tag nach Tokyo zurückzufahren. Für Miya und Yukke waren die Zimmer aber schon gebucht gewesen. Nun, jedenfalls würde Miya gleich anklopfen, um Yukke zum Essen abzuholen. Vorher musste der Bassist aber unbedingt zu Hause anrufen. Er fasste sich ein Herz und nahm den Telefonhörer ab. „Mochi- mochi“ hörte er Tatsurou nach ein paar Sekunden sagen. „Hi, ich bin’s.“ Erleichtert atmete Yukke auf. Er hatte sich ganz umsonst gesorgt. „Alles in Ordnung bei dir in Tokyo?“ „Kein Problem, mir geht’s gut.“ Tatsurou biss sich auf die Lippe, weil er schon zum zweiten Mal an diesem Tag lügen musste. Das gefiel ihm gar nicht. Aber er wollte nicht, dass Yukke sich Sorgen machte. „Was machst du grad?“ fragte er. „Ich steh grad an meinem Fenster sehe auf den Fluss hinab. Man hat hier echt einen tollen Blick auf die Stadt; sie haben uns fast unterm Dach einquartiert. Gleich wollte ich essen gehen.“ „Ich hab ein paar Filme gekuckt. Und mich ein bisschen mit Aniki unterhalten. Er ist grad erst vor ein paar Minuten gegangen. Ich nehme mal an, du hattest heute auch ein paar original Kansai- Takoyaki?“ Tatsurou wusste gar nicht genau, was er eigentlich redete, er war nur froh, heute doch noch mit Yukke reden zu können- „Sicher doch, heute Mittag-“ es klopfte an der Tür und dumpf konnte er Miyas Stimme hören, die seinen Namen rief. „Ich komm gleich, ich telefonier noch!“ rief Yukke aufgeregt in Richtung der Tür und deckte dabei die Sprechmuschel mit der Hand ab. „Ja, okay. Ich muss jetzt. Dann bis morgen.“ Sagte er ganz leise, denn er wollte nicht, dass Miya von draußen hörte, mit wem er telefonierte. Ein wenig verlegen fügte er noch „Gute Nacht, Rou- chan.“ hinzu und legte auf. Tatsurou wollte sich noch verabschieden, hörte aber schon das Tuten, bevor er einen Ton sagen konnte. Nach einer Minute legte er auf. Yukke würde kaum noch einmal anrufen. Schlurfend machte er sich auf den Weg vom Flur ins Schlafzimmer. In seine Decke gekuschelt versuchte er jetzt wirklich zu schlafen. Aber schon wieder misslang der bloße Versuch. Der Futon neben ihm war leer und erst jetzt fragte sich Tatsurou, wie er die letzten beiden Nächte vor der Glotze überhaupt schlafen konnte. Er rollte sich auf die andere Seite seines Futons, halb auf den von Yukke. Dort fiel ihm ein schwarzer Schatten am Kissen ins Auge. Es handelte sich um keinen Schatten, sondern um das alte Videoband aus Yukkes Schrank. Tatsurou drehte die Kassette in den Händen. Eigentlich wollte er sich nicht aus dem warmen Bett erheben. Allerdings interessierte es ihn schon brennend, was Yukke da aufgenommen und sorgsam im Schrank hinter seinem heißgeliebten Roberto- chan versteckt hielt. Langsam trottete er ins Wohnzimmer zurück und schob das Band in den alten Videorekorder. Am Anfang war nur Rauschen. Dann konnte man eine verwackelte Bühne sehen, bis sich das Bild stabilisierte. Der Ton war zwar nicht besonders berauschend, aber dann wurde es interessant: Man sah Tatsurou, wie er Yukkes allerersten Auftritt ankündigte. Yukke wirkte noch ziemlich schüchtern im Vergleich zu den aktuellen Aufnahmen und starrte mit seinen großen Augen in die Kamera. Dann begann er ein Solo zu spielen. Tatsurou lächelte, als er sich an diesen Tag erinnerte. Hinter der Bühne war der blonde Junge ziemlich aufgeregt gewesen. Er ließ sich kaum beruhigen und lief dauernd von einer Seite des Raums zu nächsten. Beinahe wäre er mit seinem Bass in der Hand über ein Kabel gestolpert. Glücklicherweise stand der Sänger in dem Moment direkt neben ihm und fing ihn auf. Daraufhin nahm im Tatsurou den Bass weg und setzte sich damit auf den Boden. Der Versuch, eine berühmte Bassline von einem alten Buck Tick Schinken zu spielen, misslang ihm aber vollkommen. Die absolut dilletantische Vorstellung und der ernste, bemühte Gesichtsausdruck- so hatte es ihm Yukke jedenfalls hinterher erklärt- verursachte bei Yukke einen unkontrollierbaren Lachanfall. Tatsurou gefiel es zwar nicht unbedingt, dass ihn der „Neue“ in der Band schon bei seinem Debüt auslachte, aber wenigstens wurde er so von seinem Lampenfieber abgelenkt. Zudem besaß der blutjunge Bassist eine so ansteckende Lache, dass Tatsurou einfach mitlachen musste. Und schließlich wurde der Auftritt genauso wie der Beitritt Yukkes zur Gruppe ein riesiger Erfolg. Das Band dauerte nicht lange. Tatsurou schaltete den Rekorder ab, entnahm die Kassette und legte sie wieder sorgsam zu Kaeru- chan. Sollte Yukke doch seine erste Ruhmestat immer wieder bewundern können. Ein paar Stunden wälzte sich Tatsurou im Bett hin und her und tat kein Auge zu. Die Aufnahmen, das Alleinsein, die regnerische Nacht und das Nicht- Schlafen- Können brachten mal wieder unruhige Gedanken. Wenn Tatsurou keinen Schlaf bekam, wurde er normalerweise erst sentimental und dann aggressiv. Heute traf keines davon zu. Stattdessen war er deprimiert und reflektierte die vergangen Tage. Angefangen mit dem Konzert in der Bucht, dem Rauswurf aus der Band und dem Drama auf der Brücke war seine Stimmung jetzt auf dem Nullpunkt gesunken. Jedoch erinnerte er sich auch an Yukkes liebvolle Fürsorge und Krankenpflege, die ihn wieder aus der gesamten Misere gerettet hatte. Was ihn den anderen noch schmerzlicher vermissen ließ. Gegen Morgen ging er ins Bad und trank einen Schluck Wasser. Auf dem Rückweg ins Schlafzimmer fiel ihm der Notizblock neben Yukkes Telefon auf. Mit einigen Zetteln und einem Bleistift bewaffnet legte er sich wieder hin und knipste die Nachtlampe an. Es wäre ihm in solchen Momenten zwar lieber, hätte er sein Songtextbuch bei sich, aber ein Zettel tat es jetzt auch. Manchmal half es ihm, alles aufzuschreiben, um schlafen zu können. Akatsuki Yami Sterbend schloss ich die Augen Mein ganzes Ich zurück geschickt Ich hatte vor, von der Vergangenheit und von den schlaflosen Nächten zu verschwinden Der bewölkte Himmel verstreut Regen Das gestrige Wetter war eine Lüge "Das Leben ist auch Schmerz", prügelt der Regen auf mich ein Wind, wehe einmal Wie bringe ich dieses Bild zu Fall? Eingeschlossen in meine Hülle will ich allein in die Tiefe des Meeres versinken Vergeblich versucht die Sorge mich zu warnen, nur dieses Lächeln kann mich retten Tief im dunklen Wald schließe ich mich in meinen Kokon ein Löse die Fäden, die Scharen von Gram Die Finsternis der Dämmerung bleibt stehen und diese Hand sucht nach der Wärme die sie vermisst Irgendwann wird das Schiffchen vom Bach fortgerissen Kehrst du irgendwann an diesen Ort zurück? Der Regen flüstert Morgen wird das Wetter schön Lyrics by Tatsurou Tatsurou war über dem Text eingeschlafen und lag mit dem Kopf auf dem Papier, als er am nächsten Tag erwachte. Gähnend schlich er ins Bad und nahm eine warme Dusche. Bis auf gelegentliche Hustanfälle ging es ihm soweit auch wieder gut. Jedoch neigte er gegen Ende einer Erkältung immer zu plötzlichen Fieberanfällen, deshalb war er vorsichtig und duschte nicht zu heiß. Er hatte versprochen wieder gesund zu werden. Während er sich noch die Haare trocknete, klingelte auch schon das Telefon. „Rou- chan, kannst du bitte schnell zum Shinseidou- Store kommen?“ Yukke war am Hörer und klang seltsam. „Wie bitte, ich dachte ihr macht das allein, ich bin doch quasi krankgeschrieben?“ sagte Tatsurou leicht empört und wie zur Bestätigung seiner Worte musste er stark husten. „Ja, aber ich hatte dir doch gesagt, dass es unbedingt 3 Leute sein müssen, sonst müssen wir Vertragsstrafe zahlen.“ „Und? Hat Miya etwa verpennt?“ Am anderen Ende der Leitung knackte es und jetzt war Miya am Apparat. „Tatsurou. Satochi ist heute Morgen nicht gekommen. Eigentlich müsste er schon längst wieder in der Stadt sein. Er wollte gestern Abend schon den Spätzug nehmen. Aber ich erreiche ihn weder über sein Mobiltelefon, noch geht er daheim ans Telefon. Ich bitte dich, komm hierher, bitte Tatsurou.“ In Miya beherrschtem Tonfall konnte Tatsurou deutlich Besorgnis hören. Er schluckte und fragte: „Welcher Shinseidou- Laden?“ „Shinjuku. Nimm am besten ein Taxi und sag dem Fahrer er soll sich beeilen, In 20 Minuten müssten wir eigentlich hier anfangen. Bis gleich.“ Damit legte er auf. Tatsurou schüttelte verwundert den Kopf, dann zog er sich schnell die letzten sauberen Klamotten, die Yukke aus seiner Wohnung geholt hatte, an. Um seine feuchten Haare zu bedecken wollte er noch eine von Yukkes Mützen anziehen. Er entschied sich aber gegen die gestrickte Bommelmütze mit den geflochtenen Bändern und setzte eine einfach schwarze Kappe auf. Der Taxifahrer schaffte es tatsächlich in weniger als einer halben Stunde durch die halbe Stadt. Somit mussten sie nur ein paar Minuten später mit der Veranstaltung anfangen und konnten noch komplett dasselbe Programm abziehen wie am vorigen Tag in Osaka. Mit dem Unterschied, dass Yukke keine Luftlöcher mehr entstehen ließ, sondern froh war, neben Tatsurou zu sitzen. Tatsurou sagte nicht viel, um seine Stimme zu schonen. Außerdem war eine Anspannung aus Miyas Richtung zu spüren, dessen Stimmung deutlich zwischen unterdrückter Wut und einer gewissen Sorge schwankte. Wo war nur Satochi? --- PS: Ich denke Yukkes Plüschfrosch heisst Roberto, es gibt da ein drollige jap. Version von "House of the Rising Sun", die aber bei Mucc "Roberto no Thema" heisst und meiner Meinung nach die Lebens- und Leidensgeschichte dieses Froschs erzählt XD PSS: Thanks to Wikipedia für die Infos über den Shinkansen und über Osaka^^ PSSS: Thanks to VegMac fürs betalesen PSSSS: Die 4 von Mucc sind ja alle sooooo lieb *_* Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8 Gegen 17 Uhr waren die letzten Fans mit Autogrammen bedient und auch alle Interviews geführt. Yukke und Miya fingen sogleich an herumzutelefonieren, um endlich herauszufinden wo denn Satochi sein könnte. Aber weder Boss- san (der Roadie, der immer alles organisierte), noch ihr Manager von der Plattenfirma oder Satochis Eltern konnten Auskunft über seinen Verbleib geben. Sie beschlossen, zunächst alle drei zur Wohnung des Drummers zu fahren um ihn dort zu suchen. Beim Concierge des Wohnkomplex‘ erbettelten sie den Ersatztürschlüssel. Miya dauerte das Warten auf den Aufzug allerdings zu lang. Deshalb riss er die Tür zum Treppenhaus neben den Fahrstühlen auf und rannte 2 Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf. Tatsächlich schaffte er es in den vierten Stock zu sprinten, bevor Yukke und Tatsurou (der wegen der Krankheit lieber nicht laufen wollte) mit dem Lift oben ankamen. Hastig öffnete er die Eingangstür auf und rief nach Satochi. Nur Stille antwortete ihm. Er durchsuchte jeden Winkel der Wohnung, fand aber weder den jungen Schlagzeuger noch Anhaltspunkte, wo er sein könnte. Mittlerweile waren auch der Sänger und der Bassist in dem Apartment angekommen. Helfen konnten sie jedoch auch nicht. Bedrückt wollte Miya die Wohnung schon wieder verlassen, um anderswo zu suchen, als ihm ein neues Foto an der riesigen Pinnwand im Flur auffiel. Es zeigte Satochi mit einem hübschen, lächelnden Mädchen im Arm. Sie standen vor einem Tempel und strahlten mit der Sonne um die Wette. Er nahm der Polaroid von der Wand. Hinten auf dem Bild stand in Satochis Handschrift „Midori- chan“. Stillschweigend betrachtete er das Photo, bis Yukke es ihm aus der Hand zog. „Hey, ist das nicht… ähm.. Tatsurou? Wie heißt die nochmal?“ Yukke sah erwartungsvoll in Tatsurous Richtung. Jener legte sein Kinn von hinten auf Yukkes Schulter und betrachtete stirnrunzelnd das Bild. „Noriko- chan? Die aus Shibuya?“ „Nein, mit der ist doch schon seit Ewigkeiten Schluss. Genau, das ist Midori- chan aus Kyoto, oder? Die aus der Sushibar neben dem Kyoto Muse. Ist schon ein Jahr her, aber ich glaub er hat sie vor ein paar Monaten einfach mal angerufen und, na ja. Weiß einer von euch ihren Nachnamen?“ Fragend sah Yukke seine beiden Freunde an. Tatsurou, dessen Kopf immer noch auf Yukkes Schulter lag, schüttelte den Kopf. Miya antwortete nicht, sondern nahm das Photo wieder an sich und steckte es ein. „Lasst uns nach Kyoto fahren.“ Sagte Miya. Zum Glück fuhren Sonntagabend nicht besonders viele Leute auf der Strecke von Tokyo nach Kyoto, sodass sie noch Sitzplätze im Shinkansen bekamen. In der alten Kaiserstadt angekommen, ließen sie den Taxifahrer mit 120 Sachen durch die Innenstadt hetzen. Vor der Halle mussten sie sich unerkannt durch eine Menschenmenge schleichen, um die Sushibar zu erreichen. Das Kyoto Muse war ein beliebte Konzerthalle und an diesem Sonntagabend trat wieder eine bekanntere Rockband auf. Miya zog das Foto von Satochi und Midori- chan aus seiner Tasche und hielt nach ihr Ausschau. Tatsurou war es, der sie als erstes entdeckte. Sie bediente gerade einen Gast an einem Tisch weiter hinten in dem Restaurant. „Midori- san?“ Tat- chan brüllte durch den gesamten Laden. Alle Gäste sahen auf. Erschrocken hastete das Mädchen zu den drei Männern und zog sie in die Küche. „Tatsurou- san? Schrei hier nicht so rum, draußen sind jede Menge Visual Kei- Fangirlies, wollt ihr einen Aufstand verursachen?“ Yukke verbeugte sich fieberhaft und entschuldigte sich ihr und dem Koch gegenüber, der sie alle schon misstrauisch beäugte. „Entschuldigung, Entschuldigung. Midori- san, weißt du wo Satochi sein könnte? Er ist nicht zur Arbeit erscheinen und meldet sich nicht am Telefon und zu Hause ist er auch nicht!“ Midoris Gesichtsausdruck nahm eine hochrote Farbe: „ Dieser Vollidiot kann mir gestohlen bleiben! Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben!“ „Also hast du ihn gesehen?“ fragte Yukke aufgeregt. „Natürlich habe ich ihn gesehen!“, sagte sie und feuerte ihr Tablett auf die Theke. Der Koch öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, aber sie funkelte ihn böse an und wandte sich wieder an die drei. Die Arme in die Seiten gestützt fuhr sie fort: „Wir wollten noch einen romantischen Sonnenuntergang anschauen und sind zum Biwa- See Nationalpark gefahren. Aber er hat die Karte falsch gelesen, dieser Trottel, und mir dann Vorwürfe gemacht, ich hätte den ganzen Abend verdorben! Und dann hat er auch noch am Telefon gesagt, er würde schon längst in Tokyo sein! Als ob ich gar nicht da wäre! Er hat mich sowas von irre gemacht, da hab ich ihn an einem Waldweg rausgeworfen. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss jetzt weiterarbeiten!“ Sie nahm ein volles Tablett und versuchte zu gehen. Miya hielt sie am Arm zurück. „Du hast ihn im Dunklen einfach mitten im Wald stehen lassen?“ Entgeistert starrten Tatsurou, Yukke und Miya sie an. „Ach, der findet sich schon zurecht, er ist doch ein Mann und kein Schulmädchen! Bestimmt sitzt er in dem kleinen Ryokan, dass ich da ganz in der Nähe gesehen hab und trinkt einen Sake nach dem anderen!“ Die Frau riss sich los und ging wieder ihrer Arbeit nach. „Satochi. Alleine im Wald. Im Dunkeln. Schon seit gestern Nacht. Und das bei seinem grottenschlechten Orientierungsinn!“ Tatsurou schüttelte den Kopf. „Oh Mann. Bestimmt wurde er schon von Bären gefressen oder ist in den See geplumpst!“ Yukkes Galgenhumor brachte ihm einen bösen Blick von Miya ein, welcher geschäftig sein Mobiltelefon hervorzog und sich die Nummer der Parkverwaltung geben ließ. Er telefonierte kurz, dann zog er die beiden andere wieder aus der Bar und winkte ein Taxi heran. „Hast du was erreicht? Und wieso rufst du nicht die Polizei an? “ fragte Yukke. Miya antwortete ihm nichts und wies stattdessen den Fahrer an, zum Nationalpark zu fahren Daraufhin wandte er sich zu Tatsurou und Yukke, die auf dem auf dem Rücksitz saßen, um. „Erstens werden Vermisste erst nach 24 Stunden gesucht, das wisst ihr doch selber aus dem Fernsehen. Außerdem kennen sich die Ranger viel besser in ihrem eigenen Park aus, als die Polizei, die müssen dort schließlich öfters verloren gegangene Vollidioten suchen. Sie haben mir gesagt, wir sollen rauf fahren und können dort bei der Suche mithelfen. Die Polizei wird bis morgen auch die Anzeige angenommen haben und bei der Suche helfen- wenn er bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist. Habt ihr verstanden? Wir müssen ihn einfach suchen gehen!“ Das alles sprudelte ohne Luft zu holen aus Miya heraus. Der Gitarrist atmete tief durch und drehte sich wieder um. Erstaunt sahen Tatsurou und Yukke sich auf der Rückbank an. Natürlich war ihnen klar, wie ernst die Lage sein könnte. Aber das Miya sich so aufregen würde, hätte keiner von ihnen angenommen. Im Gebäude der Parkverwaltung, das zugleich auch Besucherzentrum und Zentrale der Parkranger war, wurde ihnen gesagt, dass es zu spät und zu dunkel sei, um jetzt noch einen Suchtrupp loszuschicken. Kein Wunder, sie waren ja schon am Nachmittag aus Tokyo losgefahren und erst gegen achtzehn Uhr in Kyoto angekommen. Und die lange und recht teure Taxifahrt bis zu dem riesigen See, hatte ebenfalls Zeit gekostet. Es war schon fast nach neun Uhr abends. Eine freundliche Mitarbeiterin im Büro der Parkranger brachte ihnen Kaffee und etwas Essen, damit sie wenigstens nicht auf der versifften Ledersitzgruppe im Eingangsbereich des Besucherzentrums verhungern mussten. Keiner von ihnen rührte einen Bissen an, den Kaffee tranken sie jedoch dankbar. Die bittere Flüssigkeit wärmte ein bisschen. Vom See stieg kalter, feuchter Nebel auf, der in jede Ritze des heruntergekommenen Gebäudes kroch und Miya schaudern ließ. „Und er irrt jetzt ganz allein da durch den Wald- schon die zweite Nacht! Was wenn er sich verletzt hat und sich nicht bewegen kann, wie sollen wir ihn dann finden? Und morgen soll sich zudem noch das Wetter verschlechtern, verdammte Scheiße aber auch, was muss er sich so eine cholerische, unverantwortungsbewusste, hundsgemeine Frau anlachen?!“ Yukke schaute besorgt zu, wie der kleine Leader unruhig hin und herlief und vor sich her murmelte. Alle paar Minuten spähte er in die Tür des Büros hinein, bis ein entnervter Ranger die Tür zuknallte und nur noch ein Lichtstreifen am Boden auf Aktivität in dem Zimmer hinwies. Natürlich waren alle Dienststellen alarmiert worden und das Lokalradio gab seine Personenbeschreibung und das Gebiet in dem er sich wahrscheinlich befand, alle halbe Stunde durch. Mehr konnte man jetzt einfach nicht tun. Genau dies sagte Tatsurou jetzt auch so leise zu Yukke, dass Miya ihn nicht hören konnte. Müde rollte er sich auf dem Sofa zusammen. Er lag auf dem Rücken, sein Kopf neben Yukkes Bein, den Körper in einer ganz und gar unbequemen Pose zusammengefaltet. Dabei schaute er hoch und Yukke dabei an. „Na komm schon her.“ Knurrte Yukke und wandte sich ein wenig beschämt ab. Er war zwar immer noch der Meinung, Tatsurou hätte ihn vor ein paar Tagen mit dem Kuss gründlich verarscht. Aber mit anzusehen, wie sich der schlacksige Kerl- fast wie ein Klappmesser- auf der halben Couch zusammenklappte, ging über seine Standhaftigkeit hinaus. Zufrieden legte Tatsurou seinen Kopf auf Yukkes Beine und schloss die Augen. Er lag jetzt wesentlich bequemer und schlief augenblicklich ein. Eigentlich war er noch nicht richtig gesund. Trotzdem hatte er sich, vorhin bei dem aufgeregten Gespräch mit dem Chef der Parkranger, sofort für den ersten Suchtrupp am nächsten Morgen eingetragen. Yukke nahm sich vor, noch mehr als sonst auf ihn Acht zu geben. Wenn er einen Rückfall bekommen würde, konnte er seine Stimme vielleicht nicht rechtzeitig bis zum nächsten Konzert auskurieren. Das war zwar erst in gut zwei Monaten, aber eine Atemwegserkrankung zog sich manchmal sehr lange hin. Sie konnten kein Risiko eingehen, wenn sie mit der Band einen Neuanfang durchziehen wollten. Am nächsten Tag zogen sie im Morgengrauen zusammen mit einigen Rangern und eine paar Polizisten mit Suchhunden los. Als Ausgangspunkt nahmen sie das Ryokan, welches Midori- chan beschrieben hatte. Sie wurden in Zweiergruppen aufgeteilt und sollten immer in Rufweite zu den anderen bleiben. Tatsurou zog natürlich mit Yukke los, während sich Miya an den ranghöchsten Parkaufseher hielt, um immer auf dem neusten Stand sein zu können. Stundenlang durchsuchten sie aufmerksam das Unterholz. Wenn dem Drummer etwas passiert sein sollte, musste jeder Quadratmeter konzentriert durchkämmt werden, ein Bewusstloser konnte schließlich überall liegen. „Ich brauch ne Pause.“ Schnaufte Tatsurou und setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm. Die Unterarme stützte er auf seinen Beinen ab und den Kopf ließ er hängen. Sein angestrengtes Keuchen hörte sich besorgniserregend an. Yukke berührte seine Stirn mit dem Handrücken. Das Haar klebte an der verschwitzten Haut und seine Temperatur war erhöht. Der Bassist befand die Suche für Tatsurou heute für beendet und rief Miya das auch zu. Tatsurou öffnete schon den Mund zum Protest, aber Yukke hielt ihm die Klappe zu, um Miyas Antwort verstehen zu können. Jener nickte anerkennend zu Tatsurou und fragte seinen Begleiter nach dem schnellsten Weg zurück zum Verwaltungszentrum. Mit einer Karte und einem Kompass ausgestattet wanderten die beiden jetzt bis zum Hauptgebäude zurück. Nach etwa zwei Kilometern trafen sie auf einen Bergbach der in den See mündete. Sehr viele Flüsse und Bäche flossen in den Biwa- See, der nicht umsonst Japans größter Süßwasserspeicher darstellte. „Wow!“, rief Tatsurou begeistert, „Yu- kun, siehst du das?“. Die Sonne hing schon tief und ließ das Seewasser und den sprudelnden Bach in tausenden Facetten glitzern. Aus den Baumkronen stiegen Nebelschwaden empor und legten sich wie Seidenschleier auf die teilweise bunt gefärbten Blätter der Bäume. Trotz ihrer beständigen Sorge um ihren Schlagzeuger, konnten sie sich als Stadtmenschen diesem Anblick nicht entziehen. „Da haben wir Satos und Midori- chans romantischen Sonnenuntergang.“ Stellte Yukke fest und trat an den anderen heran. „Wir müssen über das Wasser, dahinten sind ein paar große Steine, da kommen wir trocken- hey!“ Tatsurou war schon dabei, sich Schuhe und Strümpfe auszuziehen und krempelte sich nun die Hosenbeine hoch. Kurz entschlossen stapfte er ins eiskalte Wasser. Genau in der Mitte blieb er vor einem großen Findling stehen und blickte auf seine Füße. Bis zu den Knöcheln reichte das Wasser an dieser flachen Stelle und man konnte die bunten, rund geschliffenen Kiesel am Grund gut erkennen. „Hey du mit den Stocherbeinen, komm wieder raus! Tat- chan, du bist doch schon krank!“ „Ja, du mit den schiefen Zähnen, aber meine Füße tun auch höllisch weh!“ antwortete Tatsurou lachend. „Komm her, das ist einfach wunderbar!“ „Nein, du kommst jetzt sofort da raus.“ „Hol mich doch!“ rief Tatsurou frech zurück und setzte sich auf den von der Sonne gewärmten Stein. Jetzt baumelten nur noch seine Zehen im Flusswasser. „Nichts als Ärger hat man mit dir!“ schimpfte Yukke vor sich hin und zog auf einem Bein hüpfend seine blauen Totoro- Socken aus. Er watete vorsichtig in den Bach. „Bitte komm jetzt.“ In Yukkes Stimme war echte Sorge zu hören. Tatsurou sah ihn an, betrachtete die in der Sonne glänzenden, blonden Haare und hielt ihm seine Hand hin. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Hilf mir hinunter!“ Er ergriff die Hand des Größeren und zog ihn hinab. Obwohl Tatsurou jetzt sicher neben ihm stand, ließ jener Yukkes Hand nicht los. Stattdessen drehte er seine eigene Hand ein wenig, sodass ihre Finger sich ineinander verschränken konnten. Die Fingerspitzen des Sängers waren kühl, er hatte kurz vorher auch seine Hände in den Bach getaucht. Der Rest von Tatsurous Hand, die eleganten Finger und der schmale Handrücken waren jedoch warm. Mit dem Daumen strich sanft er über die rauen, hervorstehenden Knöchel der Finger und über das Handgelenk. Yukke erschauerte innerlich. Diese kleine Geste bedeutete mehr für ihn, als Tatsurou ahnen konnte. Sie kam ihm wahrhaftiger und ehrlicher vor, als alles, was der andere zuvor getan hatte. Langsam und vorsichtig kroch wieder der Gedanke aus dem Unterbewusstsein des Bassisten, dass er für Tatsurou vielleicht doch mehr war, als nur sein bester Freund. „Yusuke. Warum warst du die letzten Tage so komisch? Du weißt schon, seit diesem einen Tag an dem du... und an dem ich...“ Tatsurou fragte frei heraus, wie es eben seine Art war. Mit wachen Augen schaute er ihn an. „Ach, musst du auch immer so blöde Scherze machen… ich find so was gar nicht komisch.“ „Scherze?“, Tatsurou hob eine Augenbraue, „Glaubst du wirklich ich würde solche „Scherze“ auch mit Miya oder Sato machen?“. Yukke drehte den Kopf weg und Tatsurou spürte, wie er sich verkrampfte. „Irgendwie schon.“ Antwortete er und drückte unbewusst Tatsurous Hand fester. „Du bist doch immer so… schamlos.“ Halb empört, halb belustigt stützte Tatsurou seine Hand mit den schmutzigen Schuhen auf der Hüfte ab und tadelte Yukke oberlehrerhaft. „Erstens bin ich nicht schamlos. Außerdem hat Sato ja fast immer ein Mädchen an der Angel. Ich will ihm doch sein Liebesglück nicht noch schneller zerstören, als er es sonst immer schon von alleine schafft, indem er sich in mich verliebt, weil ich ihn so unwiderstehlich geküsst habe.“ „Hey, so unwiderstehlich bist du nun auch nicht, arroganter Fatzke!“ brüskierte sich Yukke. Tatsurou grinste frech zurück und fuhr fort. „Und was Miya angeht… für ihn gilt in gewisser Weise das gleiche. Nein, nein reg dich wieder ab.“ Sagte er schnell und hob abwehrend die Hand mit den baumelnden Turnschuhen, als Yukke ihn schon wieder anschnaufte. „Ich bin nur der Meinung, dass er irgendjemanden schon in seinem Herzen hat, es aber nicht herauslässt, weil er eben Miya ist. Er ist einfach zu verbohrt. Stell dir mal vor, er würde in einem Büro sitzen, statt Musik zu machen. Der wär doch schon längst halb wahnsinnig geworden.“ Das verblüffte Yukke nun doch. Er war erstaunt, wie gut Tatsurou seine Freunde doch durchschaut hatte. Da stellte sich ihm zwangsläufig die Frage, wie gut er selbst durchschaut worden war. Plötzlich wurde seine Hand losgelassen. Ein kalter Stich bohrte sich in Yukkes Herz, wurde aber sofort von einem harten Herzklopfen abgelöst. Die verloren gegangene Hand lag jetzt auf seiner rechten Wange und Tatsurous Gesicht war ganz nah an dem seinigen. „Ich würde bei so etwas niemals scherzen. Glaubst du mir nicht? Ich küsse niemanden, den ich nicht liebe.“ Zitternd starrte Yukke ihn an. Daraufhin ließ er seine eigenen Schuhe ins Wasser fallen und umarmte den großen Sänger. Schluchzend vergrub er sein Gesicht an Tatsurous Hals um dann seinen Kopf wieder anzuheben und ihn mit unterdrückten Tränen in den Augen zu küssen. Die vergessenen Schuhe trieben vom Bach aus in die große, glänzende Fläche des Sees und versanken mit einem leichten Glucksen im rot angestrahlten, leuchtenden Wasser. Der letzte Septembertag hatte mit dem wunderschönen Abendrot am Tag zuvor, schon einen Hinweis auf schlechtes Wetter heute gegeben. Und wie der Wetterdienst ebenfalls vorhergesagt hatte, schüttete es wie aus Kübeln. September war eben immer noch Haupttaifunzeit in Japan. Nach ein paar Stunden am frühen Vormittag unterbrachen die Helfer die Suche nach Satochi. Die Gefahr, in einen Erdrutsch zu gelangen oder schlicht und einfach auf dem glitschigen Waldboden auszurutschen, war einfach zu groß. Außerdem war die Sicht durch den andauernden Regen so stark verschlechtert, dass sie 2 Meter an dem Drummer hätten vorbeigehen können, ohne ihn zu sehen. Nur sehr widerwillig fuhren Miya, Yukke und Tatsurou mit dem Jeep wieder in das Hauptquartier zurück. Alle drei waren durchnässt und verdreckt. Sie bekamen Touristen T-Shirts mit einem See vorne und einem ziemlich hässlichen Werbeschriftzug der „Biwa- See. Für jung und alt ein Erlebnis“ lautete, zum Umziehen. Miya weigerte sich, solch ein fürchterliches Shirt anzuziehen und schlug stattdessen vor, den Kamin in der Eingangshalle anzuzünden, der normalerweise nur zur Dekoration diente. Trotzdem war er voll funktionstüchtig und das Prasseln des recht feuchten Holzes konkurrierte bald schon mit dem des Regens draußen. Das hatte durchaus auch praktische Gründe, denn trockene Hosen ließen sich nicht auftreiben. Yukkes geliehene Gummistiefel Tatsurous Turnschuhe und Miyas schwarze Sneakers trockneten derweil direkt am Feuer. Tatsurou schlief wieder auf Yukkes Schoß ein. Yukke deckte ihn mit seiner schon fast trockenen Jacke zu, strich trotz allem glücklich über seine Wange und blickte zu Miya auf. Sein Lächeln verblasste. Im flackernden Licht des Feuerscheins wirkte Miyas düstere Miene noch gefährlicher, als sonst in letzter Zeit oft der Fall gewesen war. Ihm passte die Zwangspause überhaupt nicht. Wenn er nicht von Natur aus ein vernünftiger Mensch gewesen wäre, würde er schon längst wieder mit Regenmantel, Südwester und einer starken Taschenlampe bewaffnet im strömenden Regen unterwegs sein und nach Satochi rufen. Yukke bestellte nachmittags Pizza für sie alle, die kalt und ein bisschen feucht eine Stunde später geliefert wurde. Aber sie schmeckte noch. Tatsurou und er stürzten sich mit Heißhunger auf die Kartons, während Miyas sein Essen kaum ansah. Immer noch starrte er ins Feuer. Der Tag wurde alt und wieder begann eine Nacht, in der Satochi nicht wieder aufgetaucht war. ----------- PS: Endlich hats einer gesagt *_* PSS: Den See gibt’s wirklich, er ist das große Loch auf der Karte von Japan, nördlich von Kyoto gelegen.. Der Park drum rum ist Grundwasserschutzgebiet und quasi ein Nationalpark. Das mit den Rangern und so hab ich ein bissel aus den ganzen amerikanischen Filmen abgekupfert XD PSSS: Danke, danke an VegMac fürs mitten in der Nacht mittippen^^. PSSSS: Ein Südwester ist ein Regenhut, den man oft auf Schiffen trägt. Es läuft einem weder Wasser ins Gesicht, noch in den Nacken, weil die Krempe so groß ist. Dummerweise sieht er ziemlich dämlich aus. Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Kapitel 9 Die Tür des Verwaltungsbüros wurde aufgerissen. Es war knapp 6 Uhr morgens am ersten Oktober im Jahre 2003. Tatsurou und Miya sprangen beide auf. Yukke stand im Türrahmen und brüllte: „Sie haben ihn gefunden!“ Während der Sänger sich müde auf die abgenutzte, braune Couch zurückfallen ließ und erleichtert die Augen schloss, wollte Miya schon zur Eingangstür heraus rennen, als Yukke ihn am Kragen zurückhielt: „In einer halben Stunde bringen sie ihn mit einem Wagen her. Erst wollte ihn der Notarzt sich ansehen, aber sie sagten mir, er müsste wohl nicht ins Krankenhaus.“ Miya blieb stehen. Seine Knie begannen zu zittern und Yukke konnte ihn gerade noch festhalten, bevor er zusammenklappte. Jetzt stand Tatsurou wieder schnell auf und half Yukke, den vollkommen erschöpften Leader auf die Polster zu legen. „Verdammt, ich glaube er hat die letzten Tage überhaupt nicht geschlafen. Und ich hab ihn auch nichts essen sehen.“ Yukke zog seine Jacke von der Sofalehne und deckte Miya damit zu. Dessen Augenlider flatterten noch kurz, dann wurden seine Atemzüge tiefer und er war fest eingeschlafen. „Wir hätten uns besser um ihn kümmern müssen.“ Ein wenig beschämt schaute der Bassist Tatsurou an, welcher seinerseits den Kopf hängen ließ. „Er hat es nicht leicht. “ Satochi humpelte mit verbundenem Fuß aus dem Auto auf Miya zu, der an der Tür stand und jetzt auf ihn zukam. Es hatte nicht eine halbe Stunde, sondern fast zwei Stunden gedauert, bis sie den Mann über die schlammigen Waldwege hierher befördern konnten. Das Auto war trotz Allradantrieb ein paar Mal im Morast stecken geblieben und konnte erst mit kräftigem Schieben befreit werden. In der Zeit war auch Miya aus seinem kurzen Schlaf erwacht und hatte unter dem Vordach an der Eingangstür auf sein Eintreffen gewartet. Yukke und Tatsurou waren noch im Gebäude; Yukkes Gluckenhaftigkeit hatte den Sänger schon vor einer Stunde ins Warme zurück befohlen. Zwischenzeitlich schaute der Bassist aus der Tür hinaus und hielt Ausschau nach dem Wagen. Jetzt aber stand Miya alleine vor Satochi. Bevor jener irgendetwas sagen konnte, fuhr ihn der kleinere Mann auch schon an: „Wo zur Hölle warst du? Ich dachte du sitzt im Spätzug nach Tokyo!“ „War ich ja auch…“sagte Satochi leicht beschämt, „aber ich bin dann in Kyoto ausgestiegen, um Midori- chan zu besuchen. Und sie wollte dann am See hier den Sonnenuntergang anschauen.“ Bevor der Leader ihm wieder Vernachlässigung seiner Pflichten ankreiden konnte, fügte er schnell noch etwas hinzu: „Ich wollte dann am nächsten Morgen auch wieder weg.“ „Ach, und du hattest dann ganz plötzlich wohl noch Lust auf ein kleines Survivaltraining im Grünen?“ zischte Miya. „Na ja“, Satochi lachte unbeholfen und kratze sich am Hinterkopf „wir haben uns dann ein bisschen gestritten, weil sie sich verfahren hatte und ich deswegen was gesagt hab. Und dann hast du währenddessen angerufen und ich hab dir nichts von ihr erzählt und da ist sie noch wütender geworden und hat mein Handy während der Fahrt aus dem Fenster geworfen. Sie hat halt ihre Launen, hahaha... Und dann hat sie mich rausgeworfen und ich hab mir dann auf der Suche nach dem Handy den Fuß verstaucht und ’nen Weg durch den Wald gesucht und na ja…“ Wieder lachte er und versuchte die ganze Situation zu verharmlosen. Mit voller Wucht traf ihn Miyas Faust ins Gesicht. Vollkommen verdattert starrte der am Boden liegende Mann zu dem vor Wut kochenden Gitarristen hinauf und berührte fassungslos seine anschwellende Wange. „Was- was, Miya- kun???“ „Wie kannst du es wagen, mit so einer beschissenen Erklärung hier anzukommen?“ Miya war fassungslos über soviel Dummheit. Zornig rannte er weg. Die beiden im Inneren des Gebäudes hatten Geräusche gehört und kamen jetzt zur Tür hinaus. Freudig hielten sie Ausschau nach Satochi und fanden ihn hinter der Mauer versteckt, die das Grundstück einzäunte, auf der dem durchnässten Rasen liegend. „Bist du ausgerutscht?“ fragte Yukke und glubschte ihn an. „Nein.“ Antwortete der Drummer, während er sich von Tatsurou auf die Beine helfen ließ. „Miya- kun hat mich niedergeschlagen!“ Tatsurou und Yukke schauten ihn nur mit großen Augen an. Nach einer Minute bestürztem Anstarrens wagte es Yukke nach der Ursache zu fragen. Satochi konnte nicht antworten. Er rieb sich das Gesicht und wandte sich von den beiden ab. Warum hat Miya das bloß getan? Eigentlich müsste der doch froh darüber sein, dass er wieder da war. Und ihm nicht mit der faust ins Gesicht schlagen! Sicher, der Gitarrist hatte in der letzten Zeit, seit ihren Verhandlungen für den Wechsel zum Major Label Danger Crue, einiges durchmachen müssen. Mit der steigenden Popularität der Band stieg auch der Druck auf ihren Leader und Hauptsongwriter extrem an. Satochi hatte immer das Gefühl gehabt, Yukke und Tatsurou würden das Ganze zu leicht nehmen. Tatsurou sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die er von den Fans, den Journalisten und dem Fernsehen bekam. Yukke tat das ebenfalls, auch wenn er dadurch nicht so abhob wie Tatsurou. Aber der Bassist genoss es sichtlich, dass die lautesten Fangirlies immer nur seinen Namen riefen. Keiner von den beiden hatte gesehen, wie tief Miyas Stirnfalten, wie dunkel seine Augenringe und wie angestrengt seine Bewegungen wurden. Als Schlagzeuger hatte er eine gute Position, um seine Freunde zu beobachten, dies war jenen da vorn am Bühnenrand gar nicht bewusst! Von dort konnte er sehen, wie angespannt Miya seit langem war. Und die Sache mit Tatsurou hatte sie alle zusätzlich stark belastet. Das erklärte aber immer noch nicht den Faustschlag! Der Drummer überlegte weiter: „Liegt es an mir? Weil ich Miya angelogen hab, als ich mit ihm telefonierte? Er hasst es, wenn man lügt. Und ganz besonders, wenn es etwas mit meinen Freundinnen zu tun hat.“ Nicht, dass es ihm etwas nutzte, wenn er wegen ihnen log. Er konnte seine Beziehungen sowieso kaum lange aufrechterhalten. Immer musste er arbeiten, war auf Tournee, mit der Band im Studio oder anderweitig beschäftigt. Die durchweg selbstbewussten, jungen Frauen hielten es deswegen nie lang mit ihm aus und ließen ihn sitzen. Nur einmal in seinem Leben hatte er selbst jemanden verlassen. Aber das war eine schmerzliche Erfahrung, die er zu vergessen suchte und hatte ganz andere Gründe. Damals musste er einen Schlussstrich ziehen, um nicht ihre ganze Zukunft zu zerstören. Kopfschüttelnd setzte er sich neben Yukke und Tatsurou auf die Couch und ließ sich mit kalter Pizza und brühend heißem Kaffee füttern. Er verstand Miya einfach nicht mehr. „Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße.“ Miya hockte im Wald, an einen Baum gelehnt auf seinen Fersen und versuchte, sich mit Daumen und Zeigefinger die aufkommenden Tränen aus den Augenwinkeln wegzuwischen. Nachdem sie Satochi gut versorgt befanden, beschlossen Yukke und Tatsurou, nun nach Miya zu suchen, damit sie endlich wieder nach Hause fahren konnten. Mitten auf einer Lichtung blieb Tatsurou stehen und drehte sich um die eigene Achse. Mit der Hand beschattete er seine Augen, die von der Morgensonne geblendet wurden. Hinter einem großen Ahornbaum sah er eine flüchtige Bewegung. Leise schlich er sich heran und beugte sich herab, um über Miyas schwarze Haare mit den blonden Spitzen im Nacken zu strubbeln. „Tatsurou!“ Erschrocken sah er auf, ließ aber gleich darauf den Kopf wieder hängen. „Warum? Warum tut ihr mir das an?“ Eigentlich sprach Miya nur mit sich selbst. Aber trotzdem fand Tatsurou keine Antwort auf diese Frage. Er fragte sich, warum Miya meinte, IHM würde etwas angetan werden. Immerhin hatte er doch Satochi geschlagen. Tatsurou spürte jedoch, dass Miya noch etwas anderes meinte; etwas das er nicht von dem Gitarristen wusste. Verwirrt schaute Tatsurou aus der Wäsche, dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck und er lächelte einfach. Weit streckte er die Arme von sich, Miya entgegen. „Glaubst du, damit ist jetzt alles wieder gut?“, fragte jener verstört. Tatsurou legte den Kopf schief wie ein Kind und überlegte. Ein bisschen runzelte er dabei seine Stirn, dann nickte er übermütig und strahlte Miya an. Diese so typische Tatsu- Geste ließ den Gitarristen unfreiwillig schmunzeln, was er jedoch nicht ganz mit seiner aktuellen Stimmung vereinbaren konnte. Irgendwie fing er schon wieder an, gleichzeitig zu weinen und zu lachen. Sein Körper sackte noch weiter in sich zusammen, er wirkte wie ein Häufchen Elend. Der Sänger konnte das nicht mehr mit ansehen. Er kniete sich vor Miya in den schlammigen Waldboden. Daraufhin beugte er sich vor, um den kleinen Mann freundschaftlich in seine langen Arme zu schließen. Miya wehrte sich nur kurz, dann lehnte er seinen Kopf an Tatsurous Schulter. „Miya- kun, du stinkst.“ Stichelte Tatsurou, nachdem sich Miya an seiner Schulter ausgeschnieft hatte und fuhr fort: „Ich glaube, du brauchst Urlaub. Einen langen sogar. Und frische Klamotten.“ Der kleinere Mann nickte und unternahm einen Versuch sich aufzurichten. Seine Beine waren eingeschlafen. Insgeheim schnüffelte Miya dabei an seinem Shirt und rümpfte die Nase. Tatsurou grinste ihn an und zog ihn hoch. Dann legte er ihm einen Arm um die Schultern und sie gingen zurück zum Besucherzentrum. Auf dem Weg über die sonnendurchfluteten Waldwege rief er Yukke auf dem Handy an. Er sagte ihm Bescheid, dass er allein mit Miya wieder nach Tokyo fahren würde. Sie würden sich dann am Nachmittag in Yukkes Wohnung treffen. Es war in seinen Augen keine gute Idee, wenn sich Miya und Satochi jetzt in einem Auto und im Zug stundenlang anstarren müssten. Als Yukke aufgelegt hatte, strich Tatsurou mit einem heimlichen Lächeln über sein Telefon, bevor er es in seine Jackentasche schob. Auf dem Rückweg im Taxi schlief Miya beinahe augenblicklich ein. Tatsurou konnte ihm vom Rücksitz aus schnarchen hören. Am Bahnhof erwischte er gerade noch einen Zug in die Hauptstadt. Schnell zerrte er Miya durch die Tür und kaufte für sie beide Tickets beim Schaffner. Miya schlief schon wieder, mit dem Kopf gegen das Zugfenster gelehnt, die Landschaft zischte an ihnen vorbei. Gelangweilt spielte der große Sänger Tetris auf dem Handy, als eine SMS ankam. „Wo bist du gerade? Ich sitz im 11 Uhr Zug nach Tokyo und bestell gerade ein Bento im Speisewagen.“ schrieb Yukke. „Hey, wie cool, ich bin drei Wagen weiter. Ich komm gleich mal rüber.“ Der Sänger vergewisserte sich schnell, dass Miya noch schlief. Hastig eilte er der Beschilderung folgend zum Speisewagen, wo ihn ein lächelnder Yukke mit einem frischen, zweiten Bento empfing. Hungrig schlang er den Reis mit dem Fisch und den kleinen Würstchen in Tintenfischform hinunter. „Lecker! Wo hast du Satochi gelassen?“ sagte Tatsurou zufrieden, gesättigt und klatschte sich auf den Bauch. „Der liegt in seinem Sitz, mit der Stirn an die Scheibe geklatscht und schnarcht.“ Scherzte Yukke und beendete ebenfalls sein Essen, indem er seine Essstäbchen ordentlich rechts in die Schale legte. Wieder einmal hatte es Tatsurou geschafft, in absoluter Lichtgeschwindigkeit sein Essen zu vertilgen, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. „Miya macht gerade genau dasselbe. Die beiden sind Idioten.“ „Genau wie wir. Wir sind alle Idioten. Komm mit Tatsurou.“ Yukke bezahlte das Essen, nahm Tatsurou bei der Hand und brachte den anderen in ein leeres Abteil. „Schau mal.“ Er öffnete seine Hand und ein glänzender, schwarzer Stein mit weißen Linien lag darin. „Den hab ich aus dem Bach gestern. Als Erinnerung. Und als Glücksbringer.“ Yukke schaute auf und sah wie Tatsurou sich freute. Der Zug wurde langsamer und bremste plötzlich ab. Tatsurou stolperte und fiel gegen Yukke. Die Ansagerin kündigte mit freundlicher Stimme den nächsten Halt in Shizuoka an. „Lass mich los, hier kommen gleich Leute vorbei…“ flüsterte Yukke, der sich selber fest an Tatsurou klammerte. „Wieso, hast du Angst, jemand könnte uns sehen?“ Tatsurou gab seinem kleinen Bassisten einen federleichten Kuss und löste sich dann von ihm. „Geh wieder zu Sato. Wir sehen uns dann beim Aussteigen.“ Er war schon beinahe aus dem Abteil hinaus, als Yukke ihn zurückzog. „Der ist für dich!“ Er drückte ihm den Stein in die Hand. „Danke!“, antwortete Tatsurou, beugte sich ins Abteil zurück und verpasste ihm einen kurzen, aber innigen Kuss. Eine Frau bog um die Ecke und winkend verschwand er hinter ihr im nächsten Waggon. Yukke blieb mit roten Ohren da stehen. Langsam trottete er in die entgegengesetzte Richtung, hin zu dem immer noch schnarchenden Drummer. Ein glückliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. In Tokyo angekommen, zerrten Tatsurou und Yukke ihre übermüdeten Kameraden in Miyas Auto und setzten sie auf den Rücksitz. Yukke schlüpfte zufrieden auf den Beifahrersitz, der auf Tour sonst immer vo ihrem Leader belegt wurde. Die beiden Kampfhähne merkten kaum, was um sie herum passierte. Miya schlief wieder auf der Stelle ein, sein Kopf sackte auf Satochis Schulter, der ebenfalls schon sanft entschlummert war. Tatsurou, der am Steuer saß und in den Rückspiegel sah, rollte mit den Augen und brummelte noch einmal: „Idioten.“ Nachdem die beiden je zu Hause abgeliefert und buchstäblich von Yukke und Tatsurou ins Bett gebracht wurden, schlug Tatsurou den Weg zu Yukkes Apartment ein. Der Nachmittagsverkehr nahm zu und die Fahrt dauerte wieder einmal ewig. Endlich kamen sie in vertrautere Gefilde. Miyas Auto wurde im Parkhaus nebenan geparkt, da Tatsurou vergessen hatte, dass ihm das Auto ja gar nicht gehörte. Yukke fummelte an seinem Schlüsselbund, öffnete die Tür, ließ Tatsurou eintreten, ging nach ihm hinein, schloss die Tür wieder und lehnte sich seufzend an das dunkle Holz. „Wir sind wieder daheim!“ --------------------- PS: Na, geschockt? XD Das mit dem Faustschlag war Vegs Idee^^ PSS: Bento= Lunchpaket ^^ PSSS: No panic (XDD), die Fic geht noch weiter... PSSSS: Ich werd immer glücklicher mit dem Titeil oO.. Allein Miya pennt hier 4 mal ein und Sato 2 Mal PSSSSS: Ich kündige hier schon mal meine Spin Off Fanfic "Erwachen" an. Es wird wieder eine Mucc FF und wie der Titel schon sagt, ist sie eng mit "Schlaf" verknüpft XD Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Kapitel 10 „Tatsuroooooou! Tatsuroooooou! Kommst du endlich?“ Genervt stand Yukke in der Tür und sah Tatsurou dabei zu, wie jener in der ganzen Wohnung seine Schuhe suchte. „Deine Stiefel stehen hier, neben der Tür, wo sie hingehören. Mittlerweile solltest du das wissen.“ Der Sänger kam auf ihn zu gerannt, rollte genervt die Augen gen Himmel und zog sich schnell die weichen, dunkelbraunen Stiefel an. „Hetz doch nicht so. Ich komm schon nicht zu spät. Dafür fährst du viel zu schnell Auto!“ Seinen dunkelgrünen Parka warf er schnell über die Schultern, die schwarze Lieblingsmütze musste auch noch dazu. Es war unangenehm kühl geworden, dieser Tage in Tokyo. Seit knapp einem Monat, seit Satochi aus dem Wald „zurückgekehrt“ war, hatte sich ihr aller Leben einigermaßen normalisiert. Soweit Tatsurou wusste, war Miya zu Hause bei seiner Mutter in Mito. Yukke hatte mit ihm telefoniert und erzählt, dass Miya sich einen Hund angeschafft hat und ihn „Gizmo“ nannte. Das amüsierte den Sänger ausgesprochen, denn er konnte sich gut vorstellen, wie ihr Leader mit dem kleinen Tier Gassi ging und Stöckchen werfen spielte. Obwohl er immer so eine coole Schiene fuhr, hatte der kleine Gitarrist eine kleine Schwäche für kleine Dinge. Wenn ihn das nicht wenigstens etwas entspannte, dann wusste Tatsurou auch nicht weiter. Auch Satochi war auf Reisen, jedoch war er nicht in seine Heimat gefahren, sondern nach Neuseeland in den Abenteuerurlaub. Nach seinen eher unangenehmen Erfahrungen ganz allein im Wald rund um den Biwa See, hatte er einen Trip in die Wildnis des auf der anderen Hemisphäre gelegenen Inselreichs gebucht. Neben dem obligatorischen Bungeejumping und Wildwasser Rafting plante er, einen Überlebenskurs mitzumachen. Tatsurou mochte sich gar nicht vorstellen, wie Miya auf diese Nachricht reagiert hatte. Er selbst war zusammen mit Yukke damit beschäftigt, in der winzigen Wohnung des Sängers zu renovieren. Seit dem letzten Konzert ihrer Sommertournee, hatte er ohnehin keine Nacht mehr darin verbracht. Yukke hatte es nicht erlaubt und er hatte es so zugelassen. Letztlich beschloss Tatsurou, dieses Apartment aufzugeben und zu seinem Bassisten zu ziehen. Diese zwei Monate Pause waren ohnehin die längste Zeit, die sie seit Jahren am Stück frei hatten und in Tokyo verbrachten. Somit würden alle ohne weiteres die Erklärung schlucken, sie hätten eine WG gegründet, um Geld zu sparen. Schließlich hatten sie auch schon vor einigen Jahren- bevor ihnen Erfolg vergönnt war- Tisch und Stuhl geteilt. Dass Miya und Satochi trotzdem bald etwas merken würden, war Tatsurou klar. Aber er hielt seine beiden Freunde für tolerant und offen genug, als dass er sich großen Sorgen um ihre Reaktion machte. Trotzdem war- was ihn und Yukke betraf- zu Tatsurous Leidwesen, nicht besonders viel passiert. Yukke erwies sich als schüchterner, denn Tatsurou je gedacht hatte. Scheinbar lockten nur Extremsituationen den blonden Mann aus seinem Schneckenhäuschen. Zu mehr als Küssen hatte er sich noch nicht hinreißen lassen. Sie schliefen zwar Nacht für Nacht im selben Zimmer, direkt nebeneinander, aber das war es auch schon. Hin und wieder wachte Yukke auf und Tatsurou hatte im Schlaf- oder absichtlich? - seinen Arm um ihn geschlungen und hielt ihn warm. Dagegen hatte er auch nichts. Nur Tatsurous ständige Annäherungsversuche, immer wenn er gerade etwas anderes zu tun hatte, zum Beispiel aufräumen, kochen oder Bass üben, irritierten ihn dermaßen, dass er ihn auch dann abblockte, wenn er eigentlich nichts zu tun hatte. Er musste sich eingestehen, dass er zwar schon länger Gefühle, die über Freundschaft hinausgingen für den charismatischen Sänger hegte, aber noch nie richtig über das hinterher nachgedacht hatte. In der romantischen Verklärtheit seiner kleinen, rosa- tuffigen Spielzeugwelt, kamen Begriffe wie „Fummeln“ oder gar „Sex“ eher selten vor. Wie versprochen, ging der Sänger zudem wieder zu seiner alten Gesangslehrerin. Auch heute hatte er wieder Unterricht, deshalb trieb ihn Yukke auch so zur Eile an. Denn der blonde Bassist mit dem unerbittlichen Sinn für Ordnung kehrte mal wieder die Glucke heraus und brachte ihn jedes Mal persönlich hin und wieder zurück. Dies war zwar nervtötend, aber berechtigt. Denn Tatsurou tendierte ja in der Tat dazu, mit jedem Termin immer ein bisschen später zu kommen. Das wusste er selber, hielt ihn aber nicht davon ab, sich trotzdem darüber zu ärgern, dass Yukke so hetzte. Wenigstens halfen die Stunden- die er für nicht wenig Geld- bei der alten Dame nahm. Eine seiner größten Befürchtungen war schon immer gewesen, dass er schlecht singen würde; er wollte nicht versagen, wollte die anderen nicht enttäuschen, wollte seine Fans nicht unzufrieden nach einem Konzert nach Hause gehen lassen. Die vertrauten Übungen beruhigten ihn und bauten das Vertrauen in seine Fähigkeiten wieder auf. Auch wenn die Sensei streng war, er mochte ihre ruppige Freundlichkeit und ihren anerkennenden Blick, wenn er gute Arbeit geleistet hatte. An diesem Tag lief die Stunde besonders gut. Gut gelaunt packte Tatsurou die Notenblätter zusammen, die er heute benutzt hatte, als seine Sensei lächelnd auf ihn zukam. „Beeilen sie sich, Tatsurou- kun, lassen sie ihren Chauffeur nicht noch länger warten.“ „Was? Wieso noch länger?“ Erstaunt schaute Tatsurou sie an. „Na, das Auto mit dem blonden jungen Mann, der immer die 2 Stunden, die sie hier sind, am Straßenrand parkend auf sie wartet. Das sehe ich doch durchs Fenster.“ Sie nahm dem verdutzten Sänger die Blätter aus der Hand und schob ihn sanft aus dem Musikzimmer. „Du wartest jedes Mal die ganze Zeit hier auf mich? Wieso fährst du nicht woanders hin oder gehst einkaufen oder machst irgendwas?“ Tatsurou steckte den Kopf durch die Beifahrertür auf der linken Seite und sah Yukke mit kugelrunden Augen an. „Vergiss es. Steig ein. Morgen ist Halloween.“ Yukke versuchte von seinen zart roten Wangen abzulenken, indem er Tatsurou ruppig in den Wagen zog und ein anderes Thema anschnitt. Tatsurous obligatorischen, frechen Augenaufschlag konnte er aber damit nicht verhindern. „Und? Möchtest du irgendwas machen?“ „Mmmh, morgen ist Freitagabend und ein paar Leute von Danger Crue schmeißen eine Kostümparty... und ich hab da dieses tolle Jack- Kostüm gesehen. Du weißt schon, von Nightmare before Christmas. Mit Totenschädelperücke und Plastikkürbis.“ Yukke hatte das Glitzern in den Augen, welches dort immer auftauchte, wenn er ein absolut lächerliches Kleidungsstück gesehen und den ganzen Tag anziehen wollte. Und es auch noch toll fand. „Und du hast es schon gekauft?“ fragte Tatsurou, der schon das Schlimmste ahnte. „Ja.“ „Warum fragst du denn überhaupt noch? Du willst dich doch eindeutig an dem Abend mit dieser Gummiglatze zum Affen machen. Gehen wir eben hin… hm ich muss dann auch noch schnell was besorgen…“ „Jo.“ Am nächsten Abend zog sich Tatsurou im Badezimmer heimlich sein Kostüm an. Zufrieden begutachtete er sich von links, von rechts, dann zog er seine Jacke über und machte sie bis oben zu. Gestern hatte er sich noch schnell in Harajuku in einen Laden begeben und von der Verkäuferin komplett ausstatten lassen. Er freute sich schon auf Yukkes Reaktion, wenn er sich später in der Bar den Parka auszog und wie ihm dann die Kinnlade herunterklappe würde. Ein Zimmer weiter, vorm Schlafzimmerspiegel, betrachtete sich Yukke in seinem Jack- Anzug. Er zupfte noch an der schwarzweiß gestreiften Katzen- Schleife um seinen Hals und zog die weißen Knochenhandschuhe an. „Damit siehst du aus wie einer von Balzac.“ Tatsurou stand mit verschränkten Armen im Türrahmen. Yukkes weiß geschminktes Gesicht mit den aufgemalten Nähten am Mund lächelte ihn an. Ohne die weiße Gummiglatze, die der Bassist noch in der Hand hielt, befand Tatsurou, dass ihm der Frack eigentlich sehr gut stand und gar nicht so albern aussah, wie er vorher angenommen hatte. Das sagte er ihm natürlich nicht. Aber wie er ihn jetzt so anstrahlte, die großen Augen wirkten durch die schwarze Umrandung noch größer als sonst, sah er definitiv sehr niedlich aus. „Lass uns fahren. Wir kommen sonst noch zu spät. Und vergiss deinen Plastikkürbis nicht.“ „Hey, das ist mein Spruch.“ protestierte Yukke und zog die Gummikappe über seinen blonden Topfschnitt. Seufzend wandte Tatsurou sich ab. Jetzt sah er nur noch bescheuert aus. In der gemütlichen Bar in der Nähe des Danger Crue Hauptsitzes, war die Party schon in vollem Gange. Laute Rockmusik dröhnte durch den rauchgesättigten Raum. Es war zwar nicht mehr Dekoration als ein paar echte Kürbislaternen und falsche Spinnweben an der Wand vorhanden, aber dafür war der Buffettisch reich gedeckt. Besonders die riesige Bowleschüssel mit roter Flüssigkeit hatte es sofort Yukke angetan. Noch ehe sie einen Platz gefunden hatten, stürmte er an Hyde im Vampirkostüm, der mit Ken und Yukihiro in blutverschmierten Samuraikostümen schäkerte, vorbei und schenkte sich zwei große Gläser Bowle ein. Darin tanzten Weintrauben wie Augäpfel auf und ab, als er sich durch die Menschenmenge hindurch, zurück zu Tatsurou schlängelte, der inzwischen am letzten leeren Tisch Platz genommen hatte. „Schade, dass Sato heute nicht da ist, die spielen bestimmt auch Helloween heu-“ Yukke stockte der Atem. Auffällig unauffällig zog Tatsurou den Reißverschluss seiner Jacke auf und ließ sie seine Schultern herab gleiten. Mit dem Parka an, konnte man nur seine Schachbrettfingernägel und das verwischte schwarze Make up am Mund sehen; dies trug er auf der Bühne jedoch öfters. Aber seine Kleidung bestand heute aus einem leicht zerfetzten, schwarzen Netzhemd und vor allem aus einer mit vielen silbernen Schnallen und Nieten besetzten, schwarzen Ledercorsage mit einem asymmetrischen Träger auf der rechten Seite. „Was ist denn das? Ein Hizumi- Cosplay?“ Yukke ließ vor Lachen beinahe die Gläser fallen. Peinlich berührt musterte er die Kleidung genauer. Manchmal waren Tatsurous seltsame Fetzen wirklich schlimmer als seine eigenen Klamotten. „Das traust du dich bestimmt nicht anzuziehen, wenn wir beim Beautifools fest bald mit ihnen auftreten! Da lachen dich doch alle aus!“ „Wollen wir wetten?“ Tatsurou stützte die Arme in die Seiten und funkelte ihn kampfeslustig an. „Um was?“ „Also, wenn du gewinnst, dann putz ich einen Monat lang die Wohnung! Wenn ich gewinne..“ Tatsurou legte seine gefalteten Hände an Yukkes Ohr und flüsterte etwas. Yukke wurde zum tausendsten Mal in dieser Geschichte knallrot. „Nein!“ rief er halb entsetzt aus. „Einen ganzen Monat putzen! Mit Bad und Küche!“ Yukke zögerte, bedachte, wie viel Zeit er dann zum Tatsurou-beim-Putzen-zukucken-und-ihn-dabei-ärgern hätte, kippte seine Bowle auf Ex hinunter und nickte zögerlich. Er würde es nicht wagen, vor dem großen Publikum, den ganzen anderen Bands und den vielen Videokameras in der Tokyo NK Hall SO herumzulaufen. Den Rest des Abends tranken sie abwechselnd Bowle und Sake, machten mit allen 4 Bandmitgliedern von La vie en Rose Trinkspiele und unterhielten die halbe Bar mit Karaoke. Tatsurou erwies sich als der geborene Entertainer und brachte sogar ein paar ältere, bebrillte und mit öden Krawatten ausgestattete Managertypen aus der Geschäftsetage dazu, mit ihm „Thriller“ von Michael Jackson nachzutanzen. Er hatte natürlich die Hauptrolle inne und zerrte Yukke auf die Tanzfläche, damit jener das kreischende Mädel spielen konnte. Gegen halb 3 am nächsten Morgen zerrte Yukke den angeheiterten Tatsurou aus der Bar; sie hatten für diesen Abend schon genug getrunken. Eigentlich sollte der große Sänger nicht soviel trinken, er konnte sich selbst nie beherrschen; das hatte er sich sogar selbst vorgenommen, nachdem er gegenüber Miya im Rausch so grausam war. Nur in Ausnahmefällen, wenn sie frei hatten erlaubte er sich selbst, überhaupt zu trinken, und dann auch nur wenn er nicht alleine war und jemand auf ihn aufpasste. Tatsurou hatte sich die Gummiglatze geschnappt und erschreckte damit die Mädchen auf der Straße. „Weißt du, diese alten Knacker sahen wirklich schon wie Zombies aus, auch ohne so ein Kostüm.“ Rief er fröhlich durch die kalte Nachtluft und grinste sein gewinnendes Tatsurou- Grinsen. Als sie den Taxistand erreichten, warf er die dämliche Gummiperücke auf einen Müllhaufen in einer dunklen Gasse, als Yukke gerade wegschaute. Das Ding wollte er an ihm nicht noch einmal sehen, wenn dann sollte er Sachen tragen, in denen er wenigstens noch halbwegs putzig aussah. Sie setzten sich beide hinten in das Auto. Im Laufe der Fahrt merkte Yukke, wie Tatsurou immer näher neben ihn rutschte, bis sich ihre Hände berührten. Er legte seine langen, schmalen Finger auf die Yukkes und drückte fest zu. Der junge Bassist erinnerte sich an den Moment, als sie sich im Bach geküsst hatten und sein Herzschlag beschleunigte sich. Er wusste noch, was damals zwischen ihnen passiert war. Die vielen Becher rote Blutbowle und der Sake hatten jetzt aber ein paar Hemmungen in ihm gelöst. Der Taxifahrer fuhr jetzt von der hell erleuchtenden Hauptstraße ab und bog in die dunkleren Wohngegenden ein. Als er sich gerade fluchend über einen Raser aufregte, ergriff Yukke die Gelegenheit und gab Tatsurou in der alles umfassenden Dunkelheit einen zaghaften Kuss, ihre Lippen berührten sich kaum, so schnell ging es wieder vorbei. Tatsurou hatte ein bisschen weiße Schminke abbekommen, die Yukke ihm nun schnell mit dem Ärmel aus dem Gesicht wischte. Er musste daran denken, sich abzuschminken, bevor, ja bevor was? So ganz genau mochte sein vom Alkohol vernebelter Verstand das auch nicht sagen. Ein paar Minuten später erreichten sie endlich den Gebäudekomplex, in dem sie zusammen wohnten. Yukke sauste schnell ins Badezimmer und wischte sich die ohnehin schon verschmierten Reste der weißen Totenkopfschminke aus seinem Gesicht. Als er aus der Tür heraustrat, stieß er gegen Tatsurou, der ebenfalls ins Bad wollte. Die schwarze Farbe um seine Lippen war schon fast weg; er hatte in der Bar schon auf der Toilette sein Gesicht kalt abgewaschen, aber Tatsurou wollte auch nicht zum Abschminken ins Bad, sondern er hatte vor, Yukke zu holen. „Es ist noch Eis im Kühlschrank, wenn du magst.“ Der Sänger wusste, wie gerne Yukke mitten in der Nacht noch naschte. „Nein. Ich hab keinen Hunger.“ Tatsurou und Yukke standen sich jetzt ganz dicht gegenüber. Sie berührten sich nicht, waren sich aber nah genug, um die Körperwärme und den Atem des anderen zu spüren. Man konnte deutlich riechen, dass jeder von ihnen beträchtlich viel Alkohol getrunken hatte. Tatsurou nahm Yukkes Hand, legte sie auf seine Brust. Yukke konnte Tatsurous schnellen Puls fühlen und errötete ein wenig. Ein wenig musste er aufblicken, um dem Blick des Größeren begegnen zu können. In der düsteren Wohnung wirkten seine dunkelbraunen Augen schwarz und leuchteten. „Yusuke.. ich will mit dir schlafen.“ Yukkes Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Das hatte er jetzt nicht erwartet. Ein paar Atemzüge später nickte er trotzdem verhalten. Es wäre grausam gewesen, hätte er Tatsurou schon wieder abgewiesen, zumal er damit seinen eigenen Bedürfnissen völlig widersprochen hätte. Er wollte ihn ja auch. „Komm her.“ Sanft strich der Sänger über Yukkes Haar und zog ihn an sich. Immer noch etwas zögerlich erwiderte er die Umarmung. Er legte seine Arme um Tatsurous Taille und machte die Augen zu. „Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich..“ flüsterte Tatsurou in sein Gesicht, schloss ebenfalls die Augen, bevor sich ihre Lippen in einem zarten Kuss trafen und langsam aber sicher, immer stürmischer und wilder voneinander Besitz ergriffen. Sie trennten sich keuchend, weil keiner von ihnen mehr Luft bekam. Tatsurou schob Yukke ein Stück von sich, zog ihm gnadenlos Frack und Hemd aus. Sein schwarzes Korsett und das Netzhemd warf er achtlos in die Ecke. Die Schnallen klirrten, als sie gegen die Wand trafen. Er schob Yukke ins Schlafzimmer, stieß ihn auf den Futon und warf sich gleich hinterher. „Aua! Was wirfst du mich hier durch die Gegend?“, beschwerte sich Yukke mit gespielten Ernst. „Sei still.“ Yukke schwieg. In Tatsurous Stimme, seinen Gesten, seinen Berührungen lag eine Intensität, die er vorher noch nicht kannte. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte ihn für einen vollkommen anderen Menschen gehalten. Nichts war mehr von der nonchalanten Leichtigkeit übrig, die der Sänger normalerweise ausstrahlte. Das war aber auch nicht die charismatische Bühnenpersona, die er bei ihren Auftritten anlegte, mit der er jedes Fanherz zum Schmelzen brachte. Es war etwas anderes, etwas komplett Neues. Ein Neuanfang. Zögernd erwiderte Yukke Tatsurous Berührungen. Sie lagen nah beieinander auf dem weißen Futon (den Yukke nie einrollte, seit Tatsurou bei ihm wohnte, der immer für ein kleines Schläfchen zu haben war). Nur der schmale, zunehmende Mond und die schwummerige Deckenlampe im Flur erhellten den Raum. Es erstaunte Yukke, dass an Tatsurous schlanken Körper nicht ein Makel die blasse Haut entstellte. Er hatte irgendwie erwartet, dass Tatsurou ein paar Narben hatte, sicherlich war er ein sehr wildes Kind gewesen und ständig mit Schrammen zu Hause angekommen. Aber nichts davon konnte Yusuke nun entdecken; so genau hatte er ihn noch nie betrachtet, warum auch, vor nicht allzu langer Zeit war der Sänger doch „nur“ sein bester Freund gewesen. Gebannt verfolgte Yukke wie sich die feste Bauchdecke hob und senkte im Rhythmus der flachen Atemzüge. In dem geringen Lichtschein konnte Yukke nicht widerstehen und fuhr mit dem Finger sachte über die zuckenden Muskeln. Eine Gänsehaut überzog Tatsurous Rücken. Es erregte ihn, dass Yukke endlich auch mal die Initiative ergriff; wie schon vorhin im Taxi, als er ihn ohne Vorwarnung einfach geküsst hatte. Dieser Kuss hatte nach mehr geschmeckt. Vielleicht konnte Yukke heute Nacht seine Schüchternheit überwinden. Fordernd strich er über Yukkes Brust, seine Arme, sein Gesicht, umfasste es mit beiden Händen und küsste ihn wieder voller Leidenschaft, biss ihm neckisch in die Unterlippe, genoss es, dass der Bassist heute so willig war. Vom Sake mutig beseelt, fasste Yukke zwischen sie beide und plötzlich stöhnte Tatsurou laut und grob in ihren Kuss. „Mach ich das richtig so?“ fragte er unsicher und trennte sich kurz von dem Sänger. Heiser bejahte Tatsurou und keuchte: „Du machst das ziemlich gut, dafür, dass ich dich noch nie richtig im Bett hatte!“ „Rou- chan!“ Zur Strafe verstärkte der blonde Bassist seinen Griff. Diese Bemerkung hatte an Yukkes Stolz gekratzt, jetzt sann er auf Rache. Er beugte sich vor und suchte wiederum Tatsurous Mund. Erhitzt erwiderte jener Yukkes hemmungslosen, tiefen Kuss. Yukke spürte, wie Tatsurou währenddessen plötzlich lächelte und das spornte ihn noch mehr an, ihn zu bestrafen. Statt mit dem Offensichtlichen weiterzumachen, fing er an, ihm mit der anderen, flachen Hand auf den Kopf zu patschen. „Yusuke! Was soll das?“ empörte sich der Sänger „du machst die ganze Stimmung kaputt!“ „Musst du grad sagen! Mit deinen Sprüchen! Soll ich mal Stimmung machen?“ Schnell rutschte er ein Stück weg, richtete sich auf und zerrte an Tatsurous ohnehin schon halb offener Hose, um sie mit einem Ruck auszuziehen. Über seine eigene Dreistigkeit verwundert, hielt er das Kleidungsstück noch einen Moment in der Hand. Das ließ Tatsurou mehr als genug Zeit zum Gegenangriff überzugehen. „Jetzt geht’s aber los!“ Er lächelte noch fieser als sonst, zog Yukke in Windeseile komplett aus und legte sich halb auf ihn. „Tat- chan.. Ich- ich hab Angst.“ nun ging es dem Jüngeren nun doch zu schnell und er flehte mit großen Augen um einen kleinen Aufschub. „No panic!“, gab Tatsurou großspurig an, obwohl er selbst ziemlich nervös war und das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken versuchte. „Ich hab recherchiert… und ich war shoppen.“ „Du warst shoppen?“ Mit noch größeren Augen glotzte Yukke ihn an. „Jaaa. Vor ein paar Wochen. In Shinjuku.. du weißt schon.“ knurrte er und knirschte mit den Zähnen. „In Shinjuku ni- chōme? Im Schwulenviertel?“ Unwillkürlich gluckste Yukke bei der Vorstellung wie Tatsurou – vermutlich mit Mütze, Sonnenbrille und Mundschutz getarnt- in dem berüchtigten Stadtteil nach einem Sexshop Ausschau hielt. Vermutlich hatte er in dem Laden stundenlang jedes einzelne Produkt genaustens begutachtet, bis ein völlig entnervter Verkäufer ihm einfach irgendwas in die Hand gedrückt hatte. Yukke kannte Tatsurous Neugier nur zu gut. „Was hast du gekauft?“ „Ach, der Verkäufer hat mir irgendwas in die Hand gedrückt, so ne Kiste“, er lehnte sich über Yukke und zog einen unscheinbaren schwarzen Karton unter einem zusammengeknüllten Pullover hervor „ich hab nur das Heftchen gelesen.“ Neugierig angelte Yukke in dem Pappkarton herum, auf dem in silberner Farbe zwei kleine Männchen abgebildet waren, die händchenhaltend in einen Sonnenuntergang liefen. Darunter stand in schnörkeligen Buchstaben: “Starters Box“. Yukke brauchte einen Moment um das Englisch zu übersetzten, da seine Romanjikenntnisse zu wünschen übrig ließen. Der Titel war genauso peinlich, wie passend. Neben einer Tube, einer Schachtel mit quietschbunten Kondomen und dem schon erwähnten dünnen Heft lag ganz unten eine DVD. Feixend hielt der Bassist Tatsurou die Hülle unter der Nase; man konnte im dämmerigen Lichte gerade so den Titel erkennen: „“Unter Männern“! Hast du den schon gekuckt?“ „Was? Da war noch nen Film drin? Oh Mann…“ Tatsurou genierte sich und versuchte ihm die DVD wegzunehmen. „Genau!“ Lachend kugelte sich Yukke auf dem Futon, bis er den Softporno einfach in den Flur warf. Dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. Schlagartig änderte sich die Stimmung. Tatsurou flüsterte ihm etwas ins Ohr; seine Stimme klang rau und sinnlich, sie erinnerte Yukke an das Lied Soushin no koe von ihrer letzten CD. Yukke mochte seine Stimme schon immer, sie konnte klingen wie die düsterste Finsternis, welche die Welt je gesehen hat, wie ein hoffnungsvoller Lichtstreifen am Horizont, wenn die Sonne aufging oder wie ein zerbrechliches Stück Glas, das kurz davor war, am Boden zu zerschellen. Mit dieser Stimme flüsterte Tatsurou nun kleine Dinge, unanständige, zärtliche Gedanken in sein Ohr. Er fühlte sich überreizt, konnte sich kaum zurückhalten, um Yukke nicht einfach zu überfallen, aber er hatte sich ja geschworen, ihm nie wieder wehzutun. Bis er das Gefühl hatte, der Bassist wäre bereit, fuhr er fort, ihn ganz einfach sanft zu streicheln und sich mühevoll zu beherrschen. Yukke wunderte sich über Tatsurous Geduld, er selbst schwankte schon gefährlich nah an der Kante, sich einfach auf den anderen zu stürzen, wie mochte es da dem größeren Mann ergehen? Jener hatte offensichtlich mehr Erfahrung in solchen Dingen und im Gegensatz zu Yukke auch noch die augenscheinlich einfachere Rolle heute Nacht übernommen. Nach einer scheinbar endlosen Zeit ergriff Yukke Tatsurous schmale Handgelenke, hauchte einen Kuss auf den rasenden Puls und gab ihm mit einem winzigen Nicken Bescheid. Er konnte hören, wie der Sänger durch die Zähne scharf Luft einzog und tief ausatmete. Dann bewegte er sich kurz von ihm weg, machte sich an dem Karton zu schaffen. „Vertraust du mir?“ fragte er leise. „Ich vertraue dir.“ Ein sirrendes Geräusch klingelte in Yukkes Kopf, wie immer bei extremer Aufregung. Ein paar tiefe Atemzüge später war der Ton verschwunden, genau wie Tatsurou mit seinen Vorbereitungen fertig war. Er wollte schon Yukkes Beine auseinander schieben, als er unerwartet unterbrochen wurde. „Ta- chan, warte!“ Überrascht sah Tatsurou auf. „Was ist? Wir können aufhören wenn du willst, ich will dich doch zu nichts zwingen.“ „Nein.. ich- ich wollte noch etwas sagen, bevor… bevor wir es tun.“ Stotternd fasste sich Yukke ein Herz und sprach endlich aus, was ihm auf der Seele lag: „Tat- chan.. ich liebe dich auch.“ „Danke, Yusuke. Das bedeutet mir wirklich viel.“ Er lächelte warm, küsste ihn, dabei schob er vorsichtig einen Finger voran und bemerkte sofort einen Widerstand. Yukke knurrte vor Schmerz und keuchte unregelmäßig. „Ganz ruhig, Yu- chan, denk an was Schönes; es wird gleich besser.“ Mit zusammengepressten Augen versuchte Yukke krampfhaft, sich nicht zu verkrampfen und dachte an Sonnenblumen. Behutsam machte Tatsurou weiter, voll konzentriert auf Yukkes Reaktion. Sein Atem wurde gleichmäßiger, als er sich ein wenig entspannen konnte. Die Lider hielt er weiterhin fest geschlossen. „Yu- chan…“ vor Anspannung aufgeregt zitternd, beugte sich der größere Mann über Yukke, dessen Oberschenkel hatte er angehoben. „Sieh mich an.“ Yukkes Augenlider flatterten, er öffnete sie langsam und sie sahen sich tief in die Augen, als Tatsurou vorsichtig in ihn eindrang. Trotz des stechenden Schmerzes hielt Yukke angestrengt die Augen auf, nichts wollte er von dem wahnsinnigen Gesichtsausdruck vergessen, den Tatsurou in diesem Moment hatte. Jener hatte sein schwarzen, glänzenden Augen weit aufgerissen, starrte ihn an, als könnte er in die Abgründe seiner Seele schauen, als ob all die Facetten seiner Persönlichkeit für ihn offen lägen und er wie ein Buch darin lesen könnte. Es war weniger schlimm, mit ihm das erste Mal zu schlafen, als er angenommen hatte, Tatsurou nahm sich - entgegen seiner üblichen Ausgelassenheit- sehr zurück und behandelte ihn sanft, wie ein kostbares Juwel. „Tatsurou.. es ist schon gut. Du kannst ruhig… mehr machen.“ Yukke war der feine Schweißschleier auf der gerunzelten Stirn Tatsurous nicht entgangen, der ihm anzeigte, wie konzentriert der andere versuchte, seine wahren Instinkte zu unterdrücken. Erleichtert atmete der Sänger aus und bewegte sich schneller. Nichts hätte ihn jetzt noch aufhalten können, er fing wieder an Yukke ins Ohr zu flüstern, nagte an der weichen Haut, spürte Yukkes feuchten Atem an seiner Wange, hörte sein erregtes Stöhnen ganz nah. Jetzt war er sich sicher, seinen Geliebten nicht unabsichtlich zu verletzen. Er umfasste Yukkes Bein noch fester, drückte sich näher an ihn. Es war unbeschreiblich ihn so intensiv zu spüren, niemals hätte er angenommen, wie verbunden man sich auch auf einer tieferen Ebene fühlen konnte, wenn man einfach nur Sex hatte. Yukke merkte deutlich, dass Tatsurou alle Hemmungen fallen ließ, er fing an sich ebenfalls gegen ihn zu bewegen, dazu musste sich in seinem Rücken festkrallen, um den Halt nicht zu verlieren. Eine Welle völlig neuer Empfindungen erfasste ihn, Tatsurou hatte instinktiv einen Punkt gefunden, einen Rhythmus entwickelt, der ihnen beiden den Sinn für Zeit und Raum, für jegliche Realität raubte. Halb benommen nahm Yukke wahr, dass der andere seine linke Hand nicht mehr zum Abstützen benutze, sondern ihn damit noch weiter ins Delirium trieb. Dieser weiteren Anregung hätte er kaum bedurft, er war sowieso schon dabei, seine Fingernägel ins Tatsurous Haut zu graben, sich an ihm festzuhalten, ihn mit seinen Beinen zu umklammern, mit einem lauten Stöhnen in seiner Hand den Höhepunkt zu erreichen. Yukke drückte seinen Rücken durch und zog Tatsurou noch viel näher nah sich heran, küsste ihn mit seinen nach Salz schmeckenden Lippen, sah ihn an. Und mit einem kaum unterdrückten Schrei kam auch er. Nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander. Tatsurou suchte die Decke, um sie beide warm zuzudecken, legte seinen Kopf auf Yukkes Brust, seinen Arm um seine Taille und schlief sofort ein. Der Bassist war noch zu zittrig um sofort schlafen zu können, stattdessen schaute er zu, wie das Blut aus Tatsurous Wangen wich, schob ihm ein paar Strähnen aus der Stirn, die an der feuchten Haut klebten und schloss die Augen. Kaum hörbar wiederholte er seine Worte von vorhin: „Rou- chan, aishiteru.“ Am nächsten Morgen wurden sie beide gleichzeitig vom Klingeln an der Haustür geweckt. Tatsurou stand aus den auf und zog sich einen einfachen blauen Yukata über, nur um einen Vertreter für neuartige Staubsauger abzuwimmeln. Genervt ging er ins Schlafzimmer zurück und kuschelte sich wieder in die warmen Laken. Der Yukata öffnete sich und man konnte seinen nackten Bauch sehen. „Du bist viel zu dünn.“ ärgerte Yukke seinen Lover, während er mit dem Finger über die hervorstehenden Rippen Tatsurous strich. „Siehst du, ich kann mit der Hand locker deinen Unterarm umfassen; ich glaube, ich muss dich mit mehr Ramen füttern!“ „Hey! Wenigstens bin ich nicht so moppelig wie du!“ schoss Tatsu zurück. Yukke klatschte mit der flachen Hand auf den bloßen Bauch des anderen und antwortete: „Wie kann ich denn moppelig sein, ich bin kleiner und leichter als du und du bist groß und dünn, also wie soll das gehen?“ „Ganz einfach, du bist nicht so gut im Training wie ich, hast einen Pottschnitt und hier dieses kleine Speckröllchen.“ Zur Demonstration zwickte er Yukke in den Bauch. „Das ist nur Haut! Und was haben meine Haare mit all dem zu tun?“ verteidigte sich der stark verwirrte Bassist. „Na ja, die Frisur hat so einen schlechten optischen Einfluss auf deine Gesamtfigur, schlechtes Karma, sodass du letztlich von oben nach unten total mopp- hey!“ Yukke hatte sich auf ihn gestürzt und auf den Rücken gedreht. Tatsurous Handgelenke hielt er fest auf die Matratze gedrückt. „Weißt du was?“ Er blickte an die Decke. “Das gestern war nicht schlecht, aber…“ „Aber was? Gibt es etwas an meinen Qualitäten auszusetzen?“ Obwohl Yukke nicht hinsah, wusste er einfach, dass Tatsurou jetzt eine Augenbraue hob. Und vorwurfsvoll kuckte. Dabei rümpfte er auch immer die Nase und schürzte die Lippen. „Nein, das mein ich nicht. Außer, dass mit jetzt noch einiges wehtut, was aber nicht deine Schuld ist... es war ja schön, aber, “ Yukke senkte betroffen den Kopf und druckste herum: „wir waren beide ziemlich betrunken und da ist es nicht so romantisch geworden, wie ich eigentlich dachte, dass es werden würde und...“ „Was denn, soll ich dich das nächste Mal vorher heiraten?“ Tatsurou befreite sich, sprang auf, kniete sich vor Yukke und hielt seine Hand: „Yukke, willst du mein angetrauter Pottschnitt werden, mich lieben und ehren, bis dass der Miya, ähm, der Tod uns scheidet?“ „Du bist doof!“ rief Yukke lachend und schob Tatsurou mit den Füßen weg von sich. Der landete ebenfalls lachend rücklings auf der weichen Tatami Matte. Yukke sprang auf, verzog kommentarlos das Gesicht, setzte sich seitlich auf Tatsurous Bauch und begann zu philosophieren. „Also, wenn du mich wirklich, wirklich richtig gut rumkriegen willst“, dabei drehte er sich zu Tatsurou und kaute anzüglich auf seiner Lippe herum „dann musst du dich schon mehr anstrengen!“ Mit diesen Worten erhob er sich, um jetzt endlich in der Küche ein großes Vanilleeis zu essen. PS: Ja, ich weiß es heißt „Tisch und Bett geteilt“. Aber dem war ja damals noch nicht^^ PSS: Ich mein mit Hizumi natürlich den von D’espairs Ray ^^ Und Hyde, Ken und Yukihiro von L’arc en ciel^^ PSSS: Shinjuku ni-chōme (jap. 新宿2丁目), oder einfach Ni-chōme, ist ein Viertel des Tokioter Stadtbezirks Shinjuku, das vor allem als Tokios Amüsierviertel für Schwule bekannt ist, ähnlich dem Taylor Square in Sydney. Es erstreckt sich über mehrere Straßenzüge 500 Meter östlich vom Bahnhof Shinjuku. Shinjuku-ni-chōme ist die bekannteste Gegend für Schwule in Tokio. Von Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Shinjuku_ni-chome PSSSS: Das Wort „patschen“ wurde auf Wunsch von VegMac benutzt XD PSSSSS: Googelt mal „Vanilla“ (nicht den Song, die umgangssprachliche Bedeutung) harharhar, dann wisst ihr, warum Yukke am Ende so ein Eis isst XDD Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Kapitel 11 „Verdammt, verdammt, verdammt.“ Ein Blick auf den Kalender hatte Tatsurou bestätigt, dass er wieder einmal Yukkes Geburtstag vergessen hatte. „Was mach ich denn jetzt…“ Der Bassist wurde schon am Mittwoch vierundzwanzig Jahre und Tatsurou hatte weder ein Geschenk, noch irgendwelche speziellen Vorbereitungen getroffen. Wobei er diesmal wenigstens eine gute Ausrede hätte, schließlich war Halloween und die Nacht auf den ersten November erst zwei Tage her. Tatsurou schwebte seitdem immer noch in anderen Sphären; sein Dauergrinsen ging mittlerweile sogar Yukke auf die Nerven. „Kannst du mal damit aufhören, mich dauernd so blöd anzugrinsen?!“ knurrte er ihn an, wenn sein bloßer Anblick Tatsurou wieder mal ein äußerst anzügliches 1000 Watt Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte. „Das ist ja schon peinlich… das war doch nur, das war doch nur… nyaaa.“ Verlegen wandte sich Yukke ab. „Ja, was denn, was denn, was war das denn?“ Kaum zu glauben, Tatsurou hatte es geschafft seine Mundwinkel noch weiter auseinander zu ziehen, ließ die Zähne blitzen, sodass man seine Zahnlücke deutlich sehen konnte und strahlte ihn mit der Wucht eines Bühnenscheinwerfers des Nippon Budokan an. „Ach halt doch die Klappe!“ ließ Yukke von-um-die-Ecke ertönen. Klar, sie hatten an dem Tag das erste Mal miteinander geschlafen. Aber es war ihm peinlich, dass Tatsurou so darauf fixiert war, so was immer auszusprechen. Vielleicht war das eine Macke, die alle Sänger gemein hatten. Eine Sache sprach der Sänger von Mucc an diesem Morgen jedoch nicht aus: Er wagte es nicht, Yukke zu fragen, was er gerne als Geburtstagsgeschenk hätte. Grübelnd versuchte er im Internet sein Glück, aber die Lieferzeiten für all den Nippes, den Yukke so gerne mochte, überstiegen fast immer eine Woche. Und außerdem waren diese dämlichen kleinen Figürchen ganz schön teuer. Schließlich suchte Tatsurou für ihn auch etwas ganz, ganz besonderes. Mit Gutscheinen mochte er ihn nicht abspeisen, am liebsten verschenkte Tatsurou Dinge, die er auch selbst gern hätte oder tun würde. Unter einem Vorwand verließ er das Haus, um einkaufen zu gehen. Er konnte Yukke schlecht vorspielen, dass er in den Supermarkt wollte; Lebensmittel kaufen machte der Bassist lieber selber, seit Tatsu einmal trotz eines genauen Einkaufszettels drei Stunden später strahlend nur mit Tüten voller Marshmallows und Instant- Ramen angekommen war. Gelangweilt schlenderte er durch die um diese Uhrzeit verhältnismäßig leeren Shoppingparadiese Tokyos. Nach einiger Zeit ergebnislosen Suchens in den hochglanzpolierten und hochpreisigen Konsumtempeln, gönnte er sich einen starken Kaffee in einem schnuckeligen, leicht verlotterten Bistro im italienischen Stil an einer Straßenecke. Entspannt beäugte er die Kundschaft, die scheinbar nur aus Möchtegernschriftstellern und jungen Studenten, die auf heftigste miteinander flirteten, bestand. Draußen rauschte der Hauptstadtverkehr, man konnte kaum die andere Straßenseite erkennen, so eng fuhren die Wagen hintereinander. Während einer roten Ampelphase blickte Tatsurou zufällig zwischen zwei großen Lieferwagen hindurch und sah ein viel versprechendes kleines Werbeschild für einen Laden in einer der Seitengassen der monströsen Shoppingallee. Schnell bezahlte er den Kaffee und schlüpfte über die Straße. Schon im Schaufenster des winzigen, voll gestopften Geschäfts glänzte ein Gegenstand, von dem er einfach wusste, dass Yukke ihm dafür schreiend um den Hals fallen würde. Und wenn er Glück hatte, würde er nicht nur das tun… Verstohlen jauchzend öffnete Tatsurou die komplett mit Postern und Werbung bedeckte Eingangstür. Am Morgen des fünften Novembers war Tatsurou extrem früh aufgestanden und strich wie eine unruhige Katze vor der Haustür entlang. Die Lieferung mit Yukkes Geschenk war am vorigen Tag nicht gekommen, aber für einen Anruf in dem Geschäft war es zu spät gewesen und er konnte nur auf die Mailbox der Inhaberin sprechen. Inständig hoffte er, der Bote würde in der nächsten Sekunde klingeln und endlich, endlich das Paket bringen, aber nichts geschah. Kurz nach acht vibrierte es in seiner Hosentasche und erleichtert sah er die Nummer des Ladens auf dem Display. Er hatte vorsichtshalber den Ton ausgeschaltet, um den selig schlummernden Yukke nicht aufzuwecken, um dann nicht peinlicherweise mit leeren Händen da zu stehen. Man sah es ihm nicht an, aber der Bassist konnte ganz schön schmollen. „Wieso ist meine Lieferung nicht da? Sie haben mir versprochen, dass heute Morgen jemand damit vorbeikommt!“ Panisch- aufgeregt zischte er die eingeschüchterte Verkäuferin am Telefon an. Die Frau entschuldigte sich mehrmals und erklärte ihm ruhig, dass an der Bestellung leider ein Mangel festzustellen war und sie lieber eine Neubestellung aufgegeben hatte, anstatt fehlerhafte Ware auszuliefern- und das ganze dauerte noch mindestens drei weitere Tage. Knurrend gab sich Tatsurou damit zufrieden und legte auf. „Verdammt, verdammt, verdammt.“ dachte er wieder bei sich. Vorsichtig spähte er um die Ecke der Schlafzimmertür und sah erleichtert, dass Yukke noch schlief. Fieberhaft suchte er nach einer Erklärung oder einem Ersatz für das verpatzte Supergeschenk. Es klingelte an der Tür. Irrationalerweise glaubte Tatsurou an ein Wunder und somit auch daran, dass die Frau am Telefon sich doch geirrt hatte und da jetzt ein Lieferant stand und er seinem Yukke strahlend mit dem Präsent in der Hand zum Geburtstag gratulieren konnte. Bei Tatsurou war Einbildung eben auch eine Art von Bildung. Natürlich stand aber da vor der Tür jetzt kein Paketbote, sondern nur die penetrante, schrullige Nachbarin aus der oberen Etage, die ihn gebeten hatte, ihre Katzen zu füttern, solange sie auf Kur war. Sie drückte ihm mit einem zahnlosen Lächeln ihren Schlüssel in die Hand, als ob sie eine Verehrerin wäre, die Hotelschlüssel zu ihrem Zimmer verteilt. Schnell wimmelte er die alte Dame ab; einmal um Yukke nicht zu wecken und zum zweiten. damit er– falls er schon wach war- nicht mitbekam, dass er sich um deren Katzen kümmern wollte. Die listige Frau hatte ziemlich schnell mitbekommen, dass hier jetzt nicht nur ein absoluter Katzenhasser sondern auch ein absoluter Katzenfreund lebte. Yukkes Abneigung gegen Katzen war allen im Haus, in der Band und in der gesamten Plattenfirma bekannt. Einmal war er laut kreischend aus einem Studio weggerannt, als Tatsurou ihn von seiner Phobie heilen wollte und ihm unverhofft ein klitzekleines Kätzchen auf den Schoß gesetzt hatte. Trotzdem hatte er nie erklärt hatte, was er eigentlich gegen die kleinen Kratzbürsten einzuwenden hatte. Vorsichtig und leise ließ er die Tür ins Schloss fallen. Das Knacken der Scharniere erschien ihm so laut wie ein Bulldozer, der über Glasscheiben fährt und dabei auch noch auf höchster Lautstärke das Radio anhat, während ein Herde Elefanten laut trompetend aus dem Zoo ausgebrochen durch die Stadt rennt, weil en Jumbojet neben dem Gehege abgestürzt ist. In bester Animemanier kniete er sich auf den Boden, krabbelte durch den Flur und spähte auf Fußbodenhöhe um die Ecke ins Schlafzimmer. Das hellblonde Geburtstagkind lag zwar noch genauso da, wie vor dem Besuch der Katzenfrau. Aber im einfallenden Morgenlicht konnte man sehen, dass er die Augen geöffnet hatte und vor sich her lächelte. Schnellstens zog Tatsurou seinen Kopf wieder ein. „Verdammt, verdammt, verdammt, wenn mir jetzt nicht ganz schnell was einfällt...“ An die Flurwand gelehnt grübelte er angestrengt, bis ein Blick in den Wäschekorb, den er schräg durch die geöffnete Schlafzimmerschiebetür sehen konnte, die erlösende Idee brachte. Wie vom wilden Affen gebissen sprang Tatsurou auf, stürzte ins Zimmer und warf sich mit einem lauten Krachen auf Yukke. „Auuuuuu, das tut doch weh!“ stöhnte der Malträtierte und strampelte sich frei. „Alles Gute zum Gebuuuuurrrrrtstag, Yu- chan^^.“ Eine liebevolle Kopfnuss später zerrte ihn der Sänger aus den Federn und jagte ihn ins Bad. „Na los, na los, ich hab heute noch viel mit dir vor!“ „Was denn, dafür muss ich mich anziehen?“ sagte Yukke mit einem unglaublich obszönen Grinsen, obwohl er den Mund voller Zahnpastaschaum hatte. „Und wo ist überhaupt mein Geschenk?“ „Haha, das siehst du dann, komm schon, komm schon, komm schon.“ Kein drei Minuten später waren sie schon aus der Wohnung raus und steuerten auf Yukkes Auto zu. „Und, wo geht’s hin?“, fragte der Bassist, der augenscheinlich auf der Fahrerseite einsteigen wollte. „Das hättest du wohl gerne, ICH fahre“ grinste Tatsurou zurück, schob sich an Yukke vorbei und nahm auf der rechten Seite vor dem Steuer Platz. Den dichten Berufsverkehr versuchte Tatsurou zu vermeiden, indem er die allmorgendlichen Staufallen mied. Stattdessen nahm er einen Umweg durch die weniger befahrenen Wohngebiete. Yukke beschwerte sich schon ein wenig, denn der hastige Aufbruch hatte ihm ein Frühstück verwehrt. Noch hatte er keinerlei Dunst, mit WEM er heute Morgen Gelegenheit haben würde zu frühstücken, denn Tatsurou hielt an einer Seitenstraße und verband ihm die Augen mit einem Schal. „Nicht lunsen! Sonst verdirbst du dir die ganze Überraschung!“. Ein paar Minuten später kam er an seinem Ziel an, nahm Yukke bei der Hand und führte ihn blind zu seinem heimlichen Ersatzgeburtstagausflug. „Fertig?“ fragte er und fummelte an dem festen Knoten. Der sonst so neugierige Bassist hatte sich beherrschen können; der Schal saß noch fest. „Augen auf!“ sagte Tatsurou, riss den Schal weg und präsentiert sich vor Yukke. „Willkommen in Disneyland Resort Tokyo, Fukuno- san, heute werden sie Gelegenheit haben, mit Micky, Minnie und Donald im tollsten Hotel zu frühstücken und auch weiterhin im Disneyland einen hoffentlich vergnüglichen Tag inklusive Mickymausohren mit ihrem grandiosen, wunderbaren, unglaublich einfallsreichen Freund, Lover und Gönner Iwagami Tatsurou zu verbringen!“ Um den nächsten Augenblick vorherzusagen, benötigte man keine Shinto- Omen- Zettelchen; Yukke fiel Tatsurou freudestrahlend um den Hals, riss sich von ihm los, rannte zum Eingang und wollte am liebsten die Menschenschlange vor der Kasse umrennen, um schneller in den Park gelangen zu können. Tatsurou rannte hinterher, hielt Yukke davon ab, sich als unhöflichster Japaner des Tages in Tokyo aufzuführen und kaufte nach kurzem Anstehen für sie beide Eintrittskarten. Ein Blick in sein Portemonnaie offenbarte nicht mehr allzu viel Inhalt; er musste aufpassen, dass er sein Konto diesen Monat nicht schon in der ersten Woche überzog. Das eigentliche Geschenk war schon recht teuer gewesen und Disneyland war in der Tat auch kein billiges Vergnügen. Aber er dachte sich, dass besondere Umstände nun mal auch besondere Maßnahmen erforderten und bestellte im Disney Ambassador Hotel ein üppiges europäisches Essen, nachdem er Yukke neben jeder anwesenden Disneyfigur, im Hoteleingang, am Tisch sitzend und sie beide zusammen mit ausgestrecktem Arm zusammen fotografiert hatte. Wie zu erwarten benahm sich Yukke im eigentlichen Park wie ein Kleinkind, kaufte die schon angesprochenen Mickymausohren (die auch den ganzen Tag über noch auf seinem Topfschnitt thronten), erfreute sich an einem Luftballon von Dumbo (mit dem er natürlich auch ein Foto machte) und schrie fröhlich in den Loopings der vielen Achterbahnen (die er alle ohne Ausnahme testen wollte). Tatsurou staunte nur, wo er alle die Energie dafür hernahm. Zum Mittag beschränkten sie sich auf rosa Zuckerwatte und Popcorn, da sie sich beide im Hotelrestaurant schon an den köstlichen mickymausförmigen Pfannkucken überfressen hatten. Tatsurou schaffte es tatsächlich, sich die halbe Zuckerwatte in die Haare zu kleben und wusch sich auf einer pieksauberen, pastellblau getünchten und mit Dumbo- Wasserhähnen versehenen Toilette die Haare aus. Derweil betrachtete Yukke ein Brautpaar, das vor dem Dornröschenschloss Hochzeitsfotos schoss und seufzte gerührt über das drollig- kitschige Szenario vor seinen Augen. An ihm war eben ein hoffnungsloser Romantiker verloren gegangen. Die Braut trug ein original Disney Dornröschen Kleid und sogar eine passende blonde Lockenperücke. Diese Perücke brachte Yukke auf eine abwegige Idee. Eine sehr abwegige Idee. Tatsurou kam wieder aus dem Häuschen heraus und hatte jetzt seine schwarze Lieblingsmütze auf dem feuchten Haar und eine große, dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Ihm war aufgefallen, dass sie beide doch einiges an Aufmerksamkeit erregten, obwohl es Vormittag und mitten in der Woche war. Aber er hätte schwören können, dass ein paar Mädchen sie erkannt und dann giggelnd um die Ecke gerannt wareb, als Tatsurou ihnen einen bösen Blick verpasst hatte. Für Yukke hatte er nur einen Mundschutz in seiner Jackentasche gefunden, aber das müsste eigentlich reichen um ihn zu tarnen. Suchend sah er sich nach ihm um, entdeckte lediglich eine blonde Frau, die sich durch die Haare fuhr und die ihm den Rücken zudrehte. Seltsam, sie trug die gleiche dicke Steppjacke wie Yukke und auch die gleichen Jeans und die gleichen Schuhe. Unheil erahnend ging er ein paar Meter vor, hielt die Luft an und drehte sich um. „Oh meine Güte!“ rief er aus, als er unter der goldenen Lockenpracht Yukkes schiefes Grinsen und seine großen, lachenden Augen erkannte. Er drückte ihm zusätzlich den Mundschutz in die Hand und zerrte ihn halb geschockt, halb hysterisch lachend weiter durch den Park. Scheinbar hatte Yukke genau dieselbe Idee gehabt wie er. Unmengen an schnellen Fahrgeschäften (bei denen Yukke sich immer die Hand auf den Kopf presste und beide darüber lachen mussten), die Westernstadt, das Fantasialand, das Geisterhaus, eine Zaubershow, fünf Souvenirläden und ein Parade aller Figuren später, setzten sie sich in das „Pirates of the Carribean“ Wildwasserboot, um sich ein Viertelstündchen auszuruhen. Yukke verschränkte die Arme hinter den Mickymausohren, die er zusätzlich noch auf die Perücke gesetzt hatte und entspannte sich, obwohl das Boot gerade einen kleinen Abhang hinunter stürzte und die Leute in der vorderen Reihe richtig nass gespritzt wurden. „Mann, danke Tat- chan, ich wollte schon ewig mal wieder nach Disneyland, das letzte Mal war ich noch mit der Schule hier, weißt du noch? Eure Klasse war doch auch dabei!“ „Stimmt.“ antwortete Tatsurou kurz, umklammerte fester den Haltebogen, tat so, als betrachte er den Skelettpiraten, dem der Rum durch die nackten Knochen wieder unten heraus lief und vermied es tunlichst zu erwähnen, dass er schon mehrere Male danach im Park gewesen war, um mit Mädchen auszugehen. Das wurde aber nie etwas, weil Achterbahnen und Buffalo Bills Wild West Show doch nicht so das Richtige fürs erste Date gewesen waren. „Technisch gesehen ist das heute auch unser erstes Date.“ dachte Tatsurou. Diesmal- da war er ziemlich sicher- hatte seine Verabredung aber einen Heidenspaß. Und er bezweifelte stark, dass er diesmal auch schon nach einer Woche abserviert werden würde. Dafür war Yukke zu nett und er zu verknallt in ihn- Tatsurou errötete über seine eigenen Gedanken und drehte sich weg um die roten Bäckchen zu verstecken. Was eigentlich völlig unnötig war, denn gerade fuhren sie durch einen stockdunklen Tunnel, durch den schauderhafte Geräusche drangen. Yukke erschrak und griff unbewusst nach Tatsurous Hand. “Gott, wie oft wollen wir dieses Händchenhalten denn noch machen?“, fragte sich Tatsurou, freute sich aber trotzdem. Dies war eben eine wesentlich neutralere Geste, als wenn er ihm jetzt in aller Öffentlichkeit einen tröstenden Kuss geben würde, sie aus dem dunklen Tunnel herausfuhren und die kleinen Kinder im Boot hinter ihnen auf sie zeigen und laut krähend ihre Mama fragen würden, warum sich denn da grad zwei erwachsene Jungs küssen würden. Tatsurou schüttelte den Kopf und dachte wieder daran, dass der blonde Bassist ja jetzt als (durchaus hübsches) platinblondes Girlie verkleidet war und außerdem noch den Mundschutz trug. Es würde also daran niemand Anstoß nehmen; aber vielleicht war es nicht so toll, in der Nähe von so vielen kleinen, frechen Kindern einen Lacher zu verursachen, indem er Yukke auf die weiße Gaze küsste. Eigentlich ganz praktisch, diese Verkleidung, dachte Tatsurou bei sich und drückte Yukkes Hand fester. Auf diese Weise wurde sie weder von Fans oder Presse erkannt, noch mussten sie Anfeindungen über sich ergehen lassen. Japan war eben noch zu prüde. Nach einem Foto mit Jack Sparrow, dachte sich der Sänger ganz pragmatisch, dass es jetzt auch egal war und legte seinen Arm um Yukkes Schultern. Yuketsuko– wie er Yukkes Verkleidung in Gedanken nannte, spannte sich an, schüttelte ihn aber nicht ab. Trotz der Perücke liefen beide dunkelrosa an, als eine alte Oma mit ihren Enkeln anmerkte was für ein hübsches Paar sie doch wären. Es war schon dunkel und es hatte begonnen zu nieseln, als sie acht Uhr abends erschöpft den Park verließen. Immerhin war schon November. Mit glühenden Füßen ließen sie sich ins Auto plumpsen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Yukke. „Was, du kannst immer noch? Oiyoiyoi…“ Tatsurou riss die erstaunt Augen auf, als er seine schmerzenden Beine knetete „Ich kann kaum noch laufen!“ „Dann machen wir was ohne laufen! Lass uns zum Tokyo Tower fahren und ganz hoch auf die oberste Plattform gehen! Ich fahre, wenn dir die Füße so wehtun!“ Diesem strahlenden, bittenden Blick konnte Tatsurou nicht widerstehen. Er rutschte rüber auf den Beifahrersitz. Yukke hatte in seiner Begeisterung den schnellsten Weg von der künstlichen Halbinsel, auf der Disneyland lag in die Innenstadt eingeschlagen; ohne zu bedenken, dass sie dazu über die Rainbow Bridge fahren mussten. Leider war es zu spät, um den Wagen zu wenden. Sogar ohne hinzuschauen, merkte Yusuke, wie Tatsurou sich auf seinem Platz versteifte und hörte ihn nur noch ganz flach atmen. „Tat- chan… es tut mir leid. Ich hätte den anderen Weg nehmen sollen. Es- es tut mir leid.“ Besorgt schaute Yukke kurz rüber und sah, dass Tatsurou die Augen geschlossen hatte. Mit purer Willenskraft versuchte er seinen Atem zu kontrollieren und ein Zittern zu unterdrücken, was aber nur teilweise gelang. „Schon okay, Yu- chan. Es ist ja nicht deine Schuld, dass ich- ich so dumm war und hier runterspringen wollte um mich umzubringen.“ Diese Aussage machte Yukke das Herz schwer, Tatsurou sprach zum ersten Mal richtig über diesen Abend. Der Bassist wollte schon vorschlagen, gleich nach Hause zu fahren und nicht den Turm zu besteigen, aber Tatsurou winkte ab. „Du warst es doch, der mich gerettet hat. In vielerlei Hinsicht.“ Jetzt wagte er es die Augen zu öffnen, er betrachtete die glitzernde Bucht. „Danke dafür noch einmal.“ Sagte der Sänger leise. Schweigend fuhr Yukke weiter und nach guten zwanzig Minuten erreichten sie den orange angestrahlten größten Funkturm Japans. Bis Yukke (Tatsurou hatte überhaupt kein Bargeld mehr) den Eintritt bezahlt und sie den Fahrstuhl betreten hatte, war Tatsurous gute Lauen vom Nachmittag fast wieder voll hergestellt. „Da ist ja wie im Film.“, kicherte der große Sänger leise, als sie auf der verlassenen obersten Plattform ankamen. Die beleuchteten Häuser, die Neonwerbeschilder, Ampeln, Straßenlaternen und Autoscheinwerfer ließen den bedeckten Himmel gelblich grau erscheinen, aber ein paar einsame Sterne schaffte es durch den Hauptstadtsmog zu dringen. „Wieso?“, fragte Yukke und zwinkerte verwirrt, obwohl er einen Verdacht hatte, was Tatsurou meinen könnte. „Na ich mein die ganze Situation! Wir kennen uns schon seit Jahren, sind gute Freunde. Dann passiert etwas- etwas Schlimmes... und man kriegt sich irgendwie nach all den Quälereien. Völlig unerwartet. Und dann hier, im Tokyo Tower bei Nacht, an deinem Geburtstag, die Lichter der Stadt… da fehlt nur noch, dass der Fahrstuhl heute nicht mehr hier hoch kommt und wir hier oben vergessen werden.“ „Sag nicht so was… hier oben kanns sicher kalt werden.. und bei Sturm ganz schön schwanken!“ sorgte sich Yukke und schaute aus dem Fenster, als könnte er das Schwanken schon erkennen. „Dann wärm ich dich!“ „Das hättest du wohl gerne! Aber da sind Videokameras, kuck doch“, er zeigte auf die Kamera über dem Eingang zum Fahrstuhl “das wird nichts, mein Lieber!“ Mit gespielter Strenge tadelte er ihn. „Aber was ist mit dem obligatorischen atemlosen Kuss?“ Tatsurous Dauergrinsen der letzten Tage blitzte plötzlich wieder in seiner vollen Pracht auf. “Du.. hast auch deinen Geburtstagskuss noch nicht bekommen.“ „Mmmh.. na schön, solange keiner kommt-“ Und schon beugte sich Tatsurou vor und legte seine Stirn an die des jungen Bassisten, sodass sie sich nun unweigerlich in die Augen sahen. Mit der rechten Hand zog er Yukke den weißen Mundschutz herunter und die Perücke vom Kopf. Wenigstens die Mickymausohren hatte er im Wagen gelassen. „Aishiteru, Yu- chan“, flüsterte er und zog sein Kinn heran. „Tat- chan… können wir jetzt mal wieder aufhören? Ich glaube der Wachmann kommt gleich hoch, es ist schon fast 22 Uhr! Hilf mir, die Perücke wieder aufzusetzen!“ Yukke fummelte nervös an seinen Haaren herum- den echten und den künstlichen. „Wieso? Es ist doch dunkel! Jetzt sieht uns doch keiner mehr.“ Tatsurou zuckte mit den Schultern und ließ Yukke einfach nicht los. „Weil ich als Mädchen hier hochgefahren bin und schlecht als Kerl wieder runterfahren kann!“ „Na und? Also mir wäre das egal!“ Tatsurou drückte ihn noch fester und knuddelte ihn durch. „Wenn wir keine Rockstars wären und nicht in Japan leben würden… „Wir sind Rockstars?“ Völlig erstaunt schaute Yukke ihn mit Glubschaugen an. „Klar Yu- chan, wir waren schon mal im Fernsehen, haben schon Milliarden Konzerte gegeben und produzieren CDs, ja, weißt du noch?! L.e.n.k. n.i.c.h.t. a.b.!“ Der Sänger rollte genervt mit den Augen und ließ den zappelnden Bassisten endlich los. „Ich würde dich auf offner Straße XXXX und XX und auch XX, wenn wir nicht – hör auf mich zu schlagen! Ich meins ernst! Wegen so was wird Miya uns schon nichts erzählen. Nur weil er seit längerem so enthaltsam wie ein Mönch lebt, heißt das ja nicht, dass wir uns nicht verlieben dürfen. Und wenn’s nun mal ineinander war... na ja, sei’s drum. Lässt sich doch jetzt auch nicht mehr ändern!“ Yukke schniefte gerührt und hörte auf Tatsurou in die Rippen zu puffen. „Aber, aber Tatsurou, aber das meinte ich doch gar nicht! Ich wollte nur nicht, dass der Wachmann mich für einen Transvestiten hält!“ Einen Moment lang war Tatsurou sprachlos. Dann fing er an, herzhaft und laut zu lachen. „Na wenn es weiter nichts ist, dann zieh das Ding eben auf!“ brachte er zwischen zwei Lachern hervor, hielt sich die schmerzenden Rippen und wischte die Lachtränen aus den Augenwinkeln. Im Fahrstuhl amüsierte Tatsurou sich weiter über Yukkes unabsichtliche Doofheit. „Jetzt hör doch endlich auf zu lachen! Ich will endlich das du aufhörst über mich zu lachen!“ Genau in diesem Moment öffnete sich zischend die Tür des Lifts. Der Wachmann stand direkt vor der Fahrtstuhltür, um auf den Plattformen seinen Abschlussrundgang zu machen und starrte Yukke an. Dummerweise hatte er trotz blonder Perücke und Mundschutz erstens: mit seiner normalen, leicht quäkigen Männerstimme gesprochen und zweitens: ein eindeutig männliches japanisches Pronomen benutzt (ore). Yukke schob den von erneuten – diesmal unhörbaren- Lachkrämpfen geschüttelten Sänger an dem verwirrt glotzenden Wächter schnell aus dem Gebäude heraus. Bis sie zu Hause ankamen, hatte Tatsurou sich wenigstens soweit eingekriegt, dass er den verstohlen geplanten Rest des Abends vorbereiten konnte. Er bat Yukke, Tee zu kochen, während er im Badezimmer ein Schaumbad einließ, künstliche Rosenblätter im Wasser und auf dem Futon nebenan verteilte, ein paar Dutzend Teelichter in beiden Räumen anzündete und in ein paar bequemere Klamotten schlüpfte. Dazu legte er eine aus der Grabbelkiste gekaufte alte Kuschelrock CD ein. Mit Tom Jones „It’s not unusual“ im Ohr schlich er in Latinloverpose, an der mit Mützen, blonder Perücke und Mickymausohren geschmückten Garderobe vorbei und präsentierte sich strahlend in der Schiebetür zum Wohnzimmer. Aber das Spiel war schon verloren. Yukke war sanft unter seinem Kotatsu eingeschlafen, den sie erst vorige Woche aufgebaut hatten; die dampfenden Teetassen noch unberührt auf dem Tisch. Tatsurous unlautere Absichten hatten sich der Macht eines mit Heizdecke versehenen Wintertisches ergeben müssen. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- PS: Das mit dem „aussprechen“ ist nicht auf alle zu beziehen; ich mein nur, dass Sänger es einfacher haben, mit Worten um sich zu werfen, das ist schließlich ihr Job. Ich wage zu bezweifeln, dass jemand wie Kyo sein Herz außerhalb der Bühne auf der Zunge trägt >.<. Oder auch Gara, das (offiziell immer so) ernste Vieh XD. PSS: In Japan fährt man links und deswegen ist das Lenkrad rechts und Tatsu steigt auf dieser Seite auch ein. PSSS: man kann wirklich im Disneyland in voller Kitschmontur heiraten *_*** PSSSS: Oh ja, Tokyotowerkitsch *_*(In Ermangelung des Eifelturms..) PSSSSS: Yukke ist gerührt und Tatsu ist geschüttelt XD ..LOLOLOLOL. PSSSSSS; Ein Kotatsu ist eine wunderbare Erfindung für Wohnungen ohne ordentliche Heizung und Isolierung und besteht aus einem niedrigen Tisch, unter dem eine warme Heizdecke angebracht ist, die bis zum Boden reicht und unter der man im Winter ganz wunderbar seine Beine strecken kann. Ich hab mal gelesen, dass nichts so einschläfernd wirkt wie ein Kotatsu. Außerdem mag ich das Wort (es klingt ähnlich wie Tatsurou >.<) Kapitel 12: Kapitel 10 ~jugendfrei~ ----------------------------------- Kapitel 10 „Tatsuroooooou! Tatsuroooooou! Kommst du endlich?“ Genervt stand Yukke in der Tür und sah Tatsurou dabei zu, wie jener in der ganzen Wohnung seine Schuhe suchte. „Deine Stiefel stehen hier, neben der Tür, wo sie hingehören. Mittlerweile solltest du das wissen.“ Der Sänger kam auf ihn zu gerannt, rollte genervt die Augen gen Himmel und zog sich schnell die weichen, dunkelbraunen Stiefel an. „Hetz doch nicht so. Ich komm schon nicht zu spät. Dafür fährst du viel zu schnell Auto!“ Seinen dunkelgrünen Parka warf er schnell über die Schultern, die schwarze Lieblingsmütze musste auch noch dazu. Es war unangenehm kühl geworden, dieser Tage in Tokyo. Seit knapp einem Monat, seit Satochi aus dem Wald „zurückgekehrt“ war, hatte sich ihr aller Leben einigermaßen normalisiert. Soweit Tatsurou wusste, war Miya zu Hause bei seiner Mutter in Mito. Yukke hatte mit ihm telefoniert und erzählt, dass Miya sich einen Hund angeschafft hat und ihn „Gizmo“ nannte. Das amüsierte den Sänger ausgesprochen, denn er konnte sich gut vorstellen, wie ihr Leader mit dem kleinen Tier Gassi ging und Stöckchen werfen spielte. Obwohl er immer so eine coole Schiene fuhr, hatte der kleine Gitarrist eine kleine Schwäche für kleine Dinge. Wenn ihn das nicht wenigstens etwas entspannte, dann wusste Tatsurou auch nicht weiter. Auch Satochi war auf Reisen, jedoch war er nicht in seine Heimat gefahren, sondern nach Neuseeland in den Abenteuerurlaub. Nach seinen eher unangenehmen Erfahrungen ganz allein im Wald rund um den Biwa See, hatte er einen Trip in die Wildnis des auf der anderen Hemisphäre gelegenen Inselreichs gebucht. Neben dem obligatorischen Bungeejumping und Wildwasser Rafting plante er, einen Überlebenskurs mitzumachen. Tatsurou mochte sich gar nicht vorstellen, wie Miya auf diese Nachricht reagiert hatte. Er selbst war zusammen mit Yukke damit beschäftigt, in der winzigen Wohnung des Sängers zu renovieren. Seit dem letzten Konzert ihrer Sommertournee, hatte er ohnehin keine Nacht mehr darin verbracht. Yukke hatte es nicht erlaubt und er hatte es so zugelassen. Letztlich beschloss Tatsurou, dieses Apartment aufzugeben und zu seinem Bassisten zu ziehen. Diese zwei Monate Pause waren ohnehin die längste Zeit, die sie seit Jahren am Stück frei hatten und in Tokyo verbrachten. Somit würden alle ohne weiteres die Erklärung schlucken, sie hätten eine WG gegründet, um Geld zu sparen. Schließlich hatten sie auch schon vor einigen Jahren- bevor ihnen Erfolg vergönnt war- Tisch und Stuhl geteilt. Dass Miya und Satochi trotzdem bald etwas merken würden, war Tatsurou klar. Aber er hielt seine beiden Freunde für tolerant und offen genug, als dass er sich großen Sorgen um ihre Reaktion machte. Trotzdem war- was ihn und Yukke betraf- zu Tatsurous Leidwesen, nicht besonders viel passiert. Yukke erwies sich als schüchterner, denn Tatsurou je gedacht hatte. Scheinbar lockten nur Extremsituationen den blonden Mann aus seinem Schneckenhäuschen. Zu mehr als Küssen hatte er sich noch nicht hinreißen lassen. Sie schliefen zwar Nacht für Nacht im selben Zimmer, direkt nebeneinander, aber das war es auch schon. Hin und wieder wachte Yukke auf und Tatsurou hatte im Schlaf- oder absichtlich? - seinen Arm um ihn geschlungen und hielt ihn warm. Dagegen hatte er auch nichts. Nur Tatsurous ständige Annäherungsversuche, immer wenn er gerade etwas anderes zu tun hatte, zum Beispiel aufräumen, kochen oder Bass üben, irritierten ihn dermaßen, dass er ihn auch dann abblockte, wenn er eigentlich nichts zu tun hatte. Er musste sich eingestehen, dass er zwar schon länger Gefühle, die über Freundschaft hinausgingen für den charismatischen Sänger hegte, aber noch nie richtig über das hinterher nachgedacht hatte. In der romantischen Verklärtheit seiner kleinen, rosa- tuffigen Spielzeugwelt, kamen Begriffe wie „Fummeln“ oder gar „Sex“ eher selten vor. Wie versprochen, ging der Sänger zudem wieder zu seiner alten Gesangslehrerin. Auch heute hatte er wieder Unterricht, deshalb trieb ihn Yukke auch so zur Eile an. Denn der blonde Bassist mit dem unerbittlichen Sinn für Ordnung kehrte mal wieder die Glucke heraus und brachte ihn jedes Mal persönlich hin und wieder zurück. Dies war zwar nervtötend, aber berechtigt. Denn Tatsurou tendierte ja in der Tat dazu, mit jedem Termin immer ein bisschen später zu kommen. Das wusste er selber, hielt ihn aber nicht davon ab, sich trotzdem darüber zu ärgern, dass Yukke so hetzte. Wenigstens halfen die Stunden- die er für nicht wenig Geld- bei der alten Dame nahm. Eine seiner größten Befürchtungen war schon immer gewesen, dass er schlecht singen würde; er wollte nicht versagen, wollte die anderen nicht enttäuschen, wollte seine Fans nicht unzufrieden nach einem Konzert nach Hause gehen lassen. Die vertrauten Übungen beruhigten ihn und bauten das Vertrauen in seine Fähigkeiten wieder auf. Auch wenn die Sensei streng war, er mochte ihre ruppige Freundlichkeit und ihren anerkennenden Blick, wenn er gute Arbeit geleistet hatte. An diesem Tag lief die Stunde besonders gut. Gut gelaunt packte Tatsurou die Notenblätter zusammen, die er heute benutzt hatte, als seine Sensei lächelnd auf ihn zukam. „Beeilen sie sich, Tatsurou- kun, lassen sie ihren Chauffeur nicht noch länger warten.“ „Was? Wieso noch länger?“ Erstaunt schaute Tatsurou sie an. „Na, das Auto mit dem blonden jungen Mann, der immer die 2 Stunden, die sie hier sind, am Straßenrand parkend auf sie wartet. Das sehe ich doch durchs Fenster.“ Sie nahm dem verdutzten Sänger die Blätter aus der Hand und schob ihn sanft aus dem Musikzimmer. „Du wartest jedes Mal die ganze Zeit hier auf mich? Wieso fährst du nicht woanders hin oder gehst einkaufen oder machst irgendwas?“ Tatsurou steckte den Kopf durch die Beifahrertür auf der linken Seite und sah Yukke mit kugelrunden Augen an. „Vergiss es. Steig ein. Morgen ist Halloween.“ Yukke versuchte von seinen zart roten Wangen abzulenken, indem er Tatsurou ruppig in den Wagen zog und ein anderes Thema anschnitt. Tatsurous obligatorischen, frechen Augenaufschlag konnte er aber damit nicht verhindern. „Und? Möchtest du irgendwas machen?“ „Mmmh, morgen ist Freitagabend und ein paar Leute von Danger Crue schmeißen eine Kostümparty... und ich hab da dieses tolle Jack- Kostüm gesehen. Du weißt schon, von Nightmare before Christmas. Mit Totenschädelperücke und Plastikkürbis.“ Yukke hatte das Glitzern in den Augen, welches dort immer auftauchte, wenn er ein absolut lächerliches Kleidungsstück gesehen und den ganzen Tag anziehen wollte. Und es auch noch toll fand. „Und du hast es schon gekauft?“ fragte Tatsurou, der schon das Schlimmste ahnte. „Ja.“ „Warum fragst du denn überhaupt noch? Du willst dich doch eindeutig an dem Abend mit dieser Gummiglatze zum Affen machen. Gehen wir eben hin… hm ich muss dann auch noch schnell was besorgen…“ „Jo.“ Am nächsten Abend zog sich Tatsurou im Badezimmer heimlich sein Kostüm an. Zufrieden begutachtete er sich von links, von rechts, dann zog er seine Jacke über und machte sie bis oben zu. Gestern hatte er sich noch schnell in Harajuku in einen Laden begeben und von der Verkäuferin komplett ausstatten lassen. Er freute sich schon auf Yukkes Reaktion, wenn er sich später in der Bar den Parka auszog und wie ihm dann die Kinnlade herunterklappe würde. Ein Zimmer weiter, vorm Schlafzimmerspiegel, betrachtete sich Yukke in seinem Jack- Anzug. Er zupfte noch an der schwarzweiß gestreiften Katzen- Schleife um seinen Hals und zog die weißen Knochenhandschuhe an. „Damit siehst du aus wie einer von Balzac.“ Tatsurou stand mit verschränkten Armen im Türrahmen. Yukkes weiß geschminktes Gesicht mit den aufgemalten Nähten am Mund lächelte ihn an. Ohne die weiße Gummiglatze, die der Bassist noch in der Hand hielt, befand Tatsurou, dass ihm der Frack eigentlich sehr gut stand und gar nicht so albern aussah, wie er vorher angenommen hatte. Das sagte er ihm natürlich nicht. Aber wie er ihn jetzt so anstrahlte, die großen Augen wirkten durch die schwarze Umrandung noch größer als sonst, sah er definitiv sehr niedlich aus. „Lass uns fahren. Wir kommen sonst noch zu spät. Und vergiss deinen Plastikkürbis nicht.“ „Hey, das ist mein Spruch.“ protestierte Yukke und zog die Gummikappe über seinen blonden Topfschnitt. Seufzend wandte Tatsurou sich ab. Jetzt sah er nur noch bescheuert aus. In der gemütlichen Bar in der Nähe des Danger Crue Hauptsitzes, war die Party schon in vollem Gange. Laute Rockmusik dröhnte durch den rauchgesättigten Raum. Es war zwar nicht mehr Dekoration als ein paar echte Kürbislaternen und falsche Spinnweben an der Wand vorhanden, aber dafür war der Buffettisch reich gedeckt. Besonders die riesige Bowleschüssel mit roter Flüssigkeit hatte es sofort Yukke angetan. Noch ehe sie einen Platz gefunden hatten, stürmte er an Hyde im Vampirkostüm, der mit Ken und Yukihiro in blutverschmierten Samuraikostümen schäkerte, vorbei und schenkte sich zwei große Gläser Bowle ein. Darin tanzten Weintrauben wie Augäpfel auf und ab, als er sich durch die Menschenmenge hindurch, zurück zu Tatsurou schlängelte, der inzwischen am letzten leeren Tisch Platz genommen hatte. „Schade, dass Sato heute nicht da ist, die spielen bestimmt auch Helloween heu-“ Yukke stockte der Atem. Auffällig unauffällig zog Tatsurou den Reißverschluss seiner Jacke auf und ließ sie seine Schultern herab gleiten. Mit dem Parka an, konnte man nur seine Schachbrettfingernägel und das verwischte schwarze Make up am Mund sehen; dies trug er auf der Bühne jedoch öfters. Aber seine Kleidung bestand heute aus einem leicht zerfetzten, schwarzen Netzhemd und vor allem aus einer mit vielen silbernen Schnallen und Nieten besetzten, schwarzen Ledercorsage mit einem asymmetrischen Träger auf der rechten Seite. „Was ist denn das? Ein Hizumi- Cosplay?“ Yukke ließ vor Lachen beinahe die Gläser fallen. Peinlich berührt musterte er die Kleidung genauer. Manchmal waren Tatsurous seltsame Fetzen wirklich schlimmer als seine eigenen Klamotten. „Das traust du dich bestimmt nicht anzuziehen, wenn wir beim Beautifools fest bald mit ihnen auftreten! Da lachen dich doch alle aus!“ „Wollen wir wetten?“ Tatsurou stützte die Arme in die Seiten und funkelte ihn kampfeslustig an. „Um was?“ „Also, wenn du gewinnst, dann putz ich einen Monat lang die Wohnung! Wenn ich gewinne..“ Tatsurou legte seine gefalteten Hände an Yukkes Ohr und flüsterte etwas. Yukke wurde zum tausendsten Mal in dieser Geschichte knallrot. „Nein!“ rief er halb entsetzt aus. „Einen ganzen Monat putzen! Mit Bad und Küche!“ Yukke zögerte, bedachte, wie viel Zeit er dann zum Tatsurou-beim-Putzen-zukucken-und-ihn-dabei-ärgern hätte, kippte seine Bowle auf Ex hinunter und nickte zögerlich. Er würde es nicht wagen, vor dem großen Publikum, den ganzen anderen Bands und den vielen Videokameras in der Tokyo NK Hall SO herumzulaufen. Den Rest des Abends tranken sie abwechselnd Bowle und Sake, machten mit allen 4 Bandmitgliedern von La vie en Rose Trinkspiele und unterhielten die halbe Bar mit Karaoke. Tatsurou erwies sich als der geborene Entertainer und brachte sogar ein paar ältere, bebrillte und mit öden Krawatten ausgestattete Managertypen aus der Geschäftsetage dazu, mit ihm „Thriller“ von Michael Jackson nachzutanzen. Er hatte natürlich die Hauptrolle inne und zerrte Yukke auf die Tanzfläche, damit jener das kreischende Mädel spielen konnte. Gegen halb 3 am nächsten Morgen zerrte Yukke den angeheiterten Tatsurou aus der Bar; sie hatten für diesen Abend schon genug getrunken. Eigentlich sollte der große Sänger nicht soviel trinken, er konnte sich selbst nie beherrschen; das hatte er sich sogar selbst vorgenommen, nachdem er gegenüber Miya im Rausch so grausam war. Nur in Ausnahmefällen, wenn sie frei hatten erlaubte er sich selbst, überhaupt zu trinken, und dann auch nur wenn er nicht alleine war und jemand auf ihn aufpasste. Tatsurou hatte sich die Gummiglatze geschnappt und erschreckte damit die Mädchen auf der Straße. „Weißt du, diese alten Knacker sahen wirklich schon wie Zombies aus, auch ohne so ein Kostüm.“ Rief er fröhlich durch die kalte Nachtluft und grinste sein gewinnendes Tatsurou- Grinsen. Als sie den Taxistand erreichten, warf er die dämliche Gummiperücke auf einen Müllhaufen in einer dunklen Gasse, als Yukke gerade wegschaute. Das Ding wollte er an ihm nicht noch einmal sehen, wenn dann sollte er Sachen tragen, in denen er wenigstens noch halbwegs putzig aussah. Sie setzten sich beide hinten in das Auto. Im Laufe der Fahrt merkte Yukke, wie Tatsurou immer näher neben ihn rutschte, bis sich ihre Hände berührten. Er legte seine langen, schmalen Finger auf die Yukkes und drückte fest zu. Der junge Bassist erinnerte sich an den Moment, als sie sich im Bach geküsst hatten und sein Herzschlag beschleunigte sich. Er wusste noch, was damals zwischen ihnen passiert war. Die vielen Becher rote Blutbowle und der Sake hatten jetzt aber ein paar Hemmungen in ihm gelöst. Der Taxifahrer fuhr jetzt von der hell erleuchtenden Hauptstraße ab und bog in die dunkleren Wohngegenden ein. Als er sich gerade fluchend über einen Raser aufregte, ergriff Yukke die Gelegenheit und gab Tatsurou in der alles umfassenden Dunkelheit einen zaghaften Kuss, ihre Lippen berührten sich kaum, so schnell ging es wieder vorbei. Tatsurou hatte ein bisschen weiße Schminke abbekommen, die Yukke ihm nun schnell mit dem Ärmel aus dem Gesicht wischte. Er musste daran denken, sich abzuschminken, bevor, ja bevor was? So ganz genau mochte sein vom Alkohol vernebelter Verstand das auch nicht sagen. Ein paar Minuten später erreichten sie endlich den Gebäudekomplex, in dem sie zusammen wohnten. Yukke sauste schnell ins Badezimmer und wischte sich die ohnehin schon verschmierten Reste der weißen Totenkopfschminke aus seinem Gesicht. Als er aus der Tür heraustrat, stieß er gegen Tatsurou, der ebenfalls ins Bad wollte. Die schwarze Farbe um seine Lippen war schon fast weg; er hatte in der Bar schon auf der Toilette sein Gesicht kalt abgewaschen, aber Tatsurou wollte auch nicht zum Abschminken ins Bad, sondern er hatte vor, Yukke zu holen. „Es ist noch Eis im Kühlschrank, wenn du magst.“ Der Sänger wusste, wie gerne Yukke mitten in der Nacht noch naschte. „Nein. Ich hab keinen Hunger.“ Tatsurou und Yukke standen sich jetzt ganz dicht gegenüber. Sie berührten sich nicht, waren sich aber nah genug, um die Körperwärme und den Atem des anderen zu spüren. Man konnte deutlich riechen, dass jeder von ihnen beträchtlich viel Alkohol getrunken hatte. Tatsurou nahm Yukkes Hand, legte sie auf seine Brust. Yukke konnte Tatsurous schnellen Puls fühlen und errötete ein wenig. Ein wenig musste er aufblicken, um dem Blick des Größeren begegnen zu können. In der düsteren Wohnung wirkten seine dunkelbraunen Augen schwarz und leuchteten. „Yusuke.. ich will mit dir schlafen.“ Yukkes Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Das hatte er jetzt nicht erwartet. Ein paar Atemzüge später nickte er trotzdem verhalten. Es wäre grausam gewesen, hätte er Tatsurou schon wieder abgewiesen, zumal er damit seinen eigenen Bedürfnissen völlig widersprochen hätte. Er wollte ihn ja auch. „Komm her.“ Sanft strich der Sänger über Yukkes Haar und zog ihn an sich. Immer noch etwas zögerlich erwiderte er die Umarmung. Er legte seine Arme um Tatsurous Taille und machte die Augen zu. „Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich..“ flüsterte Tatsurou in sein Gesicht, schloss ebenfalls die Augen, bevor sich ihre Lippen in einem zarten Kuss trafen und langsam aber sicher, immer stürmischer und wilder voneinander Besitz ergriffen. Sie trennten sich keuchend, weil keiner von ihnen mehr Luft bekam. Tatsurou schob Yukke ein Stück von sich, zog ihm gnadenlos Frack und Hemd aus. Sein schwarzes Korsett und das Netzhemd warf er achtlos in die Ecke. Die Schnallen klirrten, als sie gegen die Wand trafen. Er schob Yukke ins Schlafzimmer, stieß ihn auf den Futon und warf sich gleich hinterher. „Aua! Was wirfst du mich hier durch die Gegend?“, beschwerte sich Yukke mit gespielten Ernst. „Sei still.“ Yukke schwieg. In Tatsurous Stimme, seinen Gesten, seinen Berührungen lag eine Intensität, die er vorher noch nicht kannte. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte ihn für einen vollkommen anderen Menschen gehalten. Nichts war mehr von der nonchalanten Leichtigkeit übrig, die der Sänger normalerweise ausstrahlte. Das war aber auch nicht die charismatische Bühnenpersona, die er bei ihren Auftritten anlegte, mit der er jedes Fanherz zum Schmelzen brachte. Es war etwas anderes, etwas komplett Neues. Ein Neuanfang. Zögernd erwiderte Yukke Tatsurous Berührungen. Sie lagen nah beieinander auf dem weißen Futon (den Yukke nie einrollte, seit Tatsurou bei ihm wohnte, der immer für ein kleines Schläfchen zu haben war). Nur der schmale, zunehmende Mond und die schwummerige Deckenlampe im Flur erhellten den Raum. Es erstaunte Yukke, dass an Tatsurous schlanken Körper nicht ein Makel die blasse Haut entstellte. Er hatte irgendwie erwartet, dass Tatsurou ein paar Narben hatte, sicherlich war er ein sehr wildes Kind gewesen und ständig mit Schrammen zu Hause angekommen. Aber nichts davon konnte Yusuke nun entdecken; so genau hatte er ihn noch nie betrachtet, warum auch, vor nicht allzu langer Zeit war der Sänger doch „nur“ sein bester Freund gewesen. Gebannt verfolgte Yukke wie sich die feste Bauchdecke hob und senkte im Rhythmus der flachen Atemzüge. In dem geringen Lichtschein konnte Yukke nicht widerstehen und fuhr mit dem Finger sachte über die zuckenden Muskeln. Eine Gänsehaut überzog Tatsurous Rücken. Es erregte ihn, dass Yukke endlich auch mal die Initiative ergriff; wie schon vorhin im Taxi, als er ihn ohne Vorwarnung einfach geküsst hatte. Dieser Kuss hatte nach mehr geschmeckt. Vielleicht konnte Yukke heute Nacht seine Schüchternheit überwinden. Fordernd strich er über Yukkes Brust, seine Arme, sein Gesicht, umfasste es mit beiden Händen und küsste ihn wieder voller Leidenschaft, biss ihm neckisch in die Unterlippe, genoss es, dass der Bassist heute so willig war. Vom Sake mutig beseelt, fasste Yukke zwischen sie beide und plötzlich stöhnte Tatsurou laut und grob in ihren Kuss. „Mach ich das richtig so?“ fragte er unsicher und trennte sich kurz von dem Sänger. Heiser bejahte Tatsurou und keuchte: „Du machst das ziemlich gut, dafür, dass ich dich noch nie richtig im Bett hatte!“ „Rou- chan!“ Diese Bemerkung hatte an Yukkes Stolz gekratzt, jetzt sann er auf Rache. Er beugte sich vor und suchte wiederum Tatsurous Mund. Erhitzt erwiderte jener Yukkes hemmungslosen, tiefen Kuss. Yukke spürte, wie Tatsurou währenddessen plötzlich lächelte und das spornte ihn noch mehr an, ihn zu bestrafen. Statt mit dem Offensichtlichen weiterzumachen, fing er an, ihm mit der anderen, flachen Hand auf den Kopf zu patschen. „Yusuke! Was soll das?“ empörte sich der Sänger „du machst die ganze Stimmung kaputt!“ „Musst du grad sagen! Mit deinen Sprüchen! Soll ich mal Stimmung machen?“ Schnell rutschte er ein Stück weg, richtete sich auf und zerrte an Tatsurous ohnehin schon halb offener Hose, um sie mit einem Ruck auszuziehen. Über seine eigene Dreistigkeit verwundert, hielt er das Kleidungsstück noch einen Moment in der Hand. Das ließ Tatsurou mehr als genug Zeit zum Gegenangriff überzugehen. „Jetzt geht’s aber los!“ Er lächelte noch fieser als sonst, zog Yukke in Windeseile komplett aus und legte sich halb auf ihn. „Tat- chan.. Ich- ich hab Angst.“ nun ging es dem Jüngeren nun doch zu schnell und er flehte mit großen Augen um einen kleinen Aufschub. „No panic!“, gab Tatsurou großspurig an, obwohl er selbst ziemlich nervös war und das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken versuchte. „Ich hab recherchiert… und ich war shoppen.“ „Du warst shoppen?“ Mit noch größeren Augen glotzte Yukke ihn an. „Jaaa. Vor ein paar Wochen. In Shinjuku.. du weißt schon.“ knurrte er und knirschte mit den Zähnen. „In Shinjuku ni- chōme? Im Schwulenviertel?“ Unwillkürlich gluckste Yukke bei der Vorstellung wie Tatsurou – vermutlich mit Mütze, Sonnenbrille und Mundschutz getarnt- in dem berüchtigten Stadtteil nach einem Sexshop Ausschau hielt. Vermutlich hatte er in dem Laden stundenlang jedes einzelne Produkt genaustens begutachtet, bis ein völlig entnervter Verkäufer ihm einfach irgendwas in die Hand gedrückt hatte. Yukke kannte Tatsurous Neugier nur zu gut. „Was hast du gekauft?“ „Ach, der Verkäufer hat mir irgendwas in die Hand gedrückt, so ne Kiste“, er lehnte sich über Yukke und zog einen unscheinbaren schwarzen Karton unter einem zusammengeknüllten Pullover hervor „ich hab nur das Heftchen gelesen.“ Neugierig angelte Yukke in dem Pappkarton herum, auf dem in silberner Farbe zwei kleine Männchen abgebildet waren, die händchenhaltend in einen Sonnenuntergang liefen. Darunter stand in schnörkeligen Buchstaben: “Starters Box“. Yukke brauchte einen Moment um das Englisch zu übersetzten, da seine Romanjikenntnisse zu wünschen übrig ließen. Der Titel war genauso peinlich, wie passend. Neben einer Tube, einer Schachtel mit quietschbunten Kondomen und dem schon erwähnten dünnen Heft, lag ganz unten eine DVD. Feixend hielt der Bassist Tatsurou die Hülle unter der Nase; man konnte im dämmerigen Lichte gerade so den Titel erkennen: „’Unter Männern’! Hast du den schon gekuckt?“ „Was? Da war noch nen Film drin? Oh Mann…“ Tatsurou genierte sich und versuchte ihm die DVD wegzunehmen. „Genau!“ Lachend kugelte sich Yukke auf dem Futon, bis er den Softporno einfach in den Flur warf. Dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. Schlagartig änderte sich die Stimmung. Tatsurou flüsterte ihm etwas ins Ohr; seine Stimme klang rau und sinnlich, sie erinnerte Yukke an das Lied ’Soushin no koe’ von ihrer letzten CD. Yukke mochte seine Stimme schon immer, sie konnte klingen wie die düsterste Finsternis, welche die Welt je gesehen hat, wie ein hoffnungsvoller Lichtstreifen am Horizont, wenn die Sonne aufging oder wie ein zerbrechliches Stück Glas, das kurz davor war, am Boden zu zerschellen. Mit dieser Stimme flüsterte Tatsurou nun kleine Dinge, unanständige, zärtliche Gedanken in sein Ohr. Er fühlte sich überreizt, aber er hatte sich ja geschworen, ihm nie wieder wehzutun. Bis er das Gefühl hatte, der Bassist wäre bereit, fuhr er fort, ihn ganz einfach sanft zu streicheln und sich mühevoll zu beherrschen. Yukke wunderte sich über Tatsurous Geduld, er selbst schwankte schon gefährlich nah an der Kante, sich einfach auf den anderen zu stürzen, wie mochte es da dem größeren Mann ergehen? Jener hatte offensichtlich mehr Erfahrung in solchen Dingen und im Gegensatz zu Yukke auch noch die augenscheinlich einfachere Rolle heute Nacht übernommen. Nach einer scheinbar endlosen Zeit ergriff Yukke Tatsurous schmale Handgelenke, hauchte einen Kuss auf den rasenden Puls und gab ihm mit einem winzigen Nicken Bescheid. Er konnte hören, wie der Sänger durch die Zähne scharf Luft einzog und tief ausatmete. Dann bewegte er sich kurz von ihm weg, machte sich an dem Karton zu schaffen. „Vertraust du mir?“ fragte er leise. „Ich vertraue dir.“ Ein sirrendes Geräusch klingelte in Yukkes Kopf, wie immer bei extremer Aufregung. Ein paar tiefe Atemzüge später war der Ton verschwunden, genau wie Tatsurou mit seinen Vorbereitungen fertig war. „Tat- chan, warte!“ Überrascht sah Tatsurou auf. „Was ist? Wir können aufhören wenn du willst, ich will dich doch zu nichts zwingen.“ „Nein.. ich- ich wollte noch etwas sagen, bevor… bevor wir es tun.“ Stotternd fasste sich Yukke ein Herz und sprach endlich aus, was ihm auf der Seele lag: „Tat- chan.. ich liebe dich auch.“ „Danke, Yusuke. Das bedeutet mir wirklich viel.“ Er lächelte warm. Yukke knurrte vor Schmerz und keuchte unregelmäßig. „Ganz ruhig, Yu- chan, denk an was Schönes; es wird gleich besser.“ Mit zusammengepressten Augen versuchte Yukke krampfhaft, sich nicht zu verkrampfen und dachte an Sonnenblumen. Behutsam machte Tatsurou weiter, voll konzentriert auf Yukkes Reaktion. Sein Atem wurde gleichmäßiger, als er sich ein wenig entspannen konnte. Die Lider hielt er weiterhin fest geschlossen. „Yu- chan…“ vor Anspannung aufgeregt zitternd, beugte sich der größere Mann über ihn. „Sieh mich an.“ Yukkes Augenlider flatterten, er öffnete sie langsam und sie sahen sich tief in die Augen. Trotz der Schmerzen hielt Yukke angestrengt die Augen auf, nichts wollte er von dem wahnsinnigen Gesichtsausdruck vergessen, den Tatsurou in diesem Moment hatte. Jener hatte sein schwarzen, glänzenden Augen weit aufgerissen, starrte ihn an, als könnte er in die Abgründe seiner Seele schauen, als ob all die Facetten seiner Persönlichkeit für ihn offen lägen und er wie ein Buch darin lesen könnte. Es war weniger schlimm, mit ihm das erste Mal zu schlafen, als er angenommen hatte, Tatsurou nahm sich - entgegen seiner üblichen Ausgelassenheit- sehr zurück und behandelte ihn sanft, wie ein kostbares Juwel. „Tatsurou.. es ist schon gut. Du kannst ruhig… mehr machen.“ Yukke war der feine Schweißschleier auf der gerunzelten Stirn Tatsurous nicht entgangen, der ihm anzeigte, wie konzentriert der andere versuchte, seine wahren Instinkte zu unterdrücken. Erleichtert atmete der Sänger aus. Nichts hätte ihn jetzt noch aufhalten können, er fing wieder an Yukke ins Ohr zu flüstern, nagte an der weichen Haut, spürte Yukkes feuchten Atem an seiner Wange, hörte sein erregtes Stöhnen ganz nah. Jetzt war er sich sicher, seinen Geliebten nicht unabsichtlich zu verletzen. Es war unbeschreiblich ihn so intensiv zu spüren, niemals hätte er angenommen, wie verbunden man sich auch auf einer tieferen Ebene fühlen konnte, wenn man einfach nur Sex hatte. Yukke merkte deutlich, dass Tatsurou alle Hemmungen fallen ließ, musste sich in seinem Rücken festkrallen, um den Halt nicht zu verlieren. Eine Welle völlig neuer Empfindungen erfasste ihn, Tatsurou hatte instinktiv einen Punkt gefunden, einen Rhythmus entwickelt, der ihnen beiden den Sinn für Zeit und Raum, für jegliche Realität raubte. Er zog Tatsurou noch viel näher nah sich heran, küsste seine nach Salz schmeckenden Lippen, sah ihn an und schloss die Augen. Nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander. Tatsurou suchte die Decke, um sie beide warm zuzudecken, legte seinen Kopf auf Yukkes Brust, seinen Arm um seine Taille und schlief sofort ein. Der Bassist war noch zu zittrig um sofort schlafen zu können, stattdessen schaute er zu, wie das Blut aus Tatsurous Wangen wich, schob ihm ein paar Strähnen aus der Stirn, die an der feuchten Haut klebten und schloss die Augen. Kaum hörbar wiederholte er seine Worte von vorhin: „Rou- chan, aishiteru.“ Am nächsten Morgen wurden sie beide gleichzeitig vom Klingeln an der Haustür geweckt. Tatsurou stand aus den auf und zog sich einen einfachen blauen Yukata über, nur um einen Vertreter für neuartige Staubsauger abzuwimmeln. Genervt ging er ins Schlafzimmer zurück und kuschelte sich wieder in die warmen Laken. Der Yukata ging auf sich und man konnte seinen nackten Bauch sehen. „Du bist viel zu dünn.“ ärgerte Yukke seinen Lover, während er mit dem Finger über die hervorstehenden Rippen Tatsurous strich. „Siehst du, ich kann mit der Hand locker deinen Unterarm umfassen; ich glaube, ich muss dich mit mehr Ramen füttern!“ „Hey! Wenigstens bin ich nicht so moppelig wie du!“ schoss Tatsu zurück. Yukke klatschte mit der flachen Hand auf den bloßen Bauch des anderen und antwortete: „Wie kann ich denn moppelig sein, ich bin kleiner und leichter als du und du bist groß und dünn, also wie soll das gehen?“ „Ganz einfach, du bist nicht so gut im Training wie ich, hast einen Pottschnitt und hier dieses kleine Speckröllchen.“ Zur Demonstration zwickte er Yukke in den Bauch. „Das ist nur Haut! Und was haben meine Haare mit all dem zu tun?“ verteidigte sich der stark verwirrte Bassist. „Na ja, die Frisur hat so einen schlechten optischen Einfluss auf deine Gesamtfigur, schlechtes Karma, sodass du letztlich von oben nach unten total mopp- hey!“ Yukke hatte sich auf ihn gestürzt und auf den Rücken gedreht. Tatsurous Handgelenke hielt er fest auf die Matratze gedrückt. „Weißt du was?“ Er blickte an die Decke. “Das gestern war nicht schlecht, aber…“ „Aber was? Gibt es etwas an meinen Qualitäten auszusetzen?“ Obwohl Yukke nicht hinsah, wusste er einfach, dass Tatsurou jetzt eine Augenbraue hob. Und vorwurfsvoll kuckte. Dabei rümpfte er auch immer die Nase und schürzte die Lippen. „Nein, das mein ich nicht. Außer, dass mit jetzt noch einiges wehtut, was aber nicht deine Schuld ist... es war ja schön, aber, “ Yukke senkte betroffen den Kopf und druckste herum: „wir waren beide ziemlich betrunken und da ist es nicht so romantisch geworden, wie ich eigentlich dachte, dass es werden würde und...“ „Was denn, soll ich dich das nächste Mal vorher heiraten?“ Tatsurou befreite sich, sprang auf, kniete sich vor Yukke und hielt seine Hand: „Yukke, willst du mein angetrauter Pottschnitt werden, mich lieben und ehren, bis dass der Miya, ähm, der Tod uns scheidet?“ „Du bist doof!“ rief Yukke lachend und schob Tatsurou mit den Füßen weg von sich. Der landete ebenfalls lachend rücklings auf der weichen Tatami Matte. Yukke sprang auf, verzog kommentarlos das Gesicht, setzte sich seitlich auf Tatsurous Bauch und begann zu philosophieren. „Also, wenn du mich wirklich, wirklich richtig gut rumkriegen willst“, dabei drehte er sich zu Tatsurou und kaute anzüglich auf seiner Lippe herum „dann musst du dich schon mehr anstrengen!“ Mit diesen Worten erhob er sich, um jetzt endlich in der Küche ein großes Vanilleeis zu essen. PS: Ja, ich weiß es heißt „Tisch und Bett geteilt“. Aber dem war ja damals noch nicht^^ PSS: Ich mein mit Hizumi natürlich den von D’espairs Ray ^^ Und Hyde, Ken und Yukihiro von L’arc en ciel^^ PSSS: Shinjuku ni-chōme (jap. 新宿2丁目), oder einfach Ni-chōme, ist ein Viertel des Tokioter Stadtbezirks Shinjuku, das vor allem als Tokios Amüsierviertel für Schwule bekannt ist, ähnlich dem Taylor Square in Sydney. Es erstreckt sich über mehrere Straßenzüge 500 Meter östlich vom Bahnhof Shinjuku. Shinjuku-ni-chōme ist die bekannteste Gegend für Schwule in Tokio. Von Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Shinjuku_ni-chome PSSSS: Das Wort „patschen“ wurde auf Wunsch von VegMac benutzt XD PSSSSS: Googelt mal „Vanilla“ (nicht den Song, die umgangssprachliche Bedeutung) harharhar, dann wisst ihr, warum Yukke am Ende so ein Eis isst XDD Kapitel 13: Kapitel 12 ---------------------- Kapitel 12 Seufzend macht Tatsurou kehrt um, blies die Kerzen wieder aus, um nicht nachts alles abzufackeln und setzte sich neben den schlummernden Bassisten. Yukke schlief so tief, er brachte es nicht übers Herz, ihn jetzt zu wecken. Aber er würde am nächsten Tag ganz schön stöhnen, wenn er die ganze Nacht nur auf dem Boden schlafen würde. Und er, Tatsurou, würde die ganze Nörgelei mit anhören zu müssen und das würde die leise Hoffnung auf weitere amouröse Abenteuer völlig begraben. Manchmal war Yusuke aber auch gar zu launisch. Er holte ein paar Decken, platzierte sie passend unter den Kotatsu neben Yukke und rollte ihn mit einiger Anstrengung darauf. Dabei wachte jener nicht einmal auf, sondern schlief seelenruhig weiter. Tatsurou überlegte noch, ob er es sich ebenfalls unter dem beiheizten Tisch mit der dicken, blauen Steppdecke und Yukke daneben gemütlich machen sollte, oder ob er drüben im kalten Schlafzimmer ganz alleine schlafen wollte. Da fiel ihm die Wahl nicht sonderlich schwer. Am nächsten Morgen wachte Yukke zuerst auf und wunderte sich, warum er denn nicht in seinem Bett lag. Tatsurou lag neben ihm, zu einer Kugel zusammengerollt unter der Kotatsudecke aus der nur noch sein Kopf herausschaute. Als Yukke aufstand, die ganzen Teelichter (von denen einige umgefallen und Wachsflecken auf dem Boden hinterlassen hatten) und das kalte Badewasser mit den traurig vor sich her dümpelnden Rosenblüten sah, war ihm völlig klar, welche Intention Tatsurou gehabt hatte. Immerhin hatte er Yukkes gestellte Bedingungen sogar am vorigen Abend allem Anschein nach erfüllt, aber der Bassist war einfach viel zu müde gewesen, um etwas anderes zu tun, als zu pennen. Er fand sich selbst ein wenig niederträchtig, dass er ihn so zappeln ließ. Aber es machte auch gar zu viel Spaß, zu sehen wie Tatsurou sich abstrampelte. Wie jeden Donnerstag hatte Tatsurou auch an diesem Vormittag wieder Gesangsunterricht, sodass Yukke ihn aufweckte, indem er ihn mit einer seiner eigenen rot gebleichten Haarsträhnen unter der Nase kitzelte. „Aufstehen! In einer halben Stunde musst du los, ich hab gestern ganz vergessen den Wecker zu stellen- wobei ich den hier ja eh nicht gehört hätte… mmh. Komm schon, anziehen, ich mach Frühstück.“ Brummend und torkelnd verschwand der morgenmuffelige Sänger im Nebenzimmer, zog die ersten verfügbaren Klamotten an, die er fand und kam immer noch brummend, aber weniger torkelnd wieder zurück. Er hockte sich auf die Küchenfensterbank wo jetzt einige seine geliebten Orchideen standen und schüttete Kaffee in sich hinein. „Wie passend!“ sagte Yukke und zeigte mit seinem Schneidmesser auf Tatsurous weißes T-Shirt. Auf der Brust war eine Micky Maus im Nostalgiestil aufgedruckt. Im Tran hatte er einfach das oberste Hemd aus dem Korb gegriffen. Tatsurou nestelte an dem Bild herum. „Weißt du… eigentlich hatte ich gar nicht vor, gestern mit dir ins Disneyland zu gehen.“ sagte er ganz nebenbei. „Das hab ich gesehen, die Plastikrosenblätter und die Kerzen waren recht eindeutig.“ Feixend drückte er Tatsurou ein Tablett in die Hand, welches er zum Tisch bringen sollte. „Nein- das meinte ich nicht- obwohl, ja doch eigentlich auch- aber nicht nur, weißt du, ich hatte dir etwas“ - sie bogen um die Ecke, Yukke trug die frisch aufgefüllte Teekanne “etwas ganz, ganz tolles besorgt, aber der Laden konnte nicht rechtzeitig liefern.“ „Hast zu spät dran gedacht, wie?“ Yukke kannte ihn wirklich schon zu lange. „Argh, ja schon, aber dafür hatte ich dann die tolle Idee mit dem Park, als ich das Micky Shirt hier gesehen hab und es hat dir doch Spaß gemacht, oder? Und dafür kriegst du dann das eigentliche Geschenk zu Weihnachten.“ „Du schenkst mir was zu Weihnachten? Das hast du doch bisher noch nie getan?“ Verdutzt schaute Yukke von seiner Misosuppe auf. „Stimmt doch gar nicht, vorletztes Jahr hab ich dir nen Weihnachtsmann aus Schokolade geschenkt. Außerdem ist das dieses Jahr was anderes. Wir sind ja jetzt- na du weißt schon.“ Eindeutig spielte Tatsurou darauf an, dass im kaum christianisierten Japan Heiligabend und Weihnachten mehr als romantisches Fest für Pärchen, denn als religiöse Feier galten. „Außerdem kann ich das Teil ja schlecht ein ganzes Jahr verstecken... und zurückgeben kommt gar nicht in Frage, dafür ist es viel zu toll! Löcher mich bloß nicht mit Fragen, was es denn sein könnte, ich bleib hart und sage nichts! Gar nichts! Da hilft auch kein Hundeblick, hör auf damit!“ Neugierig hatte Yukke ihn angeglubscht und dabei seinen besten, unschuldig- lieben Welpenblick aufgesetzt. „Na dann eben nicht“ schmollte der vor sich her und räumte schon den Tisch ab, obwohl Tatsurou noch längst nicht fertig mit dem Essen war. Die nächsten Tage verstrichen mit Schmollen und Filme kucken, bis Miya eine Bandprobe ansetzte. Sie trafen sich am späten Vormittag in ihrem Probenraum. Es war einfach wieder mal Zeit, zusammen zu spielen und für die nächsten, großen Konzerte Mitte/Ende Dezember zu üben. In der Zeit zwischen der Promotion für ‚Zekku’ und jenen Auftritten hatten sie sich bis auf die kurzen, üblichen Photoshoots kaum getroffen. Der erste Gig war zwar ein normales Konzert in Kumagaya, aber schon kurz darauf war das jährliche, große Danger Crue Weihnachstspecial im Budokan und dann das Beautifools Fest in der Tokyo NK Hall. Vor mehreren Tausend Zuschauern, von denen ja auch nicht alle nur für sie gekommen waren, mussten sie sich profilieren und als Band quasi vorstellen. Das war eine viel schwierigere Angelegenheit, als eine Einzelshow in einer Halle voller Fans, die jeden Song mitsangen. Miya wollte sich schließlich nicht blamieren, denn schon seit über einem Monat hatten Mucc nicht mehr zusammen an ihren Songs und der Performance gefeilt. Und zu den großen Auftritten kamen noch ein Kürzerer nach Weihnachten und ihr traditionelles Silvesterkonzert in ihrer Heimatstadt Mito. Insgeheim hatte sich Tatsurou schon gefragt, ob Miya, der Workaholic nicht schon Entzugserscheinungen bekommen hatte, und just in diesem Moment hatte sein Handy geklingelt und der Gitarrist hatte für die nächsten Wochen intensive Probenraumarbeit angekündigt. Eine seltsame Stimmung herrschte dabei. Yukke und Tatsurou versuchten sich zurückzuhalten, denn Miya und Sato sprachen bis auf Arbeitsanweisungen kein Wort miteinander und dadurch verlief die Arbeit recht schleppend. Die Gesamtsituation noch durch eine Diskussion über ihr Liebesleben zu verkomplizieren, würde Miyas Stresspegel vermutlich zum Überlaufen bringen. Wenigstens zeigte sich der Leader zufrieden mit den- dank Unterricht- verbesserten Gesangsparts, auch wenn er das immer nur durch sein typisches, kurzes Nicken anzeigte. „Hey Sato, wie war’s eigentlich auf Neuseeland? Hast du da mit Bären gerungen?“ Tatsurou räkelte sich gemütlich auf dem Sofa, vor ihm stand eine leere Dose Fertigramen, zufrieden strich er sich über den Bauch. Miya war gerade wieder einmal nebenan und feilte an seinem neusten Song, sodass sich Tatsurou ungehindert mit Sato unterhalten konnte, ohne dass dieser dauernd von Miyas spitzen Bemerkungen unterbrochen wurde. „Nein, da gab es nur Schafe. Aber ich hätte beinahe eins davon überfahren! Das die blöden Viecher auch immer einem vor das Auto laufen müssen.“ Satochi kramte geistesabwesend in seiner Tasche herum, während er erzählte und suchte anscheinend sein Feuerzeug. „Was denn, Suizidschafe? Mann, wie dämlich!“ feixte Tatsurou. „Sag so was nicht! Wir sind alle Schafe!“ Yukke sich empörte und warf dem Drummer sein Feuerzeug in den Schoß, welches er ihm vorhin geklaut hatte. „Du vielleicht, ich hab aber keine Wolle“ er deutete auf Yukkes Strickmütze „auf dem Kopf!“ „Nein, ich mein doch nur, wir haben alle das Sternzeichen Schaf…“ Der Bassist schmollte und streichelte die riesige Bommel seiner Mütze, als wäre sie noch ein lebendiges, fröhlich mähendes Schaf. „Nun, jedenfalls hab ich da Freeclimbing gemacht und danach Wild Wasser Rafting, das sind Klippen sag ich euch! Total steil und im Wasser waren auch Stromschnellen mit richtig gefährlichen Felsen, zwischen denen man durchfahren musste-“ Er stockte mitten im Erzählen; Miya war in den Raum gekommen, seine Gitarre noch in der Hand, er bedachte ihn mit einem frostigen Blick. „Schon mal dran gedacht, dass du auf die Weise die Band gefährdest, wenn du dich ernsthaft verletzt? Das könnte den ganzen Zeitplan für die nächste Single durcheinander bringen! Glaubst du die Fans wollen einen von Kopf bis Fuß eingegipsten Drummer im nächsten PV sehen?“ Satochi stand auf, zerrte Miya am Arm aus der Tür hinaus und stellte ihn zur Rede, sodass Tatsurou und Yukke nicht das ganze böse Blut zwischen ihnen zu hören bekamen. „Na und? Ich hab wenigstens auch mal Spaß im Leben, im Gegensatz zu Yaguchi- sama, dem heiligen Workaholic!“ Langsam reichte sogar dem genügsamen, niemals aufbrausendem Schlagzeuger Miyas ständiges Rumgezicke. „Wenn du deine Arbeit nicht ernst nimmst, dann kannst du gerne gehen! Niemand hindert dich daran, zur Tür hinaus zuspazieren und einfach die neuste bescheuerte Extremsportart zu machen und nach zwei Stunden dabei draufzugehen!“ gab Miya zischend zurück, „Schön! Schön! Tu nur so, als wärst du kalt wie Eis, als ob einer dir hier das abnehmen würde! Was denn, wenn ich wirklich gehen würde? Wer hockt dann als erster auf dem Boden und heult? Oder wer isst und schläft fast drei Tage lang nichts? Tatsurou hat mir alles erzählt, was passiert ist, als ich am Lake Biwa wiedergekommen bin und du mir eine verpasst hast und dann abgehauen bist! Du kannst doch gar nicht mit anderen Leuten als uns zusammenarbeiten, dafür wärst du ihnen viel zu anstrengend, mit deiner Unzufriedenheit und deiner manischen Arbeitssucht! Und mir bist du momentan übrigens auch zu anstrengend, ich gehe jetzt! Aber bild dir nicht ein, dass dein Genörgel mich dazu bringt Mucc aufzugeben, da hast du dich aber geschnitten! Bis morgen!“ Satochi stürmte aus dem Gebäude. Miya war völlig baff. Er ärgerte sich über Satochi, er ärgerte sich über Tatsurou, der immer alles ausplaudern musste, am meisten ärgerte er sich aber über sich selbst. Jetzt hätte er fast dasselbe gemacht wie damals bei Tatsurou. Knurrend ging er wieder in den Probenraum, bedachte den Sänger mit einem vernichtenden Blick und vergrub sich wieder in die Arbeit. Sie schafften es trotz allem, in den folgenden Wochen sowohl die Setlists für die folgenden Konzerte, als auch Miyas neuen, noch titellosen Song einzuspielen. Er wollte ihn unbedingt auf dem ’Danger II Festival’ vorstellen- immerhin würden alle Manager und Geldgeber anwesend sein. Und er wollte ihren treusten Fans, die die gerade erst erschienene DVD mit dem letzten Konzert ihrer Sommertournee gekauft hatten oder sie dieses Jahr schon live gesehen hatten, etwas Neues bieten. Mit dem Text und dem Großteil des Songs war er auch zufrieden- aber es fehlte noch etwas und damit meinte er nicht den Namen. Unzufrieden und schlecht gelaunt setzte er sich sogar zu Hause mit seiner Lieblingsgitarre in die Ecke. Aber er schaffte es einfach nicht. Um sich letztendlich noch etwas mehr Raum bis zur „offiziellen“ Vorstellung zu verschaffen, verzichtete er darauf, das Lied auf die Playlist für den Gig in Kumagaya zu setzen. Als sie erschöpft nach diesem Konzert am späten Abend essen gingen- Yukke hatte sie alle eingeladen, als ziemlich verspätetes Geburtstagsessen- fragte er spaßeshalber, ob sie denn den neuen Song überhaupt noch mal spielen würden. Miya antwortete nicht, sondern atmete nur tief durch. Selten hatte er solche massiven Probleme; was ihn schon wieder ärgerte, denn er hielt sich für jemanden, der unter Druck besonders gut arbeiten konnte. Vielleicht hatte Satochi Recht und er nahm sich zu wenig Zeit, um auch einmal Spaß im Leben zu haben. Er bestellte noch ein weitere Runde Sake, dabei versuchte er Spaß zu haben. Ein paar weitere Gläser später lachte er über jeden dämlichen Witz von Tatsurou, der nun erzählte was für eine lustige Wette er mit Yukke am laufen hatte und das jener einen Monat lang putzen musste, wenn er verlor. Dabei rutschte ihm heraus, dass sie sich jetzt eine Wohnung teilten, aber in Miyas vernebeltem Verstand kam die Neuigkeit gar nicht an. Satochi war überrascht, aber nicht sehr, da er genau wusste, wie unselbstständig Tatsurou war und gerade nach dessen Suizidversuch vor einem Vierteljahr konnte er nachvollziehen, wieso Yukke ihn nicht aus den Augen lassen wollte. Keiner von den beiden ahnte, wie SEHR der Bassist ihn in Wahrheit nicht aus den Augen ließ, denn ihr Verhalten hatte sich nicht sonderlich verändert, seit sie zusammen waren. Mittlerweile waren ihr aller Alkoholspiegel als auch ihre Lautstärke so weit angestiegen, dass der Wirt sie aus der Bar herauskomplimentierte. Dummerweise hatten sie vergessen, ihrem Roadie- Boss Bescheid zu geben, dass er sie mit dem Van wieder mit nach Tokyo nehmen sollte. Kumagaya lag zwar nicht besonders weit weg von der Hauptstadt, aber um diese Uhrzeit war der letzte Zug schon weg und ihr Fahrer schon längst daheim und schlief. Ratlos schauten sie sich an. Mit einem Taxi zu fahren hatte wenig Sinn, Miya war so voll, er würde vermutlich sich schon nach drei Kilometern übergeben müssen. Yukke und Tatsurou liefen vor, um nach einem Hotel Ausschau zu halten, in dem sie ihren Rausch ausschlafen konnten. Miya blieb mit Satochi kurz auf einer Mauer sitzen und versuchte krampfhaft, sich nicht zu übergeben- was ihm nicht gelang. Satochi tätschelte ihm beruhigend den Rücken, als er keuchend über dem Beton hing. Es ging ihm kurz darauf schon wieder etwas besser und plötzlich fing er an zu singen. Der Drummer erkannte den Text, es war das neue Lied, dass Miya sang, während er wackelig versuchte auf dem Bürgersteig am Straßenrand zu balancieren. Als Miya fertig war, fing er an leise zu brabbeln: „Weißt du, ich bin echt noch nicht zufrieden damit, nein, nein, nein. Es fehlt noch etwas, es fehlt noch etwas, aber was?“ „Wie wär’s erstmal mit dem Titel? Nimm doch einfach etwas, was du siehst!“ Satochi versuchte es mit der alten Ideenhilfe, einfach das Nächstbeste als Aufhänger zu nehmen. Der kleine Gitarrist starrte in das schwach beleuchtete Schaufenster eines Modeladens. Ihre beiden Silhouetten spiegelten sich in dem dunklen Glas. „Ich sehe… dich und mich am Rande der Straße.“ Sagte Miya langsam und versuchte den Schwindel aus seinem Kopf zu verdrängen. „Nimm das doch einfach! Rojiura Boku To Kimi E- Du und ich am Rande der Straße! Das hört sich doch gut an…“ „Mmh, Rojiura Boku To Kimi E, Rojiura Boku To Kimi E, Rojiura Boku To Kimi E…“ er sang den Satz leise vor sich her, der Klang gefiel ihm. Dankbar schaute er Satochi an. „Gut gemacht. Wirklich, wirklich, wirklich, Rojiura Boku To Kimi E, Rojiura Boku To Kimi E, danke Satoshi- kun. Danke… es tut mir so leid, dass ich so fies war zu dir, das wollte ich nicht, ich wollte nicht, dass du gehst, es tut mir leid…“ Miyas Stimme klang belegt und er war schon nah dran, mit Schluchzen anzufangen, da kam Yukke um eine entfernte Ecke gebogen und winkte sie heran. Sie sahen ihn in einem Hauseingang verschwinden und Satochi hoffte, dass es eine halbwegs annehmbare Absteige war. Entsetzt erkannte Satochi erst im Innern des Hotels, dass sie in einem Lovehotel gelandet waren. Schlimmer noch, die anonyme Stimme an der verdeckten Rezeption teilte ihm mit, dass nur noch ein einziges Zimmer frei wäre, da die letzen beiden gerade eine Minute zuvor ( belegt worden waren. Zähneknirschend bezahlte er im Voraus das Hotelzimmer, steckte die mit dem Zimmercode übergebenen drei rosaroten Kondome mit ebenso rosaroten Ohren ein, und zog den mittlerweile schläfrig gewordenen Miya in den Fahrstuhl. Dummerweise hatte das mit quietschrosa Plüschteppich ausgelegte Zimmer nur ein einziges Bett, auf das sich Miya auf der Stelle fallen ließ und mit dem Kopf im Kissen schon nach zehn Sekunden einschlief. Augenrollend zerrte Satochi dem besoffenen, leise schnarchenden Leader die Schuhe aus, schob ihn aus der Mitte der Matratze und legte sich auf die andere Seite des Betts. Yukke und Tatsurou hatten zwei Zimmer genommen, weil der Bassist Angst hatte, sie würden keinen Raum bekommen, weil es zu verdächtig ausgesehen hätte, wenn sie gleich nur nach einem Hotelzimmer verlangt hätten. Er hatte mal gelesen, dass einige Lovehotels gleichgeschlechtliche Paare ablehnten, selbst wenn sie beteuerten nur Freunde zu sein, die eine Schlafgelegenheit brauchten. Das wäre ja kein Problem gewesen, hätte er seine wunderbare blonde Perücke nicht in Tokyo vergessen. Und dass dies in diesem Hotel kein Problem war, konnte er ja auch nicht ahnen, schließlich hing nirgendwo ein Schild. Brav schob er Tatsurou in die eine Tür und schloss sie hinter dem Sänger, dann ging er in sein eigenes Schlafzimmer, das wie eine blaue Unterwasserwelt eingerichtet war. Yukke erwachte durch ein kratzendes Geräusch. Erst konnte er gar nicht einordnen, wo er sich befand. Die Leuchtzeiger seiner Armbanduhr zeigten zwar die Uhrzeit an- drei Uhr nachts- aber ansonsten war es stockdunkel. Das Geräusch klang wie das Kratzen von Katzenkrallen. „Katzen? Was machen Katzen vor meinem Fenster?!“ Langsam fing sein Verstand wieder an zu rattern. Er war in einem Hotel. In Kumagaya. Aber was trieben Katzen in einem Lovehotel? Blind umhertastend fand er endlich den Lichtschalter, grellweißes Licht durchflutete die blaue- weiße Plastikhölle mit den aufgemalten Fischen an der Wand. Zwinkernd rutschte Yukke aus dem Bett, wankte zu dem Fenster neben der kleinen Balkontür. Hinter der schweren dunkelblauen Gardine konnte er aber keine Tiere auf dem winzigen Balkon erkennen. Wieder hörte er es Kratzen und begab sich zur Tür. Schnell riss er sie auf: „Ihr verdammten, widerlichen Katzenviecher, verschwindet von meiner Tür oder- oh“ er verstummte. Im Türrahmen befand sich nicht etwa eine Bande rolliger Katzen, die das Holz zerkratzten, sondern Tatsurou im Hotelyukata mit erhobener Hand. Sein Kissen klemmte unterm Arm und seine Tasche hielt er in der anderen Hand. Der Sänger schaute ihn nur mit müde- verquollenen Augen an und sein Blick fragte nur: „Katzen??“ „Hast du sie nicht gesehen? Die kratzen schon seit einiger Zeit an meiner Tür, wo die jetzt wohl hin sind... was machst du hier überhaupt um diese Zeit?“ „Ich wollte die Katzen streicheln!“ sagte er halb grinsend und versteckte die langen Fingernägel seiner rechten Hand, mit der er unbeholfen versucht hatte, ohne Klopfen Yukke aufzuwecken „na ja, aber eigentlich konnte ich nicht schlafen und ich dachte, ich könnte hier vielleicht besser schlafen…“ Er zerquetschte sein Kissen und bewarf den müden Bassisten damit. „Bitte… Yu- chan.“ Jetzt flehte er schon fast und die schwarzen Ringe unter seinen Augen zeigten an, dass er nicht log. Yukke streckte den Kopf aus der Tür, sah nach, ob eventuell noch jemand auf dem menschenleeren Flur war. Erst dann machte er den Weg frei, Tatsurou schlüpfte hinein und kuschelte sich glücklich in die angewärmte Decke und an Yukke. „Miau!“ flüsterte er noch, dann war er auch schon eingeschlafen. Es klopfte. „Klopfen ist böse! Klopfen ist ganz böse!“ dachte Miya, denn hinter seinen geschlossenen Augenlidern klopfte es in seinem Kopf wie im Stollen der sieben Zwerge. Mit schwacher Stimme rief er: „Herein!“ Es klopfte weiter. Er holte tief Luft und rief- etwas lauter- wiederum: „Herein!“ Immer noch klopfte es. Stöhnend erhob sich Miya und ging der Quelle des nervtötenden Geräuschs nach, seine Augenlider dabei nur einen Spalt geöffnet um das böse, böse Licht abzuwehren. Ganz langsam zog er die Eingangstür auf, vor der ein strahlender Satochi mit zwei köstlich duftenden Kaffees und einer Tüte vom SevenEleven stand. „Was machst du denn vor meinem Hotelzimmer? Aua, aua, aua, mein Kopf.“ er stöhnte wieder und hielt sich die Stirn. Nachdem er kurz in der Papiertüte gewühlt hatte, zog Satochi triumphierend eine Schachtel Kopfschmerztabletten hervor. „Kann ich jetzt reinkommen, oder wollen wir im Flur frühstücken?“ „Hm.“ Antwortete er und versuchte seine schweren Lider zu heben. Geschockt riss er die Augen jetzt ganz auf und wurde von dem schreiendem Pink der Tapeten mit den unzähligen roten Herzen, die sich farblich hervorragend mit dem zartrosa Flokati bissen, förmlich erschlagen. „Was machen wir in einem Lovehotel? Wie- wie betrunken war ich denn gestern Abend noch? Ach du liebe Sch…“ Der sonst so souveräne Gitarrist war vollkommen durch den Wind, bis Satochi ihn bedächtig darauf hinwies, dass er bis auf seine Schuhe noch komplett bekleidet war. „Oh. OH! Dann- dann hab ich wohl einen Filmriss, ich weiß nur noch – aua- aua- aua“ Satochi reichte ihm den Kaffeebecher und 2 Tabletten, die er zügig schluckte und dabei die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken versuchte „ich weiß nur noch, dass wir uns gestern einen Titel für den neuen Song haben einfallen lassen... wie war das noch mal?“ „Rojiura Boku to Kimi E.“ „Ja. Ja. Richtig.“ Miya schwieg eine Weile, bis der pochende Schmerz hinter seinen Schläfen dankenswerterweise nachließ. „Ich glaube das ist der richtige Titel. Und ich glaube ich weiß auch, was fehlt, schnell, gib mir einen Zettel und einen Stift.“ In Windeseile und trotz Kater kritzelte er Noten, Tabs und Buchstaben auf die Serviette, die ihm Satochi gereicht hatte und sah nach nur zehn Minuten strahlend davon auf. „Ich hab’s!“ Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinen Zügen ab. „Gut! Wollen wir dann vielleicht gehen? So schön find ich es nicht hier!“ Etwas unbehaglich schlurfte Satochi durch den rosa Teppichboden. Miya nickte nur und suchte seine Schuhe. Als sie beide auf dem Flur standen fiel dem Schlagzeuger noch etwas ein: „Ähm, ich weiß gar nicht wo Yukke und Tatsurou ihre Zimmer haben… Yu- kun! Tatsurou! Yukke! Tatsurou!“ Ohne nachzudenken brüllte er durch den Flur. Das in einem Lovehotel die Türen und Wände aus bestimmten Gründen nicht unbedingt dünn waren, fiel ihm in diesem Moment irgendwie nicht ein. Kommentarlos zog Miya sein Mobiltelefon aus der Tasche und rief die beiden einfach an. Tatsurous Handy klingelte zuerst. Müde murmelte er Miya eine Antwort in das Gerät, dann kramte er schnell Yukkes Handy aus dessen Jacke und drückte es ihm in die Hand. „Miya- chan ruft dich auch gleich an. Wir treffen uns in 15 Minuten draußen vor der Tür. Ich geh schnell noch mal duschen.“ Schnell knuddelte er den verschlafenen Bassisten durch, dann verschwand er im Badezimmer. In der Tat piepste sein Telefon auch kurz darauf und Yukke wunderte sich, warum Miya so fröhlich klang, obwohl dessen Kater vermutlich noch viel, viel schlimmer sein musste als sein eigener. Er legte auf. Derweil spazierte Tatsurou pudelnass und splitternackt aus dem Bad und beschwerte sich, dass sie schon in einem Lovehotel mit einer riesigen herzförmigen Badewanne waren und dann doch nichts Interessantes anstellten. „Tut mir ja leid, Süßer, aber zieh dir jetzt schnell was an, ich will endlich nach Hause.“ Yukke war etwas genervt. Nicht nur, dass er sich nicht an den verdammten Katzen in der Nacht hatte rächen können, nein jetzt musste er sich auch noch am helllichten Tag aus einem Lovehotel schleichen, ohne erkannt zu werden. Manchmal verfluchte er seine auffällige Frisur wirklich und ärgerte sich, die sexy blonde Lockenperücke vergessen zu haben. Vor dem Hotel warteten Miya und Satochi schon einige Zeit. Normalerweise wäre der Gitarrist schon längst ungeduldig geworden, aber heute Morgen war er so enthusiastisch und klopfte dem Drummer gerade seinen Part aus dem frisch geschriebenen Intro für ’Rojiura Boku to Kimi E’ mit der flachen Hand auf dem Oberschenkel vor, sodass er gar nicht mitbekam, wie Yukke und Tatsurou endlich aus der Tür herauskamen. „Morgen!“ Erschrocken hob Miya den Kopf. Tatsurou legte den Kopf schräg. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. „Wieso hast du nicht den fürchterlichsten Kater seit drei Jahren, damals als du dich so irre auf dieser Party besoffen hast?“ Er fand das ziemlich unfair. Doch Miya grinste nur Satochi an und antwortete nicht. Bis Weihnachten hatte Miya ihnen frei gegeben; einen Zeitraum, den Tatsurou ausführlich nutzte um einen weiteren Versuch zu starten, Yukke mit seinen unlauteren Absichten zu verführen. Langsam wurde es ihm wirklich zu bunt, da waren sie schon richtig zusammen und der Bassist hatte ihn seit dem einen Mal nicht mehr *richtig* zum Zuge kommen lassen. Aber heute sollte alles anders werden, das hatte der verschwörerisch aufgelegte Sänger sich geschworen. „Wann bekomme ich denn mein groß angekündigtes, super tolles Geschenk?“ quengelte Yukke. Tatsurou lachte nur und hielt den roten, halb durchsichtigen Vinylschirm etwas tiefer, damit Yukke nicht nass wurde. Ein ekliger, nasskalter Schneeregen durchzog Tokyo, das hielt viele Pärchen vom romantischen Spaziergang durchs Lichtermeer an Heiligabend ab. Doch Yukke beschwerte sich nicht über das schlechte Wetter. Im Gegenteil, das dumpfe Geräusch der schweren, nassen Flocken auf der Oberfläche des Schirms hatte etwas Beruhigendes. Nur Tatsurou nervte, weil er ihm schon seit Wochen eine lange Nase mit seinem grandiosen Weihnachtsgeschenk machte- aber nie auch nur andeutete was es denn sein könnte. Yukkes Vermutungen reichten von den seltenen, ersten Bearbrickfigürchen, über eine neue Digitalkamera bis hin zu zehn Stangen Marlboro Menthol. Er selbst hatte in den letzten Tagen beim Juwelier etwas für Tatsurou besorgt. Dabei fragte er sich schon seit längerem, woher Tatsurous Vorliebe für Schmuck herrührte; er hatte ja nur zwei ältere Brüder und keine gemeinen Schwestern, die ihn als Kind als Mädchen verkleidet haben könnten. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Tatsurou das verhätschelte Nesthäkchen der ganzen Familie war und darum sich allerlei Extravaganzen angewöhnt hatte. Wie auch immer, er sammelte schon seit Jahren Ketten, Ohrringe, Ringe und besonders Armbänder wie andere Leute Briefmarken. Mit allen seinen Kostbarkeiten könnte er ein komplette Visual Kei Band doppelt und dreifach von oben bis unten behängen. Und dann würde die große Schmuckschatulle auf seiner Sockenkommode immer noch am Überquellen sein. Tatsurous Schritte stoppten. Yukke schaute auf. Sie standen vor einem kleinen, chinesischen Restaurant ganz in der Nähe von Tatsurous alter Wohnung. Es war für seine lauschigen, uneinsehbaren Sitzecken bekannt und beliebt. Ein paar Gäste tummelten sich bereits im Lokal, auch wenn man sie nur durch ihr Gemurmel ausmachen konnte, als der Kellner sie zu ihrem reservierten Tisch brachte. Mehrere Gänge reichhaltiges, chinesisches Essen später lehnte sich Tatsurou gut gefüttert und gewässert in seiner Bank zurück. Einige Minuten beobachtete er Yukke bei dessen letzten Bissen vom Orangendessert. „Willst du es mir nun geben oder nicht?“ „Was?“ Yukke verschluckte sich an seiner glasierten Orange und musste husten. „Na du fummelst schon seit wir losgegangen sind in deiner linken Hosentasche herum; hast du ein Problem da von dem ich nichts weiß oder krieg ich jetzt mein Geschenk?“ Tatsurou kuckte ihn mit seinem ich-bin-doch-nicht-blöd-Blick an. Endlich bekam der blonde Bassist auch wieder Luft und zog das kleine Päckchen aus besagtem Aufbewahrungsort. „Eigentlich wollte ich dir das erst geben, nachdem DU MIR endlich mein verspätetes Geburtstagsgeschenk gegeben hast… aber das ist jetzt auch egal! Fröhliche Weihnachten, Tat- chan!“ Mit beiden Händen schob er das grün-rot eingepackte und golden beschleifte präsent über den Tisch. „So klein? Das ist doch wohl kaum ein Schmuckkästchen, oder?“ Er riss das Geschenkpapier ab, zum Vorschein kam eine rote Samtdose mit dem silbernen eingedruckten Namen des Schmuckgeschäfts darauf. „Oh… so hab ich das aber mit ‚willst du mein angetrauter Pottschnitt werden nicht gemeint’.“ In der Schachtel befand sich ein großer, klobiger Totenkopfring aus Silber. „Hey, ist der cool!“ Sofort steckte er ihn auf; am Ringfinger saß er ihm aber etwas zu locker, deshalb probierte er es am Zeigefinger und da passte er perfekt. „Mann, du hast ja noch schmalere Mädchenhände als ich dachte... na wenigstens passt er an einen Finger- in der Größe gab es eh keine Herrenringe, der ist aus ’nem Vivienne Westwood Laden in Shinjuku, so war es auch nicht so peinlich als ich ihn hab einpacken lassen…“ brummte Yukke vor sich her, ohne zu bemerken, dass Tatsurou ihn gar nicht beachtete, sondern ausgiebig sein neuestes, funkelndes Schmuckstück bewunderte. Er bedankte sich mit einem begeisterten Blick und einem flüchtigen Kuss auf die Wange, dann bezahlte er schnell und sie verließen die Gaststätte. „Jetzt will ich dich nicht mehr auf die Folter spannen, komm schon, hier geht’s lang.“ Lachend hakte er sich in der Dunkelheit bei Yukke ein, es hatte aufgehört zu schneien aber dafür wehte ein schneidender, bitterkalter Wind zwischen den Häuserschluchten hindurch. Trotz Steppjacke, Mütze, Handschuhen und Yukke fror Tatsurou bald. Seufzend schlug Yukke ihm, der elenden Frierkatze, seinen eigenen blauen Schal um die Nase. Glücklicherweise hatten sie es nicht mehr weit, denn kurz darauf erreichte Tatsurou sein Ziel: Das Apartmentgebäude, in dem er vorher gewohnt hatte. Da er die Miete schon bis zum Jahresende im Voraus bezahlt hatte, konnte er in aller Seelenruhe in der leeren Wohnung die ultimative Verführungstaktik ausprobieren. „Mach die Augen zu!“ befahl Tatsurou beim Tür aufschließen. Gehorsam klappte Yukke seine Lider nieder und wurde in die Wohnung, genau genommen in den kleineren Raum, das Schlafzimmer, hinein bugsiert. „Aufmachen!“ Aufgeregt riss er die Augen auf, schaute sich im ganzen Raum um und sah- nichts. „Willst du mich vergackeiern? Ich sehe hier nur die Tapete, die ich eigenhändig vorletzten Monat angeklebt habe!“ Verärgert schubste er Tatsurou von sich und ließ sich mit beleidigter Miene auf dem Boden nieder. „Gut, dass du schon sitzt! Komm mal hier rüber!“ Breit grinsend hockte Tatsurou vor dem Einbauschrank, genau genommen vor dem großen Fach am Boden, wo normalerweise die Futons lagerten. Neugierig- beleidigt rutschte Yukke auf den Knien herüber, derweil entfernte Tatsurou die Rückwand des Schranks und ein dunkler Einstieg tat sich auf. „Los, Jacke aus und rein da!“ Es war immer noch stockdunkel in dem unbekannten Raum, aber Yukke spürte wie Tatsurou hinter ihm hinein krabbelte und nach etwas suchte. Es klickte und plötzlich ging das Licht an: Eine winzige gelbe Lichterkette erstrahlte auf einem noch winzigeren, bunt geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke und erhellte die Geheimkammer. Das Zimmerchen war nicht groß, auf die paar Quadratmetern passten gerade so eine aus zwei übereinander gelegte Futons und vielen Kissen bestehende Kuschelecke auf den Fußboden und das Bäumchen daneben. Rechts und links waren Wandregale voller Bücher, Erinnerungsstücke und CDs, alle ordentlich neben einer kleinen Stereoanlage aufgebaut. Hinter dem Bett hingegen war eine riesige bemalte Wand. Tatsurou hatte sie scheinbar aus Langeweile mit Filzstift und Nagellack voll gemalt; zwischen den knubbeligen kleinen Comicfiguren hingen durcheinander jede Menge Zeitungsausschnitte und Fotos von Mucc. Auch ein paar alte Ketten hingen an Haken dazwischen, sie glitzerten im gelben Licht der winzigen Glühbirnen. „Ich wollte dir das noch zeigen, bevor ich alles nächste Woche abbauen muss. Du bist der erste Mensch- außer mir natürlich- der das hier sieht...“ „Wow!“ hauchte Yukke nur. „Und das hier ist für dich!“ Tatsurou zog unter dem Kissenstapel ein mit einfachem Paketpapier verschnürtes, großes Paket hervor. Aufgeregt riss Yukke das Papier ab und es verschlug ihm die Sprache. Vor ihm lag ein nagelneuer, unbespielter, jungfräulich weißer fünfsaitiger E- Bass von Sadowsky. Ein Schmuckstück. Fassungslos berührte er den glatten, lackierten Korpus, strich über die Saiten, drehte vorsichtig an den fünf Wirbeln. „Tat- chan.. oh mein Gott…“ Sanft bettete er das Instrument auf den Kissen, drehte sich herum und fiel Tatsurou um den Hals um ihn abzuknutschen. „Danke, danke, danke“ jubelte er zwischen zwei Atemzügen, dann küsste er ihn weiter. Vollkommen mit sich zufrieden, freute sich Tatsurou mit Yukke und hatte überhaupt nichts gegen das, was der Bassist gerade mit ihm anstellte. Es war zwar recht dunkel in der geheimen Kammer, weil es auch kein Fenster gab, aber trotzdem konnte er genau sehen, wie Yukkes Hände von seinen Schultern nach unten sanken und seinen Pullover hochzogen. Die geübten Bassfingerchen trippelten einen kleinen Rhythmus auf seinen Bauch. „Bin ich jetzt dein Bass oder wie?“ fragte Tatsurou. Yukke erinnerte sich an etwas, stand auf, nahm das weißen Instrument mit beiden Händen wie ein rohes Ei, strich noch einmal nachdenklich darüber und schob ihn mit dem Packpapier ins Schlafzimmer. „Tat- chan, der Bass ist wunderschön, aber– ich kann ihn nicht annehmen, er ist doch viel zu teuer.“ „Halt die Klappe. Das ist ein Geschenk. Aber nicht dass ich dir jetzt immer so was Teures schenken muss, damit du auch mal anfängst!“ „Du hast ihn mir also nur gekauft, damit ich mit dir ins Bett gehe? Bin ich dein Luxusweib oder wie?“ Entrüstet richtete Yukke sich im Eingang des Raums auf und stieß sich dabei den Kopf an. „Nein. Das habe ich doch gar nicht gesagt! Ich hab ihn dir geschenkt, weil ich einfach wusste wie sehr du dich darüber freuen würdest. Ich hab ihn in dem Laden gesehen und wollte ihn dir schenken. Reicht dir das nicht?“ Yukke kam ganz in das Zimmerchen zurück und rieb sich den schmerzenden Hinterkopf, dann kniete sich direkt vor Tatsurou hin, schaute ihn mit schief gelegtem Kopf an. Der Sänger hatte sich einen bequemeren Ort gesucht, zwischen den ganzen Kissen auf der darunter liegenden Decke Platz genommen und sah ihn ernst an. Eine Minute verging, in der Yukke seinen Blick auf Tatsurou geheftet hatte und versuchte den Wahrheitsgehalt dieser Aussage in Tatsurous Augen zu überprüfen. „Ich glaube dir“ sagte er mit einem verbliebenen Hauch zweifelnden Untertons in der Stimme und wechselte das Thema: „Dreh dich um! Du hast doch eben gesagt, du willst mein Bass sein?! Dann dreh dich um! Und nicht kucken!“ Obwohl über diesen Vorschlag doch sehr erstaunt, wagte es Tatsurou nicht zu widersprechen und drehte Yukke den Rücken zu. Er hatte es ja darauf angelegt. Jetzt merkte er wie der Bassist sich direkt hinter ihn setzte, sein linkes Handgelenk umfasste er wie einen Bund an seinem Musikinstrument während Yukkes rechte Hand wieder locker auf seinem Bauch lag. „Sag einen Song!“ „Daikirai!“ antwortete Tatsurou wie aus der Pistole geschossen. „Wieso Daikirai?“ „Weil der Anfang so geil ist, das ich dir dabei immer in den Bass beißen will!“ „Aber nicht in den neuen Weißen! Der wird geschont! - Daikirai also… mmmh.“ Obwohl und gerade weil er kein Plektrum zur Hand hatte, fing er an zu spielen. Fünf Sekunden später riss Tatsurou seinen Arm an sich und krümmte sich laut lachend zusammen. „Das kitzelt, das kitzelt so furchtbar hör auf, hör auf, bitte, hör auf, ich kann nicht mehr…!“ „Mann, du hältst ja echt nichts aus! Ich hätte bestimmt noch zwei Minuten länger ausgehalten!“ Beleidigt verschränkte Yukke die Arme, aber seine Augen grinsten. „Oi! Ich wollte nur verhindern, dass du dann mit mir machst, was du normalerweise mit deinem Bass machst!“ „Hä?“ „Nun…“ Tatsurou setzte sich auf. „Soll ich es dir demonstrieren? Ich kann das neue Teil dafür nehmen oder dich!“ „Nein! Sadowsky- chan wird geschont, da opfere ich mich demütig!“ „Zieh erst dein Hemd aus- und das T-Shirt auch, sonst kann ich’s nicht vernünftig zeigen!“ Mit zweifelndem Gesichtsausdruck knöpfte der Bassist das helle Hemd auf. Tatsurou zerrte ihn an sich heran und legte seine Hände genauso wie Tatsurou vor ihm um Yukkes Körper. „Also zuerst gehst du immer gemütlich mit dem Ding durch die Gegend… als ob du auf einer schönen Promenade Gassi gehen würdest“ er schlenderte mit Yukke- Bass über einen imaginären Bürgersteig, hüpfte über ein imaginären Bordstein und blieb stehen „dann gehst du mit ihm essen- in eine Tanzbar am besten und schwingst ihn übers Parkett wie eine feurige Latina!“ „La- latina???“ „Und drittens“ unterbrach Tatsurou Yukke der schon den Mund für etwaige Beschwerden geöffnet hatte „Drittens fängst du dann an ihn… ziemlich heftig…“ Er sprach es nicht aus sondern verpasste ihm ein lebhafte Darstellung des berühmt- berüchtigten Yukke- Hüftschwungs. „Hast du dich noch nie gefragt, warum du so viele Fangirlies hast, die deinen Namen kreischen, Yu- chan?“ fragte Tatsurou lasziv- frech, während er von Yukke empört unter dutzenden Kissen begraben wurde. „Wie versuchst DU eigentlich mich rumzukriegen?“ Yukke fing an, Tatsurou den Pullover so über den Kopf zu ziehen, dass man sein Gesicht nicht mehr sehen konnte. „Glaubst du, das funktioniert? Hahaha!“ Er zerrte an Tatsurous weiterer Kleidung. Unter dem dunklen Stoff versteckt, grinste der Sänger so breit, dass er Fusseln in den Mund bekam. „Wieso? Du magst mich doch so, wie ich bin, oder etwa nicht?“ erklang es dumpf unter dem Pullover hervor, aus welchem er sich erst mit einiger Mühe befreien konnte. „Und jetzt; jetzt stehst du auf und geht’s mal an das Regal da oben. Das mit den CDs.“ „Soll ich nen Ghibli- Soundtrack auflegen oder wie?“ Der Bassist erhob sich knurrend, griff zu einer Prinzessin Mononoke CD, die ganz vorne stand. Dahinter befand sich allerdings nicht die restliche Sammlung von Anime CDs, sondern eine Flasche und eine kleine Schachtel Gummis. „Mann, du planst aber auch alles, oder?“ Yukke rollte demonstrativ mit den Augen, nahm aber die Kondome und die Flasche vom Regalbrett hinunter. „Aber hast du so was nicht immer in der Hosentasche?“ „Also bitte, wie sähe das denn aus, wenn ich auf der Bühne immer so nen Buckel an der Seite hätte, das wäre voll unpraktisch und auch etwas peinlich. Stell dir vor ich vergesse es rauszuholen, wenn ich sie auf Tour in die Wäsche gebe. Wir sind hier ja nicht in einem schlechten Yaoi- Manga! Und jetzt komm endlich her!“ Tatsurou zog Yukke in seine Arme und fing an, ihn wieder zu küssen. Mit der Hand, an der er den großen Silbering trug, strich er über den nackten Rücken seines Liebhabers; das kühle Metall ließ ihn ein wenig schaudern. Zum Glück hatte Tatsurou daran gedacht, die Heizung noch nicht abzustellen. Ansonsten würde Yukke bestimmt nur unter der Decke liegen und zittern, anstatt ihm gerade den Gürtel zu öffnen und ihn dabei ununterbrochen- auch nicht gestört von der schieren Notwendigkeit zu Atmen- zurück zu küssen. Heftig nach Luft japsend trennten sie sich voneinander, das Fehlen von Sauerstoff machte Yukke zu schwindelig, um weiterzumachen. Nachdem das Drehen in seinem Kopf aufgehört hatte, begann er hastig Tatsurou den halb herunterhängenden Pulli vom Leib zu zerren und machte sich an dessen dunkler Hose zu schaffen. Mit der Gesamtsituation sehr zufrieden, verschränkte Tatsurou seine Hände hinter dem Kopf, lehnte sich an die Wand. Aus einer Nachbarwohnung drang ganz leise Musik herüber, aber Yukke achtete nicht auf die verdächtig nach ‚Last Christmas’ klingende Melodie, sondern ging wieder ziemlich ran, nachdem Tatsurou nur noch in seinen kurzen Shorts vor ihm lag. „Yusuke… du hast gerade geknurrt!“ „Hab ich nicht!“ „Hast du wohl! Eben gerade, als du mir die Zunge in den Hals gesteckt hast!“ Tatsurou nicht beachtend, senkte der Blondschopf seinen Kopf ein Stück, knurrte absichtlich und fand eine neue Beschäftigung zwischen Tatsurous Hals und seinem Bauchnabel. Er merkte wie Tatsurou nach einiger Zeit ein wenig- man könnte es unruhig nennen- wurde. Der Sänger versuchte gar auffällig, unauffällig mit seiner rechten Hand, die eigentlich Yukkes Haar kraulte, ihn nach unten zu drücken. Als das nichts half, nahm er noch die andere Hand und mehr Kraft zur Hilfe. Noch nie war er besonders geduldig gewesen, das wusste Yukke, und die lächerlichen Versuche amüsierten ihn. Der große Sänger tigerte immer von vorne bis hinten durch jede Ecke der Hallen, in denen sie auftraten; er hatte einfach weniger zu tun als ein Schlagzeuger oder Gitarrist beim Aufbauen, konnte die Show, die Fans, die Musik kaum erwarten. Und jedes Mal beschwerte er sich hinterher, dass es ja viel, viel zu kurz gewesen sei. Langsam, mit fast schon als Schikane zu bezeichnendem Tempo, beugte er sich weiter hinab und erfüllte Tatsurou seinen Wunsch. Es war ja immerhin Weihnachten. Der Sänger schaute ihn an. Seine Hände ließ vollkommen locker auf den hellen Strähnen Yukkes liegen, das war aber auch der einzige Teil von ihm, der nicht in angespannt war und erwartete, was jetzt kommen würde. Wäre Yukke nicht schon länger in den Hentai- Modus umgeschaltet, hätte er sich vielleicht daran gestört, dass Tatsurou ihn so schamlos beobachtete. Aber im Gegenteil, so heizte es die Atmosphäre nur weiter auf, hatte etwas Verbotenes an sich. Trotz seinem aufkommenden Schamgefühl, als er aufsah und Tatsurous dunklem, erregtem Blick begegnete, hörte er nicht auf, sondern strengte sich mehr an. „Yu- chan... was stellst du mit mir an?“ keuchte der Sänger heiser. „Warte, ich wollte doch..“ rief er mit zitternder, unbeherrschter Stimme, kurz davor alle Kontrolle zu verlieren. „Dafür haben wir noch den ganzen Abend Zeit!“ antwortete Yukke kurz angebunden und machte weiter. Es gefiel ihm, dass Tatsurou ihm so ausgeliefert war, völlig von ihm abhängig und nicht in der Lage sich zu wehren. Es gefiel ihm, seinen jetzt schon stockenden Atem zu hören, die Art, wie er die Luft zischend zwischen den Zähnen hinaus presste. Es gefiel ihm, wie Tatsurou seinen Kopf zurück warf, seine Finger fest in seine Haare krallte und aufschrie, um dann erschöpft auf die Laken zu sinken. Yukke ließ von ihm ab. Während Tatsurous Augenlider flatterten und er versuchte nicht einzuschlafen, zog sich Yukke einen Fuß des anderen heran. Er begann die- trotz seines Faibles für das barfuss Laufen- sehr weichen, natürlich schwarz lackierten Zehen zu massieren, und ihn dabei selbstverständlich auch ein wenig zu kitzeln. Eine kleine, fiese Idee leuchtete in seinem Gehirn, als Tatsurou so wehrlos, so atemlos und so ahnungslos mit wenig bis keinen Klamotten am Leib vor ihm lag. Langsam näherte er sich ihm wieder, begann nun auch den anderen Fuß zu kneten und kniete plötzlich zwischen Tatsurous Beinen. Tatsurou war nicht entgangen, dass Yukke sich bewegt hatte, aber er dachte sich nichts dabei bis er- wieder zu Luft gekommen- ein Auge einen Spalt weit öffnete und mit ansehen musste, wie Yukke auf dem besten Wege war, IHN zu ---. Hektisch zog sich Tatsurou in die Ecke zurück, zeigte mit dem Finger auf den feixenden Bassisten und drohte ihm: „Nicht so Freundchen, so schon mal gar nicht! Du willst mich wohl verarschen!“ „Ja, genau das.“ antwortete Yukke „Wieso denn auch nicht?“ „Da- darum!“ Manchmal waren Tatsurou Aussagen wenig aussagekräftig- aber sein panisch- schwitzender Gesichtsausdruck gerade war einfach Gold wert. „Och Mann, du bist gemein“ gab Yukke nach und setzte sich lang mit ausgestreckten Beinen hin; er kniete nicht besonders gerne auf Japanerart „war ja nur ein Versuch… übrigens zeigt man nicht mit dem nackten Finger auf angezogenen Leute“. Gespielte Enttäuschung umspielte Yukkes Schmolllippen. „Angezogen? Deine Hose hängt ja wohl auch nur noch auf Halbmast, komm her Freundchen!“ Nachdem Tatsurou kurz mit seiner Fassung gerungen hatte, fand er sie jetzt wieder und in Windeseile war auch das allerletzte Stück Stoff auf dem Fußboden gelandet. Er drückte Yukke wie eine Puppe aufs Bett, der Bassist war ja nicht besonders schwer und wehrte sich nicht. Trotzdem hielt er ihn mit einer Hand fest, sodass er sich nicht wieder aufrichten konnte und langte mit der anderen nach seinem Zeug. Bei Yukke wusste man ja nie. ---- PS: ENDLICH! Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber dafür ist das Kapitel ja au sehr lang und ich war auch im Urlaub^^ PSS: Sie sind wirklich alle Schafe >.<, die 1979…. oder Ziegen, wenn man andere chin. Horoskope zu Rate zieht^^ PSSS: Danger Crue ist die Plattenfirma von Mucc bei der u.a. auch L’arc en ciel und alle Nebenprojekte von denen unter Vertrag sind. PSSSS: Das mit dem Hotelzimmer beruht auf einem wahren Erlebnis von mir » nur in etwas anderem Rahmen, aber ich empfehle einfach erst das Hoteltelefon zu benutzen und nicht an der Tür zu Kratzen… Oh und die Lovehotels in Japan haben oft keinen richtigen Schlüssel, man kann quasi nur einmal rausgehen und net wieder rein… deshalb klopft Sato auch und schließt nicht einfach die Tür auf^^ ---- Rojiura Boku To Kimi E (Du und ich am Rande der Straße) Ich wusste von Anfang an, dass es zu Ende gehen würde Es ist eine schlechte Angewohnheit, unbemerkt einen Fluchtweg zu bauen Mit einem vollendeten Lachen ist der schattierte Himmel leer geworden Der Junge, der seine Finger verlor, kann sich nicht mehr an Liebe und Träumen festhalten Wie oft habe ich mir gewünscht, an einem anderen Ort wiedergeboren zu werden, am siebten Morgen Als Nächstes gebe ich eine zusammengeflickte Antwort Während ich mich unter einem schlechten Einfluss ausruhe Ich gebe mich dem verführerischen Nektar hin Aah, wenn ich wählen könnte, wäre es ein flüchtiges Spielzeug Aah, ein in die schmutzige Finsternis abgelegtes "Danke" Zu Schaum werdend, in voller Blüte stehend, alles, was jetzt lebt, wird zu Asche. Die Unterschiede, ständig wechselnd Wenn das große Meer bis zum letzten Tropfen ausgetauscht werden würde Alles wird zu Asche, auch Liebe kehrt zurück in die Asche Aah, mein stillstehendes Herz kann sich nicht mehr an Normalität festhalten, ein verrückter Meister An dieser Straße sage ich ein geflicktes "Leb wohl" Lyrics bei Miya Kapitel 14: Kapitel 13 ---------------------- Nyahahahahaa, the evil kapitel 13, ihr habt jetzt alle Pech XD. Spaß beiseit.. eigentlich sollte nur noch ein Kapitel (das EEEENDE) kommen (nd dann der Epilog..) aber inhaltlich und mengenmäßig hats mit ner Trennung einfach besser gepasst ><. Oh by the way: Ich bin zwar knapp 1 1/2 h zu spät.. (vergessen hochzuladen..) aber i-wie isses dann doch Tatsurous Geburtstagkapitel geworden . Freu dich, du bist der sem lol --- Kapitel 13 Yukke wachte mit glühendrotem Gesicht auf; es war bestimmt ein Traum gewesen, ganz bestimmt, ganz best- aber er sah andauernd die Bilder in seinem Kopf, wie er Tatsurou... und dann hatte er versucht ihn… und dann hatte Tatsurou… Schwer atmend versuchte Yukke seine Gedanken auf etwas anders zu lenken, als auf die offensichtliche Tatsache, dass er am vorigen Abend den vermutlich besten Sex seines vierundzwanzigjährigen Lebens gehabt hatte. Aber er war jung, sein Gedächtnis ziemlich gut und der vorige Abend ausgesprochen einprägsam, sodass unaufhaltsam die Erinnerung in seinen Gehirnwindungen umherschwebte und eine Peinlichkeitsattacke nach der anderen erzeugte. „Halt dich an mir fest und mach die Augen zu.“ Hatte Tatsurou zu ihm gesagt. Ihn dann mit seinen langen Armen umschlungen und den kleineren Mann so fest an sich gedrückt, dass ihnen beiden fast alle Luft aus den Lungen gepresst wurde. Es fühlte sich so ganz anders an, Tatsurou so zu spüren; Yukke fühlte sich nicht mehr wie jemand der nur zufällig beim Sex dabei war, sondern eher wie ein gleichberechtigter Partner; auch wenn diese Gedanken etwas unfair gegenüber Tatsurou waren, der sich wirklich immer alle Mühe gab. Tatsurou zog ihn hoch, so dass er sich mit dem Rücken an der Wand und Yukke auf ihm, festgeklammert an seinen Schultern, saß. Vorsichtshalber hielt er still, um ihm nicht weh zu tun, aber das war gar nicht nötig. Der Bassist machte die Augen wieder auf, atmete ein. Er konnte Tatsurous Gesicht vor Konzentration verzerrt vor sich sehen, auf seiner Stirn klebte sein Haar, verdeckte seinen Blick. Lächelnd schob Yukke die rötlichen Strähnen beiseite und hauchte einen Kuss auf Tatsurous Scheitel. Mit der flachen Hand glättete er die Falten quasi aus seiner Stirn, knabberte aufreizend am Ohr, bis sich Tatsurou entspannte. Seltsam, eigentlich müsste er doch derjenige sein, der sich von seinem Lover hätte süße Worte ins Ohr flüstern lassen sollen, um den anfänglichen Schmerz zu überwinden, jedoch wirkte Tatsurou immer so, als ob er das nötiger hätte. Aber Yukke wollte nicht- auf gar keinen Fall- dass der Sänger sich seinetwegen quälte. Denn wo auf der einen Seite Yukke Probleme hatte, die Dinge beim Namen zu nennen, konnte Tatsurou auf der anderen Seite sich nicht richtig fallen lassen. „Yu- chan… sag mir, was ich machen soll.“ Die Frage. Die böse, böse Frage. „Ich- ich kann nicht, das ist so-so- ich kann das nicht, bitte zwing mich nicht dazu, bitte...“ Die Antwort. Die einzige, unbefriedigende Antwort die er hatte geben können. Aber seinem Tonfall konnte man anhören, dass er es ernst meinte und wirklich nicht sprechen konnte. Er liebte Tatsurou, das wusste er und Tatsurou wusste das auch. Normalerweise konnten sie auch immer über alles reden, über wirklich alles, nur bei diesem Thema entstand in Yukkes Hals eine unsichtbare Sperre, eine Barriere die es ihm unmöglich machte zu sprechen. Er versuchte sich einzureden, dass es an seiner relativen Unerfahrenheit, seiner Erziehung, seinem Umfeld, seinem Haarschnitt oder an Japan lag. Aber in Wahrheit wusste er es einfach nicht. „Yukke... sprich doch bitte mit mir. Ein Wort. Bitte.“ Schwarze Augen blickten ihn direkt an. Yukke fiel auf, wie viel Unsicherheit darin lag. Aber er wirkte doch sonst immer so souverän? Seltsam, seltsam. „Wieso?“ „Weil… na ich weiß doch auch nicht, ach Mann… woher soll ich denn wissen, was du willst, wenn du es mir nicht sagst?“ grummelte Tatsurou, daher rührte also seine... Verspanntheit her. „Wie jetzt? Ich dachte das kommt automatisch! In den Pornos reden die auch nie...“ „Yusuke… Pornos lassen sich nicht unbedingt mit dem Echten vergleichen! Wenn du es nicht laut sagen willst, dann, dann flüstere es mir ins Ohr oder mach’s vor! Aber heute noch, BITTE!“ Verständlicherweise klang die tiefe Stimme des Sängers jetzt etwas angespannt und genervt. „O- okay.“ „Danke.“ ‚Danke’! Was eine Aussage, dafür, dass Yukke sich überwinden musste, so... perverse Dinge zu sagen. Er drehte sich im Bett herum und konnte in dem schwachen Licht, das durch den Eingang hereinkam, erkennen, wie Tatsurou im Schlaf lächelte. Auch er hatte vergangene Nacht einige Zugeständnisse machen müssen. Seufzend kuschelte Yukke sich wieder in seine warme Decke an Tatsurou, im Zimmer war es kalt. Zum Glück hatten sie heute frei. Am Nachmittag des zweiten Weihnachtstages stromerte Miya unruhig hinter der Bühne im Nippon Budokan herum. Er konnte hören, wie L’arc en ciel ihren Spezialauftritt, der ganz am Ende des ’Danger II Festival’ kommen sollte, probten. Das half ihm nicht gerade, seine Nervosität in den Griff zu bekommen. Er konnte sich kaum ablenken; Tatsurou und Yukke waren nicht aufzufinden, Sato schaute sich die Probe zusammen mit dem Ex- Drummer von L’arc en ciel, seinem Sempai, Sakura- san an. Beide fachsimpelten so glücklich übers Schlagzeugspielen, da wollte Miya nicht stören. Seine Nervosität rührte daher, dass Mucc heute endlich den neuen Song vorstellen wollten. Miya hatte keine Ahnung, wie das Publikum im legendären Budokan wohl reagieren würde, da er das Gefühl hatte, eine ganz neue musikalische Richtung damit eingeschlagen zu haben und in solchen Momenten überfiel ihn immer wieder Unsicherheit. Eine Unsicherheit, die durch die Tatsache, dass wieder ein Weihnachtsfest vergangen war, ohne das er es mit jemandem zusammen hätte feiern können, nicht gerade verbessert wurde. Die letzten Takte von „Ready, Steady, Go!“ erklangen einwandfrei hinter dem Vorhang und Hyde kam lächelnd von der Bühne. Er sprach den hektischen, jungen Gitarristen an, der den Bühneneingang versperrte und dankbar war, dass jemand mit ihm redete. Das lenkte ihn wenigstens einen Moment lang ab. Nach ein paar Minuten waren sie schon ins Gespräch vertieft. Sie reagierten nicht, als Tatsurou und Yukke von hinten angeschlichen kamen. „Wie süß, die beiden Kleinen nebeneinander!“ flüsterte Tatsurou. „Wieso klein?“ antwortete Yukke „so sieht Miya- kun doch ausnahmsweise mal richtig groß aus! Jetzt mach schon!“ Tatsurou schlich sich weiter an. Immer noch nahmen die anderen beiden keinerlei Notiz von ihm. Plötzlich warf er sich von hinten auf Miya, riss Hyde mit herum und posierte für Yukke. Der machte blitzschnell ein Foto von Miyas erschrockenem Gesicht und Hydes Grinsen. Jener hatte ihn nämlich schon längst bemerkt, er war es gewohnt von seinen Bandkameraden regelmäßig verarscht zu werden und hatte ein ganz besonders Gespür für Idioten in 10 Metern Umkreis entwickelt. Kichernd und giggelnd rannten die beiden Idioten wieder weg. In sicherer Entfernung von ihrem Leader schauten sie sich das köstliche Foto von ihm an und amüsierten sich königlich. Wenigstens hatte der Schreck Miya seine Aufgeregtheit vergessen lassen und das Gefühl durch sein übliches, miyatypisches Augenrollen ersetzt. Gegen Abend, als die Show schon im vollen Gange war und Mucc als nächste ihren Auftritt hatten, waren Yukke und Tatsurou schon wieder unauffindbar. Dummerweise handelte es sich beim Budokan um eine riesige Halle mit vielen Umkleiden und somit vielen Versteckmöglichkeiten. Miya schickte Satochi und fast alle ihre Roadies auf die Suche, er selbst suchte in der Nähe der Bühne. Vielleicht hatten die beiden sich ja dort irgendwo versteckt? Einer Eingebung folgend kletterte er einfach einmal unter die riesige Bühne. Es war eine richtige Eingebung, da saßen die Schlawiner und schauten sich auf dem Display von Yukkes Kamera alle die peinlichen Fotos von ihren Freunden und Kollegen an, die sie im Laufe des Tages ergattert hatten. Der böse Blick, mit dem Miya sie abstrafte, genügte, um sie schuldbewusst zwischen der Gitterkonstruktion hervor kriechen zu lassen. „Tatsurou, du verdammter Idiot, kannst du nicht einmal ernsthaft sein? Das ist das B-U-D-O-K-A-N!“ knurrte er. „Das ist WICHTIG!“ Wütend und völlig entnervt drehte er sich um und ging voran. „Wir wären schon pünktlich wieder aufgetaucht“ murmelte Yukke zu sich selbst. „Wenigstens ist er nicht fünf Minuten früher gekommen und hat uns beim Knutschen erwischt!“ raunte Tatsurou mit sarkastischem Unterton so leise seinem feuerroten Yukke ins Ohr, dass der Lärm von der Show ihn für Miya unhörbar machte. Einige Minuten später wurden Mucc angesagt und Satochi, Yukke, Miya und Tatsurou betraten nacheinander die Bühne. Die ersten drei Titel liefen problemlos, kein Wunder, jene hatten sie den ganzen Sommer über immer wieder gespielt und bis auf den Opener „Waga Arubeki Basho“ waren es zudem alles ältere Titel. Bis Tatsurou endlich- mit seinem auf der Bühne immer so völlig richtig am Platz und zufrieden klingendem Tonfall- den neuen Song ankündigte. Miya hingegen fühlte sich jetzt alles andere als zufrieden und entspannt, im Gegenteil, es kam ihm vor als würde ein riesiger Steinblock aus Verantwortung auf seinen schmalen Schultern lasten. Seine Finger bebten, als er die ersten Töne des Intros von ’Rojiura Boku to Kimi E’ anschlug. Völlig konzentriert spielte er seinen Teil, bis Yukkes Bass und Satochis Schlagzeug mit einstimmten und das Lied umschlug, in härtere, brutalere Gefilde, nur um dann mit Tatsurous Stimme wieder sanfter zu werden. Nachdem der Song zu Ende war, wagte er es nicht, den Kopf zu heben und die Reaktion der Fans zu beobachten. Er warf nur einen schnellen, verzagten Blick zu Tatsurou neben ihm, der das natürlich falsch verstand und wieder einmal dachte, Miya wollte ihn wieder einmal nur kontrollieren und deshalb mit dem Kopf schüttelte. Nahtlos spielte er weiter, erst ’Ranchuu’, zum Schluss schließlich ’Kugatsu Mikka no Kokuin’. Wenn man einmal diesen Song gehört hatte, wusste man, wie verzweifelt und fesselnd, wie hoffnungslos und traurig er war. Tatsurous Schreie und Miyas leisere, aber mindestens genauso intensive Ansprache, sorgten dafür, dass im ersten Moment niemand Beifall klatschte- niemand Beifall klatschen konnte. Nach und nach erwachten die Zuschauer aus ihrer Starre, lauter Applaus brandete auf. Aber Miya hörte ihn schon gar nicht mehr. Wie benommen war er als erster von der riesigen Bühne des Budokan gestolpert und weggelaufen. Yukke und Satochi warfen noch ihre zerspielten Plektren und Schlagzeugstöcke ins Publikum, dann verließen sie auch- ein wenig widerstrebend- die grandiose Szenerie. In ihrer Garderobe warf sich Yukke erschöpft neben Tatsurou auf die Couch. Ihr Leader war jedoch nicht im Zimmer. „Wo ist denn Masaaki- kun?“ Verwundert sah sich Yukke im Zimmer um, als ob Miya sich unter den Schminktischen verstecken würde. „Nicht hier! Wahrscheinlich sitzt er in irgendeiner Ecke.“ murmelte Tatsurou verärgert unter seinem nassen Handtuch auf dem Kopf hervor. Schnell wechselte der Drummer sein klatschnasses Shirt gegen ein Trockeneres aus und hängte sich ein Handtuch um den Hals, dann verließ er ein wenig besorgt den Raum. Ihm war nicht entgangen, wie schlimm Miya bei Kugatsu geklungen hatte, aber er dachte zunächst, das läge an dem ganzen Stress. Oder an Weihnachten. Oder mal wieder an den Reibereien mit Tatsurou. Oder an allem zusammen. Jedoch war es noch nie ein gutes Zeichen gewesen, wenn Miya einfach von der Bildfläche verschwand. Das letzte Mal hatte ihn Tatsurou aufgegabelt, aber jener fläzte sich mit Yukke gerade selbstgefällig auf einem Sofa und lauschte der durch den gesamten Backstage Bereich dröhnenden Musik von S.O.A.P. Jetzt war es wohl an ihm, die Eingeweide der großen Halle zu durchsuchen. „Miya- kun?“ Hinter der sechzehnten Tür, nach zehn Minuten und mehreren peinlichen Situationen hatte er Erfolg: In einem der Duschräume- das Budokan war schließlich immer noch ein beliebte Halle für die Austragung von Kampfsportwettbewerben- fand er ihn. Er hatte ihm den Rücken zugedreht, lehnte mit der Stirn an der angenehm kühlen Kachelwand. „Miya- kun? Alles in Ordnung?“ Satochi betrat den Raum und wollte um ihn herumgehen, damit er ihm ins Gesicht sehen konnte, aber Miya wandte sich wieder ab. „Hey… sieh mich an und sag mir was los ist!“ Immer noch weigerte sich Miya zu antworten oder sich umzudrehen, dafür schniefte er. „Das- das Lied nimmt dich immer so mit, richtig? Es tut mir leid, dass ich es mir vorhin beim Zusammenstellen der Playlist gewünscht habe, ich habe nicht daran gedacht, dass du… und dann der ganze Stress und- es tut mir leid, wirklich, alles und überhaupt, ich…“ Satochis Stimme brach, er wusste nicht mehr, was er sagen sollte und legte seine rechte Hand auf Miyas Schulter. Jetzt erst merkte er, dass der Körper des Gitarristen zitterte. „Miya- kun…“ Kurz entschlossen trat er an ihn heran, schob seinen linken Arm um ihn, hielt ihn fest. Miya schniefte lauter, wehrte sich aber nicht sondern bedeckte stattdessen seine Augen mit seinem Unterarm. Er wollte nicht, dass Satochi ihn wegen so etwas weinen sah. „Wie hast du mich eigentlich gefunden? Du mit deinem grottenschlechten Orientierungssinn.“ fragte Miya nach einiger Zeit, das Gesicht immer noch gegen seinen eigenen Arm gedrückt, seine Stimme leise, aber klar verständlich. „Ich bin einfach von Tür zu Tür gegangen. So gut hast du dich nun auch nicht versteckt. Komm jetzt, wir müssen gleich noch mal mit allen raus auf die Bühne und du musst dir deinen Beifall für Rojiura abholen.“ Jetzt endlich drehte sich Miya um und schaute ihn mit skeptischen roten Augen an. „Wieso sollten sie jetzt klatschen, wenn sie’s vorhin nicht getan haben?!“ „Bist du blöd? Der Song ist genial, sie haben nicht geklatscht, weil sie zu beeindruckt waren!“ stöhnte Satochi, denn Miyas Dämlichkeit war manchmal einfach nicht zu übertreffen. „Wirklich?“ Ganz ungläubig sah Miya ihn an, sein verschwitztes und zerknittertes schwarzes T-Shirt machte seine blassen Wangen und seine verheulten Augen noch deutlicher. „Wirklich!“ „Wirklich, wirklich?“ Langsam fing er richtig an zu nerven, mit seiner ewigen Unsicherheit. „Ja verdammt, wirklich, wirklich, wirklich! Los, sonst kommen wir noch zu spät!“ Der Drummer warf ihm sein sauberes Handtuch ins Gesicht, nahm ihn wie ein Kind bei der Hand und brachte ihn durch die langen, düsteren und menschenleeren Gänge- mit nur einmal Verlaufen- wieder zur Hauptbühne zurück. Am selben Abend saßen Yukke und Tatsurou noch daheim an ihrem Esstisch und aßen die Reste von Tatsurous erstem, gelungen (essbarem) Curry. „Yusuke“, sagte Tatsurou nachdenklich „ich glaube, Miya- kun hat mir immer noch nicht richtig... verziehen? Ja ich glaub das ist das richtige Wort. Er war so komisch- abweisender als sonst.“ Bedrückt kaute er auf seinen Essstäbchen seines Nach-Mitternachtssnacks herum. „Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat, vorhin?“ „Schreib einen Song.“ Murmelte Yukke kaum verständlich, den Mund hatte er voller Hühnchen, Soße und Reis. „Was?“ Yukke schluckte sein Essen herunter, trank einen Schluck Eistee und wiederholte: „Schreib einen Song. Das wird er schon verstehen. Im Allgemeinen ist er ein absoluter Fachidiot, der nichts auf die Reihe bekommt außer Mucke, aber wenigstens damit kennt er sich schließlich bestens aus. Ihr beide erklärt uns eure Texte zwar nie- aber Sato und ich sind ja nicht blöd. Denk doch an Bouzen jishitsu!“ Er grinste schief, war versucht Tatsurou über die Wange zu streichen, entschied sich aber dazu, ihn stattdessen ans Bein zu puffen. „Meine Güte, ich dachte damals schon, es wäre alles aus. Und bei Rojiura Boku to Kimi E hatte ich mir auch Sorgen gemacht! Zum Glück hat Leader- chan sich diesmal schnell wieder eingekriegt. Zum Schluss, beim Abbauen und so war er doch wieder ganz normal. Könnt ihr nicht einfach miteinander reden, wenn ihr euch streitet? Menschenskinder... da fällt mir ein, ich hab hier einen Text von dir gefunden, auf der Rückseite von meinem Telefonnotizblock.“ Yukke stand auf, kramte in dem Zeitschriftenstapel- der sich neben seinem Fernseher angesammelt hatte, seit Tatsurou bei ihm wohnte- und zog einen zerknitterten Block hervor. Der große Sänger erkannte die ersten Zeilen sofort; dies war der Text den er in jener Nacht geschrieben hatte, als Satochi von seiner Ex aus dem Wagen in den Wald geworfen wurde- was er zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste- und als Yukke ihn aus Osaka angerufen hatte, als er das erste Mal seit Wochen ganz allein war. An dem Abend hatte er das alte Videoband von dem allererstem Gig des Bassisten geschaut und in seinem Innersten war alles wieder hochgekommen, was passiert ist; seit er Mitglied von Mucc war, seit er sich mit Miya so furchtbar gestritten hatte- und seit er in Yukke verliebt war. Der Text trug den Namen Akatsuki Yami, und es war ihm schon ein bisschen peinlich, dass Yukke ihn gefunden hatte, denn er glaubte ein bisschen glänzende, getrocknete Sabber auf dem Papier zu erkennen. In jener Nacht war er scheinbar auf dem Papier eingeschlafen. „Und? Ist was damit?“ Er versuchte das Ganze nebensächlich klingen zu lassen- immerhin schrieb er ja mehr als die Hälfte Texte von Mucc, da war es selbstverständlich, wenn auch ein wenig peinlich, dass er persönliche Erlebnisse verarbeitete- und stellte verblüfft fest, dass Yukke hektische rote Flecken im Gesicht bekommen hatte. Außerdem hibbelte der blonde Topfschnitt dauernd neben ihm herum. Genau wie ein Kind, das dringend auf die Toilette muss, aber nicht gehen möchte, weil es noch unbedingt etwas sagen möchte, dachte sich Tatsurou verschmitzt. „Ich- ich hab eine Melodie dazu geschrieben.“ „Ach ja! Spiels mir vor!“ Mit roten Ohren wuselte Yukke nach nebenan und holte seinen nagelneuen, weißen Bass. Seine Finger zitterten etwas, als er die ersten Töne spielte, den Teil, den Tatsurou, Miya und Sato übernehmen sollten summte er vor sich her, weil er Tatsurou seine wunderbare Singstimme nicht antun wollte. Als er fertig war blickte er fragend umher. „Hey, das gefällt mir, wirklich! Willst wohl Miya- chan Konkurrenz machen?“ antwortete Tatsurou und lächelte. „Nein, das wohl nicht. Ich mochte nur die Lyrics so gern“ Wieder wurde er rot, denn er hatte am Datum erkannt, wann und warum Tatsurou das Lied wohl geschrieben haben durfte. „So…das war jetzt mein Song... und du schreibst jetzt auch einen!“ „Aye- aye Sir!“ Tatsurou sprang auf, schnappte sein Notizbuch und warf sich mit einem Bleistift in der Hand schwungvoll auf das Sitzkissen vor der Kotatsu Decke. Die Beine streckte er unter dem angenehm warmen Stoff aus, während er mit ernstem Blick anfing zu schreiben. „Kuchiki no tou“ schrieb er als Überschrift. PS: Wen es interessiert: Playlist Danger II 1. Waga Arubeki Basho 2. Daikirai 3. Kimi ni Sachi Are 4. Rojiura Boku to Kimi E 5. Ranchuu 6. Kugatsu Mikka no Kokuin – frisch von mir übersetzt von deren Website^^ http://www.maverick-dci.com/danger/index.html PSS: ich hab in diesem Kapitel echt viele Szenenwechsel… PSSS: Das ist außerdem ein echtes Song- Kapitel geworden… aber hey, das ist ja immerhin ihr Job!:: PSSSS: umd das ganze besser verstehen zu können: Hier die 3 erwähnten Songtexte (Rojiura ist im letzten Kapitel nachzulesen).. immerhin entnehm ich den Texten ja auch einen gewissen Anteil an.. öhm Charakterisierung Bouzen jishitsu - Betäubt Also, Leute spitzt die Ohren ich habe euch etwas zu erzählen Auch wenn es euch bedrückt und ihr am liebsten die Augen abwenden würdet hört zu nur ein bisschen... Wenn dir nur bewusst wäre, dass du nichts mehr sehen kannst, sobald es in der Hülle, die sich Ego nennt, dunkel wird Immer wieder jagt man dem bestimmten Etwas nach, verzehrt sich danach bis einem das Lachen vergeht Tja so ist das du hast alles abgestritten zerstört uns verraten Ah umsonst hast du (andere) nachgeahmt im entstandenen Chaos kann man dein wahres Ich nicht mehr erkennen Ah du bist derjenige, der mich blockiert zeigt sich dein wahres Ich im Konflikt? Ah...erst, wenn du deine Lieder nicht mehr singen kannst, wirst du dir deiner Dummheit bewusst Ah...erst, wenn du dich nicht mehr ausdrücken kannst, erkennst du das wahre Ausmaß deines Verbrechens Ah...nachdem du dich voll und ganz verloren hattest, erschien dir die Wahrheit inmitten des Chaos Ah...warum, warum hatte ich sie nicht gesehen Lyrics by Miya Akatsuki Yami – Finsternis der Dämmerung Sterbend schloss ich die Augen Mein ganzes Ich zurück geschickt Ich hatte vor, von der Vergangenheit und von den schlaflosen Nächten zu verschwinden Der bewölkte Himmel verstreut Regen Das gestrige Wetter war eine Lüge "Das Leben ist auch Schmerz", prügelt der Regen auf mich ein Wind, wehe einmal Wie bringe ich dieses Bild zu Fall? Eingeschlossen in meine Hülle will ich allein in die Tiefe des Meeres versinken Vergeblich versucht die Sorge mich zu warnen, nur dieses Lächeln kann mich retten Tief im dunklen Wald schließe ich mich in meinen Kokon ein Löse die Fäden, die Scharen von Gram Die Finsternis der Dämmerung bleibt stehen und diese Hand sucht nach der Wärme die sie vermisst Irgendwann wird das Schiffchen vom Bach fortgerissen Kehrst du irgendwann an diesen Ort zurück? Der Regen flüstert Morgen wird das Wetter schön Lyrics by Tatsurou P.S.: Kuchiki no Tou Ein Holzstoß zu einem Turm aufgehäuft Mit meinen Händen habe ich ihn zerstört Alles in meinem Blickfeld verliert sich in der Temperatur Und besonders der zerborstene Baum, das bin ich "Das Herz ist zerschmettert" Es war mein Fehler Der Grund ist meine verdrehte Moral Zu singen ist meine Buße Meine Buße ist gemeinsam mit dem morschen Baum "Die niemals verschwindende Trauer, klebt an den Händen" Aah, hol die nie endende Vergangenheit zurück Ich klettere auf den morschen Baum mit falschen Beinen Wenn ich nichts mehr beschützen kann Ich vertrockne zu einer Holzfigur Ich erbreche mich immer wieder, bis nichts mehr da ist Die Dunkelheit ist unvermeidlich Töricht nach dem Licht zu suchen Bade dich im hohlen Licht Los, fahr fort mit deinem Kampf und dem Hacken "Lebe ich denn? Es fühlt sich anders an" Von diesem Tag Aah, hol die nie endende Vergangenheit zurück Hebe diese von Schmerz gefärbte Hand Es ist in Ordnung endlich all den Schmerz zurück zu lassen Ich bin eine Puppe aus Holz, kein Mensch Lebendig mit dieser Hand büße ich, mache ich es wieder gut Lyrics by Tatsurou Kapitel 15: Kapitel 14 ---------------------- Kapitel 14 Zwischen Weihnachten und Neujahr jagte für Mucc ein Großereignis das nächste. Immer auf Achse konnten sie sich keine nennenswerte Pause gönnen und nicht selten verfluchte sich sogar Miya im Stillen selbst dafür, dass er für die ganzen Auftritte fest zugesagt hatte. Zwei Tage nach dem Danger II war das ’Beauti- Fool’s Fest’ in der Tokio NK Hall an der Reihe. Aber an diesem Tage war der Leader längst nicht mehr so stark gestresst wie im Budokan zuvor, dabei wurden sie diesmal sogar gefilmt. Im Gegenteil, für seine Verhältnisse wirkte Miya richtig unbeschwert und ausgeruht. Satochi und Yukke hatten ihn nämlich dazu verdonnert, sich zwischen den beiden Festivals frei zu nehmen und nichts zu tun, was auch nur im entferntesten mit Arbeit zu tun haben könnte. Miya- erleichtert darüber einmal nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen, denn Satochi hatte auch versprochen sich um all den Bandkleinkram zu kümmern, der vor einem Konzert so anfiel- war also ein wenig aus der Stadt gefahren und hatte mit seinem Hund Gizmo einen langen Winterspaziergang am Strand gemacht. In aller Ruhe hatte er sich in einem kleinen Restaurant eine große Portion frisches, aber günstiges Sushi gegönnt und war erst gegen Abend wieder in seine Wohnung zurückgekommen. Sein nasses und erschöpftes Fellbündel hatte er vorsichtig ins Körbchen neben seinem Bett bugsiert und über das dampfende Fell gestreichelt, bevor er ihn mit einem Handtuch zudeckte. Der kleine Hund war schon auf dem Weg zur Wohnung auf seinem Arm eingeschlafen und hätte nicht einmal mehr Yukke ärgern können, wenn er es gewollt hätte. Entspannt und zufrieden mit sich selbst hatte Miya ein gute Portion Schlaf in dieser Nacht bekommen. Nach einem so angenehmen Tag war der Gitarrist von Mucc sehr guter Dinge und gerade dabei, seine Gitarre backstage nachzustimmen, als Tatsurou ihm einen mit rotem Filzstift hingekritzelten Text in die Hand drückte. Der Sänger wirkte ein wenig aufgeregt, aufgeregter als sonst, wenn er ihm einen neuen Songtext präsentierte. Das Blatt Papier war recht zerknittert und Miya musste es erst glatt drücken, um die Schriftzeichen lesen zu können. Nach einmal Überfliegen las er den Text noch einmal durch und gleich noch einmal, bis er Tatsurou ein kurzes, aber respektvolles Nicken zukommen ließ. Er hatte verstanden. Der Sänger seufzte erleichtert, Miya war nun mal kein Mensch der mit großen Worten hantierte. Manchmal genügte eine kleine, aber freundschaftliche Geste wie das Lächeln, was nun die Lippen des kleineren Mannes umspielte, als er den Text noch einmal betrachtete und sie waren wieder Freunde. Dankbar verschwand Tatsurou in der Garderobe mit dem kleinen „ムック“ Zettel an der Tür. Er wollte noch ein kleines Schläfchen einlegen, da er die ganze Nacht hindurch an dem Text gearbeitet hatte und sich im Gegensatz zu Miya und Gizmo hundemüde fühlte. Mehrere Stunden später fand ihn Yukke tief und fest schnarchend halb unter einem Tisch versteckt, ganz kurz bevor sie auf die Bühne mussten; diesmal waren sie sogar der Schlussact des Konzerts und somit richtig richtig wichtig. Hektisch zerrte er den herzhaft gähnenden Sänger hinter sich her. Zum Glück hatte der sein Make- Up und Haarstyling schon vor dem Nickerchen erledigt; nicht dass etwaige Schlaf-Augenringe bei der Menge an schwarzen Kajal und Lidschatten überhaupt relevant gewesen wären. Kurz vorm Bühneneingang warf er noch die Decke von seinen Schultern, die er den ganzen Tag um sich herum gewickelt hatte, um seine Klamotten zu verbergen. Und erst im grellen Scheinwerferlicht der Halle sahen Yukke, Miya und Satochi, welch grausiges Outfit Tatsurou wieder einmal der Öffentlichkeit antat. Kurz vor, während und definitiv nach dem Auftritt gab der Bassist Fukuno Yusuke es innerlich völlig auf, ihm, Iwagami Tatsurou in seinen seltsamen Klamottenstil reinreden zu wollen. Jener trug neben dem Netzhemd, der Corsage- dem Quasi- Hizumi Cosplay mit den asymmetrischen Schnallen und dem einen, lausigen Träger- auch noch ein Paar knallenge schwarze Hosen und einen hübsch- hässlichen dünnen Mantel mit fedrigen Kragen in derselben Farbe. Die Scheußlichkeit des Tages; auch wenn Yukke dem Lack- und Leder Stil hin und wieder durchaus etwas abgewinnen konnte. Aber verloren war nun mal verloren, und er würde sich von nun an hüten, solch eine Wette noch einmal mit Tatsurou abzuschließen. Jetzt wusste er ja wie schamlos der Mann sein konnte. (Und er selbst im Übrigen auch, aber sein Gehirn hütete sich davor, diesen Gedanken auch nur auszuformulieren, aus Angst, vor Scham zu sterben. Und es war ja bald Neujahr und er wollte so gerne die Neujahrs- Daifuku essen.) „Und, was hat Hizumi- san gesagt? Hast du ihn überhaupt getroffen, wo du doch wieder ewig und drei Tage in der Garderobe gepennt hast?“ „Ja, ich hab ihn gesehen, D’espairs Ray hatten ja vor uns Soundcheck, aber er hat gar nichts gesagt und mich nur verschwörerisch- brüderlich- verstehend angegrinst. Dann kam Gara um die Ecke und als wir am Catering Buffet standen und er ’ne Cola getrunken und ich Pizza und Omreis und Eis gegessen hab, hat er mich wegen den Klamotten gefragt und ich hab ihm alles von unserer Wette erzäh- !“ „Du hast ihm alles von der Wette erzählt?“ Perplex starrte der Bassist ihn an. „Ja klar, alles davon, nur nicht den Wetteinsatz, den du mir ableisten musst.“ „Mann, erschreck mich doch nicht immer so! Menno.“ Schmollend verzog Yukke die Lippen. „Obwohl er mich danach gefragt hat. Aber du kennst ja Gara, der fragt nicht ein zweites Mal nach, so wie du es tun würdest. Und ein drittes und ein viertes und ein fünftes Mal.“ „Du bist so gemein…“schmollte Yukke weiter. Er hatte ja Recht. Yukke konnte einfach nicht aufhören zu fragen und nachzubohren, wenn er etwas wissen wollte. „Bin ich gar nicht.“ Antwortete Tatsurou süffisant. „Weißt du noch, was du letztes Jahr bei diesem Interview gesagt hast, was du dir für 2003 wünschst? Du sagtest “ich solle netter werden“. Das war gemein.“ Tatsurou sah ihn mit vorwurfsvollem Blick an. „Daran erinnerst du dich noch so genau? Das hab ich da doch gar nicht so gemeint, ich-“ „Aber du hattest recht.“ Jetzt schaute der Sänger nachdenklich und knabberte gedankenverloren an seinem Reisbällchen. “Ich war nicht besonders nett. Nicht zu dir, nicht zu Satochi und zu Miya- kun am allerwenigsten. Ich hatte es verdient, aus der Band geworfen zu werden. Du bist viel netter als ich. Ich weiß nicht, was ich ohne dich-“ Tatsurou beendete den Satz nicht, sondern ließ ihn offen im Raum stehen. Yukke schluckte schwer. Er wusste natürlich, wie der Satz zu Ende gehen sollte und düstere Erinnerungen flackerten in seinem Kopf auf; fast wie Totenlichter am O-Bon Fest, die auf kleinen Schiffchen die Bäche und Flüsse hinab geschickt werden. Früher hatte er immer eines für seinen Großvater und seinen Kanarienvogel abgeschickt, wenn er jetzt daran dachte, dass er im nächsten Jahr vielleicht auch eines für Tatsurou hätte schwimmen lassen müssen… Er wischte die Gedanken mit einer fahrigen Handbewegung weg, schüttelte den Kopf. Das war Vergangenheit, jetzt musste er in die Zukunft schauen. Und in sehr, sehr naher Zukunft schon musste er schon seinen fürchterlichen Wetteinsatz einlösen. Also drückte er Tatsurou eine neue Dose Limonade in die Hand und zog ihn zum Catering. Vielleicht hatte die Fressmaschine ihm ja noch etwas vom Buffet übrig gelassen. Das nächste Jahr rückte dramatisch schnell heran und Yukke beschloss am Silvesterabend, den ersten Song im Jahr 2004 in ihrer Heimatstadt Mito, auf ihrem traditionellen Silvester/Neujahrsgig mit etwas Neuem zu beginnen. „Kuck mal hier!“ rief der blonde Pottschnitt und drückte überschwänglich Miya seinen Basskoffer in die Hand. „Wow“ entfuhr dem Gitarristen, nachdem er vorsichtshalber den Koffer auf den Boden gelegt und den Verschluss geöffnet hatte. Der Lack des weißen RV5 von Sadowsky glänzte noch völlig makellos im grellen Neonlicht. „Der war sicher nicht billig!“ bewundernd fuhr er über die Saiten, während Yukke zärtlich den schwarzen Schriftzug betrachtete. „Wo hast du ihn her? Das Modell hab ich in Japan noch gar nicht gesehen.“ „Äh… keine Ahnung. War ein Geschenk. Zu Weihnachten.“ Verdammt, warum hatte er nicht daran gedacht, dass ein eingefleischter Gitarrist an so was immer interessiert war! „Wer schenkt dir denn einen gut 350.000 Yen teuren Bass- zu Weihnachten?“ Verwundert bettete der Gitarrist das Instrument wieder in den mit schwarzen Filz und bunten Stickern ausgelegten Koffer. „Öhm... Tatsurou?“ Ungläubiger als jetzt konnte Miya auf solch eine Antwort kaum kucken. „Woher hat der denn soviel Geld? Er ist doch sonst so was von verschwenderisch, kuck dir nur mal seinen überquellenden Kleiderschrank und die unzähligen DVDs in seiner winzigen Bude an...“ Er schüttelte seinen Kopf und drückte den Koffer wieder Yukke in die Hand. Als er zu ihm aufsah, konnte er gerade noch erkennen, wie der Bassist versuchte seinen hochroten Kopf unter seiner Pudelmütze zu verstecken. Miya hob wie Mr.Spock eine Augenbraue in die Höhe und wollte ihn drauf ansprechen, doch der andere kam ihm zuvor: „Er wohnt ja nicht mehr da, da spart er sich ne Menge…“ flüsterte Yukke ganz leise, fast als ob er gar nicht wollte, dass Miya es hörte. „Wie er, er wohnt nicht mehr da?“ Miya hatte sehr scharfe Ohren, nicht umsonst konnte er stundenlang an den Feinheiten eines einzigen Songparts tüfteln und strahlend hinterher die neue Version vorstellen, bei der keiner außer ihm einen Unterschied ausmachen konnte- was ihm natürlich nie jemand sagte. „Davon weiß ich ja gar nichts! Und wann hat er gedacht mir das mal zu sagen? Oh Mann, vergesslich wie eh und je… und wo wohnt er denn jetzt?“ „Bei mir.“ „Ach ja.“ „Ja,“ sagte Yukke schnell „wir sind ja eh so selten daheim, da meinte er, wir gründen wieder ne WG, so wie früher, da spart man ja ne Menge Geld und so…“ „Und da fällt ihm nichts Besseres ein, als hunderttausende von Yen für einen Bass auszugeben, wo er doch nicht mal zwei Akkorde darauf spielen könnte, und das auch noch zu Weihnachten, wo er doch gar kein Christ ist, bzw. du ja wohl kaum seine Freundin sein kannst, für die er soviel Geld ausgeben würde? ICH hab euch allen nur ne CD geschenkt, wie abgemacht-“ Miyas Menschenkenntnis war zwar nicht die beste, aber im Gegenzug war Yukke auch so ein schlechter Lügner (er wurde zu schnell rot), dass der Leader jetzt berechtigte Zweifel anmeldete. Wie eine biblische Erlösung dröhnte genau in diesem Moment Satochis Stimme vom anderen Ende des Flurs, welcher ernsthafte Probleme mit dem Ton hatte und deshalb auf der Stelle unbedingt Miyas Hilfe benötigte. Yukke musste sich jetzt nicht weiter Miyas bohrenden Fragen stellen und atmete tief durch, als jener endlich um die Ecke gebogen war. Sein letzter, fragender Blick hatte noch tiefe Löcher in Yukkes kleine Flunkergeschichte gerissen. Erleichtert lehnte sich der Bassist an die Wand und hoffte, dass Miya die Sache wenigstens eine Zeit lang vergessen würde. Zwischen dem Soundcheck, dem zweistündigem Konzert inklusive Luftschlangen, Konfetti und – auf Satochis Wunsch- einer japanischen Version des britisch/amerikanischen Volkslieds ‚Auld Lang Syne’ kurz nach 12 Uhr nachts, schaffte es Yukke wunderbarerweise jeder weiteren Frage Miyas zu entkommen. Beim traditionellen Sobanudeln essen und dem üblichen Saufgelage der Band mit all ihren Roadies, Mitarbeitern und Freunden war es viel zu laut, um solche hochinteressanten Dinge zu besprechen. Außerdem holte jemand aus dem Nichts noch eine Karaokemaschine hervor und jeder Einzelne wurde genötigt, etwas zum Besten zu geben. Verständlicherweise erntete Tatsurou den meisten -ernst gemeinten- Applaus, aber auch Miya schaffte es, ein paar Töne gerade hinzubekommen und sich dabei nicht völlig zu blamieren. Den Vogel jedoch schossen Satochi und Yukke- mit seiner blonden Lockenperücke als fesches, junges Mädel verkleidet- mit einem schmalzigen Duett einer alten Enka Schnulze aus dem Jahr 1979 ab. Danach schmerzten allen Zuschauen so sehr die Ohren und Bäuche, dass Miya die wilde Party auflöste und alle nach Hause schickte. Es war schon lange der erste Januar und alle hatten genug getrunken. Immerhin war ja Neujahr und Feiertag, da sollte man seiner Meinung nach bei seiner Familie sein. Er selbst hatte vor, zum Mittagessen seine Mutter zu besuchen, aber zuvor wollte er mit seinen drei besten Freunden den ersten Sonnenaufgang des Jahres im Kairaku- en, dem Park rund um die Burg in Mito City betrachten. Das war eine Tradition, die sie schon seit dem Gründungsjahr von Mucc an jedem ersten Tag im Jahr einhielten. Die Vier saßen auf einer Bank in dem landesweit bekannten Park, welcher im Frühling eine atemberaubende Kirschblüte zum Besten gab und jetzt in der winterlichen Morgendämmerung still vor sich hinbrütete. Nur ein paar trockene Blätter raschelten unter ihren Füßen und hingen an den kahlen Ästen, Schnee lag nicht. Bis auf Tatsurou rauchten alle, in der Hoffnung der warme Rauch würde die schneidende, trockene Kälte ein wenig vertreiben. Jener hielt sich lieber mit Yukkes Pudelmütze, aus der gerade mal drei rötliche Strähnen hervorlugten, so tief war sie heruntergezogen, einem zwei Meter langem Schal und einem dick gesteppten Mantel warm. Sie beklagten sich nicht, schließlich ertrugen sie freiwillig die eisigen Temperaturen, um die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres im Freien sehen zu können. Der graue, müde Himmel erwachte auch langsam, das erste richtige Licht erschien am Horizont im Osten. Dort stieg ein paar Kilometer weiter die Sonne gerade aus dem Meer und zeichnete sich hier noch schwach, aber schön hinter den knorrigen Kirschbäumen ab. Yukke, der zwischen Tatsurou und Satochi saß, schluckte. Er zog noch ein letztes Mal an seiner Zigarette, bevor er sie austrat, um sich selber Mut zu machen und zu beruhigen, stand auf, drehte sich zu den drei anderen um. Mit mildem Interesse schauten ihn der Drummer und der Leader an, Tatsurou grinste nur. Tatsurou grinste noch mehr. Und noch viel mehr, denn jetzt baute sich der kleinere, blonde Mann, immer noch aus Spaß die komische Lockenperücke auf dem Kopf, vor ihm auf. Es sah fast wie ein Sumoringer kurz vorm Angriff aus. In einer erstaunlich fließenden Bewegung setzte er sich auf Tatsurous Schoß. Noch einmal holte er ganz tief Luft um seine Aufregung zu besänftigen, doch sie war ihm deutlich im Gesicht anzusehen. Der Versuch sich hinter ein paar in die Stirn fallenden hellen Strähnen zu verstecken misslang ziemlich. Miya und Sato machten große Augen, obwohl sie die periodisch auftretenden, befremdlichen Eskapaden Yukkes ja kannten. Doch diese Eskapade war nicht nur eins seiner üblichen Spielchen: Kurz entschlossen packte der Bassist Tatsurous Kopf, zog ihm die Mütze herunter, machte seine Äuglein zu und legte seine Lippen auf die des Sängers. Es war ihm unglaublich peinlich, dies vor Miya und Satochi zu machen, aber das war der Wetteinsatz für seine dumme Wette an Halloween gewesen, den er nun ableisten musste. Tatsurou ließ sich küssen, bis er der Meinung war, er müsste dem zu Eis erstarrten Satochi den Rest geben und zog Yukke die dämliche Yuketsuko Perücke ab, um seine Hand in Yukkes verstrubbeltem blonden Haar zu vergraben und ihn näher heranzuziehen. Satochi sperrte weiter Mund und Nase auf, seine letzte Kippe verglühte ungeraucht zwischen seinen Fingern, verbrannte ihm die Fingerspitzen, weckte ihn aus seiner Starre. Miya hob nur eine Braue und zündete eine neue Zigarette an. Er drückte sie Satochi in die Hand, ließ sein Zippo auf und zu schnippen, bis er sich schließlich selbst noch eine Marlboro Menthol ansteckte. „Soso.“ sagte er nur; er pustete kleine, kreisförmige Rauchwölkchen in den Himmel, während sich die ersten Wolken zartrosa färbten und das neue Jahr anbrach. ----------------- PS: Daifuku sind Mochi mit Bohnenmusfüllung, weiter Infos dazu finden sich in meinem Weblog^^ PSS: „Auld Lang Syne“ kann man in X verschiedenen amerikanischen Filmen hören, z.B. an Silvester in der Kneipe in Forrest Gump oder in Harry und Sally auf der Silvesterparty etc. Ich mag den Song^^ PSSS: Soba sind Buchweizennudeln, wenn ihr mal in Frankfurt seid, geht ins Mosch Mosch, (http://www.moschmosch.com/), dort kann man sie (neben einer Menge Varianten von Ramen) probieren, 100000% empfehlenswert der Laden (probiert auch den Eistee) PSSSS: Enka ist eine Art japanischer Schlager, aber ich glaub nicht so *billig* wie hier. PSSSSS: Der Kairaku-en ist einer der drei berühmten Gärten Japans, die alle geforderten Attribute für einen perfekten Landschaftsgarten in sich vereinen. Kapitel 16: Epilog ------------------ Epilog Miya schloss die Eingangstür des Probenraums hinter sich. Eben hatte er versucht, Yukke ein wenig aufzumuntern und hoffte wirklich, dass er erfolgreich gewesen war. Der Bassist hatte ihn mit einem Blick angesehen, der ihm wehtat, als er die Vergangenheit erwähnte. Das hatte Miya nicht gewollt, er wollte nicht mehr nicht zu der Sorte Mensch gehören, die einfach so unsensibel auf den Gefühlen Anderer herumtrampelte. Er wollte sich ändern, so wie es auch Tatsurou geschafft hatte, sich- zumindest ein bisschen- weiterzuentwickeln. In seiner unbeholfenen Art hatte Miya versucht ihn ein wenig aufzuheitern. Er war nicht gut in solchen Dingen und hatte es einfach auf Satochis Art versucht und Yukke darauf aufmerksam gemacht, das auch Gutes aus jener Zeit erstanden war. Man sollte eben immer das Positive sehen: Die Band hielt besser zusammen denn je, sie waren von Schulkameraden, die zu reinen Arbeitskollegen degeneriert waren, zu richtigen Freunden, fast schon einer Familie geworden. „Bei euch sogar zu noch mehr.“ Hatte er leise hinzugefügt, als das schlummernde Etwas auf Yukkes Schoß auf sich aufmerksam machte, indem es sich ein wenig bewegte. Beide sahen auf den schlafenden Tatsurou herab. Unbewusst hatte Yukke schon die ganze Zeit über mit einer abstehenden schwarzen Strähne in dessen Nacken gespielt und sich dabei an Dinge erinnert, an die er eigentlich nicht mehr denken wollte, während Miya sprach. Aber damit hatte er schon Recht. Als schlecht würde er das hier gerade nicht bezeichnen. „Und es sind auch viele gute Songs entstanden.“ DAS war eine so typische Miyaantwort, dass Yukke unfreiwillig lachen musste. Ein Mensch konnte seine Natur nicht verleugnen und Miya war nun mal sparsam und fleißig. Er liebte seine Arbeit. Eine Weile lang hatten sie beide sich angeschwiegen, nur die flachen Atemzüge des schlafenden Sängers in der Stille waren zu hören gewesen. Eine Sache war ihm zum Schluss noch eingefallen, um Yukke aufzuheitern: „Weißt du eigentlich, warum wir „Kuchiki no tou“ doch noch einmal für die DVD gespielt haben?“ „Nein, aber das hab ich mich schon selbst gefragt. Warum? Für die DVD? Du hast doch selbst gesagt, wir würden den Song nicht mehr spielen, damals nach der Tournee.“ „Stimmt.“ Hatte der Gitarrist geantwortet. „Aber Tatsurou wollte es gerne.“ ~Owari~ PS: Ja, es ist wirklich zu Ende ;_; PSS: Ich hoffe, ihr wisst alle, was „Kuchiki no tou“ bedeutet (jetzt nicht wörtlich sondern im Zusammenhang mit Mucc) .. wenn nicht, dann lest mal das Booklet zu Houyuku oder checkt Mucc im Netz.. oder macht euch selbst ein Bild und lest den Text ;_; (vorletztes Kapitel). PSSS: Aber keine Panik, die nächste Mucc FF ist schon in sehr fortgeschrittener Planung (seit April ») -- Trotzdem bin ich ein wenig wehmütig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)