Love and Hate
Bou schaute ihn entgeistert an. Miku! Und dann ausgerechnet noch Miku! Er schob ihn von sich, stand auf und verließ im Rückwärtsgang die Besenkammer, um sich dann auf dem Flur umzudrehen und heulend in sein Zimmer zu rennen. Dort warf er sich aufs Bett und dachte nach, als Kanon ins Zimmer kam.
"Hey Bou, was ist denn los? Hallo?" Er bekam erst mal keine Antwort. "Miku, er..." Kanon konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, versuchte jedoch, ernst zu bleiben. "Er was?" fragte er. "Er... er hat mich geküsst u-und mir eine Liebeserklärung gemacht..." stammelte Bou mit hochrotem Kopf vor sich hin, woraufhin sein Mitbewohner in lautes Gelächter ausbrach und sich Lachtränen aus den Augen wischte. "Sorry,dass ich lache, Bou, aber sag bloß, das hast du nie bemerkt? Der stand doch schon die ganze Zeit auf dich!" "Danke für die Unterstützung!" wütend verließ der kleine Blonde das Zimmer und traf auf dem Flur auf Miku, denn dessen Zimmer lag neben dem von Bou und Kanon. //Mist... was nun?// Bou drehte sich um, doch da war der Gang zu Ende. Also entweder an Miku vorbei oder zurück zu Kanon. Er entschied sich für die erste Variante und schlich sich an der Mauer entlang wortlos an Miku vorbei und kaum hatte er ihn passiert, beschleunigte er seine Schritte.
Die Nacht verbrachte er in der Besenkammer und zum Essen kam er immer erst kurz vor Schluss. Kanon hatte er schon längst vergeben, aber er wollte Miku so selten wie möglich über den Weg laufen und auf dem Schlafflur der Jungens hätte er ihn unweigerlich ziemlich oft gesehen, denn allein schon die Tatsache, dass er an Mikus Zimmer vorbeimusste, um aus dem Schlafbereich rauszukommen, bereitete ihm Bauchschmerzen.
Als wäre das nicht genug, musste er ab Anfang März auch erfahren, was es heißt, gemobbt zu werden, denn da er immer noch die Mädchenuniform trug, wurde er ausgelacht, aber er dachte gar nicht daran sie zurückzugeben. Eines Tages scharte sich beim Mittagessen in der Mensa ein kleines Grüppchen um ihn, bestehend aus vier oder fünf Klassenkameraden und Klassenkameradinnen.
"Na, du Mädchen?Wo hast du denn DEINEN Bodyguard gelassen??"
"Wuffwuff, Hündchen,die,die schweigen haben schon aufgegeben."
"Ich wusste es schon immer... in Wirklichkeit biste ne Tunte..."
So ging es immer weiter und irgendwann schüttete ihm jemand absichtlich Suppe über die Bluse und den Blazer. Die ganze Menge lachte und Bou schaute sich weinerlich an.
"Ooch... wird unsre Kleine jetzt traurig...?" Einer hob seine Hand zum Schlag auf, als Miku hinter ihm auftauchte und diese festhielt.
"An DEINER Stelle würde ich das LIEBER LASSEN." Er funkelte ihn an. Bou stieg auf, brachte das Tablett zurück.
"Danke, aber das hätte ich auch alleine regeln können."
Miku schaute Bou bedröppelt hinterher. Er fühlte sich wie bestellt und nicht abgeholt. Die, die ihn ärgerten, zogen nun auch beleidigt von dannen.
"Mensch,Miku,wie schaffst du das nur`" seufzte Teruki. "Immer,wenn ihr euch gerade angefreundet habt,verfeindet ihr euch wieder."
"Frag mich nicht." knurrte Miku und verließ die Mensa.
Bou war im Proberaum der Schule. ist während seiner Grundschulzeit von seinen Eltern gezwungen worden Gitarre zu lernen. Eigentlich hatte er sich geschworen, nie wieder ein solches Instrument anzufassen, aber als er neulich diese E-Gitarre in der Stadt gesehen hatte, konnte er einfach nicht anders. Diese Rundungen, der feine, weiße Lack und das sorgfältig verarbeitete Griffbrett waren ein Traum. Noch dazu ein Einzelexemplar!
Er schloss die Gitarre mit dem Klingenkabel an den Verstärker an und begann ein Lied von LUNA SEA zu spielen.
"Ich wusste gar nicht, dass du ein Instrument spielst!"
"Oh, hallo Kao.Wie kommst du denn her? Um diese Zeit bist du doch sonst immer draußen."
"Miku hat mich hergeschickt, da er hier seine neuesten Songtexte liegen gelassen hat."
"Miku- san schreibt Lyrics?"
"Jepp. Und noch dazu ist er ein recht begabter Sänger. Wie wäre es denn,wenn ihr euch mal zusammentun würdet? Dein Gitarrenspiel ist auch nicht von Pappe."
"I- ich glaube,die andern warten schon auf dich!" meinte Bou und schob ihn zur Tür hinaus. Kao betrachtete die geschlossene Türe und kratzte sich am Kopf. //Was ist denn mit dem los? Naja ,egal.// Er brach auf um Miku zu suchen.
"Miku, sag mal, weißt du, was mit Bou los ist? Er geht allem, was mit dir zu tun hat, aus dem Weg."
"Woher soll ich das wissen, Kao? Er lässt sich ja nicht mal mehr von mir helfen!" schnauzte der Goldblonde seinen besten Freund an.
"Ist ja schon gut!" beschwichtigte dieser ihn. " Ich grage mich halt nur, wie du es schaffst, ihn dir ständig zum Feind zu machen. Ach übrigens, hier hast du deine Songtexte!"
"Da bist du nicht der Einzige!" Miku schnappte sich die Lyrics und ging aus dem Zimmer.
Auf dem Gang fing er an das neue Lied zu singen
"Kirameku viinasu utsukushiku,
kirameku viinasu hotorashiku,
boku no kokoro,terasu kimi wa
sumairu ichiban ii onna"
Ehe er sich versah war er am Proberaum angekommen. Warum hatte er sich eigentlich die Lyrics bringen lassen, wenn er nun eh wieder zurückkehrte? Egal.
Schon von draußen hörte er den Song DÉJÀ-VU und fragte sich, wer denn spielte, denn bisher hatte er hier noch keinen diesen Song auf Gitarre spielen hören. Miku lauschte für einen Moment der Musik und als das Lied zu Ende war betrat er singend den Raum.
"M- Miku- san..." Bou stand stocksteif da, schlug sich die linke Hand vor den Mund und war den Tränen nah.
"B- Bou- k- kun... i- ich... d- du... d- du spielst echt toll Gitarre^^°!!!"
"W- was m- machst du denn hier?!" Langsam löste sich die Versteifung und Bou fing an, sich in Richtung Tür zu bewegen,aber Miku hielt ihn am Arm fest.
"Bou... bitte, bitte warte ei..."
"WOZU?!? WOZU SOLL ICH WARTEN??!!??"
"Ich..." Miku warf sich heulend vor ihm auf die Knie. "Bitte, bitte rede wieder mit mir. Bestrafe mich wie du willst, aber Deine Ignoranz ist das Schlimmste für mich. Gib mir lieber sofort einen Korb, aber BITTE!" Er haute heulend mit beiden Fäusten gleichzeitig auf den Boden.
Bou schaute schweigend auf Miku. "So sehr... so sehr liebst du mich?"
"Ja... JA!" rief Miku,immer noch unter Tränen.
"Ich... es tut mir Leid,aber ich kann Deine Gefühle momentan nicht erwidern, auch wenn ich es so gerne wollte,gomen nasai..." von Wort zu Wort wurde Bou leiser und nahm schlißlich Miku in den Arm. "Es tut mir wirklich schrecklich Leid, dass du so wegen mir gelitten hast, Miku,aber ich konnte dir einfach nicht gegenüber treten.
[...]
Bitte entschuldige mich, ich muss in die Stadt, neue Saiten abholen." Er hauchte Miku einen Kuss auf die Stirn und verschwand.
"Er hat WAS?!?" Teruki und Kao konnten es nicht fassen, dass Miku von Bou so abserviert worden war.
"Doch, es war so.Und wenn ihr mich jetzt bitte alleine lassen würdet..." Er schob die beiden aus seinem Zimmer und schloss erst einmal ab.
Das konnte nicht wahr sein, das DURFTE einfach nicht wahr sein, und doch was es die schreckliche Gewissheit, dass er, Miku, von seinem Traumtypen auf eine solch unglückliche Weise einfach so abserviert worden war, weswegen er jetzt erst einmal seine unendliche Wut loswerden wollte. Doch das konnte er nicht.Irgendwie ging das nicht. Er fühlte sich so unglaublich leer. Wie in Trance bewegte er sich zu seinem Kulturbeutel und öffnete eine neue Packung voller Rasierklingen. Immer näher und näher kamen diese der zarten, weichen Haut...
Zur gleichen Zeit saß Bou auf seinem Bett und heulte sich die Augen aus. Kanon versuchte mehr oder weniger erfolglos seinen Zimmergenossen zu trösten.
"Merkwürdig ist das schon..." meinte Teruki zu Kao.
"Wieso?"
"Na, zuerst ignoriert er ihn und läuft vor ihm weg, dann gibt er ihm einen Korb, um ihn am Ende auf die Stirn zu küssen. Man kann sagen was man will, aber normal ist das jedenfalls nicht."
"Was ist denn schon normal?" fragte Kao schulterzuckend. "Außerdem... wenn Miku-chan sich nicht beeilt und bald zur Sache kommt, schnapp' ich ihn mir!" lachte er und lief weg.
Teruki rief zwar noch ein "Das kannst du doch nicht machen!" hinterher,aber er bekam keine Antwort.
"Hey, Bou, sschh.. alles ist okay... nothing's wrong!"
"Von wegen! Ich habe Miku voll vor den Kopf gestoßen!" heulte sich Bou in Kanons Armen aus.
"Das wird schon wieder!"
"Das meinst DU!"
Als Kanon den heulenden Schüler länger beobachtete, fühlte er etwas. Etwas, was er noch nie zuvor gefühlt hatte. Für ihn war es ein undefinierbares Gefühl.
Miku löste die Sicherheitsstäbchen aus der Klinge und rammte sich die somit ungeschützten Messer mit voller Wucht in die Haut. Ein schmerzverzerrtes Gesicht zeigte, dass es ihm wehtat, aber er gab keinen Laut von sich, sondern fuhr damit fort.
Teruki beschloss, sich bei Miku zu entschuldigen, und öffnete leise dessen Zimmertüre und sah ihn in der rechten Hand mit der Klinge und mit dem blutverschmierten linken Unterarm.
"OMG, MIKU!" Er stürzte hinein und riss ihm die Klinge aus der Hand. "Teruki! Ich... Das ist so unfair!" Er boxte auf Terukis Brust, schmiegte sich an und heulte.
//So habe ich Miku in all den Jahren noch nie erlebt... ich würde ihm so gerne helfen...//
Bou wusste nicht, wie ihm geschah, denn auf einmal näherte sich Kanon und steckte seine Zunge in den Mund des Blondschopfes. Bou, der den Kuss zum Erstaunen von beiden erwiderte, brachte viel Leidenschaft mit ein.
//Bou... was soll das...? Was ist mit Miku?// Mit diesen Gedanken unterbrach der Schwarzhaarige den Kuss und sah Bou geschockt an. "W-Was sollte das eben, Bou? Wieso hast du das erwidert, und dann noch mit so viel Leidenschaft? Und was ist mit Miku?"
Der Blonde legte Kanon einen Zeigefinger auf den Mund. "Ist doch jetzt auch egal, oder?"
"Miku... ist auch wirklich alles okay?"
"Ja... nein... nach was siehts denn aus, hmmmm??!!??"
"Ist ja schon gut... okay, diese Frage hätte ich mir wirklich sparen können..."
"Eben. Und jetzt gib mir die Klinge wieder." Miku hielt Teruki seine Hand auffordernd unter die Nase.
"Vergiss es!" - "Und wieso?" - "Weil ich nicht zulassen werde, dass du dich noch weiter verletzt." Teruki stand auf, durchsuchte das Zimmer nach eventuell noch mehr Rasierklingen und verließ dann den Raum. Miku ging zum Fenster und starrte hinaus.
In den nächsten Tagen sah man erstaunlich oft Kanon und Bou recht vergnügt und Händchen haltend miteinander rumhängen. Kanon war immer noch schleierhaft, wieso Bou sich drauf einließ, denn es war doch mehr als offensichtlich, auf wen er eigentlich stand und wegen wem er immer noch die Mädchenschuluniform trug, aber er wagte es nicht, den Weißblonden darauf anzusprechen.
Und einige Tage später dann passierte es. Die Laune von beiden ging schlagartig in den Keller, denn sie wurden erwischt. Und zwar küssend erwischt. Und das nicht von irgendwem, sondern von Miku höchstpersönlich, der gerade per Zufall vorbeikam. Er machte kehrt und rannte weg.
Anders als Bou,der sich durch diesen Vorfall äußerlich nicht sonderlich gestört fühlte, war Kanon zutiefst beunruhigt, und das zurecht. Er schob Bou von sich weg und lief Miku nach. Er erwischte ihn in der Bibliothek. " Hey,Miku..."
"Was gibts? Du hast doch was du willst..." antwortete dieser missmutig.
"Nein, eben nicht."
"Wieso? Du hast Bou. Freu dich. Das wolltest du doch die ganze Zeit."
//Bou...bitte sei mir nicht böse, aber es geht nicht anders, jetzt nicht mehr, wirklich nicht...//
"Anscheinend habe ich Recht. Du schweigst ja."
"Ich weiß nur nicht, wie ich es ausdrücken soll."
"Also ja."
"Nein,verdammt. Es quält mich nur schon die ganze Zeit..."
"Sag bloß du stehst nach all den Jahren doch auf mich?"
"Nein, aber..."
"Aber?"
"Versprich mir erst,dass du ou nichts sagst,sonst bin ich tot."
"Mal schaun. Also?"
"Erst versprechen."
"Meinetwegen." knurrte Miku leicht genervt.
"Bou...eigentlich...eigentlich steht er schon die ganze Zeit auf Dich..."
