Vampires Will Never Hurt You von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Coffee on the marble top ----------------------------------- 2. Kapitel Coffee on the marble top Mein Plan hatte nie vorgesehen, dass ich irgendwann einmal mit einem absoluten Arsch von Partner durch ein kleines ausgestorbenes Kaff am Ende der Welt laufen würde, auf der Suche nach dem Bruder meines besagten Arschloch-Partners. Mein Plan hatte nie vorgesehen, dass ich dieses Leben führte, dass ich nirgends zuhause war oder nie sicher sein konnte, was als nächstes passieren würde. Ich hatte, wie jedes kleine naive Mädchen, geplant, nach meinem High School Abschluss eine Reise nach Europa zu machen, um danach in einer der besten Universitäten des Landes zu studieren. Danach einen guten Job und vielleicht heiraten. Das war mein Plan, doch es kam alles anders. Ich hatte nie meinen Abschluss an der High School gemacht und alles, was ich von Europa gesehen hatte, war ein verregnetes London, wo wir einen Verdächtigen jagen mussten und danach sofort wieder ins Flugzeug zurück in die Staaten gestiegen waren. Ich hatte noch nie in meinem Leben den Campus einer Uni betreten und würde es wahrscheinlich auch nie tun. Ich hatte das alles nie gewollt, doch als es soweit war, eine Entscheidung zu treffen, hatte ich keine andere Wahl. Und jetzt war das hier mein Leben. Ich war sechzehn Jahre alt, Vollwaise und Partnerin des berühmtesten und bescheuertsten Vampir- und Monsterjäger der Welt. Ich seufzte auf und warf Jake, der schweigend neben mir hertrottete, einen kurzen Blick zu. Seine Haut war bleich und wächsern unter seinen schwarzen Bartstoppeln. Er war dünn geworden in letzter Zeit. Aus unerklärlichen Gründen sah er noch kränklicher aus als sonst und ich fragte mich, ob dieser Besuch in seine alte Heimatstadt ihn wirklich so sehr mitnahm wie es den Anschein hatte. „Was für eine Straße ist das hier?“, fragte ich, nur um das unangenehme Schweigen zu brechen. „Downer’s Mill“, sagte er ohne mich auch nur anzusehen und zog seinen Kopf tiefer zwischen seine Schultern bis der Kragen seiner khakifarbenen Jacke sein Gesicht bis zur Nasenspitze verdeckte. Ich bemerkte, dass die Häuser in dieser Gegend allesamt gleich aussahen. Klein, schmutzigweiße Fassade, ungepflegte Veranda und verwahrloster Vorgarten, in dem oft noch ein rostiges Kinderfahrrad oder eine alte Schaukel standen. Nur selten sah man ein blasses Gesicht hinter den schmutzigen Fensterscheiben hervorblitzen. Niemand war auf den Straßen und langsam beschlich mich das Gefühl, dass Fremde hier nicht gerade willkommen waren. Ich reckte die Schultern und schritt stärker aus; von dem Gedanken besessen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Jake schien von der angespannten Stimmung in der Stadt nichts mitzubekommen oder er zeigte es nicht. „Sieht es in dieser Stadt überall so aus wie hier?“, wollte ich wissen und rückte unbewusst etwas näher zu meinem Partner. Jake warf mir einen Blick zu, als hätte ich eine unglaublich dumme Frage gestellt. „Nein“, sagte er und deutete in östliche Richtung. „Da hinten stehen ein paar größere Einfamilienhäuser und weiter nördlich auch einige Villen, die aber zum größten Teil nicht das ganze Jahr bewohnt sind. Na, was haben wir denn hier?“ Er blieb abrupt stehen und grinste. Ich folgte seinem Blick. Wir waren an der Einmündung eine weiteren Straße angekommen. Ich sah auf das Straßenschild, das vor lauter Schmutz und Schlieren kaum zu lesen war. „Cohen Road“, sagte ich. Jake nickte und zündete sich eine Zigarette an. Seine Hände zitterten leicht und sein Blick blieb auf dem dritten Haus der Straße hängen, das sich vor allem durch den gemähten Rasen davor von den anderen Häusern abhob. Mit einem Seufzer wandte er sich zu mir um. „Hast du deine Baby Eagle dabei?“, fragte er und deutete auf meine Tasche. Ich nickte und zeigte ihm die Waffe. „Warum?“ Ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. „Ich gebe dir hiermit die Erlaubnis, meinen Bruder zu erschießen, wenn er anfängt zu nerven...“ Jake stöhnte und fuhr sich durchs Haar. „Ich hasse gemähten Rasen...“, murmelte er und ich warf ihm einen leicht amüsierten Blick zu. „Du hasst doch Gras und Gärten allgemein, Jakey-Boy!“ Ich lachte und mein Partner sah mich wütend an. Mit einem leichten Seufzer dachte ich daran, dass ich die nächsten paar Stunden mit zwei Männern dieser Sorte verbringen musste. Jake ging mit langen Schritten über den schmalen Weg, der zur Haustür führte und, wie ich erstaunt bemerkte, fein säuberlich von allem Unkraut befreit worden war. Ich hätte einem Dawson niemals zugetraut so penibel Gartenarbeit zu erledigen. Jake ging die wenigen Treppenstufen zur Veranda hinauf und schnippte die Zigarette in den Busch, der daneben gepflanzt war. Ich folgte meinem Partner. Die weißlackierten Stufen knarrten leise unter unseren Füßen und verschwommene Erinnerungen an mein Elternhaus flogen an meinem inneren Auge vorbei. Jake zögerte nur einen kurzen Augenblick bevor er die Haustürklingel betätigte, doch ich bemerkte es trotzdem. Es war nicht seine Art zu zögern und erneut kam mir der Gedanke in den Sinn, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, hierher zu kommen. Ich sah, dass hinter der Glasscheibe, die in die Tür eingesetzt war, das Licht anging und hörte Schritte, die schnell näher kamen. Schließlich wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet. Der Mann vor uns sah Jake so unglaublich ähnlich, dass es mir für einen kurzen Moment die Sprache verschlug. Er hatte dieselbe Figur, dieselbe Größe, dasselbe markante Kinn, dieselben strahlend blauen Augen. Und doch war er anders. Sein von natur aus schwarzes Haar war von helleren Strähnen in der verschiedensten Brauntönen durchzogen, sein Gesicht sah gesund und gebräunt aus und er trug einen engen Rollkragenpullover in dunklem Rot, den Jake niemals angefasst hätte. Ein Blick auf seine Hände verriet mir außerdem, dass bei diesem Mann die für seinen Bruder typische Narbe am Zeigefinger fehlte. Neben mir räusperte sich Jake vernehmlich und der Mann sah ihn endlich direkt an. Mit einem Keuchen riss er die Augen auf und ich wusste in diesem Moment, dass er ihn erkannt hatte. „Jake?“, fragte er fassungslos und seine narbenlose Hände suchten Halt an Tür und Rahmen als könnte er nicht alleine stehen. Jake nickte langsam und versuchte eines seiner Lächeln, die bei ihm immer so verdammt einstudiert aussahen. Ich verzog das Gesicht bei diesem Anblick. „Äh“, begann Jake und fuhr sich erneut nervös durchs Haar. Ich hatte ihn erst sehr selten so erlebt. „Hi Drake!“ Für einen Moment lang sah es so aus, als würde Drake uns die Tür einfach so wieder vor der Nase zuschlagen, doch schließlich seufzte er nur laut. Sein gebräuntes Gesicht hatte einen ungesunden Farbton angenommen, der mich an eine unreife Frucht erinnerte. „Was...“, begann er und seufzte erneut als würde ihm jedes Wort körperliche Schmerzen bereiten. „Kommt rein...“ Er ging einen Schritt zur Seite und gab die Tür frei. Die Entscheidung uns einzulassen schien ihm unglaublich schwer gefallen zu sein. Ich zögerte kurz, aber betrat schließlich das Haus. Jake folgte mir und Drake schloss die Haustür hinter sich. Trotz meiner Unsicherheit war ich neugierig darauf, wie das Haus eines Dawsons aussehen mochte. Da Jake keinen festen Wohnsitz hatte, war ich nie zu der Ehre gekommen eine Wohnung zu besichtigen, die er länger als drei Wochen bewohnt hatte. Drakes Wohnzimmer war erstaunlich hell und freundlich. Allerdings konnte ich nirgends Kitsch oder etwas wirklich ausgefallenes finden. Die Ausstattung und die Möbel waren vermutlich allesamt von IKEA und hatten diesen gewissen Yuppiestil, der mich an die Wohnungen aus amerikanischen Sitcoms erinnerte. Am auffälligsten waren allerdings die vielen Drucke von bekannten Gemälden, welche die weißgetünchten Wände schmückten. Kunst hätte ich nie bei jemandem erwartet, der auch nur annähernd mit Jake verwandt war. Ich warf meinem Partner einen vielsagenden Blick zu, doch er bemerkte ihn nicht einmal. Er sah sich mit einer gewissen Verachtung im Raum um, die ich oft bei ihm beobachtete hatte, wenn er über seine Familie sprach. Drake schien jetzt wirklich unsicher und ich war mir sicher, dass er sich überlegte, ob es nicht besser gewesen wäre, uns nicht ins Haus zu lassen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. „Wollt ihr etwas trinken?“, fragte er mit der Stimme eines erfahrenden Gastgebers. „Vielleicht einen Kaffee?“ „Kaffee wäre toll!“, sagte ich und lächelte so bezaubernd wie ich nur konnte. Jake schüttelte den Kopf. „Ich hasse Kaffee...“, murmelte er leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Drake zog eine Augenbraue hoch und verließ den Raum. Als ich sicher war, dass er außer Reichweite war, warf ich Jake einen wütenden Blick zu. „Kannst du dich nicht mal ein bisschen zusammenreißen?“, zischte ich, doch Jake zuckte nur mit den Schultern. „Wir sind auf die Hilfe von deinem Bruder angewiesen! Ich weiß ja nicht, was zwischen vorgefallen ist, wenn überhaupt etwas war. Vielleicht hatte er auch nur dein ewiges Genörgel satt!“ Ich hätte ihm am liebsten eine geklebt, aber hielt mich zurück. Angeblich war Gewalt ja nicht die beste Lösung. „Ich bin doch hier!“, erhob Jake seine Stimme und sah mich drohend an. „Was willst du denn noch mehr? Ich habe mich von dir hier her schleppen lassen, obwohl ich diesen Ort hasse! Ich hasse alles hier und trotzdem bin ich hier, nur weil du irgendwas von seltsamen Vorgängen in Caven’s Hill gehört hast!“ Seine Stimme triefte vor Spott. Wütend wandte ich mich um und ging einige Schritte durch das IKEA-Wohnzimmer. Auf dem Kaminsims aus weißem Marmor standen zwei gerahmte Fotos und ich trat näher, in der Hoffnung mich so etwas von meiner Wut auf Jake abzulenken. Ich bemerkte, dass die Rahmen der beiden Fotos identisch waren; weiß mit schwarzen Zierschrauben an allen vier Ecken. Ein Bild zeigte einen jungen blonden Mann, der lächelnd eine makellose weiße Zahnreihe zeigte. Das Foto wirkte professionell, wie aus einem Fotostudio. Portrait plus Rahmen, $11,50. Ich musste schmunzeln und dachte an die verrückte Fotografin, die meine Passfotos geschossen hatte als ich noch ein Kind war. Auf dem zweiten Foto waren drei Jungen zu sehen und ich erkannte sofort, dass es sich um die jüngeren Ausgaben von Jake und seinen beiden Drillingsbrüdern Drake und Blake handeln musste. Sie hatten alle drei dunkles Haar und trugen dieselben T-Shirts. Das Foto sah aus wie ein ganz normaler Familien-Sommer-Schnappschuss, denn die drei Brüder sahen mehr überrascht als lächelnd in die Kamera. Sie saßen an einem Art Gartentisch und sie hatten die Augen zugekniffen als würde sie die Sonne blenden. Ich drehte mich um und wollte Jake nach dem Foto fragen, doch mein Partner stand immer noch mit verschränkten Armen vor einem der Fenster des Wohnzimmers und sah nach draußen. Sein Gesicht sah im fahlen Winterlicht wie versteinert aus und die Züge um seinen Mund waren hart und verbittert. Ich musste bei diesem Anblick schlucken. Es war kaum noch Ähnlichkeit zwischen diesem Mann und dem Jungen auf dem Foto. Sie schienen wie zwei verschiedene Personen. Drake kam zurück und trug in der Hand zwei Tassen Kaffee, die er krampfhaft fixierte um nichts zu verschütten. Er gab mir eine und lächelte unsicher. „Ist schwarz okay?“, fragte er und ich nickte. Lächelnd bedankte ich mich und wagte es mich auf einem der beiden Sofas niederzulassen. Drake setzte sich ebenfalls, doch Jake blieb stehen. Sein Bruder warf ihm einen fragenden Blick zu. „Warum genau seid ihr hier, Jake?“ Seine Stimme klang kräftig, doch ich hörte ein leichtes Zittern heraus. Er war direkt, schien keine Zeit verlieren zu wollen. „Ich kenne dich gut genug. Du hast dich seit Jahren weder bei mir noch bei Blake gemeldet. Also muss es schon einen guten Grund dafür geben, dass du plötzlich vor meiner Tür stehst...“ Jake rieb sich nachdenklich das Kinn und seufzte dann. Er warf mir einen kurzen Blick zu bevor er sprach. „Wahrscheinlich sollte ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe, aber ich bin nicht so der reumütige Typ, wie du weißt. Vielleicht war es sogar das beste keinen Kontakt zu euch zu halten. Ehrlich gesagt, ist es mir auch ziemlich egal gewesen.“ Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Doch vor zwei Wochen haben wir von verdächtigen Vorgängen hier in Caven’s Hill erfahren. Menschen verschwinden, Geschäfte schließen, Grundstücke verwahrlosen. Darum sind wir hier. Wir wollen herausfinden, was es damit auf sich hat. Und da du der einzige bist, den ich in dieser Stadt noch annähernd kenne, wollten wir dich fragen, ob dir etwas Auffälliges aufgefallen ist, das... in unseren Zuständigkeitsbereich fällt...“ Eine kurze Pause entstand und Drake stand langsam auf. „Du bist also hier um mich zu fragen ob mir etwas Seltsames aufgefallen ist? Unnatürlich große Schwärme von Fledermäusen oder Männer in Umhängen mit spitzen Zähnen? Monster mit sieben Köpfen oder Tote, die aus ihren Gräbern steigen? Darum bist du hier? Um mich so was zu fragen?!“ Drakes Stimme klang hoch und hysterisch. Seine Wangen waren leicht gerötet und ich stand instinktiv auf, als ob ich Angst hätte, er könnte sich auf Jake stürzen. Doch der stand vollkommen ruhig und immer noch mit verschränkten Armen da und sah ohne eine Miene zu verziehen in das wütende Gesicht seines Bruders. Ich konnte dennoch die Spannung zwischen den beiden spüren bis Jake den Augenkontakt abbrach und zu mir sah. „Würdest du uns kurz allein lassen, Chestnut?“ Ich war einen Moment vollkommen baff. Ich hatte alles erwartet, nur das nicht. Jake wollte mit seinem Bruder alleine sprechen? Und schickte mich aus dem Raum? Ich war wütend, doch meine Verblüffung siegte schließlich. Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Wohnzimmer durch die Tür, die Drake benutzt hatte um den Kaffee zu holen und schloss die Tür hinter mir. Wie nicht anders zu erwarten fand ich mich in Drakes Küche wieder, die ebenso wie das Wohnzimmer in Weiß und wenigen hellen Tönen gehalten war. Wie auch der Kamin war die Arbeitsplatte aus hellem Marmor gefertigt und nicht zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, dass Jakes Bruder besser verdiente, als alle seine Nachbarn zusammen. Entweder das oder er hatte einen spendablen Bekannten, der ihn sehr mochte... Ich stellte meine halbleere Tasse auf dem Marmor ab und drehte mich seufzend um. Ich war immer noch verwirrt und normalerweise hätte ich mir sicher sein könne, dass Jake mir nachher erzählen würde, was er mit seinem Bruder besprochen hatte. Doch das hier waren keine normalen Umstände. Und das lag nicht nur an dem Ausdruck in Jakes Augen als er mich gebeten hatte zu gehen. Darum entschied ich mich dafür ausnahmsweise einmal zu lauschen... 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