Bartimäus von Ashqtara (Das Buch der Träume (Arbeitstitel)) ================================================================================ 1 Bartimäus Inzwischen war ich es ja schon gewohnt, immer dann beschworen zu werden, wenn ich gerade eigentlich nicht die geringste Lust hatte. Ich war gerade erst kurze Zeit am Anderen Ort gewesen, und hatte mich von meinem letzten Ausflug noch nicht so richtig erholt. (Genauso wie ein altersschwacher Zauberer aus den Niederlanden, der wohl immer noch versucht, mit einem Ring das Herz einer Frau zu gewinnen, die glatt seine Tochter sein könnte. Tja, Pech für ihn, das der Ring nur für eine Stunde gewirkt und ich somit meinen Auftrag – meiner Meinung nach – erfüllt hatte.) Immerhin war ich fast ein ganzes Jahr in der Menschenwelt gewesen und musste den Launen eines Schwachkopfes nachkommen. Nun, leider konnte ich mich gegen die Worte, die mich wieder in die Knechtschaft riefen, nicht wehren. Wie immer also. Während nun meine Substanz langsam aber sicher wieder einmal vom Anderen Ort weggerufen wurde, überlegte ich mir, welche Gestalt ich wohl annehmen sollte. In den Worten, die mich fort zogen, nahm ich ein leichtes, kaum merkliches Zögern wahr, woraus ich schloss, dass ein Zauberer die Beschwörung durchführte, der wohl noch nie einen so mächtigen Dschinn wie mich gerufen hatte. Also nahm ich eine meiner liebsten Erschreckgestalten an: einen Minotaurus. Da mir aber ein einfaches griechisches Ungeheuer nicht furchteinflößend genug erschien, fügte ich noch rotglühende Augen, Ziegenbeine und Rauch, der aus den Nüstern stieg, hinzu. Und zu guter Letzt, aus lauter Übermut, eine blutverschmierte Axt. (Ich muss sagen, dass ich mich mal wieder selbst übertroffen hatte, denn ich sah wirklich sehr furchterregend aus. Ihr wisst ja, meine Spezialität sind eben solche Horrorgestalten, mit denen man einen Zauberer wunderbar den Hut vom Kopf pusten kann ... aber ich will euch nicht ewig mit meinen verschiedensten Erscheinungsformen und deren Vorzügen nerven (dann würden wir ja Monate brauchen), lest lieber oben weiter!!) Ich untermalte meine ohnehin schon erschreckende Gestalt mit einem furchterregenden Kreischen wie aus tausend Folterkammern und einem ohrenbetäubenden Donnergrollen. (Na gut, kleine Übertreibung, es klang wie aus ungefähr 569 Folterkammern, aber künstlerische Freiheit ist doch wohl erlaubt, oder?!?) „Könntest du bitte aufhören hier so einen Krach zu machen?“, sagte eine Stimme hinter mir in einem herrischen Ton. Als der Minotaurus sich nach demjenigen, der gesprochen hatte, umsah, ließ er vor lauter Schreck seine Axt fallen. Das Kreischen und Grollen verschwand und ich starrte verblüfft den Zauberer im gegenüberliegenden Pentagramm an. Besser gesagt, starrte ich eine Zauberin an. Oder noch besser gesagt, ein kleines Mädchen, dass wohl mal Zauberin werden wollte. Es musste wohl sehr blöd ausgesehen haben, wie ein furchterregender Minotaurus mit offenem Mund ein kleines Mädchen anstarrte, denn die Kleine lachte laut auf: „Hey, hats dir die Sprache verschlagen? Eigentlich hatte ich gedacht, du wärst nicht so auf den Mund gefallen. Bist du überhaupt Bartimäus?“ „Ja.“, antwortete ich, zu verblüfft, um etwas anderes zu sagen. (Normalerweise bin ich etwas schlagfertiger, aber sie sah aus wie jemand, den ich mal gekannt hatte und zwar vor etwas längerer Zeit. Also bitte, da darf doch ein wenig Verwunderung erlaubt sein!) „Und wer bist du? Wie kann ein solcher Winzling wie du es überhaupt wagen, mich zu rufen? Oder hat dein Meister dich vorgeschickt, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen?“ Irgendwie kam mir die Situation verdammt bekannt vor, doch schnell verdrängte ich den Gedanken an Nathanael aus meinem Kopf, ich musste mich jetzt auf das Gegenwärtige konzentrieren. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich mir das Pentagramm auf der Erde an. Doch leider leider war alles perfekt geschrieben worden, alle Zeichen waren klar und sauber auf die Holzbretter des Bodens gemalt. Unwillkürlich seufzte ich. Das Mädchen unterdessen betrachtete mich aus ihren großen hellblauen Augen. „Erstens: Ich heiße Chloe Valient. Und zweitens und drittens: Es war ganz allein meine Idee, dich zu rufen, meine Meisterin weiß nichts davon. Und ich bin nicht winzig! Ich bin schon zwölf!“ Innerlich musste ich grinsen, denn aus der letzten Antwort entnahm ich, dass Chloe wohl nicht gut auf ihre kleine Körpergröße anzusprechen war. Allerdings sah sie jetzt so wütend aus, dass ich lieber schnell vom Thema ablenkte, bevor sie auf die Idee kommen sollte, eine der Dschinn-Strafen an mir anzuwenden. „Was ist denn das hier für ein Runenkreis um dein Pentagramm?“, fragte ich und deutete vor ihre Füße. „Ach, das ist nichts besonderes.“, sagte Chloe, „Es ist ein weiterer Schutzzauber, den ich mir selbst ausgedacht habe. Er verhindert, dass ein Geisterwesen irgendwelche Zauber auf mich schleudern kann.“ Sie errötete leicht. Ob ich es wollte oder nicht, die Kleine hatte mich beeindruckt. Immerhin hatte sie einen sehr wirksamen Schutz entworfen, der wohl – meiner Meinung nach – selbst einen Mariden aufhalten würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)