Liebe über den Tod hinaus von Kyo-chi ================================================================================ Liebe über den Tod hinaus ------------------------- Mein Körper ist müde. Seit Tagen sitze ich hier und warte, warte, dass auch mich der Tod einholt. Ich habe keine Kraft mehr weiterzuleben. Keine Kraft jeden Tag aufs Neue zu beschreiten, zu leben, allein zu sein... für immer und ewig. Ohne dich. Mein Blick ist ausdruckslos, schwach. Dennoch ist er nach draußen gerichtet. Nach draußen, wo die Sonne fast unbarmherzig auf die Welt scheint. Fast so, als wolle sie sich über mich lustig machen. Ein heiseres Lachen entkommt mir und ich schließlich meine Augen, gönne mir einen Moment der Ruhe, von denen ich in den letzten Wochen schon viel zu viele hatte. Ich habe keine Lust mehr. Keine Lust hier allein zu sein, ohne dich. Wie konntest du mich auch einfach zurücklassen? Fast die in Zeitlupe öffnen sich meine Augen wieder, fixieren einen unsichtbaren Punkt im Raum. Bis vor ein paar Wochen warst du noch da. Wir haben gelacht, wie immer. Unser Leben gelebt, wie immer. Doch dann ist es passiert. Tränen bilden sich in meinen toten Augen, als ich an diesen Moment zurückdenke. Niemals werde ich vergessen, wie du vor mir gelegen hast. Du sahst so traurig aus, als ob du weintest, doch es waren keine Tränen. Es war dein tiefrotes Blut, welches langsam durch dein Gesicht lief. Ich bin zu dir gerannt, alles andere vergessend, nur an dich denkend. Du hast mich angelächelt, deine Hand auf meine Wange gelegt. Ich habe bitterlich geweint, doch du lächeltest einfach weiter, streicheltest meine Wange. Du sagtest, du lässt mich nicht allein, dass Liebe stärker ist, als alles andere. Und was ist jetzt? Vor ein paar Tagen war ich mit den anderen auf deiner Beerdigung. Ich konnte es nicht verstehen und kann es immer noch nicht, werde es auch nie. Wie konntest du mir das nur antun? Ein Schluchzen entrinnt meinen trockenen, aufgeplatzten Lippen. Warum bist du nicht stehen geblieben? Warum musstest du unbedingt über diese blöde Straße rennen? Du hättest doch sehen müssen, dass die Ampel rot gewesen war. So rot, wie dein Blut nur wenige Augenblicke später. Mit einer kraftlosen Bewegung wische ich mir über die Wangen, bemerke erst jetzt das verräterische Nass, dass sich dort ausgebreitet hat. Wieder sehe ich nach draußen, betrachte die Kirschblüten, die langsam von den Bäumen fallen. Sie segeln leise hinab und werden von gewissenlosen Menschen einfach zertrampelt. Sie sterben, genau wie du! Wieder entkommt mir ein Schluchzen. Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast? Dass du mir versprichst zu warten? Dort, wo auch immer du hingehst? Steht dieses Versprechen noch? Wirst du da sein, wenn ich dir dorthin folge? Wie gelähmt stehe ich auf, laufe zitternd in dein Zimmer. Ich betrachte dort all deine Sachen. Ich habe sie nicht angerührt, viel zu schmerzhaft waren die Erinnerungen. Kraftlos greife ich nach deiner geliebten Gitarre. Sie ist, neben mir, das Einzige, was noch von dir übrig ist, denn sie war ein Teil von dir. Doch bald wird sie wirklich das Einzige sein, was es noch hier auf dieser Welt von dir gibt. Ich schaffe es einfach nicht. Ich kann nicht leben, wenn ein Teil von mir gestorben ist. Mit schwankenden Schritten schleppe ich mich ins Badezimmer, suche nach etwas Bestimmten, was ich auch finde. Einen Moment lang betrachte ich den kleinen, glänzenden Gegenstand in meinen Händen. Dann setze ich ihn an und ziehe wie in Trance über meinen Arm. Immer und immer wieder. Das Blut läuft meinem blassen, dünnen Arm hinab. Wie bei dir. Ich schließe meine Augen, lasse mich kraftlos auf den Boden sinken und warte auf die Dunkelheit. Es dauert nicht mehr lange, dann bin ich bei dir, für immer. Ein letztes Mal denke ich an dich, spüre das Lächeln auf meinen rissigen Lippen. Daisuke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)