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Metal Gear Solid: Project Sand Child

von

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Das Tal der goldenen Adler

MISSIONS BRIEFING
 

"Im Bergland Afghanistans hält sich eine uns bis dato unbekannte Terrorgruppe auf, die sich selber Corpus Christi nennt. Aus ungeklärten Gründen befindet sich eine neuartige Nuklearwaffe in ihrem Besitz, deren Konstruktion offensichtlich auf Dr. Granin zurückgeht.
 

Uns ist es bereits gelungen einen Agenten in diese Zelle einzuschleusen. Laut seinen Informationen bereitet sich Corpus Christi auf einen Heiligen Krieg vor. Weiterhin sind diese Terroristen in der Lage einen Nuklearsprengkopf zu zünden und damit einen atomaren Holocaust zu erzeugen. Unser Haus in Israel zeigt sich darüber sehr besorgt, denn ein Atomangriff aus einem muslimischen Land wird nicht nur den Kalten Krieg zu einem aktiven Krieg beenden, sondern auch einen Glaubenskrieg provozieren.
 

Eine FOX-HOUND Sondereinheit bereitet sich auf die Liquidierung von Corpus Christi vor --- mit dem Geheiß von Präsident Daud, der eine Eskalation dieser Krise um jeden Preis verhindern will.
 

Das verschafft Ihnen ein schmales Zeitfenster für ein Rendevouz mit unserem Agenten Sandtiger --- Sie werden die Daten sicherstellen, die Sie von ihm bekommen, und zurück nach Russland reisen. Präsident Daud räumt Ihnen für diese Operation 60 Stunden ein, bevor seine eigenen Truppen involviert werden.
 

Vergessen Sie nicht, dass die FOX-HOUND Agenten nichts von Ihrer Identität oder Ihrem Auftrag wissen. Diese Operation verläuft synchron, also seien Sie so diskret wie möglich!"
 

KAPITEL EINS: Das Tal der goldenen Adler

Das Ende jeglicher Zivilisation offenbarte sich ihm am Ende einer verworrenen Straße zwischen Geröll und Felsen, einer Landschaft bar jeder Lebendigkeit. Die grelle Sonne hing direkt über ihnen, das garstige Licht brannte in den Augen und jeder Schatten war ein schwarzer Tümpel mit scharfkantigen Konturen.

In diesem trostlosen Liebesspiel aus Sand und Fels, in der Stille, den es gebar, vernahm sich das Schnurren des Motors fast wie das Heulen eines einsamen Wolfes in der Tunguska.

So fern, so melancholisch.
 

Ocelot saß mit gekreuzten Armen auf dem Beifahrersitz, eine Sonnenbrille tragend, als könne er seine Firnaugen so vor dem traurigen Anblick der Wüstenei jenseits der Karosserie abschirmen. Die Luft war drinnen wie draußen schal --- abgeschmackt, verbraucht.

Selbst das Atmen schien eitel, umsonst.

Über diesem sandbedeckten Fleck ragte der Hindukusch auf, das Gebirge in Afghanistans Nordland und Grenzgebiet zu Tadschikistan und Pakistan. Die schneebedeckten Kuppen dieser schlafenden Riesen griffen in den Himmel, schienen ihn stürmen zu wollen und zeugten nur umso mehr von ihrer Transzendenz mit diesem Boden.
 

Himmelsstürmer…

Himmelsriesen…
 

Ocelot verstand ihren Griff in die Ferne nur zu gut. Er war so fernab der Heimat, dass er sich nicht einmal mehr an den Geruch ihrer Abgase erinnerte --- oder an den der Narzissen, in deren Felder er sich hatte fallen lassen, wenn er die Auge schließen wollte. Umgeben nur vom sonoren Brummen kleiner Insekten aus allen vier Himmelsrichtungen, die die Freiheit versprachen.
 

Er hatte selbst den Klang seiner Sprache vergessen. Den seines Namens ---gesprochen von einem Mund, der ihn wie Wind in seine Ohrmuschel hauchte.

Von einer sanften, ungespaltenen Zunge.
 

Doch die Loyalität zu seiner Nation ließ ihn geraden Rückens an der Kante des Eisernen Vorhangs entlang balancieren. Er würde diesen Akt zu Ende bringen, ohne zu Straucheln, dann das war der Fall in einen bodenlosen Abgrund.

Hier im Niemandsland, in dem er vegetierte, auf Befehle wartete und seine Identität immer mehr verblasste wie ein letzter Streifen Tageslicht vor einer kalten Nacht.
 

Ob Jurij Gagarin sich genauso verloren gefühlt hatte im Weltraum --- so fernab der Heimat wie auch Ocelot es war? Uferlos --- zwischen der entseelten und ewigen Tyrannei der Sterne?
 

Sie waren alle Kosmonauten.

Sie waren alle fernab der Heimat.

Und alle waren sie von Unruhe geplagt.
 

Der Fahrer trat auf die Bremse, denn eine altertümliche Blockade tat sich vor ihnen auf und mit einem harten Ruck, der Ocelots Gurt in seine Kehle presste, kam der Transporter in einer Staubwolke zum Stehen. Ocelot vernahm Flüche von der Ladefläche und blickte in den Rückspiegel. Neben seinen eigenen harten Gesichtszügen sah er seine Ocelots, die auf die Straße sprangen. Ein Schleier aus feinen Staubpartikeln legte sich sachte auf ihre Körper, bevor sich die Sicht wieder völlig klärte.

Der Fahrer hielt das Lenkrad fest umklammert. Er war etwas mehr als zwanzig Jahre alt und trotzdem einer der fähigsten Männer in der Ocelot Einheit.

Einzig seine ständige Nervosität machte Ocelot Aggressiv.

Deshalb ignorierte er ihn und stieg ebenfalls aus.

Denn er hatte sein Ziel erreicht.
 

Ein trockener Wind wehte über die bedauernswerte Ebene und fegte den Sand voran. Er rieb knirschend über den Fels und hinter dem Hindukusch trieben Wolken in den Osten.
 

Andrei sicherte die Umgebung, geduckt und auf der Lauer. Die Automatikpistole hielt er bereits im Anschlag, die dunklen Augen suchten die zerklüfteten Hügel ringsherum ab. In seiner dunklen Uniform hob er sich gestochen scharf vom Rest der Umgebung ab.
 

„Die Waffe weg!“, entfuhr es Ocelot scharf und er drückte Andreis Arm runter. Wer wusste schon, wie seine Kontaktperson auf erhobene Waffen reagierte? Die Kante der Welt hieß sie nicht mit geöffneten Armen willkommen, sondern wartete nur auf ein Straucheln.
 

Er hatte trotz der getönten Scheiben seiner Sonnenbrille keine Mühe die Umgebung richtig wahrzunehmen --- die Bataillonen aus glänzendem Fels und groben, gelben Sand, dieser geöffnete Haifischschlund aus Stein.

Dieser Pass war nahezu perfekt für einen Hinterhalt, aber welcher Punkt in diesem Land war es nicht? In jedem Winkel schien Gefahr zu lauern, auf den richtigen Moment harrend, der in der trockenen Luft zum Greifen nahe vibrierte.

Ocelot war beeindruckt von der Stadt Kabul, diesem völlig anderen Standard von Leben, dieser reinen Gläubigkeit zu Allah, die das Leben der Leute scheinbar beherrschte.
 

Ocelot selber hatte seinen Glauben an Gott lange verloren. An dem Tag, als seine Mutter starb. Am Tag, als seine Geliebte – Ioulia – auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs floh.
 

Erinnere dich an Berlin!, hallten ihre Abschiedsworte, schwer von Tränen und Erschöpfung, in seinen Gedanken wider.

Und er erinnerte sich --- nur wusste er nicht, welcher Teil um all die verlorenen Momente trauerte. War es Adam oder Adamska? Major Ocelot oder der Mann, der er verborgen unter dem Panzer aus kristallklarem Glas dennoch war?
 

Ocelot folgte der Straße ein Stück weit zum Hindukusch hinauf, lächelte bitter. Die Leute hier hatten sich ihren Glauben bewahrt, obwohl ihre Leben oft Entbehrung hieß.

Es schien, als habe ihm seine Loyalität zu den Patrioten alles genommen.

Selbst ein stilles Gebet.
 

Aus einer plötzlichen Eingebung heraus, wandte sich Ocelot abrupt um. Seine Einheit verfolgte die Bewegung nervös. Er ging den Weg zurück, hielt den Blick auf den zerklüfteten Hügelgrad talabwärts gerichtet. Ein großer Vogel, ein Schmutzgeier oder vielleicht auch ein Adler, zog kreischend seinen Kreis über ein Plateau. Ocelot fühlte sich beobachtet, belauert gar, und er riss Mikael das Fernglas aus der Hand, spähte hindurch.

Er fand einen Mann auf dem Plateau, in völliger Ruhe abwartend.
 

„Na also!“, sagte Ocelot. „Ihr wartet hier! Sichert die Umgebung --- aber vergesst nicht! Wir sind ungebetene Gäste an der Tafel, die nur aus reiner Zweckmäßigkeit toleriert werden. Verhaltet euch dementsprechend!“

„Major, Sir!“, warf Mikael ein. „Was ist, wenn das ein Hinterhalt ist? Ich bestehe darauf mit Ihnen zu kommen.

Ocelot grinste humorlos. „Das kann sich dieses Land nicht leisten! Oder was glaubst du wird passieren, wenn eine Atomrakete aus Afghanistan gezündet wird?“, Ocelot klopfte Mikael auf die Schulter, als dieser ratlos in die Runde blickte, jedoch nur Schulterzucken erntete. „Das jüngste Gericht wird sich auskotzen. Da sei dir gewiss!“
 

Ocelot spürte, dass ihm der Schweiß auf der Stirn perlte und auf seinem Rücken klebte. Der Aufmarsch war kurz, aber steil und er war der Sonne schutzlos ausgeliefert. Er knirschte mit den Zähnen, stieß hart die Luft zwischen ihnen hervor und wischte sich mit dem Jackenärmel über die Stirn.

Obwohl er fast heran war, reagierte der Mann nicht, hielt in stiller Demut die Augen geschlossen. Und Ocelot zog im stillen Argwohn seinen Revolver.
 

Der Mann saß im Lotussitz auf einem Stein und meditierte. Die Sonne warf tiefe Schatten auf sein narbiges Gesicht, füllte jede Falte mit dunklen Konturen.

Er trug einen hellen Kaftan, ein praller Patronengürtel wand sich um seine Hüften, ebenso über seine Schulter. Er trug keine Schuhe und seltsamerweise waren seine Füße die einzig sichtbare Stelle, die nicht von Narben oder Blasen verunziert wurde. Direkt über ihm kreiste ein Adler, heiser schreiend und das Geräusch wehte über das Tal bis hinauf zum Hindukusch.
 

Ocelot legte den Finger auf den Abzug.

Er stand nun direkt vor dem Mann - die Sonne im Rücken war Ocelots Schatten ein schwarzes Tuch auf der Gestalt, die so rau und zerspalten war wie die Felsen ringsherum.

„Wer sind die Patrioten?“, sagte Ocelot lauernd.

Der Mann reagierte nicht. Der Wind rauschte ihm durch das Haar und den langen Augenbrauen. Ocelot hob den Arm. „Keine Spielchen, Alter! Wer sind die Patrioten?“

„Willkommen, Fremder! Willkommen am Ende der Welt!“ sagte er und öffnete seine Augen. Sie waren Bernsteine, alt und glänzend. Er sprach mit einem schweren Akzent, den man häufig bei Arabern hörte. Es klang wie das Brummen von Wespen.

„Nimm die Waffe herunter. Du wärest tot, bevor die Patrone den Lauf verlässt!“

Ocelot schürzte die Lippen. „Ich sagte keine Spielchen!“, zischelte er böse, behielt seine Umgebung jedoch scharf im Auge. Es schien, als hätte Mikael Recht gehabt und dies war ein Hinterhalt. Ocelot schalt sich einen Narren.

Denn dann war er auf einen der frugalsten Tricks überhaupt hereingefallen.
 

„Und ich sage: LaLiLuLeLo!“
 

Muhammad Sani Ibn Fadlan sah in Ocelots Gesicht, als könne er seine Augen jenseits der Dunkelheit der Sonnenbrille erkennen. Als sähe er hinein --- und dahinter.

„Weißt du, warum man dies das Tal der goldenen Adler nennt?“, begann er. Ocelot tat eine abwertende Geste und schob den Revolver zurück in den Holster. „Nein! Und es interessiert mich auch nicht!“

Ibn Fadlan lächelte. „Du wirst danach fragen!“, sagte er bestimmt.
 

„Sie sind also der Sandtiger! Sie habe ich mir anders vorgestellt! Wie kommt es, dass ausgerechnet so jemand wie Sie für die USA arbeitet?“
 

„Mein Name, Fremder, ist Muhammad Sani Ibn Fadlan! Woher kommt nur die eigenartige Vorliebe der Amerikaner für blumige Decknamen? Und wen hast du geglaubt vorzufinden, wenn jemand wie ich dich überrascht?“, Ibn Fadlans Lächeln vertiefte sich und ein Sonnenfunken verirrte sich in seine Augen, ließ sie hell erstrahlen. „Das ist das Vorrecht der Jugend, nehme ich an!“

„Sie reden eindeutig zu viel! Die Daten --- geben Sie sie mir!“, Ocelot streckte fordernd die Hand aus. „Damit ich so schnell wie möglich aus diesem Drecksloch verschwinden kann!“

„Drecksloch…“

Er erhob sich von dem Stein und ging auf den Rand des Plateaus zu. Ocelot folgte ihm, bezog hinter ihm mit vor der Brust verschränkten Armen Stellung.
 

Ibn fadlan sah zum Hindukusch. „Ein Monster sitzt in seinem Schoß!“

Ocelot zog die Augenbrauen zusammen und eine Furche wie ein V grub sich in seine ebenmäßige Stirn. „Deswegen bin ich nicht hier, Fadlan! Die Daten!“ Ibn Fadlan seufzte, als beklage er so Ocelots aufkeimende Ungeduld.

„Ein neuer König wird kommen, er wird mit Feuer vom Himmel fallen und hundert Jahre lang im Zorn regieren!“, Ibn Fadlans Blick haftete weiter am schweigenden Hindukusch. Doch er griff unter seinen Kaftan, die Hand hielt verborgen unter dem Stoff inne „Der falsche Prophet wird eine neue Weltordnung schaffen, in der Chaos und Leid regieren werden --- und wo wirst du sein, wenn eine Nacht ohne Morgen anbricht!“

„Soweit wird es nicht kommen!“, Ocelot trat näher zum Rand des Plateaus. Ein trockener Wind erfasste seine Kleidung und wehte rauschend hindurch. Auf seiner Haut war er ein Glutkuss des Fegefeuers.

„Wird deine Regierung den falschen Propheten stürzen?“, Ibn Fadlan wirkte plötzlich zögerlich. „Und was hat die USA mit diesen Daten vor?“

Ocelot konzentrierte sich ganz auf das sonnenbedeckte Tal unter sich. Er wusste es nicht. Er war Soldat. Er nahm Befehle an, ohne sie zu hinterfragen.

Ibn Fadlan nickte, als könne er in seine Gedanken sehen.
 

„Dann möge Allah über die richtige Entscheidung wachen!“
 

Er zog einen vergilbten Umschlag halb aus seinem Kaftan hervor, als ein dumpfes Vibrieren die Luft füllte. Es verhieß nichts Gutes, ganz im Gegenteil, das Versprechen von Zorn ging mit ihm einher.

Der Adler war wieder da, kreiste und Ibn Fadlans Pupillen zogen sich zu einem winzigen Punkt zusammen. Er wirkte für einen winzigen Augenblick wie eine Marionette, deren Fäden kurz gelockert wurden --- schlaff und haltlos.
 

„Corpus Christi!“, flüsterte er. „Die Wölfe heulen!“ Und hinter Ocelot stand die Welt in Flammen.
 

Ocelot rannte noch den unebenen Abhang hinunter, als er Vita gewahrte. Er brannte. Flammen züngelten sich windend von seinem Rücken. In Panik lief er Ocelot beinahe in die Arme --- die Hitze streifte seine Wangen und heiße Luft füllte für einen winzigen Augenblick seine Lungen. Ocelot warf den Jungen rücklings zu Boden, verbrannte sich bei dem Versuch die Flammen zu ersticken die Hände, obwohl sie in Lederhandschuhen steckten. Wo waren diese Hurensöhne hergekommen --- und wo waren sie jetzt? Die Ebene, das Tal der goldenen Adler, lag so still und unbewegt da wie zuvor.
 

Ibn Fadlan war ihm dicht auf gefolgt und lief weiter zu dem Transporter --- er brannte lichterloh, war das schwarze Skelett eines prähistorischen Tieres.

Einer der Ocelots – Mikael – lag stöhnend im Staub. Ibn Fadlan packte ihn unter den Armen und zerrte ihn fort. Die Stiefel des Verwundeten hinterließen Furchen wie zur Saat im Schatten dieses Hades.
 

Dunkelheit legte sich langsam über das Tal der goldenen Adler, Zwielicht füllte jeden Winkel, der nicht in schimmerndes Rotgold getaucht war.

Eine Qualmwolke stieg auf, legte sich über die leblosen Körper der restlichen Ocelot Einheit. Ocelot presste Vita in den Sand, hatte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst.

Kalte Wut pulsierte mit jedem Herzschlag durch seinen Körper, als er das Wimmern aus Vitas Mund vernahm --- die tanzenden Schatten der Leichname auf der groben Haut der Straße sah. Er hatte die verdammten Daten fast gehabt --- und jetzt glich die Straße einem Grab, still bis auf das Toben der Flammen. Und er war zum Rückzug gezwungen --- keine Frage, in jedem Schatten konnten die Widersacher auf einen geeigneten Moment harren, jeder Schatten der Bau dieser Tiere und das herabfallende Dunkel konnte für sie leicht zum Leichentuch werden.
 

Was weder Ocelot noch Ibn Fdlan auffiel war der Sandhügel, in den plötzlich Bewegung kam. Er wuchs, nein, eine Gestalt wuchs vom Boden empor. Das Gesicht verschwand unter einem schwarzen Tuch und einer großen schwarz getönten Brille, die die Augen dahinter nicht einmal erahnen ließ.

Sand rieselte in Sturzbächen aus den sich glättenden Falten des sandfarbenen Mantels. Ein dunkles Muster, fast wie Streifen, zog sich darüber und obwohl die Gestalt sich nun völlig aufrichtete war sie dennoch fast unsichtbar vor dem Panorama der brennenden Wüste.
 

Ocelot war es gelungen, die Flammen auf Vitas Rücken zu löschen. Im selben Augenblick hatte Ibn Fadlan Mikael hinter einen Felsen gezerrt, hustend und würgend erlangte der Soldat die Besinnung wieder. Ocelot wand den Kopf und erhaschte einen Blick auf die Gestalt - durch einen flirrenden Hitzevorhang wirkten die Konturen verzerrt und unproportioniert. Ocelot glaubte an eine Täuschung, an eine Illusion der Hitze.
 

„Corpus Christi!“, schrie ihm Ibn Fadlan über das Prasseln der Flammen zu. „Das ist das Werk des Teufels! Wir müssen hier weg!“
 

Ocelot griff Vita unter die Arme, suchte den heißen Dunst noch ein Mal nach der Gestalt ab. Sie war verschwunden.

„Steh auf!“, befahl er und er zerrte Vita in die Höhe. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf Vitas Gesicht. Der Junge reagierte nicht, jammerte nur. Ocelot legte seinen Arm in den eigenen Nacken und zerrte ihn so hinter sich her.

Ibn Fadlan vergewisserte sich, dass Mikael aus eigener Kraft stehen konnte, dann deutete er auf den Hindukusch.

„Mir nach! Wir müssen weg hier! Die Wölfe von Corpus Christi sind auf der Jagd!“
 

„Major!“, stöhnte Mikael. „Fliehen Sie. Ich bleibe hier! Ich halte sie auf!“
 

„Wen denn aufhalten, du Narr?“, schrie Ocelot und versetzte ihm ein Ohrfeige, als er Stellung beziehen wollte. „Willst du in diesem Loch sterben?“

Natürlich stieß es ihm bitter auf --- fliehen? Er? Wie lächerlich! Doch das Briefing enthielt klare Anweisungen. Wurde er entdeckt ging die Party richtig los. So blieb ihm keine andere Wahl.

Ibn Fadlan lief vor, das eigene Gewehr im Anschlag. Er sah sich nach Ocelot und Mikael um, der sich widerwillig in Bewegung setzte. Vor dem Feuer waren sie nur flache, schwarze Schemen. Ibn Fadlan spürte einen Windhauch --- und dann wurden ihm die Beine weggefegt. Er fiel hart zu Boden, das Sturmgewehr entglitt seinen Fingern.
 

Ocelot registrierte nicht, was vor ihm in der Kluft vor sich ging. Eine Gestalt, schnell wie ein Raubtier, stieß Ibn Fadlan um. Hielt einen Umschlag hoch, der ihm schrecklich vertraut vorkam.

„Nein!“, flüsterte Ocelot mit entsetzt geweiteten Augen. Dann schrie er mit überschnappender Stimme: „Verdammter Bastard! Schieß Mikael! Schieß!“
 

Das Hämmern der AK-47 machte ihn fast taub, dennoch zog er seinen eigenen Revolver und schoss auf die Gestalt, die flink und fast unsichtbar durch die Schlucht floh. Im Stakkato des Maschinengewehres ließ er Vita gegen die Felswand sinken, zog seinen Revolver und setzte zur Verfolgung an.
 

Die Schlucht verjüngte sich zu einer Ellipse, der sich verdunkelnde Himmel war nur als schmaler Ausschnitt oberhalb der Felsen auszumachen. Hier unten, am Grund einer natürlichen Zisterne, war es fast stockdunkel. Ocelot legte die Hand auf den Fels, folgte ihm so weiter in die Zisterne herein. Seine Schritte hallten vielfach zurückgeworfen wider und er hörte Wasser tröpfeln, monoton und stetig.

Dieser Bastard konnte hier überall stecken --- Ocelot geradewegs an sich vorbeilaufen lassen und ihm dabei eine lange Nase drehen. Ocelot setzte vorsichtig den rechten Fuß voran, stieß ins Leere und stand plötzlich knöcheltief im Wasser.

Er hörte Schritte, fokussierte seine Sinne auf dieses Geräusch. Der Revolver schnellte vor und Ocelot drückte ab. Im Mündungsfeuer sah er dieses Raubtier auf sich zukommen, die Kugel streifte seinen Arm und schlug dann heulend als Querschlager davon. Ocelot warf sich herum, doch er war zu langsam für die schier titanische Agilität dieses Soldaten.
 

Ein Knie traf seinen Magen, ein Ellenbogen seine Brust. Ocelot keuchte nach Luft, stieß hart mit der Schläfe gegen den feuchten Fels, sodass grelle Schmerzblitze vor seinen Augen zuckten.

Ein weiterer Schuss donnerte durch die Zisterne und etwas Spitzes grub sich in seinen Hals.

Ocelot keuchte, taumelte. Der Soldat stand direkt über ihm, als Ocelot mit bleiernen Gliedern, gelähmt von dem Betäubungsmittel, zu Boden sank.

„Verdammter… Hurensohn!“, stöhnte er mühsam, ehe ihm die Augen zufielen.
 

Bogdar wartete ab, ehe er sich sicher sein konnte, dass der Russe wirklich schlief. Dann, im Schein einer Magnesiumfackel, die er zerknickte, holte er den Umschlag hervor und öffnete ihn. Er enthielt eine futuristisch anmutende Kassette. Bogdar stieß ein herablassendes Zischen aus, warf die Kassette zu Boden und zertrat sie.

Dann ließ er eine andere Kassette, ein identisches Gegenstück, in den Umschlag gleiten und verstaute ihn in der Innentasche von Ocelots Uniformjacke.
 

„Bogdar! Tut es dir nicht Weh, einen Landsmann in das andere Reich zu schicken?“

Bogdar wandte sich der sanften Stimme zu. Ein Mann, gekleidet ganz in weiß, mit einem warmen, friedlichen Gesicht, eingerahmt von dunklen Locken, war hinter dem Soldaten erschienen. „Da!“, antwortete Bogdar. „Es fühlt sich nicht gut an!“

„Ist er tot?“

Bogdar nickte. „Da!“

Der Mann bekreuzigte sich, seufzte tief traurig. „Aber Gott liebt sogar dich!“, murmelte er an Ocelot gerichtet. „Nun komm, Bogdar, lass die Wölfe heulen! Lass die Toten ruhen! Wir müssen die Menschheit läutern!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-06-11T16:14:48+00:00 11.06.2009 18:14
Hey.
Wundert mich, dass es hierzu noch gar keinen Kommi gibt. Ich fand die Story bzw. den Anfang wirklich total toll gemacht. Hab selten so eine gut geschriebene FF gelesen. Man konnte sich sehr gut in das Setting hineinvertiefen, vor allem, wenn man dazu noch Love Theme von MGS4 hört XD.
Schade aber, dass es nur 1 Kapitel gibt. Es war gerade so spannend und ich hätte gern gewusst, wie es weiter geht.


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