Street Children´s Farewell von Himeka ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Zero erwachte am nächsten Morgen davon, dass ihm jemand in die Zehen biss. Murrend trat er nach dem Störenfried, woraufhin Federrascheln ertönte. „Wasser ist heiß. Feuer ist nass.“ „Hm.. Josie gib Ruhe!“ Zero drehte sich auf die andere Seite, doch das war ein Fehler, denn Jo kletterte auf seine Waden und begann an seiner Ferse zu knabbern. „Jo!“ Zero saß senkrecht. „Verdammtes Viech! Du weißt genau, dass ich das da nicht ertrage!“ „Ich hab dich lieb!“ Seufzend bot der Schwarzhaarige seinem Vogel den Arm, den dieser vertrauensselig annahm. „Ich dich auch, Josie.“, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss auf die Brust. „Aber wecken musst du mich deswegen nicht.“ „Sauerkraut mit Wurst!“ „Ganz toll, Süße! Wo hast du nur diesen Schwachsinn her?“ Verpennt erhob er sich, lud Jo auf ihrer Stange ab und verschwand im Bad. Er wusste, dass sie folgen würde, denn sie duschte gern. Und ausgiebig. Und kaum war er fertig, bestätigte sich seine Vermutung. Jo hockte unten in der Dusche und spreizte ihre Flügel ab. „Na dann...“ Nach zehn Minuten trug er den triefenden, flugunfähigen Papagei auf seine Stange, stellte die Heizung höher und zog sich dann an, um hinauszugehen. Auf halbem Wege ließ er die Reste des gestrigen Mittagessens mitgehen und ging dann zur Mole. Sie warteten bereits. „Na, ihr Monster?“, begrüßte er sie mit einer Art Wehmut in der dunkeln Stimme. „Hunger?“ Kira erwachte schon früh am Morgen, von beiden Seiten durch die Chibi-Schwestern eingekesselt. Er öffnete die Augen, blieb aber vorerst liegen und überlegte, warum er so plötzlich erwacht war. Noch während seine Gedanken kreisten, hörte er es neben sich Rascheln und im nächsten Moment hatte er einen Arm mitten im Magen. Kurz keuchte er auf und schnappte nach Luft. Chibi-chi hatte ihn im Schlaf geschlagen! ... Oder war es doch Chibi-chan? Auch egal. Nun war er allerdings erst recht wach. Vorsichtig stand er auf und sprang aus dem Bett. Als er sich noch einmal zu den Chibi-Schwestern drehte, konnte er gerade noch erkennen, dass sie sich genau an der Stelle enger aneinander kuschelten, an der Kira noch bis vor ein paar Sekunden gelegen hatte. Es sah fast so aus, als wollten sie ihn weghaben... Ein Lächeln flog über sein Gesicht, bevor er sich seine kurze Hose schnappte und das Zimmer verließ. Es war noch früh am Morgen, die Luft war frisch. Diese Umstände luden geradezu zu einem Morgenspaziergang ein. Oder besser gesagt zu etwas Frühsport. Kurz dehnte er seine Beine, dann sprintete er los. Schon nach wenigen Metern waren alle Gedanken aus seinem Kopf verschwunden. Das Einzige was nun zählte, war das Laufen und die frische, reine Luft am Morgen. Kira suchte sich einen Weg durch die Lagerhäuser, achtete nicht weiter darauf, wohin er genau lief. Wichtig war einzig und allein die Freiheit, die er gerade spürte. Ehe er sich versah, merkte er den salzigen Meer-Geruch stärker werden und kurze Zeit später sah er auch schon eine dunkle Fläche am Horizont erscheinen. Mitten auf der Straße blieb er stehen, verschnaufte kurz und blickte sich dann um. Langsam ließ er seine Augen um die Umgebung schweifen, entdeckte niemanden. Nach einigen Sekunden drehte er sich nach links, lief weiter. Mittlerweile klebte das Shirt schweißnass an seinem Körper, störte Kira aber nicht weiter. Er lief die betonierte Straße entlang, erhöhte sein Tempo leicht. Sein Blick war auf das Ende, das sichtbare Ende, der Straße gerichtet. Kira war kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren, aus vollem Halse zu schreien, da erblickte er eine Person am Meer. Schnell drosselte er sein Tempo, versteckte sich hinter dem nächstbesten Betonblock. Nachdem er wie aus einem Reflex diese Bewegungen ausgeführt hatte, stutzte er. Was machte er hier eigentlich? Es war legitim zu laufen und es war auch kein Verbrechen, dass ihn andere dabei sahen, bzw. auch zu früher Stunde unterwegs waren. Nach einigen Sekunden der Überraschung kam Kira aus seinem vermeindlichen Versteck hervor, fixierte den Punkt, der die Person darstellte, mit den Augen. Langsam, noch bevor er bemerkte, dass er etwas tat, lief er auf den Unbekannten zu. Seine Füße schienen ihn allein zu tragen. Zero hatte sich zufrieden auf einen größeren Felsblock gesetzt und beobachtete jetzt die Streunerkatzen um ihn herum, die sich um das Essen balgten. Es war traurig, dass es so viele waren, aber immerhin gab es hier genug, die sie fütterten; er allein könnte sie nicht am Leben erhalten. Das bewies allein das Ausbleiben des grauen Schmusekaters. Dabei war er sonst immer da. Offensichtlich war er nicht mehr dazu in der Lage... Wo er wohl war? Ob er schon tot war? „Wisst ihr was? Ich hab vor kurzem noch einen Streuner gefunden. Deswegen war ich auch lange nicht mehr da. Blond ist er. Wie ein Europäer. Aber die Haare sind nur gefärbt, glaube ich. Steht ihm trotzdem. Auch wenn ich nicht verstehe, warum er da ist.“ Eine weiße Katze kam zu ihm und drückte ihr Köpfchen gegen ihn. „Du willst ihn kennen lernen?“, fragte er. „Das wirst du ganz sicher. Der ist wie ihr. Eine Katze. Sagt doch schon das Sprichwort: Gleich und Gleich ge...“ Erschrocken fuhr sein Kopf herum. Er hatte aus den Augenwinkeln eine Bewegung gesehen. Und als er die sich nähernde Person bemerkte, bildete sich eine böse Falte zwischen seinen Augenbrauen. Fließend erhob er sich, dass der Wind seine Haare und seinen Mantel erfasste und flattern ließ. „Ich komme morgen wieder.“ Und schon ging er. Er wusste nicht, warum er es jedes Mal versprach. Vielleicht wünschte er sich einfach, dass auch sie wieder da sein würden. Jedenfalls warf er noch einen kurzen Blick auf den morgendlichen Jogger und erkannte im Licht der aufgegangenen Sonne einen Schimmer blonden Haares. Ein Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit, bevor er in der winzigen Gasse verschwand, die zu einer noch kleineren, unauffälligen Tür führte. Kira war also ein Morgenmensch... Kira näherte sich dem Schwarzhaarigen, bevor er jedoch mehr als die Haarfarbe erkennen konnte, war der Fremde verschwunden. Langsam lief er auf die Stelle zu, an der der andere noch bis vor kurzem gestanden hatte. Wer war denn das?, ging es ihm durch den Kopf. Dann blickte er auf den Boden vor sich und erblickte dutzende Katzen. In allen erdenklichen Farben. „Wer seid ihr denn?“ Überrascht blickten ihn einige der Katzen an, ein paar andere stritten sich immer noch um Essbares. Eine der kleinsten lief nach einigen Sekunden des Musterns auf Kira zu. Sie war sehr klein, drahtig und ihr Fell war von hellem eichhörnchenschwanzbraun. Vorsichtig ging Kira in die Knie, streckte langsam eine Hand aus, um die Katze weiter zu locken. Kurz hielt sie inne und beobachtete ihn aus ihren gelbgrünen Augen. Kira sah ihr in ebenjene und nach einigen Sekunden kam sie weiter auf ihn zu, rieb ihren Kopf an seiner Hand. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Du bist ja süß...“ Und mit langen Bewegungen begann er der Katze übers Fell zu streichen. Nach Ewigkeiten erhob er sich, bekam dafür einen vorwurfsvollen Blick von dem Tier. „Tut mir ja leid. Aber ich muss gehen. Ich komm bald mal wieder.“ Nach einem letzten Blick auf die Katzen setzte er sich in Bewegung und lief zu seinem Zimmer zurück. Chibi-chan und Chibi-chi waren nicht im Zimmer, als er hereinkam, aber das änderte sich schlagartig, als sie ihn hörten. Die beiden Schönheiten waren unter der Dusche gewesen, aber diese Tätigkeit war unwichtig, sobald sie wussten, dass er es war. Die Tür schlug auf, und im nächsten Moment hingen sie um seinen Hals. „Onii-chan!“ „Wo bist du gewesen?“ Sie hatten ihn adoptiert. Kira hatte kaum das Zimmer betreten, als eine Tür aufflog und er im nächsten Moment von zwei tropfenden und triefenden Chibi-Schwestern belagert wurde. Kurz stieg ihm die Röte ins Gesicht, dann besann er sich eines Besseren. Er war 18! Achtzehn! Und die beiden Mädchen erst 16! Außerdem hatten sie ihn Onii-chan! genannt. Bevor er allerdings weiter über die Situation nachdenken konnte, hatten die beiden kurzerhand mit ins Bad gezerrt und begannen nun, ihn auszuziehen. Chibi-chan begann mit dem Shirt, wollte es ihm über den Kopf ziehen. „Hey... Was habt ihr vor?“ Erschrocken griff Kira nach seinem Shirt. „Wie wollen mit dir duschen!“, quiekte Chibi-chi. „Das wird lustig!“, setzte Chibi-chan nach. ´Lustig´ war wirklich die treffende Beschreibung. Das Bad war klein, um nicht zu sagen winzig. Er allein schaffte es leicht sich im Bad zu bewegen, sich fertig zu machen. Aber was war nun mit den Schwestern zusammen? Plötzlich piekste ihm Chibi-chi in die Seite. Überrascht und erschrocken zugleich erstarrte er in der Bewegung und hatte im nächsten Moment, seine gesamten Klamotten verloren. Egal. Was soll´s... Jetzt konnte man eh nichts mehr ändern. Zu dritt quetschten sie sich in die kleine Duschkabine. Nach einigen Sekunden spürte Kira Hände und eine Waschbürste über seinen Rücken gleiten, zum Glück die Naht seiner Wunde aussparend. Das war ein schönes, angenehmes Gefühl. Entspannt schloss Kira die Augen. „Kopf runter!“, befahl Chibi-chan dann plötzlich und schon zog sie ihn herab, drückte eine wirklich übertriebene Menge Shampoo auf seine Haare, bevor sie die Flasche einfach zur Seite warf und die Finger in seinem Haar vergrub, um die Seife einzumassieren. „Du musst nachher ganz toll aussehen mit deinen neuen Kleidern!“ Währenddessen strich Chibi-chi die Konturen des Drachen nach. „Schön!“, schwärmte sie. Ihrer und der ihrer Schwester waren spiegelverkehrt auf ihren Oberschenkeln zu sehen. Kira ließ das alles mit sich geschehen, war es doch wirklich niedlich. Und sie hatten Recht. Er hatte neue Sachen und er sollte schon hübsch aussehen, wenn er sie trug. Noch während eine der beiden ihm die Haare wusch, hob er den Arm und formte mit den Fingern ein Peace-Zeichen, zeigte den beiden so, dass sie freie Hand hatten und sich an ihm auslassen konnten. Erst im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass er eventuell einen Fehler gemacht haben könnte... Aber das würde sich noch zeigen. Sobald Chibi-chi und Chibi-chan seine ganze Ergebenheit sahen, quietschten sie vor Freude los und sahen sich an. In ihre Augen war ein irres Funkeln getreten, welches Kira glücklicherweise aber nicht sehen konnte. Sie drehten das Wasser auf, duschten ihn und sich ab, bevor sie wie irre mit Handtüchern über ihn herfielen. Kurz darauf schleiften sie ihn ins Zimmer, schütteten einfach sämtliche Tüten auf dem Bett aus und einigten sich mit lautem, begeistertem Gequietsche auf das rotschwarze Hemd, die Hose mit dem roten Schlag und nachdem sie ihn dazu genötigt hatten, das anzuziehen und sich zwischenzeitlich selbst in ihre chinesische Tracht geworfen hatten, farblich natürlich passend, schnappte sich Chibi-chi den Föhn und Chibi-chan die Schminktasche. 15 Minuten später war Kira fertig: Sein Haar fiel locker-leicht in sein Gesicht, seine Augen waren mit schwarzem Kajal stark betont worden, immerhin hatten sie dank der Blässe seiner Haut auf jegliche andere Schminke verzichtet. Dafür hatte er ein doppelt fingerbreites schwarzes Lederband um den Hals, schwarze Manschetten an den Handgelenken und eine silberne Kette als Gürtel. Wie die Zwei es nebenbei noch geschafft hatten, sich selbst herzurichten und die Haare so kunstvoll hochzustecken, blieb ihr Geheimnis. Heute sahen sie sich noch ähnlicher als sonst. Kira kniff die Augen zusammen, wollte er doch erst am bitteren Ende sehen, was sie aus ihm gemacht hatten. Durch das aufgeregte Gequietsche ertönte dann endlich der Schrei, der das Ende ankündigte. „Fertig!“, ertönte es von Chibi-chi, hatte es Kira doch langsam tatsächlich geschafft, die beiden auseinanderzuhalten. Er wollte allerdings noch nicht die Augen öffnen. Weiter kniff er sie zu, hoffte, dass die Chibis bald fertig waren. Dann wurde er vom Stuhl gerissen und in eine Richtung geschubst. „Schau dich an!“, ertönte die Stimme Chibi-chans neben ihm. Und Kira war wirklich so mutig, oder auch dumm, und öffnete die Augen. Was er sah, ließ seinen Puls aussetzen. Er sah eine Person vor sich, hauptsächlich in schwarzen Sachen, zu denen auch die Accessoires farblich passten. Seine Augen waren dunkel betont und seine Haare fielen ihm sanft ins Gesicht. „Wow...“ Noch bevor er sich weiter begutachten konnte, wurde er von den Schwestern je an einer Hand genommen und zum Gemeinschaftsraum gezogen. Das Frühstück war schon in vollem Gange, als die Chibi-Schwestern Kira in den Raum stießen. Doch trotz lebhafter Themen war es schlagartig still in dem großen Raum. Totenstill. Jeder starte zu ihnen hinüber. "Also ist Kira jetzt da?" Zero saß heute mit dem Rücken zur Tür, weil er den Kampf zwischen Mara und Akao nicht hatte mit ansehen wollen, die sich gegenseitig Ketchup und Mayonaise in die Haare schmierten. Tsubasa antwortete nicht. Sein Gesicht war fassungslos. Dann stand er plötzlich auf, kam zu Zero und drehte dessen Kopf rigoros um fast 180 Grad. "Hey, was soll... das..." Zeros Widerstand erstarb, als er Kira sah. Schön, wie ein dunkler Engel. Fehlten nur noch die Flügel, damit... Seine Gestalt, sein schüchternes Auftreten, die blasse Haut... Weg hier! Ein einziger Gedanke, dann verschaffte ihm ein Schlag in Tsubasas Bauch die nötige Freiheit. Kaum drei Wimpernschläge später stand er, warf seinem Bruder noch einen strafenden Blick zu, bevor er das Poker-Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Flucht war Schwäche. Also Flucht nach vorn, dass es niemand als solche wahrnahm. Mit sicherem Schritt kam er auf sie zu, so dass die Chibi-Schwestern sich aufgeregt an Kira klammerten. "Er kommt!", freuten sie sich. "Er hat dich bemerkt!" Kira wurde von beiden förmlich in den Raum gedrängt, obwohl er lieber nach ihnen gegangen wäre. Sobald er einen Fuß hinein gesetzt hatte, erstarben die Geräusche, alle Köpfe flogen in seine Richtung und eine erdrückende Stille legte sich über den Raum. Er sah sich um, spürte jeden Blick auf sich. Er wusste nicht, was er mache sollte, so versuchte er es mit einem Lächeln, was ihm allerdings nicht so ganz gelang. Erst als Zero sich rührte und auf sie zukam, hörte man Geräusche. Einerseits das leicht überraschte, schmerzhafte Keuchen Tsubasas und andererseits das aufgeregte Getuschel der Chibi-Schwestern neben ihm. Kira sah Zero an, tat oder sagte aber nichts. Er sah ihn einfach nur an. Weich berührte Zero ihn an der Wange, beugte sich zu ihm hinab, als er ihn erreicht hatte. "Haben die Chibi-Schwestern eine neue Puppe gefunden? Prinz Kira, sie scheinen Euch zu mögen." Sonst sähe er sicherlich nicht so unverschämt gut aus. Sein Lächeln war hintergründig, als er sich aufrichtete, dann ging er an ihnen vorbei, als wäre nichts passiert. Draußen, außerhalb des Blickfeldes der anderen, begann er zu laufen. Ohne nachzudenken. Flucht. Flucht. Flucht. Einfach nur weg von hier, bevor er noch etwas tat, was in seinen Augen absolut unverzeihlich war oder seine Autorität bei den Mitgliedern untergrub. Zumindest einen Vorteil hatte es, dass er so ins kalte Wasser gestoßen worden war gerade: Das nächste Mal war er darauf vorbeireitet. Sanft spürte Kira Zeros Atem an seinem Ohr, vernahm die geflüsterten Worte. Nachdem er alles verstanden hatte, oder auch nur die Hälfte, dass konnte er nicht genau sagen, legte sich ein deutlicher Rotschimmer auf seine Wange und seine Füße waren gerade dabei, ihm ihren Dienst zu versagen. Hilfesuchend klammerte er sich an die Schulter von Chibi-chi, ließ Zero an sich vorbeigehen und blickte sich nicht noch einmal zu ihm um. Sein Herz hämmerte. Schneller, viel Schneller als sonst! Tsubasa grinste vor sich hin. Seinen kleinen Bruder hatte es kalt erwischt. Fröhlich winkte er Kira und die Chibi-Schwestern heran. „Hierher!“, rief er. Jetzt, wo ihm sein Tischnachbar abhanden gekommen war, brauchte er wieder eine neue Unterhaltung. Nachdem sich die Chibi-Schwestern angeschaut hatten und sich zugegrinst hatten, schoben sie Kira weiter in Richtung Tsubasa, der laut nach ihnen gerufen hatte. Langsam ließ er sich neben dem Schwarzhaarigen nieder und atmete tief aus. Zero verwirrte ihn... und das nun schon die ganze Zeit. Tsubasa grinste ihn an. „Volltreffer, Kira-kun. Du hast eine Breitseite gelandet!“, freute er sich und schenkte den Neuankömmlingen Saft ein. Dass Zero sich so hatte gehen lassen, war vielleicht keinem aufgefallen, aber ihn konnte er nicht täuschen. Dazu kannte er ihn zu gut und zu lange. Die Chibi-Schwestern blinkten verwirrt, nahmen dann aber zufrieden ihren Saft entgegen und begannen mit Frühstücken. Ihr Meisterwerk war gelungen. Selbst der Chef schien zufrieden. „Was hat er gesagt?“, wollte Chibi-chan da plötzlich wissen. Erneut legte sich ein Rotschimmer auf Kiras wangen, diesmal dunkler. "Nicht so wichtig...", nuschelte er, und griff nebenbei nach einem Brötchen. Wenn er etwas im Mund hatte, musste er nichts erzählen! Das ist zwar nur eine temporäre Ausflucht, aber besser als gar keine. Tsubasa lächelte hintergründig, als er diese Röte sah. Wie er vermutet hatte: Volltreffer. Und während er die Zwillinge in ein Gespräch verwickelte, war Zero beim Kai angelangt, wo er schon recht bald die ersten Katzen sah. Er hatte nichts für sie dabei, aber sie kamen trotzdem, um gestreichelt zu werden. Und wie er schon vermutet hatte, war der graue Kater nicht mehr dabei. Nachdem sie alle noch eine Weile am Tisch gesessen und geredet hatten, stand Kira auf, wandte sich zu Tsubasa und den Chibi-Schwestern um. "Ich geh jetzt. Ich wollt mir heute einen Job suchen." Vorsichtig lächelte er. "Ich bin heut Abend irgendwann zurück, wenn ich vorher was finde, vielleicht auch eher." Dann verließ er den großen Raum und ging zu dem Zimmer von ihm und den Chibis zurück. Vielleicht sollte er sich was anderes anziehen. Er wollte keinen eigenartigen Eindruck auf Leute machen, die ihn nicht kannten. Zumindest noch weniger kannten, als die Jungs und Mädchen aus der Gang. Schnell zog er sich Hose und Shirt aus, schminkte sich die Augen ab. Dann besah er sich die Tüte mit den Sachen. Am normalsten wäre wahrscheinlich das weiße Hemd mit der schwarzen Hose. Es war schlicht und sah gut aus. Er schlüpfte in die Sachen, besah sich dann noch einmal genau im Spiegel, ob er alles Unpassende aus seinem Gesicht verbannt hatte. Ja, er sah wieder normal aus. Natürlich normal eben. Nachdem er die Sachen wieder ordentlich weggepackt hatte, verließ er das Zimmer wieder und machte sich auf den Weg zum Hafen. Erst einmal würde er dort fragen, ob sie nicht einen Job hatten, bei dem er beim Verladen der Schiffe helfen konnte. Er fragte jeden der Fischer, die gerade Anker warfen und einige Minuten Zeit hatten, jedoch erteilte ihm jeder eine Absage, da er entweder niemanden brauchte oder schon jemanden hatte. So etwas würde er also nicht bekommen. Dann müsste er vielleicht in der Stadt mal fragen. Gedacht, getan. Kira lief zur U-Bahn, überlegte, nach welchen Jobs er in der Stadt Ausschau halten könnte. Er könnte in Lebensmittelläden arbeiten und die Regale einräumen. Ja, solch eine Arbeit würde er ganz sicher annehmen. Oder er würde Kellnern! Kiras Augen begannen bei diesem Gedanken zu leuchten. Er liebte das Kellnern. Er wusste nicht warum, aber immer wenn er an Cafés vorbei gegangen war, fiel sein Blick auf die Kellner und er musste Lächeln. Ja, er würde sich einen Kellner-Job suchen. Kira stieg in der Stadtmitte aus der Bahn und lief die Treppen zur Hauptstraße nach oben. Die Stadt war groß… Wo sollte er hier nur anfangen mit suchen? Wenn man bedachte, dass er den ganzen Tag Zeit hatte, sollte er einfach in die Läden gehen und persönlich nachfragen. Das erste Café was er sah, machte von außen einen ordentlichen Eindruck, wirkte allerdings ziemlich leer. Er öffnete die Tür und ging hinein. Der Inhaber des Ladens lächelte ihm freundlich entgegen. „Darf ich Ihnen etwas bringen, junger Mann?“ „Nein…“, antwortete Kira leise. „Ich hab nur eine Frage.“ Entschuldigend sah er sich um. „Sagen Sie, haben Sie noch einen Job als Kellner zu vergeben?“ Hoffnungsvoll blickte Kira den älteren Mann an. Dieser seufzte und schüttelte dann leicht den Kopf. „Nein mein Junge, leider nicht. Der Laden ist nicht mehr so gut besucht, und ich habe schon zwei Angestellte. Einen dritten könnte ich mir nicht leisten.“ Enttäuscht atmete er aus. Wer hätte schon erwartet, dass Kira gleich beim ersten Laden fündig werden würde?? „Ok, da kann man nichts machen. Auf Wiedersehen.“ Er verließ den Laden und lief dann die Hauptstraße in Richtung Norden entlang. Voller Elan ging er in das nächste Café, welches nicht mal zwei Querstraßen vom ersten entfernt war. Dieses sah etwas schmuddelig aus, schien aber gut besucht. Man sollte halt nicht vom Äußeren aufs Innere schließen. Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat er das Café und ging auf die Theke zu. „Entschuldigen Sie die Frage, aber ich suche einen Job und wollte fragen, ob sie noch einen als Kellner zu vergeben hätten?“ Der Mann hinter der Theke musterte Kira kurz und rief dann etwas nach hinten, wonach kurze Zeit später eine Frau nach vorne kam. Sie nahm Kira ein Stück zur Seite, damit der Mann die Gäste bedienen konnte und stellte ihm einige Fragen. Sie hatte eine feine, melodiöse Stimme. „Hast du vorher schon mal als Kellner gearbeitet?“ „Nein, leider nicht.“ Kira konnte einfach nicht lügen. „Und warum bist du gerade hier, und fragst nach einer Arbeit?“ Überrascht sah er die Dame an. „Ehm, Zufall. Ich bin die Straße entlang gegangen und hab dann diese Café gesehen und dachte, dass ich ja mal nachfragen könnte.“ Abschätzend musterte die ältere Frau den Jungen und seufzte dann kurz. „Nein, Junge, tut mir leid. Ich hab hier nichts für dich.“ Mit einem letzten Blick auf Kira verschwand sie wieder im hinteren Teil des Cafés und ließ Kira vorn zurück. Verwirrt blickte dieser ihr nach. Hatte er irgendwas falsch gemacht? Bevor er begann, Zeit zu verschwenden, verließ er den Laden und machte sich auf, einen neuen Versuch zu starten. Das nächste Café, welches er sah, ließ er aus, wusste selbst nicht warum. Während er die Straße entlanglief, dachte er über die Jobsuche nach. Eigentlich brauchte er ja so etwas wie einen Lebenslauf. Das hatte ihm mal einer seiner Freunde gesagt. Die Tatsache, dass er eben dieses nicht hatte, erschwerte ihm die Suche beträchtlich. Bisher hatte zwar noch niemand danach gefragt, aber es würde bestimmt unerlässlich sein. Sonst müsste er schwarzarbeiten. Auch das würde er unter den gegebenen Umständen tun, die Frage wäre nur, ob sein Arbeitgeber das auch akzeptieren würde. Während Kira sich über weitere Probleme Gedanken machte, kam er an einem Café vorbei, das ein großes Rotes Schild >Aushilfe gesucht< in der Tür hatte. Er atmete einmal tief durch, bevor er die Tür öffnete und eine Glocke sein Betreten ankündigte. Von innen war der Laden kleiner, als er auf den ersten blick vermutet hatte. Er blickte sich um. Die Einrichtung war sehr einfach gehalten und bestand hauptsächlich aus Holztischen, -stühlen und -bänken. Nach einigen Minuten hörte er Schritte und blickte zur Theke. Ein Mann, maximal in den Vierzigern, blickte ihm entgegen. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Kira beeilte sich, zu dem Mann zu kommen. „Ja, ich hab den Zettel in der Tür gesehen, dass sie eine Aushilfe suchen und würde mich gerne bewerben.“ Entschlossen blickte er den Mann an. Dieser blickte zurück, schien ihn zu taxieren. „Aha. Hast du schon Erfahrungen in diesem Bereich gemacht? Oder wäre das dein erster Job als Kellner?“ Kira überlegte, ob er die Wahrheit ein wenig umändern sollte, entschloss sich dann dagegen. „Nein, noch nicht. Aber ich bin begeistert von diesem Job, schon seit langem. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen.“ Ein weiterer taxierender Blick des Eigentümers überflog Kira. Überzeugend. Er musste überzeugend wirken. Gerade, als er noch überlegte, was er sagen könnte, hörte er ein seufzen des Mannes. „Ok, ich nehm dich. Aber erst mal nur zur Probe. Für einen Monat. Danach entscheide ich, ob ich dich weiter behalte.“ Kira konnte nicht glauben was er hörte. Er war angenommen. Er hatte den Job! Schnell verbeugte er sich. „Vielen dank! Ich werde Ihr vertrauen nicht enttäuschen.“ „Das will ich auch hoffen!“, kam es als antwort. Der Mann lächelte nun. „Du kannst nächsten Montag anfangen. Deine Arbeitszeit wird von 10 bis 17 Uhr sein. 13-14 Uhr hast du Pause.“ „Ok, dann werde ich Montag halb 10 hier sein.“ Noch einmal verbeugte sich Kira, dann verließ er den Laden. Seine Jobsuche war ja wirklich schnell gegangen. Nie hätte er gedacht, dass er so schnell Glück haben würde und was fand, was ihm gefiel. Nachdem er nun sein Soll für den Tag erfüllt hatte, stieg er wieder in die U-Bahn und fuhr zu seinen neuen Freunden zurück. Zero war irgendwann auf sein Zimmer zurückgekehrt und hatte sich dort eingeschlossen. Irgendwann letzte Nacht war seine Bestellung gekommen und er jetzt musste er dafür sorgen, dass seine Lieblinge auch versorgt waren. Mit einem liebevollen Lächeln setzte er die weiße Maus ins Terrarium und beobachtete die Bewegungen der kleinen Schlange dahinter. Langsam waren sie, nicht gerade interessiert an der Störung. Aber sie würde im Laufe des Tages sicherlich zuschlagen… „Guten Appetit.“, flüsterte er weich und wandte sich dann dem nächsten Glaskasten zu, in den er ebenfalls eine Maus setzte. „Ich hoffe, ihr habt eure Freude dran.“ Als er das Fabrikgelände betrat, ging Kira schnurstracks auf sein Zimmer zu. Er öffnete die Tür, war nicht wirklich überrascht, dass die Chibvischwestern nicht da waren. Er entledigte sich der Sachen, kramte sein altes Shirt und die kurze Hose, die er am vergangenen Morgen achtlos in eine Ecke gepfeffert hatte, hervor und zog sie an. Ja, bevor er Abendessen würde, würde ein wenig laufen gehen. Danach könnte er allen von seiner Jobsuche berichten. Gesagt, getan, lief Kira zehn Minuten später vor der Tür los, den gleichen Weg, den er beim letzten Mal gelaufen war. Er wollte das Versprechen den Katzen gegenüber halten und hoffte, dass er die Braune sehen würde. Er lief die Straße an der Mole entlang, versuchte auch erstmals bis zu den Leuchttürmen zu kommen. Es war vielleicht gar keine schlechte Übung, über die Steine zu laufen, musste er nebenbei noch auf jene achten. Auf dem Rückweg stoppte er für einige Minuten an dem Felsen, wo sich einige Katzen versammelt hatten, unter ihnen auch die Braune. Langsam ging Kira in die Knie, streckte seine Hand aus. Sofort kam die kleine auf ihn zu, schnupperte an ihr und stellte dann ihre Pfötchen in einer bettelnden Botschaft auf seine Knie. Lächelnd sah er sie an. "Sorry, Kleines, aber ich hab im Moment nichts für dich. Beim nächsten mal vielleicht." Und nachdem er ihr ein letztes Mal durch das Fell gestrichen hatte, erhob er sich und lief zu den Gebäuden der Gang zurück. Als er sein Zimmer erneut betrat, sah er diesmal die Chibis auf dem Bett sitzen. Sie unterhielten sich flüsternd und blickten auf, als Kira den Raum betrat. Kurz sahen sie sich an, sprangen dann auf und liefen auf ihn zu. Ehe er einen weiteren Ton sagen konnte, hatte er ein süßliches Parfüm in der Nase und zwei Mädels, von denen die eine um ihn herum sprang und die andere an seinem Hals hing. Kurz ließ er die Knuddelei über sich ergehen, bevor er sie sanft von sich schob und sich das Shirt über den Kopf zog. "Ich geh eben kurz duschen." Und schon war er im Bad verschwunden, die Chibis blickten ihm hinterher. Eine halbe Stunde später machte er sich mit den beiden Mädels auf zum Abendessen. Sein Laufen hatte relativ viel Zeit in Anspruch genommen, sodass die Sonne nun langsam am Horizont verschwand. Zero hatte eigentlich gar nicht kommen wollen und dennoch saß er jetzt hier auf seinem Platz und wurde gefüttert… Von Tsubasa, der einen Heidenspaß dabei hatte. Und er ließ es über sich ergehen, weil diese Drohung in der Luft schwebte… Tja, das war etwas gewesen. Tsubasa hatte vor zehn Minuten einfach oben in seiner Tür gestanden und gemeint, dass er mit hinunter kommen sollte. Und als er sich weigern wollte, war er ihm mit seiner Aversion gekommen: Schwimmen. Er sollte mit ihnen schwimmen gehen, oder mit zu Abend essen. Und weil er im Grunde noch immer keinen Appetit hatte, fütterte Tsubasa ihn. Klasse. Mami… „Das ist gut für dich, Zero-chan. Vitamine!“, lachte sein älterer Bruder gerade. „Mach A!“ „B!“, knurrte Zero, machte dann aber gehorsam den Mund auf. „Warum kann ich nicht selber essen?“ Tsubasa lachte. „Nichts da, du hattest deine Chance und Ungehorsam will bestraft werden!“, piekte er ihn in die Seite. „Hier, Fisch für die Augen.“ „Meine Augen sind gut genug.“ „Ja, aber das soll ja auch so bleiben, nicht wahr?“ „Milch?“ „Vertrag ich nicht, du Nervensäge!“ „Lieber Orangensaft?“ „Gib schon her!“ „A-a. Finger weg!“ „Tsubasa…“ „Schwimmen?“ „Mistkerl!“ Aber immerhin ließ er es zu, dass Tsubasa ihm das Glas an die Lippen setzte und trank. So abgefüllt zu werden hatte was Erniedrigendes… und dann auch noch vor all den anderen, die lachten… Super. Zero wünschte sich gerade ans Ende der Welt. … Aber immer noch besser als schwimmen gehen und Mädchenblicke an sich kleben fühlen… Auch Kira beobachtete ebenjene Prozedur mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war ja schon niedlich, was Tsubasa da mit Zero anstellte... Er selbst hatte seinen Fisch vor der Nase und stocherte lustlos darin rum, hatte irgendwie keinen Hunger. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er den Fisch in ein Tuch gepackt und es sich in die Tasche gesteckt. Das würde er den Katzen mitbringen... Sie würden sie freuen. Bevor noch irgendjemand mitbekam, dass Kira keinen Appetit hatte und ihn vielleicht genauso fütterte wie Tsubasa Zero, stopfte er sich selbst den Reis und das Gemüse in den Mund, schluckte es krampfhaft runter und spülte mit einem Schluck Wasser nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)