Street Children´s Farewell von Himeka ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Am nächsten Morgen wurde er durch unglaubliche Hitze geweckt. Ihm war warm. Und er schwitzte. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass sein Rücken sich nicht entzündet hatte. Daran schien es also nicht zu liegen. Vielleicht bekam er ja einen Virus oder so... Hoffentlich nicht, eine Krankheit konnte er jetzt nicht gebrauchen! Ren betrat zur Mittagszeit wieder den Raum, den er sich inzwischen mit dem Neuen teilte. Tsubasa hatte ihm mitgeteilt, dass er nicht vorhatte, dem Jungen eine andere Wohnung zu überlassen, also würde er wohl bleiben. Ren hatte nichts dagegen. Kira war nicht laut, sehr umgänglich und außerdem hübsch anzusehen. Und vielleicht… Er kletterte die Treppe hoch. „Ah, du bist wach?“, fragte er gut gelaunt? „Dann solltest du aufstehen. Drüben gibt’s Mittagessen für die, die da sind. Die Zwillinge kochen heut!“ Er grinste ihn an. "Mittagessen?" Ein Blick zur Uhr ließ ihn hochschrecken. "Was? Es ist schon um eins? Mittags?" Kira war völlig in Gedanken gewesen und hatte völlig die Zeit vergessen. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er sich das T-Shirt über den Kopf gezogen und wirtschaftete durch die Gegend, um ein neues Shirt zu finden. "Verdammt, wo ist es denn? Gestern war es doch noch hier..." Kira durchwühlte die gesamte Couch auf der Suche nach dem anderen T-Shirt. Ren beobachtete das amüsiert. „Plag dich nicht, ich leih dir eins von meinen!“, sagte er grinsend, auch wenn er es schade fand. Die Aussicht gefiel ihm. Schöner Körper, da tat auch die leichte Rötung des Rückens und der Verband an der Schulter keinen Abbruch. Aber es war natürlich klar, dass er ein Hemd brauchte. Sonst könnte es ja sein, dass ihm jemand etwas wegschaute… "Danke." Ein Lächeln huschte über Kiras Gesicht. Ren war wirklich nett zu ihm. Erst hatte er ihn unter seine Fittiche genommen und nun half er ihm auch noch bei seinen Problemen, und das, obwohl sie sich kaum kannten. Der junge Mann mit den grün gefärbten Haaren lachte. „Wieso denn. Du gehörst jetzt zum Clan, da ist Hilfe angemessen!“ Er kletterte nach einem frechen Augenzwinkern die Stufen hinab und ging zu seinem eigenen Schrank, holte dort ein rotes Hemd heraus, das er ihm zuwarf. „Zieh das hier an, dann gehen wir rüber! Die warten nicht und sie heben auch nichts auf, wie die Hyänen!“ Kira fing das Shirt und streifte es sich über. Es war ein bisschen groß, aber nicht der Rede wert. Dann ging auch er die Treppe nach unten, um Ren zu folgen und vielleicht doch noch etwas von dem Essen abzubekommen. Mit einem leichten Knurren machte sich sein Magen deutlich bemerkbar. Er war leer und wollte dringend gefüllt werden. Ren lachte, nahm ihn wieder bei der Hand und zog ihn mit sich aus der Wohnung. Doch was Kira nicht sehen konnte, war das Glimmen in seinen Augen. Der Junge war naiv, deswegen sicherlich… Er änderte seine Richtung ein wenig, führte den Jungen in eine Seitengasse. Kira wunderte sich einen Augenblick, wo Ren ihn hinbrachte, dachte aber nicht weiter darüber nach. Dieser war schließlich lieb und nett. Kira hatte bisher kaum die Erfahrung machen müssen, dass es auch Leute gab, die weniger nett waren. Plötzlich blieb Ren stehen, ohne ihn loszulassen, blickte zu Kira zurück. „Du bist hübsch.“, sagte er leise, lächelte, dann trat er auf ihn zu und beugte sich sacht vor, um ihm die Lippen auf seine zu legen. „Wirklich schön!“ Kira sah Ren fragend an, bevor er jedoch etwas erwidern konnte, spürte er etwas Warmes auf seinen Lippen. Erschrocken wollte Kira ihn von sich stoßen und zurückweichen, schaffte es aber nicht. Alle Muskeln, sein ganzer Körper schien gelähmt zu sein. Seine Augen weiteten sich und er starrte Ren entgegen. Dieser kicherte, als er das Offensichtliche erkannte. „Und du bist noch jungfräulich, oder?“ Sanft strich seine freie Hand über die feine Haut der Wange, zeichnete die Linie am Kinn nach, über die Lippen. „Wie alt bist du? Sechzehn? Und dann noch Jungfrau? Oder nur, weil ich ein Kerl bin?“ Er drängte ihn langsam zurück. „Glaub mir, es kann auch zwischen Kerlen schön sein! Und jetzt… jetzt sind sie alle beim Essen…“ Zero kam erst gegen Mittag er zurück. Er war arbeiten gewesen. Schon früh, noch bevor die Sonne aufging, hatte er sich am Hafen gemeldet, hatte dort für einen Mann gearbeitet, der bei ihnen als Schmuggler bekannt war, aber was kümmerte es ihn, was er von einem Schiff zum anderen trug? Er bekam Geld dafür, das zählte, denn mit Geld konnte er seine Lieblinge versorgen und das war wichtig. Sie waren ihm wichtig. Gerade bog er in den Hauptweg des verlassenen Fabrikgeländes ein, als er sie dort stehen sah… Ren und Kira. In einem der Nebenwege. Das war doch… Schnell trat er in den Schatten einer einsamen Birke. Wut flammte in seinem Inneren auf, aber er sagte nichts, das wollte er jetzt mal sehen… Er wusste, dass er sich damit wehtun würde, aber genau aus diesem Grunde blieb er. Er wollte sich beweisen, dass Zuneigung, zu wem auch immer, nichts weiter war als Illusion. Seine Augen starrten voll Abneigung auf das traute Pärchen. "Nein..." Mehr als ein Wimmern kam nicht über Kiras Lippen. Jede Berührung Rens brannte sich auf seine Haut wie Feuer. Jede einzelne Faser seines Körpers wehrte sich gegen Ren. Aber dieser dachte nicht mal im Entferntesten daran, aufzuhören. Kira verzog das Gesicht, als Rens Hand immer weiter nach unten wanderte. Heiße Galle begann in seinem Hals aufzusteigen. Zeros Gesicht war ausdruckslos. Ren war der perfekte Verführer. Wie er ihm jetzt etwas ins Ohr flüsterte, was er nicht verstand, wie seine Hand den schlanken Hals liebkoste. Er hatte ihn fast an der Wand. Jetzt hatte er sie erreicht. Kira war gefangen. In einer Mischung aus Festhalten und leichter Erotik. Er konnte sehen, wie Ren ihn erneut küsste und seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Augen wurden zu Schlitzen… Kira taumelte nach hinten und stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Nun war er endgültig gefangen. Ren küsste ihn immer weiter, auch als ein leichter Schweißfilm Kiras Haut überzog, dachte er nicht an diesen. Er war nur dabei seinem eigenen Verlangen nachzugehen, ohne Rücksicht auf Verluste oder auf andere. Kira merkte wie ihm die Augen zu brennen begannen und wie sich einige Tränen den Weg nach draußen bahnten. "Hör auf!", schluchzte er. "Hör auf..." Seine Stimme wurde jedoch von Ren verschluckt, indem dieser erneut seine Lippen auf die Kiras presste. Irgendwie… hatte Zero nicht den Eindruck, dass es Kira gefiel, er weinte sogar, aber das konnte auch ein Irrtum sein, schließlich war Ren wirklich gut. „Hey, entspann dich.“, konnte er vernehmen, konnte sehen, wie Ren Kiras Nacken kraulte, wie seine Hand Kiras Arm losließ und sich um dessen Taille wand. „Glaube mir. Wenn du dich darauf einlässt, ist es wunderschön.“ Ganz weich war seine Stimme, voller Verführung… Zero hörte auf zu atmen. Wenn das so weiterging… Nein. So hatte er es sich nicht gedacht. Nie. Warum hatte er Ren vertraut? Warum nur? Warum hatte er diesen Fehler begangen? Als Ren immer fordernder auf ihn einredete und seine Hand immer weiter über seinen Körper führte, begann Kira zu zittern. Er versuchte seinen Arm zu heben und den anderen wegzustoßen, scheiterte aber, weil er keine Kraft hatte und Ren einfach zu groß war. Er startete einen zweiten Versuch, doch auch dieser schlug fehl. Seine Stimme hatte mittlerweile ihren Dienst versagt. Zero sah sie, seine Augen brannten sich in den Rücken von Ren. Als plötzlich eine schwache Bewegung von Kira seine Aufmerksamkeit bannte. Seine Hände drückten gegen Rens Brust. Immer wieder. Zu schwach!, ging es ihm auf, da war er auch schon auf dem Sprung. Fließend rasselten die Ketten aus ihrem Versteck, seine Beine trugen ihn auf die beiden zu, dann war er bei ihnen, legte dem Grünhaarigen fast verschwörerisch die Kette um den Hals. Ganz sanft. „Wenn du überleben willst, dann lässt du ihn jetzt los.“ Zuckersüß die Worte, sein Gesicht von einem Lächeln erhellt, doch seine Augen blieben dunkel, kalt und unendlich tief. Wahrscheinlich hätte Ren ihn allein an der Stimme nicht erkannt, doch die Kette verriet Zero, war er doch der einzige, der eine solche Waffe besaß. „Zero, du…“ „Ja, ich.“, kam die liebliche Stimme zurück, während ein leiser Zug an der Kette dafür sorgte, dass der Größere einen Schritt zurück machte und Kira losließ. Dieser sank augenblicklich in sich zusammen und rutschte die Wand hinunter. Er zog seine Knie an die Brust und klammerte sich verzweifelt daran fest. Seine Augen waren starr auf den Boden gerichtet, schreckgeweitet. Immer und immer wieder spielte sich die Szene vor seinem inneren Auge ab, und er bekam nichts von seiner Umwelt mit. Das einzige, was Kira sah, war Rens Gesicht. „Was tust du hier, Vize?“, fragte Ren inzwischen erstickt, seine Augen zeigten eine Angst, die für ihn nicht unbedingt normal war. Selbst bei Kämpfen war er normal einer der wenigen, der immer ein überlegenes Grinsen zeigte. Das Lächeln Zeros verschwand. „Was geht es dich an, Ren?“, knurrte er. „Ich habe das Recht überall zu sein, wo ich will. Die Frage ist, was tust du hier?“ „Ich… er hat es auch gewollt!“, verteidigte sich der Ältere verzweifelt und versuchte sich loszumachen, doch Zero zog die Kette zu, so dass er erkannte, dass es zu seinem Ende führen könnte, sollte er sich weiterhin wehren. Er gab auf. Zero warf einen Blick auf den Jungen an der Wand. „Das sieht ganz so aus.“, gab er gefühllos zurück. „Hör zu, Wanderfalke: Ich beanspruche ihn für mich. Wage es nie wieder, ihn auch nur anzusehen!“ Rens Augen weiteten sich noch ein bisschen mehr, doch er wagte es nicht, seiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen. Zero hatte noch niemals Interesse an jemandem gehabt! Nie! Nicht mal ihn hatte er akzeptiert! Und jetzt wollte er… „Und wenn du es wagen solltest, hierüber auch nur ein Wort zu verlieren, wirst du noch etwas anderes verlieren. Wenn du Pech hast, dann den Teil, den du heute zu nutzen gedachtest.“ Kalte Worte, wie Eis gesprochen und Ren war zu nichts anderem fähig, als zu nicken. Seine Augen quollen ein wenig aus ihren Höhlen, seine Lippen zitterten. „Geh essen!“ Damit ließ er ihn frei und Ren flüchtete, stolperte einmal, sah zu ihnen zurück, dann war er endgültig fort. Er würde sich an seine Anweisungen halten, sonst war er tot, das wusste er auch, ob nun hochgestellter Vertreter der Dragons oder nicht. Zero blickte auf den Jungen an der Wand herab, ließ die Kette verschwinden, ohne dass ein untrainiertes Auge gewusst hätte, wohin. „Du bist echt ein Idiot.“, sagte er abschätzig, seufzte einmal. „Warum gehst du mit ihm mit, wenn du gar nichts von ihm willst?“ Von weiter Ferne vernahm Kira eine Stimme, konnte sie aber nicht zuordnen. Er hob leicht seinen Blick und sah einen Jungen. Er hatte das Gefühl ihn zu kennen, aber es wollte ihm nicht einfallen. "Nein... Nicht...", stammelte er noch immer wie von Sinnen. Sein Geist wurde von etwas anderem umnebelt. Schmerz... Großer Schmerz, von seinem Rücken. Kira besah sich seine Hand und ließ sie dann über seinen Rücken gleiten. Der Schmerz durchfuhr ihn wie eine Welle und er zuckte zusammen. Zero rollte mit den Augen. Also ab zum Doc. Der Kleine hatte sich übernommen. Er hockte sich vor ihn hin. „Hör zu, Ren ist weg, es keiner mehr da, der dir was tun will.“ Dass er noch da war, verschwieg er, es war offensichtlich. Tsubasa hätte es ihm gesagt. „Und du solltest zum Doc gehen.“ Irgendwie war seine Stimme weicher geworden, ohne dass er das bemerkt hätte. „Hörst du?“ Er hob die Hand, griff nach Kiras und zuckte im nächsten Augenblick zusammen. Er war heiß. Fieber? Wovon? Doch nicht von dem Tattoo! Der Doc machte das immer ordentlich! Dann von… Die Wunde an der Schulter!, durchfuhr es ihn. Sie war genäht worden, also konnte es auch sein, dass sie eiterte… Verdammt! „Los, aufstehen, Kleiner! Ab zum Doc!“ Wieder griff er nach seiner Hand und zog ihn mit sich in die Höhe. Kira spürte, wie jemand ihn nach oben zog und ihm half. Wackelig auf den Beinen setzte er sich in Bewegung, hatte aber keine Ahnung, wohin er lief. Neben sich spürte er immer wieder einen Druck, der ihn auf den Beinen hielt, sonst wäre er wohl zusammengebrochen. Nach ein paar Metern roch er Desinfektionsmittel. Arzt..., schoss es ihm durch den Kopf. Dann wurde es ihm schwindelig und er spürte eine Leere seinen Geist umnebeln. Gerade hatte Zero ihn über die Schwelle gezogen, da brach der Junge endgültig zusammen. Toll. Das würde Ren ihm büßen! Doppelt und dreifach. Ein tiefes Seufzen, dann zog er ihn mühsam hoch, legte ihm den zweiten Arm um die Hüfte und trug ihn zu der Pritsche. „Doc!“, rief er in den hinteren Teil der Behausung. „Der Knirps ist wieder zusammengebrochen! Du hast gepfuscht!“ Es war eine Beleidigung, eine Herausforderung, damit der andere sich beeilte. Es wirkte. Der kleine, hässliche Mann eilte aus dem hinteren Teil und funkelte ihn böse an, schob ihn kurz darauf zur Seite und drehte den Jungen um, um sich die Schulter anzusehen. Sie hatte sich entzündet. Definitiv. So rot wie sie war. Der Doc schimpfte murmelnd und ohne Worte vor sich hin, dann blickte er auf. Eine harsche Geste zu dem Regal und Zero holte dort einen Besteckkasten heraus, der alles enthielt, was der Doc benötigen könnte. Er stellte ihn vor ihn, dann zog er sich zurück. Schweigend arbeitete der weiße Mann, dann, als er fertig war, nahm er sich seine Handschuhe und schmiss sie dem Schwarzhaarigen um die Ohren. Seine Augen drückten deutlich aus, was er meinte: Er hatte nicht gepfuscht. Nein, das wusste Zero auch. Es war Kiras Schuld, weil er sich nicht geschont hatte, Rens, weil er… Mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen drückte der Chinese seinen Ziehvater an sich. „Danke. Ich muss noch etwas erledigen.“, flüsterte er ihm ins Ohr, dann ließ er ihn los und ging aus dem Raum. Im Hinausgehen griff er nach dem Stab, der an der Wand lehnte. Einer seiner beiden, immer hier deponiert, falls er ihn brauchte… Jetzt brauchte er ihn. Sein Weg führte ihn ins Haupthaus, dort wo die meisten ihr Mittagessen bereits beendet hatten und wieder unterwegs waren. Ren war nicht dort. Kurz fiel sein Blick auf Tsubasa, der stirnrunzelnd in seine Richtung sah, doch dann drehte er sich wieder um, ging hinaus und zu Rens Quartier. Auch dort war er nicht. Also zum Meer. Und dort fand er ihn. An einer der Klippen der Mole. Zero stellte sich hinter ihn. „Spring nur.“, sagte er ruhig. „Niemand hindert dich.“ Der junge Mann fuhr herum, als er den Jüngeren hörte. Er wurde kreideweiß. „Zero, ich… hör zu, ich… es tut…“ „Wolltest du nicht springen?“ „Nein, ich…“ „Du hast ihm Schaden zugefügt.“ Noch immer war Zero ruhig, er lächelte sogar ruhig, als würde er mit einem guten Freund einen Kaffeeklatsch halten, doch unter der Oberfläche brodelte es. „Nein, ich… Er wollte es doch auch…“ Panik verschleierte die schwarzen Augen. „Sah das für dich so aus?“, erwiderte Zero leise, trat neben ihn, um aufs Meer hinaus zu schauen. „Ja, er hat doch…“ „Er hatte Schmerzen, Ren.“, unterbrach er die Rechtfertigung, die schon wie eine solche anfing. „Große Schmerzen, die du ignoriert hast. Er hat sich gegen dich gewehrt.“ „Das stimmt nicht!“, rief der andere aufgebracht, doch der Chinese konnte riechen, dass es nichts weiter als Angst war. Oft genug hatte er die Flucht nach vorn erlebt. „Er wollte das au…“ „Seine Schulter ist wieder aufgerissen.“ Zeros Blick streifte über das Meer, blieb an einem weit entfernten Schiffkutter hängen. „Und sein Rücken ist noch wund vom Stechen.“ Ren wich einen Schritt zurück. „Du hast es gewusst und hast ihn gegen seinen Willen nehmen wollen… Wie weit wolltest du gehen?“ Wieder ein Schritt, jetzt hatte er den richtigen Abstand… „Du hast gewusst, dass er verletzt gewesen ist, denn du hast es gesehen, wie alle anderen auch. Und du hast es von Mara erfahren.“ Es war der Moment, wo Ren die Initiative ergriff. Er war schnell, für seine Schnelligkeit berühmt, für seine unvorhersehbare Technik und Präzision im Karate bekannt… doch sein Tritt verfehlte den Vize seines Clans um Millimeter. Im nächsten Moment traf ihn ein tödlich kalter Blick. Und er wusste plötzlich mit übernatürlicher Klarheit: Der Chinese hatte den Angriff kommen sehen. Er hatte ihn erwartet. Dann hatte er keine Zeit mehr zum Denken. Er musste sich wehren. Gegen einen Stab, der von einer Hand geführt wurde, die seit ewigen Zeiten nicht mehr besiegt worden war. Die er noch nie besiegt hatte. „Er hat es gewollt, ja?“ Ein Schlag von rechts. „So wie damals ich!“ Ein Schlag quer über die Brust, den er nicht blocken konnte. „Genauso wie Kaoru! Und wie Kimiha!“ Der nächste Schlag traf sein Ohr, dass das Gleichgewicht litt. „Niemals hast du irgendjemanden gezwungen! Deswegen haben sie sich auch nicht umgebracht! Sie waren einfach lebensmüde, nicht wahr, du Held? Du Weiberheld! Casanova!“ Ein Schlag ging über das Gesicht und er konnte die Nase brechen hören, es befriedigte ihn auf fast angenehme Weise und das irre Funkeln in den Augen, das er bisher zurückgehalten hatte, trat in seine jadegrünen Augen. Das Funkeln, das jeden bisher dazu gebracht hatte, sich zu fürchten. Ren machte da keine Ausnahme. Er konnte die Angst riechen. Sie hing verflüssigt in seiner Hose. „Du wolltest das gleiche mit ihm machen. Du hast ihn verletzt in deiner blinden Gier. Du bist Abschaum. Nichts weiter. Du bist es nicht einmal wert, dass ich mich mit dir beschäftige, aber ich muss mich behaupten. Das ist wie bei den Wölfen. Der Leitwolf darf keine Sünde ungestraft lassen, denn dann würde seine Autorität untergraben werden. Das verstehst du doch?“ Dreißig Minuten später kehrte Zero ins Hauptquartier zurück und suchte nach Tsubasa, den er mit den Chibi-Zwillingen bei einer Runde Menschärgeredichnicht fand, die er zu verlieren drohte. Ohne ein Wort stellte er sich direkt neben ihn und starrte auf ihn hinunter. „Der Neue braucht ein neues Zimmer!“ Und damit drehte er sich um und ging. Tsubasa starrte ihm nach, sein Gesicht nicht mehr annähernd so fröhlich wie vorher, als er den Stab in seiner Hand sah. Er stand auf. „Chibi-chi. Die Jungen mit der Trage. Chibi-chan. Nimm ein paar Leute und suche…“ Sie nickte, bevor er sagen konnte, dass er den Namen nicht kannte, denn sie wusste selbst, dass es nicht vorhersehbar war, wer Zeros Zorn auf sich zog, denn er handelte sofort und augenblicklich nach einem Vergehen. Blieb nur zu hoffen, dass sein diesmaliges Opfer es überlebt hatte… Die beiden Mädchen rannten los, während Tsubasa Zero hinterherlief, der schon in seinem Apartment angekommen war, die Türe zugeknallt und verrammelt hatte. Verdammt! Was hatte ihn denn so aufgeregt? Gerade war er doch… Nun ja, wenn er es recht bedachte, dann war Zero sauer gewesen, auf seine ihm eigene, unterdrückte Art und Weise. Und er hatte es einfach nur nicht gesehen. Oder nicht sehen wollen. Und jetzt hatten sie das Desaster. Wen er wohl diesmal wieder dem Tode einen Schritt näher gebracht hatte? Man konnte ihn wirklich keine Sekunde lang allein lassen! „Zero?“ Zaghaft klopfte er gegen die Tür. „Hey, mach auf, ich will mit dir reden!“ Von drinnen ertönte ein leises Ploff, sonst nichts. Tsubasa rollte mit den Augen. „Ein Kissen kann die Tür nicht öffnen!“, rief er. „Steh gefälligst auf und mach sie selber auf!“ Stille. War es vielleicht wirklich so schlimm? Hatte er die Grenze zum Töten diesmal vielleicht wieder überschritten? „Zero!“ Von drinnen ertönten leise Schritte, dann wurde ein Schlüssel im Schloss rumgedreht und die Türe öffnete sich. Zero starrte mit kalten Augen zu ihm auf und Tsubasa wusste, dass er wirklich sauer war. Und jetzt wusste er auch, wen Chibi-chan suchen musste. Zero selbst hatte ihm diesen Hinweis gegeben. Der Neue braucht ein neues Zimmer… Es ging um Ren, den er eh schon hasste. Verdammt! „Was hast du nur getan?“, fragte er leise, hob eine Hand und strich seinem Bruder eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. „Rei, du musst wirklich langsam aufpassen, was du tust. Dein Leben ist eh schon nicht mehr so einfach, mach es dir nicht noch schwerer.“ Ren würde sich rächen wollen. Wenn sie Pech hatten, würde er innerhalb der Gang weitere unzufriedene suchen, die dann gemeinsam gegen den Vize vorgingen. „Ich kann dich nur zu einem gewissen Grade schützen. Verstehst du das denn nicht?“ Zeros Blick veränderte sich nicht, als er plötzlich doch die Augen schloss und seufzend zur Seite trat. „Ich brauche keinen Schutz.“, erklärte er, schloss hinter dem eintretenden jungen Mann die Tür. „Von dir nicht und von niemandem sonst.“ Tsubasa entwischte ein höhnischer Laut, der fast an Resignation grenzte. „Warum tust du das?“ „Ich habe ihn dabei erwischt, wie er ihn vergewaltigen wollte.“, zuckte der Schwarzhaarige mit den Schultern. „Ich habe ihm lediglich klar gemacht, dass es nicht das ist, was ich von einem Mitglied dieser Gruppe erwarte.“ „Vergewaltigen?“ Tsubasa war geschockt. „Wie er es mit Kaoru und Kimiha gemacht hat.“ „Aber…“ „Ich weiß, dass ihr nicht wusstet, dass er es war, denn das wusste nur ich!“ Wie vorhin leuchtete in den grünen Augen der Wahnsinn auf. „Denn bei mir hat er es ebenfalls versucht!“ „Rei?“ „Er musste aufgeben.“ „Rei, hör auf!“ „Denn ich war stärker!“ „Rei! Hör auf dich damit zu quälen! Vergiss es endlich!“ „Ich habe ihm gesagt, was ich davon halte, weil er sonst nie damit aufhört!“ „Es war nicht deine Sache!“ „Hätte ich zuschauen sollen?“ Zero war herumgefahren. „Nein, aber…“ „Da siehst du es! Er hatte es verdient!“ „Zero, er wird dich dafür jagen. Und er ist gefährlich!“ „Ich brauche keinen Schutz!“ Stur wandte er sich wieder nach vorn und trat an eines der großen Terrarien heran. „Ich kann mich selber schützen!“ Zwei Arme schlangen sich um seine Mitte und Tsubasa drückte ihn gegen sich. „Das weiß ich, aber das macht es nicht besser. Er wird sauer sein.“ „Wenn er sich noch dran erinnert.“ „Was hast du mit ihm gemacht?“ Endlich ließ sich Zero in die Umarmung fallen, entspannte sich und lehnte den Kopf zurück auf Tsubasas Schulter. „Ich habe ihm den Schädel eingeschlagen.“ Der größere Junge sagte nichts daraufhin, denn er konnte es nachvollziehen. Vielleicht hätte er auch so gehandelt, wenn er die gleiche Wut empfunden hätte wie Zero… Wenn ihn jemand hätte vergewaltigen wollen… Inzwischen wusste er, was passiert war, konnte sich denken, was da draußen vorgefallen war und warum keiner der drei zum Essen erschienen war, obwohl sie erwartet wurden: Ren hatte den Kleinen in der Mangel gehabt und Zero hatte ihn dabei gesehen. Der Rest war denkbar einfach konstruierbar. „Wie geht es ihm?“ „Schlecht. Was erwartest du?“ „Ich meinte Kira.“ „Ich auch.“ Wieder schwieg Tsubasa, wiegte den Jungen in seinen Armen leicht hin und her. Es verlief im Grunde alles richtig, Kira hatte es tatsächlich geschafft, Sympathie bei Zero zu erwecken, aber die Umstände gerieten außer Kontrolle. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass sein Ziehbruder endlich jemanden fand, den er lieben, dem er vertrauen konnte, hatte sich wohl auch in der Person nicht geirrt, aber die Faktoren, die hier zusammentrafen, waren zu heftig. Vielleicht würde es noch Probleme geben. Vielleicht… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)