Kuzfassung
Am Anfang meiner Karriere war ich glücklich mit allem.
Der Videodreh von Durch den Monsun war erfolgreich abgeschlossen und
der Song raste unerwartet gleich an die Spitze der Charts.
Als ich und der Rest der Band das erfuhr waren wir überglücklich.
Doch da wussten wir noch nicht genau was es hieß berühmt,überall
gekannt,beliebt zu sein.
Denn beliebt waren wir keines Falls...
Die Bewohner im kleinen Dörfchen Loitsche,welches bei Magdeburg liegt,
mochten mich und meinen Bruder Tom nicht,denn wir waren anders.
Wir sahen anders aus,wir traten anders auf -
und wir waren rotzefrech!
In der Schule hatten wir immer nur Scheiße gebaut und mussten oft vor
die Tür zur Strafe.
Der Hausmeister beobachtete uns dabei immer sehr skeptisch...
Ich mochte ihn nie besonders.
Und er mich auch nicht.
Zu Hause hatten wir eigentlich keinen der uns auffing.
Unsere Mutter war immer arbeiten und unser Vater lebte nicht bei uns.
Der Freund unserer Mutter war auch immer beschäftigt.
Unsere Großeltern waren zwar immer für uns da,
aber das war etwas völlig anderes.
Das war kein Ersatz für die Eltern.
Doch dann kam plötzlich alles anders...
Viele liebten uns,wenn man seinen Namen im Internet googlete bekam man
100 Websites auf einmal,
1000 Fotos und,und,und!
Das war einfach unglaublich!
Allerdings gab es Anfangs immernoch Leute die uns nicht kannten.
Da fragte man noch:"Kennst du Tokio Hotel?" - "Tokio Hotel?Wer ist das
denn?" oder:"Wie heißt der Sänger nochmal?" - "Sind Bill und Tom
Brüder?"
In Interviews wurden Fragen wie "Wo kommt ihr her?Wo geht ihr zur
Schule?Wie groß seid ihr?Wie viel wiegt ihr?Was ist euer
Leibgericht?ect." gefragt.
Wir liebten es in der Menge zu baden.
Wir genossen die positive Aufmerksamkeit.
Doch es kam immer härter.
Der Zeitdruck wurde größer.
Die Termine häuften sich.
Überall warst du bekannt!
Kaum noch Zeit für Freunde,Familie,geschweige denn für dich selbst.
NICHTS!
Und als ich fertig mit der Welt war,fing mich keiner auf - nie.
Die Schrei - Tour 2006 machte Spaß.
Aber zwischen den einzelnen Terminen lagen jede 2. Woche nur 1 - 2
Tage.
Das schlauchte mich wie noch nie.
Ich war übermüdet und kaputt.
Ich hatte so sehr Sehnsucht nach meiner Familie.
Als die Tour dann auch noch fortgesetzt wurde ging nichts mehr.
Backstage zumindest...
Ich zog mich oft zurück.
Der Druck war echt unermesslich stark!
So stark,dass ich nicht mehr essen konnte.
Es ging einfach nicht mehr.
Ich bekam nichts in mich herein.
Und wenn,kam es wieder raus.
Das alles wollte ich nicht!
Ich wusste das ich eh schon so dünn war.
Mit 15 Jahren und 1,75 m wog ich 49 kg.
Mit 16 und 1,77 m wog ich dann nur noch 47 kg...
Ich wollte nicht abnehmen!
Ich fühlte mich schlechter dennje.
Irgendwann rief ich meine Mama an.
Ich wollte eine Auszeit.
Doch ihre Antwort verletzte mich sehr:
"Das ist DEIN Traum,den hast du dir selbst ausgesucht,da gibt's keine
Auszeit!"
Ich weinte oft vor Heimweh...
Möglichst so,dass es keiner mitbekam.
Relativ gleichzeitig mit der Fortsetzung der Schrei - Tour wechselte
ich meine Frisur.
Doch es war nicht meine Idee,es war die meines Produzentens.
Brav nahm ich alles auf mich,ließ mir die Haare verlängern.
Doch jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaute,sah ich an mir herunter
und mir selbst in die Augen.
"Das bin ich doch gar nicht!",dachte ich.
Doch daran gewöhnte ich mit der Zeit.
Alle dachten die Frisur war meine Idee gewesen.
Und ich hielt meinen Mund...
Jetzt bin ich 17 Jahre alt.
17 Jahre und Deutschlands momentan erfolgreichster Frontmann.
Frontmann einer Band dessen Hysterie mit der der Beatles verglichen
wird.
Jeder kennt mich -
Und das nicht nur in Deutschland.
Paris,England,Holland,Russland -
so viele Länder!
Wo sollte ich jetzt nur mit mir hin?
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Die glücklichsten Tage
01.09.2006,06:15 Uhr.
Ich schlief nicht,war aber wie gelähmt,praktisch in Trance.
Dennoch öffnete ich die Augen.
Sie waren schwer zu öffnen,als wären sie zugeklebt.
Müde wanderte mein Blick zur Digitaluhr,welche rechts neben mir auf
meinem Nachttisch stand.
Es war noch so früh und doch war ich wach.
In 15 Minuten würde mein Wecker auch klingeln.
Diese viertel Stunde wollte ich ausnutzen.
Ich lag völlig unbequem da,fühlte mich dennoch zu schwer um mich zu
bewegen...
Ich gab dem nach und blieb aus Faulheit so liegen wie ich es schon
vorher getan hatte.
Ich wusste nicht wo ich gerade genau war.
Ich hatte auch nicht das Datum im Kopf.
Dabei war der 01.09.2006 ein unglaublich wichtiger Tag!
Der Geburtstag meines Zwillingsbruders und mir.
06:30 Uhr.
Als ich gerademit dem Denken aufgehört und mit dem Einschlafen
angefangen hatte riss mich ein schrilles,piepsendes Geräusch aus
meiner Schwere.
Ohne nachzudenken kloppte ich mit der Faust so fest es ging auf den
Wecker.
Irgendwann ging er dann aus,zeigte dann aber keine Uhrzeit mehr an.
Allein schon aus Vernunft und Angst Ärger zu bekommen zwang ich mich
schweren Herzens zum Aufstehen.
Langsam schlurfte ich zum Hotelfenster.
Mal keine laut kreischenden Fans?
Wo war ich überhaupt?
Ich stapfte schweren Fußes zum Kalender und guckte aufs Datum.
Plötzlich wurden meine Augen größer.
Sie füllten sich sogar mit Tränen.
Ich war auf einmal hellwach -
wacher als je zuvor!
Ich kreischte auf und hüpfte durch mein Hotelzimmer,
hätte die Welt knutschen können.
Endlich 17!
Bald keine Tour mehr!
Keine Termine!
YEAH!
Und an diesem Tag hatte ich sogar frei.
Endlich einmal...
Mit meinem Gekreische hatte ich alle wach gemacht,
außer Gustav,der eh schon auf war.
Schnell wusch ich mich,zog mir was an und stylte mich.
Als mir mein Bruder auf dem Flur über den Weg lief musste ich ihn
einfach knuddeln!
Ich entschuldigte mich aber hinterher.
07:08 Uhr.
Jetzt gab es Frühstück.
Sogar Waffeln!
Ich liebte Waffeln einfach.
Und ich hatte sogar ein wenig zugenommen.
Ich aß alles ganz glücklich auf.
Um 11:00 Uhr rum durften Tom und ich zu unserer Mama nach Magdeburg
fahren.
Da wir in Loitsche nicht mehr ruhig leben konnten sind wir dort
hingezogen.
Mit Mama zusammen gingen wir zu einem Schiffchen.
Als ich gerade drinnen war um mich umzugucken und aus dem Fenster
schaute sah ich plötzlich meinen kleinen Cousin am Strand rumflitzen -
und plötzlich waren alle da!
Tante,Onkel,Großeltern,Eltern.
Einfach ALLE!
Es war so schön...
Tom und ich bekamen reichlich Geld und Talismane geschenkt.
Ich strahlte bis über beide Ohren.
2 Tage später war dann das letzte Konzert der Schrei Tour auf der
Loreley.
Ich war so aufgeregt das ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte
und sogar früher aufstand als Gustav.
Ich hatte total Herzklopfen.
Vor Aufregung konnte ich dann auch nichts essen.
Ich redete alle mit irgendwelchem Mist zu...
Kurz vorm Auftritt war ich total am Zittern.
Ich saß hinter der Bühne und hörte das Intro von Jung und nicht mehr
Jugendfrei...
Mir wurde ganz schlecht und ich fing an zu singen...
Dann lief ich auf die Bühne und alles kreischte laut los!
Es war so unglaublich!
Zum Schluss hielten alle schwarze Herzchen hoch mit der Aufschrift
"Danke für die Schrei - Tour 2006!"
und ein riesen Feuerwerk kam aus der Bühne.
Ich hätte echt heulen können vor Glück.
Hinter der Bühne bekamen wir ganz viele Briefe und Päckchen von BRAVO.
Ganz viele Leserinnen hatten bei so einer Aktion mitgemacht wo man uns
was schicken konnte.
Dann noch ein Interview und fertig.
Endlich hatte ich meine Ruhe...
Enttäuschung
Wenige Tage später merkte ich allerdings das ich mich geirrt hatte:
Wir sollten erstmal noch Konzerte in anderen Ländern geben.
Dazwischen quetschten wir unendlich viele Foto-Shootings,Interviews
und Fernsehauftritte.
Ich war so sehr enttäuscht...
Als ich abnends noch lange wach war dachte ich viel nach.
Mit den Händen strich ich mir über die gewaschenen und noch feuchten
Haare und seufzte.
Ich legte eine Hand auf mein Knie...
Der ganze Stress zerrte so sehr an mir.
Ja,ich hatte etwas zugenommen gehabt,doch ich wog nun nur noch 38 Kg
bei einer größe von 1,84 m.
Konnte das so weitergehen?
Irgendwann schlief ich auf der Bettkante ein,ohne es zu merken...
Am nächsten morgen merkte ich nur das ich auf irgenwas hartem liege
und das mir alle Knochen wehtaten.
Als ich die Augen öffnete sah ich die Leisten meines Bettes.
Ich hob den Kopf,doch das hätte ich lieber nicht tun sollen,
denn ich stieß mir sogleich!
Giftig kroch ich unterm Bett hervor und schaute auf die Uhr.
11:30 Uhr?
Ich musste verschlafen haben!
Hektisch wusch ich mich und zog mich an.
Ich rannte durchs Hotel als wäre ein Feuer ausgebrochen,doch dies auch
nicht lange,denn mir wurde schlecht und total schwindelig.
Ich hielt mich an der Wand fest und kämpfte mich so bis zum Bad,wo ich
kotzen musste.
Als ich fertig war ließ ich mich auf den Fliesen nieder.
Ich rollte mich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Es war ein Gefühl als ob ich Karusell fahren würde.
Pltzlich hörte ich wie die Tür aufging.
Ich war zu schwach,um mich aufzusetzen.
Tom beugte sich über mich,ich war so glücklich das er es war.
"Bill,was ist los..?"
Ich antwortete nicht.
Er hievte mich hoch und brachte mich zu David,meinem Manager.
Und dieser rief den Krankenwagen...
Als ich im Krankenhaus lag fühlte ich mich total mies.
Ich hätte gerne jemanden gehabt,der mich in den Arm nahm...
Doch das tat keiner.
Ich wusste nicht warum ich dort war und was geschehen war.
Das erfuhr ich zwar,aber ich bekam es nicht richtig mit.
Ich hatte höllische Kopfschmerzen...
Einfach nur schlafen,das wär's gewesen...
Aber ich wälzte mich noch lange bis tief in die Nacht hin und her.
Bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlief...
Am nächsten Morgen ging es mir etwas besser.
Tom besuchte mich und brachte mir eine Zeitung mit.
Auf dem Titelblatt stand's ganz fett:
»Bill Kaulitz erleidet Schwächeanfall und landet im Krankenhaus!«
Ich hasste die Presse so sehr...
Nichts blieb geheim was geschah,immer bekam es jemand raus.
Außer das was tief in mir verschlossen blieb -
meine Gefühle.
Ich sah Tom an und gab ihm die Zeitung wieder.
Er verstand meinen Blick und verließ das Zimmer.
Ich seufzte tief auf und starrte auf die deprimierenden,weißen Wände
vor mir.
Lange würde ich es hier nicht aushalten,das war ganz klar.
Ich wollte so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus!
Das Essen was mir vorgesetzt wurde konnte ich nicht zu mir nehmen.
Ich konnte einfach nichts schlucken.
Die Leute flehten mich geradezu an,doch ich musste das
ignorieren.
Ich wusste,dass es nichts bringen würde zu essen...
Es würde sowieso wieder den Weg nach draußen finden.
Am Abend war ich total erschöpft und sehr schwach.
Ich schlief schnell ein und genauso schnell kam der nächste Morgen.
Perfekt spielte ich allen vor es ginge mir blendend.
So wollten sie mich entlassen,doch als ich auf langen,dürren,wackligen
Beinen an der Wand lehnend vor den Ärzten stand zweifelten sie an
meiner Gesundheit.
Ich versuchte sie mit aller Kraft zu überzeugen,letztendlich nahmen
sie mir alles ab.
Und ich durfte das Krankenhaus verlassen...
Die Zeit steht still
Hastig stand ich auf,rannte aus meinem Zimmer -
Irgendwer MUSSTE doch jetzt Zeit haben!
Ich erkannte das ich mich dabei irrte,Tom war es wichtiger mit
irgendwem zu telefonieren,Gustav war gerade nicht da,Georg musste
unbedingt essen,selbst DAVID hatte was besseres zu tun als mir
zuzuhören!
Ich fühlte mich so im Stich gelassen...
Langsam schleppte ich mich zurück in mein Zimmer und ließ mich nachdem
ich die Tür geschlossen hatte auf dem Boden nieder.
Die Tränen fanden keinen Halt mehr und stürzten einfach aus mir
heraus.
Ich war doch sonst so stark...
Warum verließ meine Kraft mich gerade jetzt?
Jetzt in der ichtigsten Zeit meines Lebens?
Jetzt,wo ich so in aller Öffentlichkeit stand,
wo mich so viele Leute kannten?
Ja...Mich kannten so viele...
Und jeder liebte mich...
Aber warum war dann keiner da?!
Ich stand langsam auf und öffnete erneut die Balkontür.
Am Wetter hatte sich in der kurzen Zeit nichts geändert.
Wieder setzte ich mich auf den Stuhl.
War ich so minderwertig?
Sind alle so oberflächlich?
Verdammt,sahen mir die Leute denn nicht in die Augen wenn ich mit
ihnen redete?!
Ich ließ mich auf dem Stuhl hängen,berührte den eisigen,nassen
Steinboden.
Dann hob ich den Kopf und schaute durch das Geländer des Balkons
hindurch.
Es war so tief...
Die Chance war einmalig...
Aber sollte ich jetzt vor meiner Angst wegrennen?
Der Angst das alles nicht mehr zu packen?
Sollte ich alles an den Nagel hängen?
Karriere,Fans,Familie,mein Leben und mich selbst?
Oh ja...
Oh ja,das sollte ich...
Kein Wunsch den ich je hatte ging so tief wie dieser der in diesem
Moment meinen Kopf benebelte.
Ich stand auf und lehnte mich gegens Geländer.
Tausende von Autos rasten wild über die Straßen,hunderte von
Fußgängern tummelten sich auf den Wegen -
Ja,das war mein Auftritt...
Jeder würde es sehen...
Und sie würden NIE vergessen was sie gesehen hatten!
Ich kletterte auf das Balkongeländer und blieb dort erstmal
sitzen,holte tief Luft.
Überlegen brauchte ich nicht mehr,denn ich wusste ganz genau das das
jetzt richtig sein wird.
Meine Hände umgriffen das schwarze Eisen immer fester.
Meine Finger waren so taub von der Kälte,das ich das kaum noch
spürte.
Es war so laut dort unten doch bei mir da oben schien alles still...
Ja,die Zeit stand still...
Die Zeit und mein Herzschlag.
Doch plötzlich durchbrach ein Geräusch die Stille.
Ich drehte meinen Kopf nach hinten -
Tom!
Es war mein Bruder...
Ich wollte nicht das er mich so sieht!
"Bill,bitte,was hast du vor?!Komm da runter,das ist
gefährlich,bitte...!!",er flehte geradezu.
Zu spät
Meine Augen waren leer und doch so erfüllt von Schmerz und Unschuld...
Sie füllten sich erneut mit Tränen,welche über meine Kalten,tauben
Wangen ronnen.
Ich schüttelte langsam den Kopf.
Tom war der einzige Mensch der mir ein schlechtes Gewissen gemacht
hatte.
Ich wollte nicht mehr gehen,er war doch jetzt bei mir...
Doch das Gefühl verließ meine Hände,ich konnte mich nicht mehr länger
halten,mein schwerer Körper fiel nach forne -
es war zu spät.
Ich hörte nur noch seinen Schrei und jener vieler Leute als ich mit
einem dumpfen Geräusch auf einem Lastwagen einschlug der gerade
vorbeifahren wollte.
Ich war so betäut vor Schmerz...
Aber ich lebte noch...
Ich lebte noch ein parr Sekunden lang.
Die intensivsten und längsten Sekunden in meinem kurzen Leben.
Doch dann wurde alles verschwommen um mich herum...
Ich hörte nur noch immer wiederhallende Schreie von allen Seiten...
Dann wurde mir ganz warm...
Und alles färbte sich schwarz.