Summer in Konoha von abgemeldet (NejiTen, ShikaIno, NaruHina) ================================================================================ Kapitel 11: Verführung à la Hyuga (1) ------------------------------------- Tiefe Stille lag über dem Wald. Alles schlief, kein Wind regte sich. Der kleine See lag spiegelglatt und unberührt da. Hinata steckte prüfend den Kopf aus dem Zelt. Der Tau war unversehrt, und aus den anderen Zelten hörte sie nichts. Der Vorhang von Nejis Zelt war zurückgeschlagen und durch einen dünnen Insektenvorhang ersetzt. Hinata gab zu, dass sie zu gern gewusst hätte, ob zwischen Tenten und ihm das Eis endlich brach, doch sie durfte nicht einfach nachschauen. Das ging sie wirklich nichts an. Sie warf einen letzten Blick auf den schlafenden Naruto und zögerte. Was, wenn er aufwachte und bemerkte, dass sie nicht mehr da war? Würde es ihm auffallen? Würde er sie suchen? Würde er sich Sorgen um sie machen? Jetzt war es zu spät zum Umkehren. Vorsichtig schlüpfte sie aus dem Zelt und balancierte auf den grasfreien Flecken, in denen die Heringe eingeschlagen waren. Sie durfte keine Spuren im Tau hinterlassen. Und dafür hatte sie alles vorbereitet. Sie musste es schaffen, ihre festgelegte Route über die wenigen Steine und kahlen Stellen einzuhalten. Erste Station: Zelteingänge. Dort würden ihre Spuren im niedergetrampelten Gras am wenigsten auffallen. Wenn man in einem Team mit Shino und Kiba war, musste man zwangsweise lernen, sich geschickt und schnell zu bewegen. Kurenai legte größten Wert auf Agilität, weil sie einen gewissen Schutz gegen Genjutsu bot. Zu diesen Zwecken hatte sie ihr Team ständig über nicht völlig ungefährliche Parcours gejagt. Jetzt zahlte sich die Erfahrung aus. Hinata vollführte ihren ersten Sprung. Sie trug eine unscheinbare, bequeme Hose, deren Zweck lediglich darin bestand, sie nicht zu behindern. Denn Hinata war fest entschlossen, Naruto ihre ganze Klasse zu zeigen. Sie würde... Einkaufen gehen. Kochzutaten, ein Parfüm und... ein neues Kleid. Sie würde Inos Rat befolgen und trotz ihrer Unauffälligkeit nicht länger farblos bleiben. Ihr Vater hielt Parfüm genau wie moderne Kleidung für ein überflüssiges Mittel zur Verstellung. Sollte es nötig sein, an einer Festlichkeit teilzunehmen, war Hinata dazu verdonnert, einen schweren Kimono zu tragen, der zuvor mit Weihrauchduft behandelt worden war. Nicht, dass sie etwas dagegen hatte... Aber sie wollte normal sein. Sie verband schlechte Erinnerungen mit diesem Weihrauch, und ein aufwändiger Kimono würde Naruto eher abschrecken und den Standesunterschied zwischen ihnen vergrößern. Sie zwang sich, Nejis Zelt den Rücken zuzudrehen und setzte zum nächsten Sprung an. Sowohl Tenten als auch Neji hatten einen leichten Schlaf, was daher rührte, dass Gai hin und wieder auf Missionen Reaktionsprüfungen durchführte. Und dafür fand er stets den ungünstigsten Moment. Über Shikamarus und Inos Zelt konnte sie mithilfe eines Asts hinwegsetzen, der einen halben Meter entfernt über dem Boden aufragte. Hinata atmete tief durch. Sie musste da einfach durch. Um sechs Uhr morgens war Konoha noch nicht sonderlich belebt. Hinata beschloss, sich als Erstes um die Erweiterung ihrer Garderobe zu kümmern. So konnte sie sich mit dem Umgang ein wenig vertraut machen. Die Stammhalterin der Hyuga lächelte vergnügt. Das war alles unheimlich aufregend. Sie hatte noch nie so viele Freiheiten gehabt, geschweige denn überhaupt versucht, sie zu nutzen. Im Stillen dankte sie Kiba dafür, dass er sie überredet hatte, trotz ihrer gesicherten Zukunft gewisse Ersparnisse anzulegen – man wusste nie, wozu man sie brauchen konnte. Nun gaben sie Hinata ein zusätzliches Gefühl der Selbstständigkeit. Sie suchte sich eines der kleineren Bekleidungsgeschäfte heraus. In Konoha öffnete generell jedes Geschäft zu dieser Zeit, denn die Dienstzeit der Ninja begann in vollem Umfang am frühen Vormittag, und viele wollten vor Dienstbeginn ihre Einkäufe erledigen. Zögernd schob Hinata die Tür auf. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie war noch nie in einem solchen Geschäft gewesen... Es hatte nie die Notwendigkeit bestanden, sie mit diesen trivialen Dingen zu behelligen. In erster Linie war sie die Stammhalterin und hatte sich nicht selbst um ihre Garderobe zu kümmern. Sie zuckte zusammen, als ein heller Glockenton ihr Kommen meldete. Eine gelangweilt wirkende Verkäuferin mit faszinierend langen, rot lackierten Nägeln und einer nachlässig gemachten Dauerwelle im wasserstoffblonden Haar erschien aus einem Nebenraum. Misstrauisch musterte sie das Mädchen, das sich zögerlich zwischen den Kleiderauslagen bewegte. Hinata schluckte. Sie befand sich hier recht weit von den Ninjavierteln entfernt, das hieß, man kannte sie nicht. Zivilisten sahen die diversen Clans nur als eine einzige Armee Soldaten, die für ihre Sicherheit sorgten, und die meisten begegneten ihnen mit dem Misstrauen dieser Frau. Vorsichtig berührte sie die Kleider in den Auslagen. Warum hatte sie Ino nicht gefragt, wie man sich hier genau verhielt?! Fieberhaft rief sie sich in Erinnerung, was die Blonde zu ihr gesagt hatte. Zieh einfach ein hübsches Kleid an, wie du es gestern gemacht hast, und der Rest kommt von ganz allein!" Verlegen wandte sich Hinata an die Verkäuferin. "Entschuldigen Sie... äh... kann ich das anprobieren?" Hilflos hielt sie eins der Kleider in die Höhe. Die Frau hinter der gläsernen Theke hob eine Augenbraue. "Die Umkleiden sind links. Aber das ist nicht deine Größe." Sie sprach es aus, als sei das eine allgemein bekannte Tatsache, die nicht zu kennen völlig unmöglich war und schüchterte Hinata damit noch weiter ein. Woher sollte sie wissen, was ihr passte? "Könnten Sie..." Die Frau seufzte theatralisch und durchquerte den Laden auf ihren hohen Absätzen, die bei jedem Schritt metallisch klickten. Sie nahm Hinata das Kleid aus der Hand und legte es zurück. "Welche Größe hast du?" "Äh... Wie bitte?" "Deine Kleidergröße." Die Verkäuferin musterte Hinata stirnrunzelnd, als wäre sie nicht sicher, ob dieses Mädchen vom Mond kam oder einfach nur dumm war. Hinata überlegte. Ihre neugewonnene Selbstsicherheit war dahin. Was würden die anderen jetzt tun? Ino würde natürlich gar nicht erst in diese Situation kommen, und sollte es wider Erwarten der Fall sein, hätte sie sicher eine kesse Erwiderung auf Lager. Und Tenten... sie hätte das vorausgesehen und nicht um Hilfe gebeten. Wie auch immer, sie war Hinata und sie hatte keine Ahnung, wie sie hier herauskommen sollte! "Das geht Sie nichts an, wir finden es auch so." Hinata fuhr herum, und die Furchen auf der Stirn der blonden Verkäuferin vertieften sich. Wenn sie nicht alles täuschte, hatte es gerade ein kleines Mädchen gewagt, in diesem Tonfall mit ihr zu reden. Dieses Kind war gerade mal halb so groß wie sie und maßte sich an... Gleichzeitig strahlten ihre pupillenlosen Augen eine beängstigende Kraft aus, bei der es nicht ratsam erschien, ihr zu widersprechen. Wortlos kehrte sie hinter die Theke zurück und beäugte dieses seltsame Pärchen mit finsteren Blicken. Hinata war geschockt. "Hana-chan, was tust du hier?!" Ihre kleine Schwester zuckte beiläufig mit den Schultern. "Dasselbe wie du – ungehorsam sein." Hinatas gesamter 'Ausflug' hatte auf der Annahme beruht, dass die anderen lange genug schliefen, um ihr Verschwinden nicht zu bemerken. Sie hatte keinen Plan B für den Fall, dass jemand während ihrer Abwesenheit aufwachte. Naruto tat Besagtes. Es war so still, er hörte nicht mal Atemgeräusche. Schlief Hinata noch? Er könnte sie erschrecken und sich darauf rausreden, er hätte gedacht, sie sei tot. Wenigstens gab sie ihm keins dafür drauf, so wie Sakura. Allerdings... vielleicht würde sie vor Schreck schreien und dann würde Neji ihm mehr als eins draufgeben. Manchmal war Naruto froh, keine Verwandtschaft zu haben. Vorsichtig drehte er sich um. Irrte er sich, oder... war Hinata überhaupt nicht da? Ruckartig setzte er sich auf. Narutos Quirligkeit erlaubte es ihm, zu jeder noch so unchristlichen Zeit die Hemmungen normaler Menschen abzuschütteln und zu neuen Schandtaten bereit zu sein. Die Frage war nur, mit wem. Wie auch immer. Hinatas Seidenrobe lag ordentlich zusammengefaltet auf ihrer Decke. Naruto berührte sie flüchtig. Sie war kalt, dennoch sagte ihm seine Intuition, dass Hinata sie vor noch nicht allzu langer Zeit ausgezogen hatte. Der Duft war unverwechselbar... Moment. Was in drei Teufelsnamen tat er da? Wieso hielt er jetzt Hinatas Yukata in den Händen und versenkte seine Nase im Stoff? Er war doch kein Fetischist! Na gut, es war nicht so dramatisch, immerhin war es nicht ihre Unterwäsche, trotzdem fühlte Naruto sich instinktiv schuldig. Er, der schon mehr als einmal die badenden Frauen in den heißen Quellen beobachtet hatte, bekam Schuldgefühle, weil er an der Robe eines einfachen, unauffälligen Mädchens roch! Ino hatte ihm bestimmt diesen ganzen Quatsch mit Anstand eingeredet. Demnächst ging er noch in die Kirche. Naruto unterbrach seinen inneren Monolog für einen (für ihn) wichtigen Gedanken: Hinata war wach. Hinata hatte sich bereits angezogen, zumindest trug sie ihren Yukata nicht mehr. Hinata war nicht mehr im Zelt... War sie Baden gegangen? Es war natürlich durch und durch unanständig, sich dafür überhaupt zu interessieren. Hinata war manchmal gruselig – sie hing mit einer animalischen Nervensäge (klingt wie Naruto, ist aber Kiba) und einem verhüllten Insektenpsycho ab, ihr Cousin war die personifizierte Beulenpest, zwischendurch sammelten sich beträchtliche Blutmengen in ihrem Kopf, sodass sie laufend mit einem Feuermelder konkurrierte, sie trug komische Sachen und... wie sah sie wohl ohne die aus? Sie war viel zarter und filigraner gebaut als die meisten Mädchen, und ihre helle Haut... Er hielt immer noch ihren Yukata. Er war pervers. Wenn Hinata jetzt zurückkam, würde sie wissen, dass er pervers war. Sie würde Neji erzählen, dass er pervers war. Und Neji würde ihm jede Perversität einzeln austreiben. Wie schon erwähnt, waren Naruto Schuldgefühle dieser Art völlig fremd, und er konnte sich nicht erklären, warum Hinata... Sowieso, warum war im Bezug auf Hinata alles anders? Wäre es Sakuras oder Inos Kleidung, wäre die Reaktion klar. Es würde einen Riesenterz geben, und er hätte etwas, mit dem er sie aufziehen könnte. Doch Hinata mit irgendetwas aufzuziehen erschien ihm schlichtweg ungerecht. Verdammt, er hatte gerade Nejis Beweggründe nachempfunden. Also würde er sie nicht aufziehen. Trotzdem, wenn sie badete, könnte sie vielleicht versehentlich in eine tiefere Region gelangen, und sie konnte nicht schwimmen... Er würde den Teufel tun, ein Mädchen hinterherzuschicken, nur des Anstands wegen. Hinata konnte etwas passieren, das duldete keinen Aufschub! Na ja... Genug Zeit, um den vermaledeiten Yukata endlich wieder wegzulegen, hatte er wohl noch. Verblüfft betrachtete Hinata ihre Reflektion im Spiegel der Umkleidekabine. Sie hätte nie geglaubt, mal ein Kleidungsstück zu tragen, das nicht im Mindesten zweckorientiert und richtig modisch war... und dass es ihr stand. Sie hatte gedacht, ausschließlich Mädchen mit langem Haar und weiblichen oder charakterlichen Reizen könnten modische Kleidung tragen. Und wenn es darum ging, war sie das einzige reizlose Mädchen auf der Welt, fand sie. Vorsichtig drehte sie sich um sich selbst, hörte den weichen Stoff rascheln und nahm den schwachen Geruch nach Reinigungsmitteln wahr. Zum ersten Mal wagte sie es, sich optisch als ernste Konkurrenz für Sakura Haruno zu betrachten. "Bist du fertig?" Hastig begann Hinata, ihre Neuerweiterung aufzuknöpfen und zog sich wieder ihre alte Kleidung über. "J... ja, gleich!" Sie war immer noch völlig aufgekratzt. Wenn Ino sie so sehen könnte, würde sie nichts wiedererkennen! Hinata war so glücklich wie vielleicht noch nie. Nicht nur, dass sie sich endlich traute, was für jedes Mädchen in ihrem Alter selbstverständlich war, sie hatte auch jemandem, dem sie es erzählen und vorführen konnte! Sie hatte Freunde. Sie war normal. Nicht mehr das gruselige Mauerblümchen, das am helllichten Tag eine Bank überfallen könnte und keiner würde sie wahrnehmen. Fast ehrfürchtig hob sie ihre diversen Einkaufstüten auf und schob sich aus der Umkleide. Ihre sonst so reservierte kleine Schwester hier zu treffen hatte sie völlig unerwartet getroffen. Hanabi übertrat zwar manche Verbote, indem sie zum Beispiel Neji aus dem Nebenhaus nicht mit dem üblichen abwertenden Verhalten gegenübertrat, doch ansonsten hatte sie Hanabi für ein gehorsames Kind gehalten. Was genau sie hier tat, hatte Hanabi nicht verraten, und Hinata war, wie sie sich eingestehen musste, viel zu aufgeregt gewesen, um schwesterliche Autorität zu zeigen. Etwas, das ihr ohnehin nicht sehr lag. Hanabi trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. "Lass uns gehen. Baa-san wird bald nach mir sehen." Wie Hanabi es geschafft hatte, ihrer rigorosen Großmutter zu entwischen, war Hinata ebenfalls schleierhaft. Ihre Einkaufsliste beinhaltete nur noch ein paar Zutaten für Nudelsuppe und einen Blumenstrauß nach Wahl. Aufgrund des Zeitmangels beschlossen sie, dass Hanabi sich um die Zutaten kümmerte (Hinata wusste nicht, warum sie sich auch noch im Supermarkt besser auskannte als sie) und Hinata das Floristikgeschäft der Yamanakas aufsuchte. Hätte sie einfach den nächstbesten Blumenhändler genommen, wäre einiges anders gelaufen. Inoichi Yamanaka hob stirnrunzelnd den Kopf, als die kleine Glocke an der Tür klingelte. So früh hatte er noch nicht mit Kundschaft gerechnet. Hoffentlich war das keine der vielen Stammkundinnen, die sich hier ständig mit seiner Frau verquatschten. Denn selbige erledigte gerade die Einkäufe fürs Mittagessen, und er konnte und wollte sie als Gesprächspartnerin nicht ersetzen. Inoichi war momentan eh nicht gut auf sie zu sprechen. Sobald er die Rede auf Ino lenkte, wechselte sie das Thema, und aus ihren Einkäufen machte sie ein großes Geheimnis. Und sie weigerte sich partout, ihm wenigstens zu sagen, wo seine Tochter überhaupt war! Im Gegensatz zu ihr war er der Meinung, dass sein kleiner Liebling noch die elterliche Hilfe brauchte, um sich in der Welt zurechtzufinden. Wie kam sie dazu, ihm vorzuenthalten, wo seine Ino-chan war?! "Verzeihung?" Inoichi riss sich aus seinen Grübeleien und kehrte hinter die Theke zurück. Der Anblick des zierlichen, nervösen Mädchens, das händeringend im Türrahmen stand, weckte sofort seine Zuneigung. Obwohl seine Frau das nicht einsehen wollte, Ino war genauso hilflos und unsicher wie dieses Mädchen. Jetzt, wo er ihr Gesicht eingehender betrachtete, kam es ihm bekannt vor. War sie Inos Freundin? Wunderbar! Das Musterbild eines Mädchens – kein Make-up, keiner von diesen tiefen Ausschnitten und kurzen Röcken, die er Ino so oft auszureden versucht hatte, und viel höflicher als die meisten. "Bitte, Hinata-chan...?" Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als sich angenehme Überraschung in ihren Augen andeutete. Natürlich erzählte ihm Ino-chan nichts, er hatte den Namen lediglich auf einer dieser ominösen Einladungen gelesen und erinnerte sich an das charakteristische Merkmal der Hyugas. Soso, sie war also auch auf dieser hochgeheimen Veranstaltung? "Ich, äh... suche einen Blumenstrauß." Inoichi lächelte sie freundlich an, und sie erwiderte es zögerlich und trat aus dem Türrahmen. Inoichi deutete auf einen kleinen Tisch. "Stell deine Tüten doch ab. So, und für welchen Anlass?" Sie errötete heftig und starrte zu Boden, während ihre Finger sich emsig damit beschäftigten, die Tüten abzustellen. "Ich... N... nichts Besonderes, b... bloß... Könnte ich mir die... Blumen vielleicht aussuchen?" Beschämt trat sie von einem Fuß auf den anderen. Inoichi machte eine weit ausholende, einladende Geste auf die Schnittblumen, und Hinata nickte dankbar. Inoichi war durch und durch angetan. Sie war wirklich wie seine kleine Ino-chan, als sie noch klein war... Und bevor sie Gefallen an diesem grässlichen Uchiha-Jungen gefunden hatte. Er hatte die Mädchen, die ihm nachliefen, schon vor dem grausamen Massaker nicht gerade sanft behandelt, und obwohl Inoichi den Jungen bemitleidete, hatte er kein Verständnis für die Art, wie er mit seinen Verehrerinnen umging. Gott allein wusste, wie oft Ino sich nach der Schule weinend aufs Bett geworfen hatte und er oder seine Frau den ganzen Nachmittag damit zugebracht hatten, sie zu trösten. Wegen einem Jungen alles hinzuwerfen... Allein das bekräftigte Inoichis Überzeugung, dass Ino väterlichen Beistand brauchte. Zögernd suchte Hinata sich Blumen zusammen. Mit Ikebana schien sie Erfahrung zu haben, denn die Farb- und Blütenkompositionen hatten unübersehbar System. Oh, er musste sie irgendwann mal fragen, ob sie im Laden aushelfen wollte. Das Ikebana der Hyuga hatte ein ganz neues Muster, und er war sicher, dass Hinata das richtige Gefühl dafür hatte. Zögerlich, dennoch sehr bestimmt, wählte Hinata sich ihre Blütenkomposition aus. Inoichi beobachtete sie aufmerksam. In der Sprache der Blumen schrieb sie da an jemanden, dessen Zuneigung sie gewinnen wollte, zunächst rein platonisch. Ino war über die jungfräulichen Farben schon längst hinaus, auch wenn ihr Vater streng darauf achtete, ob sie die Gestecke irgendjemandem schenkte. "Ach, Hinata-chan?" Das Mädchen zuckte zusammen und drehte sich um. "Hast du Ino-chan gesehen?" Es war etwas dämlich, dass er als ihr Vater eine Wildfremde danach fragen musste, aber Hinata zog lediglich erstaunt die Augenbrauen hoch. "Ja... Natürlich. Warum?" Im gleichen Moment schien sie zu bereuen, so unsittsam nachgefragt zu haben, was Frauen im Hyuga-Clan eigentlich nie zu tun hatten, wenn sie mit Männern sprachen, und Inoichi hielt es für das Beste, Nichtbemerken vorzutäuschen. "Sie hat nichts erzählt, und ich... mache mir etwas Sorgen." Etwas? Er konnte kaum schlafen, wenn er nur daran dachte, was Ino alles zustoßen konnte! Erfahrungen hatten gezeigt, dass es fatal war, sie allein zu lassen... "Ich... ich denke, das müssen Sie nicht. Ino-chan geht es gut..." Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, und ihre Schultern strafften sich ein wenig. Offenbar war sie es nicht gewohnt, allein mit Fremden zu sprechen. Inoichi warf ihr einen argwöhnischen, dennoch besänftigten Blick zu. "... und Shikamaru-kun ist sicher sehr anständig." "Shikamaru Nara?", fragte Inoichi scharf. Es war eine dumme Frage, die Naras hatten nur einen Sohn, und auch nur diesen Sohn würde Ino irgendwohin einladen. Ino-chan war mit diesem Jungen irgendwo da draußen, ausgerechnet in den brach liegenden Feldern und einer ganzen Menge Wasser... Innerhalb eines Sekundenbruchteils war Inoichi über die Theke gesprungen und rannte in der Tür fast Mrs. Yamanaka um, die mit den Einkäufen zurückkam. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus, und ihre Einkaufstaschen verhinderten glücklicherweise eine Kunoichi-Reaktion. "Inoichi, wo willst du hin?!", schrie sie ihm nach. Statt einer Antwort verschwand er mit einem Satz. Seine Frau seufzte und wandte sich an die gänzlich perplexe Hinata. "Wie auch immer. Kann ich dir helfen, junges Fräulein?" "Urusai... Ino, hör' endlich auf damit!" Shikamaru hüstelte und fächelte sich mit der flachen Hand Luft zu, wohl wissend, dass es nutzlos war. Ino hatte das ganze Zelt mit irgendeinem unsäglichen Parfüm eingenebelt. Wenn es brennbar war und die allerkleinste Kerze hier entzündet würde, stünde die Luft in Flammen. "Es ist stickig hier, ich halt's nicht mehr aus! Wie kannst du nur so schlafen?!" Gute Frage. Sie forderte seine Fähigkeiten, trotz aller Widrigkeiten zu schlafen, wirklich sehr. Selbst in diesem kleinen Zelt schaffte sie es, ein tadelloses Aussehen zu wahren – ihre wenig flächendeckende Kleidung war nicht zerknittert und sauber, ihre helle Haut hatte keine Schramme und ihr honigblondes Haar war makellos gebürstet und frisiert. Shikamaru gähnte und drückte sich sein Kissen als Atemschutz vors Gesicht. Eben! Wie konnte seine Mutter versuchen, ihm ein Mädchen aufzuzwingen, das rund um die Uhr perfekt sein musste?! Er kannte Ino, er wusste, dass es für sie absolut notwendig war. Er dagegen... Was sollte er mit einer, die ihre Fehler krampfhaft vertuschte?! "Uuuh, meine Augen sind noch ganz verquollen! Das sieht ja scheußlich aus!" Ino zückte ihren Taschenspiegel und fing an, ihre Augen zu schminken. Shikamaru sah beim besten Willen keine roten Ränder. Und sowieso, was war daran schlimm? Sie war gestern mit den Nerven am Ende gewesen, deswegen zu weinen war für ein Mädchen keine Schande. "Heute wird's kühler, und es ist noch ganz bedeckt... Was soll ich bloß machen?! Die anderen werden sich sicher langweilen, aber ich kann nichts für das Wetter nach einem Gewitter. Morgen wird es besser, oder? Ja, bestimmt. Und solange... Wir tun was Sinnvolles, also schlaf' nicht den ganzen Tag. Wirklich, wie kann man so viel schlafen? Tss... Oh, hast du gestern gemerkt, dass Tenten zu Neji gegangen ist? Sie vertragen sich bald, hoffe ich. Es wäre so schade, wenn nicht, sie sind füreinander geschaffen, das ist offensichtlich..." "Ino..." Wie konnte sie schon am frühen Morgen so viel reden?! Ihr Geplauder zerrte an seinen Nerven. Die ganze Zeit schon herrschte diese komische Stimmung. Ino war komisch. Sie verhielt sich komisch, was außer ihm keiner merkte, weil die anderen nicht gezwungen gewesen waren, sie näher kennen zu lernen. In Konoha gab es Dutzende von Kerlen, die Ino Yamanaka gerne näher kennen lernen würden, und von allen musste er es sein. Es war so... "Urusai, ich weiß. Aber mir ist so langweilig. Der Himmel ist grau, und es ist kalt. Ich will die anderen nicht wecken." Sie legte sich wieder hin, zog die Knie vor die Brust und drehte ihm das Gesicht zu. "Bist du wach, Shikamaru? Hey! Ach, du tust bloß so, als würdest du schlafen. Magst du das Parfüm? Sei ehrlich. Ich hab' noch andere. Soll ich sie dir zeigen? Ach, du nörgelst ja doch wieder dran rum, und meine Mutter hat sich solche Mühe gegeben. Ah! Deine Mutter, wie geht es ihr?" Shikamaru grummelte etwas Unverständliches und drehte ihr den Rücken zu. Nicht noch mehr Parfüm, und nichts über seine Mutter. Er wollte einfach schlafen. Gedämpft hörte er, wie sie seinen Namen rief. Irgendetwas kitzelte seine Nase, kurz darauf spürte er eine Erschütterung, und Stoff raschelte. Mild interessiert öffnete er ein Auge... und begegnete Inos wohlbekanntem beleidigten Blick. Sie hatte die Unterlippe vorgeschoben und zog eine niedliche Schnute. Ihre Arme hatte sie verschränkt – und sich in den kleinen Freiraum zwischen ihm und der Zeltwand gequetscht. Sie war so nah, dass er ihr Shampoo riechen konnte, ihre Hautcreme, sogar den Hauch des Make-ups, bildete er sich ein. Wenn sie mal auf diesen ganzen Kram verzichten würde... Egal. "Sei nicht gleich eingeschnappt. Einer Dame dreht man nicht den Rücken zu, wenn sie mit einem redet, schon mal gehört?" Ach? Ino redete immer, sogar im Schlaf und wenn sie den Mund voll hatte. Es gab praktisch nichts, was sie am Reden hindern konnte. Sollte er demnächst rückwärts laufen, um ihr stets seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil werden lassen zu können? Soweit irgendetwas Shikamarus ungeteilte Aufmerksamkeit erringen konnte. Seine Mutter verzweifelte daran seit dem Tag seiner Geburt (ein gelangweiltes Baby ist schon ziemlich deprimierend). Shikamaru rückte dezent zurück. Ino konnte gar nicht so arglos sein. Sie hatte Jungen aufgezogen, noch bevor sie richtig laufen konnte. Sie musste wissen, dass es jedem normalen männlichen Wesen in seinem Alter unangenehm war, wenn ein Mädchen mit ihrem Kleidungsstil in einem Ein-Personen-Zelt herumwuselte, über ihn kletterte und sich vor ihn quetschte, um ihm in die Augen zu sehen. Wofür hielt sie ihn denn?! Nur, weil sie sich zwangsweise von klein auf kannten und er nie die geringste pubertäre Reaktion auf sie gezeigt hatte, hieß das nicht, dass er seiner Männlichkeit enthoben war! Und abgesehen davon, dass sie nicht zueinander passten, hatte Shikamaru es seit seinem siebten Lebensjahr als selbstverständlich betrachtet, dass zwischen ihnen nie mehr als eine Freundschaft oder Kameradschaft laufen würde. Ein einfaches Erlebnis. Choji und er waren irgendwo im Wald herumgestromert, um Mrs. Nara zu entkommen. Den sanftmütigen Choji erschreckte die rohe, brüske Frau, die keine Hemmungen hatte, ihren Sohn am Genick zu packen und am Knöchel nach Hause zu schleifen, um ihn zum Training zu zwingen. Im Nachhinein war die Logik darin verständlich, denn ein geübter, kräftiger Junge hatte größere Überlebenschancen als Shinobi, und Shikamarus Mutter machte sich sehr wohl Sorgen um ihn. Solange sie nicht zur Akademie mussten und ihre Väter sie nicht zu irgendwelchen Treffen mit diesem grässlichen Yamanaka-Mädchen zwangen, war das Leben schön. In den Augen der (diesbezüglich ein wenig unaufgeklärten) beiden war es völlig unverständlich, warum Inoichi keinen Sohn, sondern eine Tochter hatte. Sicher, sie hatte auch ihre guten Seiten, wie zum Beispiel dieses seltsame Mädchen ohne Clanabstammung gegen die anderen zu verteidigen, aber sonst war sie ein unausstehliches Biest. Besagtes 'unausstehliches Biest' hatte währenddessen ganz andere Probleme als Choji und Shikamaru. Das Problem betraf eher das 'seltsame Mädchen'. Verdammte Sakura! Ino verfluchte die Ehrlichkeit, die sie bisher so an ihrer Freundin geschätzt hatte. Mit ein wenig mehr Zeit, mit ein wenig mehr Mühe hätte sie es vielleicht geschafft, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und hätte Sakura womöglich den Vortritt lassen können. Stattdessen sagte Sakura sich einfach von ihr los, sobald sie Ino nicht mehr brauchte, um von den anderen beachtet zu werden (chronologische Reihenfolge ist leicht verschoben)! Wer hatte dafür gesorgt, dass die anderen sie nicht mehr auslachten? Wer hatte sie Sasuke vorgestellt? Undankbares Miststück! Ino überspielte ihren Kummer mit Empörung. Eigentlich hätte sie Sakura das leicht verziehen. Sie hatte sich als treue und liebenswerte Freundin erwiesen, und nur wegen Sasuke, der sich für jedes Mädchen nicht mehr interessierte als für eine Parkbank... Inos Trotz und ihr verletzter Stolz trieben sie dazu, Sakuras Feindschaft zu erwidern. Wie auch immer, sie saß am längeren Hebel. Es gab Mittel und Wege, sich Liebesglück zu sichern, und Ino glaubte fest daran. Ihre Mutter erzählte ihr Geschichten davon, wenn sie Zeit hatte. Daher wusste sie, dass es tatsächlich eine 'Liebesblume' gab. Sie wirkte, wenn man sie an einem sonnigen Tag ohne Frost abbrach und sie genau dreizehn Stunden später auf dem Fensterbrett der Zielperson ablegte. Ino hatte alles genau geplant – was ihr noch fehlte, war die Blume. Ihre Mutter, die das Ganze nicht ernst nahm, beschrieb sie jedes Mal anders. Dennoch war Ino ganz sicher, die Richtige zu kennen. Alles, was sie tun musste, war auf den steinernen Hügel am See zu klettern. Ein wenig riskant, zugegeben. Der Hügel war aus großen und kleinen Felsbrocken und dazu geschaffen, das durchfließende Wasser zu reinigen, bevor es in den See gelangte. Der Strom war stark, doch Sasukes Liebe war das Risiko allemal wert. Ino war tatsächlich auf den Hügel geklettert und hatte gesucht. Hände und Füße hatte sie sich am rauen Stein aufgeschürft, und ihre kurze Hose war nass, seit die Strömung sie mindestens dreimal umgeworfen hatte. Der glitschige Untergrund bot kaum Halt. Aber sie war nicht mehr weit entfernt... Sekunden später zerriss ein spitzer Schrei die Stille im Wald. Shikamaru war fast das Herz stehen geblieben. Das war der Schrei eines Mädchens, das sich ernsthaft in Schwierigkeiten gebracht hatte. Und Ino, diese... Vielleicht konnte sie nicht schwimmen, vielleicht wollte sie einfach dieses Etwas in ihren Händen um keinen Preis loslassen. Choji rannte los, um Hilfe zu holen. Er war kein guter Schwimmer und Shikamaru ebenfalls nicht, trotzdem hielt Shikamaru die Untätigkeit nicht aus. Noch bevor Choji außer Sichtweite war, sprang er allen Ernstes hinterher. Im Frühling! Das Wasser war eiskalt, und er hatte keine Ahnung, wie man jemanden rettete. Zusätzlich drückte ihn der Wasserfluss nach unten. Er konnte es schlicht und simpel nicht. Alles schien nicht zu klappen – seine Muskeln waren vor Kälte gelähmt, er hatte nicht genug Luft, Inos Körper war viel zu schwer, und der gleißende Sonnenpunkt über ihnen entfernte sich immer weiter. Shikamaru hatte damals geglaubt, sterben zu müssen. Der Kälteschock machte jede Bewegung unmöglich, und seine Lungen drohten zu bersten. Paradoxerweise erinnerte er sich genau an den blaugrünen Farbton des Wassers und die Blume in Inos Händen. Mit ihrer bleichen Haut, den geschlossenen Augen und dieser Blume, die sie sich vor die Brust presste, wirkte sie wie die Wasserleiche aus so vielen Schauergeschichten. Es kam nicht so weit. Ein unmenschlich harter Griff zerrte sie aus dem Wasser. Shikamaru landete im Gras, Chojis in Tränen aufgelöstes Gesicht und die strengen Züge seiner Mutter tauchten über ihm auf. Er hatte nie erfahren, wie sie so schnell hergekommen war. Sie schloss ihn in die Arme, nur um kurz darauf rücksichtslos seine ungeschützte Haut mit ihrer Schürze abzureiben, sodass sie brannte. Ino hatte Glück gehabt, dass ihr Vater sich auf einem Feld unweit vom See befunden hatte. Mit einer Vorsicht, als würde er eine Porzellanpuppe behandeln, drückte er seiner Tochter das Wasser aus den Lungen, bis sie die Augen aufschlug. Shikamaru machte sich keine Illusionen. Hätte Choji nicht Inoichi geholt, wären Ino und er ertrunken. Schlechtes Karma hin oder her, Ino und er würden nie mehr sein als bestenfalls gute Freunde. Neji wachte auf, als irgendjemand im halsbrecherischen Tempo über die Weise jagte. In dem Tempo und der Lautstärke konnte das nur Naruto sein. Shikamaru und Hinata hatten mehr Eleganz, Ino würde den Teufel tun, zu dieser unchristlichen Zeit schon herumzupesen, und Tenten... Hinter ihm regte sich etwas. Mit einem Satz war Neji in der Hocke und mit dem Rücken gegen die Zeltwand. Wie zur Hölle kam Tenten hierher?! Der Nylonstoff des Zelts scheuerte unangenehm an seinem Rücken und erinnerte ihn an Tentens Gefallen. Sein Sonnenbrand fühlte sich wesentlich besser an, und mit etwas Glück hatten sich seine Chancen auf Hautkrebs wieder verringert. So was passierte ihm nie wieder. Sein Magen sagte ihm, dass sie das Abendessen ausfallen lassen hatten. Zum Glück, dass er ihr zugesagt hatte, war ein mieser Versprecher gewesen. Allerdings fiel ihm etwas Anderes, Alarmierendes auf – er, der mehr als jeder andere hier mit unerschütterlicher Contenance gesegnet war, war eingepennt wie ein Dreijähriger. Okay, es war ein anstrengender Tag gewesen, und eine Massage hatte eine einschläfernde Wirkung... Aber er, Neji Hyuga, das einzige ernstzunehmende Mitglied dieser Expedition, hatte nicht in Gegenwart eines anderen einzuschlafen, und schon gar nicht bei Tenten, die ihn ständig damit aufziehen würde. Besagte hatte sich auf den Bauch gelegt, das Gesicht zu ihm gewandt und den Kopf auf die Arme gebettet. Eine völlig uncharakteristische Idee kam ihm. Er war zuerst wach geworden... Er konnte das Ganze noch zu seinen Gunsten drehen und wenden. Hastig zog er sich ein T-Shirt über, eigentlich eins seiner Missionsgegenstände, und verzog das Gesicht, als es seinen Rücken berührte. Unter normalen Umständen hätte ihn nichts und niemand in ein derart primitives Kleidungsstück bekommen, doch aus eigenen Erfahrungen wusste er, dass viele Mädchen (und insbesondere Tenten) ihn mit offenen Haaren und schwarzem T-Shirt sexy fanden. Er hatte gerade in Gedanken eins dieser primitiven Worte benutzt. Gott sei Dank hatte es keiner gemerkt. Und das Schlimmste: Es machte ihm Spaß. Er hätte grinsen können. Ein hinterhältiges, fieses Grinsen natürlich. Er ging in Meditationspose, verkniff sich das oben genannte Grinsen, schüttelte ein wenig den Kopf, damit seine Haare sich richtig verteilten, und berührte vorsichtig Tentens Rücken. Kaiten war in vielerlei Hinsicht nützlich – er konnte die Chakramenge, die er aus seinen Tenketsu schoss, genau dosieren. Für Tenten würde sich das lediglich anfühlen wie ein kleiner Stromstoß, der sie aus ihren rosaroten Träumen holte... um sie in den nächsten überzuwechseln. Himmel, er hatte einen ganzen primitiven Satz gedacht. Das war regelrecht ein Virus. Grollend rollte sich das Mädchen von ihm weg. Ihre Lider zuckten, und ihre Augen bewegten sich dahinter. Neji hätte etwas darum gegeben, ihren Traum zu erfahren. Nicht viel, selbstverständlich. Was in Tentens Kopf vorging... Die dachte doch an nichts als Waffen und Prügeln. Offenbar war die Chakradosis zu gering gewesen, denn Tenten schlief weiter, wenn auch sehr unruhig. Sie begann, sich ständig herumzuwälzen. War das ein Nebeneffekt? Wohl kaum. Musste ja ein wirklich unangenehmer Traum sein. Wie auch immer, so konnte er nicht zielen. Es war besser, das Chakra direkt an einem Nervenknotenpunkt einzusetzen, und wenn sie permanent in Bewegung war, konnten sich Muskeln vor die Nervenpunkte schieben. Tenten würde das taube Gefühl beim Aufwachen bemerken und... Nicht auszudenken! Nicht auszudenken war ebenfalls, dass er sie nicht geweckt bekam. Wenn sie das bei ihm beabsichtigte, packte sie ihn an der Schulter und rüttelte ihn. Trotz aller Zickigkeit, die sie in der letzten Zeit bewiesen hatte, hielt sie ihm nicht die Nase zu oder kniff ihn in die Wange, wie sie es bei Lee tat. Neji neigte im Halbschlaf zu tätlichen Angriffen, und Tenten hatte ihn mehr als einmal verdächtigt, dass dies volle Absicht und kein Reflex war. Er erinnerte sich an die graue Vorzeit als Ge-nin. Eigentlich war sie so lange nicht her, aber im Vergleich zu Tentens Verhalten damals und heute... Damals hatte es mal einen Zwischenfall gegeben. Er hatte friedlich geschlafen (natürlich träumte er dabei nicht von Blumenwiesen und Plüschhäschen, das war absolut unter seiner Würde und hatte sich aus seinen Träumen fernzuhalten), und dieses Mädchen... Sie hatte es allen Ernstes gewagt, sich über ihn zu beugen – was schon ein sträfliches Vergehen war, immerhin war es unerwünschte körperliche Nähe – und... Seine Empörung war sosehr gewachsen, dass er stocksteif gelegen hatte: Sie hatte ihn auf die Stirn geküsst. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich mehr darüber aufgeregt, dass dort das schmähliche Zeichen seiner 'Wertlosigkeit' eintätowiert war. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Pubertät bei Jungen später einsetzte als bei Mädchen und Tenten ihm (das erste Mal in ihrem Leben, fand er) in etwas vorausgewesen war. Heute, als er, wie er feststellen musste, auch mit diesem nervtötenden Virus der Pubertät infiziert war, interessierte ihn der Kuss mehr als die Geste, die er hineininterpretiert hatte. Das hieß, er interessierte ihn nicht wirklich, es ging nur darum, Tenten ihr blamables Verhalten heimzuzahlen. Dafür konnte er sie entweder mit Kaiten in Grund und Boden stampfen. Das war nicht nachhaltig. Oder er konnte das gebrauchen, was Ino weiblichen Charme nannte, ergo bei ihm männlicher Charme heißen musste. Er hatte Ino Yamanaka nie seine wertvolle Aufmerksamkeit geschenkt, jedoch war ihm als gutem Beobachter aufgefallen, dass sie mit dem besagten Charme ihre maskuline Umwelt recht genau dirigieren konnte. Dieses eine Mal - die Teamharmonie stand auf dem Spiel – konnte er demnach mal tun, was Tenten sich erträumte. Zumindest war es für ihn völlig klar, dass sie von ihm träumte. Lautlos ging er in die Hocke. Tenten drehte sich auf den Rücken und kniff die Augen zusammen. Ihre Arme zuckten. Hoffentlich schlug sie nicht im Schlaf. Aber er wäre nicht Neji, wenn ihn ein frustriertes, schlafwandlerisches Mannweib K.O. kloppen würde. Langsam beugte er sich vor. Für ein Mannweib war sie gut proportioniert. Nicht so zierlich wie Hinata und nicht so bikinimäßig wie Ino (Er stellte fest, dass er schon wieder eines dieser primitiven Worte benutzt hatte), dennoch nicht ohne Reiz. Ihre hellkaramellfarbene Haut trug noch Spuren von ihrem Training. Ihr Pony hatte sich, da er gestern noch feucht gewesen war, in allen möglichen Formen verteilt. Tenten drückte die Lippen aufeinander. Auf ihrer Stirn deutete sich eine steile Widerwillensfalte an. Zögerlich entspannte sie sich, hörte allerdings nicht auf, ihre Schultern zu bewegen. Neji seufzte und hielt sie an den Oberarmen fest. Er war nicht scharf darauf, dass sie ihm gleich in ihrem seltsamen Traum ihren harten Schädel gegen den Kiefer donnerte. Weiter ging's. Wenn Tenten wieder etwas hatte, bei dem sie sich fragen konnte, ob es Zufall oder sein Verdienst war, würde sie ihre Selbstsicherheit verlieren. Und diesmal würde er es anders anpacken als bei dieser Entschuldigung. Allmählich senkte er den Kopf. Gott sei Dank hatte Tenten ihr Stirnband in ihrem Zelt gelassen. Es waren nur noch wenige Millimeter, und sicher, es war nur ein unpersönlicher Kuss... Er würde nicht seinen ersten Kuss an diese Amazone verlieren, das wäre Verschwendung! Er war so nah, dass er ihren Atem hören konnte. Sie roch wie immer ein wenig nach Wildnis, Waffenpolitur und altem Bambus. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Wildfang. Völlig ausgeschlossen, sie mal zu küssen, als wäre er in sie- "ICH SAGTE GEH WEG!" Tenten setzte sich mit einem Ruck auf. Neji hatte zum Glück die Geistesgegenwart, zurückzuspringen und sich mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck in die Hocke zu begeben. Tenten keuchte wie nach großer Anstrengung und fächelte sich Luft zu. "Kami-sama... Nur ein Traum." Sie beäugte Neji mit einem misstrauischen Blick, den er sich nicht erklären konnte. Hatte sie bemerkt, was er vorgehabt hatte? "Neji, woran denkst du gerade?" Schlechte Frage. Oder auch nicht, denn Neji besann sich wieder auf seine Rolle. "Rate mal." Er beglückwünschte sich zu seiner Tonlage. Das klang nicht nach billigem Playboy und nicht nach Möchtegern-Gigolo. "An Sex?" Was bitte hatte dieses Weib geträumt?! Neji erwiderte ihren Blick mit jungfräulicher Entrüstung, die ihm im Nachhinein ziemlich peinlich war. Wie alt war er, dass dieses Wort ihn entsetzte?! Oder... Hatte ihn am Ende gar nicht das Wort entsetzt, sondern... Tenten entspannte sich schlagartig und ließ sich nach hinten sinken. "Wenn du so guckst, tust du's nicht. Ino hat gestern behauptet, dass Männer alle 2,5 Sekunden an Sex denken (was anbei wissenschaftlich bewiesen ist), und jetzt hatte ich diesen Alptraum..." Offensichtlich erleichterte es sie sosehr, wieder wach zu sein, dass sie es sogar ihm erzählte. Neji fühlte sich gekränkt. Träumte Tenten von weibstollen Männern?! Und er hätte sie fast auf die Stirn geküsst... Tenten sah sich um und registrierte, dass sie sich nicht in ihrem Zelt befand und die Nacht ebenfalls nicht dort verbracht hatte. Schlecht. Schnell, ein Ablenkungsthema, bevor Neji darauf zu sprechen kam. "Wie geht's deinem Rücken?" Anstatt einer charakteristischen, einsilbigen Antwort packte Neji sein T-Shirt mit beiden Händen am Saum und zog es sich über den Kopf. Tenten starrte ihn sprachlos an. Was war in Neji gefahren?! In ihrem Traum hatte er auf dieselbe Weise losgelegt. "Was ist?" Scheinbar desinteressiert erwiderte Neji nunmehr gewohnt cool ihren Blick. Der Farbton seiner Haut hatte sich etwas gebessert. Es hatte wohl schlimmer ausgesehen, als es war. Es waren keine Entzündungen oder verkrustete Stellen vorhanden. Die beschädigte Haut begann bereits, sich abzulösen. Völlig dämlich kam Tenten der Gedanke, dass Neji Schwierigkeiten haben würde, das selbst zu tun. Machte sie sich etwa Hoffnungen, er würde sie darum bitten...? "Nichts, es sieht... gut aus." Klasse. Kaum zog Neji in ihrer Gegenwart eine billige Nummer ab, um sie aufzuziehen, verfiel sie auf ihre alten Gewohnheiten. Das durfte nicht passieren! "Dann... gehe ich, okay?" Mit einem Ruck zog sie den Reißverschluss zur Flucht aus dieser peinlichen Situation auf. Ihr war kalt. Wie war das alles nur gekommen? Sie traute Ino nicht zu, Schlafgas versprüht zu haben, sodass sie sogar vergaßen, das Zelt richtig zu verschließen. Wie also... "Tenten." Sie zuckte zusammen und sah nervös über die Schulter. Sie brauchte definitiv fünf Minuten allein, um sich zu beruhigen und ihr übliches Verhalten an den Tag zu legen. Momentan erwischte Neji sie auf dem denkbar falschesten Fuß. "Ja... was?" Neji streckte den Arm aus und hob die Aloecreme auf. "Du hast das vergessen." Anstatt es ihr zuzuwerfen, hielt er seine Hand in der Luft und wartete. Wortlos riss Tenten ihm die Tube aus der Hand und schlüpfte aus dem Zelt. Neji lauschte ihren hastigen Schritten durch das nasse Gras und gestattete sich das hinterhältige, fiese Grinsen, das er vorhin unterdrückt hatte. Dank Pfingsten wurde dieses Update doch noch vor den Ferien vollbracht. Es folgt die übliche Tirade: keine ENS-Benachrichtigung, nein, ich mag den Kapiteltitel auch nicht, aber ich hatte vor Klischees gewarnt, Kritik ist trotzdem mehr als willkommen, der Flashback war zu lang und hat mich auch verwirrt, Neji hat übrigens keine Hormonschwankungen. Und nein, Hinata hat keine SM-Accessoires gekauft. Manchmal drücke ich mich ungeschickt aus. Anregungen willkommen, weil ich den Fortlauf bremsen muss. Es wird zwar in absehbarer Zeit niemand mit einem anderen in der Kiste landen, aber mir fehlt momentan die Motivation, und wenn es schon keine Kritik gibt, dann wenigstens ein paar Vorschläge. Vielen Dank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)