Learn To Fly von abgemeldet (DeiIta) ================================================================================ Kapitel 4: Learn To Fly ----------------------- Itachi trat zurück und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. "Bah... Du schmeckst wie ein Aschenbecher." "Tja, dann hättest du mich besser nicht geküsst, hm?" "Eher andersrum." Itachi setzte sich wieder hin, als sei nichts gewesen, und zeichnete die Pupille ein. Deidara schnaubte. So eine nebulöse Antwort passte zu Itachi, und er würde seine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass der andere etwas Besonderes damit gemeint hatte. Es erfüllte seinen Zweck – keine Gespräche, kein lästiges Geplänkel über sexuelle Orientierung und Gefühlsduselei. Derartige Sensibilitäten würden immer verhindern, dass man seine Augen komplett vom Leben auf die Kunst abwandte. Etwas, das Michelangelo begriffen hatte. Deidara drehte sich um und spuckte in den Papierkorb. Er meinte, Itachis ärgerliches Funkeln zwischen seinen Schulterblättern gespürt zu haben, ungefähr so, wie wenn man seine Handfläche über eine Kerze hält und gerade in dem Moment zurückzieht, von dem an man sich Schaden zufügen würde, aber nur einen kurzen, rasch abebbenden Schmerz behält. Itachi ließ die Leinwand unvermittelt auf den Tisch sinken, als ob ihm völlig entfallen wäre, was er zeichnen sollte. "Ist nicht vergeben können dasselbe wie Hassen?" Deidara hatte nichts für Akustik übrig, wirklich nicht. Genauso wenig wie für Kinder. Es war skurril, wie kindlich ernst und arglos Itachi klang, wie er die Stimme anhob, während man sonst stets überlegen musste, ob er eine Frage gestellt hatte. Seine erste Reaktion war ein Grinsen, doch sein Kopf war schneller als sein Gesicht. Nein, war es nicht. Irgendwie nicht. Irgendwo da gab es Unterschiede, ganz sicher. Und trotzdem bekam er sie nicht zu fassen. Er klappte den Mund auf und zu, begegnete schweigend Itachis offenem Blick, ähnlich dem einzigen Fenster in einen dunklen, staubigen Raum. Es gab eine Formulierung, die an dieser Frage wichtig war. Itachi hatte nicht 'nicht verzeihen können' gesagt. Verzeihen war alltäglich, trivial. Vergeben war etwas Anderes. Vergeben war etwas... auf einer anderen Ebene. Für Vergebung warf man sich auf den Boden, brach mit allen Grundsätzen, handelte aus dem tiefsten Wunsch, Vergebung zu erlangen (ich selbst kann das auch nicht ausdrücken. Dafür gibt es eine Kurzgeschichte namens 'Forgive me' über den Krieg, deren Inhalt ich nur wiedergeben würde, wenn ich hier näher darauf einginge. Wer sich dafür interessiert – es gibt sie sicher im Internet). "Seh' ich aus, als würde ich das wissen, hm?" Itachi hielt seiner Aufgebrachtheit stand. Durch seine Augen huschte ein angedeutetes Lächeln. "Du kannst weder küssen noch denken. Hoffen wir, dass du wenigstens zeichnen kannst." Deidara mochte keine ironischen Scherze auf seine Kosten. Dennoch, wenigstens hatte Itachi gezeigt, dass er einen verrosteten Sinn für Humor besaß. "Und du kannst keine Witze reißen, hm." Itachi beugte sich wieder über die Leinwand, nicht sichtlich gekränkt, als wäre ihm soeben eine unverrückbare Tatsache mitgeteilt worden. Stille breitete sich aus wie dicke, sanfte Watte. Ein neuer Tag und gleich wieder etwas, das er über den Haufen geworfen hatte. Er war halbwegs pünktlich, und er wusste, dass er sah. Es war ohne Zweifel nicht schlecht, die eigenen Gedanken wie Geister herumschweifen zu lassen, Dinge zu sehen, die nicht da waren oder ganz anders beschaffen. Ein Fahrradständer zum Beispiel war so langweilig, dass seine Augen automatisch begannen, sich mehr dafür zu interessieren, wie die Konstruktion unter Hitze gebogen worden war, ganz in Hellorange und Weiß, um dann unzeremoniös auf den Stein genagelt zu werden. Doch wenn er blinzelte und seine ruhelosen Gedanken zum Schweigen brachte, konnte er sehen. Wie das Eisen beschichtet war, damit es nicht rostete, es schien so, als seien es hauchdünne Metallplättchen, die übereinander an der Oberfläche hafteten. Sie glitzerten vor Raureif, das Gras war daran festgefroren. Dunkler Rost begann bereits, sich hindurchzuwühlen. Das alles war banal, dennoch war es da. Fantasie war etwas Hübsches, nur sollte sie nicht überbenutzt werden. Deidara schüttelte den Kopf. Er starrte einen Fahrradständer an und wartete darauf, am Boden festzufrieren wie das Gras. Manchmal kam er sich selbst lächerlich vor. Kahle Bäume schirmten den Himmel über ihm ab. Es hatte keinen Neuschnee gegeben, der alte war zu einer festen, glatten Masse geworden, der unter den Füßen krachte und völlig durchsetzt mit Streusalz war. Er glaubte nicht an das Schicksal. Irgendjemand anders musste etwas gegen ihn haben. Denn sonst wäre er nicht schon jetzt hier, und er wäre allein. "Hallo, hm..." Er begrüßte andere so selten mit Worten. Wann das letzte Mal? Itachi blickte ruhig auf. Er hatte sich tatsächlich auf eine der Bänke gesetzt, wo er sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch abfrieren würde, wenn er dort blieb. Auf seinen Oberschenkeln lag ein aufgeschlagenes Buch, nicht größer als eine ausgestreckte Hand. Seine geröteten Finger klammerten sich ungeschickt an die Seiten. Es war schwer, Bilder zu zeichnen, wenn man kein Gefühl mehr in ihnen hatte. Er nickte langsam, als wäre auch sein Kopf festgefroren, und legte den Kopf ein wenig zur Seite, die Seite, auf der noch Platz auf der Bank war. Deidara zögerte, beschloss dann, sich nicht so anzustellen und ließ sich neben dem anderen nieder. Er hatte angefangen zu sehen. Er konnte ebenso anfangen zu sprechen. Es war so, als hätte sein Denken an dem Abend, an dem ihm überhaupt nichts mehr eingefallen war, eine Generalüberholung vollzogen. Und jetzt befand er sich im Eingewöhnungszustand. Künstlerisches Coming Of Age, erstaunlich. Nicht wirklich. Aber Milliarden von ungenutzten Gehirnzellen ließen stets genügend Gründe, sich zu wundern. "Was liest du, hm?" Er fragte, weil es ein dünnes Büchlein war, das so gar nicht zu Itachis stoischem Ernst passen wollte. Aristoteles in 65 Seiten vielleicht. "Liebst du mich?" Umständlich schob Itachi den Zeigefinger zwischen die Seiten, um seinen Punkt nicht zu verlieren, und drehte ihm das Deckblatt zu. Liebst du mich? Und das in langweiligen, schwarzen Lettern (ursprünglich verfasst von Ronald D. Laing). Itachi hatte sich absichtlich so undurchsichtig ausgedrückt. Er hatte genau den Moment abgepasst, in dem der Schreck über den vermeintlichen Sinneswandel in die Glieder fährt und man noch nicht so weit ist, Misstrauen und Überlegungen aufzunehmen. Er hatte gewusst, wann der Moment vorüber war, und ihm den Schriftzug gezeigt. "Spinner, hm." Natürlich nicht. Deidara hatte von jeher einen großen Bogen um das leidige Thema gemacht. Alles, was er an Überzeugung gefasst hatte, war die, dass man sich nicht völlig verlieben konnte. Es gab immer irgendein Detail, eine Eigenschaft, die man nicht mochte, in die man sich nicht verlieben konnte. Liebe war keine Perfektion, das war unmöglich. Unmöglich zu perfektionierende Dinge waren eine Wissenschaft für sich. Möglicherweise hatte er ein Eigentor geschossen, er, der Perfektion verabscheute, konnte demnach nicht vor etwas gefeit sein, das niemals perfekt sein würde. Es gab Zeiten, da wünschte er sich, das menschliche Gehirn würde weniger Zellen beinhalten. Würde das Denken hin und wieder stark vereinfachen. Itachi bedachte ihn mit einem unsichtbaren Lächeln, einem ach so schwachen Spannen seiner blassen Lippen, und senkte den Kopf wieder, vertieft in seine Lektüre. Sie könnten Smalltalk machen. Sie könnten sich über das Bild unterhalten. Sie könnten sich mal in Bewegung setzen, sonst würden sie einen Tag verschwenden, und die meiste Arbeit war noch lange nicht getan. Verschwendung. Daran mangelte es hier nicht. Warum sonst überzog die Nacht alles mit Frost, umkränzte jeden einzelnen Grashalm mit winzigen Eiskristallen, wenn die ersten Sonnenstrahlen das wieder wegschmolzen? Ein unrühmliches Ende, wenn man den hässlichen, schmutziggelben Fleck in Betracht zog, der sich mit Mühe durch die trübe Wolkendecke kämpfte. "Was hast du vor, wenn du hier wegbist?" Itachi nahm den Blick nicht von den spärlich bedruckten Seiten, aber immerhin setzte er den vagen Grundstein für ein Gespräch. Na ja, wegsein würde er schnell. Und Itachi schien den Gedanken erraten zu haben, oder vielleicht hatte er ihn von Anfang an mitgerechnet, jedenfalls fügte er hinzu: "Es gibt eine Art Stipendien für eigene Projekte." Deidara hatte es nicht so mit den Zukunftsträumen, deshalb fiel ihm darauf keine Antwort ein. Träume waren so kurzlebig, ohne dass man sie auf Papier bannen konnte. "Nichts. Du, hm?" Es stimmte nicht, dass er nichts vorhatte. Er würde auf jeden Fall irgendetwas tun, soviel stand fest. Als einziges. Itachi starrte das Buch an, ohne dass seine Augen weiterwanderten. Er las nicht mehr. Sie waren vermutlich an dem dramatischen Punkt, dass Deidara die Gegenfrage gedankenlos gestellt hatte, und Itachi scheute sich, jemandem einen Einblick zu gewähren. Als würde der es einfacher machen, ihn zu verstehen. "Ich will nach Venedig." Künstler war eh der Nummer-eins-Alptraumberufswunsch für jeden Vater. Und Venedig war noch schlimmer. Man verbrachte seine Zeit damit, den Boden zu bemalen, über den und das entsprechende Werk Tausende von Menschen in wenigen Stunden wieder herübertrampeln würden. Und mit den Portraitmalern verhielt es sich nicht besser. Es gab keine Garantie, dass der Kunde das so sorgfältig gemalte Bild nach der nächsten Ecke zerriss, weil es nicht geschmackvoll oder schmeichelhaft genug war. Und bei beidem verdiente man schlecht. "Kann ich mir nicht vorstellen, hm." Deidara ließ offen, ob er diese Wahl für unklug hielt oder Itachi nicht als die richtige Person für so ein Leben erachtete. Schlussendlich wusste er es nicht. Einerseits klang der Plan aufregend, und andererseits kannte er Itachi kaum. Und eine Menge Menschen waren der Meinung, je verschwiegener und geheimnisvoller ein Künstler war, desto besser müsste er sein. Irgendwie ließ es sich nicht vereinbaren. Itachis mentale Bildergalerie, mit der er seine Prüfung mit Bravour machen würde, und das unsichere Leben voller fremder Gesichter, die auf eine Art dem flüchtigen Auge präsentiert werden mussten, dass sie... Deidara hätte es 'hübsch waren' genannt, doch so simpel war Itachi wohl auch nicht gestrickt. 'Anders', das war eher passend. "Sondern?" "Weiß ich nicht, sagte ich bereits, hm." "Stipendium?" Deidara lächelte ein wenig über die Wortkargheit des Gespräches. "Ausgerechnet ich, wo es ein Wunder ist, dass ich noch nicht suspendiert bin, hm?" Ihn jetzt zu suspendieren wäre tödlich für seine Zulassung zu den Prüfungen – aus dem stupiden Grund, dass seine Anwesenheit zwingend war, um die Benotung des Bildes tatsächlich für ihn zu akzeptieren. Itachi klappte sein Buch zu und steckte es mit einer abnormalen Sorgfalt zurück in seine Tasche. Der Einband war zerschlissen und die Farbe teilweise abgeblättert. Es erinnerte Deidara seltsam lebhaft an seinen Block. Genau so, wie er nicht wollte, dass andere darin herumblätterten, wollte Itachi offenbar nicht, dass das Buch noch mehr beschädigt wurde. "Die Stipendien hier werden von Privatpersonen übernommen. Du musst sie nur begeistern." Der letzte Satz klang beißend ironisch, was umso stärker auffiel, da Itachis Stimme sonst unbewegt und nichtssagend über seine Gemütsverfassung war. "Müsste ich dich dann etwa mitnehmen, hm?" Es sollte sich scherzhaft anhören, aber irgendwie tat es das nicht. Es lag nicht an ihm, sondern an der Situation. Itachi sah ihn beinahe belustigt mit seinen leicht schrägen, dunklen Augen an und sagte nichts. Es war unmöglich zu sagen, was er dachte oder was sein Schweigen ausdrückte. Deidara schnaubte, was eine Wolke weißen Wasserdampfs in Itachis Richtung sandte, und beobachtete gedankenverloren, wie der Frost in seine Hände biss. Motive hatten sie genug, die Freiräume würde die Farbe füllen. Und über Farben waren sie sich nicht einig. Deidara wollte eine aquamarinblaue Scherbe mit verschwommenen Konturen, Itachi wollte blassorange und scharf geschnittene Linien. Spätestens jetzt erkannte Deidara, was der besondere Haken daran war, mit Itachi arbeiten zu müssen. Er schien komplett unfähig zu sein, Kompromisse zu machen. Deidara war ebenfalls nicht besonders gut darin, und sein Kompromiss bestand darin, Itachis äußerst langwierig gemischtes Blassorange in einem unbewachten Moment mit einem grässlich grellen Neongelb zu überdecken. Das Farbe sickerte durch das Blatt, das sie als Demonstrationswerkzeug benutzt hatten. Es sah, um die Wahrheit nicht zu beschönigen, scheußlich aus. Neongelb in seiner ganzen unverdünnten Kraft schmerzte bereits in den Augen, doch anscheinend war das leicht zu verschlimmern. Deidara suchte mehrere Sekunden lang nach einer Beschreibung für den genauen Ton, was im Ansatz scheiterte. Itachi starrte mit deutlicher Fassungslosigkeit auf die Verschandelung seiner Anstrengung. Sein Brustkorb hob sich unter dem gefütterten Wintermantel, und für einen Moment dachte Deidara, er würde schreien. Stattdessen spannte er auf eigenartige Weise die Finger seiner linken Hand an: alle Finger standen in etwa im Winkel von neunzig Grad und knickten dann ein Stück ab. Mittel- und Ringfinger drückte er dabei zusammen, während der Zeigefinger und insbesondere der kleine Finger abgespreizt waren. Der Daumen umklammerte etwas, das nicht da war. Deidara musterte die seltsame Position mit wachem Interesse. Sie schien Itachi den Ärger ein wenig zu nehmen, was wohl die originellste Beruhigungsart war, der er je beigewohnt hatte. Und von diesen kannte er einige, denn Schulpsychologen sahen es als ihre Aufgabe, exzentrischen, eigensinnigen Schülern wie ihm das Temperament abzugewöhnen. "Dann eben blau." Itachi klang nicht sonderlich begeistert. Die Finger seiner linken Hand senkten sich in einem nicht festzustellenden Takt. Deidara achtete nicht auf die Antwort. "Was soll das, hm?" Itachi lächelte, fein und ironisch. Deidara war nicht sicher, ob er deshalb ungehalten oder ebenfalls belustigt sein sollte, und die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als Itachi etwas aus seiner Manteltasche holte. Von der Art her, wie er zögerte, ließ sich ableiten, dass seine misstrauische Seite das nicht billigte, doch tatsächlich so etwas wie Neugier überwog. Er zog nicht gerade das hervor, was Deidara erwartet hatte – einen mp3-Player, ein gewöhnliches Modell. Einen der kleinen Kopfhörer hielt er Deidara hin, den anderen befestigte er an seinem eigenen Ohr. Zuerst ertönte nur knisterndes Rauschen. Dann klopfte jemand mit einem metallenen Stift auf eine harte Oberfläche, und das Rauschen wurde verdrängt von der schrillen Stimme einer Violine. Jemand spielte mit einigem an Übung, allerdings auch sehr zornig ein simples Stück. Wann immer der Bogen auf eine falsche Saite abrutschte und einen störenden Nebenton erzeugte, wurden die Striche schneller und energischer – aggressiver. Diese Aggression nahm ab und kehrte zurück, sobald ein neuer Fehler unterlief. Der Spieler ließ sich nicht abhalten, bis er beim finalen Ton erneut abrutschte und einen hässlichen, kreischenden Ton erzeugte. Der Spieler fing daraufhin von vorne an, schnell und wütend und unzufrieden mit sich selbst. Die Melodie verzerrte sich fast bis zur Unkenntlichkeit, aber der Spieler baute so lange Wiederholungen ein, bis er es passabel zu Ende gebracht hatte. Itachi lauschte den geradezu jammernden Tönen mit einem selbstvergessenen Lächeln, selbst als die Aufnahme endete und Deidara ihm den Kopfhörer zurückgab. "Bist du das, hm?" Itachi wickelte das Kabel ruhig um den mp3-Player. "Mit fünf Jahren." "Das war scheußlich, hm." Na ja, vermutlich das Niveau eines Fünfjährigen, der viel geübt hatte, obwohl er keine rechte Hingabe empfand. Itachi nickte bloß. "Ich habe es gehasst.", bestätigte er gleichmütig. "Warum hast du es trotzdem gespielt, hm?" Die Antwort darauf schien Itachi vorsichtig zu wählen. "Mein Vater fand das Zeichnen kein angemessenes Talent." Deidara hätte beinahe gelacht. Man musste erst mal auf die Idee kommen, die Begabung seines Sohns mit Gewalt auf einen anderen Sektor der Kunst verschieben zu wollen. Und noch vor kurzer Zeit hätte er absolut sicher bestritten, dass Itachi überhaupt Talent hätte. Es war wieder still, während die quäkenden Töne der Geige, auf der ein missmutiger Fünfjähriger spielte, noch im Raum hallen zu schienen. "Wie hieß das Stück, hm?" Itachi setzte sich wieder hin und begann, eine neue Farbe zu mischen. Ein lebhaftes Rot, wie das Blatt eines Zierahorns, wenn auch nicht ganz. Es erinnerte an... den glänzenden, warmen Klangkorpus einer Violine. "'Des Teufels Traum'." (wenn ich mich recht erinnere, von Weber) Das Gefühl schwelender, verbissener Wut, es fehlte dem Bild noch. Selbst, wenn es außer ihnen niemand verstehen würde... "Wir sollten das Bild so nennen, hm." Itachi malte ein weiches Lächeln auf das Papier, obwohl es nicht mehr als ein Farbfleck war. "Sollten wir." Die Scherbe wurde schließlich aquamarinblau. Sie hätten sich gratulieren sollen zu ihrem ersten erfolgreichen Kompromiss. "Du bist so ruhig." Personen wie Sasori, die sich die Ruhe zum Wesenszug gemacht hatten, waren durchaus in der Lage, die verschiedenen ihrer Arten zu unterscheiden. Und wenn Deidara versuchte, seine von der Kälte steifen Finger auf der Platte des Cafeteriatisches in etwas zu versetzen, was vage der Position beim Spielen eines Saiteninstruments ähnelte, zählte das eindeutig nicht zu der unzufriedenen, fast schmollenden Verschwiegenheit, die zutage kam, wenn er sich nicht gerade über etwas aufregte. Und das war schon längst fällig, denn es entsprach tatsächlich der Wahrheit, dass er die vergangenen eineinhalb Wochen in einem unbeheizten Flügel mit Itachi Uchiha verbracht hatte. Deidara tat den Kommentar mit einem Schulterzucken ab. "Kannst du Geige spielen, hm?" "Nein, nur Cello." Deidara bedachte ihn mit einem auffordernden Blick, den Sasori unbeeindruckt erwiderte. "Hab's aufgegeben." Zur Untermalung zog er seine verschränkten Arme auseinander und offenbarte einen neuen Verband um das Gelenk seines Ringfingers, der ihn effektiv daran hinderte, ihn richtig zu knicken. Deidara nahm das mit einem nicht weiter interessierten Nicken auf und testete stattdessen, wie schnell er die Positionen seiner Finger ändern konnte. Sasori beobachtete das mit mildem Amüsement. Vielleicht gab es so etwas wie charakterverändernde Wirkungen von Kälte auf das menschliche Gehirn. "Würdest du nach Venedig gehen, hm?" Deidara sah ihn mit verstohlener Neugier an. Dabei rieb er sich das linke Auge. Er rieb es in letzter Zeit so oft. Sasori brauchte nicht lange über die Antwort nachzudenken. "Nein." Die kategorische Ablehnung ohne Begründung schien Deidara zu ärgern, er verfiel wieder in brütendes Schweigen, während die schmelzenden Schneeflocken schmutzige Schlieren an die gerade geputzten Fenster der Cafeteria malten. Es schneite schon wieder, der nasse Schnee hatte etwas krampfhaft Erstickendes. Nichts Sanftes, Stilles dabei. "Warum?" Sasori fand es aus irgendeinem Grund nötig, nachzufragen. Nicht mal, weil er übermäßig wild darauf war, zu erfahren, warum Deidara plötzlich mit neuen Themen anfing. Einfach, da sie nie über Zukunft und die Meinungen darüber geredet hatten – nie, ihrerseits gefangen von den Floskeln, sich nicht zu stark annähern zu wollen. Etwas, das Deidara vermutlich gerade erst vage bewusst wurde. Deidara wischte mit dem Handrücken über die beschlagene Scheibe. Es schien irgendetwas an dem leeren, gräulichen Hof zu sein, das ihn faszinierte. Oder er sah einen ganz anderen Hof, den Hof einer Kathedrale, mitten in dem Kanalgewirr von Venedig. "Wie spielt man Cello, hm?" Es wird nur noch ein Kapitel geben. Danach kann man es noch weiterführen, das müsste dann die holde Leserschaft entscheiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)