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Die Unterwerfung der Geister

von

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Kapitel 2

Disclaimer: Charaktere, Orte, Handlung etc. gehören mir
 

Ein fettes Dankeschön an meine Betaleserin. XD
 

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Kapitel 2
 


 

„Alles, was uns begegnet, lässt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei; doch ist es gefährlich, sich davon Rechenschaft geben zu wollen.“ - Aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (Johann Wolfgang von Goethe)
 


 

‚Bereite alles vor, sodass die Ehe schnell geschlossen werden kann. Wir sind unterwegs. Faris geht es den Umständen entsprechend. Jedoch besitzt er von der Statur her wohl kein gebärfreudiges Becken.’
 

Faturo war nicht witzig. Die ganze Situation war nicht zum lachen.

Lethen stutzte und blickte zu der kichernden Dienerin, die soeben neben ihm ein Tablett auf dem sich eine silberne Schale mit Gebäck, sowie eine Kanne Kaffee samt Tasse aus feinstem Porzellan befand, auf den Schreibtisch abstellte an dem er saß.

Scheinbar hatte sie einen kurzen Blick auf den Brief geworfen und den selben Satz gelesen, nach welchem Lethen für sich festgestellt hatte, dass an Faturo nun wirklich kein Hofnarr verloren gegangen war. Er sah sie vernichtend an, wobei ihr das aufkommende Lachen im Halse stecken blieb und sie so schnell wieder aus dem Raum verschwand, wie sie gekommen war. Erst als er sah und hörte, wie die weiß gestrichene Holztür knarrend ins Schloss fiel, las er weiter.
 

Kann zu Verzögerungen kommen, da er nicht kooperativ ist und somit garantiert versuchen wird, zu fliehen. Sollten, falls dem nicht so ist, spätestens bis zum Ende der Woche angekommen sein.
 

Langsam faltete Lethen den Brief wieder zusammen, der ihn heute erreicht hatte. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Gut, er verspürte jenes generell nicht bei dem Gedanken, sich mit einem Jungen vermählen zu müssen, jedoch wusste er genau, dass dieses Bündnis nicht von Dauer sein würde und er ihn dementsprechend schnell wieder los wäre, wenn er und dieser Schutzgeist den Schwur neu leisteten. Dieses Gefühl allerdings beschlich ihn schon, als er das erste Mal die Frau sah, die seine Gemahlin werden sein sollte.

Hätte sie sich nicht umgebracht.
 

Er schüttelte den Kopf, rieb sich mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand über die geschlossenen Augenlider und stand auf. Was brachte es schon, über so etwas nachzudenken?
 

Er wollte Handeln.

Faturo hatte schon die Sache mit der Frau verbockt. Eine dritte Chance würden sie nicht kriegen, wenn dieser Junge jetzt auch noch draufginge.

Er würde ihnen entgegen reiten, beschloss er, und verließ das Zimmer, um es den anderen mitzuteilen.
 


 

In der Zeit saß ein griesgrämiger Faris in der Kutsche, in die man ihn vor zwei Tagen gesteckt hatte und aus der man ihn nur unter strengster Bewachung herausließ. Ihm gegenüber hatte sich Faturo niedergelassen, der allerdings wenig auf die Stimmung des Jungen gab und stattdessen lieber las, oder schlief. Gerade tat er ersteres. So gab Faris sich seinen missmutigen Grübeleien hin und arbeitete weiter an seinen Mordplänen an Faturo und diesem anderen Kerl, an den er verschachert werden sollte. Faris war sich so sicher, dass er, wenn er denn dort ankommen sollte, in Pheneox einen dicken, alten, hässlichen Bauern vorgestellt bekam, der halb blind war und am Stock ging.
 

Er schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. Ja, dieses Pack hatte sich garantiert irgendetwas Demütigendes ausgedacht…
 

Die Kutsche hielt. Faturo blickte kurz prüfend zu Faris, ehe er ein Lesezeichen aus der Innentasche seines Reisemantels zog und es in jenes warf. Er klappte es zu, legte es neben sich auf die Sitzfläche und stieg aus, nachdem er das sich an dem Verschlag befindende Schloss mittels eines Schlüssels- ebenfalls aus der Innentasche des Mantels, wobei sich Faris langsam fragte, was er alles in seinem Mantel versteckte- aufgeschlossen und die Tür geöffnet hatte. Mit einem Kopfnicken machte er ihm klar, dass er ebenfalls aussteigen sollte.
 

Faris seufzte übertrieben laut, um seinen Unmut auch ja zum Ausdruck gebracht zu haben und Faturo weiterhin auf die Nerven gehen zu können. Erst dann folgte er ihm gemächlich und streckte sich erst einmal ausgiebig, kaum, dass er ein paar Schritte im Freien getan hatte.

Er blickte sich um. Hinter ihm standen zwei der Soldaten, ein weiterer hatte sich vor ihn positioniert, während der vierte sich angeregt mit Faturo flüsternd unterhielt. Einige weitere Blicke zeigten Faris, dass sie sich auf einer Waldlichtung befanden. Die Sonne begann gerade unterzugehen und badete den nahe liegenden Wald, sowie den Ort, an dem sie sich befanden, in orangenem Licht.
 

Waren sie schon so lange unterwegs? Faris schnaubte verwundert und schüttelte den Kopf.

Er wollte gerade zu Faturo, um zu fragen, was nun passieren solle, als er ein tiefes Knurren vernahm, welches aus dem Wald zu kommen schien. Irritiert blickte er sich um, als er erneut aus dem Gehölz schallte. Dieses Mal war es näher. Er hörte das Schnauben und Wiehern der nervösen Pferde, die versuchten, sich los zu reißen und nervös auf der Stelle zu tänzeln begannen.
 

„Was ist das?“ fragte er und trat näher zu Faturo heran, der ebenfalls sein Gespräch mit dem Soldaten unterbrochen hatte und nun diesem einen kurzen Blick zuwarf, von dem Faris nicht wusste, was er zu bedeuten hatte. Der Soldat zog allerdings den Einhänder an seiner Seite und gab den verbleibenden drei einen knappen Befehl. Kurz darauf wurde Faris von Faturo grob am Arm gepackt und zurück zur Kutsche geschliffen.

„Was soll das?!“ keifte Faris und riss sich los, um irritiert einige Schritte vor dem Anderen rückwärts zu gehen.

„Bist du taub?!“ wurde zurückgekeift, als Faturo sich genervt zu ihm herumdrehte. Faris merkte, wie angespannt er war. Es ging etwas vonstatten, was ihm schwer zu schaffen machte. „Irgendetwas ist da und scheint uns nicht gerade freundlich gesinnt zu sein. Also komm endlich!“ erneut ging er auf den Jungen zu, um ihm erneut Arm zu packen.
 

Das war die Chance! Wenn Faris irgendwann fliehen wollte, war dies der beste Zeitpunkt dafür!

Die Soldaten waren mit diesem Vieh im Wald beschäftigt, das unter Garantie bald herauskommen und sie in Schach halten würde und Faturo würde er schon in den Wäldern abhängen können.
 

Ohne groß nachzudenken, setzte er den Gedanken sofort in die Tat um, drehte sich um und rannte davon, in Richtung Waldrand. Er hörte, wie Faturo seinen Namen rief; ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm, dass er die Verfolgung aufgenommen hatte.

Er kam nur wenige Meter weit, als das Knurren zum dritten Mal erklang.
 

Kurz darauf folgte ein Kreischen, wie es Faris noch nie zu hören bekommen hatte und ein Meer aus Blättern stob in den Himmel über der Lichtung, um danach im Tiefflug auf dem Boden aufzukommen.
 

Aus den Blättern formten sich die Konturen eines gewaltigen Vogels, der Faris stark an einen Greifen erinnerte. Nur seine Augen waren sichtbar und als solche einwandfrei zu erkennen, der Rest seines Körpers wurde nicht von Federn oder ähnlichem bedeckt, sondern von Blättern und Wurzeln. Doch mit den gelben Augen fixierte das Tier nun eindeutig Faris.
 

Rasch kam es einige Schritte auf ihn zu, hob eine der wurzelnden Klauen und wollte sie auf den vor Furcht gelähmten niederfahren lassen, als ein Pfeil sich in seine Pranke bohrte und das Tier sie mit einem schmerzerfüllten Geheul zurückzog.
 

Erneut folgte ein Schrei. Der Kopf drehte sich zur Seite, wo einer der Soldaten in wenigen Metern Entfernung stand und gerade einen weiteren Pfeil aus dem Köcher zog. Dabei ließ er den Vogel nicht aus den Augen.
 

Das Tier kümmerte sich zu seinem Erstaunen nicht darum, sondern versuchte nun, mit dem scharfen Schnabel nach Faris zu schnappen. Diesmal konnte er sich rühren. Schnell warf er sich zur Seite und rollte über den Boden, ehe das Maul des Tieres sich um seinen Körper schließen und ihn zerquetschen konnte.
 

Ein erneutes Kreischen des Greifen ließ ihn wissen, dass das Tier nochmals getroffen wurde. Kurz blickte Faris zu diesem und sah, wie es nun doch seine Aufmerksamkeit den Soldaten und Faturo zuwandte. Letzterer bemerkte, wie Faris sich langsam wieder aufrichtete und von ihnen bedächtig entfernte.
 

„Faris, bleib hier!“ Schrie er aufgebracht zu ihm herüber und machte Anstalten, zu ihm zu rennen. Der Greif vereitelte es, indem er mit der verletzten Klaue nach ihm schlug. Im letzten Augenblick erkannte Faturo die Gefahr und duckte sich schnell unter dem Schlag weg.
 

Faris nutzte die Chance, die sich für ihn ergab, unterdrückte das Zittern, welches seinen Körper befallen hatte und begann, in die Entgegengesetzte Richtung zur rennen, weg von dem kämpfenden Trupp, der gerade seinen ersten Toten hatte.
 

Schnell floh er in das Dickicht der Wälder, irgendwohin, egal wohin. Es war ihm egal, wo er landete.

Hauptsache, er war weit genug entfernt von Faturo und der Umsetzung seiner kranken Pläne!
 

Irgendwann- er hatte jegliches Zeitgefühl verloren- blieb er stehen, lehnte sich gegen einen Baum und versuchte, seinen Atem und sein rasendes Herz zu beruhigen. So war er noch nie gerannt in seinem Leben, stellte er fest und sah sich um. Dichtes Laub bedeckte den Boden, er hörte die Vögel in den Baumkronen singen. Kurz schloss er die Augen, als ihm schwindelig wurde. Seine Beine zitterten.

Scheinbar hatte er sich doch etwas zu sehr überanstrengt.

Einen Moment noch lehnte er an dem Baum, ehe er sich langsam weiter durch den Wald wagte. Dieses Mal ging er jedoch. Die anderen, so dachte er, hat er garantiert abgehängt.
 

Einige Zeit später hörte er das Wiehern eines Pferdes. Er fuhr zusammen und suchte hinter dem nächsten Baum Deckung. Wenige Augenblicke später vernahm er noch die Stimmen von Menschen, die über irgendetwas lachten.
 

Die Geräusche kamen aus der Entgegengesetzten Richtung

Sollte er zu ihnen und sie um Hilfe bitten?

Und wenn es Wegelagerer waren?

Ihm wurde schlecht.
 

Faris dachte angestrengt nach. Er hatte keine Ahnung, in welche Richtung er musste, noch, wo er sich generell gerade befand. Und sobald es richtig Dunkel wurde, was sich abzeichnete, da die Sonne bereits untergegangen war, wollte er sich eigentlich nicht mehr alleine im Wald befinden.
 

Er atmete tief durch und ging dann entschlossen in die Richtung, aus der das Lachen und das Wiehern gekommen waren. Dabei ignorierte er die Schwere, die sich in seinem Magen ausbreitete und seinen ganzen Körper zu vergiften schien. Die Übelkeit, die er schon einmal verspürt hatte, kehrte zurück. Er schluckte und hielt sich mit einer Hand den Bauch, flehend, dass er nicht erneut Blut spucken würde. Diesmal wäre keiner da, ihm zu helfen. Und das wusste er.
 

Es dauerte nicht lange und er stand vor einer Gruppe von fünf Reitern, die ihn schon wenige Meter, bevor er vor ihnen stand, bemerkten und ihre Pferde zügelten. Nervös kam Faris mit einem gebührenden Abstand vor ihnen zum stehen. Fieberhaft suchte er nach den richtigen Worten, um seine Situation zu erklären, ohne sich selbst zu verraten. Ehe er allerdings das Wort ergriff, kam ihm jemand zuvor.
 

„Wer bist du, was machst du hier und was willst du von uns?“ Einer der auf dem Rücken seines Pferdes sitzender Mann- Faris schätzte ihn auf Ende zwanzig- kam auf ihn zu und musterte ihn mit unverhohlenem Misstrauen in seinen dunkelgrünen Augen. Einen Augenblick lang besah sich Faris den vor ihm stehenden. Die kurz geschorenen Haare, die gebräunte Haut, das muskulöse Äußere, und vor allem das Schwert, das an seiner linken Seite hing, zeigten ihm, dass er kampferprobt war. Erneut musste Faris schlucken. An wen war er denn da geraten?
 

Die Stimmen setzten wieder ein. Für einige Sekunden schloss er die Augen, atmete tief durch. Erst als sie wieder leiser wurden, begann er zu sprechen.
 

„Mein Name ist Faris. Ich…“ Begann er und stockte sogleich.

Er brauchte eine Ausrede! Fiel ihm auf.

Und zwar JETZT!

Krampfhaft dachte er über eine Antwort nach.
 

„Ich bin der Sohn eines Bankiers in Pheneox. Die Eskorte, die mich dorthin zurück begleiten sollte, wurde von einem Waldvogel, oder so was angegriffen und getötet. Ich entkam mit knapper Not in den Wald. Nun weiß ich weder genau, wo ich bin, noch, wie ich hier wieder herauskomme.“ Er wagte einen weiteren Schritt auf den Reiter zu. „Ich bitte Euch, mich zumindest bis zur nächsten Gaststätte mitzunehmen. Alleine schon, weil es jetzt dunkel wird… Wenn ich sicher in Pheneox ankomme, wird mein Vater euch gewiss entlohnen für eure Mühen.“
 

„Angst im Dunklen?“ spottete ein anderer als der, der vor Faris stand. Leises Gelächter ertönte. Wütend funkelte er den rothaarigen Mann an, der ihn immer noch hämisch angrinste.
 

„Also gut, steig auf. Wir wollen eh zur ‚Alten Kaschemme’, da können wir dich genauso gut mitnehmen.“ Faris bemerkte, wie der Rappe näher auf ihn zukam und der Reiter des Tieres ihm die Hand ausstreckte, damit er besser hinter ihn auf den Rücken des Tieres steigen konnte.
 

Schlagartig spukten diese Stimmen wieder durch seinen Kopf, für einen Augenblick sah er merkwürdige, bunte Punkte vor seinen Augen tanzen. Doch ehe er das Gleichgewicht verlieren konnte, packte ihn jemand am Oberarm und hielt ihn aufrecht.

„Was ist? Wurdest du auch verletzt?“

Faris blinzelte einige Male, um wieder klar sehen zu können, versuchte diese Stimmen irgendwie zu unterdrücken.

Nur langsam gelang es ihm. Bis dahin war der Andere längst abgestiegen und stand ihm nun gegenüber.

Erschrocken über die plötzliche Nähe, zuckte Faris zurück. Allerdings verhinderten die Hände an seinen Armen, dass er weit zurückweichen konnte.

Irritiert blickte er sie an.

Er hatte die Berührung gar nicht gespürt.
 

„Geht’s wieder?“

Faris blickte in die dunkelgrünen Augen des Kämpfers und nickte schwach.

„Ich…mir war nur übel.“ Erklärte er dann leise. „Bin schon lange unterwegs…“ fügte er dann hinzu. Sein Gegenüber betrachtete ihn kritisch und seufzte dann lange. „Wir machen uns am besten sofort auf den Weg, sonst kippste uns noch weg.“ Sagte er halblaut, als er ihn zu seinem Pferd führte und ihm auf den Rücken des Tieres half, ehe er sich selbst hinter Faris auf jenes schwang und die Zügel wieder aufraffte.

Sie ritten weiter.
 

„Das war ja einfach!“ freute sich Faris, trotz des unguten Gefühls in der Magengegend, welches nicht verschwinden wollte. Allerdings verschlimmerte es sich nicht, was Faris begrüßte.
 

Nicht einmal zwei Stunden später jedoch, sollte auch diese Freude sich in Nichts auflösen, denn genau zu diesem Zeitpunkt wurde das Gefühl der Übelkeit von Krämpfen abgelöst. Als die erste Schmerzenswelle ihn völlig unvorbereitet mitriss, krümmte sich sein Oberkörper, ein Arm legte sich wieder gegen den Bauch, die Hand des anderen Armes vergrub sich in die schwarze, lange Mähne des Tieres, auf dem er ritt. Er biss die Zähne zusammen, wollte keinen Laut von sich geben. Allerdings hätte er von selbst darauf kommen können, dass nur ein Blinder nicht an seiner Körperhaltung erkannt hätte, dass ihn Schmerzen plagten.
 

Das Pferd kam zum Stehen, der schwarzhaarige Reiter hinter ihm stieg ab und half ihm dann vom Pferderücken herunter.

Nach einigen Schritten knickten Faris’ Beine ein und hätte man ihn nicht aufgefangen, wäre er hart auf die Knie gefallen. So glitt er langsam zu Boden.

„Alass, er hält uns nur auf, lass ihn liegen!“ rief einer aus der Gruppe. Faris kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippen, als die Schmerzen wieder schlimmer wurden.

„Wieso? Geld kann ich immer gebrauchen…“ murmelte Alass halblaut und wandte sich dann wieder Faris zu.
 

Seine Augen weiteten sich, irritiert blickte er auf den Rinnsal schwarzen Blutes, der gerade aus Faris’ Mundwinkel rann, ohne, dass dieser es zu merken schien.

Wie hypnotisiert streckte er eine Hand nach ihm aus und berührte vorsichtig die schwarze Flüssigkeit, um die Hand dann vor seine Augen zu führen. Er rieb das Blut zwischen Zeigefinger und Daumen und blickte dann wieder zu Faris, der entsetzt dem ganzen Geschehen zugesehen hatte.
 

Er wusste nicht, was passieren würde. Das machte ihm Angst. Er hatte einfach keine Ahnung, was sie mit ihm machen würden. Was sollte er also tun? Selbst den Überraschten spielen? Sich irgendeine abstruse Ausrede einfallen lassen? Versuchen wegzulaufen?!
 

Faris. Der Faris.“ Alass spuckte seinen Namen geradezu aus, als er ihn wütend mit den Augen fixierte und sich erhob. Er zog einen Mundwinkel nach oben, als er sein Schwert zog und es nahe an Faris’ Hals auf dessen Schulter legte.

Sein Atem ging schneller, panisch blickte er den anderen an, er zitterte. „Was…? Warum?“ flüsterte Faris dann.
 

Nun schlich sich ein echtes Lächeln auf die Züge von Alass. Er neigte leicht den Kopf zur Seite, beide Augenbrauen wurden amüsiert hochgezogen. „Nimms bitte nicht persönlich!“ Das Schwert verschwand von seinem Hals, als er schwungvoll zum Schlag ausholte.
 

Gelähmt vor Angst blieb Faris vor ihm knien. Er wartete nur darauf, geköpft zu werden und hoffte, dass es schnell ging, wissend, dass er keine Chance auf eine erfolgreiche Flucht gehabt hätte. Und selbst wenn: er konnte sich nicht bewegen, warum auch immer.
 

Er hörte, wie die Klinge tief in etwas schlug- jedoch war dies nicht sein Hals. Faris öffnete die Augen und blickte zur Klinge. Keuchend fiel er zur Seite, fing seinen Sturz mit beiden Händen ab und rückte verschreckt vor der gewaltigen Baumwurzel weg, die den Schlag von Alass Schwert abgefangen hatte.

Beim Schutzgeist Selis und all seinen Nachkommen – woher kam das?!
 

„Was?“, stotterte Alass und blickte von der Wurzel zu Faris und wieder zurück. Hufgetrappel ließ Faris wieder an die anderen denken, die bis eben scheinbar ruhig das Geschehen verfolgt hatten.
 

Faris hörte, wie auch sie ihre Waffen zogen. Schnell stand er auf, drehte sich von ihnen weg und lief los.

Sie trieben ihre Pferde an, folgten ihm und hätten ihn gewiss in wenigen Augenblicken eingeholt.
 

Und als wäre dies nicht genug an Problemen, fühlte sich ein Schädel plötzlich an, als hätte er einen Morgenstern gegen selbigen bekommen. Er konnte den Schrei, der seine Kehle hoch kroch, dieses Mal nicht unterdrücken. Sich den Kopf haltend, fiel er wieder auf die Knie, kippte dann mit dem Oberkörper nach vorne. Das nasse Laub benetzte seine heiße Stirn, ein Geräusch, das er nicht einordnen konnte beherrschte für einen Moment das Getümmel, ehe es erlosch, die anderen Laute und den Schmerz mit sich nehmend.
 

Langsam und zaghaft richtete er sich auf und blickte hinter sich, um eine dichte Wand, bestehend aus dicken Baumwurzeln, die, von der Breite her, einige Kilometer lang zu sein schien. Seine Verfolger würden viel Zeit verlieren, ehe sie überhaupt auf der anderen Seite angekommen waren. Faris dachte nach.

Was sollte er tun?

Zögernd tat er einige Schritte tiefer in den Wald hinein. Es war dunkel geworden, der Wind ließ das Laub der Bäume in Wind rascheln, einige Blätter fielen langsam zu Boden. Faris hob eines von seiner Schulter und ließ es zu dem Rest des Laubes gleiten, als seine Schritte sicherer wurden.
 

Zwar wusste er nicht, wer, oder was ihm das Leben gerettet hatte, doch er hatte keine Angst davor, oder vor irgendetwas anderem, das ihm zustoßen könnte.
 

Er wusste nur nicht, warum das so war. Doch hatte er im Moment auch wahrlich andere Probleme.
 


 

Wie er es letztlich zur ‚Alten Kaschemme’ geschafft hatte, wussten nur die Götter oder wer auch immer dafür verantwortlich war. Er selbst hielt es für ein Wunder.

Lächelnd erinnerte er sich an die Worte seiner Mutter, die ihm erklärte, dass die Menschen immer von einem Wunder oder vom Schicksal sprachen, wenn sie ein Ereignis nicht verstanden hatten.

Sie hatte Recht. Er hatte es nicht verstanden.
 

Er betrat langsam das Innere des Gasthofes und sah sich um. Die alt aussehenden Tische waren alle von Männern und Frauen verschiedensten Alters und verschiedenster Herkunft besetzt worden. Die Luft war gefüllt von verschiedensten Gerüchen, was Faris eher unangenehm auffiel. Er mochte so was nicht, war dann doch lieber draußen, als eingepfercht in einen Raum mit Menschen, dessen Luft so aufgebraucht zu sein schien.
 

Zögernd ging er zum Tresen und stützte beide Arme auf die Holzplatte vor sich ab.

Er blickte zu der Person neben sich und starrte geradewegs in ein paar dunkle Augen die ihn mit unverhohlenem Missfallen musterten. Erschrocken zuckte Faris ein Stück von ihm weg, fing sich jedoch schnell wieder und blickte nervös wieder nach vorne. Der Wirt erschien, musterte ihn schweigend, aber mit großem Interesse. Scheinbar kam es nicht oft vor, dass ein Adeliger, wie er es war, sich hierhin verirrte.
 

Schlagartig fiel Faris etwas ein.

Er hatte gar kein Geld!

Für einen Augenblick schloss er genervt die Augen und atmete tief durch. Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte.

Er brauchte die Unterkunft, daran bestand kein Zweifel. Geistesabwesend rieb er sich das Handgelenk, als seine Finger gegen kaltes Metall stießen. Die Augen öffneten sich wieder, ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Aber natürlich!
 

Faris warf einen kurzen Blick auf den silbernen, mit Blattgold verzierten Armreif, der sich von seinem Handgelenk an einige Zentimeter den Arm bedeckte. Er löste diesen, legte ihn vor sich auf die Theke und schob ihn zum Wirt herüber. Hoffend, dass dies reichen würde, bat er um ein Zimmer und irgendetwas zu trinken. Er wollte nichts Essen, denn soweit er traute er seinem Magen nicht.
 

Die Augen des Wirtes weiteten sich, als er den Armreif vor seiner Nase betrachtete. Gierig griff er danach, betastete das Schmuckstück und versteckte es schnell in einer Tasche, ehe er Faris zunickte und verschwand.
 

Der Mann neben ihn lachte.
 

Faris zuckte erschrocken zusammen, ehe er zögerlich den Kopf wieder zu der Person wandte, die ihn eben mehr als giftig angesehen hatte.
 

Er hatte die gekreuzten Arme auf den Tresen vor sich gelegt und funkelte ihn nun aus den schwarzen Augen belustigt an. Der Mund war zu einem hämischen Grinsen verzogen, er schüttelte ungläubig den Kopf, als Faris zu ihm blickte.

„Was ist?“ fragte Faris und bemerkte dabei, wie seine Stimme zitterte. Hatte er schon wieder etwas falsch gemacht, oder war er wieder an irgendwelche Irren geraten, die ihn töten wollten, aus welchen Gründen auch immer?!
 

Der Fremde winkte kopfschüttelnd ab und drehte sich wieder der braunhaarigen Frau neben sich zu, die Faris ebenfalls amüsiert musterte. Wut kochte in Faris hoch. Er war es so satt, herumgeschubst und ausgelacht zu werden! Erst von seiner Familie, dann von Faturo, von diesen Irren im Wald die ihn fast ermordet hätten und nun von dem Typen da?!

Nein! Nicht mir ihm!
 

Entschlossen legte er eine Hand auf die Schulter des Fremden und versuchte ihn zu sich herumzudrehen, was der andere auch zuließ. Der Blick, der Faris begegnete, war derselbe wie vorhin, doch meinte er, dass sich noch etwas anderes hinzugemischt hatte, was er allerdings nicht deuten konnte.

„Was war so lustig?“ fragte er den Fremden erneut. Dieser stieß sich von der Theke ab und baute sich direkt vor Faris auf, so dass er zu ihm hochsehen musste, da der Fremde gut einen Kopf größer war, als er selbst.

Sein Gegenüber fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen, etwas längeren Haare, um sie aus dem Gesicht zu wischen und antwortete erst dann. Währenddessen hatte Faris ihm nun auch gänzlich den Körper zugewandt und war unwillkürlich einen kleinen Schritt zurückgewichen.
 

„Du Volltrottel weißt gar nicht, wie wertvoll der Reif war, nicht? Du hättest den ganzen Laden damit kaufen können.“ Erklärte er dann, wobei sein Grinsen noch breiter wurde.

Faris merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Ertappt schwieg er einige Augenblicke und suchte nach einer passenden Antwort, um den Schaden an seinem Stolz zu vermindern, als der Andere schon fortfuhr.

„Gehörst wohl auch zu der Sorte Adel, die alles in den Arsch geschoben bekommt und gar nicht weiß, wie viel Geld sie sich tagtäglich um den verwöhnten Körper legt.“ Fuhr er dann fort. Bedrohlich kam der Fremde wieder etwas näher.
 

…um die geballte Faust Faris’ ins Gesicht geschlagen zu bekommen. Ruckartig wurde sein Kopf von dem Schlag zur Seite geworfen, Überraschung spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wieder mit etwas anderem, was Faris allerdings nun benennen konnte: Berechnung
 

Er kicherte, wischte sich grob mit dem Handrücken über die aufgeplatzte Unterlippe und sah ihn dann wieder an. Ehe Faris irgendwie reagieren konnte, hatte der andere ihm kopfschüttelnd die Faust in den Magen gerammt. Er keuchte, krümmte den Oberkörper und wollte sich den Bauch halten, als der nächste Schlag nun sein Gesicht traf. Er fiel mit dem Oberkörper auf die Theke neben sich, hörte und spürte, wie er einige Krüge anscheinend umgestoßen hatte. Ehe er sich aufrichten konnte, packte ihn der andere am Kragen und riss ihn heftig zurück. Vom Schlag zu benommen, konnte er sich nicht wehren, als er gegen die nächste Wand gestoßen wurde.
 

Er schrie auf, das Gesicht schmerzverzerrt. Ihm schlug das Herz bis zum Hals, während er beobachtete, wie der Fremde wieder auf ihn zukam. Die anderen Menschen in der Schenke betrachteten das Treiben, mischten sich aber nicht ein. Nicht wenige feuerten den Fremden an.
 

Die Tür wurde aufgeworfen.
 

Da Faris nur wenige Meter neben dieser gegen die Wand aufgekommen war, zuckte der Angreifer kurz zurück und warf einen Blick zu dem Neuankömmling. Er runzelte die Stirn, besah sich den Fremden genauer, dessen Gesicht Faris nicht sehen konnte, da er die Kapuze seines Mantels über den Kopf gezogen hatte, und mit dem Rücken zu ihm stand. Plötzlich blieb der neu Dazugekommene stehen, um dann eiligst auf den schwarzhaarigen Mann zuzugehen.

„Was machst du denn hier?!“ fragte auch er höchst irritiert und schlug die Kapuze zurück.
 

Faris betrachtete die blonden, kurzen Haare interessiert, schienen sie und die Stimme des Fremden ihn doch an jemanden zu erinnern.

Ein kalter Schauer lief durch seinen Körper, ehe ihm heiß wurde und sein Herz schlagartig wieder anfing, schneller Blut durch seinen Körper zu pumpen.

Das war Faturo.
 

„Ich wollte dir entgegenkommen, um sicherzugehen, dass der Junge auch heil in Pheneox ankommt.“ Erklärte sich der schwarzhaarige Mann nun. „Nebenbei: wo ist er denn überhaupt?“ fügte er dann hinzu.
 

Unauffällig versuchte Faris, sich langsam an der Wand entlang zur Tür zu schleichen, wobei er das Duo nicht aus den Augen ließ. Er unterdrückte dabei die anhaltenden Schmerzen, so gut es ging.

Zu seinem Glück hatten auch die Leute in der Schenke das Interesse an der Schlägerei verloren und begannen erneut ihre Privatgespräche.
 

„Abgehauen. Irgendein Vogel hat uns im Wald angegriffen. Das hat er ausgenutzt und ist stiften gegangen.“ Faturo zuckte mit den Schultern.

„Das Vieh hat zwei der Soldaten getötet, einen schwer verletzt. Der ist dann draufgegangen, als uns ’ne Truppe Söldner begegnet ist und angriff. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Faris gesucht haben.“ Berichtete er weiter.

Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust und verlagerte das Gewicht auf ein Bein. Die Ernsthaftigkeit und die Beherrschtheit des Fremden ließen Faris’ Wut wieder aufglimmen. Eben noch hatte dieser Typ sich auf ihn gestürzt, als habe er seine Mutter umgebracht und nun stand er da und unterhielt sich in aller Seelenruhe mit Faturo, sodass man glauben könnte, die Schlägerei mit Faris hätte nie stattgefunden.

Ging’s noch?!
 

Er atmete tief durch und schlich weiter. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, um die eigene Contenance zu verlieren. Er musste hier so schnell wie möglich weg!
 

„Wie kommst du darauf?“ fragte der Fremde gerade Faturo.

„Sie kannten seinen Namen und haben uns direkt nach ihm gefragt, nachdem sie festgestellt hatten, dass er weder unter den Reitern, noch in der Kutsche war..“

„Das gefällt mir nicht.“ Die dunklen Augen blickten nachdenklich zu Boden. „Suchen wir ihn jetzt. So, wie ich ihn mir vorstelle, wird er nicht in der Lage sein, auch nur eine Nacht alleine im Wald zu verbringen- und sie zu überleben.“

Er ging an Faturo vorbei zur Tür. Faris zuckte zusammen und wendete ihm den Rücken zu. Zusätzlich schlug er den Kragen seines Hemdes rasch auf und versuchte sein Gesicht zu verdecken.
 

„Warte mal.“

Faris spürte förmlich, wie Faturos Blick ihn durchbohrte.
 

Er hörte, wie der Fremde im Türrahmen stehen blieb. „Was?“

Faturo schwieg. Scheinbar hatte er allerdings den Mann auf Faris aufmerksam gemacht, da er hören konnte, wie dessen Schritte in seine Nähe kamen.

Faris ignorierte die pochenden Schmerzen, die die Schläge des anderen hinterlassen hatten, stieß sich von der Wand ab und versuchte, indem er einen Bogen um den Unbekannten machte, irgendwie durch die Tür und ins Freie zu gelangen.
 

Er röchelte, als er die Hand des anderen an seinem Hals spürte und kurz darauf mit Wucht zurück gegen die Wand gedrückt wurde. Hart schlug er mit dem Hinterkopf auf den widerstandsfähigen Grund, seine Beine knickten weg. Es drehte sich alles um ihn herum, alles verschwamm langsam zur Unkenntlichkeit, verlor an Kontur.

Er wurde losgelassen, rutschte zu Boden und sah die verschwommenen Umrisse einer blonden Person vor sich knien.

„Das gibt’s nicht! Das ist er wirklich!“ Er klopfte ihm auf die Schulter, lachte und stand wieder auf, Faris alleine lassend mit seinen Schmerzen so wie mit der nahenden Ohnmacht.
 

„Glückwunsch, Lethen! Du hast deinen Zukünftigen vermöbelt!“

Unter Faturos vergnügtem Lachen wurde Faris endlich von einer gnädigen Schwärze ergriffen, die all seine Sinne umfing und bis auf weiteres schlafen legte.

Er war bewusstlos.
 


 

Fassungslos blickte Lethen zu dem bewusstlosen Jungen, ignorierte den lachenden Faturo, der kopfschüttelnd die Schenke verließ, um den übrig gebliebenen Soldaten mitzuteilen, dass die Suche beendet war.
 

Das war Faris?!

Hatte seine Familie den Verstand verloren, dass sie dieses halbe Kind als Reserve einsetzten?

Er vergaß, dass es üblich war, das jüngste Kind als Reserve fortzuschicken und grübelte weiter, bis die braunhaarige Frau neben ihn auftauchte und ihn auffordernd musterte.
 

„Wir sollten ihn auf dein Zimmer bringe, findest du nicht? Sonst erkältet er sich noch.“ Schlug sie vor und blickte ihn abwartend von der Seite an.

Lethen schreckte aus seiner Gedankenwelt und sah zuerst sie und dann Faris an. „Wieso ausgerechnet in meines?“ fragte er dann verwundert, ging allerdings auf den bewusstlosen Faris zu. Er wuchtete ihn auf seine Schulter und drehte sich dann zu der Holztreppe, die in den ersten Stock und somit zu den Zimmern führte. Die Frau folgte ihm.
 

„ Weil es dein Zukünftiger ist! Und nun beeil dich etwas; nur weil ich dem Wirt Geld zugeschoben habe, heißt das nicht, dass die anderen Gäste sich nicht von dir und der Nummer mit Faris belästigt fühlen.“ Meinte sie dann.

Lethen lachte kurz auf. „Wie gewählt du dich wieder ausdrückst, Viaca! Ich beeil mich ja schon…“
 

Viaca grinste und musterte kurz den Jungen, den Lethen sich eben über die Schulter geworfen hatte und nun die Treppe hoch schleppte. Er tat ihr irgendwie Leid. Von allen Menschen auf diesem Kontinent konnte er wohl am wenigsten für diese Misere und musste sie dennoch voll ausbaden. Sie atmete tief durch, ehe sie Lethen die Treppen hinauf folgte. Kurz erinnerte sie sich an die Schlägerei, die die beiden hatten und schüttelte den Kopf.
 

Das war wirklich ein wunderbarer Anfang einer Ehe, dachte sie und musste trotz all dem Mitleid, welches sie für den Jungen hatte, schmunzeln.
 

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Konstruktive Kritik etc. (Bis auf Flames) wie immer erwünscht.

Ich hoffe, es hat gefallen. T_T



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