Gefühlschaos von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Kapitel 5: Das Ende einer Feindschaft ------------------------------------------------ Kapitel 5: Das Ende einer Feindschaft Arachnia und Blaze war wie gelähmt vor entsetzen. Sie hatten den Kampf in Erwartung eines klaren Sieges für ihre Freundin passiv verfolgt und obwohl sie wussten, zu welchen Gräueltaten Nightshade fähig war; darauf waren sie nicht vorbereitet. Insomnia fürchtete nichts mehr, als einen Blick in ihr Gesicht. Ihr die Maske zu nehmen war für sie, als hätte man ihr das Herz herausgerissen. Diese Stück Leder verbarg den Grund für ihre Qualen vor den Augen der Welt und schützte sie vor deren grausamer Reaktion. Ohne diesen Schutz konnte Insomnia nicht leben. Und dennoch stand sie; aufrecht und bereit zum Kampf. Insomnias Gesicht war im Grunde das eines normalen Mädchens, doch dichtes, rotes Narbengewebe verzerrte ihre Züge stellenweise. Der rechte Hälfte ihres Gesichts war fast vollständig vernarbt, während die linke größtenteils unbeschadet geblieben schien. Man konnte durchaus noch erkennen, wie schön sie einst gewesen war, und selbst jetzt sah ihr Gesicht bei weitem nicht so schlimm aus, wie Blaze und Arachnia es erwartet hatten. „Wegen dieser Narben konnte ihre eigene Mutter sie nicht mehr lieben?“ fragte sich Arachnia in Gedanken. „Das ist doch total übertrieben und unfair!“ „Ich weiß nur zu gut, was Feuer anrichten kann. Sie ist noch relativ gut weggekommen.“ dachte Blaze. Insomnias Blicke waren fest auf Nightshade gerichtet. Ihr ganzer Körper bebte vor Zorn als sich ihr schwarzes Seelenfeuer, noch stärker als zuvor, wieder entzündete. Mit einem Zornesschrei und einer Geschwindigkeit, die sie ihr nicht zugetraut hätte, rannte Insomnia auf Nightshade zu und rammte ihr ihre energiegeladene Faust in den Bauch. Der Treffer warf sie zurück und noch bevor sie sich wieder aufrichten konnte, war Insomnia über ihr und schlug wieder zu. Nightshade konnte gerade noch rechzeitig zur Seite rollen, um dem Schlag zu entgehen. Insomnias Faust traf den Betonboden und hinterließ einen kleinen Krater. Sofort nachdem sie wieder auf den Beinen war, führte Nightshade einen Tritt in die Kniekehle ihrer Gegnerin, doch diese wankte nicht einmal. Insomnia zielte mit einem Schwinger auf Nightshades Kopf. Diese duckte sich und Insomnias schwarz glühende Hand riss eine Kerbe in die Wand des Lagerhauses hinter ihr. Es war äußerst schwierig für Nightshade, diesen Angriffen auszuweichen. Zwar schlug Insomnia mehr oder weniger planlos um sich, aber sie war zu schnell und zu unberechenbar, als dass man ihr lange auf herkömmliche Weise ausweichen konnte. Sie sprang aus geduckter Haltung nach oben und versetzte Insomnia dabei einen Kinnhaken. Zwar gelang es Nightshade damit nicht, sie zu Boden zu schicken, aber sie verschaffte sich wenigstens etwas Luft. Die junge Kämpferin überlegte, ob sie ihre Zeitdehnung einsetzen sollte. Dadurch wäre der Kampf weniger spannend und wesentlich schneller vorbei, aber der Sieg wäre ihr sicher. Insomnias nächster Schlag nahm ihr die Entscheidung ab. Er traf sie genau ins Gesicht und schleuderte sie gegen die Wand. Nightshade schlug hart mit dem Hinterkopf auf, doch sie fühlte sich, als sei sie vorne ebenfalls mit einer Betonwand kollidiert. Während Insomnia Faust voran auf sie zustürmte, aktivierte sie ihr mächtigste Technik. Die Welt um Nightshade wurde dunkler, die Farben verschwammen und alles schien sich in Zeitlupe zu bewegen; außer sie selbst. Sie wartete, bis Insomnia kurz vor ihr war. Dann machte sie einen Schritt zur Seite, lief hinter sie und deaktivierte die Zeitdehnung. Aus Insomnias Sicht war es, als sei ihre Gegnerin plötzlich verschwunden. Sie prallte gegen die Mauer und durchbrach sie glatt. Doch trotz des Schutzes, den ihre dunkle Aura ihr gewährte, tat dieser Zusammenstoß wirklich weh. Nightshade lächelte schadenfroh. Auf diesen Trick war bisher noch jeder hereingefallen. „Daneben!“ rief sie. Mühsam kroch Insomnia aus den Trümmern. Zwar brannte die Flamme noch, doch sie war deutlich geschrumpft und auch ihr Körper war geschwächt. Lange konnte sie nicht mehr durchhalten und auch Nightshade wusste das. „Komm’ schon, hier bin ich!“ rief Nightshade ihr spöttisch zu. Sie war sich sicher, das Insomnia nicht noch einmal in den Kampf zurückfinden würde. Selbst wenn ihre Wut sie noch weiter mit Energie versorgte, würde ihr Körper das nicht mehr lange aushalten. Auch Insomnia wusste das. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Verbrennungen war ihr Körper nicht mehr so leistungsfähig wie früher. Und auch wenn man von den bleibenden Schäden absah, hatte der ständige Mangel an Nahrung und Bewegung dafür gesorgt, dass Insomnias Körper in ziemlich schlechtem Zustand war. Ihre Kraft konzentrierend sprang sie los, holte aus… und verfehlte. Nightshade hatte eben noch leicht rechts von ihr gestanden, doch nun spürte sie einen Schlag von links in ihre Rippen. Insomnia fiel zu Boden und das schwarze Feuer erlosch wieder. Völlig entkräftet, aber noch bei Bewusstsein, blieb sie liegen. „Schade, dass es schon vorbei ist.“ sagte Nightshade. „Aber vielleicht halten deine Freunde ja etwas länger durch.“ Plötzlich stand Insomnia wieder auf und versucht, noch einmal zuzuschlagen. Nightshade war überrascht, aber nicht hilflos: Sie drehte sich herum, wich dem Schlag aus und packte Insomnia von hinten am Kopf. „Du hast mir einen guten Kampf geliefert.“ sprach sie. „Doch wie heißt es so schön: Alles hat ein Ende.“ Mit diesen Worten riss sie Insomnias Kopf mit einem Ruck zur Seite und drückte ihn aus der Bewegung heraus hart auf den Boden. Das Mädchen blieb reglos liegen. Nur ein paar Tränen rannen noch über ihrer Wange. Arachnia und Blaze konnten nicht glauben, was sie gerade gesehen hatten. Tränen standen in Arachnias Augen als sie Nightshade anschrie: „Warum hast du das getan!?! Du hast gesagt, dass das ein fairer Kampf werden soll, aber du hast sie umgebracht! Warum!?!“ Nightshade blieb ungerührt. Nur ein kaltes Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen als sie antwortete: „Unter Kriegern gibt es ein Sprichwort: Frage nicht, ‚Warum den Feind töten?’, frage lieber ‚Warum nicht’! Außerdem: Sieh’s positiv. Sie wird nie mehr Schmerzen haben.“ „Du Monster!“ schrie Arachnia, als sie auf Nightshade zustürmte. Doch Blaze hatte sich in die Luft erhoben und erreichte sie vor seiner Kameradin. Ein etwa einen Meter langer, blauer Flammenstrahl entzündete sich in seiner Hand und er schlug damit wie mit einem Schwert nach Nightshade. Per Zeitdehnung wich sie mühelos aus, packte ihn von hinten und schleuderte ihn gegen die Wand. Als sie gerade nachsetzen wollte spürte Nightshade einen brennenden Schmerz im Rücken. Langsam drehte sie sich um und sah Arachnia hinter sich stehen. Von den krallenförmigen Fingernägeln tropfte Blut: Ihr Blut. „Meinen Glückwunsch.“ sagte sie gelassen, während Arachnia sie mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen anstarrte. „Nicht viele schaffen es, mich zu verletzen. Zwar hast du mich hinterrücks angegriffen, aber immerhin. Eine gute Leistung für jemanden wie dich.“ Zwar waren Arachnias Krallen zu kurz, um durch die Lederplatten an Nightshades Anzug und dann auch noch allzu tief in ihr Fleisch zu schneiden, aber dennoch war das Mädchen überrascht, dass es ihrer Gegnerin scheinbar überhaupt nichts ausmachte; und noch mehr, dass sie überhaupt zu so etwas fähig war. Arachnia war im Grunde ein friedliches Mädchen, dass zwar gerne groben Unfug anstellte, aber niemanden verletzen wollte. Ihre körperlichen Fähigkeiten waren allesamt so gefährlich, dass sie sie eigentlich nie einsetzen wollte. Und nun hatte sie ihrer Gegnerin den Rücken zerkratzt. Was Arachnia jedoch am meisten erschreckte war, dass es ihr nicht einmal Leid tat. Im Gegenteil: Sie spürte den Wunsch danach, ihr noch viel Schlimmeres anzutun. „Warum zögerst du?“ fragte Nightshade sie. „Ich bin zwar verletzt, aber ich stehe noch. Der Kampf kann also weitergehen.“ Arachnia starrte sie weiter an. „Verdammt noch mal! Wieso greifst du nicht an!?“ schrie Nightshade sie an. Arachnia, aus deren Augen immer noch Tränen rannen, antwortete mit zitternder Stimme: „Du hast grundlos meine Freundin umgebracht. Ich wollte nie jemandem wehtun. Aber jetzt will ein Teil von mir DICH tot sehen!“ „Dieser Teil zeigt dir den richtigen Weg: Den Weg zu wahrer Macht. Der Respekt vor dem Leben und die Angst vor dem Tod sind zwei der größten Hürden, die ein Kämpfer überwinden muss. Hör auf die dunkle Seite deines Herzen, den sie hat recht. Komm schon! Du willst mich töten? Versuch’s doch!“ Arachnia konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie sprang auf Nightshade zu und schlug nach ihr doch diese wich ihr mit Leichtigkeit aus, selbst ohne Zeitdehnung. „Du musst schon etwas besser zielen, wenn du mein Blut vergießen willst!“ rief sie ihr spöttisch zu. Da schnitt ein blauer Flammenstrahl knapp zwischen ihnen hindurch und trennte sie. „Arachnia, geh da weg!“ rief Blaze ihr zu. Er schwebte etwa sechs Meter über dem Boden. Arachnia wich zurück und Blaze schleuderte zwei Feuerbälle auf Nightshade. Die beiden Geschosse explodierten an der Stelle, an der Nightshade stand und für einen Moment sah es so aus, als würden die blauen Flammen sie einhüllen. Doch als sich die Flammen auflösten, war sie verschwunden. „Wo versteckst du dich?!“ rief Arachnia. Blaze sah sich um, doch nicht einmal aus der Luft konnte er etwas entdecken. Er konnte sie nicht verbrannt haben; dafür war das Feuer zu schwach gewesen. Außerdem wäre dann zumindest noch Asche von ihr übrig. Auf einmal spürte der weißhaarige Feuermagier einen heftigen Schmerz im Rücken. Nightshade war vom Dach der Lagerhalle gesprungen und hatte ihn mit einem Sprungkick genau ins Kreuz getroffen. Die Wucht des Aufpralls riss ihn aus der Luft. Als Blaze auf dem Boden aufschlug, packte Nightshade ihn, hob ihn hoch und warf ihn in Richtung Meer. Er schlug mit dem Kopf auf der Kante der Kaimauer auf und fiel ins Hafenbecken. „Feigling.“ sagte Nightshade verächtlich. „Er dachte wohl, in der Luft wäre er sicher. Ist nicht wirklich schade um ihn.“ Dann wandte sie sich wieder Arachnia zu und sprach: „Jetzt sind nur noch wir beide übrig. Wenn du mir beweist, dass du es wert bist, lasse ich dich vielleicht am Leben.“ „Hast du denn überhaupt kein Herz!?!“ fragte Arachnia unter Tränen. „Oh, sicher habe ich ein Herz.“ antwortete Nightshade. „Es sitzt unter meiner linken Brust und pumpt Blut durch meine Adern.“ „Du weißt genau, was ich mein!“ rief Arachnia wütend. „Wie kann jemand, der noch so jung ist, so grausam sein? Fühlst du denn gar nichts?!“ „Natürlich habe ich auch Gefühle, doch manche sind nutzlos für mich. Mitleid, Freude, Liebe; so etwas behindert einen Kämpfer nur. Es sind allein die dunklen Gefühle, die einen stark machen. Spürst du nicht, welche Macht dir der Hass auf mich verleiht? Du hast genug Potenzial, um eine große Kämpferin zu werden. Alles, was du tun musst, um es einzusetzen, ist, all die nutzlosen Gefühle über Bord zu werfen und dich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dann hätten dein Leben und deine Kräfte auch einen Sinn und ich hätte endlich einen Gegner, an dem ich mich immer wieder messen kann.“ „Nein!“ rief Arachnia. „Ich wollte diese Kräfte nie haben und es ist mein Ziel, sie wieder loszuwerden! Ich will und werde nie so sein wie du!“ „Wirklich traurig, solch ein Talent zu verschwenden. Ich dachte, du wärst klüger als deine Freunde, aber ich habe mich wohl geirrt.“ sprach Nightshade zu ihr. „Jedenfalls kann ich nicht dulden, dass ein Wesen mit schwachem Geist über einen so starken Körper verfügt. Wenn du nicht aus den Fehlern der anderen lernen willst, dann wirst du ihr Schicksal teilen!“ Nur einen Sekundenbruchteil später spürte Arachnia Nightshades Faust auf ihrer linken Wange. Sie stürze und fürchtete im ersten Moment, dass der Schlag ihr Gesicht zertrümmert hätte. Aus ihrem Mund rann Blut, doch ihre Zähne schienen noch alle an ihrem Platz zu sein. Das Mädchen kam gerade noch rechtzeitig zu Sinnen, um einem weiteren Schlag kommen zu sehen, der diesmal auf ihren Brustkorb zielte. Sie rollte zur Seite, stand schnell auf und sah dabei, wie Nightshade ihren rechten Arm bis zum Ellenbogen in den Betonboden trieb. Arachnia nutzte die Gelegenheit und versetzte ihrer Gegnerin eine Faustschlag in den Magen; was diese allerdings nicht einmal zu spüren schien. Nightshade riss ihren Arm in einer Wolke aus Staub und Betonsplittern aus dem Boden und schwang ihn aus der Bewegung heraus gegen Arachnias rechte Schläfe. Das Mädchen fühlte sich, als sei sie von einem Vorschlaghammer getroffen worden. Sie taumelte, verlor das Gleichgewicht und stürzte erneut zu Boden. Nightshade ging auf sie zu, packte sie am Kragen und stellte sie wieder auf die Füße. „Du willst doch wohl nicht schon schlapp machen, oder?“ fragte sie spöttisch. Arachnia sah, das die Achseln ihrer Gegnerin ungeschützt waren und schlug beiderseits ihre Krallen hinein. Nightshade schrie auf und ließ sie los, doch sie wirkte eher überrascht als ernsthaft verletzt. Arachnia wollte Nightshade nun ihrerseits an der Kehle packen, doch diese riss rechtzeitig die Arme hoch und fing Arachnias Hände mit ihren eigenen ab. Die beiden hielten sich gegenseitig fest. Arachnia grub ihre Krallen in Nightshades Handrücken, doch auch das schien ihr nichts auszumachen. Als letzte Option öffnete die junge Hexe den Mund und zischte ihre Gegnerin scharf an. Nightshade ahnte, was gleich passieren würden. Sie aktivierte die Zeitdehnung, ließ los und bewegte sich ein paar Schritte zur Seite. Ohne den Gegenhalt fiel Arachnia der Länge nach hin und schlug hart mit dem Kinn auf. Bunte Lichter flackerten vor ihren Augen als sie wieder aufstand und sie konnte kaum noch das Gleichgewicht halten. Sie spuckte die Säure, welche für Nightshade bestimmt gewesen war, aus und befühlte ihr Kinn. Es war aufgeschürft und blutete. „Wenn du mich damit erwischt hättest, hätte dein Gift mir glatt die Augen weggebrannt.“ merkte Nightshade an. Sofort darauf musste sie wieder ausweichen, den aus Arachnias Handfläche schoss ein weiterer Säurestrahl auf sie zu. „Wow, du wirst ja langsam richtig skrupellos!“ rief sie provozierend. „Wenn es sein muss, dann werde ich dich töten!“ schrie Arachnia. „Wenn dir das Leben so egal ist, dann kann ich dich ja auch erblinden lassen oder vergiften! Wenn’s sein muss zerreiß’ ich dich auch mit bloßen Händen!“ Mit diesen Worten stürmte sie vor und schlug nach Nightshade. Arachnias Krallen schnitten mehrmals durch ihren Anzug und in ihre Haut, doch Nightshade schien sich keine große Mühe beim Ausweichen und Blocken zu geben. Trotz des langen Kämpfens und der vielen Wunden war die junge Kämpferin nicht einmal ansatzweise Geschwächt. „Du kannst mein Fleisch verletzen, aber mein Wille ist unbesiegbar.“ sprach Nightshade. „Stell dir nur mal vor, wie mächtig du sein könntest, wenn du lernst, die dunkle Energie zu nutzen. Deine Krallen könnten mit einer kleinen Bewegung Stahl durchtrennen, Wunden würden dir nichts mehr ausmachen und deine magischen Kräfte wären nahezu göttlich! Wie kannst du nur solche Möglichkeiten ignorieren?“ „Ganz einfach: Weil ich mein Herz nicht verlieren will! Auch wenn mein Körper noch so scheußlich mutiert ist, meine Herz wird immer das eines Menschen sein!“ antwortete Arachnia. „Menschen sind unvollkommen! Sie sind schwach in Körper und Geist! Ich habe gelernt, dass nur die Starken überleben. Also musste ich meine Menschlichkeit ablegen und zu einem höheren Wesen werden. Ich habe die Macht eines Dämons; was interessiert mich da noch das Herz?“ Bei diesen Worten hörte Arachnia auf, anzugreifen. Mit Tränen in den Augen blickte sie auf Nightshade: Ihre Kleidung zerfetzt, ihre Haut übersät mit blutenden Kratzwunden, die sie ihr zugefügt hatte; und in den Augen ein Funkeln dass ihr nur allzu bekannt vorkam. „Insomnia hatte recht:“ sprach sie. „Du bist eine gequälte Seele. Sieh dich doch an: Du bist verletzt, aber du zwingst deinen geschundenen Körper dazu, weiterzukämpfen. Merkst du denn nicht, dass du Schmerzen mit Stärke verwechselst?“ „Ich mache mir nichts aus Schmerzen. Blut schwächt mich nicht, im Gegenteil: Es turnt mich an!“ antwortete Nightshade energisch. „Sicher habe ich Schmerzen, aber ich ignoriere sie ganz einfach. Und durch meinen Willen und die dunkle Kraft überwinde ich meine körperlichen Grenzen. Ich leide, aber das ist ein geringer Preis für solche Macht. Ich bin übermenschlich und solche Probleme wie Schmerzen sind unter meinem Niveau!“ „Auch wenn du deine Schmerzen verdrängst, sind sie doch trotzdem immer noch da. Verstehst du das denn nicht? Du quälst dich selbst. Außerdem erkenne ich die Wahrheit in deinen Augen: Du hast genau den gleichen Blick wie Insomnia. Unter dieser Hülle aus Dunkelheit ist ein trauriges, kleines Mädchen gefangen, dass sich nach Geborgenheit sehnt. Ich will nicht mehr kämpfen. Nicht die Kraft macht den Helden aus, sondern das Herz. Es ist nicht wichtig, zu gewinnen, sondern für das richtige zu kämpfen. Und ein hilfloses, trauriges Mädchen zu schlagen kann nicht richtig sein.“ „Du also auch.“ antwortete Nightshade erstaunlich gelassen. „Warst du schon immer so weich oder musste Janus dich erst verderben? Aber egal: Wenn du auch nicht stärker werden willst, dann habe ich keinen Grund, dich zu verschonen!“ Mit diesen Worten verschwand sie und das nächste, was Arachnia merkte, war ein Tritt gegen ihren Kopf, der sie Gegen die Wand schleuderte, die durch Insomnia bereits ein Loch hatte. Sie schlug direkt neben dem Loch auf und noch bevor sie von der Wand abprallen konnte, traf Nightshades Faust sie an der gleichen Stelle noch mal. Die Wucht des Treffers drückte Arachnia durch die Wand. Ein Teil des Daches stürzte ein und begrub das Mädchen unter sich. Als sich der Staub legte, schritt Nightshade aus den Trümmern heraus. Sie klopfte sich den Staub von ihrem Anzug und sah sich um: Das Lagerhaus sah aus, als hätte ein großer Ungeheuer ein Stück davon herausgebissen. Zahlreiche Risse und Krater in den übrigen Wänden und dem Boden und vor allem Insomnias regloser Körper zeigten deutlich, wie heftig dieser Kampf gewesen war. Doch der Blick der jungen Kriegerin war so leer, wie ihr Herz. Sie freute sich nicht über ihren Sieg, sie war nicht wütend oder besorgt über ihre Wunden und sie hatte keinerlei Mitgefühl für ihre Gegner. „Schade nur, dass ich wieder keinen würdigen Gegner gefunden habe.“ dachte sie. Sheila war ein sehr starkes, aber auch sanftes und verträumtes Mädchen gewesen. Sie hatte um der sportlichen Herausforderung willen gekämpft und sich sogar gefreut, wenn sie nach einem anstrengenden Kampf verloren hatte. Damals hatte es ihr noch Spaß gemacht, ihre Kräfte mit andern zu messen und ihre eigenen Grenzen zu testen. Doch für Nightshade war das ganze Leben ein einziger Kampf. Wenn sie nicht gerade kämpfte, dann suchte sie nach einem Gegner, der ihrer würdig war. Um Sport ging es ihr schon lange nicht mehr, denn in waren Kämpfen ging es ums Überleben. Sie hatte schon oft mit Gegnern zu tun gehabt, die sie ohne jede Gefühlsregung getötet hätten. Eine Niederlage hätte ihren Tod bedeutet. Deshalb verlor Nightshade niemals. Dank der dunklen Energie kannte ihre Kraft werde Maße noch Grenzen: Sie war unbesiegbar, doch gleichzeitig konnten die Kämpfe ihr auch nichts mehr bieten. Selbst wenn sie nur mit einem Bruchteil ihrer Kraft kämpfte, selbst wenn sie mit ihrem Gegner spielte und das Ende des Kampfes hinauszögerte, sogar wenn sie den Gegner einige Treffer landen ließ; das Ende war immer das selbe. Die Kämpfe waren langweilig geworden, doch sie blieben ihr einziger Lebensinhalt. Das Mädchen namens Sheila war aus der Angst heraus stark geworden. Sie wollte unbesiegbar werden, weil sie fürchtete, sonst verletzt oder sogar getötet zu werden. Sie hatte sogar ihre eigene Seele geopfert um dieses Ziel zu erreichen. Sheila hörte auf zu existieren und Nightshade trat an ihre Stelle. Sheila war innerlich gestorben, weil sie sich so sehr vor dem Tod gefürchtet hatte. Für Nightshade gab es keine Furcht und keinen Tod; nur den Kampf. Und so fristete sie ihr Dasein damit, nach jemandem zu suchen, der genauso war wie sie oder der es zumindest werden könnte. Wehmütig sah sie auf Insomnia herab: Dieses Mädchen, dass über die dunkle Energie gebieten konnte, aber ihr wahres Potenzial nicht nutzen wollte. Am liebsten hätte sie dieses feige Ding gleich noch mal verprügelt. Wie konnte jemand, der körperlich und psychisch so stark war gleichzeitig so schwach im Geist sein? Beinahe hätte sie den Gegner gefunden, nach dem sie sich sehnte. „Vielleicht finde ich niemals jemanden, der mir ebenbürtig ist.“ dachte sie. „Aber ich kann, will und werden nicht aufhören, zu suchen. Nightshade gibt nicht auf!“ Sie wollte das Schlachtfeld gerade verlassen, als sie etwas spürte: Zwei seltsame Auren näherten sich. Die eine war Nightshade vertrauter, als es ihr lieb war. Diese unerträgliche Ausstrahlung, vergleichsweise schwach, aber durchdringen und warm, konnte nur einem Menschen gehören: Janus Angel. Der Junge, den ihr schwächeres Ich „Bruder“ genannt hatte. Doch die andere Aura war absolut außergewöhnlich: Unglaublich stark und nachtschwarz wie ihre eigene, jedoch nicht wild, sondern eher wie eine mühsam gebändigte Bestie. Wer immer es war, dem diese Aura gehörte: Es würde ihr nächster Gegner sein. Als Janus den Hof durch die Tür eines der Lagerhäuser betrat, war Nightshade das erste was er sah. Sie stand triumphieren mit einem Fuß auf Insomnias Körper und blickte ihn mit einem arroganten, eiskalten Gesichtsausdruck direkt an. „Wie üblich zu spät.“ merkte sie in verächtlichem Ton an. „Wenn du schon keine Kräfte zur schnellen Fortbewegung entwickeln kannst, solltest du dir doch wenigstens ein Fahrzeug zulegen. Schade; jetzt hast du meinen Sieg verpasst.“ „Sie haben dir nie etwas getan.“ sagte Janus, wobei er seine Wut und Trauer kaum unterdrücken konnte. „Sie waren keine Gefahr für dich! Du hättest das nicht tun müssen! Warum!?!“ Nightshade lächelte und ging langsam auf ihn zu. „Ganz einfach:“, antwortete sie, „Weil ich es kann. Sie waren stark, aber keiner von ihnen hatte den willen, sich weiterzuentwickeln. Sie haben praktisch aufgegeben und deshalb ist ihr Leben wertlos. Warum trauerst du um diese Schwächlinge? Sie sind es nicht wert und es ist auch nicht schade um sie.“ „Tigeress, Arachnia, Blaze und Insomnia sind Menschen! Verstehst du das denn nicht?! Sie sind meine Freunde und nichts und niemand kann sie ersetzen! Wie kann dir das Leben denn so egal sein, kleine Schwester?“ „Ich bin nicht mehr deine Schwester!“ antwortete sie wütend. „Und klein bin ich auch nicht mehr! Aber in einem Punkt hast du Recht: Sie waren Menschen. Nur Menschen! Sie hätten die Möglichkeit gehabt, ihre Kräfte noch zu verstärken und wie ich zu höheren Wesen zu werden. Aber sie wollten sich nicht Entwickeln! Sie wollten lieber schwach bleiben! Und gerade deshalb konnte ich nicht dulden, dass sie weiterexistieren. Es ist wie in der Natur: Nur die Starken überleben und wer sich nicht weiterentwickeln kann, wird ausgelöscht.“ „Auch du hast in einem Punkt Recht: Du bist nicht mehr das unschuldige Mädchen, das du früher warst. Sheila Angel hätte nie so gedacht. Es wird Zeit, sie zurückzuholen!“ Mit diesen Worten lief er auf Nightshade zu und versuchte, sie zu packen. Sie wich ihm mit Leichtigkeit aus. „Kaum zu glauben, das etwas so jämmerliches vom gleichen Blut ist wie ich.“ meinte sie. „Glaubst du wirklich, dass du mich besiegen kannst, wo du doch nicht einmal einen anständigen Kampfzauber beherrschst?“ „Ich will dich nicht besiegen.“ antwortete Janus. „Ich will dich heilen.“ Wieder griff er an, doch Nightshade verschwand einfach, kurz bevor er sie zu fassen bekam, und tauchte hinter ihm wieder auf. „Heil’ dich erst mal von deiner eigenen Schwäche, bevor du mich herausforderst. Wenn ich nicht spüren würde, dass ein sehr mächtiges Wesen hier in der Nähe ist, würde ich nicht eine Sekunde länger hier bleiben und meine Zeit damit verschwenden, mit dir zu reden.“ „Du bist nicht so stark, wie du denkst. Was du für Stärke hältst, ist nichts weiter als ein Virus, der deine Seele zerfrisst und dir alle guten Gefühle nimmt. Du glaubst vielleicht, dass du die dunkle Energie beherrschst, doch in Wahrheit beherrscht sie dich. Sie zwingt dich dazu, all diese schlimmen Dinge zu tun. Bitte, lass mich dich davon befreien!“ „Ich bin frei!“ rief sie. „Bevor ich diese Macht entdeckt habe, war ich von dir abhängig! Und genau das ist es doch, was du eigentlich willst: Jemand, der sich seiner Fähigkeiten nicht bewusst ist und daher glaubt, dass er auf dich angewiesen wäre! Du willst einen Helden spielen; einen starke Beschützer, obwohl du nur ein jämmerlicher Schwächling bist. Das allein ist doch der Grund, warum du diese dummen Kinder um dich scharst: Damit du sie glauben machen kannst, sie seien schwach und bräuchten dich. Du willst dich aufspielen und deine eigene Schwäche verbergen, indem du dich mit Leuten umgibst, die viel stärker sind als du, aber glauben, schwächer zu ein! Und natürlich tust du alles dafür, dass sie ja ihr wahres Potenzial nicht entfalten können, so wie ich es getan habe! Du hast damals versagt, als du Sheila beschützen wolltest und du hast heute dabei versagt, deine naiven “Schüler“ zu beschützen. Du wirst immer ein Versager und ein Schandfleck auf dem Name Angel bleiben und ich werde nicht meine Macht und meine Freiheit aufgeben, nur weil du neidisch darauf bist!“ „Das, was du Abhängigkeit nennst, ist Liebe.“ antwortete Janus ruhig. „Ich jedenfalls brauche keine übermenschlichen Kräfte und keinen ewigen Kampf, damit mein Leben lebenswert ist. Alles, was ich dazu brauche, sind Liebe und Freundschaft: Etwas, dass dir dank deiner sogenannten Macht verwehrt bleibt. Sag mir Sheila; lohnt sich so ein Leben wirklich für dich? Ohne Frieden, ohne Freunde und ohne Liebe?“ „Frieden ist ein Zeugnis von Schwäche und Feigheit; von mangelndem Kampfeswillen! Freundschaft bedeutet, von anderen abhängig zu sein und Liebe ist nutzlos, weil sie mir keine Energie liefert! Wozu sollte ich mich danach sehnen?! Ich brauche nichts weiter als meine Kraft und einen Gegner, an dem ich mich messen kann: Das ist mein einzig wahres Leben und ich will kein anderes!“ „Das ist kein Leben, Sheila. Du atmest und dein Herz schlägt, aber du lebst nicht wirklich; du existierst nur. Du bist wie eine Maschine: Du magst stark im Kampf sein, aber das ist alles, was du kannst. Du kämpfst nicht, weil du es willst, sondern weil du keinen anderen Grund für deine Existenz hast. Du wirst von einem simplen Programm gesteuert, mit dem Ziel, immer mehr Macht anzusammeln und nie etwas zu tun, was dich “schwächen“ würde. Deine Macht beherrscht dich und du hältst das für freien Willen. Doch letzten Endes führt dein Tun zu nichts. Macht es dich zufrieden? Macht es dich glücklich? Nein! Es geht nur ewig so weiter! Bitte, lass mich dir dein Leben zurückgeben.“ Obwohl sich Nightshade bemühte, völlig unbeeindruckt zu wirken, konnte sie ihren Ärger über diese schwachsinnige Predigt nicht vollkommen verbergen. „Es reicht jetzt!“ schrie sie Janus an. „Wer immer sich in diesem Lagerhaus versteckt, sollte besser rauskommen und sich mir stellen, bevor ich reinkomme und ihn hohle! Und dir rate ich, ja nicht zwischen uns zu geraten!“ Nightshade hatte kaum zuende gesprochen als ein zierlich wirkendes Wesen den Platz betrat. Unter dem dunkelblauen Kapuzenumhang konnte Nightshade nichts von dem Körper darunter sehen, doch die Aura des Neuankömmlings sprach Bände. „Diese Kraft.“ dachte sie. „Sie muss mindestens so stark sein wie ich. Kein Mensch kann so viel Energie in sich habe. Es scheint fast, als besteh dieses Wesen aus dunkler Energie. Könnte es sein, dass… Nein! Unmöglich!“ „Du hast genug Unheil angerichtet, Nightshade.“ sprach das verhüllte Wesen mit einer ruhigen, melancholisch klingenden Mädchenstimme. „Ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder jemandem schaden kannst.“ „Raven, du musst das nicht tun.“ sagte Janus. „Ich möchte nicht, dass du dein Leben riskierst.“ „Doch, ich muss.“ antwortete sie und nahm die Kapuze ab. „Sie hat das Gesetz gebrochen und ist eine Gefahr für unschuldige Menschen. Ich kann und werde sie nicht entkommen lassen.“ „Gut, aber versuch’ bitte, sie nicht zu verletzen. Halte sie nur lange genug an einer stelle. Den Rest erledige ich.“ antwortete Janus darauf. „Wenn das funktioniert, wird Sheila bald wieder sie selbst sein.“ „In deinem Zustand dürftest du kaum noch in der Lage sein, lange Wiederstand zu leisten. Du bist verletzt, Nightshade. Bist du dir sicher, dass du so gegen mich antreten willst?“ fragte Raven ihre Gegnerin. „Wegen der paar Kratzer?“ meinte sie darauf. Aus Ravens Sicht klang es völlig untertrieben. Einige der “Kratzer“ bluteten noch. Zwar würde sie daran wohl kaum verbluten, aber Raven konnte sich nicht vorstellen, dass Nightshade durch die Schmerzen nicht zumindest gestört wurde. Andererseits sah sie immer noch Kampfbereit aus. „Bitte, wenn euch das bisschen Blut stört.“ sprach Nightshade und begann, ihre Energie zu konzentrieren. Sofort begannen ihre Wunden zu heilen und wenige Augenblicke später war nicht einmal mehr eine Narbe zu sehen. Nur die Risse in ihrer Kleidung zeugten noch von dem Kampf, den sie sich zuvor mit Arachnia geliefert hatte. Raven und Janus starten sie einen Moment lang erstaunt und verunsichert an. Dann eröffnete Nightshade den Kampf. Sie verschwand einfach. Kurz darauf spürte Raven etwas hartes mit Wucht gegen ihre Rippen prallen. Nightshade hatte ihr von den Seite einen Sprungkick versetzt. Die junge Magierin wurde zu Boden geworfen, stand aber sofort wieder auf. Nightshade wollte nachsetzen, doch Janus versuchte, sie von hinten zu packen. Sie verschwand wieder und Janus griff ins Leere. „Findet ihr nicht, dass zwei gegen einen unfair ist?“ ertönte Nightshades Stimme. „So wie ihr euch anstellt braucht ihr wohl noch Verstärkung.“ Mit diesen Worten tauchte sie ein paar Meter vor Raven wieder auf und rannte auf sie zu. Janus wollte sie abfangen, doch sie stieß ihn einfach beiseite. Raven sah Nightshades Faust auf ihr Gesicht zukommen und wehrte sie mit einem schwarzen Energiefeld ab. Obwohl der Schild den Großteil der Aufschlagswucht abfing, wankte Raven unter diesem Treffer. Und obwohl Nightshade nicht viel größer als Raven war, steckte eine unglaubliche Kraft ihn ihrem Körper. Ein Hagel schneller Faustschläge und Tritte ging auf Raven nieder und es war nur eine Frage der Zeit, bis Nightshade eine Lücke in ihrer Verteidigung finden würde. Normalerweise hätte nichts ihr Energieschild durchbrechen können, doch Nightshades Angriffe wurden von dunkler Energie verstärkt. Raven wusste, dass ihre Gegnerin die größeren Reserven hatte und sie sich nicht die ganze Zeit nur verteidigen durfte. Raven erhob sich in die Luft und schwebte zum Dach eines der Gebäude. Doch Nightshade folgte ihr mit einem gewaltigen Sprung. Entlang der Küste reihten sich Lagerhäuser und Plätze wie der, auf dem die Creatures gegen Nightshade gekämpft hatten. Die Kontrahentinnen setzten ihren Kampf nun über den Dächern der Hafengebäude fort und entfernten sich dabei immer weiter von ihrem Ausgangspunkt. Janus versuchte, ihnen zu Fuß zu folgen. Dies war so eine Situation, in der er sich wünschte, fliegen zu können. „Es wurde noch nie ein Kampf nur durch Verteidigung gewonnen. Zeig’ mir doch mal, was du wirklich drauf hast!“ rief Nightshade Raven herausfordernd zu. „Wie du willst.“ antwortete Raven ruhig und noch bevor ihre Gegnerin etwas bemerkte, flog eine Holzkiste, umhüllt von einem schwarzen Energiefeld, auf sie zu. Die Kiste traf Nightshade von der Seite mit solcher wucht, dass vom Dach und auf einen der offenen Plätze fiel. Wütend, aber unverletzt, stand sie wieder auf. „Telekinese. Ist das deine einzige Angriffstechnik?“ fragte sie. „Normalerweise brauche ich nichts anderes, um zu gewinnen.“ antwortete Raven und landete ebenfalls auf dem Platz. Nightshade zertrümmerte die Kisten mit einem (für ihre Verhältnisse) leicht Schlag und rief: „Ich verabscheue den Fernkampf! Das ist was für Feiglinge! Mit Kisten werfen kann jeder. Aber was hältst du davon!“ Sie aktivierte ihre zeitverzerrende Aura und verschwand. Nur einen Sekundenbruchteil später versetzte sie Raven einen harten Tritt in den Bauch. Die junge Magierin fiel zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. „So kämpfen echte Helden!“ rief Nightshade. Doch der Triumph währte nur kurz, den Janus hatte sie von hinten gepackt, wobei er ihr die Arme auf dem Rücken hielt. Augenblicklich spürte Nightshade, wie die Aura des Jungen in sie einzudringen versuchte, und wehrte sich heftig. „Fernkampf ist nicht halb so feige, wie unsichtbar zu werden.“ sprach Janus. Während sich Raven gerade mühsam wieder aufrichtete, gelang es Nightshade, Janus’ Griff zu brechen und ihn über die Schulter vor ihre Füße zu werfen. „Gerade jemand, der von hinten angreift, will mir erzählen, was feige ist?! Und außerdem: Ich werde nicht unsichtbar! Ich bin einfach nur zu schnell, als dass so ein Lahmarsch wie du mich sehen könnte! Wenn meine Kräfte so weiter wachsen, wir irgendwann selbst Flash mir gegenüber eine lahme Schnecke sein!“ „Stärker als Superman, schneller als Flash und dabei so hübsch wie Black Canary: Das wolltest du doch früher schon werden, Schwesterchen.“ meinte Janus, der noch immer vor ihr auf dem Boden lag. Nightshade antwortete mit einer Reihe wütender Tritte. Janus machte es jedoch nicht viel aus, denn er wusste, dass mit jeder Sekunde, die er sie ablenken konnte, Raven sich wieder etwas mehr erholen konnte. Tatsächlich sah es für die junge Magierin jedoch nicht gut aus. Nightshades Kick musste einen empfindlichen Punkt getroffen haben, denn Raven hatte enorme Schmerzen. Tränen rannen aus ihren Augen und ihre Willenskraft reichte gerade so aus, um sie auf den Beinen zu halten. „Du meine Güte. Scheinbar bist du wirklich so zerbrechlich, wie du aussiehst.“ meinte Nightshade abschätzig zu Raven. „Weißt du; als ich noch auf deiner Entwicklungsstufe war, konnten mich Schmerzen noch schwächen. Aber ich habe aus diesem Schwachpunkt eine Stärke gemacht: Schmerzen sind Gefühle und lassen sich daher in Energie umwandeln. Ich glaube, du könntest das auch. Versuch’s mal!“ „Damit ich so werde wie du?! Niemals!!“ schrie Raven ihre Gegnerin an. „Wenn mein Energielevel zu hoch wird, übernimmt meine dunkle Seite die Kontrolle über mich. Und glaube mir; das willst du nicht!“ „Na und ob ich das will!“ antwortete Nightshade. „Siehst du nicht, wie stark mich meine dunkle Seite gemacht hat. Du könntest genauso stark wie ich werden!“ „Aber zu welchem Preis!? Ich will meine Seele nicht verlieren. Und außerdem ist meine dunkle Seite viel gefährlicher als es deine je sein könnte. Ich bin ein Halbdämon, Nightshade. Ich bin die Tochter des Erzdämonen Trigon, des Achten Teufels! Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für eine Gefahr in mir trage. Denn auch wenn du sehr stark bist, so bist du doch auch nur ein Mensch.“ Raven hatte kaum zuende gesprochen, als Nightshades Faust ihr Gesicht traf. „Ich bin weit mehr als ein Mensch!“ schrie die Kämpferin sie an. „Ich habe mich über die Grenzen der Menschlichkeit hinweggesetzt! Schon als du dieses Schlachtfeld betreten hast, spürte ich, dass auch du ein Übermensch bist; und weit mehr als nur ein Mensch mit besonderen Kräften! Du weist, wie sich die Macht anfühlt, von der ich träume. Du trägst das Geheimnis zur Allmächtigkeit in dir! Erwecke den Dämon und zeig’ mir deine Macht!“ Raven lag mit tränenüberströmtem Gesicht auf dem Boden. Blut rann aus ihrem Mundwinkel und sie atmete schwer. „Nein. Ich werde… meine menschliche Seele… nicht aufgeben. Auch wenn ich zur Hälfte den Körper eines Dämons habe,… so ist mein Herz doch… menschlich. Und gerade in der Menschlichkeit… liegt das Geheimnis… meiner Kraft. Die Macht des Guten ist etwas,… dass du… schon längst… vergessen… hast;… weil sich die Dunkelheit… in dir… davor scheut.“ „Verdammt noch mal! Es geht hier um dein Leben! Entweder du erweckst deine wahre Macht hier und jetzt oder du wirst das Schicksal der anderen Schwächlinge teilen! Deine Seele oder dein Leben: Entscheide dich!“ „Ich behalte meine Seele;“ antwortete Raven ruhig, „und mein Leben.“ „Du willst es nicht anders!“ schrie Nightshade. „Dann grüß’ deinen Alten von mir!“ Mit diesen Worten aktivierte sie ihre Aura und rannte auf Raven zu, um ihr den entscheidenden Schlag zu versetzen. Doch dann geschah etwas, womit Nightshade nicht gerechnet hatte: Mit einem schmerzerfüllten Schrei bäumte sich Raven noch einmal auf. Ihre schwarze Aura weitete sich explosionsartig aus und Nightshade prallte gegen eine Wand aus purer, dunkler Energie, die sie mit gewaltiger Wucht wegdrückte. Der jungen Kämpferin wurde schwarz vor Augen. Das letzte, was sie spürte, war, wie sie mit dem Rücken gegen die Wand eines der Hafengebäude prallte. Dann nichts mehr: Nur noch endlose Stille und Dunkelheit. Völlig entkräftet sank Raven in die Knie. Ihr ganzer Körper schmerzte furchtbar, doch es hatte sich gelohnt. Die Halbdämonin hatte getan, was Nightshade ihr empfohlen hatte: Sie hatte ihre Schmerzen und ihre überschäumenden Gefühle in Energie umgewandelt. Doch anstatt sich damit selbst zu stärken, hatte Raven die gesamte Energie sofort wieder ausgestoßen; so wie sie es bei Insomnia beobachtet hatte, als diese sie aus ihrem Zimmer vertrieben hatte. Es war riskant gewesen, doch der Angriff hatte gesessen. Sie sah Nightshade bewegungslos neben der Lagerhalle liegen. Janus stand gerade noch rechtzeitig auf, um Raven aufzufangen, als sie zusammenbrach. Erst hatte er noch mit der Entscheidung gerungen, ob er nun ihr oder seiner Schwester zuerst helfen sollte, doch Raven nahm ihm die Entscheidung ab. „Ist alles in Ordnung? Raven, bitte sprich mit mir!“ rief er und schüttelte sie sacht. Raven öffnete die Augen und schaute ihn mit trübem Blick an. „Janus… Ich… so müde…“ flüstere sie. Sie wollte ihren Geliebten umarmen, doch dazu fehlte ihr die Kraft. Janus spürte ihren Wunsch und nahm sie von sich aus in die Arme, wobei er die wohlige Wärme seiner Aura in Ravens geschwächten Körper leitete. Die junge Halbdämonin saugte seine Liebe auf und stärkte sich daran. Als sie sich genug aufgeladen hatte, löste sich Raven von ihm. Beim Aufstehen bemerkte sie jedoch, dass sie alles andere als fit war und Janus musste sie stützen. Zusammen gingen sie zu Nightshade hinüber, die immer noch bewegungslos dalag. Janus fühlte ihren Puls und legte sein Ohr an ihre Brust. Doch er hörte und fühlte nichts; weder Herzschlag, noch Atem. Mit traurigem Blick kniete er sich neben das Mädchen und streichelte liebevoll ihre Wange. „Janus. Das wollte ich nicht.“ sprach Raven leise zu ihm, wobei sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten. „Es tut mir so leid.“ „Ist schon gut, Raven. Du musst dir keine Vorwürfe machen.“ antwortete Janus und lege ihr einen Arm um die Schultern. „Du hast getan, was nötig war. Ich hatte schon befürchtet, dass es irgendwann dazu kommen würde.“ „Aber ich wollte Sheila doch helfen; nicht sie töten.“ schluchzte Raven leise. „Mach dir deshalb keine Sorgen.“ sprach Janus beruhigend zu ihr. „Sie ist nicht tot.“ „Was? Aber… wie...?“ stotterte sie verwundert. „Das, was du hier siehst, ist der Grund, warum Zeitmanipulation so gefährlich ist.“ erklärte Janus ihr. „Nightshades Zeitdehnung war aktiviert, als du sie getroffen hast. Sie verlor das Bewusstsein und kann daher den Lauf der Zeit innerhalb ihrer Aura nicht mehr steuern. Sie ist in einem zeitlosen Raum gefangen und ihr Körper scheint leblos. Aber wenn du dich darauf konzentrierst, dann kannst du ihre Seele noch spüren. So erkennst du, dass sie noch lebt.“ Raven konzentrierte sich und nun nahmen ihre Sinne, die noch von dem Kampf irritiert waren, deutlich Nightshades Aura wahr. Sie war so dunkel wie eh und je, aber nicht mehr aufgeschäumt und wild, sondern vollkommen ruhig: Es war, als würde sie einen traumlosen Schlaf schlafen. Doch nun bemerkte Raven noch eine andere Aura in der Nähe: Eine, die ihr bekannt vorkam. „Ich spüre es auch.“ sagte Janus und lief zur Kaimauer. Er schaute nach unten ins Wasser, stieg eine Leiter hinab und erschien kurz darauf wieder; klatschnass und mit Blaze über der Schulter. Raven wusste, wie kräftig Janus war, doch die Leichtigkeit, mit der er Blaze tragen konnte, ließ sie darauf schließen, dass der Feuermagier für seine Größe ziemlich leicht sein musste. Spätestens als Janus ihn neben sich ablegte, bemerkte Raven, dass der Junge bewusstlos war. Sicherheitshalber überprüfte Janus seinen Körper auf Lebenszeichen. „Er hat wirklich großes Glück gehabt.“ sagte Janus zu Raven, die, immer noch etwas wackelig auf den Beine, auf ihn und Blaze zuging. „Er ist mit dem Gesicht nach oben im Wasser getrieben: Andersherum wäre er ertrunken.“ „Aber dass er nicht untergegangen ist, war wohl mehr als nur Glück.“ meinte Raven. „Blaze hat mir nie etwas über die Funktionsweise oder die Herkunft seiner Kräfte erzählt; und ich habe dazu auch nicht seine Gedanken durchstöbert. Aber bei jemandem, der leicht genug ist um zu schweben, wundert es mich nicht großartig, dass er auch auf Wasser schwimmt.“ erklärte Janus ihr. „Die Beschaffenheit seiner Aura sagt mir, dass er praktisch eins mit dem blauen Feuer ist. Ob es wohl daran liegt?“ überlegte Raven. „Wie auch immer.“ meinte Janus darauf. „Wenn er den Kampf überlebt hat, besteht für die anderen auch noch Hoffnung. Wir sollten uns beeilen!“ Schmerzen. Furchtbare Schmerzen: Das war alles, was Arachnia spürte, als sie erwachte. Als ihre Sinne nach und nach zurückkehrten, merkte sie auch, dass es dunkel um sie herum war und dass sie sich kaum bewegen konnte. Es fühlte sich ähnlich an, als würde sie unter der Decke ihres Bettes liegen: Mit dem Unterschied, dass das, worunter sie lag, nicht weich, sondern steinhart und sehr schwer war. Ihr fiel ein, dass Nightshade sie durch die Mauer gedrückt hatte; und nun lag sie unter den Trümmern. Mit ihrem linken Arm, den sie noch einigermaßen bewegen konnte, drückte Arachnia ein paar der Trümmer weg. Nach einer kurzen Weile hatte sie ihren Kopf und Oberkörper freigelegt und machte sich daran, ihre Beine zu befreien. Dabei bemerkte sie, dass sich ihr rechtes Bein – abgesehen von den Schmerzen – völlig taub anfühlte und sie es nicht mehr richtig bewegen konnte. Das Mädchen sah sich um: Der Kampf mit Nightshade hatte den vorher so ordentlichen Platz in ein Schlachtfeld verwandelt. Ihr Blick fiel dabei auf Insomnia. Ungeachtet ihre Schmerzen richtete sich Arachnia auf, um ihre Freundin zu erreichen, aber schon beim ersten Schritt knickte ihr verletztes Bein ein. Also kroch sie auf ihren unversehrt gebliebenen drei Gliedmaßen auf Insomnia zu. Vorsichtig drehte sie den reglosen Körper auf den Rücken. Als sie – zum ersten mal direkt – in das Gesicht ihrer Freundin sah, fing sie an, zu weinen. „So sollte das doch nicht enden!“ schluchze sie. „Bitte, lass’ mich nicht allein! Bitte …!“ Schier wahnsinnig vor Trauer warf sich Arachnia auf Insomnias Körper und vergrub ihr Gesicht in den Armen. Sie konnte nicht glauben, das nur sie allein den Kampf überlebt hatte; dass zwei ihrer Freunde für ihren Leichtsinn mit dem Leben bezahlt hatten, aber sie selbst dennoch am Leben war. Ein Teil von ihr wünschte sich, dass sie anstelle von Insomnia und Blaze gestorben wäre und ein anderer sehnte sich danach, ihnen zu folgen und im Jenseits vielleicht wieder mit ihnen zusammen zu sein. Die Creatures waren die einzigen Freunde, die Arachnia je gehabt hatte; und nun hatte sie zwei von ihnen verloren. Von ihrem Schmerz und ihrer Traurigkeit abgelenkt bemerkte Arachnia nicht, wie Insomnia langsam die Augen öffnete. „A… rachina? Was… was ist… passiert?“ sprach sie zu ihrer Freundin. Sie stöhnte dabei, als würde ihr selbst das Sprechen Schmerzen bereiten. Als Arachnia ihren Kopf hob und Insomnia wach und lebendig sah, traute sie zuerst ihren Augen nicht. „Warum… weinst du denn?“ fragte Insomnia leicht verwirrt. Doch anstatt zu antworten, fiel ihr das Mädchen um den Hals und drückte sie fest an sich. „Insomnia! Ich dachte schon, ich hätte dich für immer verloren!“ rief sie, immer noch weinend. „Aua! Bitte… lass’ los! Du… tust… mir weh!“ rief Insomnia und versuchte, sich aus der festen Umarmung ihrer Freundin zu befreien. Abgesehen davon, dass sie es nicht gewohnt war, so geknuddelt zu werden, tat es ihr auch wirklich weh. Zum Glück ließ Arachnia sofort los. „Entschuldige bitte. Aber ich bin so glücklich, dass du noch lebst! Wie ist das möglich? Ich hab’ doch gesehen, wie Nightshade dir das Genick gebrochen hat!“ „Nicht gebrochen, aber zumindest verrenkt“ antwortete Insomnia und faste sich an den Nacken. „Aber ich glaube, wenn Nightshade es wirklich gewollt hätte, dann hätte sie mich töten können. Schade eigentlich…“ „Schade!?!“ rief Arachnia entsetzt. „Jetzt sag bloß nicht, du wolltest sterben!?!“ „Der Tod wäre eine Erlösung für mich gewesen: Die Erlösung von meinen Schmerzen. Ich sehne mich jede Sekunde meines Lebens danach, in Frieden ruhen zu können.“ „Du glaubst wirklich, dass du für deinen Frieden sterben musst!?“ „Ich weiß keinen anderen Weg. Durch meine Aura, die mich schütz und gleichzeitig quält, kann ich auch nicht darauf hoffen, einen normalen Tod zu sterben.“ antwortete Insomnia traurig. „Aber warum sorgst du dich darum? Hast du dich nicht selbst auch nach meinem Tod gesehnt?“ In Arachnias Schmerz und gleichzeitige Freude, begann sich Wut zu mischen. „Ich wollte nie, das irgendjemand stirbt! Und du schon gar nicht!“ schrie sie. „Ich habe mir gewünscht, dass du nicht mehr leiden musst, aber so hab’ ich das doch nicht gemeint!“ Aus Arachnias Wut wurde wieder Traurigkeit. Schluchzend und mit tränenüberströmten Gesicht sprach sie: „Du bist doch meine Freundin! Ich brauche dich; ebenso sehr wie ich Tigeress, Blaze und Janus brauche. Du würdest mir sehr fehlen.“ Insomnia schaute sie ungläubig an. „ICH würde dir fehlen? Was habe ich denn je für dich getan, dass du mich deswegen vermissen würdest? Alles, was ich tue, ist, allen um mich herum Sorge, Trauer und Schmerzen zu bereiten. Wäre es nicht besser für alle, wenn ich fort wäre?“ „Nein, wäre es nicht!“ schrie Arachnia sie an. „Wenn es so wäre, dann sollten wir alle nicht existieren! Glaubst du vielleicht, Janus hätte dich bei sich aufgenommen, wenn er glauben würde, dass du eigentlich gar nicht leben dürftest?! Wir alle sind Sorgenkinder und Janus kümmert sich aus nur einem Grund um uns: Damit wir und der Rest der Welt mit unseren Problemen und Eigenarten leben können. DAS ist das beste für alle!“ „Du glaubst also,… es gibt noch Hoffnung? Auch für mich?“ „Ich weiß es. Solange du lebst, besteht immer Hoffnung.“ „Aber wie soll diese Hoffnung für jemanden wie mich aussehen? Ich kann meine Kräfte nicht für gute Zwecke einsetzen und ich werde auch nie mehr so schön sein wie früher!“ Mit diesen Worten fing auch Insomnia an zu weinen. Arachnia jedoch lächelte sie freundlich an uns streichelte tröstlich ihre Schulter. „Und wenn ich mir dich so ansehe: Dein Gesicht ist nicht annähernd so hässlich, wie du denkst.“ Als sie das hörte, starrte Insomnia ihre Freundin erst verwundert, dann entsetzt an. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Maske nicht mehr aufhatte. Obwohl sie sehr schwach war, drehte sie sich um und verbarg ihr Gesicht. „Meine Maske!“ rief sie verzweifelt. „Wo ist meine Maske?!“ Arachnia schaute sich um und sah die Maske ganz in der Nähe auf dem Boden liegen. Sie musste sich nur etwas strecken, um sie aufzuheben. „Hier! Ich hab’ sie. Aber ich glaube kaum, dass du die noch aufsetzen kannst.“ Eine der Nähte war aufgegangen, als Nightshade ihr die Maske vom Kopf gerissen hatte. „Abgesehen davon brauchst du das Teil doch gar nicht!“ „Gib her!“ fauchte Insomnia sie an und nahm ihr die Maske schneller aus der Hand, als sie schauen konnte. Zwar bemühte sie sich, die Maske aufzusetzen, aber sie wollte nicht mehr richtig sitzen, sodass zumindest ihre linke (die weniger verletzte) Gesichtshälfte frei blieb. Arachnia seufzte und legte erneut ihre Hand auf Insomnias Schulter. „Hey, du hast es doch nicht nötig, dich zu verstecken! An deinem Gesicht ist wirklich nichts schlimmes.“ sprach sie tröstlich. „Willst du mal was wirklich ekliges sehen?“ Zögerlich schaute Insomnia ihre Freundin an und sah, wie sie ihre Maske abnahm. Im Gegensatz zu ihrer eigenen hatte Arachnias Maske die Form einer Brille oder Karnevalsmaske mit einem Spinnenmotiv darauf. Ihr Gesicht sah ganz normal aus; bis auf zwei kleine, schwarze Halbkugeln auf der Mitte ihrer Stirn, leicht oberhalb ihrer Augen. „Was sind das für… Dinger?“ fragte Insomnia vorsichtig. „Augen.“ antwortete Arachnia knapp. „Ein zusätzliches Paar Spinnenaugen. Das ist eine meiner unschönen Mutationen und ein Grund, warum ich meine “Superkräfte“ loswerden will.“ Sie klang ziemlich ernst dabei, wie man es eigentlich nicht von ihr gewohnt war. „Glaub mir’: Ich weiß nur zu gut, wie du dich fühlst. Wenn man zum Teil eine Spinne ist, hat man auch nicht gerade viele Freunde. Vor mir ekeln sich die Menschen wegen meiner Mutationen, aber ich glaube, bei dir ist es eher deine Aura. Apropos: Die war auch schon mal schlimmer.“ Allein schon, dass Arachnia sie so einfach berühren konnte, wunderte Insomnia sehr. Doch dann, als sie einen Moment lang in sich hinein fühlte, begriff sie es: Ihre Schmerzen waren verschwunden. Zwar tat ihr gesamter Körper so weh, dass sie nicht einmal aufstehen konnte, aber zum ersten Mal seit Jahren fühlte Insomnia keine inneren Schmerzen mehr. Das dunkle Feuer in ihrer Seele war erloschen. Dieses Gefühl war ihr völlig fremd geworden. Anstelle des Seelenschmerzes fühlte sie eine seltsame Leere in sich. Seltsam, aber nicht unangenehm. „Meine Seele… Sie brennt nicht mehr. Keine Schmerzen… Aber… wie…?“ stotterte sie leise. „Ist doch jetzt egal!“ rief Arachnia aufmunternd. „Aber das ist es, was ich gemeint hab’: Jetzt hast du eine Gelegenheit, etwas gutes aus deinem Leben zu machen!“ „Etwas… gutes?“ Insomnia nahm ihre Freundin schon gar nicht mehr richtig wahr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt der Leere. Keine Schmerzen: Dieses Gefühl war ihr so fremd geworden. Und doch fühlte es sich seltsam vertraut an. „Ja,“ flüsterte sie, während Tränen über ihr Gesicht rannen. Sie lag auf dem Rücken und atmete tief. „Es ist gut… Keine Schmerzen mehr… Es tut so…“ Mit diesen Worten schloss sie ihre Augen und ihr Kopf sank zur Seite. Völlig erschöpft, aber glücklich, schlief sie ein. „Schlaf schön, Kathrin. Ruh’ dich aus.“ sprach Arachnia leise zu ihr, während sie ihr zärtlich die Wange streichelte und ihr dabei ein paar Tränen abwischte. Die Haut war samtweich und zart; wie ihre Seele. Arachnia wusste, dass seelische Narben nur verheilen konnten, wenn man es zulässt. Auch wenn Kathrins Körper nie wieder so sein würde wie früher, hatte sie nun zumindest eine Gelegenheit, ihre Seele heilen zu lassen. Sie sah sich nach dem Halsband um und fand es ein paar Meter von ihr entfernt. Ungeachtet ihrer eigenen Schmerzen kroch Arachnia darauf zu, hob es auf und brachte es zu ihrer schlafenden Freundin zurück. Sie hielt es kurz in den Händen und betrachtete es: Ein silberner Ring mit einem leichten, blauen Glanz. Ein Scharnier hielt die beiden Hälften hinten zusammen, genau gegenüber lag der Schließmechanismus. Die Oberfläche war abgerundet und glattgeschliffen. Es war nicht das erste mal, dass Arachnia dieses Halsband in Händen hielt. Tatsächlich hatte sie bei der Herstellung mitgewirkt: Sie hatte das Parium selbst nach einer alten Alchemieformel hergestellt. Janus hatte gesagt, dass diese Halsbänder eher Schmuckstücke als Fesseln sein sollten, doch es war nicht zu übersehen, wofür sie gemacht waren. Arachnia hatte eine gewisse Abneigung gegen Fesseln und so ziemlich alles andere, was einem die Freiheit nehmen konnte. Daher fiel es ihr nicht leicht, den Kopf ihrer Freundin vorsichtig hochzuheben und ihr das Halsband umzulegen. „Es schadet ihr nicht.“ sagte sie in Gedanken zu sich selbst. „Im Gegenteil: Es beschützt sie.“ Doch ein gewisses Unbehagen blieb dennoch in ihr zurück. Als Arachnia sich kurz von dem Anblick losreißen konnte, sah sie Raven und Janus hinter einem der Gebäude auftauchen. Janus trug Blaze auf den Armen und Raven wirkte sehr erschöpft, als habe sie kaum noch Kraft zum Laufen. Kommentar des Autors: Memo an mich selbst: Mach’ nie wieder eine Vorhersage, wie lang eine FanFic wird, bevor sie fertig ist! -.-° Eigentlich sollte die Geschichte ja hier schon zu Ende sein, aber euch interessiert ja sicher noch, wie es jetzt mit Raven, Janus und den Creatures weiter geht. Also mache ich noch ein (diesmal wirklich ^^°) abschließendes Kapitel, in dem ihr erfahrt, wie es um die Charas steht. Nur soviel vorweg: Es stirbt keiner; zumindest nicht wirklich… Ach ja: Bilder von den Creatures sind auch schon in Arbeit. ^-^ Euer Rokuro. Empfehlung an den Hofhund. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)