Darkness- the ultimate Version von DesertFlower (Mary-Rose & Co in verbesserter Version) ================================================================================ Kapitel 4: Der Strohalm, der einen über Wasser hält --------------------------------------------------- Kapitel 4 Die Stunden ziehen sich. Jede Minute erscheint mir wie eine Stunde. Sechzig Minuten, dann senkt sich endlich die Sonne und die Nacht zieht sich wie ein dunkler, mit hell leuchtenden Diamanten bestückter, Schleier über Graz. Dann werde die Straßenlaternen erstrahlen und ich kann endlich den Zentralfriedhof aufsuchen. Nur noch wenig Sand muss durch die Sanduhr der Zeit rieseln dann kann ich meine beste Freundin endlich wieder in die Arme schließen. Momentan sitze ich in einem Fastfoodladen direkt gegenüber des Friedhoftores. Ich habe den Gottesacker im Laufe des Tages bereits schon aufgesucht um mich bei Nacht besser orientieren zu können, doch ich zweifle dass mir dies etwas nützen wird. Denn diese Begräbnisstätte trägt ihren Namen nicht umsonst. Das Areal ist kaum zu überblicken und erstreckt sich über einige Kilometer. Schon alleine dieses sieben Meter große und fünf Meter breite Tor, gebaut aus Metal, roten Ziegelsteinen und kunstvoll eingearbeiteten weißen Basalten imponiert einem. Bei längerem Betrachten nimmt es einem wirklich die Luft. So schön ist es anzusehen. Dieses Tor thront wie ein Wächter. Schweigsam, stark und mächtig, zeigt es einem den Eingang zu der Ruhestätte der Toten an. Fast macht dieses Tor den Anschein dass es, jeden der hier unerwünscht ist, den Weg versperrt. Während ich mir ohne Pause lustlos Pommes in den Mund stopfe betrachte ich diesen Eingang immer wieder von Neuem aus der Fensterscheibe. Der Anblick fesselt mich nahezu. Sarah hatte schon immer einen guten Geschmack. Kein Wunder dass sie sich den Zentralfriedhof als neues Zuhause auserkoren hat. Doch wenn ich so darüber nachdenke, nehme ich wieder den Schatten neben mir wahr. Und diesmal deutlicher als je zuvor. Quälende Fragen tauchen wieder auf und ich stoppe die Nahrungsaufnahme. Mein Blick wird von Tränen verschleiert und meine Körperhaltung apathisch. Völlig abwesend blicke ich dieses Tor an und stelle mir eine Frage immer wieder. Warum will ich Sarah finden? Ja, warum eigentlich? Sie ist kein Mensch mehr. Schon seit sieben Jahren wandelt sie als ein Kind der Nacht auf Erden. Und trotzdem, sie ist die einzige Person die mir noch geblieben ist. Bei diesem Gedanken tritt wieder der Schmerz in den Vordergrund. Er ist so stark dass er mich zerfrisst. Ich fühle mich so grenzenlos alleine. Ich habe nichts mehr. Das ganze Geld was mir meine Eltern überlassen haben, nützt mir nichts. Absolut nichts. Was soll ich denn mit einem Haufen Geld wenn ich ganz alleine bin? Geld macht nicht glücklich. Es ist nicht das Wichtigste was es gibt. Viel bedeutsamer ist das eigene Wohl. Ich wäre viel lieber arm und hätte noch meine Eltern. Ich würde sogar auf der Straße leben, wenn nur Vater und Mutter bei mir wären. Aber das ist nicht möglich. Ich nehme den Anhänger von Jeff aus meiner Tasche und sehe ihn an. Ein goldener Kreis in dem ein verkehrtes Kreuz eingraviert ist. Meine Finger spielen mit der Kette auf dem der Anhänger baumelt und ich schließe die Augen. Mit den Fingerkuppen nehme ich das kühle Material wahr und ich spüre wie sich eine angenehme Ruhe in meinem Körper ausbreitet. Es ist wirklich wahr. Okkultische Gegenstände tragen eine große Macht in sich. Selbst so ein unscheinbarere Anhänger wie dieser, in meinen Händen, vermag die Ruhe in meinen Körper einkehren zu lassen. Und ich bin darüber sehr dankbar. In den vergangenen Tagen hatte ich kaum Zeit mich auszuruhen. Das gedankliche Chaos nahm einfach überhand und ich fiel. Immer tiefer und tiefer, unaufhörlich weiter in die Dunkelheit. Niemand der mich sah und sieht kann glauben dass ich mich verloren habe. Kein Mensch kann begreifen dass ich längst aufgegeben habe zu leben. Für was soll ich denn leben? Um noch mehr Schmerz und Leid zu erfahren? Um noch mehr Qualen zu erleiden? Bin ich etwa dafür auf die Welt gekommen? Um einen Weg des Kummers zu beschreiten? Begleitet von Flüssen der Tränen und Bergen des Seelenschmerzes? Ist dies meine Aufgabe die ich hier auf Erden zu bewältigen habe? Wenn dem so sei, dann bin ich an der mir gestellten Aufgabe kläglich gescheitert. Wenn Gott wirklich für jeden Menschen ein besonderes Schicksal auserkoren hat, so habe ich bei meinem wirklich versagt. Wollte der Allmächtige wirklich dass ich so leide? Hat er mir zuerst eine wundervolle Familie gegeben um sie mir dann wieder zu entreißen? Vermutlich stimmt es wirklich dass Gottes Wege unergründlich sind. Ich öffne seufzend meine Augen und hänge mir die Kette um den Hals. Es nützt nichts wenn ich jetzt mit meinem Schicksal zu hadern beginne. Dafür ist es zu spät und ich besitze die nötige Kraft dafür schon lange nicht mehr. Ich beschließe das Restaurant zu verlassen und mich langsam auf den Weg in den Friedhof zu machen. Die Sonne senkt sich bereits allmählich und die Nacht hält Einzug. In frischer Kleidung nehme ich meine Koffer und verlasse das Restaurant. Immer vor Augen mein Ziel, Sarah zu finden. Als ich das Restaurant verlasse bemerke ich dass der Regen nun endlich aufgehört hat. Im Licht der angehenden Straßenlaternen glänzt die asphaltierte Straße und spiegelt die Feuchtigkeit wieder. Die Lichter der Autos reflektieren so stark dass ich blinzeln muss und mich beeile aus deren Reichweite zu kommen. Mit ausgreifenden, kraftlosen Schritten überquere ich die breite Schnellstraße und bleibe kurz vor dem eindrucksvollen Tor stehen. Ich kann mich einfach nicht daran satt sehen. Dieser Eingang hat etwas mystisches, geheimnisvolles, dass sich einfach nicht in Worte fassen lässt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen dass dieses Tor die Pforte in eine andere, vor Menschen verborgene, Welt ist. Ich ziehe noch einmal die feuchte Regenluft ein und durchquere dann mit gestrafften Schultern das Tor. Es sind nur noch sehr wenige Leute am Friedhof die aber alle bald den Heimweg antreten werden. So schnell ich kann verlasse ich den vorgeschrieben Weg und verstecke hinter einer alten Eiche meine Koffer. Denn mit ihnen sehe ich aus wie ein Landstreicher der es sich hier am Friedhof bequem machen will. Und wenn ich kurz vor meinem Ziel daran scheitern würde weil mich ein Friedhofswächter hinauswirft, dann habe ich wirklich keine Kraft mehr. Also gehe ich lieber kein Risiko ein und setze meinen Weg ohne Gepäck fort. Die Kieselsteine unter meinen Stiefel knirschen und ich halte nach einer Gruft, Kapelle oder sonstigem Gemäuer Ausschau. Sarah wird wohl kaum aus einem Grab steigen. Aber was mache ich wenn sie auch nicht hier ist? Wo soll ich dann suchen? Zweifel nagen an mir. Ich schüttle den Kopf, wie ein Pferd dass sich von lästigen Fliegen befreien will. Ich darf jetzt nicht daran denken was sein könnte wenn ich Sarah nicht finde. Noch habe ich Hoffnung. Ein kleiner Funke Hoffnung ist noch nicht erloschen. Als ich mich schließlich aus meinen schweren Gedanken befreien kann, erblicke ich ganz am Ende des Friedhofes, neben einer Laterne eine alte, verfallene Gruft. Im schummrigen Licht der Lampe sieht sie noch heruntergekommener und noch modriger aus. Angetrieben von meiner Hoffnung und dem innigen Wunsch meine beste Freundin endlich wiederzusehen, beginne ich zu laufen. Meine Füße fliegen beinahe über den Kiesweg der von den Lichtern der Kerzen auf den Gräbern erhellt wird. Nach einigen Minuten, die ich durch die nun eingetretene Dunkelheit gelaufen bin, stehe ich vor der Gruft. Von nahem sieht dieses Grabgewölbe noch viel schäbiger aus. Efeu rangt sich um die beiden Säulen und die Angeln der Flügeltüre sind schon mehr als bloß rostig. Auch die Mauer hat die Gezeiten nicht schadlos überstanden. Tiefe Risse ziehen sich vom Sockel bis zum Dach hinauf und so manches Getier hat darin sein Zuhause gefunden. Langsam, fast in Zeitlupe, steige ich die Treppen hinauf und lege meine Hand auf den verrosteten Türknauf. Fest umfasse ich ihn, halte den Atem an und schließe die Augen. Innerlich betend hoffe ich dass meine beste Freundin wirklich in dieser Gruft lebt. Ich bin der Suche langsam müde und meine Kräfte sind schon beinahe verbraucht. Zwar sind hier noch einige Kapellen und Krypten, doch keine sieht mir danach aus als ob Vampiren dort hausen würden. Doch plötzlich nehme ich dumpfe, leise Stimmen wahr. Und sie kommen aus dem Inneren der Gruft. Jetzt oder nie! Mit lautem Quietschen, dass mir durch Mark und Bein geht. öffne ich die Türe und wage es nicht zu atmen. Blitzschnell gleiten meine Augen über die Personen im Raum. Und plötzlich setzt mein Herz aus. Das Blut gefriert mir in den Adern und ich höre nur noch das Pochen meines Pulses. Laut und tief dröhnt es in meinen Ohren. Mein Blick verklärt sich und meine Beine drohen jeden Moment einzuknicken wie Streichhölzer. "Mary?!" Höre ich meinen Namen rufen und erwache so schnell aus meiner Trance wie ich in sie gefallen bin. Ich blinzle einige Male und lasse dann die Klinke los, die ich noch immer fest umklammere. „Sarah.“ Flüstere ich mit tränenerstickten Stimme und falle meiner besten Freundin schluchzend in die Arme. Endlich habe ich Sarah gefunden. Meine Suche hat nun ein Ende gefunden. "Mary, was machst du denn hier? Wie hast du mich gefunden? Und überhaupt, was ist denn passiert?" Sarah drückt mich ein Stück von sich weg und sieht mich mit großen braunen Augen an. „Weißt du....meine Eltern......sie sind....dieser Autounfall......der Lenker des anderen Fahrzeuges....er war betrunken.....und ich wusste nicht wohin ich sollte. Meine Eltern...sie...sie sind tot.“ Weine ich kraftlos und vergrabe mein Gesicht in Sarahs Halsbeuge. „Ach Süße. Los komm, wir gehen woanders hin. Dort erzählst du mir alles ja? Jetzt wird alles wieder gut. Du bist bei mir.“ Sarah drückt mich fest an sich und führt mich dann aus der Gruft ins Freie, wo wir auf einer Bank platz nehmen. Die ganze Zeit über hält sie mich fest im Arm und lässt mich nicht los. „So und nun erzählst du mir was geschehen ist. Du bist ja völlig durch den Wind. Oh Mary.“ Meine beste Freundin wischt mir die Tränen von den Wangen und lächelt mich sanft und warmherzig an. Nachdem ich mich etwas beruhigt und gesammelt habe beginne ich stotternd zu erzählen was geschehen ist, welchen Schicksalsschlag ich einfach nicht verkraftet habe. Nach gut fünf Stunden, in denen Sarah und ich durch den Friedhof spaziert sind und ich etwas zu trinken gekauft habe, ist all meinen Kummer von der Seele gesprochen und fühle mich erleichtert. Große Felsbrocken sind von meinem Herzen gefallen und zum ersten Mal seit Wochen kann ich wieder richtig durchatmen. Selbst der Schatten ist durchsichtiger geworden. Der Schmerz in meinem Körper ist plötzlich erträglich und ein kleines bisschen Glück sucht sich einen Platz in meinem Herzen. "Mary. Das ist ja furchtbar. Natürlich kannst du bei mir bleiben. Ich werde dich nicht mehr gehen lassen. Du wirst ab sofort bei mir leben. Mach dir keine Sorgen. Ich bin für dich da. Und gemeinsam werden wir das ganz bestimmt schaffen. Ich verspreche es dir. Du wirst nie mehr alleine sein." Sarah blickt mich festentschlossen und dennoch lächelnd an. Ich kann nur schwach nicken, für ein Lächeln fehlt mir dennoch jegliche Kraft. Arm in Arm, gehen wir wieder dann wieder zur Gruft zurück. Während die Gruft immer näher kommt mustere ich meine beste Freundin. Sie hat sich in den sieben Jahren kein bisschen verändert. Noch immer sind ihre hellbraunen, gewellten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre dunkelbraunen Augen ruhen so warm und vertraut auf mir dass ich glaube niemals von Sarah weggewesen zu sein. Einzig und alleine ihre blasse, pergamentartige Haut weißt darauf hin dass sie nun kein Mensch mehr ist. Als wir die Gruft betreten muss ich meinen Blick gezwungener Maßen von ihr abwenden und lasse ihn in das Innere des Gemäuers gleiten. Einige Vampire befinden sich hier und beäugen mich kritisch. Ihre hungrigen, lüsternden Blicke spüre ich am ganzen Körper und fühle mich mit einem Mal sehr, sehr unwohl. Sarah scheint dass zu merken und nimmt mich an der Hand. Ich kann ihre weiche, kalte Haut fühlen die sich sanft an meine schmiegt. "Da bist du ja wieder, Sarah." Sagt plötzlich ein großer Vampir und dreht sich zu uns um. "Hallo Sebastian." Sarah lässt meine Hand los und geht auf den Vampir, dessen Namen Sebastian ist, zu und küsst ihn sachte lächelnd. Ich nutze die Zeit und betrachte ihn genauer. Er trägt ein schwarzes Seidenhemd und eine schwarze Stoffhose. Seine bleiche Haut wirkt dadurch noch viel weißer und bildet somit einen unheimlich starken Kontrast zu den rabenschwarzen Augen. Das einzig Helle an diesem Vampir sind seine Haare. Ein kräftiges Dunkelblond das im Licht der Kerze seidenartig schimmert. Mir fällt auch sofort die schwarze Kette mit einem verkehrten Kreuz an seinem Hals auf. "Hast du uns Abendessen mitgebracht?" fragt er und mustert mich genauso eingehend wie ich es zuvor bei ihm getan habe. Unter seinem Blick fühle ich mich schwach und nackt. Denn Sebastian betrachtet mich als Beute und nicht als Individuum. "Nein. Das ist Mary-Rose. Meine beste Freundin. Ich habe dir doch von ihr erzählt. Weißt du noch? Sie ist kein Essen!" meint Sarah sogleich und kneift Sebastian spielerisch in die Seite. "Du bist also Mary-Rose. Sarah hat mir schon viel über dich erzählt. Endlich lerne ich dich persönlich kennen. Ich freue mich dich in unserem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen." Meint der blonde Vampir freundlich und streckt mir die Hand hin. Sein Blick wird weicher und ein wenig wärmer, sofern dies bei einem Untoten möglich ist. "Mich auch." Lautet meine knappe Antwort ehe ich ihm kurz seine Hand schüttle. Ich spüre dass auch seine Hand kalt ist. Dennoch ist Sebastians Haut rau und nicht so weich wie die von Sarah. "Was führt dich denn zu uns?" will er wissen. "Sebastian das erzähle ich dir später. Wichtig ist nur, dass sie bei uns bleiben wird." Erklärt Sarah und lächelt Sebastian an. "Was? Wie stellst du dir dass denn vor? Sie ist ein Mensch. Wir sind Vampire. Sie kann unmöglich bei uns bleiben. Und überhaupt, wir haben keinen Platz. Die Gruft ist so schon zu klein." Meint ein großer Vampir mit fast silbernen Haaren und mustert mich misstrauisch. Seine hellgrauen Augen sehen mich dabei herablassend und abwertend an. "Das ist kein Problem. Ich werde sie nicht mehr alleine lassen. Wir werden schon eine Möglichkeit finden. Bitte." Sarah sieht Sebastian fast flehend an. "Na gut. Aber nur weil du es bist. Sonst nicht." sagt Sebastian und küsst meine beste Freundin. Plötzlich geht hinter mir die Türe auf und ich reiße ungläubig meine Augen auf. "Na sieh mal an. Ich hätte nicht erwartet dich hier zu treffen." Sagt eine Stimme die ich noch gut in Erinnerung habe. Ich reibe mir die Augen, blinzle einige Male, doch meine Augen zeigen mir immer ein und die selbe Person. Alex. "Was machst du denn hier?" frage ich und ein genervter Unterton schwingt in meiner Stimme mit. Ich hätte jetzt jeden erwartet, nur nicht diesen gesprächigen, jungen Mann, der mir mit seiner Konversation im Zug auf den Nerven herumgetrampelt ist. "Klingt ja sehr erfreut. Hört sich fast so als würdest du dich nicht freuen mich zu sehen." Alex lächelt und seine spitzen Eckzähne kommen zu Vorschein. "Tu ich auch nicht." knurre ich und trete einen Schritt zurück um ihn und die restlichen Vampire samt Beute eintreten zu lassen. Nachdem alle im Inneren der Gruft sind schließe ich die Türe und lehne mich gegen sie. "Danke!" sagt Alex und grinst mich frech an. Ich nicke nur teilnahmslos und mustere ihn heimlich. Er ist mir unsympathisch. Ich mag ihn nicht. Schon im Zug hat spürte ich eine gewisse Abneigung gegen ihn. Alex ist mir zu aufdringlich, zu frech und zu neugierig. Plötzlich prallt jemand gegen mich und holt mich aus den Gedanken. Sekunden später nehme ich war wie sich Hände um mich schlingen, Finger sich in meine Haut bohren und Tränen meinen Pullover durchnässen. Verwundert wende ich meinen Blick nach unten und erblicke eine junge Frau in meinem Alter. Ihre braunen Augen sind von Tränen verschleiert und panisch aufgerissen. Ihre Haut ist vor lauter Angst krankenhausweiß und ihre Lippen haben jegliche Farbe verloren. Sie trägt ein rotes Minnikleid die passende schwarze Netzstrumpfhose dazu und einen Mantel darüber. Laut weint und schreit sie um Hilfe. "Lass mich los. Ich kann dir nicht helfen. Los mach schon." Ich stoße sie von mir. Was kann ich schon tun. Ihr Schicksal wurde besiegelt als sich ihr Weg mit dem eines Vampirs kreuzte. Doch die junge Frau klammert sich wieder an mich. Diesmal fester als zuvor. Langsam beginnen meine Arme unter diesem enormen Druck zu schmerzen. Sie verstärkt ihren Griff und sieht mich an. Ihr hängt das braungelockte Haar ins Gesicht und sie bringt all ihre Kraft auf um sich an mich zu klammern. Und ich kann nichts dagegen tun. Kann mich nicht wehren. Dafür habe ich wirklich keine Kraft mehr. Die Müdigkeit in meinen Knochen hat nun auch die letzten Kraftreserven aufgebraucht und ich fühle mich schlapp und müde. Abgesehen davon entwickeln Menschen in Todesangst immense, beinahe monströse, Kräfte. "Bitte. Du musst mir helfen. Ich werde sonst sterben. Ich will nicht. Ich bin noch so jung. Ich will doch Sängerin werden und viel Geld verdienen dass ich dann ausgeben kann." Fleht die junge Frau im Dialekt doch ich verstehe nur einige Brocken davon. Doch genug um wütend zu werden. Ich schlinge meine Arme nun ebenfalls um die Brünette und schleife mich samt meinem lebenden, kreischenden Anhängsel zu Alex der mir am Nahsten steht. Sie will Geld ausgeben. Was denkt sich diese Frau nur dabei? Im Moment meines Todes denke ich doch nicht ans Geld ausgeben. Ich spüre wie die Wut in mir unbekannte Kräfte entfesselt. Die junge Frau kratzt und beißt mich, wo sie mich nur erwischt, doch meine Arme halten sie unbarmherzig fest. „Wenn du so freundlich wärst, diese junge Dame von mir zu entfernen.“ Meine ich sehr unfreundlich und lasse die Brünette los. Der Vampir schenkt mir ein Grinsen, ehe er die junge Frau in seine Arme zieht. Aber im Gegensatz zu mir stört sich Alex nicht an dem Schreien und Weinen der Braunhaarigen. Ebenso ich. Warum sollte ich auch Mitleid mit ihr haben? Ich kenne sie nicht. Und sie geht mich auch nichts an. Sie ist bloß die Nahrung. Nicht mehr und nicht weniger. Plötzlich befreit sich die Frau, aus einem mir unerfindlichen Grund, wieder und flüchtet in meine Arme. Doch diesmal reagiere ich schnell genug um sie mit letzter Kraft von mir zu stoßen. Die Braunhaarige stolpert unbeholfen nach hinten beginnt mit den Armen zu rudern und findet sich schließlich in Alex´ Armen wieder, die sich wie Eisenketten um ihren Körper schlingen. "Wenn es nicht zu viel verlangt ist, könntest du sie mir bitte vom Hals halten? Das ist dein Essen. Also kümmere dich um sie." Knurre ich griesgrämig. "Ist ja schon gut. Warum so gereizt?" fragt Alex und verbeißt sich im Hals der Frau. Sie schreit noch einmal schmerzgeplagt auf und dann ist es wieder still in der Gruft. Während der Vampir der Frau das Blut aus dem Körper stiehlt sehe ich ihr in die rehbraunen Augen. Diese werden immer trüber und blinder. Wie gebannt stehe ich da und blicke der jungen Frau in die Augen. Unterbewusst balle ich die Hände zu Fäusten und presse die Lippen so fest aufeinander dass sie nur noch ein schmaler Strich in meinem Gesicht sind. Ich merke ganz am Rande dass ich zu zittern beginne und dass ich schneller zu atmen beginne. Schweiß tritt aus meinen Poren und mein Blickfeld verkleinert sich nur noch auf die Augen der Braunhaarigen vor mir. Und plötzlich ist der ganze Glanz aus ihren Augen verschwunden. Leblos lässt sie ihre Hände, die sich zuvor um Alex´ Arm geschlungen haben, sinken. Ihr Körper sackt in sich zusammen und ihre Füße geben nach. Nur noch der hungrige Vampir hält die junge Frau aufrecht. Und mit einem Mal wird mir das Unglaubliche begreifbar. Es ist vorbei. Sie ist tot. Ihre Seele hat ihren Körper verlassen. All das Leben ist aus diesem jungen Körper entschwunden. All die Angst, die Panik, die Liebe und die Wut sind erloschen. So, als ob sie niemals da gewesen wären. Nur noch eine nutzlose Hülle, die zusehends kälter und steifer wird. Ob die Braunhaarige eine Familie gehabt hat? Oder ob sie schwanger war? Hat sie vielleicht Kinder die ihre Mutter nun nie wiedersehen werden? Oder Eltern die ihre geliebte Tochter für immer verloren haben? Ob ihre Familie den selben Schmerz wie ich ihn kenne, nun als ihren Freund akzeptieren müssen? Plötzlich geistern all diese Gedanken durch meinen Kopf. Alles um mich herum ist in Stille versunken. Nichts ist mehr zu hören. Nichts zeugt mehr von der Situation vor wenigen Augenblicken. Nur die Wände sind stille Zuseher, die aber für immer schweigen werden. "Und das macht dir wirklich nichts aus?" reißt mich eine Stimme aus meiner gedanklichen und körperlichen Abwesenheit. Ich schrecke hoch und schnappe gleichzeitig nach Luft. Erst jetzt wird mir bewusst dass ich die letzten Augenblicke nicht geatmet habe. Ich blinzle schnell und versuche mich zu beruhigen. Als mein Blick sich klärt sehe ich Sarah die sich das restliche Blut von den Lippen wischt. "Warum sollte es? Ich kenne das doch schon seit sieben Jahren. Also warum sollte mir es etwas ausmachen euch beim Essen zu zusehen?" frage ich zurück und lächle gekünstelt. Natürlich verkrafte ich es nicht so einfach zu zusehen wie ein Mensch stirbt. Aber ich muss wohl Grenzen setzen wenn ich an Sarahs Seite bleiben will. Entweder ich gewöhne mich daran oder ich muss meine beste Freundin verlassen und alleine weiterleben. "Das ist meine Mary!" lächelt Sarah glücklich und umarmt mich. Ich drücke mich fest an sie und nehme ihren Duft wahr. Auch dieser ist mir so vertraut an Sarah. „Willst du hier schlafen?“ fragt Sebastian plötzlich und ich löse mich von meiner besten Freundin. „Nein. Ich werde mir Graz ansehen und mir ein Zimmer mieten wo ich ein wenig schlafen werde.“ Verneine ich lächelnd. "Ja ist gut. Und pass gut auf dich auf. Nicht das dir was passiert!" meint Sarah und klettert in ihren Sarg. "Kennst mich doch. Also bis heute Abend!" Lächle ich und verlasse die Gruft. Hosted by Animexx e.V. 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