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Dakishimete da yo - onegai

抱きしめて だ よ - おねがい
von

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Hospital of insanity I

Mit der Hand in ihrem Kittel und einem gedankenverlorenen Gesichtsausdruck betrat die rothaarige Ärztin nun den Flur zu den wartenden anwesenden Personen – sie warteten schon so lang und sahen fertig aus.

„Hallo Naru“, begrüßte sie ihre Schwägerin und nahm die Hand aus ihrer Tasche, um diese Naru zu geben.

„Wie geht’s ihr? Kannst du mir das BITTE sagen?!“ Das Bitte kam sehr eindringlich daher, weshalb die Ärztin nickte.

„Es ist nicht so schlimm, wie es zuerst aussah. Sie hatte einen Schutzengel“, antwortete die 31-jährige und lächelte nun Naru an, welche augenblicklich glasige Augen bekam, jedoch nicht zu weinen begann.

„Danke“, erwiderte Naru, „das dürfte ihn auch sehr beruhigen“, sie warf einen Blick zur Seite, wo Tatsuji selbstverständlich auch schon aufgetaucht war, weil er wissen wollte, wie es seiner Freundin ging.

„Was heißt nicht so schlimm?“ wollte er nun wissen, weshalb sich die Ärztin ihm zuwandte.

„Augenscheinlich wurde sie in die Brust getroffen, es war jedoch nur in die Schulter. Wir haben die Blutung schnell unter Kontrolle bekommen können. Wir verlegen sie gleich auf die Intensivstation, wo sie rund um die Uhr überwacht wird. Nur um allergische Schocks oder Komplikationen auszuschließen. Nicht selten kommt es bei Verletzungen durch schmutzige Kugeln zu einer Vergiftung.“

„Das weiß ich alles, ich arbeite in einem Beruf, wo der ein oder andere einmal eine Kugel abbekommt. Können wir denn zu ihr?“

„Wenn, dann nur einer zur gleichen Zeit. Sie braucht Ruhe, um sich zu erholen. Ihr Blutverlust war doch verhältnismäßig groß.“

„Geh du, Tatsuji… Ihr scheint es ja so weit gut zu gehen… Außerdem braucht sie jetzt den Mann an ihrer Seite, nicht eine läppische Freundin.“

Der 27-jährige nickte zwar, wollte jedoch Naru nicht alleine gehen lassen. „Warte aber bitte noch auf deine Begleitung, er soll dich nach Hause fahren, nachdem was passiert ist.“ Dass er besorgt um sie war und sie nicht gehen lassen wollte, spürte sie, deshalb reagierte sie auch leicht ungehalten. „Ich kann alleine auf mich aufpassen!“

„In dem Fall ist ein Mann, der auf dich aufpasst, aber besser. Und glaub mir, er wird auf dich aufpassen… So gut er kann!“

Verwirrt besah sie Tatsuji, der davon überzeugt schien, dass Juro als Beschützer etwas taugte. „Wie kommst du darauf?“

„Weil er sich wegen Riina mit deren Vater angelegt hat. Dass er ein Feigling ist, ist damit ausgeschlossen.“

„Man… hast du das auch von Shina? Die Frau macht mir manchmal Angst… was weiß sie denn noch?“

‚Zu viel und ist höchstwahrscheinlich aus dem Grund wie vom Erdboden verschluckt’, doch diesen Gedanken behielt er für sich alleine.

Asami fragte sich, wie es Naru ansonsten ging, außer dass ihre beste Freundin sie fast verlassen hätte. „Ich habe gleich Feierabend, ich könnte sie auch fahren. Außerdem glaube ich, dass eine Freundin gerade besser für sie ist, als so ein Mann!“

Tatsuji hörte etwas Männerfeindliches aus der Stimme der Ärztin heraus, er konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass sie es wirklich war. „So ein Mann kann aber besser auf sie aufpassen“, legte Tatsuji ein, „ich würde sie am liebsten selbst fahren, aber ich kann mich nicht teilen.“

„Die werden schon nicht wieder kommen“, meinte Naru wie in Trance, „die haben, glaube ich das, was sie brauchen, um meinem Exfreund einen ordentlichen Tritt dahin zu verpassen, wo es wehtut – und alles ist nur meine Schuld… Auch, dass Riina…“

„Schon gut“, er drückte sie leicht gegen seine Schulter und streichelte ihren Arm zur Beruhigung, „gib dir nicht die Schuld daran. Sie sind Profis, gegen die ein normaler Mensch wenig entgegenzusetzen hat.“ Außerdem war nicht Naru daran schuld, dass Riina ein hilfsbereiter Mensch war, der für andere auch in Gefahren rannte. So war sie nun einmal.

„Exfreund? Welchen denn?“ Ein verwirrter Blick lag auf Asamis Gesicht, da sie natürlich noch nichts davon wusste, dass sich Naru von ihrem ersten Freund getrennt hatte. Und von weiteren Freunden wusste sie nichts.

„Witzig, da gibt es ja nur einen zur Auswahl, Hiroya natürlich.“

„Was hat er angestellt?“

„Er hat sich entschieden, ein Kotzbrocken zu werden und anderen Menschen das Leben zu einer Qual zu machen! Reicht das als Antwort?“

Das Gespräch der Frauen würde so schnell nicht enden, weil sie nun einmal so waren und gleich alles genau wissen wollten.
 

Asami Machida, die Ärztin, welche die erste gewesen war, die ihm begegnet war, hatte ihm von den Halluzinationen und Wahnvorstellungen erzählt. Sie würden kommen, um ihn zu holen. Sie würden ihn umbringen, wenn er weiter im Krankenhaus blieb. Es passte alles so wunderschön ins Bild… SIE hatten ihn bereits allzu gut unter Kontrolle. Also Wahnvorstellungen waren es wohl kaum, es war die nackte Realität. Wobei WAHN noch passend war. Wahn konnte man wunderbar von Wahnsinn ableiten. An seiner Stelle wäre er wohl auch wahnsinnig geworden…Hiroya hatte ihm bereits vor langer Zeit erklärt, weshalb er sich so oft vorbei benahm. Ihr Tod hatte ihm sehr zugesetzt, aber mit Sicherheit nicht nur ihm. Menschen sterben zu sehen, war alles andere als schön und leicht zu verkraften, im Gegenteil. Und dabei kannte er die Geschichte mit dem Mädchen noch nicht einmal. Es war alles so schrecklich, am liebsten wollte er Japan weit hinter sich lassen.

Versunken in seiner eigenen Welt, hätte er fast einen Herzanfall erlitten, als schwarzes Haar über seine Schulter fiel. Er zuckte, nachdem ihre Stimme ihn wie ein kleines Mädchen aus den Träumen holte. „Huhu, sag mal träumst du immer so vor dich hin?“

„Was willst du denn hier?“ Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, was sie enttäuscht wirken ließ.

„Klingt ja nicht gerade so, als würdest du dich über diesen Umstand freuen?“

„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ginge das? Davon hätten wir beide etwas!“ Bei ihr musste er sich wirklich bemühen, um nicht aus der Haut zu fahren und er tat das wirklich nicht allzu schnell.

„Was für ein Mensch war ich…?“ Die Blauäugige lehnte sich gegen die Wand und sank fast an ihr nieder, so dass er ihr doch Aufmerksamkeit schenkte. Diese Antwort würde er ihr gerne geben. „Verhasst, intrigant, machtgierig, neidisch, möchtegernunschuldig, … und sexgeil! Kurzum ein ganz schönes Biest! Sei bloß froh, dass du dich nicht mehr an dich selbst erinnerst, du bist unausstehlich, Mitsuki Ikezawa!“

Die junge Frau konnte sich nicht vorstellen, dass sie so gewesen sein sollte. Ob er wirklich ehrlich war, oder es einfach daran lag, dass sie mit ihrer Adoptivschwester nicht sonderlich gut auskam?

„Gerade habe ich Blut gespendet… ich bin also zum Glück weit davon entfernt, ich selbst zu sein, denke ich. Dumm nur, dass ich die Frau im Spiegel nicht erkenne. Ich bin nicht in der Lage zu fühlen. Mein Freund bemüht sich um mich, aber ich spüre NICHTS!“

„Du hast doch noch nie etwas gespürt… Eure Beziehung war nie in Ordnung. Du solltest auf dein Herz hören, das wird das allerbeste sein. Deinen Stiefbruder interessiert nur, dass du wie SIE aussiehst. Er blieb nur mit dir zusammen, weil sie ihn nicht wollte. Ein doppeltes Netz ist besser als keines, wenn du verstehst… Du warst ein Miststück, das ihn ständig betrogen hat. Und Kimiko war die Treue in Person… Deswegen war er so hinter ihr her.“

Es versetzte ihr nun doch einen Stich ins Herz, das zu hören. Vielleicht hasste er sie so sehr, um ihr so schmerzhaft klarmachen zu müssen, wie sie wirklich war.

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich so etwas getan haben soll. Kannst du das belegen?“

Kaum zu glauben, dass sie ihn gerade als Lügner bezeichnete. Etwas ungehalten reagierte er ja nun doch. „Hast du dich je gefragt, weshalb Yui dich mit diesen Blicken straft? Du hast uns versucht gegeneinander auszuspielen! Du hast dich doch nur für mich interessiert, weil du wusstest, dass sie hinter mir her war… Du wolltest deiner kleinen Schwester wehtun, geh mir endlich aus den Augen, sonst vergess ich mich!“ Dass sie nun so unschuldig tat, fasste er nicht. Nie und nimmer hatte sie alles vergessen. Das unschuldige Getue war zum kotzen.

„So etwas würde ich nie…“

„Du hast es aber getan!“ Er packte sie am Arm, so dass sie für einen Moment IHN sah, obwohl er ihr im Krankenhaus gar nicht über den Weg gelaufen war.

„Ich habe ihn mit dir betrogen?“ Die Tränen funkelten in ihren Augen.

„Wenn nur ich es gewesen wäre, aber du hast es mit jeden x-beliebigen Kerl getrieben, um deinem Käfig zu entkommen, du… Fl-“, nein, das sagte man nicht, auch wenn es so war.

Da sie weinte, ließ Ken ihren Arm los und ermöglichte es ihr damit, vor ihm wegzulaufen. Für einen Moment betrachtete er seine Hand – handgreiflich war er noch nie bei einer Frau geworden… Viel hätte nicht mehr gefehlt.

Jetzt wusste sie wenigstens, weshalb Juu so überreagiert hatte – sie musste sich unmöglich benommen haben. Betrogen und belogen hatte sie ihn, kein Wunder, dass er ihr etwas vom Bär erzählte. Alles, was in ihrer Beziehung nicht gepasst hatte, wollte er nun passend machen…
 

Zur gleichen Zeit befand sich Hayato auf dem Weg zu den Suzukis, knapp hatte er Teru dort verpasst. Er parkte sein Auto dummerweise im absoluten Halteverbot, aber da er es furchtbar eilig hatte, passierte es ihm ausnahmsweise. Er warf die Autotür zu und verriegelte diese mit der Fernsteuerung, dann rannte er zum großen Anwesen der Suzukis, klingelte und wartete bis ihm geöffnet wurde. Sonokos Schwester Ayako, welche sich gerade auf dem Weg befand, ließ ihn auch sogleich rein und erkundigte sich für ihn nach Kazuha. Obwohl sich Hayato hundertprozentig sicher war, dass Tōyamas Tochter bei den Suzukis war, sagte ihm Ayako, dass sie zwar vorher mit Sonoko und Katsumi hier gewesen war, aber die Truppe sich längst wieder getrennt hatte. Sie berichtete ihm auch vom Anfall ihres Vaters wegen Sonoko, da diese viel zu spät nach Hause gekommen war, noch dazu im Auto eines Mannes…

Mit gemischten Gefühlen verabschiedete sich der 26-jährige und ging zurück zu seinem Auto. Tōyama würde ihn lynchen, wenn er davon erfuhr…

Gerade, als er den Motor starten wollte, meldete sich sein Handy in der Hosentasche, welches auf Vibrationsalarm geschaltet war.

„Es ist der Weltuntergang!“ tönte es in sein Ohr, kaum dass er sich selbst gemeldet hatte. Es war Kei, welcher der Verzweiflung nahe nun wieder angekrochen kam, so war es immer gewesen.

„Ist es das?“ Die Ironie in seiner Stimme war kaum zu überhören. Nur weil Kei von einer Katastrophe oder einem Weltuntergang sprach, entsprach das nicht der Realität. Sein ehemaliger Klassenkamerad war eben ängstlich.

„Dir wird das Lachen vergehen, mein Lieber! Also unterlass diesen Spott, verstanden? Die Lage ist ernst!“

„Okay, Spaß beiseite… Was für ein Problem soll ich diesmal für dich lösen?“ Nein, er konnte den Spott nicht aus seiner Stimme verbannen. Der Typ zwang ihn ja dazu…

„Heiji ist mir ausgebüxt, dieser verdammte Bengel! Kaum dreht man sich um, ist er verschwunden! Naoya ist auch schon total außer sich, auch weil Heiji Hals über Kopf aus dem Büro gerannt ist. Der stellt sicher schon wieder was an und ich bin dann wieder schuld…“

Ein Seufzen war zu hören. Er hatte gerade schlimmere Probleme, als ein ausgerissener Heiji Hattori, der nur Fälle und Gangster in seinem Schädel hatte. „Du solltest genau das verhindern! Er wird sich an irgendwas hängen, nur um sich nicht zu langweilen… Mit Pech läuft er dann den richtigen Verbrechern in die Arme, großartig gemacht, Tamura!“ Es war ja auch nicht seine Idee gewesen, ihn Tamura zu überlassen, er wäre nie auf die Idee gekommen. Wenn er bei Iwamoto geblieben wäre, hätten sie sicher jetzt nicht dieses Problem, weil auf den nämlich laut Akaja Verlass war. Dummerweise hatte er auch nicht gut genug auf Kazuha aufgepasst, was er dem guten Kei jedoch nicht verraten würde.

„An deiner Stelle würde ich Heiji schnell finden, bevor er etwas anstellt und sein Vater es ausbaden muss, dann wird es echt hässlich…“ Und wie unangenehm dieser Mann werden konnte. Er hatte es selbst bereits am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Jedoch hieß sein Problem nun wohl eher Tōyama.

Das Funksignal kommt aus dem Hause der Suzukis… Wer soll das verstehen? Sie muss den Sender verloren haben! Und wer weiß, wo sie nun wirklich steckt?

Hayato hatte Kazuha vorsichtshalber verwanzt, nur um sie schnell wieder finden zu können. Es war nie geplant gewesen, dass sie auf irgendwelche Partys ging, aber er wollte dem Mädchen auch nicht ganz den Spaß verderben, also war ihm bei dem Gedanken, dass sie bei den Suzukis war, nicht unwohl geworden. Er dachte, sie sei dort gut aufgehoben. Dass Aiko und Shiori sie neu eingekleidet hatten, wusste er ja nicht. Dabei war nämlich der Sender bei Sonoko im Zimmer liegen geblieben. Jetzt hieß es auf jeden Fall die Ruhe zu bewahren, nicht so wie Kei in Sachen Heiji.
 

Mehr zufällig, da er gerade in der Nähe gewesen war, sah der Dunkelbraunhaarige, wie Heiji aus dem Präsidium kam. Der Junge sah aus, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her und er müsste vor diesem fliehen. Ein Heiji Hattori, der ohne Sinn und Verstand rumrannte, den konnte man nicht alleine lassen, auf keinen Fall. Aus diesem Grund verfolgte Ryochi ihn auch. An einer Kreuzung hielt er neben dem Schwarzhaarigen, jener allerdings rannte über die rote Ampel, so dass der Detektiv ebenfalls weiter fuhr und dann direkt vor ihm stehen blieb. Er versperrte ihm sozusagen den Weg und warf ihm einen ernsten Blick zu. „Warum zur Hölle hast du es so eilig? Ist was passiert?!“

„Kazuha! Lass mich gehen! Ich muss ihr helfen!“ Natürlich versuchte der Jungdetektiv sich an Ryos Auto vorbei zu schummeln, doch der 23-jährige riss die Tür auf und packte den anderen an seinem Arm. „Ich lass dich ganz sicher nicht gehen! Du wirst mir erstmal erzählen, was passiert ist!“

Dass es Ryochi Akaja war, änderte nichts an der Tatsache, dass das Gespräch am Telefon, welches er mit Kazuha gehabt hatte, ihn nicht losließ. Da setzte sein Verstand schon mal aus. „Loslassen, ich muss zu ihr!“

„Beruhig dich erstmal!“

„Wenn das Shina wäre, würdest du sicher auch losrennen!“

Bei Leuten wie Heiji half manchmal kein Reden und mit diesem Satz hatte er sogar einen sonst immer besonnenen Ryochi auf die Palme gebracht, so dass er ihm Schelte in Form einer Ohrfeige gab und ihn hoffentlich wieder runterholte.

Es war eigentlich auch ein Liebesgeständnis, da er Kazuha auf die selbe Stufe gestellt hatte, wie Shina bei Ryochi stand, aber das war ihm weniger bewusst in seiner Angst, seiner Wut auf diese Leute und auf sich selbst, weil sie ihn in der Hand hatten. Ihre Drohungen würden sie ernst machen. „Ich will dich nicht in diese Scheiße mit rein ziehen, es ist meine Sache, halt dich da raus, Akaja-san!“

Offensichtlich war es schlimmer, als zuerst angenommen. Es sprach Panik aus den Worten des 18-jährigen, der - offensichtlicher konnte es nicht mehr sein - ebenfalls an die Organisation geraten war, er war sich vollkommen sicher, dass dem so war. Oder noch schlimmer, Kazuha war an sie geraten.

Die dunkle Kluft, die Heiji umgab, äußerte sich passend im nächsten Moment auch in Form eines Wolkenbruchs. Dunkel war es ja schon, es konnte nicht mehr finsterer werden, dafür jedoch frischer und windiger. Dass es zu regnen begann, spürte er als seine Haare nass wurden. Er fand es aus dem Grund passend, weil er sich so gedemütigt fühlte. Klatschnass zu werden empfand er ähnlich. Man hatte ihm schon so oft eine Ladung Wasser ins Bett gekippt, um ihn zu wecken, er hasste es, es war demütigend. Und nichts hasste er mehr, als zu unterliegen. Deswegen betrieb er Kendo wie ein Weltmeister.

Ryochi hatte ihm eine geschmiert. Sein Vater hätte ihm wohl mehr einen Kinnhaken gegeben, wenn er sich wieder auf irgendwas stürzte. „Warum wollt ihr mich nicht verstehen? Ihr alle?! Ich MUSS ihr helfen, ich kann sie doch nicht im Stich lassen!“

„Das hat doch überhaupt keiner gesagt“, Ryochi zog Heiji näher und legte seine zweite Hand auf die Schulter des Jungen. „Ich will bloß, dass du mir sagst, was vorgefallen ist, vielleicht kann ich dir helfen.“

Ja, er wollte nur helfen, das glaubte der Detektiv aus dem Western sogar. „Wenn ich dir das erzähle, gerätst du auch in diese Sache hinein…“ Die Stimme war wackelig und ängstlich, diesen Ton hatte er an sich selbst noch nie gehört.

„Bin ich schon… Genauso wie Kudō und...“ Ryochi brauchte Shina nicht erwähnen, er wollte es auch nicht. Es klang so, als hätte er sie abgeschrieben. „Was wollen sie von dir? Was haben sie verlangt? Sollst du jemanden für sie töten? Das sähe ihnen ähnlich! Glaub ihnen kein Wort! Nur weil du so etwas machst, wirst du Kazuha nicht wieder sehen. Sie halten selten ihre Versprechen, die sie Leuten geben, stattdessen verlangen sie immer mehr…“

Was Ryo sagte, leuchtete ein, er schien diese Verbrecher zu kennen, er hatte sogar das Gefühl besser als Shinichi. Irgendwie erschreckte ihn das sogar.

„Das trifft’s, denk ich… Sie wollen erstmal, dass ich mich mit ihnen treff’… Vielleicht erschieß’n sie mich auch einfach… Es hat sicher die Runde gemacht, dass ich im Umgang mit Waffen nicht der Geschickteste bin.“ Natürlich konnte man nie sicher sein. Aber solche Profis wussten sicher über ihre Opfer Bescheid.

„Wäre auch möglich, aber ich glaube, die wollen was ganz Anderes. Deren Anführer mag Sprösslinge von hohen Polizeitieren. Du, Kazuha, ich, Hakuba, Tokorozawa, wir alle haben ziemliche hohe Polizeitiere als Eltern… Und jeden von uns werden sie mal versuchen, zu holen. Bei mir hat man es versucht, als ich 14 war. Du siehst, es läuft alles nach Schema ab.“

„Was meinste mit holen? Uns unseren Eltern wegnehmen, um uns umzudrehen?“ So hatte er Ryochis Worte jedenfalls verstanden.

„Schlauer Junge! Was gibt es Schlimmeres für einen Kriminalisten, als wenn die Kinder zu Verbrechern gemacht werden und sich gegen ihre Eltern stellen?“

Oh Gott, das würde heißen, dass Kazuha nicht nur der Lockvogel war, um ihn zu holen, sondern dass sie sie auch wollten. Ihm war ganz schlecht. Sie war ein starkes Mädchen, aber doch sicher nicht für so etwas gedacht.
 

Der Sekundenschlaf hatte sie wie schon einmal eingeholt. Ihr waren auch wirklich nur für einige Sekunden die Augen zugefallen. Es war schon ein unangenehmes Gefühl, wenn einen die eigene Schwester rund machte, so wie Asami es gerade tat. Und sie konnte sich noch nicht einmal wehren, immerhin stand sie über ihr. Über ihr… ja, den Satz hatte sie schon einmal gehört. Sie konnte nicht mehr schlafen, seit sie dies wusste. Deshalb war ihr dieser bedauerliche Fehler passiert. Sie hatte Nachtschicht und war sowieso total unausgeruht. Da war es geschehen - wieder einmal.

„Es kommt nicht mehr vor“, versprach sie der Rothaarigen und diese griff sich genervt an den Kopf.

„Das sagst du in letzter Zeit ziemlich oft!“ ließ die 31-jährige keinerlei Ausreden gelten und strafte ihre kleine Schwester zusätzlich mit einem verächtlichen Blick. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserer Patienten! Muss ich dich daran erinnern, dass er einen angesehenen Anwalt hat, der uns jederzeit Probleme bereiten kann? Unser Chefarzt sieht es nicht gerne, wenn wir…“

„ACH HÖR AUF!“ Ihre laute Stimme hallte für einen Moment durch den Krankenhausflur.

„Was?“ Entsetzt über den Tonfall der jungen Frau, blickte die Ärztin zunächst perplex drein.

„Du machst dem Chefarzt schöne Augen, meinst du, das merke ich nicht? Das ist der einzige Grund – Menschen sind dir egal! Du hast dein Herz verloren, nachdem du Ärztin geworden bist und Koichiru nicht hast retten können! Es ist dir doch egal, wenn jemand unter deiner Hand stirbt! Du steckst es weg, als sei es nie geschehen!“

Für diese Frechheit – es war taktlos – kassierte die Schwarzhaarige mit den kurzen Haaren einen deftigen Schlag auf die eigene Wange, welcher von der Hand ihrer älteren Schwester ausgegangen war.

Die 23-jährige wusste sehrwohl, dass sie so etwas nicht hätte sagen dürfen. Sie an Koichiru erinnern tat nie jemand, noch nicht einmal dessen kleine Schwester Naru. Sie hätte Asami auch niemals einen Vorwurf gemacht, dass er ausgerechnet unter ihrer Hand davongegangen war. Doch es musste gesagt werden. Ihre eiskalte Art, welche sie an den Tag legte, ging der Jüngeren schwer gegen den Strich, da meistens sie die schlechte Laune ihrer Schwester ertragen musste. Und dann noch dieser Chefarzt – er hasste sie – er hatte Geld, er hatte Macht, er war beliebt bei Frauen. Kurzum ein richtiges Scheußsal unter dem viele zu leiden hatten, es sei denn man sah so super aus wie ihre Schwester und ließ ihn mal ein bisschen in den Ausschnitt gucken, um ihn zu besänftigen. Andere Leute hatten wirklich Probleme…

„Ich finde, du erlaubst dir ziemlich viel! Sei froh, dass wir hier alleine sind, Schatz, sonst würdest du dich gleich beim Chefarzt wiederfinden – er würde dir die Leviten lesen, das kannst du aber glauben. Du machst zu viele Fehler, deswegen bestraft er dich – an meinem guten Aussehen liegt seine Sympathie mir gegenüber nicht. Du musst besser aufpassen, wir sind hier immerhin im Krankenhaus. Deinen kleinen Ausrutscher mag ich dir verzeihen, aber nicht, dass du eingeschlafen bist und währenddessen einer unser Patienten verschwinden konnte. Er war übrigens auf dem Dach… zum Glück hat man ihn gefunden. Du hast wirklich Glück gehabt. Ich sage es dir gerne noch mal. Er ist depressiv und deswegen soll er nirgendwo alleine hingehen, auch wenn er Medikamente bekommen hat, das ist kein Spaß, Asako-chan!“ Ja, sie verzieh ihr den Ausrutscher mit Koichiru und dem Chefarzt, aber ihre Fehler durfte sie nicht einfach so ignorieren, immerhin war sie die zuständige Ärztin, die auch einen Job zu erledigen hatte – und wenn es hieß, die eigene Schwester zu ermahnen, wenn sie zu viele Fehler machte.

Ein Seufzen entfuhr Asako. „Ich weiß, dass er etwas deprimiert ist, ich habe ihn weinen sehen, als er sich unbeobachtet fühlte. Im Gegensatz zu dir, sehe ich ihn jeden Tag… Jedes Mal, wenn ihm etwas neues einfällt, um mich zu rufen… Depressiv ist etwas anderes. Er ist nicht depressiv und hätte sich garantiert nicht vom Dach gestürzt, Asami-san“, meinte sie und schüttelte daraufhin den Kopf. Nur weil er sich etwas schlecht fühlte, war er nicht suizidgefähret, sie machte aus einer Mücke einen Elefanten.

„Das ist nicht deine Aufgabe, mir zu sagen, was richtig oder falsch ist. Das ist nicht dein Fachgebiet, also nimm doch bitte deinen Mund nicht so voll, nur weil ich deine Schwester bin.“

„Ach bitte, Schwester!“ Sie verdrehte die Augen. Ja, dass sie Ärztin war und sie selbst nur eine mickrige Krankenschwester gefiel ihr doch, weil sie deswegen immer am besten Bescheid wusste… Dachte Asami jedenfalls. „Ein depressiver Mensch glotzt keinen Frauen sonstwohin… und sie rufen sie auch nicht, um genau das zu tun. Und er hat förmlich Spaß daran. Ständig fällt ihm etwas runter und dann bittet er mich total nett darum, es ihm doch aufzuheben…“

„Das bildest du dir ein, ich glaube kaum, dass er Interesse daran hat, eine Frau anzustarren! Nicht in diesem Zustand… Als er von Sêiichî Iwamoto hierher zurückgebracht wurde, war er total außer sich. Er hat um sich geschlagen, als wollten wir ihm etwas Böses. Und dann sagte er immer wieder die gleichen Worte, die von Paranoia nur so strotzen: Sie kommen, um mich zu holen, sie werden mich umbringen und keiner wird je herausfinden, wozu es diente!“

‚Klingt eher so, als hätte er es mit ihnen zu tun bekommen, ich denke, er ist vollkommen klar im Kopf.’ Asako war ganz schlecht, wenn sie daran dachte, was ihr Cousin ihr über den eigenen Bruder erzählt hatte. Wie schlimm es wirklich um ihn stand. Diese Organisation, welche er stürzen wollte – in Hiroyas Auftrag. Außerdem konnte sie diesen eingebildeten Kerl, der ihnen allen den Psychopathen vorspielte nicht ausstehen. Von Sojuro wusste sie, wie manipulativ er sich verhalten konnte. Er hatte diesen und Kimiko schließlich auseinander gebracht. Mistkerl!

Und Kimiko, diese Blindgängerin hatte kein Mitleid mit Sojuro gehabt, der sie unendlich geliebt hatte, diese dumme Kuh. Sie war beziehungsunfähig. Ihre Liebe hielt nie lange. Kaum hatte sie scheinbar den Richtigen gefunden, kam ein anderer und dann ließ sie sich wegnehmen… Es kam in letzter Zeit oft vor, dass sie an ihren Cousin dachte – er hatte sein schönes Leben für diese Frau geopfert und sie hatte es ihm nie gedankt. Es war sein verwegener Vorschlag gewesen… Sich von denen einkassieren zu lassen. Hiroya hatte den Vorschlag zu einem Plan umgewandelt. Sojuro war sein Spion. Eine gefährliche Sache, aber für Kimiko hätte er alles getan. Sich in Gefahr begeben und Menschen ermordet, um sie zu retten. Sie machte ihm das zum Vorwurf. Vielleicht würde er am Ende sterben – weil es immer so lief, das sagte selbst Sojuro. Er wusste genau, worauf er sich da eingelassen hatte und dass er durchaus dabei draufgehen könnte. Asako wünschte sich, Sojuro hätte ihr nie davon erzählt. Er war so lang verschwunden, dass sie ihn gefragt hatte, was er machte. Und dann hatte er ihr die gesamte Geschichte erzählt. Diese schleppte sie nun tagtäglich mit sich herum. Asami wusste gar nichts von all der Gefahr, deshalb konnte sie den seelischen Stress, den ihre kleine Schwester nun hatte, weil sie einfach besorgt war, nicht nachvollziehen.
 

Heiji war blass geworden, weshalb Ryochi ihn an den Schultern festhielt, da er befürchtete, der Junge würde jeden Moment einfach umkippen. „Kudō hatte Glück, pures Glück… Der Kerl, der ihn versuchte zu töten, hätte ihn auch verschleppen können. Das ist schlimmer als das, was er nun durchmacht. Die können nicht ernsthaft Kazuha zu solchen Dingen zwingen, die würde eher wie eine Furie auf die losgehen – dann bringen sie sie mit Sicherheit um.“ Sie hatte sich nicht im Griff.

„Im Moment hat sie wohl eher Angst, fürchte ich. Ich glaube nicht, dass sie ihnen gewachsen wäre. Und dumm ist das Mädchen nicht, sie wird sich nicht mit ihnen anlegen.“

„Dann kennst du sie schlecht. Als mir ein Verbrecher stiften ging, war sie es, die ihn niedergestreckt hat, obwohl er bewaffnet war…“ Kazuha war alles zuzutrauen, auch dass sie auf ihre Entführer losging.
 

Shiori grinste hämisch, als sie sich mit der Schülerin unterhielt. „So ein graues Mäuschen wie du interessiert uns kein bisschen. Zum Glück weiß ich, dass Hattori genauso blöd ist, einem grauen Mäuschen wie dir zu helfen.“

„Mit einem hast du Recht“, Kazuha hatte die Augen geschlossen und grinste noch viel hämischer als die Frau, welche sich an die Mauer lehnte und sie im Auge behielt, während sie über sie spottete, „ich bin nicht wie ihr – Gott sei dank! Und Heiji ist in der Tat nicht blöd, deswegen wir der auch nicht kommen, um mir zu helfen. Aber glaube ja nicht, dass ich mich kampflos geschlagen gebe!“

Beinahe hätte Shiori das beeindruckt, doch als sie den Blick von Kazuha sah, welcher sich in boshaft und rebellisch gewandelt hatte, erschrak sie. Diese GÖRE ging tätsächlich auf sie los, obwohl sie gefesselt war. Für einen Moment dachte die Killerin auch, dass sie es nicht mehr war und es deswegen wagte. Doch alles, was geschah, war Kazuhas Kopf, der sie rammte. Dieses Gör rammte ihr den Kopf in die Magengegend, dass die Rothaarige sich fast erbrechen musste.
 

Amüsiert beobachtete Teran das Treiben zwischen dem Mädchen und der Profikillerin. Selten wagten es ihre Opfer, so etwas zu machen, wie die Kleine da. Er leckte sich angetan über die Lippen. Die Kleine brauchte einen kräftigen Mann, der ihr mal Manieren beibrachte…

Nach einem Lachen tauchte er aus der anderen Ecke auf und packte Kazuha an ihren Fesseln, um sich ranzuziehen. Das Mädchen hob für einen Moment vom Boden ab und donnerte regelrecht gegen den Männerkörper. Sie zuckte zusammen und schielte nach hinten. Ein fettes Grinsen bildete sich auf dem Gesicht des Grünäugigen. Er umschlang ihren Körper mit einer Hand, damit sie nicht so zappelte. Den für einen Moment lang entsetzten Blick genoss er in vollen Zügen. Menschen in Angst zu versetzen, das war so etwas wie sein Hobby. Also wickelte er seinen Arm fest um ihren Hals und drückte sie an sich. „Du bist ja genauso wild wie Shina“, alleine der Satz ließ Shiori nun auflachen. Sie schenkte dem Mädchen einen dreckigen Blick, der seinem fast Konkurrenz machte.

„Schlecht für dich, dass du ihn an Shina erinnerst, das wird dir nicht gut tun – weißt du, er ist nämlich total scharf auf sie – und würde sie gerne mal knallen! Die Nacht ist dabei wirklich interessant zu werden. Tu dir keinen Zwang an, Teran, zeig der Kleinen dein wahres Gesicht! Du hast die offizielle Erlaubnis von mir, alles mit ihr anzustellen, was dir einfällt!“

„Wie gnädig du mal wieder mit mir bist… So ein Angebot kann man kaum ablehnen! Ich rieche schon ihr jungfräuliches Blut!“ In einer ohnehin schon psychopathischen Stimmlage und einem Lachen, wie man es nur von einem Irren kannte, schaffte er es auch, eine Kazuha zu verängstigen. Sie war nicht blöd und wusste genau, dass sie der Dame ans Bein gepinkelt hatte und sie sich nun rächen wollte. Noch dazu schien der Kerl einen so miesen Charakter zu haben, dass er sich auch noch darüber freuen würde, wenn er so was machen durfte.

„Nimm deine Griffel von mir, oder ich bring dich um!“ warf Kazuha verängstigt dem Mann zu, doch dieser lachte nur, da er genau wusste, dass sein Spruch ihr Angst eingejagt hatte.

„Wer wird sich denn gleich so haben? Vielleicht lernst du es schätzen! Ich kenn da so eine, die war wie du, doch am Ende hat sie es genossen!“

„Mein Vater bringt dich ins Gefängnis, wenn du auch nur auf die Idee kommst, mich falsch anzufassen! Er hat Heizō Hattori auf seiner Seite, die beiden kriegen jeden klein.“

Ein gleichgültiger Laut entkam ihm. „Ach was! Hattori kocht auch nur mit Wasser. Der kann mir gar nichts – und wenn dein Vater was versucht, kriegt er Blei zu fressen!“

„Wir haben sie extra nett verpackt für dich, Teran. Sag schön danke!“ Shiori begann zu lachen, während in Kazuhas Augen Tränen der Wut und Angst aufkamen. Dieses falsche Stück! Und sie hatte sich nur über Katsumi aufgeregt. Die hier hatte eine scheinbar nette Seite und war am Ende dann doch so ein fieses Stück. Ihre Eifersucht auf Katsumi hatte sie beherrscht, so dass sie die falsche Fassade der anderen nicht entdeckt hatte.

Der Killer zückte ein Messer und Kazuha dachte schon, er wollte sie aufschlitzen, doch das einzige, was er tat, war ihr ohnehin dünnes Oberteil etwas zu verschönen, so dass er ihren BH blitzen sah. „Ihr habt sie wirklich nett verpackt. Leider hat sie für meine Verhältnisse noch zu viel an!“ Es war eine fadenscheinige Lüge, denn Shina war auch nie zu freizügig herumgelaufen und hatte dennoch sein Interesse geweckt, mehr noch als die geile Syrah, mit der er nun verkehrte, seit er Mitglied in der Organisation war. Er hatte sich einen passenden Charakter zugelegt, der ihn unangreifbar sein ließ – anders als dieser Tatsuno, der einer Frau hinterher heulte. Er war im Gegensatz zu dem und Sêiichî Iwamoto ein richtiger Mann. Er war besser, als all die Weicheier, sogar Yuichi war für ihn eins. Seine widerliche Liebe zu Kir ging ihm mächtig auf den Wecker. Er wurde doch total gefühlsduselig, was auch immer die Frau tat. Als Cinzano ihm fremdgegangen war, hatte er zwar sein Gesicht gewahrt, aber jeder wusste, wie sehr ihn das gekränkt hatte. Er hätte ihr das hübsche Gesicht mit der Faust polieren sollen, als sie schlicht zu verlassen. Ein richtiger Mann ließ sich so etwas nicht gefallen. Er hatte Shina auch schon mehr als nur einmal körperliche Schmerzen zugefügt, um ihr zu zeigen, dass Frauen gefälligst den Männern zu folgen hatten…

„Wie der kleine Hattori wohl schauen würde, wenn er auftaucht und du befingerst seine Freundin, der tickt bestimmt aus – sie denkt, er hätte nichts für sie übrig und behauptet, dass er gar nicht kommen wird – wollen wir wetten, Teran, wer Recht hat? Na, was sagst du? Wird er kommen, oder wird er nicht kommen?“

„Kann ihn ja nochmal anrufen und ihm sagen, wo meine Finger jetzt hingehen“, er spürte Kazuhas Zittern, als er seine Hand auf ihrem Schenkel aufwärts wandern ließ.

„Und von wem hast du diesen Befehl erhalten, das zu tun?“ kam eine Stimme, deren Herkunft ein Geheimnis war. Man sah ihn nicht, aber das war wahrscheinlich noch schlimmer, als wenn sie sein niedliches Gesicht gesehen hätten. So war er ungesehen und konnte jederzeit zuschlagen.

‚Wie er nervt – man kann nicht mal ein bisschen Spaß haben, wenn er da ist… Noch so ein Weichei’, dachte Teran. Er beschützte Frauen, kein Wunder, dass er sich gut mit Iwamoto verstand.

‚Wer hat auch ahnen können, dass Jami hier rumlungert… Wer zum Teufel hat uns den Kerl an die Backe geklebt? Der ist so was von lästig! Valpolicella war es nicht, sie vertraut uns. Außerdem ist es ihr egal, was mit anderen Frauen geschieht. Sie findet, eine Frau, die sich das antun lässt, hat es verdient!’
 

Asako hatte nun endlich Ruhe vor ihrer Schwester. Sie würde ihr aufs Dach steigen dafür, dass sie zu Sojuro hielt, Asami war da leider anderer Meinung. Nämlich, dass er verdorben war. Sie hingegen gab Kimiko die Schuld an allem – kurz gesagt, er tat ihr Leid. Der arme Kerl hatte sie zu sehr geliebt, das war der Guten wohl zu langweilig gewesen. Es war nur zu schade, dass Sojuro nicht mehr miterlebte, wie seine Exverlobte den nächsten Kerl verließ. Es wäre für ihn sicher ernüchternd gewesen – in ihren Augen hatte die kleine einen Knacks. Sie blieb nur bei Männern, die sie nicht über alles liebten… Sobald sie zu viel Gefühl zeigten, brach sie aus, so auch bei Sojuro. Sie war davon überzeugt, dass ihrem letzten Freund das gleiche geblüht hätte. Leider würden sie das ja niemals erfahren. Sie hätte ihre Hand ins Feuer gelegt. Das Ganze hatte eine gute Freundin ihr gesagt, die sich sehr gut mit Psychen auskannte, weil sie etwas Entsprechendes studierte. Hiroya war mit Sojuro befreundet, er musste auch dementsprechend wütend auf seine Schwester gewesen sein, dass sie ihren Freund so herablassend behandelte, nachdem er immer zu ihr gehalten hatte. Er war damals ein kleiner Streber gewesen, der nichts auf die Reihe bekommen hatte, wenn es um Frauen ging. Ein Junge, den niemand ernst nahm, weil er nicht der Norm entsprach…

Von Sêiichî Iwamotos Fremdgeherei hatte er nur profitiert. So hatte er den Helden für sie spielen können und dem Verflossenen für seine Taten eine Tracht Prügel verpassen.

Sojuro, dieser Idiot, liebte sie immer noch. Egal, was sie tat, er liebte sie, diese Frau hätte sich alles erlauben können. Diese Hexe schaffte es doch nun wirklich bei jedem. Sie machte die Kerle einfach wahnsinnig. Naru war in dem Punkt jedoch auch anderer Meinung. Sie fand, dass Sojuro eine ordentliche Spritze hatte und Kimiko keinesfalls Schuld daran hatte, dass er so geworden war. Sie fand sein Hinterherrennen erbärmlich. Ihr Freund war ebenfalls ein Mann, der einer Frau alle Wünsche erfüllte, die sie so haben könnte.

Kimiko hatte ein großes Talent, sich in die Herzen der Menschen zu spielen, dabei war sie auch gerne die Unnahbare – Männer standen anscheinend darauf. Auch ihr Freund hatte sie schon in Schutz genommen, sie verstand diese Leute nicht. Eine Frau, die mit Katori Shirakawa gut befreundet sein konnte, war doch kaum normal. Was Asami auch gerne totschwieg, war das Verhältnis von Hiroyas Schwester mit ihrem verstorbenen Mann. Sie war doch mit ihm unterwegs gewesen, bevor er zutode gekommen war. Dass die Beiden sich einfach so amüsiert hatten, glaubte sie nicht. Sie konnte Koichiru nicht haben, er hätte doch nie und nimmer seine Frau betrogen, er war ein anständiger Kerl gewesen… Ihr kamen noch immer die Tränen, wenn sie an das glückliche Leben der Beiden dachte. Die Vorzeigebeziehung ihrer Schwester zu dem Kriminalisten war im ganzen Ort voller Bewunderung erlebt worden. Kein Paar, das sie kannte, hatte so perfekt zueinander gepasst, wie sie. Das perfekte Bild der Beiden im Kopf akzeptierte sie längst keinen anderen Mann mehr im Leben ihrer älteren Schwester. Sie mischte sich allzugerne in Liebeleien ein, die schneller endeten, als man gucken konnte. Jedoch nur bei ihrer Schwester. Sie sah einfach rot, wenn da ein anderer Mann ankam, der Interesse an ihrer Schwester bekunden wollte. Man hätte meinen können, sie sei eifersüchtig, dabei betraf es sie nicht einmal. Und dass Kimiko versucht hatte, sich dazwischen zu drängen, obwohl Sojuro ganz offensichtlich total in sie verschossen gewesen war, machte sie fuchsteufelswild. Eigentlich konnten alle Männer, die je mit ihr zu tun gehabt haben, von Glück reden, sie endlich loszusein. Nur sahen sie es nicht ein. Zwar hatte diese Frau noch nie einen Mann betrogen, dafür beendete sie Beziehungen mit einem heftigen Knall. Sie hatte noch nie ein so großes Drama erlebt, wie damals in Kyoto. Ihr bester Freund war offentlich in sie verliebt – ihr konnte keiner erzählen, dass sie das damals nicht bemerkt hatte – und ließ sich dann mit so jemandem wie Sêiichî Iwamoto ein, da konnte man doch nur dumm sein. Er hatte sie angehimmelt, so sehr, dass die gesamte Schule sich darüber amüsiert hatte. Doch es war ihm egal – ihm den Außenseiter. Hiroko würde jetzt sagen, dass sie den Kerl so lange hatte zappeln lassen, weil er nicht beliebt war, im Gegensatz zu den anderen Männern, die ihren Weg damals gekreuzt hatten. Hiroko ließ ohnehin nie ein gutes Haar an ihrer Cousine. Neulich, als sie telefoniert hatten, hatte diese noch gemeint, welche Fußhupe sie wohl diesmal hatte, die demnächst entsorgt wurde. Sie hoffte nur, dass Sojuro sich selbst bald wieder fand, bevor er sich gänzlich zum Deppen machte. Das tat er schließlich seit Jahrzehnten. Es hätte wohl auch keinen der beiden Frauen gewundert, wenn sie gleichzeitig mit zwei besten Freunden angebändelt hätte. Die Möglichkeit war ja gegeben gewesen. Ihr Leben war wohl so langweilig gewesen, dass sie das nötig gehabt hatte. Zum Glück hatte Sêiichî sich nicht nochmal auf sie eingelassen, obwohl es sie nicht gewundert hätte, weil er eben ein schwieriger Charakter war. Bei ihm musste man sich noch anstrengen, um ihn zu bekommen. Und er schien ein bisschen Haue auch ganz gern zu haben… Dass er keine perfekte Beziehung aufbauen konnte und wollte, lag wohl auch genau daran. Er wollte den Stress. Und den bekam er bei den meisten Frauen dann auch, wenn er wieder fremdging – bei ihm war es anscheinend wirklich chronisch. Trotzdem war er von Kimikos Exfreunden noch einer derjenigen, mit denen man als Frau klarkommen konnte, wenn er es endlich unterlassen hatte, an einem herumzugraben, weil er es einfach nicht lassen konnte. Das letzte Mal, als sie ihn getroffen hatte, war er ganz handzahm gewesen – er hatte nicht einmal versucht, ihr in den Ausschnitt zu gucken, was nun wirklich ein Wunder war – bei so einem Mann. Vielleicht lag es auch daran, dass Sêiichî wie Sojuro ein Mitglied der Organisation geworden war und deswegen genug Probleme hatte, als dass er sich noch welche schaffen wollte…

Sie kannte beide Männer seit ihrer Kindheit und konnte sich gut vorstellen, dass sie beide mit der Situation weniger zurecht kamen, als sie anderen Glauben machten.

Wenig später kam diese Plage von Schwester jedoch wieder, so dass sie die Gedanken versuchte abzuschalten, sonst würde man ihr nur auf die Nerven fallen, wo sie denn mit ihren Gedanken war, sie solle sich gefälligst auf ihre Arbeit konzentrieren.
 

„Nein, keine Sorge, ich bleib noch hier, bis er im Krankenhaus angekommen ist. Ihm passiert schon nichts, vertrau mir einfach!“

Die Männerstimme war das erste, was sie lauschen ließ.
 

Dann die Worte ihrer Schwester. „Ich mache jetzt Feierabend, weil ich versprochen habe, Naru nach Hause zu fahren. Es ist viel passiert.“

„Wohl wahr“, erwiderte Asako ihrer Schwester und blickte auf, auch wenn sie versuchte ebenfalls das Telefongespräch des Mannes am Flurende mitzuhören, was sich als gar nicht einfach darstellte, da sie bei beiden zum gleichzeitigen Zuhören gezwungen war, um ihrer Schwester antworten zu können, ohne dass sie mitbekam, dass Asako lauschte.

‚Wo hat er eigentlich seine Verlobte gelassen? Doch nicht etwa bei IHM? Der checkt auch nichts…’ Zu gerne wollte sie ihm mal verraten, was gespielt wurde, gerade weil er sich so große Mühe gab, ihm zu helfen. In Sachen Hinterhältigkeit stand er Sojuro in nichts nach, immerhin machte er sich andauernd an Freunde von ihm heran, nur um ihm zu schaden.

„Bitte konzentriere dich auf deine Arbeit… Das schaffst du schon. Mach dir einfach weniger Gedanken um andere Leute“, riet ihr die große Schwester, was diese schon wieder als bösen Angriff ansah.

„Das ergibt sich leider in diesem Krankenhaus“, für den Satz verteufelte Asako sich wahrscheinlich selbst, da sie etwas von sich Preis gab, etwas was ihr nahe ging, aber es war leider bereits über ihre Lippen gehuscht. „Ich bin Krankenschwester, ich muss mir prinzipiell Gedanken um andere Menschen machen.“

„Lass es einfach nicht zu nah an dich ran, das tut dir nicht gut, Liebes.“

„Ja…“ Sie nahm es hin, da es besser so war, sonst bohrte die eigene Schwester immer weiter in ihr herum, bis sie alles wusste.

„Gut, dann gehe ich jetzt! Wir sehen uns morgen“, mit diesen Worten verabschiedete sich die Ärztin und verließ den Gang mit dem nächsten Aufzug. Wahrscheinlich wartete Naru dort unten auf sie.

„Arme Naru, die macht auch einiges mit. Und noch dazu jetzt mit meiner Schwester. Sicher wird sie wieder Seelsorgerin spielen, weil sie es einfach nicht lassen kann.“ Naru redete ungern über ihre Gefühle, sicher würde ihre Schwägerin deswegen bei ihr anecken…
 

Tatsuji, der gerade noch bei Riina war, um ihre Hand zu halten, hörte, wie es an der Tür klopfte und bat die Person herein. Die Tür wurde geöffnet und eine elegant gekleidete, schwarzhaarige Frau betrat den Raum. Es war finster und ihre strahlend blauen Augen funkelten ihn an.

„Guten Abend, ich wollte nur mal sehen, wie es ihr geht.“ Sie schloss kurzerhand die Tür hinter sich und trat näher an den jungen Mann heran.

‚Irgendwo habe ich ihn schon einmal gesehen… Wieso erinnere ich mich auf einmal daran? Ich erinnere mich doch sonst an nichts…’ Sie besah Tatsuji sorgfältig, mit einem Detektivblick, wie er fand, so dass er sich schon ein wenig wunderte.

„Ach, du bist das Mitsuki Ikezawa“, er lachte kurz auf, „hätte dich fast nicht erkannt.“

„Ano…“ Sie schien verwirrt von seiner Aussage. „Kennen wir uns…? Ich kann mich nicht erinnern.“ Die Kurzhaarige griff sich an die Schläfen, denn sie schien schreckliche Kopfschmerzen zu haben. Tatsujis Grinsen verschwand und er stand besorgt auf. „Fehlt dir was?“

„I-Ich kann mich einfach nicht erinnern!“ Ihre Stimme war laut geworden, obwohl sie es nicht wollte. Die Angst vor sich selbst beherrschte sie noch immer. Ständig erzählten ihr andere Menschen, wie sie wirklich war, aber sie kannte sich einfach nicht. Menschen verachteten sie, ohne dass sie selbst ihnen Glauben schenken konnte. War sie wirklich so ein schlechter Mensch gewesen? Sie fühlte sich nicht danach…

„Beruhig dich bitte“, er zog sie aus dem Zimmer, da Riina nicht aufwachen sollte und stellte sie an der Wand ab, betrachtete sie. „Jetzt erzählst du mir erst einmal, was vorgefallen ist.“

So ganz hatte der Mann sie nicht verstanden.

„Gedächtnisverlust – ich weiß noch nicht einmal, was genau passiert ist. Nur wenn andere davon reden. Kommissarin Satō verschweigt mir etwas. Sie meinte, ich hatte einen Unfall und wendet sich dann von mir ab, um nur nicht mehr sagen zu müssen.“ Aber nicht nur Miwako legte dieses Verhalten an den Tag, so ziemlich alle im Präsidium verhielten sich extrem merkwürdig. Tatsuji dachte darüber nach und kam zu dem Entschluss, dass es wahrscheinlich besser so war, wenn die junge Frau nicht wusste, was vorgefallen war. Sicher war es etwas Schreckliches gewesen und man schonte sie jetzt.

„Sehr merkwürdig – ich kann mich ja mal bei Satō-san erkundigen“, schlug er vor, es war ja noch lange nicht gesagt, dass er ihr auch die Wahrheit sagen würde. Das kam ganz darauf an, ob sie ihr nutzen, oder schaden würde – er befürchtete jedoch zweiteres.

„Warum willst du das für mich tun?“

„Das ist einfach“, antwortete der Profiler. „Du hast Riina das Leben gerettet, indem du ihr Blut gespendet hast. Ich habe mich noch nicht richtig bei dir dafür bedankt, von daher schulde ich dir noch etwas. Also keine Sorge!“ Nachdem er ihr das versprochen hatte, fiel ihm noch etwas anderes ein. „Gehst du zur Therapie? Mit Gedächtnisverlust ist manchmal nicht zu spaßen.“

Mitsuki zuckte einmal und sah dann an dem großen Mann hinauf. „Ich mag meine Therapeutin nicht, die ist so komisch! Ich habe das Gefühl, sie will es schlimmer machen, nicht mir helfen.“

„Wie heißt sie denn?“

„Yakko Kajiwara.“

Der Braunhaarige seufzte schwer. Das war die falsche Antwort gewesen… Tatsuji hatte längst seinen Glauben in ihre Fähigkeiten verloren, seit er sie zu gut kannte. Sie war meistens erfolgreich, aber ihre Methoden ließen doch sehr zu wünschen übrig. Sie hatte, wenn es um ihre Arbeit ging, kein Herz. Sie war rücksichtslos. Genauso, wie sie bei ihm auch gewesen war…

„Mein Beleid – tut mir Leid“, er schüttelte den Kopf, so etwas sollte er ihr nicht sagen, das machte nichts besser.

„Was hat sie dir geraten, was du jetzt tun sollst?“

Mitsuki schüttelte es bei dem Gedanken. Und sie wusste nicht, ob sie diesem Mann Derartiges erzählen sollte. „Ich soll… Ich… Also, sie meinte, dass ich mit dem Vater meines Kindes viel Zeit verbringen soll. Er würde die Erinnerungen schon wieder bringen. Ich soll Dinge mit ihm machen, wie wir sie früher taten. Leider habe ich irgendwo Hemmungen, ihrem Ratschlag zu folgen. Er beinhaltet intime Dinge, wie ich sie zu diesem Mann einfach nicht will. Alles in mir sträubt sich davor, ihn nahe an mich ranzulassen.“

Nein danke, so viel wollte er nicht wissen, auch wenn sie es nicht ausgesprochen hatte, war ihm klar, was Yakko von ihr verlangen wollte. Sie sollte sich dazu zwingen, mit diesem Kerl… Ihm war schlecht, das konnte nicht der Ernst seiner Exfreundin sein.

„Mein Ratschlag an dich: Mache niemals etwas, was du selbst nicht willst. Hör einfach auf dein Herz. Wenn es sagt, dass du das sein lassen solltest, tu es nicht.“
 

Nachdem die Ablöse kam, machte sich Asako auf den Nachhauseweg. Es war schon weit nach Mitternacht und für eine Frau, die alleine unterwegs war, gefährlicher den je.

Seit sie von der Organisation wusste, beunruhigte sie jeder Schatten, der auf sie fiel, noch mehr, als zuvor. Gut, dass ihre Großmutter ganz in der Nähe wohnte, in einer riesigen, gespenstig wirkenden Villa. Immer, wenn sie Probleme hatte, kam sie hierher. Zwar mochte die junge Frau die Methoden der Familie nicht, doch der Zweck heiligte so manches Mal die Mittel.

Sie befand sich als Familienangehörige auch wenig später im Empfangszimmer. Schüchtern wie sie sich manchmal gab, bekam sie bei der eigenen Großmutter zunächst keinen Ton heraus.

„Magst du mir nicht erzählen, was dich beschäftigt?“ musste die ältere Dame aus der 23-jährigen herauszwängen und diese blickte ängstlich drein.

„Ich habe ein größeres Anliegen, wahrscheinlich wirfst du mich am Ende wegen meiner Frechheit raus!“

„Wie käme ich dazu? Du gehörst zur Familie!“ betonte die Grauhaarige, woraufhin die Jüngere ein lautes Seufzen von sich gab.

„Es geht erst einmal um Shizue und Kazuo…“ Es fiel ihr schwer, es auszusprechen, jeder würde sie für total verrückt erklären. „Mein Bruder ist in so eine Sache verwickelt, in die er sich immer tiefer reinreitet – die beiden Kinder sind massiv davon betroffen. Sie sind sozusagen ein Druckmittel, um ihn bei Stange zu halten.“

Kioko Yasuaki zündete sich eine Zigarre an, welche zweifelsohne nicht ihr Eigentum war, sondern das ihres Mannes, der nun tausende Kilometer entfernt, sich um Belange kümmerte. Sie fühlte sich alleine und der Geruch der Zigarre erinnerte sie an ihren Mann – das konnte sie gerade gut gebrauchen. Sie genoss sie in vollen Zügen. „Schon wieder diese Schwarze Organisation“, spie die Dame aus, wobei ihre Augen gefährlich funkelten.

„Schon wieder?“ hinterfragte Asako verblüfft und man schenkte ihr einen gehässigen Laut.

„Ja, die machen andauernd so viel Ärger! Mein Sohn hatte es auch schon mit ihnen zu tun, widerliche Möchtegernverbrecher, die denken, alle seien ihnen unterlegen! Gut, dass du damit nicht zur Polizei gegangen bist – sie ist unfähig, etwas zu tun! Es gibt nur einen Polizisten, den wir beide kennen, der ihnen gefährlich werden kann…“

„Sêiichî Iwamoto?“

Man hätte meinen können, dass Asako ihrer Großmutter damit auf den Schlips trat und wie heftig, da diese ebenso reagierte. Nämlich, indem sie aufsprang und mit einem Fausthieb den Tisch zum Beben brachte. „Ach was, doch nicht Iwamoto! Ich meinte Hiroya Tokorozawa, der seit Jahren hinter ihnen her ist!“

Geschockt von Kiokos Wissen weiteten sich ihre Augen.

„Der tut doch gar nichts, er schaut bloß zu!“ kritisierte die Jüngere den Mann, was ihrem Gegenüber gar nicht schmeckte. Sie hörte es nicht gerne, wenn man so über ihren Schützling sprach.

„Und ob er etwas tut! Wie kannst du sagen, er würde zuschauen?“

„Noch schlimmer, er schickt andere vor. Ihm ist anscheinend nicht bewusst, was er dem armen Sojuro damit angetan hat!“ Asako war entsetzt, dass ihre Großmutter so blind war. Wusste sie am Ende gar nicht, was Hiroya getan hatte? Sie war gewillt, die Frau aufzuklären, immerhin hatte er Narus Bruder zusammen mit Kimiko auf dem Gewissen.

Kioko beruhigte sich - wenn auch langsam – wieder und ließ sich zurück in ihren Sessel fallen – sein Sessel. Der ihres Mannes…

„Angetan? Socchi hat sich doch selbst angeboten, weil er etwas Gutes tun wollte. Der Bengel brauchte Action – außerdem spukte so ein Weibsbild in seinem Kopf herum! Das kam ihm gerade Recht. Du tust ja, als hätte Hiroya ihn überredet, so etwas tut der Junge nicht.“ Man konnte unschwer erkennen, dass sie alle für die Frau noch Kinder – noch grün hinter den Ohren – waren.

„Na und?! Und wenn schon!? Hiroya hat es schäbig ausgenutzt, er hätte ja auch ablehnen können! So etwas Verrücktes! Und mein Bruder hält jetzt für Sojuro seinen Kopf hin, wenn ich es richtig verstanden habe! Wenn er nicht wäre, würden sie ihn töten.“

Kioko wackelte mit dem Zeigefinger. „Ah ah, er ist der Sohn eines Yakuza, er lässt sich nicht töten!“

Wenn der Boss der Schwarzen Organisation abgehoben war, so war es die Frau des Yakuza-Boss ebenso, wenn sie schon so redete. Sie sah die Gefahr schon seit langem nicht mehr, hatte mit ihr leben gelernt. „Und was passiert, wenn herauskommt, wer oder was die Beiden sind? Was denkst du, wird man mit ihnen anstellen?“

„Dein Bruder ist kein Yakuza“, dementierte Kioko, da sie den Grund für ihre Worte erkannt hatte, darauf wollte sie hinaus. „Ihm passiert also nichts. Er ist in seinem Herzen schlecht und hält Sojuro für genauso schlecht, deshalb hilft er ihm, nicht aus Nächstenliebe.“ Shinji hatte schon so oft bewiesen, dass ihm seine Herkunft wenig bedeutete – er verriet seine eigenen Leute, auch wenn sie sich nichts hatten zu Schulden kommen lassen. Er war eine Schande für die gesamte Familie. „Als dein Vater ablehnte, nannte er ihn Waschlappen. Von Familienzugehörigkeit hat er wenig gelernt. Es gibt eine Regel, die er brach… Mord in der eigenen Familie, aus reiner Eitelkeit! So etwas wird nicht toleriert.“ Sie kam auf diese Sache zu sprechen, die Asakos Bruder vor einiger Zeit abgezogen hatte. Die Mutter seines Kindes… sie starb durch seine Hand.

„Mein Bruder ist kein Mörder, man zwingt ihn dazu“, legte Asako mit kraftvoller Stimme ein, denn sie war davon überzeugt, dass er ebenso wie Sojuro in Wirklichkeit ein Feind der Organisation war.

„Du irrst dich, Kind… Der Tod von Kaoru ging auf seine Rechnung“, verriet die Grauhaarige schweren Herzens. „Er ist am rechten Ort gelandet. Wenn mein Mann ihn erwischt, gibt es Saures!“ Aus ihrem Mund klang es äußerst bedrohlich, geradezu, als würde er ihn bestrafen – auf Yakuza-weise. „Und weil ich ein Miststück bin, kann ich dir ja auch sagen, dass Koichiru von Saperavi ermordet worden ist.“ Es war bestimmt ein Schock, aber sie musste endlich aus ihren grenzenlosen Naivität erwachen, so wie ihre ältere Schwester schon vor über zehn Jahren. Sie wusste, wie ihr Bruder tickte, nur das naive Mädchen wieder nicht.

„Das ist doch nicht dein Ernst! Er war der Mann unserer Schwester.“

„Wie gesagt“, fügte die Dame an, „er kennt so etwas wie Familienzugehörigkeit nicht!“

Es gab keinerlei Grund dafür, ihre Enkelin zu belügen. Und da dieser nicht existierte, musste sie dieser traurigen Wahrheit wohl Glauben schenken. Der Gedanke an die Wirklichkeit ließ sie heftig aufschluchzen.

Sie setzte noch eins drauf: „Seid froh, wenn er euch wenig Interesse schenkt, sonst seid ihr die Nächsten, die er umbringt!“ So grausam es klang, aber man musste diesem Psychopathen so etwas zutrauen, immerhin hatte dieser die Schwester eines Interpolagenten aus reiner Gehässigkeit geheiratet, um ein Kind mit ihr zu bekommen und sie anschließend auszulöschen. So tickte dieser Kerl. Töten sah er als so etwas wie sein Hobby an, er hatte einfach Spaß daran.

Obwohl sie kurz vor einem Heulanfall stand, hatte man ihr schonungslos die Wahrheit offenbart, die niemand gewagt hatte, auszusprechen.

„Ich glaube, Yuzo Tatsuno, würde seinem Sohn die Ohren langziehen, wenn er wüsste, dass er einem Mädchen die Ohren vollgeheult hat. Deswegen redest du ja so, nicht wahr? Ich glaube, er steckt es besser weg, als der Polizist, der für die Organisation arbeitet. Ich glaube jedoch nicht, dass er sonderlich erfolgreich sein wird, wenn er nicht endlich erwachsen wird. Er lässt sich von so mancher Frau aushorchen…“ Sie schüttelte den Kopf, Iwamoto würde sich nie ändern. Im Gegensatz zu ihm, konnte Sojuro sich beherrschen und würde keiner Frau vertrauen… dachte sie jedenfalls. Von seinem engen Kontakt zu Cinzano hatte sie leider noch nichts mitbekommen…
 

Die Tür fiel ins Schloss. Er lehnte an der Wand, die Augen starr auf gegenüber liegende Wand gerichtet. Auch als die blonde Frau den Raum betrat, beachtete er sie nicht. Für einen Moment hatte er sich wirklich gut gefühlt… Als er diesem Mistkerl das Messer der Wange entlang gefahren hatte. Das Blut, das aus der frischen Wunde trat, gab ihm Genugtuung. Doch es war niemals genug. Er wollte noch mehr. Rache. Es hatte ja leider die falsche Person getroffen und doch spürte er keinerlei Reue. Befriedigt kam er sich dennoch nicht vor. Sazerac jedoch dachte, dass es aus ganz bestimmten Gründen passiert war… Dass Mezcal wusste, was er getan hatte. Es war zwar nur ein Auftrag gewesen, doch die Wunde im Gesicht hatte er verdient. Das Gift wirkte schnell. Bestimmt hatte er seine dreckigen Griffel im Spiel gehabt. Es roch geradezu nach diesem Giftmischer. Die alle, verrecken sollten sie doch alle. Und das Miststück hatte dabei zugesehen, wie man ein wehrloses Mädchen um ihr junges Leben betrog. Deswegen zierte sie nun auch eine nette Schramme im Gesicht. Ja, ihr so verdammt hübsches Gesicht, was nicht ihrem verdorbenen Inneren entsprach.

„Wie lange willst du noch die Wand anstarren, Sojuro?“

Der junge Mann wandte den Kopf ein wenig schief und sah die blonde, gleichaltrige Frau an, als sei sie dem heiligen Geist entsprungen und gar nicht real. Keine Antwort kam von ihm.

„Hoffnungslos, als wenn er mich nicht hört“, seufzte sie und ging auf ihn zu. Sie packte ihre Einkäufe aus. Nicht, dass es untypisch war. Es war sogar sehr weiblich – einkaufen. Ja das hatte sie auch gerne gemacht, sehr gerne sogar. Als er die junge Frau dabei beobachtete, wie sie sich mit einem Kleid im Spiegel betrachtete, verschwamm seine Sicht, er konnte nichts dagegen tun…

Zwar hatte Katori noch niemals ein Lächeln in seinem Gesicht entdecken können, aber genauso wenig hatte er ihr Tränen gezeigt. Es war das erste Mal seit über einem Jahr, dass er diese zeigte. Warum genau sie ihm nun kamen, wusste sie nicht zu deuten. Ob es nun wegen Kimi war, oder wegen seinem Organisationsleben, das ihn doch sicher ankotzte.

Was ihm nun allmählich klar wurde… Nun hatte er sie endgültig verloren, es gab kein Kämpfen mehr. Ja, das Kämpfen um sie war sein Seelentrostspender gewesen. Das Einzige, was er nun noch konnte, war sich an eine hübsche Frau hängen. Eine, die ihn verstand. Die seine Gefühle für seine Kindkeitsfreundin wirklich verstehen konnte. Weil sie das Gefühl von Eifersucht selbst durchlebte.

„Ich wollte seine widerlich süße Visage in alle Einzelteile zerschnippeln! Warum gibst du dich mit mir ab? Ich meine, mit jemandem, der so etwas Grauenvolles getan hat? Kimiko konnte mir ja auch nicht verzeihen. Nicht, dass ich an sein Gesicht wollte.“

Katori holte tief Luft. „Weil ich es verstehen kann. Sie ist auch so widerlich niedlich, dass man kotzen möchte“, verriet die Sängerin ehrlich. Ja, Kirs Gesicht vor sich zu sehen, wie sie lieb und nett lächelte und immer das Engelchen für alle war, nervte sie extrem an.

Überrascht blickte er auf. „Du würdest wohl kaum mit einem Messer in ihr Gesicht gehen, um sie für’s Leben zu zeichnen…“

„Nein! Ich muss sagen, manchmal würde ich es gerne, aber es gibt andere Mittel und Wege! Welche, die mir weniger schaden.“ Ihr Satz strotzte nur so vor Hass. Er hatte diesen unendlichen Hass noch nicht an ihr bemerkt. „Kimi war dumm! Dich wegen eines feigen Idioten zu verlassen… Tja, du musst es so sehen: Weil sie so dumm war, ist sie jetzt tot… Selbst schuld würde ich da sagen.“ Katori bedauerte es zutiefst, dass es so weit gekommen war, obwohl ihre Worte nicht danach klangen, ihr trauriges Gesicht sprach Bände. „Ich kann sie womöglich nicht ersetzen, aber ich kann es erträglicher machen.“ Sie nahm neben ihm Platz, wohlwissend, dass ihm sicher nicht nach ihrer Gesellschaft war.

„Ich habe dieses Scheißleben satt. Schon seit ich ein Kind war, war ich oft der Buhmann. Ich will das nicht mehr. Das lass ich mir nicht mehr gefallen. In der Familie, in der ich groß geworden bin, gab es keinen Spaß. Alles musste perfekt ablaufen. Ich musste funktionieren. Leider hatte ich dazu keine Lust. Um mich zu retten, haben sie mich dann mit ihr verlobt. Im Grunde ist mein Vater schuld, er wollte es so. Danach hat der ganze Mist angefangen. Sie hat sich wohl eingeengt gefühlt… ach wär es nur so geblieben, wie es war…“ Er ließ sich an der Wand hinabrutschen und blickte nun zur Decke. „Es war doch alles gut… Bis ich sie heiraten sollte…“ Natürlich konnte er ihre Angst davor verstehen, immerhin war sie damals erst 18 gewesen.

„Und der wirkliche Grund? Wollte dein Vater verhindern, dass du dich den Yakuza anschließt?!“ Etwas anderes konnte sich Katori nicht vorstellen. Eine Ehe mit einer Polizistentochter roch schlichtweg danach.

„Mein Vater hat die Machenschaften meines Großvaters gehasst. Er wollte nie wie er sein, er war ein begnadeter Pianist. Er hatte andere Pläne für mich. Komponist, Musicaldarsteller – ein berühmter Sohn. Das Talent hätte ich dazu, meinte er immer. Er war es auch, der Kimis Traum unterstützte. Damit hat er mich auch in ein positives Licht gerückt. Leider habe ich das Gefühl, dass er es war, der uns zusammenbrachte und nicht ich selbst. Es ist kein sonderlich gutes Gefühl, wenn man selbst nichts erreicht hat. Wenigstens habe ich es selbst geschafft, mich als Kind mit ihr anzufreunden.“ Sie musste ihm ja weglaufen… Er hatte versucht ihr alles Recht zu machen. Immer nett zu ihr zu sein. Sie auf Händen zu tragen. Und sie verschwand einfach nach Osaka und lachte sich dort einen neuen an.

„Jetzt mach dich nicht selbst so klein! Es ging nicht von ihr aus, glaub mir. Er hat es von Anfang an darauf angelegt, sie rumzukriegen. Ich habe Einiges mitbekommen. Es gibt kaum ein Mann, der sich uneigennützig mit einer Frau anfreundet. Das war seine Masche.“

Sojuro war wirklich froh darum, dass sie seinen Namen nicht erwähnte, denn schon beim Erwähnen wurde ihm total schlecht. Er wusste bereits viel zu viel über seine Beziehung zu seiner Verlobten, als dass er über ihn reden könnte, ohne aus der Haut zu fahren.

„Das weiß ich“, musste der Schwarzhaarige noch sagen, weil es dazu gehörte, sich das einzureden. Hauptsache SIE kam dabei gut weg, wie andere dabei wegkamen, zählte schon lange nicht mehr. „Hiroya hat es mir erzählt, was er gemacht hat. Weil sie total auf die Freundschaftsschiene abfuhr, hat er den Tod ihrer Schwester schamlos ausgenutzt, um den Tröster zu spielen. Schon wenn ich daran denke, gerate ich in grenzenlose Wut!“

Na, wenigstens war wieder Leben in seinen Gesichtsausdruck eingekehrt, das war doch auch etwas. Er sah verstimmt aus, aber zum Glück nicht mehr so am Boden wie bis eben noch.

„Vielleicht tröstet es dich ein bisschen… Aber als ich im Krankenhaus war, hat Hiroya ihn verbal so runtergeputzt, dass er anfing zu heulen. Er schont ihn wirklich kein bisschen. Das mit seiner Schwester hat ihn schwer getroffen, das verzeiht er niemandem, selbst wenn er auf den Knien rumrutschen würde, nicht.“ Es war ein gehässiger Laut zu hören. Sie konnte den Kerl ja schon von Anfang an nicht leiden, er hatte sich zwischen sie selbst, Kimiko und Saki gedrängt. Immer wenn es um ihn ging, hatte man sie hängen lassen… Und am Ende hatte sie nur noch den Kerl im Kopf und überhaupt keine Zeit mehr für ihre beiden Freundinnen.

„Hiroya ist seinen Freunden gegenüber eben loyal. Er würde mich nie hängen lassen.“ Sojuro hätte für Kimikos Bruder seine Hand ins Feuer gelegt. Dass der junge Mann so undurchsichtig wie ein Granit war, hatte er nicht mitkommen. Seine Beweggründe waren ihm schließlich fremd und doch dachte er ihn besonders gut zu kennen, nur weil er mit ihm aufgewachsen war.

„Ja, ich auch“, meinte Katori, sie persönlich hatte Hiroya auch noch nie ans Bein gepinkelt.

Es war schon reichlich spät und sie musste leider auf ihren Schönheitsschlaf bestehen, da morgen so ein Werbespot anstand. Gute Publicity war eben alles.

„Ohne gehässig sein zu wollen… Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass dein Freund gerade üble Medikamente nehmen muss. Ihn werden Albträume plagen. Mit sehr viel Glück wird er sich selbst vom Dach stürzen, wenn er sie nicht mehr erträgt. Ich habe mir richtig Mühe gegeben, Hiroya klarzumachen, wer Kimiko ins Grab gebracht hat, damit er es ihm auch noch mal reindrückt. Und die Ärztin im Krankenhaus steht unter der Fuchtel vom Boss. Du siehst, jeder kriegt, was er verdient. Der Showdown kommt dann demnächst… Da gibt es so eine kleine Überraschung. Wenn er bis dahin nicht die Flinte ins Korn geschmissen hat, wird er es dann tun, wenn er dich wiedersehen MUSS. Am besten tauchst du mit Ikezawa und Sakurazawa dort auf, das gibt ihm den Rest.“

Katori konnte auch so wahnsinnig gemein sein, wenn man ihr dumm kam und er war ihr anscheinend ziemlich dumm gekommen. Oder sie hatte einen schlechten Tag gehabt. Er dachte aber eher ersteres. „Ach, der kleine Juu, er denkt wirklich, dass wir Freunde wären, dabei ist er Mittel zum Zweck. Bei ihm funktioniert das wunderbar. Er hat sich viele zum Feind gemacht, er hat Freunde im Augenblick wirklich nötig.“

Es stimmte, da man den – fast konnte man schon sagen armen Kerl – von allen Seiten auseinandernahm. Wer mochte schon einen drogenabhängigen Mistkerl? Katori hätte sich schon sehr gewundert, wenn Sojuro ihn wirklich gemocht hätte, da er sich gegenüber Kimiko wie ein Arsch benommen hatte – mehr noch als andere. Das ganze Rühr mich nicht an damals und Hilfe, bloß keine Beziehung-Getue hatte ihn am Ende eher zum Erfolg geführt, als Juus Du liebst mich jetzt, basta!
 

Jamis Auftauchen machte Kazuhas Situation zwar nun weniger bedrohlich, doch retten tat sie es nicht. Trotzdem war sie ungemein erleichert, als er dem Dreckskerl verbot, sie anzufassen.

Teran hingegen fand das gar nicht lustig und warf dem schwarzhaarigen Killer einen widerspenstigen Blick zu. „Mach mir mein Spiel nicht kaputt, Jami! Ich will Hattori ein bisschen ärgern, da er total abgehoben ist! Schlimmer als sein Väterchen! Das kannst du doch verstehen, oder?“ Man musste Jami eben austricksen. All seine Pläne zu verraten, wäre albern, Jami musste auch so drauf kommen. Er würde damit nur der Kleinen verraten, worum es wirklich ging.

„Polizei-Kinder, ja?“ hinterfragte Jami und ließ den Blick auf dem Mädchen ruhen. Er erinnerte sich, ob er wollte oder nicht, an seine ältere Schwester, die ihn damals hatte retten wollen – dieses dumme Ding. Deswegen hatte sie sterben müssen – hätte sie ihre Schnüfflernase doch nur aus der Sache rausgehalten…

„Du meinst der Junge ist so dämlich, sich ihretwegen ans Messer zu liefern?“

Noch mehr dumme Fragen, man hätte meinen können, Jami sei ein dummes Kind. Teran seufzte genervt und verdrehte sogar die Augen. „Kennst du das Wort Liebe, Jami? Hast du schon mal was davon gehört? Ich wette mit dir, dass wir ihn so weit kriegen, auszuflippen. Das ist es doch, was der Boss gerne sieht! Kleine Attentäter!“

Dass Heizō Hattoris Sohn eine Neigung zu Wutausbrüchen hatte, das war Jami ja bekannt, aber deswegen seine Freundin belästigen? Irgendwie gefiel ihm das nicht sonderlich.

Kazuha musste auflachen, auch wenn diese Situation nicht witzig war. „Der is’n Egoist und denkt ausschließlich an sich selber!“ Ein bisschen belog sich das Mädchen selbst, natürlich wusste sie, dass sie ihm zumindest so viel bedeutete, um ihn herzulocken. Sie bedauerte es und wünschte sich, er würde schlau genug sein, nicht aufzutauchen. Es war eine Falle, das war doch so klar. Wollte er etwa in die Falle von Verbrecherbanden tappen?

Der Lockvogel zu sein, war ein hässliches Gefühl. Und dann würde er sie in solch einem Aufzug sehen… In ihrer Magengegend herrschte ein seltsames Gefühl von Übelkeit.

„Das werden wir ja sehen, mein Püppchen… Ich werde Dinge vor seinen Augen tun, die ihm nicht schmecken werden“, er hatte es nur geflüstert, Jami musste nicht alles mitkriegen, schon gar nicht seine schmutzigen Ideen, die er wieder verteufeln würde. „Ich seh sein Gesicht schon förmlich vor mir“, grinste er, „wird bestimmt spaßig.“

Der Braunhaarige zückte das Handy des Mädchens und wählte die erste Nummer, die natürlich Heijis war, daraufhin betätigte er den Freisprechknopf. Lautstark war das Tuten des Handys zu hören, was auch Sinn und Zweck der Sache war…
 

Beinahe hatte Ryochi den Jungen aus Osaka wieder zur Vernunft gebracht, so dass er bereit war, die Polizei hinzuzuziehen. Doch dann klingelte sein Handy und er erblickte Kazuhas Handynummer.

„Ich geh ran“, kündigte er Ryochi an, welcher mit ernstem Blick lauschte.

„Hattori am Telefon“, meldete er sich, in vollem Wissen, dass es mit Sicherheit nicht seine Freundin war, sondern einer von denen, die sie gekidnappt hatten.

„Hey Hattori“, hörte der Detektiv eine männliche, arrogante Strimme am Handy erklingen, die auch den zweiten Schnüffler hellhörig werden ließ. Ja, er kannte seine Stimme, wie konnte man sie vergessen? „Hast du kalte Füße gekriegt oder was ist los? Oder ist es dir einfach nur scheißegal, welche perversen Fantasien wir mit deiner Freundin ausleben? Wenn du nicht bald kommst, hat sie nichts mehr an!“ Ein finsteres Lachen rundete die Worte des Kerls ab und schürte das Feuer, das in Heiji ohnehin schon gelodert hatte, noch mehr.

„Das bereust du, weil ich dich dann auslösche, Drecksack!“ Es war schon kein lauter Tonfall mehr, sondern ein Schreien.

„Ach wirklich? Da kriegt man ja richtig Angst! Was hat dein Vater für einen missratenen Sohn?“

„Ach, halt’s MAUL!“ Von einem Mistkerl, der drohte ein 19-jähriges Mädchen zu missbrauchen, ließ er sich gar nichts sagen, schon gar nicht so etwas.

Takahashi goss wohl regelrecht Öl in Heijis feuriges Gemüt. Er hatte wenig Beherrschung und sein Cousin provozierte ihn anscheinend ziemlich, so dass der Junge schon zu Flüchen griff. Er wollte gerade Heijis Schulter ergreifen, als Teran das Fass zum Überlaufen brachte...

„Es fehlt nicht mehr viel, sie hat nämlich heute sehr wenig an. Sie will es so haben, die Kleine. Weil du eine kleine, erbärmliche Missgeburt bist, die es nicht mal einer wie Katsumi Kudō besorgen konnte. Kein Wunder, wenn sie sich so wenig wehrt!“

Teran brachte den Detektiv aus dem Westen förmlich an seine Grenzen. Er stichelte absichtlich dorthin, wo es einem stolzen Typen wie ihn besonders traf. Woher wusste der Mistkerl überhaupt von seiner Beziehung zu Katsumi?

„Oder willst du sagen, du hast sie so richtig gevögelt? Da lach ich ja drüber!“

„Argh! Ich bring dich um, wenn du auch nur einen Finger an meine Freundin legst! Dich kriege ich!“ Mit den Worten war er Ryochis Hand entgangen und losgestürmt. Genau das, was dieser hatte verhindern wollen. ‚Oh scheiße! Das ist eine ganz dumme Idee, gegen Takahashi kommst du nicht an! Du hast ja keine Ahnung, wie schlimm dieser Kerl wirklich ist!’ Natürlich stürmte Ryochi dem Jungen nach, um zu retten, was man noch retten konnte, in dieser Situation. In dem Fall Heijis Leben, welches er vor lauter Wut aufs Spiel setzte, ohne es wirklich zu realisieren. Er konnte sich gut vorstellen, wie es in ihm aussah. Wie sehr er kochte. Dass er innerlich tobte und wie wild schrie, verhinderte klare Gedanken in seinem Kopf. Wenn er überhaupt noch in der Lage war, irgendwelche Gedanken zu fassen…

Aber er unterließ es, ihm hinterherzubrüllen, aus dem einfachen Grund, dass er seinem irren Cousin nicht gleich verraten wollte, wo er sich gerade befand… Dass Heiji nicht alleine war…

Teran hatte Kazuha ohnehin sehr gut in seinen Händen, so dass er nicht erst noch eine geeignete Position einnehmen musste, um den kleinen Heiji zu erschrecken und zu schockieren. Denn kaum zwei Minuten später, kam er um die Ecke gebogen, schwer atmend und mit einem rebellischen Blick, der schon alleine eine Strafe verdiente. Teran gab einen gehässigen Laut von sich und drückte seine Hand direkt auf Kazuhas linke Brust, woraufhin sie einen Schreckenslaut von sich gab. Als Heiji den Versuch machte, auf sie zuzustürmen, gab Jami mehrere Schüsse ab, die vor den Füßen des Detektivs einschlugen und ihn so daran hinderten, sich weiter zu nähern.

„Hey, du kleiner Teufel! Denkst du, du bist unverwundbar? Willst du mich mit bloßen Händen erwürgen, oder wie? Schau mal, was ich da habe?“ Er hielt nun auch seine Waffe vor Heijis Nase, denn er war nicht mehr weit entfernt. „Damit kann man einiges anstellen, auch lästige Biester einfach so erschießen! Willst du das?“ Er drückte die Knarre drohend an Kazuhas Schläfe. „Menschen sollen darauf sehr anfällig reagieren, wenn man ihnen in den Kopf schießt!“ Er grinste dreckig. „Wäre aber schade, um so ein hübsches Mädchen, da will man lieber fingern… So in etwa…“

„Finger weg, du Ekel! Fass mich nicht mehr an!“ spie das Mädchen aus, doch war sie mehr geschockt darüber, einen hektisch atmenden Heiji zu entdecken. Er wusste doch, dass es dumm war, zu kommen. „Du elender Ahō! Hau ab! Mir kannste nicht helfen! Verzieh dich!“

„Klappe halten, Süße! Hab’s dir ja prophezeit, dass Hattori so dumm ist, herzukommen! Deswegen kriegt er ja auch ständig Dresche von seinem Vater! Er hat befürchtet, dass genau so etwas passieren könnte. Der Mann weiß um sein dummes Kind!“

„Findeste dich jetzt megacool oder was, wenn du ein Mädchen gegen ihren Willen festhältst?“ In der Hoffnung den Killer dort anzugreifen, wo er empfindlich war, bemühte sich der dunkelhäutige Junge um eine gefasste Miene, doch man sah ihm den Zorn an.

„Oh ja, besonders wenn sie so rumzickt wie sie!“ Teran fasste ihr unter den Rock, welchen er ein bisschen hochschob, so dass man ihre weiße Haut deutlicher sah und den Ansatz des Slips. „Ja, ich weiß, Hattori, du würdest selbst gern an ihr rumfingern“, lachte er und strich über das dunkelrote Stück Stoff.

Das war mehr als man dem 19-jährigen zumuten konnte, er sah buchstäblich rot. Wie konnten die es wagen, das Mädchen, welches er so sehr mochte, vor seinen Augen so anzugrabschen? Hielten sie ihn für derart harmlos, dass sie dachten, er würde so etwas zulassen?

Das Mädchen wollte anscheinend lieber sterben, als von ihm gerettet werden, dabei war es nicht das erste Mal. Als sie beide an den Klippen hingen und sie ihn mit dem Pfeil fast die Hand durchbohrt hatte, war ihm klar geworden, dass sie in diesem Moment nur um sein Leben besorgt gewesen war. Sie hätte sich für ihn geopfert. Jetzt würde er im Gegenzug mal etwas Verwegenes tun und wenn es ihn am Ende umbrachte… Er hatte keine Angst davor, zu sterben.

„Legt euch gefälligst mit jemandem an, der euch gewachsen ist! Schwache Mädchen anfallen, kann ich auch!“ Das Verhalten des Mannes war feige, in seinen Augen sogar mehr als nur das. So ein Kerl, der mit einer Knarre vor seinen Augen rumfuchelte und deswegen dachte, stärker zu sein, war ihm doch überhaupt nicht gewachsen! Wer war schließlich unbewaffnet gekommen, um ein Mädchen zu retten? So etwas würde ein erbärmlicher Kerl wie dieser hier niemals tun.

‚Moment mal… was hat sie da überhaupt an? So etwas sieht ihr nicht ähnlich… Was hat das Mädel mit ihren Haaren gemacht?’ Er konnte für einen Augenblick nicht anders, man zwang ihm den Anblick ja auch förmlich auf. „Nimm die Griffel von Kazuha, sonst mach ich Hackfleisch aus dir, mir doch egal, ob du eine Waffe hast!“

Da der Junge seinen Mund so voll nahm, wollte er es riskieren. Wenn er Schmerzen wollte, dann sollte er sie kriegen, das war ihm doch einerlei, ob Hattoris Sprössling dabei verwundet wurde… Nur töten wäre etwas zu viel gewesen und mit Ärger verbunden…

Kazuha war schon schlecht beim Gedanken, was er noch wagen würde. Wäre sie nicht von denen gefesselt worden, hätte sie Teran wahrscheinlich erschlagen. Jedenfalls hätte sie sich das nicht gefallen lassen. „Kü-Kümmer dich nicht um mich! Hau ab, Heiji, die bringen dich am Ende echt um!“ Sie hatte Heidenangst, dass sie ihn für seinen Dickkopf über den Haufen schossen, immerhin war Teran nicht alleine hier. Hatte der Volldiot eigentlich schon gemerkt, wie viele sich an diesem Ort befanden? Sie war sich nicht sicher.

War ja eigentlich typisch für sie, dass sie so etwas von ihm verlangte, sie hatte ja auch von ihm verlangt, sie die Klippen runterfallen, ja sterben zu lassen.

„I-Ich hab… noch den Glücksbringer… mir kann doch gar nichts passier’n…“ In den Augen der Oberschülerin standen die Tränen – Tränen der Angst – und doch schaffte sie es diesen Satz einigermaßen gefasst rüberzubringen.

Das ganze Gerede rund um irgendwelche Glücksbringer war Heiji Leid. Sie dachte nicht wirklich, dass dieses Ding hier ihr wirklich helfen konnte, oder? Vielleicht wollte sie ihn beruhigen, aber das konnte sie nicht.

„Ein Glücksbringer?“ Teran erlitt einen chronischen Lachanfall und konnte sich kaum einkriegen. „Sie hat einen Glücksbringer, argh, das ist echt zu komisch! Die denkt, dass ihr irgendetwas noch helfen kann!“ Er strich ihr mit der Waffe über die heiße Wange. „Ich glaube, Schätzchen, du hast die Lage, in der du dich befindest, noch nicht so ganz erfasst, oder? Ich werde dir vor seinen Augen wehtun, bis du schreist… Keiner kann dir helfen! Damit ich es nie wieder tue, wird er schön brav Dinge tun, die wir von ihm verlangen. Ansonsten geht es dir richtig schlecht.“ Als er das fast zärtlich in ihr Ohr hauchte, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Obwohl ihr der Atem stockte und fast das Herz stehen blieb, kam ihr nicht in den Sinn, loszuschreien. Sie wollte Heiji zeigen, was für ein starkes Mädchen sie sein konnte und alles ertragen.

Dass sie über Kazuha lachten, fand Heiji ziemlich erbärmlich, sie war eben noch ein Kind. „Wahnsinnig witzig, wollt ihr jetzt einen Oskar, weil ihr kleine Mädchen erschreckt?“

Wahrscheinlich wollte er sie zutode nerven mit seinem Gerede. In einer ausweglosen Situation noch so dumm rumzuschwallen, war doch wieder typisch Detektiv. Ryochi redete auch immer so viel, Takahashi hasste es.

„Wollen wir doch mal sehen, wie du dich darunter anfühlst.“ Auch auf zwei Meter Entfernung konnte man das Zittern des Körpers sehen. Sogar Ryochi, der ein gutes Auge für so etwas hatte, konnte es sehen. Er wusste nicht, wer ihm mehr Leid tat. Das Mädchen, welches das über sich ergehen ließ, um ihrem Freund zu helfen, oder der Freund, der es mitansehen musste, wie man seine Freundin anfasste. Er wäre fast ebenfalls auf Teran losgestürmt, egal ob ihn dann seine Kugeln trafen, um ihm in seine widerliche Visage zu schlagen. Doch so ein Angriff musste gut überlegt sein. Es brachte keinem etwas, wenn er tot am Boden landete und ihnen dann keiner mehr helfen konnte. Wenn er einen Rettungsversuch startete, dann sollte er auch glücken, das war Sinn und Zweck der Rettung…

Das Schnauben, welches von Heiji ausging, hätte genauso gut von einem Stier kommen können. Diese Hand, die Kazuha so anfasste – was zu viel war, war zu viel. Die Hand war einfach zu viel. Er konnte das nicht länger ertragen. Mit einem Schrei wie von einem wild gewordenen Tier ging er auf den Killer los. Die Knarre war zwar noch immer auf ihn gerichtet, aber zusehen konnte er dennoch nicht…



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