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Dakishimete da yo - onegai

抱きしめて だ よ - おねがい
von

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Surreality

Ich tat mein Bestes

um euch zufrieden zu stellen

Aber mein Bestes war niemals gut genug

Irgendwie seid ihr nur imstande zu sehen

was ich nicht bin
 

Habt ihr jemals zurück gesehen?

Fürchtet ihr euch nicht vor den Puzzelteilen

die ihr findet?

Ich hab euch im Stich gelassen

Aber ihr habt mich auch im Stich gelassen
 

Es ist einfach diejenigen zu zerstören

Und zu verurteilen

die ihr nicht versteht

Habt ihr euch je gefragt ob es gerechtfertigt ist?

Es ist einfach diejenigen zu zerstören

Und zu verurteilen

die ihr nicht versteht

In eurem Leben

Warum habt ihr es nicht einmal versucht?
 

Ich schließe meine Augen

als ich die dünne Linie

zwischen Liebe und Hass gehe

Für die Person

mit demselben Blut in ihren Adern
 

Ihr zeigt keine Reue

für all die Dinge die ihr getan oder gesagt habt

Ich hab euch im Stich gelassen

Aber glaubt mir

Ihr habt mich auch im Stich gelassen


 

Ran, die mittlerweile wieder zu Hause war, saß auf dem Bett, ein Kissen fest mit den Armen umschlungen und gegen die Wand starrend. Leise sang sie ein Lied mit und nahm um sich herum nichts mehr wahr.

Eltern, die ihre Kinder im Stich ließen, waren doch furchtbar. Manchmal – aber auch nur manchmal – fühlte sie sich auch von ihren Eltern im Stich gelassen, obwohl es natürlich nichts mit ihr persönlich zu tun hatte, dass sie sich getrennt hatten. Ihr Vater mochte ab und zu ein wahrer Trottel sein, aber er war ein liebenswerter Trottel – konnte das ihre Mutter nicht endlich auch wieder verstehen? Sie hatte ihn doch in vollem Wissen, wie er war, geheiratet. Konnte sie ihm nicht vergeben? Ran selbst konnte es, immerhin hatte Shinichi auch schon einmal eine Waffe auf sie gerichtet – jedoch mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Ran einsah, dass es hatte sein müssen, anders als damals Kogorōs Frau Eri.
 

Vor einem großen Haus parkte eine schwarze Limousine. Der Chauffeur öffnete dem Herrn die Türe und geleitete ihn zum Haus. Das Tor wurde hinter sich gelassen, der Weg führte durch den 200 Meter langen Rosengarten, gerade blühten die roten Gewächse besonders schön, denn es war Sommer.

„Ich verabschiede mich dann, Mr. Cruise, und wünschen Ihnen einen angenehmen Abend“, der junge Mann verbeugte sich tief und machte dann auf dem Absatz kehrt. Kaum war der Mann bei der riesigen Haustür angelangt, riss jemand die Tür auf und eine junge Frau kam zum Vorschein. „Papa, endlich bist du wieder da“, sie umarmte ihn herzlich und beide gingen ins Haus hinein.

„Hast du mich schon wieder so sehr vermisst?“ fragte er die Braunhaarige und strich ihr wie einem kleinen Mädchen über den Kopf, wobei sie bereits 26 Jahre alt war. An ihrem Hosenbein lugte etwas Kleines vorbei und der Mann schaute runter, entdeckte den 10-jährigen Jungen, welcher sich beim Anblick des Mannes mit Schnurbart ängstlich hinter der jungen Dame versteckte.

„Na komm, willst du deinem Großvater nicht guten Abend sagen?!“

„Is’ er doch gar nicht, er ist nicht mein Großvater… Mein Großvater ist Seiji Minazuki!“

„Dem Namen nach vielleicht“, seufzte sie und beugte sich zu ihm runter, „du weißt doch, er ist nie da, wenn man ihn braucht – Blut ist zwar dicker als Wasser, sagt man, aber das ändert nichts daran, wer dich in seinem Haus aufgenommen hat, also sei höflich!“ Sie schob ihn nach vorne. „Verzeih ihm, er ist noch klein und seine Mutter in Amerika verschollen“, sie meinte es nur leise, aber der Junge verstand es ganz genau, was seine Tante da gesagt hatte. „Tante, ich will spielen – kann ich wieder hochgehen?“ Diese verdammte Neugierde war es gewesen, die ihn ihr hinterher laufen ließ, er bereute es mittlerweile schon wieder.

„Na gut, geh spielen, wenn dir das lieber ist“, sie gab sich geschlagen, konnte ihn schließlich schlecht dazu zwingen, ihren Vater zu akzeptieren, auch wenn es diesen wohl wieder besonders hart traf.
 

Mia (10) Fujikage, Sohn von Teru (30) Fujikage, [Grundschüler]

Aoi (26) Fujikage, Tochter des Hauses, [CIA-Agentin]

Dylan Benjamin (46) Cruise, Herr des Hauses, Aois Vater [Opernsänger]


 

Der Junge war schneller die Treppe hoch gerannt, als es den Anwesenden lieb war. Beide wussten, dass er wohl von diesem Kerl manipuliert wurde, er machte ihm teure Geschenke und versuchte sich bei ihnen einzuschleimen. Er interessierte sich doch sowieso nur für dieses Kind, weil er seinen eigenen Sohn nicht leiden konnte und der Junge eine Intelligenzbestie zu sein schien. Er wollte den Jungen seinem Vater am liebsten wegnehmen, aber da hatten sie auch noch ein Wörtchen mitzureden. So gut es möglich war, versuchten sie ihn vor dem Politiker zu schützen. Am liebsten hätten sie ihm den Kontakt gänzlich untersagt, doch das war kaum möglich, er war nun einmal Terus Vater.

„Diese undankbare Person soll mir bloß nicht unterkommen! Wie kann sie es wagen, Teru und den Jungen so zu behandeln? Verschwindet einfach und meldet sich noch nicht einmal!“

Aoi konnte das Ärgernis ihres Vaters sehr gut verstehen, er war schließlich von Amerika hierher gereist, um bei seinen Kindern zu sein. Ohne zu zögern hatte er auch deren ältesten Bruder, welcher nicht sein leiblicher Sohn war, hier aufgenommen. Die Mutter der drei war wenig davon begeistert, es war nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder aufkreuzen würde, um sich mit ihm zu streiten. Da sie Staatsanwältin war, würde sie sicher wieder ein Haar in der Suppe finden, um ihrem Vater eins reinzuwürgen – wie immer. Seit sie mit dieser Psychologin, Yakko Kajiwara und deren Freundin Shiyako Kiuchi gut befreundet war, wurde es immer schlimmer. Yakko war ihre engste Vertraute geworden und unterstützte sie in ihrem Kleinkrieg gegen den Opernsänger, der seitdem nichts mehr zu lachen hatte. Sie griffen ihn meist da an, wo es wehtat. Wenn Hayato davon erfuhr, würde es Blutvergießen geben – was diese Yakko konnte, hatte er auch drauf. Sie rechnete mit viel Blut und Tränen…

„Ich bin froh, dass du diesen gefährlichen Job nicht mehr machen musst, es ist mir viel lieber, dich im Rampenlicht zu sehen.“

Der Satz ließ der jungen Frau fast das Blut in den Adern gefrieren, sie durfte sich nichts anmerken lassen, weshalb sie ihn anstrahlte und so tat, als sei alles in bester Ordnung. „Mach dir keine Sorgen um mich, Papa – ich werde diese Dinge ab jetzt meinem Bruder überlassen, er ist viel besser dafür geeignet. Ich als Frau bin doch nur Futter für diese Verbrecher.“ Die Braunhaarige war kein Freund von Lügen, aber manchmal waren sie notwenig, so wie in Zeiten wie diesen…

„Das heißt, du bleibst endgültig in Japan?“

„Mal sehen – vielleicht versuche ich es auch in Amerika…“ Dieses Versprechen konnte sie ihrem Vater nicht geben – wie sollte sie dann erklären, wenn das CIA sie nach Amerika rief und sie dem Befehl folgen musste? Sie war nicht frei, wie er dachte, sie war eine Gefangene, jedenfalls würde Hayato es so bezeichnen.

„Ich habe gehört, er ist auch in Japan – was ist hier eigentlich los?“

„Keine Ahnung, er jagt einen Verbrecher, der von Amerika hierher abgehauen ist. Weiteres ist mir unbekannt“, mit den Schultern zuckend, tat sie weiterhin auf ahnungslos und unschuldig, das Thema war ihr sowieso unangenehm.

„Na hoffentlich passiert nichts – Ethan und Hidemi Hondō hatten in diesem Land nur Pech.“

Diese Themen waren ihr alles andere als Recht, da sie ein großer Anteil der Gründe waren, weshalb sie sich unter einem Decknamen in Japan in Verbrecherkreisen bewegen sollte.

‚Von wegen – das ganze Drama ging los, als Hidemi zum CIA ging’, dachte sich Aoi, sie wäre dem Saftladen auch nie wieder beigetreten. Zu ihnen zu gehören, war nichts anderes als zur Organisation zu gehören – ausbrechen war nicht so einfach drin. Wie es dieser Fujimine wohl geschafft hatte, dass man ihn gehen ließ? Wieso hatte sie nicht dieses Glück? Kaitlyn Fairell hatten sie auch zu Interpol ausbüxen lassen, nur sie selbst natürlich nicht…

Ihr Vater hatte der 26-jährigen einen ordentlichen Karriere-Schub verpasst, sonst wäre es ihr nicht so schnell möglich gewesen, sich in die Musikindustrie einzuschleichen. Er wusste zum Glück nicht, was seine Tochter wirklich trieb, er wäre entsetzt von ihr gewesen, dass sie sich einer solchen Gefahr aussetzen wollte…
 

Conan konnte in dieser Nacht nicht sonderlich gut einschlafen, zu viele spannende Lektüren vor dem Schlafengehen regten eben zum Nachdenken an und dann musste er auch noch auf Toilette. Auf dem Weg hörte er die leise Musik von Ran und blieb doch länger vor der Tür stehen. Es war eine tieftraurige Melodie, weshalb er seufzend die Türklinke runterdrückte und mit seinem unschuldigen Gesichtsausdruck ins Zimmer lugte. „Du, Ran-neechan, kannst du auch nicht schlafen?“ Er schloss die Tür hinter sich.

Die Schülerin blickte auf mit einem für den Jungen entsetzlich traurigen Blick. „Ich denke nach über das Warum, das Wieso und das Weshalb.“

Mit doch verwirrter Miene kam er auf sie zu und krabbelte zu ihr aufs Bett. „Manchmal sollte man nicht nachdenken, das ruft Kopfschmerzen hervor und man kann nicht schlafen. Es ist schon spät, wir sollten schlafen…“

„Ich muss aber nachdenken, wieso Eisuke so schreckliche Angst vor etwas hat, worüber er nicht mit mir sprechen will. Einerseits hat er totale Panik, andererseits schweigt er die Sache tot. Denkst du, das hat mit seiner vermissten Schwester zu tun?“

„Kann sein, er sah traurig aus, als er das letzte Mal von ihr sprach. Das ist aber schon eine ganze Weile her. Was hat er denn gesagt?“

„Miho Kitami musste heute wegen versuchtem Selbstmord ins Krankenhaus eingeliefert werden, sie hat nur knapp überlebt… Eisuke war total außer sich und sprach davon, dass sie so etwas niemals tun würde, dass sie das herbei geführt haben. Als ich ihn auf sie ansprach, schwieg er plötzlich. Er tut mir schon etwas Leid, seinem Freund Alan ist vor kurzem etwas zugestoßen, ich frage mich jetzt, ob sie das waren und ob sie mit Hidemis Verschwinden zu tun haben könnten… Und natürlich, um wen es sich dabei handeln soll.“ Ihr Blick wurde noch trauriger – obwohl sie es nicht sagte, wusste er, dass sie nicht nur an Hidemis Verschwinden dachte, sondern auch an Shinichis. Sie war so nah an der Wahrheit dran, dass es ihm fast die Luft zum Atem stahl.

„Shinichi geht’s gut, er wollte mal wieder anrufen…“

„Jemand, der offensichtlich auf der Flucht ist, dem kann’s unmöglich gut gehen!“ Ran legte den Kopf auf ihrem Schoß ab und schluchzte einmal auf. „Ich weiß von Inspektor Megure doch längst, dass er vor irgendwem fliehen musste, er sollte sein Auftauchen nämlich vertuschen, auch er macht sich Sorgen.“

„Vielleicht ist Shinichi auch in den USA, bei seinen Eltern, er hat da mal so etwas fallen lassen…“

„Erzähl mir keinen Quatsch! Ich habe mit Yukiko telefoniert, sie weiß genauso wenig, wo er sich herumtreibt! Wenn er bei ihnen wäre, würde sie mir das jawohl sagen, oder etwa nicht?!“ Ein wenig wurde sie auch sauer, dass der Junge ihre Gedanken als unsinnig abtat. Dass er wieder irgendwelche Sachen erzählte, die Shinichi ihm anscheinend eingetrichtert hatte.

„Ich weiß nicht…“

„Aber ich weiß, dass es einen triftigen Grund geben muss – auch eine Intelligenzbestie sollte zur Schule gehen. Unsere Klassenlehrerin ist auch schon bei der Polizei gewesen, hat seine Eltern angerufen, war bei ihm zu Hause – aber keine Spur. Mittlerweile ist sie auch sauer und sagt immer, was dieser Flegel sich dabei denkt, einfach so abzuhauen! Was denkst du, was für ein Gefühl es ist, wenn sie ausgerechnet mich darauf anspricht, ob ich etwas über seinen Verbleib weiß…?“ Ran musste sich einige Tränen wegwischen. „Ich kann nicht glauben, dass er mich einfach so im Stich lässt. Er schafft es ja noch nicht einmal, die Woche einmal anzurufen. Er lässt mich im Dunkeln tappen, das ist nicht fair.“

Diese Zweifel, welche sie nun in seiner Gegenwart kundtat, verletzten ihn, aber dass er es verdient hatte, war ihm klar. Er ließ sie hängen, sagte ihr nicht, was Sache ist, aber doch nur, um sie zu beschützen. Konnte sie sich das nicht denken, wenn sie schon den Verdacht hatte, dass man ihn jagte?

„Shinichi hat dich gern… Wenn er in Gefahr ist, wird er es für besser halten, sich nicht zu oft bei dir zu melden, weil er dich dann mit in diese Sache hineinziehen würde. Natürlich hat es sicher einen Grund, dass er nicht mehr zur Schule kommt. Aber wenn du seine Stimme hörst, kannst du dir doch sicher sein, dass es ihm gut geht. Ich denke, dass er klarkommt und dich ganz bestimmt auch ganz doll vermisst“, seine Stimme war höher aus purer Absicht, was sie auch ein wenig kindisch klingen ließ, trotzdem waren die Worte für ein Kind zu gut gewählt.
 

Es wartet auf den Tag, an dem ich es hinauslasse

Ihm einen Grund gebe, ihm Macht zu geben.
 

Ich habe Angst vor dem, was ich werde,

Ich fühle, dass ich die Kraft im Inneren verliere.

Ich kann es nicht länger zurückhalten,

meine Stärke verblasst.

Ich muss nachgeben
 

Es ist die Angst

Die Angst der Dunkelheit

Sie wächst in mir.

eines Tages wird sie leben.

Muss retten, meinen Liebsten retten,

es gibt kein Entrinnen

weil mein Glaube Horror und Verderben ist.
 

Lass deinen Kopf jetzt unten,

lass mich nur vorbei,

Füttere meine Angst nicht,

wenn du sie nicht rauslassen willst
 

Ich habe Angst vor dem, wer ich sein werde,

Ich fühle, dass ich all die Schönheit in meinem Inneren verliere.

Ich kann es nicht länger zurückhalten,

meine Stärke verblasst

Ich muss nachgeben
 

Lange zuvor kam es zu mir

und immer, seit dem Tag

infiziert es mich mit der Wut und dem Hass

aber es endet heute


 

Was auch immer sie da hörte, es passte erschreckend gut zu dem, was er tief in sich fühlte. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem er wählen musste. Wählen zwischen dem richtigen und dem falschen Weg. Wenn er sich entscheiden musste, was ihm wichtiger war – sie oder seine Prinzipien, er fürchtete sich jetzt schon davor, sie zu brechen.

„Du solltest sie abschalten und schlafen, es ist schon spät, bin müde…“ Er gähnte demonstrativ und hopste vom Bett, sie schaute ihm nach und seufzte dann. Gerade jetzt fühlte sie sich zu dieser Musik hingezogen – schade um die Person, bei welcher sie nie mehr die Gelegenheit haben würde, sie kennen zu lernen. Und sie hoffte, dass Shinichi nicht ein ähnliches Schicksal ereilen würde und sie so fühlen würde, wie er. Denn sie würde es, ganz sicher.

Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, klingelte ihr Handy. Ohne das Display zu sehen, ahnte sie, wer sie um diese Uhrzeit nun wohl anrufen würde. Sie war nicht blöd. Immer, wenn sie mit Conan über lange vergangene Anrufe von Shinichi gesprochen hatte, hatte er angerufen…

Sie nahm das Handy und schlich sich zur Tür, öffnete sie und ging mehr als leise über den Gang. Direkt vor Conans Tür blieb sie stehen und lehnte sich gegen das Holz. „Ich dachte, du rufst nie mehr an… Was denkst du dir überhaupt, du Vollidiot?!“

„Was heißt denn hier Vollidiot? Begrüßt man denn so seine Freunde“, ein Lachen entfuhr ihm, diesem Krimispinner, der sich wohl köstlich über ihre Dummheit amüsierte.

„Ja, Vollidiot, weil du dich nie meldest“, sie schluchzte auf, „deswegen bist du ein absolut hirnrissiger, bescheuerter, verblödeter Vollidiot!“

„Hör auf zu weinen, Ran… du bist doch keine Heulsuse!“

„Was macht dich da so sicher?“ Ihre Stimme war leise und sie sank an der Tür hinab. „Wo steckst du? Was machst du die ganze Zeit? Wieso kommst du nicht zur Schule? Und warum sagst du es mir nie? Was für ein schreckliches Geheimnis verbirgst du vor mir? Und erzähl mir jetzt ja keine Märchen, dann brauchst du hier nicht mehr auftauchen, weil ich dich dann so vermöble, dass du freiwillig wieder gehst!“

Sie klang überhaupt nicht so wütend, als dass er es geglaubt hätte, obwohl es ihre Art war, ihn zu vertrimmen, wenn er wieder äußerst frech gewesen war.

„Glaub mir, Ran, ich würde mich gerade liebend gerne vermöbeln lassen. Ich wollte mich nur melden, damit du weißt, dass ich nicht aus der Welt bin.“

„Du weichst mir aus! Was ist passiert?! In was für eine Eskapade bist du hineingeraten, dass du dich verstecken musst? Verkauf mich nicht für dumm! Hast du dich zu weit aus dem Fenster gelehnt?!“ Ihre Stimme war merkwürdig ruhig, er hatte ein ungutes Gefühl – wahrscheinlich war sie kurz davor, alles herauszufinden, das machte es nicht besser, er wollte es ihr nicht sagen. Nicht, wenn er ihr gegenüberstand und noch nicht einmal am Telefon konnte er es. Es trat ein langes Schweigen ein, das war sonst nicht seine Art. Sie wusste doch sofort, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, wenn er so schwieg, aber ihm fiel nichts ein…

„Shinichi??“ Nun sagte er noch nicht einmal mehr etwas. „Ich will keine Lügen mehr hören! SAG MIR JETZT SOFORT WAS HIER LOS IST??!“

Dass das Mädchen unmittelbar vor seiner Tür stehen musste, bekam er mit, da sie ihn nun so anbrüllte, hörte er ihre Stimme gleich zweimal, einmal im Handy und einmal ganz in der Nähe. Jetzt war sie wieder sauer…

„Ich kann es dir nicht sagen, akzeptier das bitte.“

„Dann will ich dich sehen! JETZT!“

Ihm rutschte das Herz in die Hose und er krabbelte unter das Bett, als wolle er sich vor einem riesigen Monster verstecken. „Das geht nicht, ich bin viel zu weit weg…“

„Oh ja, das glaube ich dir aufs Wort, dass du so weit weg bist, dass es dir unmöglich wird, dich mit mir zu treffen“, ein verdammt sarkastischer Unterton war nun nicht mehr zu vermeiden. „Nur damit du es weißt, Mr. Oberschlau! Andere Mütter haben auch schöne Söhne, ich werde mich nicht brav hinsetzen und weiter darauf warten, dass du mir sagst, was los ist! Ruf nicht mehr an… Bleib doch da, wo du bist, ich will dich nie wieder sehen!“ Sie legte auf, was ihn doch erschreckte. „Ran… warte doch…“ Übrig blieb nur das monotone Tuten im Handy und er bemerkte sehr spät, wie verzweifelt seine Stimme geklungen haben musste, sie hatte doch hoffentlich nichts gehört, sie war ihm so nah… Am liebsten wollte er hinrennen, ihr alles erzählen, wahrscheinlich würde er vor Freude heulen, wenn sie es endlich wusste, aber gerade ging es nicht. Er konnte ihr nichts sagen, auf keinen Fall, niemals würde er sich verzeihen, wenn ihr dann etwas Schlimmes zustoßen würde.

Warum dieser Vollidiot sich niemals zeigte, das war ihr jetzt klar. Aber, was dieses Spiel wirklich sollte, war ihr noch unklar – es war ja auch absurd – ein 17-jähriger, der sich als Grundschüler hier eingeschlichen hatte. Mit welchem Ziel? Aus Eigennutz – um trotzdem bei ihr zu sein. Trotz allem war sie froh, zu wissen, wo er sich aufhielt, auch wenn er davon noch nichts ahnte. Es würde ihn unvorbereitet treffen – und dann gnade ihm Gott…
 

Mittlerweile war es nach zwölf Uhr, ein neuer Tag hatte begonnen. Obwohl es finster war, liefen unglaublich viele Pärchen in diesem Vergnügungspark herum. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sie versetzt hatte. Es war dumm, eine Frau, die willig war, einfach so sitzen zu lassen, nur weil man gerade mal keinen Bock hatte. Die Lust hatte er erst gegen Mitternacht entwickelt und hatte sich auf den Weg gemacht, in der Hoffnung, dass sie noch immer auf ihn wartete. Er würde sich 100-mal entschuldigen und es würde nicht genug sein, so was war einfach unverzeihlich.

Am Treffpunkt angekommen, konnte er die Kurzhaarige nirgends entdecken. Egal wie oft er sich umsah, sie war nicht da. Es wäre ja auch ein zu großes Wunder gewesen, hätte sie ganze zwei Stunden hier auf ihn gewartet.

In der Finsternis war es wirklich gruselig, wenn man alleine war – hoffentlich hatte sie nicht allzu große Angst gehabt, hier alleine.

Ein nicht zu überhörendes „Hilfeeeeeeeeee!“ ließ ihn innerlich wie auch äußerlich zusammenfahren. Ihre Stimme erkannte er sofort und es riss ihn zu ihr hin, sofort folgte er der Stimme, die ganz offensichtlich verängstigt um Hilfe bat. Er dachte nicht großartig darüber nach, welchen Weg er beschritt. Eine Frau, die um Hilfe schrie – die man selbst auch noch irgendwo mochte – man musste ihr sagen, dass alles okay war, dass sie in Sicherheit war und keine Angst haben musste. Warum sie so verängstigt schrie, konnte man wenig später hören. Es fiel erst einer, dann war der zweite zu hören. Schüsse – schon zum zweiten Mal hörte er sie, bei Nacht hörten sie sich jedoch viel schlimmer an, als bei Tag. Warum es ausgerechnet jetzt so ausgestorben hier war, konnte man sich fragen.

Das Mädchen war zu Boden gegangen, als der letzte Schuss fiel. Als sie ihn in der Finsternis erblickte, war es wie Freude und Trauer zugleich. Dieser Typ, welcher sie schon die ganze Zeit jagte, hatte vor sie umzubringen – und obwohl sie damit nun nicht alleine war und sich über seine Anwesenheit freute, hieß das, dass der Kerl sie beide erschießen würde. „Lauf weg! Er hat eine Waffe und er setzt sie skrupellos ein!“ Es gab wenig Chance auf Rettung, aber wenn sie es konnte, würde sie ganz bestimmt verhindern, dass es ihn erwischte.

Nach einem kurzen Zögern, gab er sich einen Ruck und rannte zu ihr hin, zog sie hoch und zerrte sie in die entgegen gesetzte Richtung. Es fiel erneut ein Schuss, welcher die Luft schnitt und Stoff streifte – im Nu war er zerrissen und eine feine Blutspur bildete sich am Arm des Mannes – es war höchstens eine Sekunde, in der er das Gesicht verzog, seine Hand umklammerte fest die Ihre, während sie beide um ihr Leben rannten. Er würde sie doch nicht mit einem Verrückten, einem Durchgeknallten alleine zurücklassen – wofür hielt sie ihn?

Krampfhaft seine Hand haltend, spürte er am Hosenbein, den nächsten Schuss, der ihn streifte und dann entdeckten sie einen weiteren Menschen, der ihnen entgegen kam und ebenfalls eine Waffe zückte. Reflexartig hielten sie an. „Was sind das für Leute? Was wollen die denn von dir?!“

„Die wollen mich umbringen! Sie sind hinter uns her!“

„Du machst Witze, ich will noch nicht sterben, ich habe noch viel zu viel vor, Miki!“

„Kimi hat ja auch keiner gefragt, ob sie das will!“

„WAS?!“ Das Gesicht des Schwarzhaarigen zeigte pures Entsetzen – wollte sie ihm gerade sagen, dass der Unfall gar kein Unfall gewesen war? Diese Kerle hatten es wohl nur aus diesem Grund auf sie abgesehen. „Hier lang!“ Einem erneuten Schuss entgingen sie – weglaufen, etwas Besseres fiel ihm nun wirklich nicht ein. Er hatte keinen Bock schon ins Gras zu beißen, also lief er mit ihr weg.

In einer Sackgasse sah es dann jedoch danach aus, als wäre ihre Flucht schon vorüber.

„Handy… Handy…“ Er kramte in seiner Tasche und hatte es bald zur Hand, tippte die Notrufnummer ein und es klingelte…
 

„Jami und Sazerac auf einem Haufen – nett, wo hast du denn deinen Vorgesetzten gelassen? Hat er sich verpisst, als er mich gesehen hat?!“ Die vor Arroganz nur so strotzende Stimme löste alles, nur keine Freude in dem Mann aus. Dass der ihnen half, darauf hoffte er wirklich nicht. Wie er schon wieder redete – Menschenverachtend.

Der Schütze hatte nun aufgehört in der Gegend herum zu ballern – der 25-jährige war noch nicht einmal sicher, ob er so genau wusste, was er da tat. Sein Umgang mit der Waffe war jedenfalls nicht geübt.

„Weglaufen bringt gar nichts, Sazerac – in anderer Richtung habt ihr bereits zu viele Leute aufgescheucht, als dass ihr da einfach so vorbei kommt! Drei Streifenwagen, die sind bestimmt hoch erfreut, wenn sie zwei Verrückte einkassieren können!“

Der 29-jährige Mann lächelte sein Gegenüber hinterhältig an und entwaffnete ihn mit einem gezielten Schuss, blitzschnell. Als er flüchten wollte – ja nun war der Drecksack der Gejagte – drückte er noch einmal ab und traf ihn in die Schulter, was seinem Opfer einen Schrei entfahren ließ – ja Schmerzen, die hatte er verdient, dieser feige Mistkerl. „Mhm, es macht Spaß Schwächere zu jagen, nicht wahr?! Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt!“ Ja, er bezeichnete ihn als schwächer, der Kerl hatte ja von Waffen keinerlei Ahnung.

Jami, welcher seinen größten Feind aus der Entfernung beobachtete, zischte einmal vor Abscheu – es war schade um Sazerac, aber man würde ihm doch ganz bestimmt verzeihen, wenn er nun das Weite suchte und den Kerl seinem Schicksal überließ. Schlimmer war die Tatsache, dass diese Kleine noch immer lebte und wahrscheinlich ein weiteres Mal bei der Polizei landen würde, wo sie ihre Erfahrungen sicher berichten würde. Vor allem über Dinge, wie sie Hiroya Tokorozawa doch bestimmt interessieren würden. Oder aber auch nicht, er hatte ja nie großartiges Interesse an diesem einen Fall gezeigt – aber er kannte ihn gut genug, dass er zumindest die Antwort kennen wollte – so waren Detektive nun einmal.

Der Kerl nahm die Beine in die Hand, er fiel beinahe hin, so in Panik hatte er ihn versetzt, was ihn wirklich stolz machte. Er hielt vorsichtshalber die Augen offen, falls Jami sich doch noch mal aus seinem Loch trauen würde, womit er aber nicht rechnete.

„Man hat nur Ärger mit euch Musikern“, dass er über sie hetzte, nachdem er ihnen wohl das Leben gerettet hatte, gehörte zu seiner Art – er würde sie beide jetzt runterputzen und Spaß daran haben, weil er eben ein Scheißkerl war – aber er hatte es sich ausgesucht so zu sein. Als er mit diesem Grinsen auf sie zuging, hätte der 25-jährige ihn doch am liebsten mitten ins Gesicht gespuckt.

„Du bist ja ein genauso großer Problemfall, wie Hyde – und ich dachte, der ist ein Einzelstück! Ich dachte, nur er ist so bekloppt, sich die falschen Frauen zu angeln – so Weiber wie meine kleine Schwester.“

Dass er es wieder ausnutzte, um über seinen Sänger herzuziehen und seine eigene Schwester, machte ihn furchtbar wütend, man sah es in seinen Augen, er hasste diesen Saftsack.

Während Miki noch vor lauter Angst an der Schulter des anderen weinte, machte Hiroya seine Sprüche, er war außer sich. „Und jetzt soll ich mich bei dir bedanken?!“

„Normale Leute würden das tun, ja, aber ihr seid doch abgehoben – ihr mit eurer Karriere, deswegen verachte ich euch!“

„Ich danke dir ganz sicher nicht, weil ich nämlich nicht dankbar dafür bin, dass ausgerechnet du hier aufgetaucht bist, mir wäre jeder lieber gewesen. Ich will dir sicher nichts schuldig bleiben – und hör endlich auf deine Schwester schlecht zu machen, weil sie anderer Meinung als du war!“

„Für jemanden mit zwei Streifschüssen bist du ja ganz schön frech, finde ich. Das nächste Mal warte ich, bis sie dich tödlich verletzen, verlass dich nur drauf. Jetzt, da du sein Gesicht gesehen hast, wird er dich erst zufrieden lassen, wenn er dich hat.“ Mit seinem Wissen zu prahlen gehörte ebenfalls zu seinem Charakter.

„Es tut mir so Leid“, schluchzte die 19-jährige, es war offensichtlich, dass ihr die Gefahr bewusster war, als ihm. „Ich wollte das nicht!“

„Ist ja nicht viel passiert… Nur zwei Kratzer, nicht mehr.“ Den Starken zu spielen, war männlich, denn auch Streifschüsse taten weh, es brannte.

„Die Heldennummer steht deinem Freund mehr, das kauft dir keiner ab, nicht mal ein 19-jähriges Mädchen. Einen Held nennen kannst du dich, wenn du für sie stirbst.“

„Du bist ein Ekel, wie kannst du so etwas sagen?“ Die Braunhaarige klammerte sich an seinen Arm und funkelte ihn mit zu Schlitzen verzogenen Augen an. „Kimi war nicht zu beneiden, um so einen Bruder. Du hättest sie beschützen sollen… Stattdessen bist du froh, dass sie tot ist.“

„Halt deinen frechen Mund, du dummes Gör, du weißt ja nicht, wovon du da redest!“ Erschrocken reagierte sie auf die andere Stimme, die eines Mannes, der nun dazwischen funkte. Er war Hiroya vorsichtshalber gefolgt, bevor er sich noch, selbstzerstörisch wie er momentan war, selbst ums Leben brachte.

„Was denn? Sie hat doch Recht – Hiroya Tokorozawa ist sich selbst am Wichtigsten und alle anderen, die nicht wie er denken, sind schlecht. Vielleicht habe ich das verdient, aber nicht Miki und nicht Haido, er hat dir überhaupt nichts getan. Du hast doch bloß nicht verkraftet, dass sie lieber zu ihm gegangen ist, als zu ihrem Bruder. Er hat ihr die ganze Zeit den Bruder ersetzt, weil der ein Arschloch und Egoist ist.“

„Ich bezweifele doch stark, dass ich meine Schwester vögeln würde. Von einem geschwisterlichen Verhältnis kann nicht die Rede sein, oder bist du so krank, es mit deinen Schwestern zu treiben, Tetsuya Ogawa?!“ Ein Lachen entfuhr Hiroya, er war wirklich witzig – das was er sagte, dachte er doch nicht etwa wirklich?

„Da war nie was Geschwisterliches, wenn überhaupt, hat er euch das eingeredet, damit’s nicht so auffällt, dass er offensichtlich in sie verschossen ist und ihr ihn nicht damit aufzieht. Wenn ihr alle so eng mit ihm befreundet seid, wieso hat er euch davon nichts erzählt? Na ja, bis auf zwei bestimmter Personen, die du selbst nicht sonderlich gut leiden kannst. Der eine ist sein bester Freund und die andere ist Yui Ikezawa, die ist dir doch auch ein Dorn im Auge. Es würde dich umhauen, was sie euch noch alles verschwiegen haben.“

„Hiroya bitte, hör auf“, meinte Naoya, er fand es war nicht der richtige Ort für so etwas, und es kam ihm beinahe vor, als wolle er ihn bloß schocken und ein wenig ängstigen.

„Die Kerle von eben sind nicht etwa Yakuza, sie sind euer schlimmster Albtraum – sie haben Kimiko aus dem Weg geräumt und als nächstes ist dein heißgeliebter Sänger dran, weil er zu viel weiß. Aber ich habe meiner Schwester damals versprochen, dass ich ihr nicht helfen werde, wenn sie bei ihm bleibt. Mein Interesse, ihn aus der Scheiße zu holen, ist auch sehr gering bemessen. Sieht düster für eure Karriere aus, du solltest dir schnellstmöglich einen anderen Spinner suchen. Ach, ich vergaß, wenn du dazu in der Lage sein wirst, denn du hast sie ja auch gesehen. So ein Pech.“ Hiroya hasste sich selbst furchtbar für all die Dinge, die er ihm gerade an den Kopf warf, er war ein richtiger Scheißkerl, das konnte er wirklich gut.

„Was hatte Kimiko bitte mit denen zu tun?!“ Der doch etwas ahnungslose, junge Mann bemerkte wie sie an seiner Schulter noch mehr zu weinen begann, und er begann sich vor der Wahrheit zu fürchten. „Du weißt, wer ihn krankenhausreif geprügelt hat… Wenn du es nicht warst, wer macht dann so was?!“

„Die Leute, die er geärgert hat, weil er sich zu viel raus genommen hat. Liebe macht blind und dumm, das weiß ich am besten. Sie belügen und betrügen dich und du merkst es noch nicht einmal. Man muss es dir wie mit einem Amboss an den Kopf werfen, dass du was merkst. Er war auch so. Weißt du, da war so eine Sache, die vergesse ich bestimmt nicht. Kimiko war auch so blind vor Liebe – verliebt in diesen Mörder, meine Schwester hat versucht ihr klarzumachen, dass er nicht gut für sie ist – und dann wurde sie von dem Kerl erschossen, weil dein Supersänger sich feige versteckt hat. Kimiko und er sind schuld, dass meine Schwester zu Grabe getragen wurde – da wo sie jetzt ist, ist sie gut aufgehoben.“

Hiroya redete ohne Punkt und Komma und allmählich verstand er diese ganzen Konflikte, die stattgefunden hatten.

„Er hat sich bei dir dafür entschuldigt… Du kannst ihm das nicht nachtragen.“ Miki wusste anscheinend mehr über diese Sache. „Ich hab’s zufällig mitbekommen und Kimiko darauf angesprochen, sie fing fürchterlich zu weinen an. Sie konnte sich niemals verzeihen, dass sie auf den Kerl reingefallen ist und nicht auf ihre ältere Schwester gehört hat. Sie hat niemandem geglaubt, aber Hideto nicht, als er sagte, der Kerl würde sie nur benutzen, sie ging davon aus, dass er bloß eifersüchtig ist und ist weiterhin mit ihm weggegangen.“

„Oh wie nett von ihr – ist sie nicht ein herzensguter Engel. Ihr bester Freund ist offensichtlich in sie verliebt und sie geht trotzdem mit der Mistkröte weg. Dabei wollen ihn immer alle schonen, dich inbegriffen. Dass ihr sie alle so mochtet, kann ich einfach nicht verstehen.“

„Sie hat ihn oft geschont, außerdem hat sie es ihm nie unter die Nase gerieben, dass da andere Männer waren, sondern geschwiegen“, verriet ihm Miki, „letztendlich war er der Mistkerl, der sie zappeln ließ, nachdem sie sich für ihn entschieden hatte. Neun ganze Monate hat er kein Wort mit ihr geredet, nachdem die Sache mit Yuriko passiert war. Sie hat sich auf ihn eingelassen und auf einmal war er kälter als Eis, sie hat furchtbar darunter gelitten.“

„Hat sie verdient, nicht? Selbst er lässt sich nicht von ihr auf der Nase rumtanzen. Als er sie wollte, wollte sie ihn nicht, also hat er den Spieß umgedreht, um sie zu strafen. Tja, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten, oder? Jetzt ist sie es, die von oben herab ihn auslachen kann, weil er’s nicht verkraftet, dass es ein Fehler war. Er wusste, dass er sie nicht beschützen kann und hat es dennoch riskiert. Wenn jemand schuld daran ist, dass sie tot ist, dann er. Und ich bin nicht der einzige, der so denkt.“ Hiroya war eigentlich ein Engelchen, wenn man ihn mit Sojuro verglich, der brodelte wirklich und würde mehr tun, als ihm mit Worten eins reinwürgen. Er war gefährlich, wenn er jemanden hasste – und momentan gab es nur eine Person, die er über alle Maßen hasste. Und dieser Person hätte er am liebsten das Leben zur Hölle gemacht, wäre es das nicht bereits gewesen. Dass er mit einem Messer versucht hatte in seinem Gesicht rumzuschnippeln, wusste Hiroya noch nicht, es hätte ihn doch ein kleines bisschen geschockt, dass er ihn nicht nur am liebsten töten würde, sondern ganz andere Dinge plante, die er im Begriff war, durchzuziehen, sobald die Zeit reif war. Er erzählte ihm schließlich nicht von jedem dunklen Gedanken, den er mal hatte.

„Überlass die beiden mir, ich nehme sie mit aufs Revier und nehme alles zu Protokoll. Du kannst nach Hause gehen, dich ausruhen, es war ein anstrengender Tag. Wenn die im Präsidium davon erfahren, suspendieren die dich noch komplett. Du hast heute nicht nur einmal böse Worte zu Musikern gesagt, dabei sollst du das lassen.“

„Ich halte mich nicht für gemein, oder so etwas. Ich war nur ehrlich, ist das nicht auch die Art seines besten Freundes? Offen und ehrlich sein? Er war der einzige, der es gewagt hat, den Mund aufzumachen. Der meine Schwester kritisiert hat und erkannte, dass sie eine Gefahr darstellt, aber das wollte ja keiner hören – nun habt ihr den Salat. Wir würden uns sicher gut verstehen, wenn er nicht wäre. Es geht ihm leider nicht gut rein, wenn ich ihn piesacke und ich gebe es zu, es macht Spaß – er lässt es so schön mit sich machen.“

„Geh mir aus den Augen, du elender Abschaum! Ich wünsche dir, dass einmal jemand so auf dir herumhackt, wie du es bei ihm getan hast – und dass du dann ins Kissen heulst, wie eine abscheuliche Memme!“

„Eine abscheuliche Memme? Wer sagte zu seinem besten Freund, dass er ein Mädchen in Not im Stich lassen soll? Gerade du wagst es so was zu sagen, lachhaft!“
 

Aufträge, die nicht vom Boss kamen, nahm er immer teuflisch ernst – sie waren wichtig, wichtig für sie alle. Der junge Mann scheute die Gefahr nicht, deshalb befand er sich unerlaubter Weise im Haus der kurzhaarigen, rotblonden Frau. Aus diesem Grund verschleppte er einen halbtoten 20-jährigen Mann. Diese Tussi, die er sowieso nicht sonderlich leiden konnte, hatte ihn ans Bett gefesselt, damit er sich nicht wehren konnte und ihn dann behandelt – ihm war noch nie bei etwas so schlecht geworden – mit sehr viel Pech hätte er das sein können. Wie gut, dass er mit dem Töten nicht so große Probleme hatte und man ihn deswegen bisher in Ruhe gelassen hatte. Er trug ihn raus – das Weib würde ausrasten, wenn sie zurückkam.

Nebbiolo war ja ein Scherzkeks – drohte der ihm ernsthaft an, ihn an Jami, den er selbst so hasste, zu verpfeifen. Sofort hatte er mitgespielt, nicht mal gezögert hatte der 24-jährige. Er fühlte sich als Held und genoss es in vollen Zügen. Er war viel mutiger, toller und atemberaubender, als gewisse kleine Mistkerle, die ihm seine Freundin weggenommen hatten. Auf ihn konnte man stolz sein – er hatte sich schließlich in die Organisation begeben, um seine Verlobte zu beschützen, ganz anders als der Kerl, mit dem sie in die Kiste gesprungen war, dieses undankbare Miststück! Nur für sie erlitt er diese Qualen und was machte sie? Verachtete ihn, weil er Menschen tötete. Es war das allerletzte, ihm das anzukreiden, sie war schließlich schuld.

Als der 20-jährige wieder zu Bewusstsein kam, hörte er den 24-jährigen vor sich hinbrabbeln. „Von wegen, besserer Mensch – ein Teufel ist er, ein kleiner Teufel! Großes Maul und nichts dahinter, war sich zu schade, ihr in ihrer Not zu helfen, ich musste ihr ja helfen… Warum hat sie nicht erkannt, dass er sie ins Verderben stürzt? So ’ne linke Nummer… Wer hat Jami die Stirn geboten, selbst als er mit Knarre auf sie losging? Das war nicht er, ich war’s! Wer hat Leute ermordet, damit sie am Leben bleiben kann? Wieder ich! Und was hat der Typ getan… sie gehen lassen… Ich meine, er hat sie mitten in der Nacht gehen lassen… Sie in die Gefahr laufen lassen… Er und diese kleine Kuh, diese Schnalle mit ihrem Gitarristen-Lover! Wie mir das stinkt! Es geschieht ihr nur Recht, dass sie nun in der Scheiße sitzt, ich hol die sicher nicht raus! Dem einzigen, den ich helfe, ist ihrem Bruder, sonst keinem. Seine Band, dieses Gesocks, die haben alle den Tod verdient. Erbärmliche Vollidioten… Keiner von denen taugt was, was hat sie sich dabei gedacht… Dieser Flachwichser hat die ganze Zeit die Freundin seines Kumpels heimlich angehimmelt und Kimi bloß als Ersatz missbraucht. Was der wohl mit ihm machen würde, wenn er davon erfährt, dass er mit Kimi auch was hatte… Er will’s noch nicht wahrhaben, aber das hehehehe, das kommt noch. So wahr ich mich Mezcal nenne. Vielleicht bringen die sich dann ja gegenseitig um. Ken weil der kleine Spast scharf auf seine Freundin is’ und der Vollidiot, weil Ken Kimi angesprungen hat. Und die kleine Ikezawa kann dann heulen. Ich hoffe, Jami macht sie richtig fertig! Ich hab dem ja nicht umsonst erzählt, dass sie eine Gefahr für die Organisation ist.“

Ein Stöhnen war zu hören. „Ich will das alles nicht wissen! Was um alles in der Welt tust du eigentlich? Machst du das wegen Vater?!“ Ihm war kotzübel, ihm dröhnte der Schädel – er wollte nicht von seinem Vater gerettet werden, lieber starb er – diese Schande würde er sowieso nie mehr loswerden.“ Der war aber auch ganz schön durch den Wind, hatte nichts als Rachegedanken an Leuten, die einfach mehr Glück gehabt hatten.

„Nebbiolo hat mich darum gebeten, muss dich enttäuschen, deinem Vater bist du nicht so wichtig, als dass er die Gefahr eingeht, Ärger mit den oberen Reihen zu kriegen, du weißt doch, die meisten haben Angst vor den Big Five.“ Er selbst zählte sich nicht zu diesen Angsthasen, welche die Ranghöchsten fürchteten.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass du Cognac nicht sonderlich gut leiden kannst. Wie wär’s, wenn wir uns zusammentun? Damit könntest du dich für die Rettung revanchieren! Chardonnay will nämlich gerne mal mit Cognacs Flamme Spaß haben! Na ja, leider kann er das ja nicht mehr, ein anderer wird tun, wie Chardonnay befiehlt und er sieht zu, diese Schrulle hat’s nicht anders verdient!“

„Ich halte wenig davon, diese Frau auch nur anzufassen. Chardonnays kranke Fantasien in die Tat umsetzen muss man auch nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sie gerne selbst vergewaltigen würde, aber ihm wurde dazwischen gefunkt. Jetzt muss er die Drecksarbeit einen anderen machen lassen. Ich kann sie nicht leiden, das stimmt, aber ich würde sicher niemals irgendwem dabei behilflich sein, ihr anzutun, was man meiner Mutter antat…“ Ja, er hasste diese Frau, weil sie der Grund war, aber sein Hass ging bei weitem nicht so weit, dass er alles dafür getan hätte, um sie leiden zu sehen. Und Cognac war solange erträglich, bis er ihm dazwischen funkte.

„Ach komm – sie ist ein Miststück, sie hat es verdient – und Cognac ist nicht besser, er verdient’s genauso, weil er es gewagt hat, Kimiko zu betrügen, das gehört bestraft! Wenn du es nicht machst, dann werde ich mich eben um Vermouth kümmern, ich hab keine Angst vor ihr.“

„Dass ich nicht lache – sie lässt sich bestimmt von einem 1.70-Kerlchen vergewaltigen, eher bringt sie dich um, Mezcal.“ Ein Grinsen huschte über Chardonels Gesicht, er stellte sich das vor, sie war mindestens genauso groß wie Mezcal, und der wollte sich mit ihr beschäftigen, guter Witz, beinahe wär ihm sogar ein Lachen entfahren.
 

Mittlerweile befand sich der Schüler auf dem Weg der Besserung, was vor allem die Ärzte, die dem 17-jährigen jede Menge Medikamente verabreicht hatten, zutiefst ja schon schockte. Sie hatten ihn bereits abgeschrieben, doch nun ging es ihm soweit gut, dass er die Augen geöffnet hatte und geschockt den anderen Jungen beobachtete, der bereits hier gewesen war, bevor er von seinem Schlaf erwachte. Er hatte zu weinen begonnen, was ihn besorgt machte und ihm über die Schulter strich. Er hatte sich wohl schrecklich gesorgt und gelitten. Seit sie sich in Amerika über den Weg gelaufen waren, bei einem Besuch seines Vaters, waren sie schon enge Freunde, selbst wenn es lange um eine Brieffreundschaft gehandelt hatte, da Eisuke nun einmal in Japan lebte. Die Austausch-Schüler-Geschichte hatte Eisuke nur erfunden, um andere zu täuschen – nur Alan hatte davon gewusst. Er war sein bester Freund, dass es ihm nahe ging, ihn halbtot im Krankenhaus vorzufinden, war ihm klar gewesen.

„Du kannst aufhören, ich lebe ja noch“, so einen Spruch war man sonst an Alans Vater gewohnt, aber er hatte ihn schon genauso gut drauf, wie ebendieser.

„Haha, wie witzig!“ Natürlich freute sich Eisuke, seinen Freund wieder zu haben, da er ihn ebenfalls schon abgeschrieben hatte, aber trotzdem erleichterte es ihn auch.

„Ich dachte ja auch, dass mein letztes Stündlein geschlagen hat, aber dem ist wohl nicht so, mach nicht so ein Gesicht, es ist ja alles gut gegangen. Wie geht es Liz?“

Eisuke lächelte nun ein kleines bisschen. „Na wie wohl? Sie macht sich fürchterliche Sorgen – ich muss sie auch gleich anrufen – sie wird überglücklich sein, wenn sie davon erfährt, dass du nicht tot bist. Hast du es denn noch nicht bemerkt?“

Die Frage ließ Alan rot um die Nase werden und er begann vor sich hin zu stammeln. „Nja.. ich… weißt du… es ist… sie ist… ein tolles Mädchen.“

Es legte sich ein schiefes Grinsen auf Eisukes Lippen. „Du solltest ihr das vielleicht sagen, sicher freut sie das. Als die Ärztin, ich meine ihre kranke Mutter ihr sagte, du seist tot, hat sie angefangen zu weinen.“

„Ihre Mutter“, ein Gesichtsausdruck hatte sich verfinstert, denn diese Frau war ihm nicht unbekannt, dass sie nicht normal war, hatte er ihr im ersten Augenblick angesehen. „Eine schreckliche Person, ich überlege ernsthaft, ob ich meinen Vater darum bitten soll, sie bei uns aufzunehmen…“

Eisuke schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er ist momentan nicht belastbar, er liegt ebenfalls im Krankenhaus.“

Sofort erhob sich Alan mit einem entsetzten „Was?“ und wollte aufstehen, doch Eisuke drückte ihn zurück ins Bett. „Halt, du darfst doch noch nicht aufstehen.“

Auf einmal ging die Tür auf. „Junger Mann, es wird Zeit, es ist 1 Uhr in der Nacht und Schlafenszeit. Husch husch!“

Alan verzog das Gesicht, er fühlte sich nicht müde und wollte eigentlich nicht alleine sein. „Muss das sein? Ich habe lange genug geschlafen.“

„Na, na, na, kaum wieder auf den Beinen schon wieder so unvernünftig? Nur weil du wieder aufgewacht bist, heißt das nicht, dass du dich überanstrengen darfst. Es wird jetzt geschlafen!“

„Mou“, seufzte er und schloss die Augen, in Gedanken voller Sorge um seinen Vater – wie schlimmes wohl war – was Sêiichî machte – und ein Mädchen, das seinetwegen weinte. „Ich will sie sehen…“

Die Krankenschwester beobachtete Eisuke und Alan, der etwas verträumt lächelte. „Wen denn?“

„Na seine Freundin – Liz Bonavera!“

„So so – dazu ist morgen noch Zeit!“

„Ich versprech’s, ich bring sie morgen mit, Alan, wenn ich nämlich wieder komme.“ Er gab seinem Freund die Hand und dieser nahm das als Versprechen.
 

Tut Tut Tut Tut…

Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal…

Wie oft er diesem Spruch nun schon gelauscht hatte, wusste er nicht. Wozu hatten Menschen Handys, wenn sie sie doch abschalteten? Diese neumodischen Dinger, die jeder hatte, wozu taugten sie letztendlich? In seinen Augen standen die Tränen, er versuchte es weiter und das bereits seit über 10 Minuten. Es würde sich nichts ändern.

Auch als der dunkelbraunhaarige Polizist den Raum betrat, hing der Schwarzhaarige am Handy, es war so verdammt wichtig, aber er ging nicht ran. Notgezwungen rief er sie an, hoffend, dass sie rangehen würde, anders als die treulose Tomate.

„Ikezawa?!“ meldete sich eine Frauenstimme und dem Mann entfuhr ein Schluchzen. „Ist Ken bei dir? Bitte, lass ihn bei dir sein!“

„Was ist denn mit dir los? Ist irgendwas passiert? Ja, er is’ da… Soll ich ihn dir geben?!“ Es war ihr lieber, wenn Tetsu anrief, als wenn es irgendwelche Frauen waren.

„Ja… bitte, schnell…“ Die Verzweiflung in der Stimme erschreckte Yui zwar, aber es gab keinerlei Grund – auch wenn er sie schlecht behandelte – ihn nicht weiterzuleiten. Sie wohnte hier zwar, konnte aber schlecht kontrollieren, mit wem er Kontakt hatte – er wäre auch sauer gewesen, wenn sie es getan hätte. Verwundern tat es sie ja doch, aber sie drückte ihm ihr Handy in die Hand und beobachtete ihn, wie er sich am Handy meldete. „Ja… was gibt’s?“

„Fahr ins Krankenhaus, bitte, ich habe ganz schreckliche Sachen erfahren…“ Ohne Umschweife rückte er damit raus, was ihn beschäftigte. Es war typisch, immer fiel Tetsu mit der Tür ins Haus.

„Beruhig dich erstmal und erzähl mir, was vorgefallen ist!“ Die Stimme des Mannes klang ruhig, obwohl ihn die Vorahnungen und Ängste natürlich einholten, nach so einem Gespräch mit einem CIA-Agenten. Nicht umsonst trieben sie sich hier herum. Hayato hatte ihm einfach viel zu viel von Gefahren erzählt. Es klang überzogen, aber ihm fiel kein plausibler Grund ein, weshalb er ihn in Angst und Schrecken versetzen sollte, wenn es nicht zutraf.

„Ich bin im Präsidium, man hat versucht Miki und mich zu erschießen - Tokorozawa war auch da - ohne ihn wären wir wahrscheinlich beide tot - Haido und Kimi waren in etwas verwickelt - Miki weiß davon, -Yui weiß auch davon – Gott - die wollen alle töten - die davon wissen - also fahr SOFORT dahin!“ Ohne Punkt und Komma ratterte der Jüngere die Worte runter, es klang so, als hätte er sämtliche Sprach-Regeln vergessen. Nur ab und zu holte er Luft, weil sie ihm ausging.

Jetzt musste der 26-jährige sich setzen, anders als sein Freund entsetzte ihn das nun nicht mehr so sehr. „Ich wollt’s dir schon sagen, aber ich dachte, dass du damit dann zu ihm gehst und ihn verrückt machst“, erklärte Ken seinem Freund, er war bemüht um eine ruhige Stimme, selbst wenn sein Herz wie wild schlug. „Es ist schlimm genug, wie es ist, er muss sich nicht die Schuld daran geben, das würde er bestimmt.“

„Du hast die ganze Zeit davon gewusst? Wie kannst du mir das verschweigen? Es geht hier um Leben oder Tod, ist dir das klar?!“

„Nein, nur um Tod – ihren Tod.“

„Hast du etwa rumgeschnüffelt?!“ Tetsuyas Stimme war verärgert und ängstlich zugleich – jetzt musste er sich auch noch um ihn Sorgen machen. Um alle musste er sich sorgen.

„Ach komm – es war zu offensichtlich – es gab so viel Stress zuvor – und dann der Anruf. Yui sagte zwar, dass sie ihren Bruder anrief, aber…“ Er blickte zu ihr, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich, offensichtlich sollte sie seine Gedanken nicht erfahren. „Erstens: Sie hat sich nachts weggeschlichen und mir nichts davon gesagt. Zweitens: Ich hab’s von ihrem Bruder erfahren, als er anrief! Drittens: Sie kam total verstört wieder und fing dann vor den Augen aller an zu heulen! Viertens: Es ist mir gleich aufgefallen, dass etwas nicht stimmen kann. Er murmelte immer wieder vor sich hin, dass er sie hat gehen lassen, dass er es hätte wissen müssen. Und als er sich vom Balkon stürzen wollte, sagte er: Verzeih mir… Ist das denn nicht verdächtig? Wenn er gedacht hätte, dass es ein Unfall war, hätte er so etwas doch nicht gesagt. Mir war klar, dass jemand den Unfall herbeigeführt hat. Ich wusste sofort, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, ich hab’s nicht gesagt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich so blind war… Ich wollte ihn nicht zusätzlich quälen. Vielleicht hätte ich ihr helfen können, ich wusste doch, dass etwas nicht stimmt, nur nicht was…“ Er raufte sich die Haare und verdeckte seine Augen mit der Hand. „Ich habe nur ans Heiraten gedacht… Als Kimi verunglückt ist, habe ich Yui darum gebeten, nicht damit rauszurücken, weil er total ausflippen würde, kurz nach ihrem Tod hat er sicher keine Lust, auf eine Hochzeit zu gehen. Ich wollte auch nicht, dass du es so erfährst.“

„Jetzt red nicht so viel, diese Leute sind angeblich schlimmer als Yakuza, bitte fahr endlich ins Krankenhaus. Nimm sie meinetwegen mit, auf die Polizei ist kein Verlass…“

Auf die Polizei war also kein Verlass, Kei Tamura nahm ihn am Arm und sah ihm mit ganz bestimmtem Blick in die Augen – wie konnte er es wagen, so etwas zu behaupten?

„Schluss jetzt, genug gelabert! Auflegen, aber sofort, sonst lernst du mich kennen, Ogawa!“

„Muss Schluss machen, Tamura will uns verhören – beeil dich!“

„…Argh!“ Aufgelegt war worden, ein leises knarrendes Geräusch war zu hören und dann stand sie da, in ihren Augen die Tränen – ihre Hand schlug ihm ins Gesicht, mehrmals, sie schlug auf ihn ein und begann dann wie wild geworden zu schreien, so dass im Hof das Licht anging und die Leute hellhörig wurden, da sie beide anfingen zu schreien.

Seit sie hier wohnten, hatte man es noch nie erlebt, dass sie sich anbrüllten – noch dazu war es besonders heftig.

„Was ist es, was ich nicht wissen darf?! Ist es Kimi?! Los sag’s! Oder ich prügel’s aus dir raus!“
 

Die ersten Sonnenstrahlen hatten sich bereits durch die Gardinen gekämpft und kitzelten den Jungen an der Nase, sie kribbelte, so dass er sich mit dem Handrücken darüber rieb.

„Alan!“

Er zuckte, als er eine hohe Stimme seinen Namen sagen hörte. „Gott sei Dank!“ Sofort hatte er ihre Stimme erkannt und öffnete nun die Augen. Es war ein schönes Gefühl gleich beim Aufwachen eine bekannte Stimme zu hören, nicht alleine zu sein. Sein Blick ging Richtung Tür, jedoch konnte er nicht nur das rothaarige Mädchen dort ausmachen, sondern eine Frau, die geradezu wie ein Engel aussah. Blonde gewellte Haare, ein engelsgleiches Lächeln, er war total hin und weg. „Guten Morgen“, meinte er und musterte die junge Frau.

„Der Überfall tut mir Leid, aber sie wollte heute Morgen sofort hierher und dich sehen, junger Mann. Sie hat nicht eher Ruhe gegeben, bis ich mit ihr hierher gefahren bin, auch wenn es erst halb Sieben ist.“

„Lizzy-chan! Du hast es doch sonst nicht so mit dem frühen Aufstehen. Und wo ist Eisuke?“

„Der Junge war nicht aus dem Bett zu kriegen, er ist noch Zuhause und schläft, er muss nachher ja auch ausgeschlafen sein, schreibt heute eine Klassenarbeit in Mathematik…“ Shannen hatte sich erlaubt zu antworten, der Junge sah sie noch immer total fasziniert an, sie konnte sich nicht helfen, irgendetwas hatte er doch.

„Wer sind Sie?!“

„Sie kümmert sich um deinen Papa, sie ist Ärztin, und ich glaube sie mag ihn.“

„LIZ!“ Ein klein wenig war sie laut geworden, sie konnte den armen Jungen doch nicht damit überfallen.

„Siehst du? Sie mag ihn sogar sehr.“

„Ich lasse euch besser mal alleine, seid aber nicht so laut, es gibt viele Patienten, die noch tief und fest schlafen.“

Zweimal blinzelte der Blonde und sah Liz unverständlich an. Liz wollte ihm das Ganze erklären und setzte sich an sein Bett. „Mum war hier und wollte mich mal wieder ärgern, da hat sie eingegriffen und mich mitgenommen, um mich vor ihr zu beschützen. Da habe ich mitbekommen, als sie mit jemandem über deinen Vater am Telefon sprach. Sie war auch ganz oft hier, so wie ich. Tag für Tag ist sie hergekommen, um ihn zu besuchen – ich habe sofort bemerkt, dass sie in deinen Papa verliebt sein muss.“

Alan war noch immer baff, sein Gesicht war mehr als verwundert, aber er wunderte sich kein bisschen. „Ja, ich glaube sogar, sie wäre sein Typ.“

„Hehe“, das Mädchen hatte ein vergnügtes Lächeln im Gesicht, aber auch bemerkte Alan, wie sie ihn anhimmelte, er erhob sich und kam ein wenig auf sie zu.

„Du Liz…“ Der Junge wurde ernster und legte seine Hand auf ihre, als er tief in ihre Augen blickte, er seinen Arm um ihre Schulter legte und sie nah an sich heran holte, ganz vorsichtig. „Du warst jeden Tag bei mir. Ich weiß das zu schätzen, ehrlich, aber…“ Man sollte das, was Männer vor einem ABER sagten, nicht ernst nehmen, da es sowieso nicht stimmte, dennoch sah sie ihn sehnsüchtig an, auch wenn der Blick kurz darauf traurig wurde und sie ängstlich die Augen zukniff.

„Bitte sag es nicht… bitte…“ Dass er sie abweisen wollte, war ihr klar, sie wusste doch längst, dass er eine Freundin hatte.

„Ich habe es aber schon solange mit mir herumgetragen, es muss jetzt raus…“ Seine Arme schlangen sich fester um ihren Körper und nahmen sie doch unweigerlich gefangen. „Ich finde, dass du ein unglaublich tolles, hübsches und intelligentes Mädchen bist, aber ich bin noch immer mit Michelle zusammen, es wäre nicht fair, dich zu küssen und sie darüber im Unklaren zu lassen, bitte lass mich das erst klären, wenn du mich überhaupt als Freund willst.“

Erschrocken wollte sie die Hände vor ihr Gesicht schlagen, doch er hielt sie zu fest, so dass er nur den Schrecken in ihrer Miene sah.
 

Inzwischen hatte Kei Tamura die beiden jungen Leute förmlich an den Stuhl gefesselt und sie wie zwei Verbrecher behandelt – ähnlich wie man es von Hiroya kannte. Er behandelte sie auch immer so und diese Pissnelke war nicht besser, dabei hatte zumindest Tetsuya ihn anders in Erinnerung, er war doch mal so nett gewesen… Anders als sein Freund Ken fragte er sich aber nicht nach dem Grund, er hatte eben andere Dinge in seinem Kopf als sich um die Vergangenheit anderer Menschen Gedanken zu machen. Dass er sie so runterputzte, die so offen und ehrlich seine Fragen beantwortet hatte, verstand er nur nicht und warf Kei böse Blicke zu. Einige der Fragen waren auch frech, dreist und gingen unglaublich unter die Gürtel-Linie. Gerade als es ihm zu bunt wurde, öffnete sich die Tür.

„Was ist hier für ein Krach? Da kann ja kein Mensch arbeiten! Man hört dich bis über den Flur.“

„Ach – deine Miki hatte Ärger und ich muss das wieder ausbaden – Iwamoto hat schon wieder die Kurve gekratzt, statt uns hier zu helfen, so ein…“ Man hörte lediglich ein Grummeln. Das Schimpfwort blieb unausgesprochen, selbst wenn es dem Kriminalisten auf der Zunge lag.

Hayato hatte ihn angesprochen, noch ehe ihm bewusst war, wen er da so schroff von der Seite angemacht hatte. „Ach du scheiße – behandelst du die Leute immer so von oben herab, die anderer Meinung als du sind!?“ Das konnte er ja noch nie leiden. „Was ist hier überhaupt los? Wieso sind die Beiden hier?!“ Mit dem Blick deutete er den Schwarzhaarigen und die Braunhaarige an.

„Das geht dich überhaupt nichts an, Fujikage!“

Bei der Nennung des Namens drehten sich die 19-jährige und der 25-jährige um. Miki sprang von ihrem Stuhl auf, auf welchem man sie mit einschüchternden Blicken festgehalten hatte. Hayato gehörte Keis Meinung nach nicht hierher, er empfand ihn nicht mal als seinen Kollegen… Mit dem CIA wollte er nichts am Hut haben…

„Onkel!“ sprach sie ihn an und fiel ihm um den Hals, so dass Kei sich räusperte und den Kopf schüttelte.

„Ich habe nicht gesagt, dass wir schon fertig sind!“

„Welchen Mist spinnst du dir nun wieder zusammen? Fahr sie gefälligst nicht so an, ich glaub, bei dir ist eine Schraube locker!“ Nun wurde Hayato ein wenig zornig, was man seiner Stimme entnahm. Was fiel dem Typen ein, sich so aufzuführen? Nur weil er mit bestimmten Sachen nicht so gut zurecht kam, hatte er gegen alle etwas, die zu seiner Familie gehörten.

„Miki, was machst du denn schon wieder hier? Du siehst aus, als wäre etwas Fürchterliches passiert!“ Der Profiler erkannte es an ihrem Gesicht, sie hatte vor nicht allzu langer Zeit wohl sehr heftig geweint, es war aber auch nicht schwer, zu erkennen, wie sehr sie mit den Nerven am Boden war, ihr gesamter Körper zitterte, selbst wenn ihr Blick auch vermittelte, dass sie sich sehr darüber freute, dass ihr Onkel Hayato da war.

„Ignorier mich nicht, Fujikage! Hier spielt die Musik!“

„Stell dich hinten an! Zu dir kommen wir noch…“ Wie er sich immer in den Vordergrund zu drängen versuchte, er hasste es und wandte sich lieber seiner Nichte zu.

„Ich… also… Im Vergnügungspark hat man mich überfallen – Tetsu kam ganz zufällig vorbei“, meinte die 19-jährige mit gesenktem Blick.

‚Was, GANZ zufällig?’ Der 25-jährige verstand die Welt nicht mehr – wieso log sie ihren Onkel nun an? Er würde jawohl kein Drama daraus machen, dass sie zusammen hatten weggehen wollen…

„Nach Zufall sah mir das weniger aus…“, verriet nun Kei und fing an zu lachen. Sein Blick nahm Miki gefangen und er ging über zum Angriff. „So ein kleines Luder! Da haben wir’s – den Grund, warum ich so laut geworden bin. Sie lügt das Blaue vom Himmel runter! Man wollte mich umbringen, man ist hinter mir her! Verfolgungswahn nenne ich das! Kein Wunder, wenn sie ihren Freund mit DEM DA betrügt!“

„Jetzt halt die Luft an!“ funkte Tetsuya dazwischen. „Hier betrügt keiner wen! Eine blühende Fantasie hattest du ja schon früher! Ständig hast du irgendwelche Leute verdächtigt! Und jetzt denkst du, dass Miki so etwas tut…“

„Tamura, das ist kein Grund, sie so zu behandeln, selbst wenn da was wäre. Außerdem würde ich es begrüßen, weil ihr Freund ein Ekel ist. Du denkst, er wollte ihr vielleicht etwas antun – dann solltest du dem Problem nachgehen – sie ist das Opfer – und nicht dein Täter, das sind zwei ganz verschiedene Aspekte… Wir sind doch nicht im Kindergarten!“

„Dich habe ich nicht gefragt, Ogawa! Freundinnen von Kollegen haben dich ja immer sehr interessiert – ich habe allen Grund zur Annahme…“

„Annahmen?!“ fuhr Hayato dem Gleichaltrigen ins Wort. „Wegen Annahmen hackst du auf ihr rum, Freundchen?! Das ist jawohl nicht dein Ernst!“ Welche Vermutungen sein Ex-Schulfreund auch immer wieder aufstellte, er sollte seine schlechte Laune doch woanders auslassen, nicht an seiner Verwandtschaft.

„Ja – wichtige Indizien – Tokorozawa hat mich ja auch schon bestens über alles aufgeklärt!“

‚Oh ja – bist du so dumm, oder tust du nur so? Tokorozawa manipuliert euch und ihr merkt’s nicht! Ohne die Tatsachen zu kennen, stellt er Hypothesen auf, die anderen schaden sollen. Seine Fantasie in allen Ehren, aber er sollte sich lieber mit was anderem beschäftigen – vielleicht hat er den Beruf verfehlt… In der Kunst wäre er besser aufgehoben – er wäre sicher ein guter Buchautor…’ Ein Lächeln erschien auf Hayatos Gesicht. „Einem voreingenommenen Scheusal willst du also Glauben schenken – ich glaube kaum, dass er dir alles gesagt hat. Er ist doch nur daran interessiert, dir genau das zu erzählen, was du hören willst. So ist er eben, ein aalglatter Mistkerl mit ganz eigenen Interessen.“

„Rede nicht so von meinem Kollegen.“

‚Dabei kannst du den gar nicht leiden – es ist lustig, wie er dich manipuliert hat. Er steckt dir Kleinigkeiten und du glänzt dann vorm Chef. Und Tokorozawa kommt ungeschoren davon. So weit ich weiß, hätte er auch ziemlichen Ärger, wenn du den Fall nicht übernehmen würdest. Statt ihn bei der Dienstaufsicht zu verpfeifen, spielst du mit. Jetzt kannst du dich als Retter aufspielen, der du gerne wärst. Aber du hast selbst zu viel Angst, um einer zu sein.’

Dass Naoya da auch mitspielte, verstand er nicht. Der Kerl war viel zu gut, um Hiroya beizustehen – er fand es doch selbst ungerecht, wie dieser sich manchmal aufführte.

„Ich sage dir das im Vertrauen, Kei, nicht um dir eins reinzuwürgen. So weit ich mich entsinne, sind wir noch immer Schulkameraden. Hiroya zu vertrauen, bedeutet in etwa so viel, wie als Schaf in ein Gehege von Wölfen zu gehen!“ Hayato appellierte an den Teil in Kei, der Hiroya selbst nicht ausstehen konnte und ihm eigentlich misstraute, weil er es so wollte, nicht weil er Beweise gegen ihn in der Hand hatte. Natürlich hätte Kei es melden können, aber im Grunde hatte er Angst, so war es immer gewesen. Die Stärkeren hatte er nicht nur bewundert, sondern war ihnen böse gewesen, dass sie mutiger gewesen waren und er fürchtete sie, denn sie waren nun einmal die Stärkeren.

„Hiroya ist ein schlechter Mensch – er macht Leute gerne runter – und den Helden spielt er nur, damit wir ihm die Stiefel lecken sollen. Wir müssen ihm bis ans Lebensende danken, dass er – der Bulle – uns das Leben gerettet hat. Ich wusste, dass ihm nicht daran gelegen war, uns zu retten, er wollte uns nur demütigen. Und dann hat er Tamura-san noch gegen uns aufgebracht. Er redet und denkt schon genauso wie Kimikos Bruder.“ Er behandelte sie genauso und sprach auch in derselben herablassenden Sprache – es war eindeutig Hetze.

„Man sollte ihn zu Schreibtischarbeit verdonnern und ihm die Dienstwaffe wegnehmen, sonst gibt es bei seinen Anfällen der Selbstherrlichkeit noch Verletzte! Ich will doch hoffen, dass nicht er das hier war?“ Er zeigte auf einen Verband an Tetsuyas Arm, es war ihm sofort aufgefallen, als er ihn angesehen hatte. Miki war weitestgehend unversehrt, sie hatte keinerlei Verletzungen davon getragen, ein Glück, dass sie eine Frau war oder lag es daran, dass der Schütze sie nicht getroffen hatte, weil er nicht gut im Umgang mit einer solchen Waffe war?

„Nein, das war dieser Mann, vor dem Miki weggerannt ist. Als wir uns aus dem Staub machen wollten, schoss er wie wild um sich, dabei hat er mich zweimal gestreift. Ist nicht so schlimm gewesen – er hätte unglücklicher treffen können. Ich fürchte, dass er das erste Mal eine Waffe in der Hand hatte… Er war nicht sonderlich geschickt.“

„Ein blutiger Anfänger, das trifft es wohl. Und er hatte hellbraune Haare, gelockt – etwa 1.80 groß.“

„Wow, den hast du dir aber genau angesehen, Miki“, staunte Tetsuya, Hayato jedoch fand es äußerst verdächtig, dass sie ihn so gut beschreiben konnte…

„War es nicht furchtbar dunkel?“ stellte auch Kei Stirn runzelnd fest und fragte sich, ob sie schon wieder log und aus welchem Grund diesmal.

„Ja, deswegen ist es ja so erstaunlich, dass sie das alles so genau weiß. Ich habe weder eine Haarfarbe erkennen können, noch, dass seine Haare gelockt gewesen sein sollen…“ Noch immer verwundert, blickte der schwarzhaarige Bassist in die Runde.

„Ich stand ihm gegenüber. Zuerst war er freundlich und wollte sich bloß unterhalten…“, verriet das Mädchen, wenig später kniff sie die Augen zu. „Dann fing er an… Er fing an von Kimikos Tod zu reden! Und dass ich es unterlassen soll, der Polizei alles Mögliche über die Beziehungen der Leute zueinander zu erzählen, sonst würde ich es bereuen. Ich sagte ihm, dass ich ihnen bereits alles gesagt habe. Dann war da dieser zweite Kerl. Größer als der andere – der befahl dann, dass er schießen soll. Und bitte gleich ins Herz!“ Sie schlug die Hände vor das Gesicht, seine Stimme würde sie von Hunderten unterscheiden können, er hatte so eine abnormal hohe Stimme gehabt, fast wie eine Frau, als sei er noch nicht einmal 20. Eine hohe Jungenstimme, nicht das kleinste bisschen männlich, aber doch mit einer gewissen Grausamkeit inne, welche nur von einem Mann kommen konnte.

„Die Beziehungen der Leute zueinander?“ fragte sich der 25-jährige eher selbst, sprach es jedoch so laut aus, dass jeder es hören konnte. „Dann sollen sie doch vor der Tür der Ikezawas kehren – wegen denen gibt es immer nur Stress! Die Kuh hatte gleich an zwei meiner Kollegen einen Narren gefressen, nur haben die sich auch für Kimiko interessiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kens Freundin in dieser Sache verwickelt war.“

„Sag nicht so was, Tetsu“, Miki hatte das Bedürfnis zu heulen, auch wenn es auf gewisse Weise wohl zutraf. „Es wäre sehr dumm von Yui gewesen, dein Freund denkt doch nur an sie – außerdem wäre er nie auf die Idee gekommen, etwas mit einer Frau anzufangen, die sich Haido ausgepickt hat.“

„Yuis Bruder hingegen schon – und sie hätten beide etwas davon. Beide sind furchtbar eifersüchtig, einer unbegründet und einer leider begründet.“

Hayato gab ein nachdenkliches „mhm“ von sich und schüttelte dann den Kopf. „Männer wie er machen erst den Kerl runter, der sie ihnen weggeschnappt hat.“

„Was denn? Hat er doch! Er hätte es ihm nicht besser geben können, als sie umzubringen, weil ihn das am meisten treffen würde… Und Yui muss nichts mehr befürchten… Wäre ja möglich gewesen, dass er zu ihr überläuft, so wie die sich immer aufführt, da kriegt man als Mann doch Zustände. Sie will die Einzige sein… Ihr diesen Wunsch zu erfüllen ist für ihn nicht immer einfach – er mag Frauen… Er trifft sie hin und wieder gerne mal und lernt sie näher kennen… Das ist für Yui wie ein rotes Tuch. Die braucht ihn nur in der Nähe einer Dame zu sehen und ist gleich auf hundertachtzig.“

‚Ähähm… ja, ich glaube, das trifft’s wohl ganz gut’, Hayato hatte sich ja selbst davon überzeugt, wie eifersüchtig diese DAME sein konnte, wobei seine Schwester ungezogener Weise ziemlich Stoff gegeben hatte, sie so weit zu bringen. Er seufzte leise.

„Ich glaube, es gibt allerdings noch einige Leute, die ebenfalls einen Vorteil aus ihrem Tod gezogen haben. Diamond Records und die Presse… Vor allem ein Reporter namens Sojuro Tatsuno, das ist übrigens Kimikos Verlobter gewesen.“

„Der Kerl ist bei der Presse?!“ Für Tetsuya ein herber Schock, wenn er so darüber nachdachte, was dieser Mann über seine zukünftige Frau in der Zeitung schrieb. „Warum macht er denn so etwas?!“

„Er weiß, dass er verloren hat und versucht sein Gesicht zu wahren, so würde ich das bezeichnen“, verriet Hayato, denn er kannte Männer wie ihn. Sie hatten von Natur aus ein kleineres Ego, wenn man dieses angriff, stärkten sie ihr Selbstbewusstsein mit Illusionen. ‚Und ich gehe stark davon aus, dass er die Wahrheit auch kennt – IHN hat er schön brav weggelassen, am liebsten würde er ihn wohl ausradieren. Stattdessen kriegt er erstmal sein Fett weg, weil er sie ihm weggenommen hat. Männer verkraften so etwas weniger gut und so einer sowieso. Er will es eben nicht wahrhaben, deswegen ist sie nun die Hure, die ihn verlassen hat. Armer Kerl, ist ja richtig bedauernswert. Es würde unschön werden, wenn Ikezawa es wirklich war und Tatsuno das spitz kriegt. Er wäre ein toter Mann, so viel ist klar.’ Dass Teru in direkter Nähe dieses Sängers war, gefiel ihm gar nicht, er ließ ihn bewachen, um bei einem Notfall zur Stelle zu sein. Teru war kein Detektiv und auch kein Psychologe… Er hoffte für ihn, dass seine Menschenkenntnis besser war, als die von seiner Schwester Aoi. Sie neigte dazu, Menschen zu sehr zu vertrauen und sie falsch einzuschätzen, sie war eben noch ein kleines Mädchen in seinen Augen.

„Jetzt fällt’s mir wieder ein“, Tetsuya klopfte mit der Faust in die Handfläche, „die Plattenfirma hatte etwas gegen Kimi, Yui hat sie denen ja auch förmlich aufgezwungen – sie waren überzeugt davon, dass Shin Sakurai besser in die Band passen würde – und zwar als der Sänger der Band. Ist er denn nicht total erpicht darauf zu singen?“

„Das ist doch schon solange her, Tetsu, mittlerweile ist er doch längst davon weg…“ Ganz so überzeugt wirkte sie ja nicht, denn manchmal ließ er noch Sätze fallen, die darauf schließen ließen, dass er neidisch auf jeden Sänger war und nur deswegen Keyboard zu spielen begonnen hatte. „Du willst doch nicht sagen, dass er deswegen Kimi irgendwas angetan hat. Ist das nicht weit hergeholt…?“

„Ich bitte dich – dieser Mensch hat dich – davon bin ich nun wirklich felsenfest überzeugt – vor ein Auto stoßen lassen, damit man dich anfährt und du dein Ki-“, die 19-jährige hielt ihrem Freund den Mund zu, er sollte bitte nicht mehr von diesem Höllentag erzählen, schon gar nicht der Polizei – Shin war ja nicht immer ein Mistkerl und sie wollte nicht, dass die Polizei ihn zu sehr nervte, er würde nur schlechte Laune bekommen… und dann… und dann… da war er besonders gemein und gefühlskalt. Wenn er schlechte Laune hatte, wenn man ihn an Dinge erinnerte, die er lieber vergessen wollte.

„Damit sie ihr Kind verliert? Bitte sag, dass das nicht wahr ist!? Du warst nicht ernsthaft schwanger von Sakurai?“ Für Hayato fühlte es sich an, als hätte man ihm in den Magen getreten, ihm wurde schlecht bei dem Gedanken – kein Wunder, dass Tetsuya es ansprach. Wenn er Miki mochte, hatte er Sakurai sicher besonders gern, da dieser Mann seine Freundin wie den letzten Dreck behandelte, weil er so abgehoben war.

„…Doch…“ Es kam etwas kleinlaut daher, was Kei wie ein angriffslustiger Tiger auf sie losgehen ließ.

„Da sieht man es ja – sie ist dumm! Will ihren Freund beschützen und nebenher was Nettes mit einem anderen haben. Ich finde es abscheulich, wenn Frauen sich so aufführen. Wenn man liiert ist, lässt man die Finger von solchen Geschichten. Vielleicht hattest du da auch schon was mit ihm und ihm sind ein paar Sicherungen durchgebrannt.“

„Auf wessen Seite stehst du eigentlich? Seit wann gehört dieser Sakurai zu deinen besten Freunden? Und schieb Miki bitte nicht in die Schuhe, dass sie selber schuld ist, wenn er sie so behandelt. Ich glaube kaum, dass sie ihn einfach so betrügen würde… Es ist nur einfach an der Zeit, dass sie sich trennen.“ Hayato sagte es ja immer, der Mann tat ihr nicht gut, sie war auch eigentlich viel zu jung für so etwas, er ließ den großen Bruder raushängen und warf auch Tetsuya Blicke zu, die ihn hätten töten können.

„Ich sag’s ja immer wieder, aber sie will nicht hören.“ Obwohl sie so voller Zweifel war und ihm nicht vertraute, weil er ständig besoffen nach Hause kam und ihr wegen allem Möglichen Vorwürfe machte, sie als undankbares Miststück beschimpfte, aber sie ihn einfach zu sehr liebte, was er einfach nicht verstehen konnte.

„Kannst sie ihm ja wegnehmen“, entfuhr Kei, welcher keine Skrupel kannte, so etwas zu tun. Er wartete ja schließlich selbst förmlich darauf, dass Hayato mal einen Fehler machte und er etwas gegen ihn in der Hand hatte, etwas was er Mia klar machen konnte, damit sie Hayato verließ.

‚Dann müsste ich ihr etwas versprechen, was besser ist… Das kann ich nicht. Noch einer, der sie unglücklich macht, braucht sie echt nicht. Ich will keine Beziehung, das geht sowieso niemals gut… Nicht jetzt… nicht schon wieder. Ich hab’s satt!’ Es hatte jedoch seinen Reiz so einem Untier wie Sakurai die Freundin auszuspannen, der würde vielleicht kochen.

Dass Kei nur auf einen Fehler Hayatos wartete, wusste er natürlich, aber er würde ihm keine Fehler liefern…
 

Zur gleichen Zeit unterhielten sich zwei Männer im Licht einer Laterne, obwohl er die Dunkelheit bevorzugte. „Na, dann lass dir mal was einfallen, Sazerac – Jami wird dir die Hölle heiß machen, wenn er herausfindet, dass du sie hast leben lassen. Und ihr kleines Geheimnis lebt auch noch. Schade, dass du ihn nicht richtig getroffen hast. Es wäre wirklich witzig, wenn ganz Laruku im Krankenhaus landet. Am besten so schwer verletzt, dass sie aufhören müssen. Es wird Zeit für etwas Neues, was Besseres. Die breiten sich wie ein Lauffeuer aus – kein Wunder, dass Ikezawalein ihn so hasst. Mit seinem Stimmvolumen lässt sich was anfangen, er kann ihn mit einem Atemzug wegfegen. Der Kerl ist kein Sänger, sondern ein Armleuchter. Wer hat ihm bloß den Floh in die Ohren gesetzt, dass er singen kann?!“

„Man – mir ist Ikezawa so was von egal, das ist dein Gebiet, lass mich doch damit in Ruhe. Und ganz Laruku im Krankenhaus hättest du jawohl gerne. Jami findet es sowieso nicht sonderlich prickelnd, dass er im Krankenhaus ist. Was denkt er sich? Dass er ewig so weiter machen kann? Tokorozawa interessiert sich mehr für alles, als es dem lieben Jami bewusst ist. Es ist unlogisch, dass er ihn leben lässt.“

„Jami soll sich lieber mit Tetsu beschäftigen, es ist viel interessanter, ihn zu ärgern. Er wagt es doch tatsächlich mit ihr anzubändeln, das wird er bereuen. Und mit ihm Yuis Freund, mit dem bin ich noch lange nicht fertig. Was bilden die sich eigentlich ein? Tauchen auf und machen einen auf Obermacker und Beschützer!“

„Verlobter bitte – sie sind verlobt! Er hat Kontakt zur Polizei, das heißt, du müsstest ihn schon umbringen lassen… Yuis Vater ist Anwalt, ihr Cousin ebenfalls Polizist, das Ganze ist eine heikle Sache, mir wäre lieber, wir lassen alle die Finger da raus, ich will mich nicht verbrennen.“

„Sei doch nicht so ängstlich, Sazerac – was will die Polizei schon tun? Wir haben den Boss auf unserer Seite, er ließ ganze Familien einfach so auslöschen.“

Prominente, reiche Leute – er hasste sie. Die dachten immer furchtbar toll zu sein und sich alles erlauben zu können. Es hieß immer sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen. Cassis war ihm seit ihrem Auftauchen ein Dorn im Auge. Diese CIA-Agentin dachte doch tatsächlich, sie könne ihn täuschen – ihn doch nicht. Für sie interessierte sich der gute Sazerac weitaus mehr. Die Show, welche sie abzog, war für ihn eindeutig. Ihre Schnüffler-Nase roch drei Meilen gegen den Wind – jedenfalls wenn man selbst ein Detektiv war. Ryochi Akaja war ebenfalls ein wesentlicher Aspekt, der ihn mehr interessierte, als die Probleme eines Musikfreaks. Er war nur neidisch und froh, dass Kimiko nicht mehr plaudern konnte.

Sazerac hasste es – und er würde es immer hassen, dass Jami am längeren Hebel saß und der Boss ihn in seinen Aktivitäten unterstützte.

„Geheime Unterhaltungen von Arrak und Sazerac“, meldete sich dritte Person und schritt auf beide zu, zog eine Waffe und hielt sie geradewegs an Sazeracs Hals.

„Ich hab da so ein Problem und du wirst es lösen, ist das klar, Missgeburt?“

Schon beim Anmarschieren des Mannes mit den längeren Haaren, war Sazerac leicht zurückgewichen, doch jetzt bog er sein Kreuz, dass es fast einen Halbkreis formte, da die Klinge ihm eine kleine Wunde am Hals beibrachte und er befürchtete, dass er ihn abstach. Sein Blick fiel auf Arrak, dieser verzog keine Miene, es wirkte jedenfalls nicht, dass ihn der Neuankömmling beeindruckte.

„Was macht ihr denn da, ihr Pack?! Habe ich nicht gesagt: Kein Aufsehen?!“ Mit einem mächtigen Hieb in sein Kreuz wurde Arrak zu Boden geschleudert und wandte sich unter Schmerzen. Die Waffe des Ranghöchsten hatte ihn in die Schulter getroffen, er hatte ja auch mit voller Wucht zugeschlagen. Er hasste Männer, schien es ihm.

„Ich will nicht, dass ihr eigenständig Pläne macht, ist das klar? Und Tuscheln hasse ich am meisten!“ Er hatte besonders Arrak im Blick und grinste zu dem Dunkelhaarigen, welcher noch immer Sazerac bedrohte. „Auf dich ist wenigstens Verlass – mach aber schön sauber, wenn du mit Sazerac fertig bist. Er verdient es bestraft zu werden. Ich kann das ja getrost dir überlassen, damit nimmst du mir liebenswürdiger Weise eine Menge Arbeit ab“, mit seinem Grinsen drehte er sich herum und ließ die drei alleine zurück. Er war schneller verschwunden, als man schauen konnte. Im Abhauen war er einsame Spitze.

Allmählich erhob sich Arrak wieder vom Boden und schaute diesem Jami missmutig nach. Wie er sich immer aufspielte… Er tat, was ihm passte, er ließ sich von dem Idioten doch nicht so behandeln. Seine Rache würde fürchterlich sein…

‚Menschen, die Jami beschützt, darf man nicht anrühren… Er muss uns gehört haben… Aber was hat ER jetzt? Tut er das nur, weil Jami es ihm aufgetragen hat?’ Mit einem beobachtenden Gesichtsausdruck und auch etwas Angst inne, bewegte er sich zusammen mit ihm rückwärts, er drängte ihn ja quasi gegen eine Wand.

„Jami hin oder her, das ist etwas ganz Persönliches“, kündigte er an und fuhr mit dem Messer durch die Haut, entlang des schmalen Halses bis in sein Gesicht. Sofort bildete sich eine Blutspur und der Verletzte schrie unter brennenden Schmerzen auf. Das Messer des Mannes brachte ihm eine tiefe Fleischwunde bei, die er so schnell nicht mehr vergessen würde. Er würde sie sehen, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Er liebte es, Männer, die er verabscheute, so zu behandeln. Gerade fand er es unschön, an eine andere Person nicht ranzukommen, deswegen musste eben Sazerac darunter leiden – er fühlte sich bedeutend besser, als er das Blut aus der Wunde treten sah und wie der Schönling entsetzt die Hand auf die Verletzung presste, voller Angst, dass Narben zurückbleiben würden – das war gewiss.

Arrak war froh, dass dieser Typ ihn nicht auf dem Kieker hatte. Er war – seiner Meinung nach ein Winzling, aber mit seiner Messerattacke konnte er so manchem größeren Mann einen Heidenschreck einjagen, sie sogar verängstigen. Welcher Mann war schon scharf darauf, dass man ihn entstellte?

Er hatte jedoch das Glück, dass man ihn nicht so gut durchschaute – er jedenfalls nicht – war er doch immer um ein Pokerface bemüht, das ihm schon so oft geholfen hatte. Bei der Polizei, in den Kreisen, in denen er sich zu bewegen bevorzugte, bei Frauen, die ihm zu Füßen lagen. Und natürlich bei so einem Kerl, der andere angriff, wenn sie ihm nicht in den Kram passten, wenn er sie schlichtweg nicht ausstehen konnte.

‚Man, zum Glück hab ich Kimi rechtzeitig in den Wind geschossen, sonst wär ich das vielleicht! Jeder weiß, was er von Kerlen hält und mit ihnen zu tun pflegt, die sie anhimmeln…’ Er hatte es mit eigenen Augen gesehen, es war der Horror – er an seiner Stelle hätte es auch mit der Angst zu tun gekriegt, die er natürlich nicht so offenherzig gezeigt hätte…
 

Zum Glück hatte man sie gehen lassen – gemeinsam. Sie wüsste nicht, was sie tun sollte, hätte sie nach dem Spektakel alleine nach Hause gehen müssen. ‚Was Aoi wohl tun würde?’ Die ganze Zeit hielt der smarte junge Mann ihre Hand, sie fühlte sich wohl. Es war wie der verpasste Spaziergang. Eine Abwechslung zu dem, was sie mit einem bestimmten Mann erlebt hatte. Eigentlich war der Weg viel zu kurz, zum Glück hatte er nicht darauf bestanden, sie nach Hause zu chauffieren, sie wären innerhalb von 3 Minuten zu Hause gewesen, so hatte sie wenigstens etwas davon. Irgendwann war sie anschmiegsam geworden und er hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt, einfach so.

Sie waren da, es wurde Zeit, dass sie ihn losließ. Er war bereits stehen geblieben, doch fühlte sie sich anscheinend zu wohl an seiner Schulter. Ein Seufzen entfuhr ihm, er war kein guter Tröster und diesen schien sie nötig zu haben.

„So, Endstation, alle aussteigen“, sie würde ihn ansonsten ja nie mehr loslassen. Natürlich bemerkte Miki, dass er nun ebenfalls nach Hause wollte. Dass Tetsu wahrscheinlich noch so viel Arbeit hatte, um nicht vor dem Morgengrauen ins Bett zu kommen, dabei hatte er sich so nett um sie gekümmert.

„Danke für’s Nachhausebringen. Ich weiß das wirklich zu schätzen, und bis bald“, die 19-jährige fasste ihm an Kinn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange – freundschaftlich.

„Habe ich gerne gemacht – du kannst immer zu mir kommen, wenn du Kummer hast. Und lass dir von ihm nicht so viel gefallen! Versuch deinen eigenen Wert etwas höher einzuschätzen.“

„Ich werd’s versuchen.“ Größtenteils würde das Ganze daraus bestehen, dass sie ihren Freund nicht zu verärgern versuchte. Sie würde lieb und nett sein, so dass er keinen Grund fand, böse auf sie zu sein. Eine kurze Umarmung später winkte er ihr und machte sich dann auf den Weg.

Als sie ihn so weggehen sah und sie nach oben zur Wohnung blickte, überkam sie die Angst – er würde nicht da sein, eigentlich sollte sie ja froh sein, aber es war auch die Angst vor dem Alleinsein, die ihrem Bekannten hinterher rufen lief. „Warte!“

Sofort blieb er stehen, drehte sich jedoch nicht herum. Er hörte sie schon, wie sie mit ihren flachen Absatzschuhen über die nasse Straße rannte, ganz sicher auf ihn zu und dann spürte er sie. Ihren Körper, ihre Arme.

Die sich so sehnsüchtig um ihn schlangen.

Die ihn gefangen nahmen.

Die ihm sagten, er solle nicht gehen.

Noch ehe sie es mit Worten verdeutlichte, spürte er es. Sie umklammerte ihn so stark, dass er befürchtete, keine Luft zu bekommen. Ihre Tränen nässten sein grünes Hemd, sie schluchzte einmal auf. „Bitte geh nicht, bleib bei mir!“ Verzweiflung in der Stimme und Trauer in ihrem Herzen waren ausschlaggebend dafür, dass ihm sich der Hals zuschnürte. Er war doch nicht der Richtige dafür, er wusste, wie das enden würde. Er kannte sich schließlich am Besten. Aber auch fühlte er sich verantwortlich, sie war noch so jung und diesem Kerl ausgeliefert, wenn er nicht schleunigst etwas dagegen unternahm. Und sie flehte ihn an, nicht zu gehen. Wann hatte das letzte Mal eine Frau wirklich darum gebettelt, dass er blieb…?

Sich langsam von der jungen Dame lösend, drehte er sich herum und blickte in ihre glasigen Augen. „Schon okay – wenn du das unbedingt willst“, seine Hand fuhr ihr zärtlich über die Wange, während er sanft mit ihr sprach. „Aber nur heute Nacht.“ Ob er sein Gewissen erleichtern wollte, indem er es extra ansprach – er wusste es selbst nicht, ob das der Grund war, oder die Angst, sich auf zu viel einzulassen, ihr Hoffnungen zu machen. Es gab keine Hoffnung – er und Musik, da gab es keinen Platz für so etwas.

‚Was Aoi jetzt wohl tun würde? Sie ist immer so stark und so mutig. Sie würde mich auslachen, wenn sie mich sehen würde! Dass ich mich nicht mal traue, obwohl ich es eigentlich will. Bitte nimm mich IHM weg! Er ist so grausam, aber ich kann ihn nicht verlassen… Nicht alleine…’ Sie warf sich an seine Brust, voller Erleichterung und der Hoffnung, dass er seine Meinung ändern würde.

Als sie ihn am Arm in Richtung des Wohnblocks zog, wusste sie genau, worauf sie sich einließ. Sie wusste, wo es enden würde. So gesehen hatten Kei und Hayato sie auch auf die Idee gebracht…

Und Aoi, die Männer aussaugte, wie ein kleiner Vampir, weil sie sich so sehr danach sehnte, geliebt zu werden, war keinen Deut anders, doch das wusste Miki nicht. Sie bewunderte die junge Frau schon seit Jahren. Ohne sich zu verlieben, hatte sie schon so oft etwas mit einem Mann gehabt, sie war viel stärker als sie.
 

Es war eine heikle Angelegenheit, wenn ein Mann die Wohnung einer Frau betrat. Es gab Gerüchte, denn jeder würde denken, dass es passierte. Für gewöhnlich besuchte er Frauen auch nicht einfach nur zum Kaffeeklatsch, das machten sie nur unter sich.

Mit Sicherheit gab es hinter einigen Gardinen neugierige Hausfrauen, die alles nun voller Neugierde beobachteten – so waren sie nun einmal.

Aber auch boshafte Männer, die sich amüsierten, waren darunter. Diese jedoch beobachteten es mit Ferngläsern. „Hat dieses kleine Luder ihn doch rumgekriegt – ich hoffe, er passt auf, sonst gibt’s böse Überraschungen. Shin hat ja gerade noch mal die Kurve gekriegt – jeder weiß, dass es ihm ungelegen käme, wenn eine Frau von ihm schwanger wird. Dann kann er ja keine Karriere mehr machen, sondern muss sich um seine Frau und sein Kind kümmern. Dabei will er nicht einmal eine Frau heiraten.“

„Das sagst ausgerechnet du, du drückst dich doch auch feige vor deiner Verantwortung.“

„Ach, sei ruhig! Man, er benimmt sich auch wie der aller erste Mann, es ist jawohl offensichtlich, was sie von ihm will. Da kommt nur noch Auspacken in Frage.“

„Macho!“

Man hörte in der Dunkelheit lediglich die Worte der beiden Gestalten und sah nicht gar ihre Gesichter. Auf das Macho fing der 25-jährige sofort an zu lachen. „Die Erfahrung sagt mir, dass es besser ist, ein Macho zu sein. Männer wie du werden nur von Frauen verarscht. Sie stehen nicht auf Weicheier, das ist dummes Gerede, sie wollen von einem Kerl richtig rangenommen werden.“

„Es darf nicht wahr sein, was ihr da für einen Schwachsinn von euch gebt, ihr unbelichteten Idioten“, kaum war die weibliche Stimme mit dem Satz fertig, hatte sie beide mit einer Waffe ins Visier genommen. „Wer erlaubt euch eigentlich, in fremde Zimmer zu gaffen, ihr Hirnis? Habt ihr kein Sexleben?“ Sie wollte sie ja nur etwas erschrecken, weil sie ja so groß und stark waren…

In der Dunkelheit konnte man wenig erkennen, doch ihre rötlichen Augen funkelten verheißungsvoll in die Nacht hinein. Die Stimme und ihre Augen waren ihr Markenzeichen, was beide Männer klarer sehen ließen, als es in der Dunkelheit für gewöhnlich aus Entfernung möglich war.

„Ich dachte, ihr habt zu tun, war es nicht so?“ Die junge Frau erinnerte beide Männer noch einmal daran, dass es ja Dinge gab, die sie gefälligst zu erledigen hatten.

„Seit wann haben Weiber das Sagen?“ gab einer der Männer von sich, er ließ sich ungern von so einem Miststück Befehle erteilen.

„Komm mal in der Gegenwart an! Die Zeiten, in denen Männer das Sagen hatten, sind lange vorbei, mein Schätzchen! Was sagst du zu einem Loch im Kopf – als Zierde vielleicht?“ Sie hatte ihre Waffe sowieso bereits geladen und wartete nur darauf, einen dieser Kerle ermorden zu dürfen – sie waren allesamt schlecht.

„Provozier sie nicht“, flüsterte der andere ihm zu, bei ihr sollte man nicht noch Öl ins Feuer gießen, sie konnte Männer ohnehin nicht wirklich leiden und würde jeden, der frech wurde, einfach so erschießen.

„Dafür, dass du heute bereits einen Herzstillstand hattest, bist du ganz schön frech! So weit ich weiß, hast du auch Geschwister – wenn du nicht spurst, sind sie die ersten, die darunter leiden! Oder unschuldige Kinder – hast du denn nicht bereits eines? Und dann noch mit einer Polizistin! Tze tze – ich an deiner Stelle wäre da etwas vorsichtiger! Du hast es meiner Fairness zu verdanken, dass der Boss noch nicht darüber Bescheid weiß, das kann man schnell ändern.“

Die junge Frau – sie war ein Jahr jünger als er – kannte ihn anscheinend gut genug, um ihm das Leben zu versauen, das und nichts anderes war es schließlich, was sie versuchten.

„Bist du noch ganz bei Trost? Du kannst sie doch nicht so verärgern?“

„Halt dich da raus, du Memme!“ Er besah die Schwarzhaarige, sie hätte ihm ja ganz gut gefallen – vielleicht war das ein Weg, wie er ihn besser beschritt. Wenn er sie auf seiner Seite wusste, brauchte er sich nicht großartig zu sorgen. „Sei doch nicht so biestig – ich weiß es zu schätzen, dass du geschwiegen hast. Leider gibt es da einen Zeugen…“ Wen er meinte, war nicht allen Anwesenden bewusst. Sie sahen ihn auch nicht an, sondern sprachen nur von Personen – es war nicht einmal klargestellt, dass diese anwesend waren.

Natürlich war der Killerin bewusst, wen der gute Ouzo damit andeuten wollte. Sie kicherte leise. „Oh, tut mir Leid, hab ich zu viel verraten… Ups…“

„Ja ups“, es klang heimtückisch, da er nun plante auch etwas auszuplaudern – aber auch, um sie zu verunsichern und zu ärgern, ihr klarzumachen, dass ihr Mann nicht besser war.

„Ach übrigens – dein Ehemann ist mir begegnet – zusammen mit der Schwester von Kei Tamura – war ein heftiges Zusammentreffen der beiden. Fand auch Nebbiolo“, nun lachte er, es war ihm ein Vergnügen, ihr diese Information nun zu geben.

„Was willst du damit sagen?“

„Dass er sie knallt – und du es nicht bemerkt hast.“ Noch deutlicher konnte er wirklich nicht in seiner Wortwahl sein.

„In deinen Fantasien – niemals würde er so etwas tun, er ist ja nicht so wie du. Ein Wort über ihn und du bist ein toter Mann, nur damit das mal klar ist!“ Ihrer Meinung nach war es eine Information, wie sie keinen etwas anging. Genauso wenig, wie es jemanden etwas anging, woraus die Familie des jungen Mannes bestand.

„Dann sind wir uns ja einig – keiner erfährt etwas von unserem kleinen Geheimnis – jetzt muss nur noch der Zeuge verschwinden.“

Dass sie sich einig waren, war seine Vorstellung, sie konnte ihn trotzdem nicht ausstehen – Männer wie ihn hasste sie von Natur aus. Ahnungslos wie seine Begleitung war, dachte er sich nichts dabei, als die Frau auf ihn zukam, er hatte ihr ja nichts getan… Das dachte er jedenfalls, bis sie ihn mit einem heftigen Stoß vom Dach beförderte und er mit einem Schrei in die Tiefe stürzte…

Ouzo sah dem Fallenden nach und erfreute sich daran, sie hatte es getan, nur für ihn.

Doch es täuschte – Chasselas hatte es keinesfalls für Ouzo getan, sondern für andere, unschuldige Menschen…

„Endlich alleine“, meinte sie mit sanfter Stimmlage, die nicht dazu passte, was die Dame im nächsten Moment tat: Sie schlug mit ihrer Waffe mit aller Kraft, die sie als Frau aufbringen konnte, auf die Wange des Mannes ein. Voller Jähzorn und Hass gegenüber ihm, dem undankbaren Mistkerl. Es lag ihm zwar etwas daran, seine Familie zu schützen, doch behandelte er seine Frau nicht gerade so, wie es sich gehört hätte. Er war eigensinnig, eingebildet, hatte nur kranke Dinge in seinem Kopf – wie mit Zwillingen gleichzeitig ins Bett zu gehen, eine reichte ihm ja nicht, er wollte sie am liebsten alle vernaschen. Er glaubte, seinen Blick hätte sie nicht deuten können, sie kannte diesen Gesichtsausdruck – so viele Männer nahmen ihn an, wenn sie scharf auf eine Frau waren. Dachte er wirklich, dass sie so dumm war, das nicht zu bemerken? Chasselas hatte zu viele schlechte Erfahrungen – vor allem mit gut netten Männern – gemacht, um auf so eine linke Tour hereinzufallen. Fremdgänger waren ein rotes Tuch. Männer in Kombination mit Fremdgeherei waren das Schlimmste, was man ihr vorsetzen konnte. Es war Jami eine Wonne, sie dabei zu beobachten, wie sie den Kerl nun verprügelte. Er hätte es genauso getan, aber wenn es von einer hübschen, jungen Frau kam, wirkte es wesentlich besser. Es war nur eine Frage der Zeit, wann er die Dame für sich beanspruchen würde…

Dabei vergaß er sogar, dass er selbst in das Fremdgeher-Schema passte und sie ihn genauso mögen würde, wie Ouzo.
 

Drinnen wurden erst einmal die Schuhe ausgezogen und sie standen wie bestellt und nicht abgeholt im Dunkeln, bis sie den Lichtschalter fand. Man merkte sofort, dass sie erst vor kurzem hier eingezogen war. Eigentlich war die Wohnung groß genug für drei Personen, es war also klar, was Miki damit bezweckt hatte, hier einzuziehen. Er dachte daran, was sie ihm erzählt hatte. Dinge, die Männer eben einfach nicht von Frauen erfahren wollten. Von Muttergefühlen hatten sie sowieso keine Ahnung und konnten wenig damit anfangen.

Es war ihm unangenehm an ihre Erzählungen denken zu müssen, er bedauerte sie schrecklich, was sie mit diesem Kerl durchmachen musste, aber er selbst war schließlich nicht besser. Die meisten Männer würden beim Wort „Kind“ die Flucht ergreifen. Es lag in der Natur der Männer, die Bindungsängste hatten, dann zu verschwinden, trotzdem war es immer noch zu krass, dass dieser Kerl ihr so etwas angetan hatte.
 

Teru hatte bereits mehrere Anrufe bekommen, war allerdings gerade zu sehr durch andere Dinge abgelenkt, als dass er nachgeschaut hätte, wer den Vibrationsalarm zum wiederholten Male ausgelöste hatte. Das arme Mädchen – er hatte gerade nur Aufmerksamkeit für sie übrig. Dass Shin nicht ganz sauber war, war ihnen ja durchaus klar, aber dass er vor seinen Augen fast eine Schülerin vergewaltigt hatte, hatte ihn doch in einer Heftigkeit getroffen, die er selbst als Schriftsteller schwer zu beschreiben wusste. Da Juu sich verdrückt hatte, war er die einzige Person, die das Mädchen heil nach Hause bringen konnte, er konnte und wollte sie nicht alleine gehen lassen. Sie war still gewesen, bis sie vorm Anwesen der Suzukis Halt gemacht hatten.

„Danke für’s Fahren“, kam monoton von ihr, sie hatte einen Schock, das sah man auch als Laie.

„Keine Ursache, hab ich gern gemacht“, er beobachtete sie, wie sie ausstieg und gleich zum Tor lief, man schien sie bereits zu erwarten, denn das Licht ging bereits an, als sie die Tür öffnete. Es war unschön für ihre Mutter, die sich fürchterlich gesorgt hatte, dass er noch wartete, bis sie hineingegangen war. Sie sah seinen dunkelblauen Schlitten - wie man so schön sagte. Sein Nissan Silvia war ein Protzauto, er hätte genauso gut einen Porsche fahren können. Der Sportwagen glänzte und funkelte, war also mit Sicherheit neu. Es war so eindeutig zweideutig: Älterer Mann, Sportwagen, Macho – und ihre Tochter, weshalb sich diese zur Begrüßung erst einmal eine von ihrer Mutter einfing.

„Was fällt dir ein, uns so anzulügen und dann noch spät nachts wiederzukommen?!“ fuhr ihre Mutter sie an, was normalerweise eine Seltenheit darstellte. Sonokos Freude wieder zu Hause zu sein, erübrigte sich mit diesem harten Schlag der Hand ihrer Mutter auch bereits. Nicht nur ihr Vater behandelte sie wie eine Gefangene, nun fing ihre Mutter auch noch damit an.

Teru beobachtete das Ganze und fand es überzogen, zumindest die Ohrfeige, aber andererseits war er selbst Vater und konnte sich vorstellen, was in ihr vorging. Eltern zu sein, hieß auch manchmal ungerecht zu werden, wenn man in seiner Sorge vergaß, was richtig und was falsch war – wobei er Gewalt an Kindern und Jugendlichen, als letzte Lösung ansah. Dem ein oder anderen – hatte er es sich auch noch so geschworen – passierte es doch einmal, denn es war menschlich. Wenn man weder ein noch aus wusste und die Verzweiflung immer mehr anwuchs, konnte einem alles Mögliche passieren – auch Mord. Der gutherzigste Mensch war dazu fähig einen anderen zu töten. Er war an Menschen interessiert, wollte alles über sie wissen, manchmal studierte er sie regelrecht, das jedoch lag daran, dass er Stoff für seine Geschichten brauchte. Es mochte grausam klingen, aber Erfahrungen, je mehr davon man hatte, waren in der Hinsicht sehr nützlich. Nicht alles konnte ein Mensch aus der Fantasie saugen, so gesehen war Teru ein ziemlicher Blutsauger, der Menschen benutzte. Dennoch gab es Menschen, die er besonders mochte und die er nicht nur als lebende Figur mit interessanten Aspekten ansah. Wie zum Beispiel das weibliche Wesen, das ihn versucht hatte zu erreichen – mehrmals – und er hatte sich auf anderes konzentriert. Jetzt, da er sah, dass nicht nur sie, sondern auch ER ihn angerufen hatte, machte er sich Sorgen. Der 30-jährige befürchtete schreckliche Dinge. Fünf Anrufe von ihr und zwanzig von ihm…

Gerade als er sie anrief, klopfte es gegen die Fensterscheibe – Teru ignorierte die Person, die nun aufdringlicher dagegen hämmerte – lauter… und lauter… so laut hatte er noch nie jemanden klopfen gehört.

Die Sorge kam wie ein bedrohlicher Schatten in ihm auf, als keine von beiden Personen ans Handy oder Telefon ging. Nach einiger Zeit legte er auf, mit einem Seufzen wandte er sich der Person zu und holte tief Luft, als er sie sah. ‚Muss das jetzt sein?’ Er ließ die Scheibe runter, woraufhin sie ihm ein zuckersüßes Lächeln schenkte, was er noch viel schlimmer fand, als ihr penetrantes Parfüm, das man Meilenweit gegen den Wind roch – sie musste sich nur in der Nähe befinden und man nahm es bereits wahr. Meistens verzog er sich, wenn sie anrückte. „Hallo Fiona“, er bemühte sich stets in einem netten und nicht genervten Tonfall zu reden – sie war trotz allem eine Frau, ein zerbrechliches Wesen, auch wenn sie ihn förmlich belästigte.

„Schön, dass ich dich treffe, Teru! Du warst so schnell von der Party verschwunden, das fand ich furchtbar schade.“

‚Ich nicht!’ Er versuchte ein schwaches Lächeln zu zeigen, aber es sah eher wie ein jämmerlicher Versuch aus, gute Laune vorzutäuschen.

Sofort sah die 20-jährige, dass er nicht bei der Sache war – wahrscheinlich dachte er schon wieder an sie, immer dachte er nur an sie, an diese dumme, eingebildete Pute von Schauspielerin. Er hatte was Passenderes verdient, als so eine Tussi, die ihm am Ende das Herz brechen würde. So etwas wie sie selbst. Sie war passend für ihn, doch das hatte er wohl leider noch nicht mitgekriegt.

„Ich bin eher gegangen, weil so ein Vorfall mir die Laune vermiest hat – ich bin auch total außerhalb meines Zeitplans und habe im Grunde überhaupt keine Zeit. Wenn es also nicht dringend ist, bitte ich dich, nicht meine Zeit zu stehlen.“ Es war eine nette Abfuhr, aber mehr ging wirklich nicht.

„Du immer mit deinem Zeitplan! Wie kann man nur alles im Voraus planen? Wie unspannend! Du solltest mal etwas total spontan tun. Du glaubst gar nicht, was für ein Gefühl von Freiheit das ist. Nimm dir deine Schwester als Beispiel – sie hat spontan entschieden mit ihrem Vater eine CD zu produzieren. Ich habe immer sehr viele spontane Ideen, gerade schwebt mir vor, mich mit dir zu amüsieren.“

‚Noch direkter geht’s nicht, oder? Dräng dich doch auf! Hab ich nicht gesagt, ich habe keine Zeit?’ Er schüttelte den Kopf. „Es sind wichtige Dinge, die lassen sich nicht verschieben. Manche Termine kann man eben nicht verlegen, verstehst du?“ Die Kleine musste endlich mal erwachsen werden, das Leben bestand nicht immer nur aus Spaß.

„Schade!“ Sie verzog das Gesicht zu einer leidvollen Miene, die ihm gleich ein weiteres Seufzen entlockten. Er schlug die Augen nieder.

„Ich muss jetzt – mach’s gut!“ Mit den Worten fuhr er die Scheibe wieder hoch und trat das Gaspedal durch, dass die Reifen nur so quietschten. Sein Sportwagen fuhr in einer knappen Kurve auf die Straße und ganz offensichtlich konnte er nicht schnell genug davonkommen – davon von ihr.

Erneut nahm er sein Handy zur Handy zur Hand, doch trotz Freizeichen wollte niemand antworten, das war ihm noch nie passiert, dass sie nicht ranging…
 

Fiona drehte sich herum, er hatte sie schon wieder einfach so abserviert, das passierte ihr viel zu oft in letzter Zeit.

„Hat dein Schätzchen dich allein gelassen“, kam aus einer Ecke – zynisch, wie sie es nicht selten von der Frau hörte. Mit einem huschenden Blick in die Richtung der Stimme und mit wenig Gefallen darin, stand sie da, einen Moment lang nach einer passenden Antwort suchend. „Hast du uns beobachtet, Kat?“ Es gefiel ihr nicht, wenn man sie ständig so beobachtete, das hatte was von Kontrollzwang.

„Nenn mich nicht Kat, ich bin Cinzano, klar?“ Ihre Stimme klang für einen Moment hart und kalt, kaum zu glauben, dass sie dieselbe Person war, mit der Kimiko gut befreundet gewesen war. Seit ihrem Tod hatte sie fast nur schlechte Laune und ließ die an so ziemlich jedem aus.

„Es ist nicht gerade asthätisch in einem solchen Ton zu sprechen. Wir Frauen müssen immer freundlich klingen, das macht wahre Schönheit aus.“

„Lachhaft!“ Das Püppchen wusste noch nicht, dass ihr das in der Organisation das Genick brechen wurde, sie war wie Futter für die bösen Mädchen. Davon gab es leider viel zu viele, man sollte den Laden mal wieder aufräumen…

„Liebe Cynthiana, du bist wohl darauf aus, einen schnellen Tod zu sterben. Unter uns ticken die Leute anders – wieso wollt ihr das nicht kapieren? Kimi wollte es auch nicht kapieren und ist deswegen tot – willst du auch so enden?“

„Ach ja, Kimi – das hat dich schwer getroffen, nicht wahr? Sie machte allerdings eher den Eindruck ein kleines, hilfloses Mädchen zu sein, als eine Frau. Ich bin ganz anders als sie und werde sicher nicht so enden, ich weiß meine Vorteile als Frau zu nutzen – mach dir da mal keine Gedanken. Ich habe Männer auf meiner Seite.“

Cinzano entfuhr ein Lachen, sie konnte nicht anders. Die wusste ja nicht, wovon sie da redete. „Diese Männer sterben mit dir, wenn sie dir helfen – so was kann verflucht schnell gehen – es gab viele solcher Männer, die Anzahl wurde allerdings mit der Zeit um einiges reduziert.“
 

Der Hilfeschrei ließ bei einigen Menschen die Lichter angehen und neugierige Blicke nach draußen senden. Trotzdem gab es relativ wenige, die es wagten, einzuschreiten. Sie sahen zwar den schwarzhaarigen Mann, der das Kind an sich nahm und die hellbraunhaarige Frau, die es zu verhindern versuchte, aber von einem zweiten Mann - helle, blonde Haare - davon abgehalten wurde. Sogar ein dritter Mann tauchte auf, bedrohte die Frau mit seiner Smith & Wesson. „Das würde ich lassen“, ließ die hohe Stimme ihr zukommen, doch sie stürzte todesmutig nach vorne. Ein weiterer Mann in Schwarz griff sie von hinten und hielt sie nun fest, presste sie gegen seinen Körper. Somit waren es bereits vier Männer in tiefschwarzen Kleidern, die sich mit beiden beschäftigten. Der Geruch von Parfüm stieg der Blaugrünäugigen in die Nase, eines wie sie es bereits seit Jahren kannte. Ihre Augen hatten sich schockiert geweitet. Mit gutem Grund hatte sich der 24-jährige ihr von hinten genähert und hielt ihr den Mund zu. Er wollte kein zu großes Aufsehen, obwohl ihr Schrei sicher nicht ungehört gewesen war. Wieso waren sie eigentlich so zahlreich erschienen? Doch genau, um das zu erreichen – wenig Aufsehen… Trotzdem scheiterten sie. Nur weil dieser Gin mal wieder drauf losstürzte. Und Jami war keinesfalls besser, hielt er der Frau doch echt eine Knarre unter die Nase…

Naru war nur so geschockt, weil sie sein Parfüm kannte. Wie sehr man sich doch in Menschen täuschen konnte. Polizist… Ein Polizist, fiel ihr da nur ein. Auch wenn sie ihn nie hatte leiden können, so viel Korruption hatte sie ihm nicht zugetraut.

„Lasst sie los!“ rief eine weibliche Stimme und stürmte im nächsten Moment sogar auf die Männer zu. Todesmutig wagte sie sich an sie heran, auch wenn sie die Waffe bereits gesehen hatte. Die Rothaarige hatte es bald geschafft und zerrte den Arm des Mannes von Naru weg, wendete ihn und streckte ihn mit einem Schlag direkt in sein Gesicht nieder. „Los, kommt her! Traut euch!“ Die hellblauen Augen funkelten sie gemeingefährlich an, weshalb Jami seine Waffe einsetzte, damit endlich wieder Ruhe herrschte. Er visierte die Brust der Rothaarigen an und drückte ab. Blitzschnell wie es geschah, konnte niemand den Schuss verhindern, der die junge Frau auch traf. Selten verfehlte Jami seine Opfer und auch dieser Schuss saß perfekt…

Naru wollte sie noch davon abhalten, als sie ihre Stimme hörte, doch dann passierte alles viel zu schnell.

Eine Braunhaarige stieg aus einem Wagen, warf dem Kind ein „komm“ zu und entfernte sie vom Spektakel – es war schrecklich, sie sollte es nicht sehen. Nicht sehen die Schmerzen, welche eine junge Frau durch einen Mann erlitt, der skrupellos genug war, jemanden in einer dunklen Gasse zu erschießen. In diesem Viertel wohnten teilweise sehr viele arme Leute, es war alles so unsicher, so etwas hatten die Menschen hier sicher nicht zum ersten Mal erlebt. Kir drückte sie an ihre Brust und flüsterte ihr beruhigende Worte zu. „Alles wird gut, meine Kleine – dir wird nichts geschehen!“ Keinen der Männer würde sie an das Mädchen ranlassen. Die würden sonst was mit ihr anstellen – nun gut, Cognac eher weniger, trotzdem wollte sie sich selbst um sie kümmern… Wozu sonst war sie hier? Wobei Cencibel besser geeignet gewesen wäre – kein Wunder, sie wollten ja Carpano dabei haben und Cencibel war weniger erpressbar als Kir selbst. Und sie war Carpano noch mal ein Stück wichtiger, auch wenn es sich bei beiden nicht viel gab.
 

Sêiichî bekam den Schock für’s Leben, als seine Exfreundin in das Geschehen einfach so eingriff. Bei ihrer Panik vor Männern war das etwas, was ihn wirklich entsetzte. Aber nicht nur das, sondern auch Jamis Schuss, der sie so böse traf, dass er um ihr Leben bangen musste, hatten ihn in Aufruhr versetzt…

Sich in der Situation nichts anmerken zu lassen, war nur bedingt möglich. Beim Anblick des zu Boden gehenden Körpers entwich ihm sämtliche Gesichtsfarbe. Man würde es womöglich darauf schieben, dass es eine Frau war, Jami jedenfalls, aber er konnte sein Entsetzen einfach nicht verbergen. Die Abscheu gegenüber dieser Tat hingegen bemerkte man nicht.



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