Zum Inhalt der Seite

Dakishimete da yo - onegai

抱きしめて だ よ - おねがい
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

The lurking complot

Erst einmal danke für den netten Kommentar zum letzten Teil, Ryolein...

Tut mir Leid, dass du bei Chardonnay so viele Vorstellungen hattest XD ich musste das so schreiben, es hat zu gut gepasst!

Ich finde es schockierend, dass du schockiert davon warst, dass Juu Ken vom Balkon hat werfen wollen *lol* Du sagst einen Satz vorher, dass er durchgeknallt ist und dann wundert dich das noch? Unfassbar wirklich XDDD
 

Und da du ja so danach verlangst: Ja, es gibt neue Steckbriefe, du solltest sie dir reinziehen, bevor du diesen Teil anfängst! Bis auf eine Person sind sie alle IRGENDWO vorhanden!
 

Also Have Fun!

Natürlich auch den anderen...


 


 


 

Es war noch früh am Morgen und der Kommissar war nicht ausgeschlafen, er hatte so gut wie kein Auge zugemacht, wenigstens hatten sich die meisten Unannehmlichkeiten im Präsidium gelegt. Er wurde nicht mehr von seinem Kollegen belästigt und es war im Gespräch, dass er eine Kollegin bekommen würde. In seinem Kopf geisterten die verrücktesten Sachen; wie sie wohl aussah; ob sie eine gut aussehende, vor allem junge Dame war, an der er sich versuchen konnte.

Die Frauen waren hier ja leider sehr rar und an Miwako hätte er sich niemals herangemacht. Es war ein offenes Geheimnis, wohin sie gehörte.

Auf einmal begann das Telefon zu klingeln, er griff sofort nach dem Hörer und hob ab. Es war reine Routine.

„Guten Morgen, Iwamoto – wir bekommen eine neue Polizeipsychologin, wusstest du das?! Sie heißt Yakko Kajiwara und wird heute Nachmittag anfangen. Hallo, Sêiichî? Du sagst ja gar nichts… Was hast du?“

„Ich dachte, ich kriege eine neue Kollegin??“ Er hatte die Füße auf den Tisch gelegt und wippte mit dem Stuhl; es hatte sich seit seiner Schulzeit nichts geändert, er war noch immer wie ein kleiner Junge. „Aber ich bin doch etwas überrascht, es ist nicht ihr Berufszweig – ich meine die Polizei… Was sie wohl in Tokyo will…“ Er stellte sich diese Frage unwiderruflich, ob sie hier wohnen wollte und deswegen auch einen Job bei der Polizei annahm? Es war ihm nicht ganz klar, er hatte seine Exfreundin lange nicht gesehen.

„Sie soll ein heißer Feger sein – was beschwerst du dich? Da lässt du dich doch gerne therapieren… Du kannst ihr ja gleich deinen Kummer anvertrauen…“

Sêiichî schmollte etwas, was der Anrufer jedoch nicht sehen, aber im nächsten Moment doch deutlich hören konnte. „Was soll das heißen?! Ich springe nicht jede gut aussehende Frau an…“

„Nein – du doch nicht, lieber glotzt du dir Bildchen von Chris Vineyard an; die spielt allerdings in einer anderen Liga, was soll sie denn mit einem stinknormalen Polizisten?“

Naoya meinte es ja nicht böse, aber seine Worte trafen ihn – wie oft hatte er sich diese Frage schließlich bereits gestellt?

„Woher willst du wissen, für welche Art von Mann sich diese Frau interessiert? Manchmal reicht schon gutes Aussehen – und ich sehe gut aus, das kannst du kaum widerlegen!“ Man hörte, dass sich Sêiichî sehr viel auf sein gutes Aussehen einbildete, zum Glück wussten die Wenigsten von seinen Narben, die weniger appetitlich aussahen und ihn regelrecht entstellten – fand er jedenfalls. Wie hielt es seine Freundin nur mit so einem Kerl aus? Jedenfalls hatte der Vorfall ihn einiges seines Selbstvertrauens gekostet, es war förmlich von einer unbekannten Macht aufgefressen worden.

„Ich weiß ja, du findest sie unwiderstehlich, Sêiichî, aber es wird kaum einer im Präsidium deiner Meinung sein, für 99 Prozent der Polizisten gibt es nur Miwako Satō.“

„Würdest du sie, wenn du eine Chance hättest, von der Bettkante stoßen?“ kam mit einem fetten Grinsen in Sêiichîs Gesicht, seine Direktheit hatte Naoya schon oft in Verlegenheit gebracht. Und Iwamoto wollte auch immer solche Sachen wissen, er unterhielt sich eben gerne mit seinen Kollegen über Frauen und meistens ging er dabei richtig in Frechheiten über, er hatte doch schon jeden über sein Sexleben versucht auszuquetschen. Was sich manche hier furchtbar quälten – dieser Shiratori zum Beispiel. Seines sah sehr traurig aus, da er sich ja immer nur für Miwako begeistern konnte, für den gab’s einfach keine andere Frau, aber irgendwie konnte Sêiichî ihn auch verstehen. Lange Zeit hatte er keine anderen Frauen beachtet und sich nur für diese eine interessiert… Aber ganz ohne Sexleben…??

„HÖR AUF ZU TRÄUMEN UND MACH DEINE ARBEIT!“

Es wurde aufgelegt und Sêiichî zuckte ein wenig. Mensch, verstand der Mann denn überhaupt keinen Spaß? Konnte man mit ihm denn nicht diese Witzchen machen? Selbst Ryochi verkraftete sie und er war in einigen Sachen anderer Meinung. Naoya wollte sich wohl nicht dazu äußern, was hatte der Typ bloß? Irgendwie war mit ihm was nicht in Ordnung. Hatte er vielleicht ein Frauenproblem?

Als die Tür geöffnet wurde, sendete man gleich ein paar Halbmondaugen zu dem jungen Kriminalisten. Die Kurzhaarige blickte ihn mahnend an, wie ihre Stimme kurz darauf auch klang. „Runter mit deinen Füßen, Iwamoto! Du bist hier nicht zu Hause und im Kindergarten befindest du dich auch nicht, also benimm dich!“ Miwako konnte nicht glauben, dass er 24 Jahre alt war, er benahm sich wie ein kleiner Junge – schon neulich beim Fall hatte er seine nicht vorhandene Reife unter Beweis gestellt.

Wie Naoya ihn wieder abgewimmelt hatte… Unglaublich und nun stänkerte Miwako ihn auch noch an.

„Na komm, sei nicht so zickig, Miwa-chan“, er versuchte es mit einem herzerweichenden Blick. „Ein bisschen Spaß schadet bei unserem Beruf wirklich nicht, schließlich sehen wir fast täglich Leichen…“

„Das ist schön für dich – aber vergiss dabei bitte nicht den ernsten Beruf, den wir da machen, klar?“

So schlimm stand es bisher nicht um ihn, er würde wegen einem Fall doch jede bildhübsche Frau sitzen lassen. Es war eine schöne Nebensache, aber er stellte sie nicht über seinen Beruf. „Keine Sorge, das werde ich schon nicht!“

„Trotzdem tut mir Mitsuki wirklich Leid mit dir als neuen Kollegen – ich hoffe, du weißt dich zu benehmen, sie ist jünger als du, kommt von der Polizeischule und hat noch nicht so viele Erfahrungen, sei nett zu ihr und vermeide es unter ihren Rock zu sehen, das gehört sich nicht! Und fass ihr BITTE nicht an den Hintern.“

Also wirklich – als würden sich die Frauen bei ihm beschweren, weil er so aufdringlich war, das hatte irgendjemand rumgetratscht und nun glaubten es alle Frauen. „Ich fass sie nicht einfach an – nur wenn sie es will!“ Kurz darauf wurde er nachdenklich „Mhm… dann heißt meine neue Kollegin also Mitsuki… Irgendwo habe ich den Namen schon mal gehört“, er murmelte es mehr vor sich hin, als dass er Miwako fragte.

„Bei dir weiß man nie – du sollst ihr was beibringen und nicht mit ihr flirten, bitte halt dich auch daran…“ Sie hörte sich an wie Mama, weshalb Sêiichî nun brav die Füße herunternahm und sie anlächelte. „Wird gemacht, Chef!“ Sie war nun mal seine Vorgesetzte, was ihm unheimlich imponierte. Es wunderte ihn schon, dass der schüchterne Wataru sich diese Frau tatsächlich geangelt hatte. Dass er sich das traute…

Die Tür schlug etwas fester zu, so dass Sêiichî leicht seufzte, die Frau war ein totaler Trampel.
 

Miwako hatte ihre Zeit nicht für Sêiichî alleine reserviert, der kam im Grunde alleine klar, wie die meisten hier, sie machte sich um andere Sachen viel mehr Gedanken. Vor ihrem Büro sah sie Ryochi und Wataru stehen, das traf sich ganz gut. So ganz hatte sich Ryo nicht ausquetschen lassen, als es um Shina ging. Und eine richtige Antwort hatte sie auch nicht bekommen, was aber nicht hieß, dass sie ihn einfach so davon kommen lassen würde. Das, was die beiden besprachen, schien ihr doch sehr geheimnisvoll. Der Typ benahm sich komisch…

„Ich weiß nicht, was ich tun soll! Ich habe die Zeit gar nicht dafür“, meinte Wataru gerade, was seine Freundin Miwako noch aufschnappte und doch etwas neugierig war, was der Kriminalist meinte.

„Wofür hast du keine Zeit?“

Beide Männer sahen ein wenig erschrocken aus. Wataru lief rot an und meinte nur „Nichts…“ und Ryochi hatte wohl auch nicht mit ihr gerechnet, jedenfalls war das Ganze nicht für sie bestimmt, wie es aussah.

„Was vertuscht ihr da?“

Da Wataru ja anscheinend nicht gut darin war anderen etwas vorzumachen, dachte sich Ryochi einfach mal für ihn zu antworten.

„Wir haben ein kleines Problem, bzw. Wataru hat das! Man hat ihm ein Kind angedreht und er weiß nicht, wie er das managen soll“, meinte Ryochi nun ganz locker, er verstand auch nicht, weshalb Wataru nun wieder so rot geworden war, sicherlich war ihm dieses Thema gegenüber Miwako etwas unangenehm, er war eben schüchtern.

„Ach, keine Zeit für ein Kind! Wem sagst du das? Ich hätte auch keine Zeit dafür.“

Miwako hatte auch den Hang dazu, in Fettnäpfchen zu treten und er nahm sich alles zu Herzen, das würde er sicher wieder auf ihre Beziehung beziehen. ‚Sag Wataru doch nicht so was, der macht sich nur wieder unnötige Gedanken darüber und die ganzen Fragen, die in ihm aufkommen, würde er nur wieder verschweigen…’

Der Detektiv sah es schon, er musste nur in das Gesicht des Mannes sehen und er wusste Bescheid. „Vielleicht solltest du die Kleine in eine Einrichtung bringen. So wie es aussieht hat hier keiner wirklich Zeit sich um ein kleines Kind zu kümmern. Oder frag doch mal Riina. Sie hat viel Freiraum, immerhin muss sie nicht täglich zur Uni gehen.“

„Kommt ja überhaupt nicht in Frage, Ryochi“, widersprach Wataru ihm, allein der Gedanke gruselte ihn. „Am Ende kommt sie noch auf schwachsinnige Ideen!“

„Andere Brüder sind froh, wenn ihre Geschwister an so etwas denken, nur du wieder nicht.“

„Riina und Männer, das geht nicht gut… das ist bisher immer schief gegangen. Und Kinderwünsche kann sie jetzt echt nicht gebrauchen. Sie hatte keine schöne Kindheit, sie ist zu labil, um sich an einen Mann richtig fest zu binden und sie ist doch noch so jung – sie sollte damit noch ganz lange warten.“

„Ich würde ihr raten, erst einmal Karriere zu machen, alles andere ist nichts Halbes aber auch nichts Ganzes. Man sollte nicht zu früh an Kinder denken, das bereut man nur.“

Am liebsten hätte Ryochi der jungen Frau den Mund zugehalten, was da wieder herauskam, unglaublich. Es war so leicht miss zu verstehen…

„Du bist 25, Miwako Satō, du solltest am wenigsten so was sagen, außerdem hast du mehr Erfolg, als so manche andere Frau in deinem Alter.“ Ryo schüttelte nur den Kopf, während Miwako Wataru wohl weiterhin schockieren wollte.

„Und ich plane auch nicht das aufzugeben!“ Sie war eben nicht so erpicht darauf, ein Kind zu bekommen und als Hausmütterchen zu enden, wie es ihre Mutter gerne hätte. „Egal, was meine Mutter dazu auch sagt! Die Zeiten, in denen Frauen an den Herd gehörten, sind längst vorbei! Es soll auch Frauen geben, die haben anderes im Sinn.“

„Es gibt auch Männer, die sehen das ein wenig anders, liebe Miwako, für die bist du dann unmöglich“, er fand ihr Verhalten gerade unmöglich, sie redete von Dingen, die sie eigentlich selbst nicht kannte, sie biss sich an ihrem Beruf fest. Es war ihm ja klar, dass sie um nichts in der Welt ihre Position aufgeben wollte, aber leider kam Wataru dabei nicht ganz so gut weg. Was war er für sie? Eine nette Sache nebenher? Jedenfalls gab sie ihm das Gefühl, da war er sicher.

„Zu Shina würdest du das nur einmal sagen, sei froh, dass nur ich es bin“, gab Ryochi zurück, ihm tat Wataru irgendwie Leid, aber wenn er auch nie den Mund aufmachte, konnte das ja nichts werden. Seine Verlobte hätte es nicht sehr lustig gefunden, dass Miwako so etwas vor ihrem besten Freund äußerte.

„Ich fürchte, ich kann heute Abend nicht“, hörte man Wataru dazwischen sagen. „Lass uns das Ganze abblasen. Es ist ja auch nicht so wichtig, dass ich deine Mutter kennen lerne“, er drehte sich herum und wollte nicht wirklich, dass sie eine Möglichkeit bekam, ihm danach in die Augen zu sehen.

‚Na toll, das hast du nun davon, Miwako – jetzt fängt er so an.’

Als er davon ging, bemerkte auch die Kriminalistin, dass er es sich wohl zu Herzen genommen hatte, was sie unwillkürlich zu einem Seufzen brachte. „Warum muss er das darauf beziehen? Und was hat bitteschön Shina damit zu tun, sie wäre ohnehin nicht so begeistert von uns, da bin ich sicher! Ich frage mich sowieso, wo sie sich herumtreibt – wahrscheinlich weißt du es selbst nicht – diese Frau ist so unmöglich. Haut einfach ab, lässt ihren Verlobten hier versauern und meldet sich nicht einmal…“ Nun drehte sich Miwako ebenfalls herum, Ryochi fand es nicht nett, dass sie sich damit nun so aus der Affäre zog, es war noch nicht einmal das, sie trat die Flucht nach vorne an. Dass Shina nicht begeistert wäre, war ein Gerücht. Sie hatte doch als erstes gewusst, wie es in Wataru bezüglich Miwako aussah. Sie wäre nur nicht angetan davon, dass sie ihrem besten Freund wehtat mit ihrem Verhalten.

Wataru klopfte gegen Naoyas Tür an und wurde wenig später hereingebeten, sofort kam dem 28-jährigen ein Seufzen entgegen. „Sieht schlecht aus, ich kann nicht auf die Tochter deines Cousins aufpassen! Du wirst Yumi woanders hingeben müssen. Mir fällt auf die Schnelle auch keiner ein…“

„Trotzdem danke für deine Mühe, ich kann hier leider nicht weg – manche Leute denken zu wenig nach, wenn sie einem etwas andrehen. Zu denen gehöre auch ich. Mir fällt nur Naru ein, das würde sie auch von dem Stress, den sie momentan hat, ablenken, allerdings könnte es sie genauso gut deprimieren, immerhin ist ihr Freund ein Schwachkopf in Frauendingen. Er merkt’s nicht mal, wenn er sie deswegen vor den Kopf stößt. Kannst du nicht Riina fragen? Sie hat viel Zeit und wird nicht deprimieren, wenn sie sich um ein Kind kümmert, oder etwa nicht?“

„Du kannst doch nicht ernsthaft darüber nachdenken, ein Kind auf ein Kind aufpassen zu lassen!“ warf Wataru energisch ein, er sah in seiner Schwester eben noch ein Kind.

„Ach, komm mir nicht so! Sie ist 21… Also schon das zweite Jahr volljährig.“ Er verstand ihn einfach nicht, für Naoya war Riina kein kleines Mädchen.

„Ach, lass doch Mai auf sie aufpassen, immerhin hast du mit ihr ein Kind… Lass Riina da raus, sie hat NICHTS mit Kindern am Hut und jetzt Schluss damit!“ Wataru war kein Typ, der schnell sauer wurde, aber dass alle seiner Schwester ein Kind andrehen wollten, machte ihn gerade sauer, weshalb er das Büro sehr energisch wieder verließ, indem er die Tür zuknallte, was ihm selten passierte.

Gerade in dem Moment begegnete ihm Chiba. „Ich frage besser nicht, was dich so aufregt! Machst du dir immer noch Sorgen um deine Schwester? Ich will dich echt nicht angreifen, aber findest du nicht, dass du es allmählich übertreibst? Warum versuchst du so vehement anderen klar zu machen, dass sie noch ein Kind ist? Sie sieht überhaupt nicht wie ein Kind aus und sie benimmt sich auch eigentlich nicht so – was also soll das alles?“

„Sie soll nur nicht wieder auf die Idee kommen, sich einen Mann anzulachen, du weißt ja nicht, was sie mit Männern alles erlebt hat – der Mann, der sich an sie ranmacht, kann was erleben! Ich werde so was nie wieder zu lassen! Männer tun ihr nicht gut! Zumindest nicht solche, wie sie bisher immer mit nach Hause brachte.“

Chiba verstand ihn nicht, er biss sich daran fest, und er wusste noch immer nicht warum. „Liebe heißt eben auch mal Schmerz, das weißt du so gut wie ich, Takagi! Du kannst deiner Schwester doch nicht verbieten, sich zu verlieben – wie würdest du es finden, wenn dir deine Schwester verbieten würde, Miwako zu lieben?“

„Das ist etwas völlig anderes, Riina ist ein Mädchen, ein sehr verletzbares Mädchen! Und sie neigt dazu, sich mit den falschen Männern einzulassen. Männer, die sie nur ins Bett kriegen wollen! Und ich fürchte ihr Kinderwunsch könnte sie dazu hinreißen, es zuzulassen…“ Es schüttelte ihn, so etwas sollte man gut planen und wissen, mit wem man sich einließ, leider war seine Schwester zu naiv, um zu erkennen, wenn ein Mann nur auf das Eine aus war. Sie würde so wie seine arme Mutter enden, mit einem Mann, der sie nur für Sex haben wollte, dem seine Kinder aber nicht wichtig waren… Leider hatte er viel zu viele davon…
 

Ein wenig enttäuscht war Sêiichî ja schon, als sich die neue Polizeipsychologin als 44-jährige Dame herausstellte. Sie sah auch ihrem Alter entsprechend aus, nicht so wie einige andere Frauen, die er kannte. Jedenfalls war sie nicht sein Fall und er unterhielt sich nur ganz kurz mit ihr, bevor er sich wieder ins Büro verkrümelte, wo eine junge Frau bereits seine Akten sortierte. „So ein unordentlicher Mensch, ich kann es nicht glauben – es wird Zeit, dass hier mal eine Frau rankommt“, meinte sie, ohne den jungen Mann in der Tür zu bemerken.

„Da kann ich ja froh sein“, kam mit einem Grinsen in der Stimme von ihm, was sie erschrocken zusammen fahren und sich herum drehen ließ.

„Oh entschuldigen Sie, ich wollte nicht über Sie herziehen, Herr Iwamoto!“ Es war ihr unsagbar peinlich, dass er sie gehört hatte.

In diesem Moment fiel Sêiichî die Kaffeetasse buchstäblich aus der Hand und ging klirrend zu Boden, als er in ihr Gesicht sah.

Die Überraschungen an diesem Tag setzten ihm wirklich zu. Erst war Yakko nicht die neue Psychologin – warum auch immer – und dann das hier. Diese Erscheinung, er hielt sie für eine. Aber jetzt wusste er auch, was Jamie im Krankenhaus gemeint hatte, als er sagte:
 

„Such Mitsuki Ikezawa... Valpolicella – hat – leider – rausbekommen, dass ich nachgeforscht – hatte. Wenn du sie siehst – wirst du gleich – klarer sehen...“

Das verwirrende Zeug, das Jamie von sich gegeben hatte, hatte für Sêiichî keinen

Sinn gemacht. „Sie verhält sich... merkwürdig...“ Sêiichî hatte noch nachhaken wollen, was Jamie damit gemeint hatte, doch hatte er keine Antwort mehr bekommen, er war eingeschlafen.
 

Zwar wusste er nicht im Geringsten, was genau sein Onkel herausgefunden hatte, aber es stimmte, jetzt da diese Frau vor ihm stand, war ihm so einiges klar. Warum Jamie erst von Kimiko und dann von Mitsuki gesprochen hatte, machte plötzlich Sinn.

Diese Person, die ihm einerseits vertraut erschien, aber doch so unbekannt – wieso tauchte sie ausgerechnet jetzt hier auf? Bei der Polizei. Aus irgendeinem Grund machte ihm das alles ziemliche Angst. Sie bei der Polizei und Ärger mit Valpolicella, das war ein schlechtes Omen…

„Nicht schlimm; ich weiß selbst, dass ich hier mehr Unordnung reinbringe, als etwas anderes!“ Er musste sich erst wieder einkriegen, es war verrückt. Er hätte schwören können, dass es Kimiko war, nur die Haare waren kurz, aber die hatten sie obduziert. Irgendwie fühlte es sich an, als wäre er ihrer verstorbenen Seele begegnet, als würde ihr Geist vor ihm stehen. Gruselig, wenn er so darüber nachdachte. Sicher gab es eine plausible Erklärung dafür.

„Weißt du, dass du aussiehst wie die Schwester meines Kollegen? Sie ist vor kurzem an den Klippen ums Leben gekommen, tragische Geschichte…“ Er wollte nur ganz langsam darauf kommen, aber direkt fragen, wer sie war, das traute er sich nicht, obwohl er sonst sich nie davor fürchtete, solche Fragen zu stellen.

„Ja, leider…“ Glücklich schien die Betreffende darüber ja nicht zu sein, wie ihre Worte klangen.

„Was soll das denn heißen?!“ Dass Sêiichî ein bisschen empört darüber war, war ganz deutlich zu vernehmen.

„Weil es nervt! Ständig reden dich irgendwelche Leute an und halten dich für deine Schwester! Warum muss meine Schwester ausgerechnet eine Prominente sein? Als hätte ich nicht genug davon? Ich habe zwei Geschwister, die beide ebenfalls in der Musikbranche tätig sind, das ist nervig genug. Irgendwie scheine ich nicht so ganz dahin zu gehören. Als hätte man die Falsche von uns weggegeben.“

Es entsetzte ihn, was sie sagte. Dann war sie also ihre Zwillingsschwester und man hatte sie nach ihrer Geburt getrennt. Wie konnte man nur ein Zwillingspaar trennen? Er verstand es nicht.

„Du wirst lachen, aber Kimiko hätte dir wahrscheinlich Recht gegeben. Sie fühlte sich von ihrer Familie vor den Kopf gestoßen, was daran lag, dass sie aus einer Polizeifamilie kommt und ihre Eltern gerne eine Anwältin aus ihr gemacht hätten…“

„Du musst mir das nicht erzählen, ich kenne die Geschichte schon! Mein Bruder und meine Schwester haben wohl Ähnliches durchmachen müssen, unser Vater ist nämlich auch Anwalt und seine Frau eine ehemalige Polizeipsychologin…“ Noch während sie die Akten im Aktenschrank verstaute, redete sie mit ihm. Selbst von hinten sahen sie identisch aus, es gruselte ihn der Gedanke daran, wenn es da draußen am Ende einen zweiten Sêiichî gäbe.
 

Conan wollte sich wieder verflüchtigen, wurde aber auf dem Flur von Ran aufgegriffen.

„Wo willst du schon wieder hin?!“

Er fühlte sich kontrolliert, aber da er nun ein Kind war, musste er sich damit abfinden, dass man ihn eben auf ihn aufpassen musste.

„Ich wollte zu Professor Agasa, Haibara besuchen.“

Es war nicht einmal gelogen, genau das hatte er gerade vorgehabt.

„Das ist schön, dass du gute Freunde hast, aber ich wollte dich da mal etwas fragen.“

„Was denn?“ Er schaute sie mit seinen blauen, treudoofen Augen an, was sie einfach lächeln ließ.

„Als du bei den Kudōs warst, hat Shinichi da mal von einer Aiko Misae gesprochen?“

Etwas verblüfft darüber, dass Ran so etwas wissen wollte, war er ja schon, aber er wüsste nicht, weshalb er ihr nicht ehrlich antworten sollte. „Was genau willst du über Shinichis Cousine wissen?“ fragte er direkt und gab Preis zu wissen, um wen es sich handelte.

„Glaubst du, dass er sie mag?“

Die Frage war eigentlich zum Lachen. Momentan hatte er ein ziemliches Problem damit, diese Person zu mögen. „Ich weiß nicht, weshalb du das fragst, aber wenn du glaubst, er mag sie mehr, als dich, dann glaubst du falsch! Mir ist eher so, dass er sie versucht zu meiden, wo es geht. Sie ist bei den Kudōs nicht so beliebt, weißt du, Ran. Yukiko-san mag sie auch nicht sonderlich.“ Was eigentlich ironisch war, da sie so jemanden wie Sharon Vineyard mochte, so empfand jedenfalls ihr Sohn.

„Sie hat eine grausame Ausstrahlung, ich habe sie nämlich getroffen – Sonoko und Katsumi sind öfter mit ihr unterwegs. Katsumi hat sie wohl durch eine Freundin kennen gelernt! Aber als ich diese Frau das erste Mal sah, war sie mir schon nicht geheuer und dann wollen sie noch zu so einem Konzert gehen. Dem Sänger der Band sagt man Drogenkonsum nach; das scheint die Mädchen nicht zu jucken. Sonoko wollte auch, dass ich mitgehe, aber ich habe abgelehnt, worum ich auch irgendwie froh bin. Ich mache mir doch ziemliche Sorgen um Sonoko…“ Sie beugte sich ein wenig zu ihm runter, um ihm in die Augen zu sehen. „Meinst du, dass das übertrieben ist?“

In Sachen Aiko war er sich wirklich nicht sicher. Übertrieben war es bestimmt nicht. „Der Sänger soll Drogen nehmen? Wenn das stimmt, dann ist es sehr vernünftig, die Finger davon zu lassen, das würde auch Shinichi sagen!“

Er klang selbstsicher, als könnte er in Shinichis Kopf sehen, aber er hatte wohl auch Recht. So gut kannte sie ihn auch.

Sie lief eine Weile neben ihm her und erzählte ihm so viele Sachen, unwichtige Dinge, er hörte nur halb zu, doch dann…

„Eines jedoch ist mir aufgefallen… Und zwar, dass dieser Juu genauso ist, wie man uns erzählte! Ein Rüpel, der Kimiko die ganze Zeit nachstellte und sie demütigte. Vielleicht war er es auch, der zur Presse gegangen ist, um sie in den Schmutz zu ziehen.“

„Was hast du da gesagt, Ran?“

„Nur eine Vermutung“, sie lächelte, konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich diese Beiden echt gut verstanden hatten.

„Nein! Das mein ich nicht! Sie gehen zu einem Konzert und der Sänger ist wer? Juu? Ach du dickes Ei!“ Er würde Sonoko ja so was von ausquetschen.

„Ja, genau der – schon komisch, ausgerechnet zu dem, der sie so belästigt hat.“

„Beruhig dich bitte, Ran, dich darüber aufzuregen, bringt nichts.“ Ihm fiel nur gerade ironischer Weise auf, dass sie dem Typen noch überhaupt nicht auf die Pelle gerückt waren, er musste noch mal mit Ryochi telefonieren, er hatte sich so lange nicht gemeldet, aber zuerst wollte er mit Sherry über Kenichi und Katori sprechen, das interessierte ihn gerade mehr.
 

Gegen Mittag tauchte eine schwarzhaarige Frau bei Syrah auf, sie wollte sie erst nicht reinlassen, da ihr bekannt war, dass sich ihre Mutter um sie kümmerte. Es war wie eifersüchtig auf ein Rudelmitglied zu sein; sie sah eine Gefahr in der Frau, schließlich hatte sie ebenfalls von Vermouth gelernt. Es reichte, wenn sie gut war, sie musste nicht jeder daher gelaufenen Kuh so was beibringen, so jedenfalls Syrahs Meinung. Und sie kam mit Sicherheit nur her, um sich bei dieser einzuschleimen.

„Was willst du schon wieder hier? Ist dir dein Spielzeug abhanden gekommen?!“ Es war eine überflüssige Frage, deren Antwort sie bereits kannte. Aber es fiel ihr nicht ein, freundlich zu dieser nutzlosen Frau zu sein.

„Warum so unhöflich, Syrah? Du bist ja schlimmer, als jede Diva!“ Sie warf die Haare nach hinten, was sie sehr an Vermouth erinnerte – wollte die sie jetzt etwa auch imitieren? Das würde sie nur einmal wagen, dann würde sie der Spitzpfeil von Syrah treffen, der zufällig immer mit Gift getränkt war. „Kannst du nicht bei Baileys nerven? Ich glaube, zu der passt du besser!“

„Willst du mich ärgern?“ Es kam so temperamentvoll geflogen wie eine Metallstange jemandem den Kopf zertrümmern konnte.

„Oh je“, ertönte es von weiter hinten. „Syrah und Shiraz können sich nicht leiden; das ist eigentlich Ironie, ihr Zwei“, ein wenig frohlockend klang es ja schon. Vermouth machte sich eben gerne lustig und die beiden waren sich im Grunde so ähnlich, sogar vom Codenamen und dann gifteten sie sich so an. „Ich will keine Leichen im Flur, Syrah, also halt dich etwas zurück, das gilt auch für dich, Shiraz!“

„Ich war ganz friedlich, sie hat angefangen.“

„Komm erstmal rein, ich denke, das was du willst, ist wichtig für uns!“

MUTTER!“ fluchte Syrah Vermouth entgegen wie ein Kind einer Mutter ihr „Menno!“ entgegen werfen würde, wenn sie etwas unfair fand.

„Passt dir was nicht?! Es steht dir nicht zu, meine KOLLEGEN so anzufauchen, wir sind hier nicht im Zoo und du bist kein Tier, also benimm dich dementsprechend!“ Wenn Vermouth von Kollegen sprach, meinte sie eigentlich Handlanger, was Syrah nun doch fadenscheinig grinsen ließ.

Mit einem „Verstehe“ ließ sie beide links liegen und verschwand in Richtung Keller.

Der Shiraz-Wein war in der Regel süßer und reifer und der Geschmack sollte einen an Schokolade erinnern, Syrah hingegen war alles andere als süß; trotzdem handelte es sich um den gleichen Ursprungsstoff, der nur anders weiterverarbeitet wurde, was Vermouth so amüsierte, da beide sich nicht riechen konnten.

„Also, was willst du?!“ Kurz und bündig, Vermouth machte sich nicht die Mühe viel mit ihr zu reden.

„Ich weiß, wer Hiroya Tokorozawas Freunde sind“, kam von der Frau mit den langen schwarzen Haaren mit einem Kichern wie von einem Kind; wie gesagt süß wie Schokolade, sie war ja auch nur 1,59 m groß. Doch der Schein trog…

„Lass mich raten, das verrätst du mir ganz uneigennützig, nicht wahr?“ Vermouth zog an ihrer Zigarette, sie glaubte dieser kleinen, besserwisserischen Kuh nicht, dass sie einfach so vorbei kam und liebes Kind spielte.

„Ich kenne sogar seine Flamme“, nun kam ein grausamer Ausdruck in ihrem Gesicht auf, was Vermouth sofort den wahren Grund verriet. So sahen nur die Augen einer rachsüchtigen Frau aus, davon konnte sie ein Lied singen.

„Sie ist dir ein Dorn im Auge, sie soll weg?!“

„Naru Machida – allein stehend, keine Familie, ein leichtes Spiel, Vermouth!“

„Kann es sein, dass du Tokorozawa nachstellst?“ Solche Fragen endeten meist in einer Erpressung, wenn man Vermouth kannte, und Syrah stand schon die ganze Zeit hinter der Tür, um beide zu belauschen, sie wollte alles wissen, so war es am besten. Wenn sie gut Bescheid wusste, konnte sie endlich etwas gegen diese aufdringliche Person tun, die ihrer Mutter doch nur am Rockzipfel hing, um sie auszuhorchen und zwar gegen ihre Feinde.

Syrah war ganz skeptisch gegenüber dieser Frau, noch dazu missbrauchte man ihren Namen, um sie zu betiteln. Sie war ihr Abklatsch und tat einen auf Vermouths Tochter, das war einfach zu viel. Wie konnte sie es wagen?

„Nachstellen ist aber kein schönes Wort; ich würde eher sagen, ich unterstütze die Idee vom Boss!“

So konnte man es natürlich auch ausdrücken, sie war dagegen, dass man ihn tötete, da sollte sie aber aufpassen, Jami konnte sie ohnehin nicht sonderlich leiden, da nicht er sie in die Organisation eingeführt hatte, aber es gab auch noch andere Gründe. Sie sollte besser vorsichtig sein, wenn er sie erkannte, hatte sie ein großes Problem, mit Sicherheit wusste Jami dann sofort von ihrer Gunst, die sie Hiroya entgegen brachte. Da brachte ihr ihre Weiblichkeit auch nichts mehr.

„Was tust du, wenn ich die Idee vom Boss als schwachsinnig empfinde?“ Vermouth schickte ihr einen gemeinen Blick, sie war nicht immer nett zu ihr, obwohl sie Freunde ganz gut gebrauchen könnte, viele davon hatte sie nun wirklich nicht. Sie verscherzte es sich eben gerne bei anderen…

„Du doch nicht! Mich kannst du nicht hinters Licht führen“ – was ein Grund für Syrah wäre, sie auf der Stelle von Teran umbringen zu lassen – „ich weiß, wonach du geierst, Süße! Einen Pakt mit dem Teufel würdest du eingehen, um diese Organisation zu stürzen. Meinst du, ich bin so blöd wie alle anderen? Du bist mit einem Bullen zusammen, alleine diese Tatsache ist Verrat, den der Boss keinem verzeihen würde.“

Spätestens nach diesen Worten wusste ihre Tochter, dass sie richtig lag. Shiraz wusste, dass Vermouth schon lange die Schnauze voll von der Organisation hatte und alles dafür getan hätte, um es zu beenden. Dass sie für ihren persönlichen Erfolg über Leichen ging.

„Dass du ihn LIEBST - oh Gott nein - das glaube ich nicht, du benutzt Cognac! Und er fällt drauf rein, weil er dumm ist!“

Das ging niemals gut, was sie sagte, war ungeheuerlich. Aber wie würde es aussehen, wenn sie ihr nun eine pfefferte, weil sie Cognac als dumm hinstellte. Er war nicht dumm, alles andere als das, man traute ihm nur aus unbekannten Gründen oft zu wenig zu. Wäre er dumm, hätten ihm seine vielen Freunde auch nichts genutzt. Aber Sêiichî hatte es mehr nötig Freunde in der Organisation zu haben, als sie. Sie hatte das Glück, dass es ihren Hassern verboten war, sie zu töten, bei Sêiichî sah es anders aus. Der Großteil von Pinots Freunden waren Anhänger von Chardonnay und Pinot nutzte es schamlos aus, dass Chardonnay sein Vater war. Er benutzte dessen Killer, um seinem Halbbruder zu schaden. Es war traurig, aber eigentlich hatte er ihr vollstes Mitgefühl, weshalb sie allergisch reagierte, wenn man über ihn herzog. Sie war in dem Punkt sehr nachtragend, was auch Shiraz zu spüren bekommen würde, jedenfalls war sie in ihrer Gunst gerade tief gefallen.

„Wir kommen vom Thema ab, mein Schätzchen! Tell me everything about Tokorozawas girlfriend and then leave this place”, zischte Vermouth doch etwas ungehalten. Diese dumme Pute kannte Cognac ja gar nicht; wie konnte sie da so von ihm sprechen?

„Ich bin Japanerin, also sprich bitte Japanisch mit mir!“ Es nervte sie, wenn Vermouth damit anfing. Sie hatte zwar auch in Amerika gewohnt, aber den Großteil ihres Lebens in Japan verbracht, weshalb sie sich als Japanerin ansah, aber selten den Anschein machte, eine zu sein, sie benahm sich viel mehr wie jemand, der im Westen zuhause war.

„Sind wir etwas empfindlich? Also! Was hast du mir zu sagen? Ich habe nicht ewig Zeit, ich habe auch zu tun, akzeptier das!“

„Sie wohnt in Shinjuku, mit ihm.“ Man hörte, dass es ihr nicht gefiel, ihn bei einer anderen Frau zu wissen. „Sie arbeitet mit Kindern zusammen, sie bringt ihnen das Schwimmen bei. Außerdem ist sie auch Rettungsschwimmerin. Im Schwimmverein wird man fündig. Jeder kennt sie, jeder mag sie… widerlich.“

„Und sie hat außer ihm niemanden?“ Wenn sie sie benutzten, dann war es wenigstens nicht zu grauenvoll für andere.

„Nicht mehr als ein paar Freunde.“

„Haben die Namen?“

Ein kleines bisschen kam die 29-jährige ins Straucheln, als man sie fragte, sie musste nachdenken. „Also sie war mal mit Shina Kudō befreundet und auch mit Ryochi Akaja. Außerdem ist sie sehr oft mit ihrer Freundin Riina Takagi zusammen, deren Bruder bei der Polizei von Tokyo arbeitet. Ich glaube, das war alles Wichtige.“

„Du glaubst?“ Mit dem bloßen Glauben schien sich Vermouth nicht zufrieden zu geben. Dass die Person mit Shina und Ryochi befreundet war, machte ihr ein wenig Bauchschmerzen und Carpano würde es sicher auch weniger gefallen, würde er darin verwickelt werden. „Ich denke, ich werde mich selbst noch mal darum kümmern.“ Sie wollte es keiner ihrer Schülerinnen überlassen, da mussten Profis ran, auch wenn die Kleine Talent als Schnüfflerin hatte. Doch sie selbst hingegen war eine perfekte Schauspielerin. Sie hatte eben das Doppelte an Erfahrung und war doch auch viel reifer, obwohl sie in Wirklichkeit gerade nur ein Jahr älter als sie war.
 

Es war still – fast gespenstig, das einzig Hörbare waren die Stimmen einer Frau und eines Mannes. Sie schien sich gerade sehr über jemanden auszulassen…

„Ach, der Boss hat ihr immer wieder Pillchen gegeben, sie musste ja so überschnappen“, hörte man die sanfte Stimme einer jungen Frau ironischer Weise lästern. Es war jedoch kein Böswilliges über jemanden Herziehen, sondern schlichtweg die Wahrheit, welche bisher nie ihren Mund verlassen hatte.

„Das ist nicht nett, so was über jemanden zu sagen!“

In der Tiefgarage war es dunkel und die beiden fühlten sich unbeobachtet. „Das kann nur ein Kerl sagen, ihr Kerle seid alle total hinter dieser Frau her! Warum? Weil sie oben herum etwas mehr hat? Das ist doch lächerlich“, die Dunkelhaarige winkte ab und gab einen abfälligen Laut von sich. Diese ganze "Hinter-den-Titten-einer-Frau-her"-Hechelei fand sie einfach zum schießen. „Es tut mir echt Leid um den guten Helios, der schließlich einer der Wenigen ist, die nicht auf Vermouths falschen Charme reinfallen! Er würde sie auch nicht anspringen, wenn sie die einzige Frau auf Erden wäre, endlich mal ein Mann mit Niveau und Klasse!“ Sie lächelte, anscheinend hatte es ihr dieser Mann bereits angetan, was ihren Kollegen nun jedoch mit gespitzten Ohren lauschen ließ.

„Helios, aha?!“ Er spielte mit seinem Feuerzeug, welches in Abständen knackte. „Carpano nicht zu vergessen. Ich frage mich nur, wie die beiden an Cognac geraten sind, vielleicht erweckt er den Anschein, dass sie ihn beschützen müssen – alles Aasgeier, die dem armen Cognac ans Leder wollen, dabei ist der doch weitaus weniger interessant, nicht wahr?“ Ein wenig wollte der junge Mann seine Kollegin triezen, was auch wunderbar zu funktionieren schien, wie ihre darauf folgenden Worte verrieten.

„Bleib weg mit dem! Er ist das Schlimmste, was innerhalb der Organisation herumläuft, nur Jami ist schlimmer – das ist aber auch der Einzige, der das noch übertrifft. Den kann man gleich mit diesem Teran in einen Topf werfen.“ Anscheinend hatte sie keine gute Meinung von Männern, so wie sie redete, was ihn aber auch nicht mehr wunderte. „Und Caprino… Ist der etwa auch niveaulos, deiner Meinung nach?“

„Hat auch eine Frau betrogen, dafür gibt es keine Entschuldigung…“

„So wie die Kerle, die du deswegen umgelegt hast?“

Ein dunkles Lachen kam von der Dunkelhaarigen, ihre Augen blitzten im Dunkeln auf. „Alles Schandflecke, die man beseitigen sollte, aber als erstes werde ich mich mal an Cognac versuchen – er ist ja so arm dran mit seiner Vermouth; ich glaube mir wird schlecht, wie ich diese Art von Mann hasse, da werde ich immer richtig ausfallend!“ Sie rammte ihr Messer in den Kunststoff des Autos, weshalb der Mann die Augen aufriss. „Was soll das? Verunstalte gefälligst dein eigenes Auto!“ Er strich besorgt über die schwarze Ebene, welche nun einen hellen Kratzer hatte.

„Unglaublich… Und das wegen so einem Kerl!“

„Ach, sei doch ruhig! Du würdest Jami doch auch sofort von hinten erstechen, sobald sich eine Gelegenheit bietet, immerhin hat er deine Schwester auf dem Gewissen, das Aas!“ Sie knurrte gefährlich auf; wenn sie jemanden nicht abkonnte, dann Jami, aber die obere Schicht war ja generell ziemlich durchgeknallt. Valpolicella mit ihren Ausrastern und Mérille, diese Psychopathin allen voran.

„Jami und Valpolicella - man sollte sie miteinander verkuppeln“, lachte der Mann, „stell dir mal vor, die hätten Kinder, urg!“ Die Vorstellung war wirklich nicht sehr appetitlich. Was Jami mit Kerlen anstellte, machte Valpolicella mit Vorliebe bei Frauen, besonders wenn Carpano in irgendeiner Weise mit ihnen zu tun hatte. Sie war einfach verabscheuungswürdig.

„In deinem Alter schon so lebensmüde? Du träumst davon, in die Nähe dieser Frau zu kommen“, erwiderte sie ruhig und gelassen, „nur Wahnsinnige würden das versuchen.“

Obwohl sie Männer nicht ausstehen konnte – dem ersten Anschein nach – würde sie es sehr bedauern ihn schon als Kollegen zu verlieren.

„Was hältst du davon, Süße – wir stürzen gemeinsam die von oben?“

„Hast du keinen Lebenssinn, oder was für Probleme hast du?!“ Er sollte damit keine Scherze machen, es war nicht witzig.

„Hast du Angst vor der rotblonden Hexe?“ Er glaubte nicht, dass eine Frau ihr Angst einjagen konnte.

„Die ist schlimmer als jeder Mann sein könnte! Ich halte sie nicht für eine Frau, sie ist mehr so etwas wie ein Parasit, der sich an der Macht unseres Bosses nährt! Und solange er ihr seine Macht gibt, wird sie immer die besseren Karten haben; von ihren Schießkünsten sprechen wir besser nicht! Aber eine, die würde sie auch besiegen können…“ Sie wusste jedoch aus sicherer Quelle, dass sie sicher nicht dafür zu gewinnen war, Valpolicella in die ewigen Jagdgründe zu bringen. Dafür war diese Frau zu liebenswürdig. „Man möchte meinen, dass sie eine Heidenwut haben sollte, immerhin mag sie Helios.“ Es herrschte nun urplötzlich Stille, obwohl sie sich so angeregt unterhalten hatten. Der Mann machte einen nachdenklichen, aber auch leicht deprimierten Eindruck.

Es klopfte, was ihn hochfahren ließ und aus seinen Gedanken riss, sie jedoch blieb weiterhin ruhig und ließ die Scheibe runter, woraufhin sie einen jungen Mann mit eisblauen Augen ausmachte.

„Ach herrje – musst du nicht schon ins Bett?!“ meinte sie zu dem Jüngling, was dieser ihr krumm nahm, weshalb sich seine Mundwinkel nach unten verzogen, sie allerdings zu einem kleinen Kichern führte. Der Schmollmund war unbezahlbar. „Komm schon, Kleiner, war doch nur Spaß… Bald hast du es ja geschafft.“

„Was zum Henker macht ihr hier?? Ihr seid schwerer zu hüten wie ein Sack Flöhe, furchtbar mit euch! Was soll ich denn Jami sagen? Der killt euch, wenn er davon erfährt!“

„Mit welchem Grund? Dass wir Kaffeekränzchen halten? Die Nacht ist noch jung, entspann dich, mein Kleiner!“ Sie legte die Arme auf der Scheibe ab und strahlte ihn mit dem nettesten Lächeln an. „Macht dich der Vollmond schon so nervös? Oder ist es Cinzano?!“

„Cinzano?“ Er guckte die Dunkelhaarige mit einem unschuldigen Blick an.

„Meinen Witz versteht er nicht, Palomino“, seufzte sie enttäuscht.

Der Junge fand es nicht witzig, dass sie ihn veralberten, denn eigentlich stand er über ihnen; was musste die das ja ärgern, er war viel jünger, na ja zumindest mehr als die Frau.

Obwohl sie ihn ständig ärgerten, konnte er sie wohl seine Freunde nennen – jeder tat sich irgendwo mit Leuten zusammen, und wenn sie ein wenig irre waren. Auf ganz normale Menschen konnte man in der Organisation nicht hoffen und man ging bekanntermaßen auch einen Pakt mit dem Teufel ein, wenn es einem etwas brachte – so in etwa würde er seine Freundschaft zu ihnen erklären. Selbst Carpano und Helios waren nicht normal geblieben, dabei hatten sie einen guten Kern in sich.

„Chasselas meint es nicht so – ihr ist bloß langweilig“, er zündete sich mit seinem Luxus-Feuerzeug, das kunstvoll verziert war und in Gold glänzte, eine Zigarre an, weshalb der rotbraunhaarige Junge das Gesicht verzog. „In der Organisation drehen alle durch und sei es, dass sie Nikotin konsumieren – da würde ich mich noch eher besaufen, als so was anzurühren! Was würde bloß deine Schwester dazu sagen, wenn sie dich nun sehen könnte?!“

„Dasselbe wie deine Mutter, fürchte ich, wenn sie wüsste, wo du dich wieder herumtreibst! Du machst ihr nur Kummer – hat sie nicht genug Ärger?“ kam nun von dem Mann, der seit seiner Ankunft nur sehr wenig gesagt hatte.

„Haaaach“, ihr Kopf sank auf ihre Arme, sie schien sich tödlich zu langweilen.

„Fang nicht wieder so an, du bist nicht viel älter!“ Immer behandelten sie ihn wie fünf, dabei hatte er es weiter geschafft, als die meisten älteren Leute, was er auch Jami verdankte.

„Nicht aufregen, Chardonel, wir wissen, dass du ein großer Junge bist“, er lachte, fasste an seiner Partnerin vorbei und wuschelte ihm durch die Haare. Innerhalb der Organisation war er der Einzige, der ihm noch geblieben war.

„Jetzt will ich aber den Witz mit Cinzano auch verstehen! Was soll mit ihr sein?“ Er kam nicht darauf, was sein männlicher Kollege damit meinte, dieser musste sich das Lachen verkneifen.

„Nun ja – sie ist ein hübsches Ding, was sonst?!“

„Bring ihn nicht auf schwachsinnige Ideen! Das war ein Scherz! Ein dummer Joke, hast du verstanden??“ Sie boxte ihn, was er mit einem empörten Blick erwiderte.

„Ich hab das ernst genommen!“

„Oh man – Kerle!“

Chardonel dachte leider Gottes etwas intensiver darüber nach und am Ende trieb es ihm die Röte ins Gesicht; was waren sie gemein, nur weil er etwas unerfahrener war, als zum Beispiel Palomino.

„Hahaha“, er fand es überhaupt nicht witzig, dass sie Cinzano auf ihre Weiblichkeit projizierten.

„Die verdreht dem armen KIND noch den Kopf, dann kann die sich aber frisch machen; irgendwann ist genug“, zischte die junge Frau, sie konnte dieses WEIB nicht leiden, die war selbst so unausstehlich wie Cognac, den sie immerhin angesprungen hatte.

„Ach komm! Cinzano ist doch harmlos, nicht durchdrehen, mein Schatz.“

„Dein Schatz verpasst dir gleich eine Kugel zwischen die Augen, wenn du nicht mit diesem dummen Schmus aufhörst.“

Ein nervöses Lachen war von Chardonel zu hören – was sich liebt, das neckt sich eben. Sie stritten doch immer, aber es war ein liebesvolles Necken, er wusste, dass sie sich im Grunde mochten.

„Sie ist meine Freundin, ich weiß nicht, was euch so an ihr stört.“

„Ohhhh, mich stört sie überhaupt nicht, ist nett anzuschauen und hat auch nicht gerade wenig.“

„Also echt mal! Du solltest dich schämen, du möchtest doch nicht Cognac Nummer 2 werden, oder? Dann müsste ich dich auch umbringen.“

Die ganzen Witze hatten auch eine Grenze, die sie damit erreichte, jedenfalls bei Chardonel. „Lass bloß Cognac in Ruhe, der hat euch überhaupt nichts getan, kapiert??!“

„Du magst ihn ja selber nicht, was nimmst du ihn in Schutz?“ fragte der 20-jährige. „Uns kannst du nicht täuschen.“

„Carpano wäre weniger begeistert, wenn du deine Knarre an ihm ausprobierst.“

„Mehr würde sie ihr Messer benutzen und ihn unten herum etwas zurecht stutzen, wenn du verstehst.“

„Boah, hört auf, ihr seid manchmal echt eklig.“ Der Rotbraunhaarige stellte sich besser nichts darunter vor, aber seine Fantasie war leider ausgeprägt genug, dass er es am Ende doch tat. Sie war an für sich kein schlechter Mensch, das hatte Chardonel immer gedacht, aber bei Männern konnte sie wirklich grausam werden. Es war geradezu ein Wunder, dass sie noch nicht mit ihrem Messer über Palomino hergefallen war, immerhin ließ er nichts anbrennen – wie Cognac, nur noch bahnbrechender. Ja, das beschrieb ihn gut, was aber auch daran lag, dass er seine Schwester mit 15 verloren hatte und auch noch wusste, an wen. Jeder trug Hass in sich, der eine mehr, der andere weniger.

„Was erwartest du, er hat seine Unschuld mit 14 verloren… Da kann nur so was bei rauskommen.“

Mit einem Schmollmund blickte er Chasselas an; wie konnte eine so hübsche Frau nur so drauf sein?

„Oh bitte, bitte, verschont mich damit – so was will ich überhaupt nicht wissen“, Chardonel schüttelte es innerlich. Er war doch selbst gerade mal 20 Jahre alt und dann schon so versaut.

Einen Moment später hörten die Drei schon ein heran nahendes Auto; normalerweise war hier wenig los, sie hatten immer das Glück…

Besagtes Auto hielt dicht neben ihnen, ein schwarzhaariger Mann mit Sonnenbrille stieg aus, welche er sich an seinem Hemd befestigte, nachdem er sie abgezogen hatte.

„Habe ich nicht gesagt, dass ich euch im Hotel erwarte?! PÜNKTLICH!“

Seiner und der Blick von Palomino trafen sich. Immer wenn er ihn ansah, konnte er all den Hass, der in diesem Jungen noch immer wohnte nicht nur sehen, sondern auch spüren, er strahlte ihn aus. Und dieser galt ganz alleine ihm.

Seine Aufmüpfigkeit war ihm nur Recht, da konnte er wenigstens zu Mérille sagen, dass er es verdient hatte, geschlagen zu werden; nur für den Fall, dass ihm mal wieder die Hand ihm gegenüber ausrutschte. Der Junge war so völlig anders als er selbst, wegen seiner Schwester hasste er ihn – ganz schön nachtragend und rebellisch noch dazu.

„Palomino!“ fuhr er ihn an. „Hast du nichts dazu zu sagen? Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“

Dieses aufsässige Kind wusste genau, was ihm blühte und doch war er wieder so bockig. Es machte ihn jedes Mal irgendwie rasend, wenn er ihn wie Luft behandelte.

„Entschuldigung??“ fragte der Insasse mit einem leichten Grinsen. „Da gibt es nichts zu entschuldigen! Wenn du etwas an meiner Arbeit zu beanstanden hast, dann bitte direkt beim Boss.“ Diese Art von Spruch hatte er so ähnlich schon mal gehört und das vor nicht allzu langer Zeit; dachten die, dass sie so mit ihm umspringen konnten?

„Du kommst da jetzt raus!“ Er nahm ihn am Kragen und zog ihn mit dem Kopf halb aus dem offenen Fenster hinaus zu sich. „Dir bring ich Manieren bei, du ungezogenes Balg! Was bildest du dir ein?“

„Du machst ja schon wieder ganz schöne Valpolicella-Anstalten“, kam frech von ihm, was Chardonel nicht wirklich klug fand. Warum musste er dem immer zeigen, was er von ihm hielt? „Dabei kannst du sie gar nicht leiden.“

„Das zu beurteilen steht dir nicht zu!“ Er hielt ihm seine Waffe an die Schläfe, musste ihm einmal mehr seine Macht demonstrieren – für Palomino war es allerdings nichts als Schwäche.

„Fühlst du dich einem 20-jährigen überlegen, wenn du ihn mit deiner Waffe bändigst, Jami?“ hörte man ganz ruhig von der jungen Frau im Auto, die zwar keine Miene verzog, aber schließlich nicht wollte, dass man ihn umbrachte. Es war keinem geholfen, wenn er ihn provozierte und sie zeigte, dass sie Heidenangst hatte in diesem Moment.

„Halt dich da raus, Süße, das geht dich nichts an!“

„Und ob es mich was angeht, denn du bedrohst hier meinen Kollegen! Ich will nicht auf ihn verzichten, also lass ihn los!“

Chardonel sagte die ganze Zeit nichts, er wusste, dass sie das schon regeln würde, sie war die älteste in der Gruppe und zum Glück eine Frau.

„Liegt dir so viel an ihm? Er ist doch nicht einmal ein richtiger Mann!“

„Ach, so wie du, Jami?“ Beinahe hätte sie gewürgt und angefangen zu lachen, er war kein Mann, sondern eine Memme, die sich hinter seiner Waffe versteckte und sich einen Spaß daraus machte, einen 20-jährigen, der noch grün hinter den Ohren war, zu ärgern. Wenigstens ließ er Kenjiro diesbezüglich unversehrt.

„Ich erwarte euch im Hotel – ich gebe euch ganze 10 Minuten, um dort anzutanzen! Und wir reden noch mal, meine Kleine…“

Seine Hand langte zu ihr herüber und fasste an ihr Gesicht, was Chardonel als sehr gefährlich ansah, wenn Palomino noch anwesend war.

„Reden?“ Palomino lachte auf. „Du weißt doch gar nicht, was das ist!“

„Mino!“ hörte er nun von Chardonel, welcher ziemlich verstimmt war, dass dieser weiter Öl ins Feuer goss, obwohl die Flamme bereits wie wild in Jami loderte…

„Was denn? Reden ist nicht das, was Jami mit Frauen tun möchte, stimmt das etwa nicht?“ Manche Leute wussten einfach nicht, wann es genug war, weshalb Jami nun ausholte und ihm ins Gesicht schlug, was für dessen Verhältnisse noch harmlos war, da der Schlag lediglich von seiner Hand ausgegangen war und nicht von der Waffe in seiner anderen. Jami ließ ihn los und drehte sich wortlos und ohne ein Abschiedswort herum.

Alle Drei warteten einige Minuten, bevor sie etwas sagten.

„Die hattest du verdient… Misch dich nicht in so was ein! So was lebensmüdes…“ Sie startete den Motor, obwohl sie wusste, dass er wenig Lust hatte, auf Jami zu hören, aber sie würde ihn dazu zwingen, schließlich war er jünger als sie.

„Spring schon rein, Chardonel, wir nehmen dich mit, obwohl ich von dir weiß, dass du vernünftig bist“, seufzte sie und öffnete ihm die Tür. Er nahm das Angebot gerne an.

Nicht nur Palomino war der Tod seiner Schwester nahe gegangen, auch Chardonel hatte es gekümmert. Sie war eine nahe Verwandte seiner Mutter gewesen, alleine dieser Umstand reichte aus, um ihn zu berühren. Was für Palomino seine Schwester war, war für Chardonel seine Mutter; sein ein und alles. Trotzdem hatte er sich so weit im Griff, Jami seine Abneigung nicht zu zeigen.

„Leg dich nicht mit Jami an, das haben schon andere Kaliber versucht, glaube mir, wenn ich sage, dass ich mich da auskenn’“, hörte er den Jungen hinten leise vor sich hin murmeln, er wollte ihm wirklich keinen Kummer machen, aber es kam manchmal so über ihn. „Du kannst von Glück reden, dass Chasselas ein bisschen was zu melden hat, sonst hätte er womöglich eine Kugel in deinen Kopf gejagt, du weißt doch, dass er so was wie Skrupel gar nicht kennt, dann wäre er nicht so weit gekommen.“

Die junge Frau beobachtete Chardonel im Spiegel, seine Augen hatten immer diesen traurigen Schein, aber gerade sah er aus, als wolle er losheulen. Der arme Junge hatte wenig zu lachen, auch wenn er brav war im Gegensatz zu anderen Organisationsmitgliedern. Obwohl er mit Carpano und Helios befreundet war, hatte er noch nie einen Verrat verübt, was sie auch gut fand. In seinem Alter sollte man besser nicht auch schon auf die schiefe Bahn geraten, das versaute einem nur das Leben, es sei denn man hatte Glück, so wie Carpano. Mit Helios verfuhr man gleich ganz anders, als mit ihm. Der Kerl konnte sich echt einiges erlauben, was so eine Freundschaft mit Valpolicella alles ausmachte, aber es war noch nicht einmal das, es reichte, dass sie ihn mochte, mehr als irgendwen.

Sie wusste, dass Jami vor Chardonels Augen schon Schlimmes angerichtet hatte, auch um ihm zu zeigen, wie man so etwas machte, er stand viel mehr unter seiner Fuchtel, als unter der seines leiblichen Vaters, der ihn in die Organisation geholt hatte.

Solange Palomino Jamis Wut auf sich zog, würde er auch Chardonel nicht anrühren. Er hatte sich einmal mehr nur auf ihn konzentriert, immerhin war Chardonel selbst zu spät dran, er würde dem fein weismachen, dass es seine Schuld war, dass er ihn aufgehalten hatte. Man musste Jami eben beeinflussen, er merkte es nicht mal, wenn man es auf unscheinbare Weise tat. Es durfte nur nicht zu offensichtlich geschehen…

Dass nun Stille herrschte, war kein Wunder, nach so einem Gefecht war selten die beste Laune ausgebrochen. Eigentlich war es schade, dass sie sich so schnell runterziehen ließen.

„Mhhhhm – was diese Karre wohl so alles drauf hat?“ hörte man die Dunkelhaarige fragen, aufgrund dessen blickten beide sich an; sie ahnten, was nun kommen würde, weshalb sich Chardonel schon einmal am Griff festhielt, was auch gut so war. Denn m nächsten Moment gab sie so sehr Gas, dass die Reifen quietschten, und da die Straße etwas uneben war, das Auto kurzerhand abhob und dann wieder auf den Reifen aufkam.

Beide fluchten im Gleichklang, während Chasselas amüsiert wie sie war zu lachen anfing.

„Bist du jetzt total durchgeknallt, oder was?!“ Palomino fuhr sich durch die Haare, die durch das plötzliche Abheben und der Geschwindigkeit des Autos ganz zerzaust waren.

„Jahahahahahuhuuuuuu!“ gab sie einen Hurra-Schrei von sich und versetzte beide in Angst und Schrecken. „Und jetzt die richtige Musik!“ Sie schaltete den CD-Player an und ihnen donnerte die schlimmste Partymusik aller Zeiten entgegen. Für trübsinnige Gedanken war in diesem Auto nun kein Platz mehr.

Während Chardonel schlechte Laune hatte, drehte sie vollkommen durch. Als sie lautstark YMCA zu singen begann, musste er doch irgendwie grinsen. Obwohl sie ein Organisationsmitglied war, konnte nichts ihr wirklich die Laune verderben, schien es.

Und den Zweck, den sie mit der Aktion, erreichen wollte, wurde erfüllt.

Jetzt, da sie sich in einer hell erleuchteten Straße befanden, sah man auch, dass Chardonel und Palomino beide sehr helle Haare hatten und es sich bei beiden um keine reinen Japaner handelte, sie hingegen war eine. Ihre braunen Augen leuchteten hell im Licht und ihre schwarz glänzenden Haare waren einfach der Wahnsinn. Immer mehr lächelnd, sah Palomino sie an, während er mit der Hand fast schon verträumt anfing ihren Arm mit dem Handrücken entlang zu streicheln.

Jeder Blinde sah, was sich da abspielte, auch Chardonel. ‚Mach nicht so was, das macht sie nur wieder sauer, immerhin bist du verheiratet…’ Zu seiner Verwunderung geschah aber nichts dergleichen, sondern sie ließ ihn…
 

Mittlerweile war Conan bei Professor Agasa angekommen, er schlug die Zeit am Computer tot, während seine kleine Leidensgenossin noch immer im Badezimmer verschollen war. Er surfte ein bisschen im Internet und wurde regelrecht mit Informationen erschlagen. Die Newsseiten waren voll mit Dingen, die ihn interessieren sollten. Wo er hinguckte, irgendwelche Teeniebands, die gerade angesagt waren, darunter auch L’Arc~en~Ciel und eine ihm total fremde Band namens Wild Cherryblossom. Der Name klang an für sich schon anders und es waren fast nur Mädchen. Nach einigem Lesen erfuhr er auch, dass es die Band von Kimi war, mit Yui als Gitarristin, also die Band, die sie in Ōsaka gegründet hatten, nur unter einem fremden Namen – eine Undergroundband. Nicht das, was alle hörten. Ja, eigentlich war Yui Ikezawa mit L’Arc~en~Ciel befreundet, was wohl von ihrem Bruder kam, der ebenfalls in Ōsaka gewohnt hatte. Vor knapp vier Jahren sollten sie sich dort alle über den Weg gelaufen sein, wobei Yui wohl einige von ihnen schon länger kannte, unter anderem den Sänger – und den Gitarristen. Er wusste auch, wer das war, mittlerweile jedenfalls, nachdem Sonoko ihn täglich erwähnte und von ihm schwärmte.

Ai stand schon längst hinter ihm und verfolgte seine Recherchen, gab sich aber nicht zu erkennen, sie war mucksmäuschenstill und fragte sich, was er da machte.

„Das is’ ja’n Ding… Dann ist Kimi denen mehr zufällig über den Weg gelaufen… Sie hat die Familie verlassen und ist nach Ōsaka abgehauen, ohne viel Bargeld. Und wo bekam sie das Geld her, in einer Großstadt zu wohnen? Na klar, sie hat sich mit denen angefreundet… Es würde mit dem Teufel zugehen, wenn sie die nicht ausgebeutet hätte“, murmelte er vor sich hin, wer eben bekannt und angesagt war - was sie zweifellos in Ōsaka waren – wurde eben grundsätzlich ausgebeutet. Es leuchtete ihm ein, in Ōsaka waren die verrücktesten Leute, da konnten diese komischen Vögel drauf wetten, bekannt zu werden. Sie hatten eines gemeinsam: Alle waren in Kansai groß geworden. Da konnte man ja nur schräg drauf sein, die Städte waren so multikulti, dass es ihn nicht wunderte, wenn sie in Tōkyō auffielen. Und Heiji war schließlich ein gutes Beispiel dafür, wie die Leute sich in Ōsaka benahmen.

„Die Kleine muss Geld haben, wenn die mit 17 schon ihr eigenes Ding machen konnte und nicht auf einen Nebenjob angewiesen war“, er kaute währenddessen auf einem Keks rum und hörte ganz unverhofft Ais Stimme.

„Oder einen reichen Macker, der sie aushält.“

Erschrocken drehte er sich herum, sie sollte sich nicht so heranschleichen, das konnte sie leider zu gut. „Ich habe dich nicht kommen hören – du bist doch ein Mädchen – was sagst du dazu?“

„Du verhältst dich merkwürdig! Was interessiert dich so’n Mädchenkram?“

„Ach, das habe ich noch nicht erzählt, die Kleine auf dem Foto dort, das ist Hiroya Tokorozawas Schwester; er ist Kriminalist, der zu uns transferiert wurde, ein schlimmer Zeitgenosse. Und seine kleine Schwester war Mitglied bei euch – ich fürchte, dass sie sie ermordet haben, weil sie ihnen entweder wie Akemi nichts nutzte, oder etwas unternommen hat, was mit Verrat gleichzusetzen ist! Wahrscheinlich beides. Sie hat ein Tagebuch geführt, das ich gerade habe, das was ich bisher gelesen habe, lässt mich darauf schließen, dass sie mehr wusste. Leider benutzt sie in ihrem Tagebuch Vornamen – nichts Verwendbares für mich; ich da-“

„Du dachtest, dass ich dir da vielleicht behilflich sein kann, Kudō-kun?“ beendete Ai seinen Satz, eigentlich wusste sie, dass es so war, er war immer da, wenn es so etwas gab.

„Sie hat von Katori und Kenichi geschrieben – kannst du damit was anfangen?“

Als er sie erwähnte, wurde sie tödlich blass und machte den Anschein einen Schreck erlitten zu haben, aber das war kein Einzelfall; so hatte sie bisher immer ausgesehen, ihre Angst ihnen gegenüber war noch immer sehr groß.

„Was weißt du?“ war daraufhin keine Shinichi-untypische Frage. Ihr Gesicht sagte ihm ja schon, dass sie etwas wusste.

„Kenichi… Das ist… Er steht in Kontakt mit Vermouth und nennt sich bei uns Gotano – ich habe mit ihm zusammen gearbeitet, er hat mir vieles beigebracht, er ist Wissenschaftler und war mit meinen Eltern befreundet; irgendwann hat ihm aber das, was er tat, nicht mehr gefallen, also wurde er aufmüpfig. Da hat man ihm die Frau weggenommen, was keine schöne Geschichte ist. Vermouth hat sich auch ständig zwischen sie gedrängt, man munkelt, dass sie und Gotano eine Affäre hatten... Sie ist, glaube ich, mit Gotanos Frau verwandt, ich weiß aber nicht inwiefern.“

Es war mehr an Informationen, als Shinichi sich erträumt hatte. Dann war der Kerl eigentlich Wissenschaftler.

„Und Katori?“

„Eine Sängerin – solltest du eigentlich auch kennen.“ Sie sah ihn mit Halbmondaugen an, natürlich wollte sie ihn etwas ärgern.

„Sehr witzig.“

„Wieso witzig? Es war mein voller Ernst – eben noch hast du dich informiert, ich glaube nicht, dass du nicht über ihren Namen gestolpert bist – sie hat mit Kimiko nämlich zusammen gearbeitet.“

Conan wandte sich wieder dem Computer zu. „Und ihr Codename?“ Schweigen wurde ihm entgegen gebracht, also surfte er ein wenig weiter und stieß dann auf den Bandnamen Frozen Roses, die Mitglieder waren Kimi und Cat… Es dämmerte ihm, Katori konnte man auch mit Kat abkürzen, sie hatte ein C daraus gemacht, was dann Cat ergab. „Ich hab’s! Also… Katori Shirakawa, Tochter eines Diplomaten und einer Psychologin, geboren in Sapporo, sie hat eine Zwillingsschwester – interessant, wenigstens keine zweite Vermouth mit tausend Geheimnissen… Das beruhigt mich doch jetzt echt.“

„Sie ist ihr charakteristisch wohl auch kaum ähnlich, sie ist mehr wie ein Engel mit Teufelsflügelchen…“

Der Satz erinnerte sie stark an den von Kita, den er über Hyde fallen gelassen hatte. Was hatte er noch gesagt? Ein Teufel im Engelskostüm!

„Also mehr Engel als Teufel?!“

„Ja – sie steht unter der Fuchtel von Cencibel; sie ist Kinderärztin und hat sich in der Vergangenheit viel um mich gekümmert. Sie hat eine hohe Position und Katori ist so was wie Töchterchen, sie kontrolliert sie. Ich glaube ihr Name war…..“ Ai schien nachzudenken, leider hatte sie mit denen nicht so viel zu tun gehabt. „Cinzano! Ja, genau das war es! Sie kam vor etwa 10 Jahren in die Organisation, ich kann mich aber auch irren, um ein paar Jahre.“

„Und diese Cencibel, wie ist die so drauf?“

„Sie macht die Drecksarbeit, wenn’s um Kinder geht! Und sie hasst es, weil sie Kinder eigentlich mag. Kinder haben nur eine Funktion bei ihnen: Entweder forschen, uns mit Technik versorgen oder morden… Und das alles im Dienste des Bosses, damit es den Killern noch leichter fällt, ihre Arbeit zu machen. Ihre Zukunft sieht jedenfalls alles andere als rosig aus, es macht ihr natürlich keinen Spaß, dabei mitzuwirken.“

Anscheinend schien Sherry Cencibel sehr zu mögen, er wollte sie aber nicht darüber entscheiden lassen, ob sie nun gut oder böse waren, es war sowieso ein weit gefächerter Begriff, den man kaum genau definieren konnte. Und Sherry selbst hielt sich ja für 100-prozentig gut, sie hatte sich mit der Ausrede herausgewunden, dass sie ja niemanden getötet hatte. Man konnte auch auf andere Weise böse sein, ohne jemanden zu ermorden. Er war sicher, dass der Boss nicht selbst mordete, sondern ALLES seinen Untertanen überließ, was aber nicht ausschloss, dass er abgrundtief schlecht war…

„Und was macht Cinzano in der Organisation?“

„Töten“, kam wie aus der Kanone geschossen, Conan schloss die Augen, denn er hatte das irgendwie erwartet. „Und wie steht sie zu Vermouth?“

„Gar nicht!“

„Wie, gar nicht? Haben die keinen Kontakt zueinander?“

„Doch – unwillkürlich, aber sie macht sich nichts daraus! Die besten Freunde sind sie jedenfalls nicht.“

Er hasste es, dass man im Grunde Sherry alles aus der Nase ziehen musste, wenn sie doch so viel wusste, wieso hatte sie Cencibel, Cinzano und Gotano niemals erwähnt? Sie kannte sie doch – es war wie bei Chianti und Korn, die sie ebenso gekannt, aber erst erwähnt hatte, als er auf sie gestoßen war. In dem Punkt konnte er sich nicht ausnahmslos auf seine Freundin verlassen.

„Aber mal eine kleine Frage am Rande – du kennst L’Arc~en~Ciel, oder etwa nicht?“

„Wer kennt sie nicht? Was ist damit? Machst du dir Gedanken wegen Kimi?“ Sie las Zeitung, weshalb sie darüber informiert war.

„Der Sänger – ist der Mitglied in der Organisation, ja oder nein?!“ Mehr wollte er ja eigentlich gar nicht wissen.

„Nein, was eigentlich verwunderlich ist.“

„Ach? Was daran ist verwunderlich, außer die Tatsache, dass seine Art zu denken der von Vermouth bis ins kleinste Detail zu gleichen scheint?“ Conan wurde sarkastisch, er musste das einfach sagen, diese ganze Geheimniskrämerei und Rachsucht waren ihm nicht im Verborgenen geblieben.

„Das meinte ich eigentlich nicht – eher sein enger Kontakt zu Hiroya Tokorozawa und seiner Schwester.“

„Wieso erwähnst du den als erstes? Was hast du mit dem Typen zu schaffen?“

„Ach, er hat viele Feinde in der Organisation – und so viel Kontakt wie er zu Tokorozawa hatte, wäre es nur natürlich, wenn ihm zumindest mal was zugestoßen wäre – es gibt da nämlich einen, der ärgert den Mann mit Freuden.“

Conan gab ein sehr schweres Seufzen von sich – wieso zum Teufel nannte sie ihm nicht gleich den Namen? Er verstand sie einfach nicht, einmal mehr musste er nachhaken. „Hat der keinen Namen?“

„Jami – der Sohn vom Boss – aber wohl nicht sein leiblicher.“ Aus irgendeinem Grund hatte er kein gutes Gefühl dabei; der Sohn vom Boss also. Das klang wie sein Spiegelbild und das freute ihn nun überhaupt nicht. „Und ein richtiger Name?“

„Den kenne ich nicht!“

„Schließt du aus, dass die Kleine ihrem Freund von der Organisation erzählt und ihn mit hinein gezogen hat?“

„Dann wäre ihm sicher schon was zugestoßen…“ Sie fand seine Fragen komisch und verdrehte leicht die Augen.

„Merkwürdig – alles merkwürdig, er verhält sich nämlich genau so, wie sich Leute verhalten, wenn sie vor etwas totale Panik haben. Mich hat da so was angeweht, du verstehst?! Und normal ist er keineswegs. Wenn du seine Musik gehört hast, verstehst du, was ich meine!“

„Habe ich und ich kann da beim besten Willen nichts feststellen, was mich darauf schließen ließe. Ich glaube fast….. Kudō-kun…. dass du überall die Organisation siehst, weil du selbst schon so paranoid bist.“

„Du meinst, ich spinne?!“ fuhr er sie an, das ließ er nicht auf sich sitzen. Sie konnte ihn doch nicht als schwachsinnig bezeichnen. „Ich finde es NICHT normal, wenn einer findet, SIE ALLE sollten verrecken – ist das für dich etwa der Satz eines ganz normalen Menschen? Das doch wohl kaum!“ Dieses SIE ALLE beschäftigte ihn eben ungemein.

„Bezieh das mal auf stinknormale Verbrecher, das würde auf dasselbe herauskommen. Für dich mag es abnormal klingen, aber viele ganz normale Menschen sind für die Todesstrafe an Schwerverbrechern.“ Sie fand das total normal und konnte nichts dafür, dass er da eben grundsätzlich anderer Meinung war.
 

Ran wurde erst aufmerksam, als sie die Stimme ihrer Freundin unten vernahm. Sie wollte sich schon wundern, als sie sie hörte, aber diese sich nicht bei ihr gemeldet hatte.

„Du würdest mir einen riesigen Gefallen tun, wenn du dir das mal genauer ansiehst… Sie ist ungehobelt, unsympathisch und ein total schlechter Mensch – es würde keinen wundern, wenn sie einen Mord begehen würde“, versuchte Sonoko Kogorō die ganze Zeit über einzureden, was Ran zunächst überhaupt nicht verstehen konnte. Auf wen bezog sie sich und warum? Lauschend, versteckte sie sich noch auf der Treppe.

„Es kann doch nicht sein, dass so eine Person frei herum laufen darf!“

„Nun aber mal langsam, Sonoko, was lässt dich darauf schließen, dass wir bei ihr an richtiger Adresse wären?“

„Sie versucht Polizeikontakt zu meiden und wollte IHM dann auch noch verbieten, dass er mit Polizisten redet! Wenn das nicht verdächtig ist, Onkel?“

Ran wurde es nun zu bunt und sie trat in Erscheinung, ihr Vater war anscheinend ja hoffnungslos mit Sonoko überfordert.

„Na jaaaaaa“, erwiderte der Angesprochene mit einem Schweißtropfen an der Schläfe. Er hatte doch noch überhaupt keine Ahnung… „Das leuchtet schon ein…“

„Worum geht’s hier? Was mischst du dich nun auch hier ein?“

Sonoko erblickte Ran und rannte sofort zu ihr. „Ran! Ich wurde in einen Fall verwickelt! Gestern! Und dabei ist dieses komische Weib aufgetaucht! Die Schwester des Sängers von IRON KISS!“

„Yui Ikezawa?“

„Ja, genau die! Sie wollte ihn am liebsten von der Polizei trennen und hat sich selbst gleich wieder aus dem Staub gemacht und wie die über deine Kimi redete, nicht zu fassen… Die denkt, dass sie an Ken rumgebaggert hat und wurde richtig ausfallend… Sie ist es, sie! Ganz sicher!“

Die kleine Detektivin konnte ihrer Freundin noch nicht so ganz folgen, sie war zu aufgeregt und vergaß die Hälfte. „Moment! Was hat Ken damit zu tun?“

„Also na ja – das war so…“ Sonoko fing an alles breit und lang zu erzählen, damit beschäftigte sie Ran und Kogorō noch einmal gut eine viertel Stunde, es war aber mehr eine Märchenstunde, als eine Erzählung eines Tathergangs…
 

Bisher war alles ruhig und eigentlich waren sie auch bisher nur im Büro gewesen, welches jetzt aber blitzblank war und so aufgeräumt, wie noch nie. Eine Frau in seinem Büro, daran konnte er sich wirklich gewöhnen, Miwako wäre nie auf die Idee gekommen, seine Unordnung zu beseitigen, sie war einfach hinreißend. „Besorgst du uns noch Kaffee?“

Auf seine Frage hin, war sie sofort losgegangen, um frischen Kaffee zu besorgen, er fühlte sich, als hätte man ihm eine Dienerin gegeben, statt einer Kollegin. Er hatte sich an einer Sache festgebissen und bekam langsam Kopfschmerzen, da würde ein guter Kaffee ihm sicher gut tun. Gerade, als er so tief in Gedanken war, klingelte sein Telefon. Er hörte es erst gar nicht, erst als Mitsuki wieder den Raum betrat und ihn aus den Gedanken riss, bekam er es mit. „Das Telefon, Iwamoto-san!“

Er blickte auf und griff nach dem Hörer. „Ja?“ Man redete einige Momente mit ihm. „Ja – stell durch!“ Er wartete ab, bis sich schließlich eine Frau meldete. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Anata – wann hast du Feierabend? Musst du noch lange arbeiten?!“ Die bittersüße Stimme einer Frau klang an sein Ohr und er presste das Telefon fester dagegen.

Gerade war er eigentlich nicht zu Späßen aufgelegt, und von wegen Anata, was hatte die denn bitte genommen? Nicht Darling? Das sagte sie doch sonst immer.

„Wieso fragst du?“

„Ich sitze gerade in der Badewanne und mache mich schön“, bezirzend klang ihre Stimme und er konnte sie förmlich vor sich sehen, überall mit Schaum bedeckt und wie sie ihr Bein verführerisch anhob für ihn, um etwas Haut zu zeigen.

„Eigentlich wollte ich länger bleiben, ich mache mir gerade Gedanken um einen Fall; ich wollte meine Gedanken nicht unterbrechen…Und ich hätte da auch einige Fragen, die ich mit dir klären will, bevor ich an mein Vergnügen denke.“ Er wollte eigentlich nicht auf ihre Flirterei eingehen, während eine andere Frau gerade im Zimmer war und alles mitbekam. Er hoffte, es hörte sich nicht zu sehr nach einem Gespräch mit der Freundin oder Frau an, sonst dachte sie am Ende noch, er wäre vergeben.

„Bist du nicht allein im Büro, oder warum redest du so komisch?“

„Du hast es erfasst – ich schau auf jeden Fall noch mal bei dir vorbei, bis dann!“
 

In der Leitung blieb nur Tuten übrig, einfach aufgelegt hatte dieser undankbare Klotz. Sie gab ihm seine Fantasien und es interessierte ihn gar nicht…

Ein wenig verstimmt konnte man sie schon nennen, sie hätte doch fast das Handy im Badewasser versenkt. Sie würde sich was Hübsches für den undankbaren Herrn einfallen lassen, um ihn zu ärgern…
 

„Wer war das denn?“

Sêiichî wollte eigentlich nicht darüber reden, trotzdem entkam seinen Lippen ein „Niemand besonderes“ und er guckte sich weiter die Akte an, die er sich vorhin rausgesucht hatte.

„Das klang aber gar nicht danach“, gab sie zurück, was er jedoch als Grund ansah, aufzuseufzen.

„Ich versuche zu arbeiten, bitte verhalte dich ruhig, ich muss denken.“ Nach ihrem Anruf war mit dem Kriminalisten kaum noch etwas anzufangen. Selbst die Kaffeetasse verwandelte sich in sie und die Zeilen in der Akte ergaben keinen Sinn mehr. Er musste immer wieder daran denken, was sie getan hatte, da freute er sich überhaupt nicht mehr auf den Feierabend. Aber benahm er sich nicht kindisch? Er führte sich auf, als hätte man ihm einen Lolli geklaut, geradezu wie ein Kind, er fand es lächerlich, aber er konnte es gerade einfach nicht vergessen…
 

Shannen war wirklich sehr erleichtert, zu wissen, dass Chardonnay Jamies Tochter nicht auf die übelste Weise misshandelt hatte. Er hatte sie nur geschlagen, weshalb sie Angst vor ihm hatte – aber jedes kluge Kind hätte Angst vor diesem Mann. Vor allem wenn man ein Mädchen war, hatte man die automatisch, falls er einem begegnete.

Sie war noch immer bei ihr zu Hause, ebenso wie Liz, die schon lange schlief. Die Blondine konnte das Mädchen auf keinen Fall dieser Irren überlassen und es war ja auch eigentlich ihr Job, sich um sie zu kümmern, sie tat also noch nicht einmal etwas Verbotenes, aber wie ihre Mutter das wohl sehen würde, ganz sicher würde sie sich bei Valpolicella deswegen beschweren. Diese würde aber wohl nicht allzu viel gegen Cencibel unternehmen, schließlich hatte sie nicht nur einmal Carpano vor dem Tod bewahrt und sie hatte ihr vor Jahren viel zu gut das Schießen beigebracht, was Valpolicella doch allmählich ein wenig bereuen musste…

Als sie gerade etwas für Jamies Tochter kochte, begann das Haustelefon zu klingeln, so dass sie sich die Hände an der Schürze abwischte und zum Telefon rannte.

Sie nahm das Gespräch entgegen und hörte am anderen Ende die Stimme des Arztes, welchem sie extra ihre Nummer gegeben hatte; offiziell hatte sie sich als Frau von Miyazu Erikawa ausgegeben. Sie hatten alles so arrangiert, dass das Krankenhauspersonal keinen Verdacht schöpfte. Sie hatten für den Fall der Fälle falsche Ausweise anfertigen lassen, was kein Problem war, da sie Freunde bei Interpol hatten, die ihnen gerne solch einen Gefallen taten.
 

Unterdessen wurde eine junge Frau mit leichten schwarzen Locken in die Enge getrieben; man drängte sie gegen die Wand und grenzte sie ein. Obwohl sie kaum eine Gegnerin war, war Valpolicella nicht alleine. Die 33-jährige schaute nach rechts und links, wo sie jeweils noch zwei weitere Menschen ausmachte.

Es waren Sirius, Mérille, Mistelle und Alvarello. Vier fast genauso gefährliche Leute, wie die Ranghöchste selbst. Sie standen alle ganz oben und bedrohten sie nun.

„Nun rede endlich, elendes Miststück! Trincadeira deckt Helios, ist es nicht so?!“

„Wie – wie…“ Ihr gefror fast das Blut in den Adern, Valpolicella war ungeduldig und diese Ungeduld schlug nicht selten in Missmut um, welcher sie zu unschönen Ausrastern brachte – und sie hatte eigentlich nicht vor zu sterben.

„Also weiter: Sie hat es ihm ermöglicht, uns zu täuschen, indem sie mit ihm das verliebte Ehepaar spielt, ich liege doch richtig, oder?“

„Ich weiß nicht, wie du darauf kommst!“

„Ach nein?!“ In die Stimme der großen Britin fuhr Rage, man bemerkte sofort deutlich, dass sie kurz davor stand zu platzen – warum musste sie ihretwegen so wütend werden? Ob sie von ihrer Freundschaft zu Jamie Moore wusste?

„Du willst mir allen ernstes sagen, dass du keine Ahnung hast, was deine Schwester tut? Dass wirklich eine Hochzeit stattfand? Dass sie WIRKLICH Durello heißt??“ Sie glaubte dem falschen Weib nicht das Geringste und knallte ihr erst einmal eine; bevor sie ihr das Knie in die Magengegend rammte und mit der Knarre näher kam, sie ihr entgegen richtete. „Los, mach den Mund auf, oder soll ich ihn dir stopfen?“ Ihre Augen glänzten vor Wut und gerade dieser Ausdruck machte die junge Frau total fertig, obwohl sie 2 Jahre älter war.

„Ich weiß nichts! Wirklich…“ So ganz überzeugend kam es nicht rüber, fanden wohl auch die fünf Personen.

„Die Hochzeit, fand sie statt oder nicht?! Ich will nur ein JA oder NEIN!“

Wenn sie sie nun belog, was würde diese grausame Frau wohl mit ihr machen? Sie einfach nur erschießen, oder sie brutal und mordlustig wie sie war, erst ein wenig anschießen, bevor sie sie wirklich umbrachte? Aber sie konnte doch nicht ihre Schwester ans Messer liefern… Auch wenn sie noch so große Angst um ihr Leben hatte. Wenn sie jetzt zugab, dass Trincadeira und Helios unter einer Decke steckten, was würde sie wohl mit ihrer Schwester machen? Sie sah in das Loch von Valpolicellas Waffe, ihr lief die Zeit weg, sie beobachtete wie in Zeitlupe, wie sie den Finger nervös am Abzug bewegte.

„Hey, was soll das?“ mischte sich ein Mann mit etwas längeren schwarzen Haaren ein, indem er die Rotblondhaarige ansprach, was die anderen vier gleich ärgerlich beobachten.

Jami stellte sich sofort zwischen die Frau und Valpolicella, was diese zu einem Knurren führte, und dass ihre Hand noch mehr zuckte. Das wiederum hatte zur Folge, dass sie Jami mit ihrer Waffe so fest ins Gesicht schlug, dass wenig später Blut an seiner Schläfe hinab lief. Das linke Auge zukneifend, erfuhr er ziemliche Schmerzen, das wagte selten jemand…

Sie hatte genug von diesem Kerl, am liebsten wollte sie ihn untenherum zerstückeln dafür, dass er wieder einer Frau half.

„Sie ist eine Verräterin, also weg da! Sofort!“

„Sie hat überhaupt nichts getan, was uns schadet! Was kann sie dafür, wenn ihre Schwester einem Verräter hilft?!“ fauchte er in Valpolicellas Richtung – was fiel diesem WEIB ein, ihn zu schlagen? Was erlaubte die sich? Sie war nicht der Boss, das nahm er niemals einfach so stillschweigend hin. Sie tat immer so unglaublich toll, nur weil sie mehrere Sprachen fließend beherrschte und deswegen zur Vermittlungsperson ernannt worden war. Ja, sie durfte alle befehligen, sogar ihn, das passte ihm überhaupt nicht, da sie somit mehr Macht als er hatte.

„Was sie dafür kann?! Du bist triebgesteuert, mit dir rede ich nicht über so was und jetzt verschwinde endlich, oder ich werd ungemütlich!“

„Aber er hat doch Recht“, hörte die 31-jährige hinter sich jemanden sagen, was sie tief Luft holen ließ. Carpano hatte ihr gerade noch gefehlt, er schien doch sowieso nicht so ganz zu kapieren, dass er sich selbst zum Verräter mauserte, wenn er diesen Leuten half.

„Bitte misch dich nicht hier ein, Carpano, das geht dich nichts an! Das ist eine Sache zwischen mir und ihr. Das gilt auch für dich, Jami. Du kannst nicht ernsthaft einer Verräterin helfen wollen, oder? Sie ist gegen uns, damit ist sie gegen den Boss und das wird mit dem Tod bestraft!“ Sie versuchte wieder ganz ruhig zu reden, was ihr wirklich schwer fiel bei einem Kerl wie Jami. Nichts desto Trotz hatte Carpanos Anwesenheit auch eine sehr beruhigende Wirkung auf sie.

„Nein, ich werde nicht zur Seite gehen – und Chenin kommt mit mir! Sie gehört zu mir, das weißt du ganz genau! Ich sorge dafür, dass sie nichts Unrechtes tut, außerdem weiß sie, was sich gehört – stimmt’s, Chenin?“ Er blickte ganz kurz nach hinten, viel mehr schielte er zu ihr, was sie erschrocken wahrnahm. Sicher hatte seine Hilfe auch ein Nachspiel, es war immer so, aber es war wirklich sehr beruhigend, dass er zwischen ihr und Valpolicella stand und somit verhinderte, dass sie ihr einfach den Rest geben konnte. Dazu hätte sie Jami erschießen müssen, was sie unter den gegebenen Umständen nicht gewagt hätte. Der Boss hatte Pläne mit Jami und sie hatte nicht dagegen zu entscheiden, es war eben einfach so, auch wenn Valpolicella schon oft eigenmächtig entschieden hatte, jemanden oder mehrere Menschen zu töten, ohne um Erlaubnis zu fragen – warum auch, wenn sie wusste, dass manche entbehrlich waren.

„Oh man – die oberste Schicht unserer Organisation und ihre kleinen Reibereien! Es ist lachhaft, wie ihr euch benehmt! Ihr habt beide ja nur Angst, verraten zu werden – ich für meinen Teil halte es für unnötig, gleich alle umzubringen, die mal in Helios’ Richtung gesehen haben – und sie kann ja nun nichts für ihre Schwester. Und ich für meinen Teil glaube auch, dass Trincadeira einfach nur auf Helios reingefallen ist.“

„Was interessiert uns deine Meinung? Wer hat dir überhaupt erlaubt, mitzuwirken?“ Sirius war leicht verärgert darüber, dass Carpano sich einmischte, er hatte nicht die Position zum Einmischen, fand er jedenfalls. Allerdings spürte Sirius wenig später den Ellenbogen seiner Begleitung, sie hatte ebenfalls rotblondes Haar, so wie Valpolicella nur sehr viel kürzer und nannte sich Mérille. Sie fand es überhaupt nicht klug, gegen Carpano zu hetzen – Valpolicella war doch so allergisch dagegen und man musste ihr durchaus zutrauen, dass sie solche Aussagen auch bestrafte, wenn sie zu giftig kamen. Er sollte um Himmels Willen nicht zeigen, dass er was gegen Carpano auszusetzen hatte.

„Gut – ich lasse sie leben“, meinte Valpolicella, die Sirius Worte erst einmal ignoriert hatte und in Jamis Richtung grinste. „Du kannst sie haben, ich schenke sie dir.“ Kurz darauf wandte sie sich an die Schwarzhaarige. „Aber wehe, ich sehe dich einmal zu viel auf der falschen Seite, dann kannst du was erleben, Süße!“

Armer Jami, musste dieser Frau helfen, nur damit er sie ein wenig anfassen durfte; sie würde es ihm noch mal gönnen, immerhin war bekannt, dass die kleine Kir ihn ziemlich zappeln ließ.

Die Schwarzhaarige fiel auf die Knie, als sie dieses Gnadenurteil bekam, es war wie vom Richter frei gesprochen werden, nachdem man schon zum Tode verurteilt gewesen war. „Ein falscher Augenaufschlag und du bist dran… Du weißt ja, keiner kommt damit durch, uns zu hintergehen. Und grüß deine Schwester, sie wird von mir hören; ich hoffe, sie hat bessere Antworten, als du sie hattest. Ich will kein Ich wusste nicht hören. Aber es wird sich ja zeigen, wie sie zu Helios steht, ich weiß auch schon, wie ich das aus ihr rauskriege…“

Erneut hielt die Frau die Luft an. Was Valpolicella ihr da sagte, war eine indirekte Ansage á la: Ein Fehler und du bist tot! Dazu gehörte wohl auch das warnen ihrer Schwester. Wenn sie jetzt zu ihr ginge und sie davor warnte, was ihr blühte, sie wollte nicht wissen, was sie mit ihr anstellen würden. Sie und ihre Anhänger.

„Du musst ihr das nicht extra sagen, Valpolicella“, entgegnete Jami, der sich mit der Hand ein wenig das Blut wegwischte. Das zahlte er ihr irgendwann heim. Wenn er die Möglichkeit bekommen sollte, sie für ihre Liebe zu Carpano zu bestrafen, er würde es sofort machen. Irgendwann brach ihr das nämlich das Genick. Sie merkte ja noch nicht einmal, wie der Kerl sie beeinflusste. Ein falscher Schritt und er würde ihr ihren hübschen Hals rumdrehen, sie war für ihn keine Frau, sondern eine Hyäne.

Eine Drohung, ausgesprochen von Valpolicella, sollte man besser teuflisch ernst nehmen, denn sie würde sie wahr machen. Als sie die anderen zum Gehen aufforderte, folgten sie ihr anstandslos. Warum ließen sich Leute, die genauso hoch standen, nur so von dieser Frau befehligen? Jami verfolgte ihr Abmarschieren, er kam sich vor wie in der Armee. „Arg…“ Ihm wurde schwindelig, denn der Schlag hatte gesessen.

So ganz sicher war sich Carpano nicht, ob man die Frau nun bei Jami lassen sollte; sie war schließlich schon verheiratet und er würde sicher die Situation ausnutzen. Was hätte wohl Jamie in dem Fall jetzt getan? Er dachte darüber nach und kam zu dem Entschluss, dass Jamie sie mitgenommen hätte, weg von Jami.

Sie hatte eine Heidenangst, dass Valpolicella sie wirklich tötete, oder töten ließ, was das Zittern, das durch ihren Körper immer noch fuhr zeigte, es machte keinen Unterschied, die Frau sah nicht aus, als wolle sie jetzt schon sterben, sie war doch vor kurzem erst Mutter geworden; er wusste all das, Jamie hatte es ihm erzählt, sie redeten oft über so was. Es bekümmerte ihn, dass so viele Frauen in der Organisation gefangen waren, obwohl sie nie hatten in diese eintreten wollen. So wie sie hier auch. Die 33-jährige war durch ihre Schwester mehr zwischen die Fronten geraten und hatte bisher nicht den Versuch gewagt, auszubrechen – das wäre ihr auch nicht bekommen. Aber Trincadeira konnte Valpolicella wenigstens nicht einfach so umbringen, was aber nicht hieß, dass sie es nicht versuchen würde damit zu entschuldigen, dass sie Verrat verübt hatte. Noch jedenfalls hatte der Boss an Trincadeira jemanden, der stets an Vermouth klebte, auch ohne dass sie es sofort bemerkte. Sie konnte sich ja sogar mit am Set aufhalten, das nutzte er schamlos aus. Aber ob Valpolicella wohl darauf Rücksicht nahm, dass der Boss sein Schätzchen beobachten konnte? Das glaubte er kaum. Die Sache mit Helios würde der Frau einen verheerenden Absturz bereiten, wenn man sie nicht ganz schnell vor der Gefahr warnte… Jamie würde es sich niemals verzeihen können, wenn diese Frau seinetwegen zu Tode kam…

„Es tut mir Leid“, hörte er die Schwarzhaarige sagen, was den Lippen des Grünäugigen nun doch ein Seufzen entkommen ließ. Carpano glaubte ja nicht, was er da sah. Dass sich die Frau nun um Jamis Verletzung kümmerte, er verstand sie nicht. Er beschützte sie doch nur, um sie anfassen zu können.

‚Man, wach auf, Mädchen, du bist seine Beute!’ dachte er sich, doch er sah nicht ein, dass er nun noch etwas sagte, oder sie von ihm trennte – wenn sie darauf reinfiel, war sie nun echt selbst schuld. Er sah ihr noch dabei zu, wie sie mit einem Taschentuch sein Blut abtupfte, ihm war schlecht, er musste schnell hier weg, bevor er sich übergeben musste…

„Ach – die ist eben so! So hübsch sie aussieht, so grausam ist sie, das mag ich gar nicht an Frauen…“ Jami empfand sie eigentlich ja eher als Hyäne und nicht als Frau, auch wenn sie Brüste hatte und lange Haare, was sie sehr weiblich wirken ließ. Sie parfümierte sich ja noch mehr ein als Vermouth und das hatte etwas zu heißen.

„Ich fand’s nett von dir, dass du mir beigestanden hast, ich hätte wenig gegen die fünf tun können.“

‚Ich verstehe nicht, weshalb sie mit Kompanie anrückt – sie wäre doch spielend leicht mit ihr alleine fertig geworden. Vielleicht will sie denen demonstrieren, wie schlimm sie ist…’

Er lächelte sie mit dem süßesten Lächeln an, welches er fertig brachte. „Nett von mir? Also, hör mal, ich würde dich doch nicht im Stich lassen! Ich bin so erzogen worden; man muss Frauen in Not doch helfen.“ Er nahm mit der rechten Hand ihr Kinn und blickte tief in ihre Augen; sie kniete noch immer am Boden und tupfte ihm die Schläfe ab, es blutete ziemlich. So eine abartige, hässliche Frau, kein Wunder, dass Carpano vor ihr stiften ging.

„Blödmann, irgendwann tickt sie mal so richtig aus, dabei könnte dir auch was zustoßen. Für sie sind Frauen eine Gefahr, dabei ist die doch selbst eine.“

„Inwiefern?“

„Sie mag es Frauen zu erniedrigen, du magst es, ihnen zu helfen. Das kann nicht gut gehen, leb ihr das besser nicht zu sehr vor.“ Die kam noch auf dumme Ideen, auch wenn sie bei ihm wohl nicht sofort zum Schießeisen griff.

„Sie geht auch auf Männer los, wie du gesehen hast. Cognac hat das auch schon zu spüren bekommen, er steht um einiges unter ihr, deswegen kümmert es auch nur wenige, wenn sie ihn ärgert. Er kann wie ich nicht wegschauen, doch bei ihm verfährt sie ganz anders, wenn sie es mitbekommt. Er hat nicht viel zu lachen“, seufzte er und hoffte, dass die blöde Wunde bald mal aufhören würde, zu bluten, das versaute ihm nur die Klamotten. Er war leider gerade nicht komplett schwarz unterwegs und dann noch mit einem weißen Hemd, wie sah das denn aus?

„Es tut mir außerordentlich Leid, dass du dir so was Unappetitliches ansehen musst; eigentlich sind blutige Angelegenheiten nichts für Frauen.“ Seiner Meinung nach sollten Frauen auch nicht töten oder sonstige Gewalttaten begehen, Valpolicella machte das aber wenig aus, ein Grund mehr sie weniger zu mögen. Selbst Vermouth machte sich nicht gern die Finger schmutzig, die war weitaus normaler als dieses rotblonde Miststück, das auch noch Kir hasste, das machte sie bei Jami nicht beliebter. „Frauen sind zarte Wesen, die muss man beschützen.“

„Komisch, Helios hat das auch immer gesagt… Ich kann einfach nicht glauben, das was sie über ihn sagt. Was ist deine Meinung zu Helios?“ Ein bisschen konnte man ihn ja wenigstens aushorchen.

„Er ist mit Carpano befreundet, was soll da meine Meinung sein? Sicher hat er ihm diese Sache vorgeschlagen. Ihm traue ich alles zu, auch Verrat… Cognac und er scheinen sich aber zu verstehen, das gefällt mir ganz und gar nicht. Wenn Carpano Verrat beginge, ich glaube nicht, dass Valpolicella dann so ausrasten würde, das macht sie zu einer wirklichen Gefahr für uns alle. Sie stellt ihn über die Organisation, seit ich das weiß…“ Er hätte nichts dagegen, wenn sie einen Unfall hätte, ohne sie wären sie alle besser dran. Den Frauen würde es besser ergehen und dem Boss auch, der ihr auch noch blind vertraute.

„Wenn allerdings Cognac so weitermacht, wie Carpano, wird er öfter von Valpolicella Ärger kriegen, das einzige, was ich dann tun kann, ist sie daran erinnern, dass ihr Carpano dann auch bestraft werden muss, das wird sie nur leider wieder nicht hören wollen.“

Es kam Chenin so vor, als würde Jami sich ein wenig um Cognac sorgen, was ihn ihr aber auch etwas sympathischer machte, als so manchen anderen Mann.

„Ich denke, der liebe Cognac wird schon klarkommen und Carpano lässt nicht zu, dass sie ihn umbringt, falls du das befürchtest.“

Dass sie ihn gleich umbrachte, befürchtete er eigentlich nicht, aber das letzte Mal war schon haarscharf gewesen, dabei hatte er doch nur eingelenkt, er hatte gewagt, sich zu äußern. Valpolicella konnte ihn einfach nicht leiden und hatte ihre Wut an seinem Gesicht ausgelassen. Und er hatte danach einen schlimmeren Anblick geliefert, als er selber nun bestimmt aussah.

Was er Chenin aber nicht verriet, war der wirkliche Grund. Vermouth hatte wieder was falsch gemacht, Valpolicella war rasend gewesen und dann hatte Cognac auch noch den Mund aufgemacht. Er hoffte nur, dass sie solche Geschehnisse nicht zu detailliert dem Boss berichtete, sonst kam der irgendwann noch auf die Idee, dass Cognac in Vermouth verliebt war. Dass er ihn diesbezüglich deckte, war mehr als er tun konnte, ein Freundschaftsdienst, von dem der Boss besser nie erfuhr, es war mit Verrat gleichzusetzen. Aber in der Hinsicht war ihm Cognac wichtiger als der Boss.
 

Statt nach Hause zu gehen, taumelte jemand in der Straße herum, mit einer Flasche in der Hand. Er hatte sie schon fast leer gemacht und stieß wenig später gegen einen Bordstein, der ihm beinahe den Boden unter den Füßen entgleiten ließ. „Muss der hier im Weg sein, menno?!“

Sobald man vom Teufel sprach, kam er angerannt – so konnte man es nennen.

„Hey, Cognac – was machst du denn hier?“ sprach ihn Jami an, nachdem er ihn hatte fluchen hören. Dieser machte einen angetrunkenen Eindruck und wirkte gar nicht mehr Herr seiner Sinne.

„Oh Jami, schön dich zu sehen – ich glaube, ich habe mich verlaufen.“

Chenin seufzte, der Junge war ja total hinüber – ja ein Junge, das war er für sie. „Ich glaube, wir sollten ihn nach Hause fahren, bevor er noch unter ein Auto kommt.“

„Gerne kannst du mich mitnehmen, hübsches Kind, ich bin noch zu haben… hehehehe!“ Ein Schweißtropfen lief Jami über die Schläfe, er sollte ihm hier nicht die Frauen streitig machen, warum auch immer er so drauf war, dass er sich sinnlos besoff.

„Ich glaube, du solltest lieber ins Bett gehen und deinen Rausch ausschlafen, mein Lieber, du stinkst wie ein ganzes Whisky-Fass, Cognac! Ich glaube nicht, dass sie auf so was steht.“ Wie konnte er sich so gehen lassen? Hatte er ihm denn nicht gesagt, er sollte es nicht so übertreiben? Sich zu betrinken war das allerletzte.

Dass Jami so etwas sagen musste, war ihr klar. Die schlechten Seiten der anderen verdeutlichten seine eigenen guten. Er neigte eben dazu, alles schönzureden.

„Hier“, er hielt der Frau seinen Schlüssel hin, „du weißt wohin! Warte dort auf mich, ich werde Cognac erstmal nach Hause bringen, bevor er irgendwo in der Gosse landet.“ Er musste auch mal mit ihm reden, er war immerhin sein Sempai, auf ihn würde er schon hören. Aber vor allem war er gespannt auf den Grund. Er wollte gerne wissen, welche Sorgen es waren, die ihn zu so etwas trieben.
 

Kaum zwanzig Minuten später fuhr ein pechschwarzer Ferrari Modena vor einem abgelegenen Haus an. Sein Freund hing mehr im Sitz, als dass er saß, er war total fertig und hatte ein deprimiertes Gesicht. Wohl war es noch nicht genug Alkohol gewesen, um seinen Schmerz zu betäuben, was auch immer er hatte.

Er schnallte Cognac ab, er hatte nur nicht gewollt, dass er vielleicht zur Seite fiel, das hätte er ihm in dem Zustand zugetraut.

Als er ausgestiegen war, zog er Cognac aus dem Auto und hängte ihn sich ein wenig über die Schulter. „Du machst Sachen – hast doch echt einen Knall, man bist du schwer, was hast du wieder alles in dich reingestopft!?“

„Ich bin nich’ fett!“ moserte der Jüngere, woraufhin der Ältere ein kleines Lachen von sich gab. „Habe ich ja auch nicht behauptet, du siehst super aus, nur etwas fertig gerade; sei froh, dass uns nicht noch mehr Frauen begegnet sind, also mir wär das peinlich.“

Sie schafften es bis zum Tor, welches er aufschloss und Cognac bis zur Haustür schleppte. Sie gingen hinein und er gab ihm dort ein paar Hausschuhe. „Ich glaube, ein Tee wird dir ganz gut tun nach so viel Alkohol.“ Obwohl sie sich nach Alkohol benannten, musste es ja nicht heißen, dass sie sich täglich betranken.

Kaum war die Tür offen, hörten sie ein leises Miauen und wenig später erblickte Sêiichî eine Katze mit braun geflecktem Fell, welche sich an Jamis Bein schmiegte und freudig miaute.

„Hast du auf mich gewartet, Rena-chan?“

Ein bisschen verdutzt, blickte Cognac die Katze an, die sich an Jamis Bein schmuste. Eine Katze, das passte überhaupt nicht zu ihm… Obwohl, eigentlich doch, er war gar nicht so ein Mistkerl, wie die meisten dachten. Er glaubte immer noch nicht, dass dieser Mensch einfach so skrupellos andere Leute umbrachte, wenn man es verlangte, oder er verraten worden war.

Sie machten es sich im Schlafzimmer gemütlich, wo er ihm gleich ein Nachtlager aufschlug.

„Sag mal – was war der Grund, weshalb du dich so betrunken hast? Ist irgendwas passiert? Und nun sag nicht, dass es wegen Helios ist, dann krieg ich Zustände.“

Cognac saß auf dem Bett, es war am gemütlichsten dort, es war auch nicht das erste Mal, dass er hier war.

„Und selbst wenn, würdest du mich dann verachten, Jami?“ kam eine sehr ironisch angehauchte Frage des 24-jährigen, welcher ein sarkastisches Lächeln zeigte.

„Überhaupt nicht, du weißt, ich habe ihn auch zu meinen Freunden gezählt, ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er Detektiv sein könnte und uns linkt. Sei nicht traurig darüber; solche Leute gibt es eben, die es nicht ernst mit uns meinen, darüber kommt man hinweg. Wenigstens können wir beide uns vertrauen…“

Um Himmels Willen, er durfte nun kein schlechtes Gewissen ihm gegenüber entwickeln, denn auf gewisse Weise belog er ihn auch. Wüsste Jami, dass er ein Polizist war, hätte er ihn wohl erwürgt, und das war noch die harmloseste Variante, dachte Sêiichî.

„Ich glaube, es gibt nicht viele Männer, die es berauschend finden, dass ausgerechnet wir beide befreundet sind, das kann ich mir gut vorstellen, wie einige sich das Maul über uns zerreißen… Du bist nicht gerade beliebt bei der Männerwelt, Jami.“

„Das macht mir nichts aus, das ist eben der Preis, den man zahlt. Und nun erzähl, was ist los mit dir?“

Etwas bockig wirkte es ja schon, wie Cognac seine Arme vor der Brust verschränkte. „Was weißt du über Kimis Tod? Und keine Ausflüchte, ich will’s wissen! Du bist doch meistens bestens informiert.“

‚Ja, meistens… Aber wenn es um ihren Bruder geht, werde ich ausgeschlossen – was bildet die Kuh sich ein, mich so im Dunkeln tappen zu lassen?!’ Er musste immer wieder an diesen Schreck denken, den er erlitten hatte, als sie bekannt gab, dass sie Hiroya schnappen wollten und nicht gar töten. Das war überhaupt nicht das, was er wollte.

„Ich hatte nichts damit zu tun, wenn du das meinst.“

„Das glaube ich dir sogar, aber Vermouth, sie hatte damit zu tun. Ich will nur wissen, ob das Ganze ein Auftrag war oder…“ Oder eine Inszenierung seiner Freundin, um jemanden loszuwerden, was er weniger prickelnd gefunden hätte.

„Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es war etwas, womit man Rena treffen wollte…“ Es kam ganz leise daher und Jami holte einmal Luft. Er bedauerte es nicht so sehr, aber wenn er an Rena dachte, die sich immer um sie gekümmert hatte, interessierte es ihn plötzlich doch.

„Wie viele es wohl gibt, die sie nicht ausstehen können? So viele fallen mir da nicht mal ein! Gin macht solche Spielereien nicht; mir fallen da irgendwie nur Valpolicella und ihre Anhänger ein. Vielleicht Mérille und Sirius? Sag mir, was du darüber noch weißt.“

Es kam ihm so vor, als hätte Cognac den Besoffenen nur gespielt, jedenfalls klang seine Stimme nun weniger wie die eines total Betrunkenen, aber er konnte sich das auch einbilden.

„Kir hat sich um Kimiko gekümmert, womöglich war das einer der Gründe, aber ich schwöre dir nochmals, ich hatte damit überhaupt nichts am Hut! Tot bringt sie mir gar nichts…“ Auch wenn sie einem ihrer Freunde Geschichten über IHN erzählt hatte, außer Kir und Cinzano wusste ja keiner davon, den Einzigen, der plaudern gegangen wäre, hatte er getötet: Carignan.

„Ich halte es nicht für angebracht, irgendwen dazu zu benutzen, Hiroya zu schaden, das ist falsch, Jami und das weißt du!“ Cognac konnte das nicht ausstehen, wenn er wieder wegen diesem Mistkerl zu solchen Maßnahmen griff. „Was wird wohl, wenn er bei uns mitmacht? Dann kannst du alles, was du in seiner Hinsicht geplant hast, vergessen! Du würdest dir nur Ärger mit dem Boss einhandeln.“

„Du bist auch nicht begeistert davon, oder?“ Ganz bestimmt war der Jüngere das nicht, er konnte sich nicht vorstellen, dass ihm wohl dabei war, den Kerl, der ihn oft bei Aufträgen gestört hatte, unter ihnen zu wissen.

„Es ist wie ein Angebot, uns zu verraten! Ich hätte nicht gedacht, dass der Boss das Risiko eingehen würde, er ist doch sonst übervorsichtig und tötet jeden, der zu viel weiß.“

„Nein, nicht immer, denn er mag Detektive.“

„Gin hasst Detektive – wie er das wohl findet? Bestimmt sehr berauschend, jemanden am Leben zu lassen.“

„Er hat noch nicht erkannt, was wahre Macht bedeutet“, es kam mit einem Lächeln daher und Cognac wusste auch nicht, was er damit meinte.

„Pardon?“

„Macht bedeutet, jemanden der unterlegen ist, auch mal am Leben zu lassen; derjenige wird immer dankbar sein, dass man positiv über ihn gerichtet hat. Wir haben die Macht zu entscheiden. Gin hält es für Macht, einen Menschen einfach so zu töten, aber das ist es nicht. Man beweist Charakter, indem man anderen hilft.“

‚Das sagst du? Ich fass es nicht! Wer hat dir den Blödsinn wieder eingeredet? Der Boss wohl kaum und auch sonst keiner von oben.’ Sêiichî fragte sich wirklich, wo diese Hirngespinste herkamen. „Das klingt aber nicht nach dem Boss…?“

„Das waren Kir’s Worte und ich muss sagen, diese Art von Macht gefällt mir.“

‚Lachhaft – Rena-chan kann dir wohl alles einreden, das sollte sie öfter machen! Hätte sie nur eher mal damit angefangen… Vielleicht hätte das so manchen retten können.’
 

Die Tür ging auf und Licht trat hinein. Im Raum war es ziemlich dunkel. Man hörte den Herzschlag in Form eines Piepsens, welches von einer Maschine ausging.

„Bist du wirklich wach?“ fragte sie in die Stille hinein, was ihn seinen Kopf zur Seite drehen ließ und er sie anlächelte. Er war froh sie zu sehen.

„Sag mir, Shannen-san, wie geht es den Kindern? Geht’s ihnen gut, oder…?“

Die 29-jährige drückte den Lichtschalter hoch, schloss die Tür und ging auf ihn zu. Das Licht erhellte sofort den Raum, er sah müde aus, aber es schien ihm gut genug zu gehen, um sich mit ihm zu unterhalten. Sie setzte sich zu ihm ans Bett und legte ihre Hand auf seine. „Jossy ist wohl auf und Alan ist wie du im Krankenhaus, allerdings auf dem Weg der Besserung, also keine Sorge“, versuchte sie ihn zu beruhigen und lächelte ihn aufmunternd an.

„Kannst du mir denn verzeihen? Dass ich so dumm war, sie zu unterschätzen?“ Er machte einen traurigen Eindruck, seine Augen funkelten sie so bekümmert an.

„Wie gemein wäre ich, würde ich nun mit NEIN antworten? Mach dir um so was keine Gedanken. Konzentrier dich lieber darauf, wieder ganz gesund zu werden und dich zu erholen.“ Er war so ein Baka, aber sie verkniff es sich, ihm das auch noch an den Kopf zu werfen.

„Das ist sehr lieb von dir, Shannen, dabei mache ich dir doch nur Ärger, nicht wahr?“ Er wandte seinen Blick ab und starrte zur Decke. „Und nicht nur dir – was wird denn nun mit ihr werden?“

„Sie steht unter dem Schutz vom Boss, um sie musst du dich nicht sorgen.“ In ihrer Stimme klang auch ein wenig Traurigkeit mit, er wusste aber nicht, weshalb ihn dieser Ton nun so beschäftigte, es hörte sich an, als wenn sie das sie ein wenig störte; als würde sie nicht gerne von ihr hören; vielleicht hatte sie ja sogar was gegen diese Person…

„Hoffentlich, ich habe sie in eine unmögliche Situation gebracht, wie konnte ich nur so etwas tun? Ich habe mich von ihr decken lassen – ich… ich Feigling!“ Er kniff die Augen zu. Ein bisschen auch hatte er es ausgenutzt, um in ihrer Nähe zu sein; wenn man sie nun deswegen umbringen würde, wahrscheinlich würde er daran zugrunde gehen…

„Feigling? Du? Das passt nicht zu dir, Jamie, du bist kein Feigling.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nicht feige, seine Kinder zu beschützen. Du hast es doch nur getan, um sie aus dieser Sache herauszuhalten, und weil du deinem Neffen helfen wolltest.“

„Ich war mal furchtbar gemein zu ihm; das war damals, als ich erfuhr, dass er Cognac ist. Er war mit Vermouth zusammen“, seine Augen verzogen sich zu Schlitzen, was ihr einmal mehr zeigte, was er von dieser Frau und vor allem von ihrer Bindung zu Cognac hielt.

Sie konnte das verstehen, Carpano dachte ähnlich.

„Du hast dir Sorgen um ihn gemacht, das kann ich verstehen, man kann sich auch nur um ihn sorgen, immerhin hängt er sich ausgerechnet an die Frau, die dem Boss am nächsten steht. Er betrachtet sie als sein Eigentum, aber der kleine Sêiichî ignoriert das einfach.“

„Tja, so ist er – tollkühn und rotzfrech in der Hinsicht, wenn es um eine Frau geht. Ich hoffe nur für ihn, dass sie ihn mehr glücklich macht als dass sie ihn quält, ich bin mir da nicht sicher. Zwar habe ich erkannt, dass ich sie nicht trennen kann, dass er sie weiterlieben wird, egal wie viel Schlechtes ich ihm über sie erzähle, aber es macht ihn auch so verletzbar, sie zu lieben. Das bereitet mir richtige Kopfschmerzen. Wenn sie ihn mal enttäuscht, wird Sêiichî nicht mehr Sêiichî sein.“

„Darum würde ich mich nicht so viel sorgen, sie passt schon auf. Er ist einer der wenigen, die wirklich zu ihr halten, sie wird kaum so dumm sein, den Einzigen auf ihrer Seite zu verlieren. So grausam das klingen mag, und ich glaube, ein bisschen verliebt ist sie auch in ihn. Im Gegensatz zu einigen anderen von uns, weiß sie, was es heißt zu lieben. Wenn sie ihm wehtut, ist Yuichi der Erste, der ihr aufs Dach steigen wird“, sie grinste ein wenig. „Und wahrscheinlich auch die gute Katori, denen ist da egal, wer sie ist.“

„Mir wäre lieber, er wäre zu Katori gegangen, wir hatten sie ja auch richtig dazu gedrillt, sich an ihm zu versuchen, leider alles vergebens, er ist doch wieder bei ihr gelandet, der Baka.“

„Starrköpfigkeit scheint in eurer Familie zu liegen; du bist schließlich auch ein totaler Dickkopf, Jamie“, sie wollte ihn nur ein kleines bisschen necken, es war ein liebevolles Ärgern, außerdem sah man an ihren Augen, die ihn besonders anstrahlten, was der Grund dafür war. Er sah sie mit einem leichten Schmollmund an und meinte mit einem „Hey“ dass sie ihn nicht ärgern sollte.

„Aber eine Sache wäre da doch noch, die mich interessiert“, fing sie an und fand sich doch innerlich total unmöglich, dass sie damit anfing. „Vielleicht klingt sie für dich merkwürdig, womöglich sogar unverschämt, aber du und Trincadeira, was ist wirklich zwischen euch?“

Dass eine Frau ihn so etwas fragte, ließ ihn jetzt doch ein wenig rot werden, es kam so überraschend und verwegen daher, dass es ihn total sprachlos machte. Dass sie eine toughe Frau war, das wusste er ja, aber dass sie ihn gerade nach seinem Liebesleben befragte…

Sich räuspernd, fand er es unendlich peinlich, ihr darauf zu antworten, aber er wollte sie nicht im Unklaren lassen. „Also, ich mag sie, aber ich musste feststellen, dass sie nicht wie sie ist, es ist ja auch total schwachsinnig, immer der ersten Liebe nachzutrauen, während es so viele andere tolle Frauen auf der Welt gibt, aber ich habe gedacht…“ Er wurde stiller und schaute auf die Decke, während seine Hände diese fest ergriffen. „…Also ich dachte, dass ich Christina wieder gefunden hätte, aber es war nicht so. Sie mag wie sie aussehen, wie ihr Spiegelbild, aber ihre Art ist eine völlig andere.“ Mehr noch interessierte ihn aber der Grund für diese Frage. Er schaute sie mit seinen hellblauen Augen fragend an. „Aber weshalb möchtest du so etwas über mich wissen, Shannen?“

„Weil ich mich für dich interessiere“, erwiderte sie wie selbstverständlich und warf ihn damit total aus der Bahn. Die Kinderärztin sah an seinem Blick, dass er es nicht fassen konnte, schließlich war er der freche Kerl, der spät abends dafür sorgte, dass sie Überstunden machen konnte. Obwohl sie in der Regel Kinder behandelte, hatte sie auch ihn mehr als nur einmal verarztet, weil er sich wieder selbst was getan hatte. Manchmal hatte sie das Gefühl gehabt, er tat das wirklich absichtlich, eigentlich sehr bescheuert, so etwas zu denken. So hinterhältig war er doch gar nicht. „Ich mag es, wie aufopfernd du dich um deine Kinder kümmerst und ganz selbstverständlich deine eigenen Bedürfnisse hinten anstellst.“

„So etwas denkst du von mir? Ich halte mich eigentlich für ziemlich egoistisch…“ Jamie zog leicht eine Augenbraue hoch, er war noch immer etwas fassungslos über ihre Aussage, dass sie sich für ihn interessierte. Für ihn als Mensch oder sogar… als… Mann? Also wirklich, wie konnte er nun bitte an so etwas denken? Was für ein Unsinn, er tat es als schwachen Moment ab.

„Meine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen? So einen Unsinn habe ich schon lang nicht mehr gehört“, er hätte beinahe angefangen zu lachen, das Freche in seinen Augen leuchtete regelrecht auf. „Statt nach Hause zu fahren, zu meinen Kleinen, bin ich oft bei dir vorbei, nur um dich zu sehen“, das empfand er als alles andere als aufopfernd die eigenen Bedürfnisse hinten anstellen.

Sie fand es überhaupt nicht unsinnig, immerhin hatte er seinen Kindern nicht irgendeine Frau aufgezwungen. Viele Männer taten es…

„Du scheinst ja schon wieder ganz gesund zu sein, zumindest so gesund, dass du dich amüsieren kannst, das freut mich.“ Noch vor kurzem hatte er im Koma gelegen und nun war er so drauf, sie hatte sich so viele Sorgen um ihn gemacht und innerlich so sehr gehofft, dass er endlich wieder die Augen öffnete. Die Angst, die in ihr aufgekeimt war, sie hatte sie des Nachts fast erstickt. In ihren Träumen hatte sie ihn schon so oft verloren.

„Jamie – als wir dich fanden… Weißt du, wie schrecklich es für mich war? Obwohl ich in meinem Leben wirklich schon viel Blut sehen musste, war es furchtbar. Ich dachte, dass wir nie wieder miteinander reden könnten, im ersten Moment dachte ich, dass du schon nicht mehr lebst. Die Angst und Verzweiflung, als wir dich fanden, sie brachte mich fast um. Es war nicht nur meinetwegen, in erster Linie hatte ich Angst um die Kleinen. Besonders Jossy ist noch so klein, sie braucht ihren Dad, ohne ihn ist sie doch verloren, man hat ihr schon ihre Mutter genommen.“ Sie wusste davon, dass Vermouth und Cognac damit zu tun gehabt hatten, aber nicht alle Einzelteile des Puzzles.

„Ja, ich weiß, Sêiichî – nein Cognac – hat sie damals vor meinen Augen erschossen, um uns zu retten. Vermouth war’s, die Jossy beschützte. Eigentlich muss ich ihr noch dankbar dafür sein, aber ich kann nicht vergessen, was sie damals getan hat. Dass sie Christina in diese Sache mit reinzog und ich am Ende alleine dastand. Du siehst, ich bin ganz schön egoistisch.“ Ihre Worte berührten ihn aber auch, weshalb er sie nicht einfach so im Regen stehen lassen wollte und konnte. „Es tut mir Leid, dass du meinetwegen so viele Sorgen hast, du hast weiß Gott Besseres zu tun und genug Kummer, da sollte ich mich nicht so anstellen und dir noch mehr Probleme machen. Ich weiß nur leider noch nicht, wie es nun weitergeht. Eigentlich kann ich nicht hier bleiben… Hier, bei dir.“ Er guckte leicht runter, es tat ihm in der Seele weh. Ihre Stimme, all ihre Sorgen hatte er in ihr vernommen und es war bloß wegen ihm und seinen Kindern. „Wenn ich verschwinden muss, würdest du dafür sorgen, dass es den Beiden gut geht? Ich würde sogar zustimmen, sie zu Pflegeeltern zu geben, weit weg von irgendwelchen dunklen Machenschaften. Ich werde nicht zulassen, dass sie noch tiefer in die Sache hineingeraten. Es ist schlimm genug wie es ist.“

„Das klingt, als wolltest du aufgeben… Sieht dir nicht ähnlich.“

„Oh nein, nicht aufgeben! Aber Valpolicella will mich am liebsten eigenhändig in Stücke reißen, was das heißt, muss ich dir doch nicht sagen, liebe Shannen, oder?“ Er schaute ihr todtraurig in die Augen, mit einem Blick, der ihr durch Mark und Bein ging. Es war ein eindeutiges „ich würde dich gerne lieben, aber es geht nicht“.

„Ach – das wollte sie schon bei so manchem, man muss sie nur mit ihren eigenen Waffen schlagen. Außerdem, es bringt überhaupt nichts, vor ihr stiften zu gehen. Überlass das schön brav mir, ich kümmere mich darum, ich habe keine Lust, dich gehen zu lassen – was ich will, kriege ich auch.“

Jamie erhob sich angstvoll sofort leicht vom Bett. „Oh nein, bitte sag das nicht so! Ich will nicht, dass du schon wieder Ärger wegen mir hast! Und sich mit Valpolicella meinetwegen anzulegen, wäre Irrsinn! Ich bitte dich!“ Jamie ergriff sogar ihre Schultern, er wollte nicht, dass ihr etwas passierte.

„Keine Panik, leg dich wieder hin!“ Sie drückte ihn sanft zurück aufs Bett, er durfte doch noch lange nicht aufstehen, dafür war er bei weitem nicht gesund genug. Vor ein paar Stunden hatte er noch im Koma gelegen, er durfte sich jetzt auf keinen Fall überanstrengen, das war schändlich für seine Gesundheit, die durch die ganzen Verletzungen einen ziemlichen Knacks bekommen hatte.

Dennoch ergriff er ihr Handgelenk so fest, dass sie spürte, wie sich sämtliche Adern in ihrer Hand anspannten und sogar sichtbar wurden. „Du sagst, ich soll keine Panik haben, wenn du dich den Löwen zum Fraß vorwerfen willst?“

„Was soll das denn heißen? Ich werde ganz normal mit dem Boss darüber reden, dass ich dich noch brauche; er weiß, dass Valpolicella gerne überreagiert, mir gelingt es sicher, die Situation zu entschärfen.“

Ihre Worte konnten ihn einfach nicht beruhigen, sie würde sich damit todsicher unbeliebt machen, weshalb er seine Hände zu ihrem Gesicht fahren ließ. Sie gingen vom Unterkiefer bis über die Ohren, er hatte unwahrscheinlich große Hände und konnte damit ihren Kopf gut in ihnen halten. Er hielt sie aber nicht grob fest, sondern war ganz sanft, gerade so, dass er ihren Blick auf sich richten konnte.

„Ich möchte das nicht! Damit würdest du mich bevorzugen. Es gibt so viele Leute unter uns, die das als Grund sehen würden, dir zuzusetzen, ich möchte, dass es dir gut geht, Shannen. Du hast so viel erlebt, von dem ich nur ahnen kann, wie fürchterlich es war. Wenn du meinetwegen in Gefahr gerätst, das wäre nicht in meinem Sinne. Siehst du, du bist eine Frau, eine wunderschöne, kluge und mutige Frau, aber eben immer noch eine Frau, keine wie Valpolicella eine ist. Du bist auch verletzbar und ich als Mann sehe es eigentlich als meine Pflicht an, dich zu behüten, wenn ich nun zulasse, dass du dich für mich einsetzt, was für ein feiger Kerl bin ich dann? Dich in Gefahr laufen lassen und selbst die Füße still halten, es wäre das Letzte, so was zu tun.“ Er seufzte einmal schwer und zog ihr Gesicht näher an seines heran, während er sprach, so dass Shannen schon ihr Gesicht in seinen Augen widerspiegeln sah.

Ungeplant kamen Tränen in ihren Augen auf, als er all diese schönen Dinge zu ihr sagte. Er war ein richtiger Mann, keine Mimose, trotzdem fiel ihr nicht ein, die Begebenheiten zu belassen, wie sie nun waren.

„Um bei dir sein zu können, gehe ich auch das Risiko ein, dass andere mich verabscheuen. Dass Valpolicella sauer wird, ist mir egal.“ Sie würde es todsicher sein, immerhin widersprach sie ihr gerne und stellte sich ihr in den Weg, auch wenn es um Carpano oder Kir ging. Damals, als Cinzano so viel Ärger mit ihr hatte, war sie auch da gewesen, um sie zu bremsen. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und es ist auch nicht, als würde ich mich den Löwen zum Fraß vorwerfen, ich bin ganz vernünftig. Valpolicella wird es auch nicht wagen, auf mich zu schießen, sie müsste befürchten, dass ich zurückschlage, das vermeidet sie.“ Ein Lächeln kam nun in ihrem Gesicht auf, auch wenn die Tränen noch immer in ihren Augenwinkeln glitzerten. „Glaubst du denn tatsächlich, Jamie, dass ich zusehe, wie sie entscheidet, dich zu töten, obwohl ich es verhindern kann? Und ich werde es verhindern! Männer wie dich gibt es nicht viele, es ist immer wieder traurig, einen solchen Mann zu verlieren; das kann ich niemals zulassen.“

Seine Hände zitterten bereits ein wenig, er konnte sie also nicht davon abbringen, so etwas Waghalsiges zu tun? Die Verzweiflung, welche sich allmählich in ihm aufbaute, schlug in Heidenangst um, diese wiederum riss ihn zu diesen Sachen hin. Dazu, dass er ihr Gesicht noch näher an sich heran holte und ihr seine Lippen fest aufpresste, wobei ihm sogar selbst die Tränen kamen. Er würde denen niemals vergeben, wenn sie auch sie töteten, und er wollte auch nicht Schuld daran haben, immerhin tat sie es für ihn.

Seine Hände lagen noch immer auf ihren Wangen und er beseitigte den Rest an Abstand zwischen ihnen so schnell, dass sie nicht darauf gefasst war. Für einen kurzen Kuss, spürte sie seinen weichen Mund auf ihrem und riss im ersten Moment doch die Augen ein wenig auf; man konnte sagen, er überfiel sie damit. Dass er so etwas tun würde, damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Aber als sie den Schreckmoment überwunden hatte, schloss sie einfach die Augen und ließ es geschehen. Mit freudiger Erwartung hatte sie gehofft, dass es geschah; gerade nach seinem Unfall hatte sie sich oft gefragt, wie es sein würde. Auch wenn es in seiner Panik und Verzweiflung, die sie ihm geschenkt hatte, geschah, sie war froh darum. Als sie so wenig Gegenwehr zeigte, wurde der Druck geringer, geradezu als hätte er sie zu dem Kuss zwingen wollen, um sie zur Vernunft zu bringen. Es war eigentlich nicht ein einziger Kuss, er berührte ihre Lippen mehrmals hintereinander. Er konnte sich nicht lösen, immer wieder berührte sein Mund ihren, wobei seine Lippen wie kleine Magnete immer wieder an ihre gezogen wurden. Erst nach knapp 30 Sekunden schaffte er den Absprung, öffnete seine Augen und blickte in ihre, da sie diese ebenfalls geöffnet hatte, als er es beendete.

„Tut mir Leid – ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“

‚Oh, ich glaube, das weißt du ganz genau.’ Dass er sich nun wirklich entschuldigte, weil seine Gefühle ihn übermannten, ein kleines bisschen Frechheit hatte noch nie geschadet. Sie legte ihre rechte Hand an seinen Kopf und fuhr in seine weichen, blonden Haare hinein, bevor sie ihn stürmisch zurückküsste. Schon lange hatte sich keine Frau mehr so über ihn her gemacht. Sie verschmolz mit seinen Lippen und saugte an ihnen, was ziemlich prickelnd und erotisch sich anfühlte und ihn unheimlich heiß machte. Sie küsste ihn bestimmt genauso lange, wie er sie, nur auf eine andere, mehr provozierende Art und Weise. Er war doch zurückhaltender gewesen; sie versetzte ihm einen regelrechten Schreck.

Mit einem kessen Grinsen nahm sie mit der rechten Hand sein Kinn und blickte sie ihn schelmisch an. „Im Gegensatz zu dir, Mr. Moore, werde ich mich nicht dafür entschuldigen.“

Ihr Gesichtsausdruck hatte einen solchen Spruch fast schon angedeutet, trotzdem trieb dieser ihm die Röte ins Gesicht. Dass er derartig leidenschaftliche Gefühle in ihr auslöste, hatte er bisher noch nicht so ganz mitbekommen und fühlte sich ein bisschen hitzig.

„Gut, Ms. Crúz, ich nehme meine Entschuldigung augenblicklich zurück!“ gab er ihr zurück und lächelte sie an, es war ein Lächeln, wie ein eigentlich glücklicher Mann es zeigen würde. Da Jamie sich ohnehin aufgerichtet hatte, drückte er sie mit einer Hand mit dem Kopf an sich heran, so dass sie seinen mittlerweile wieder regelmäßigen Herzschlag vernehmen konnte. Während er ein wenig zur Wand starrte und gedankenverloren in ihren welligen Haaren spielte, ging die Tür auf und eine blonde Frau trat hastig in den Raum hinein, blieb allerdings stehen, als sie die beiden Menschen in den Armen des anderen erblickte.

„Helios!“ entfuhr ihr fast atemlos, sie hatte sich schreckliche Sorgen um ihn gemacht.

Als Shannen ihre Stimme vernahm, zuckte etwas in ihrem Inneren zusammen. Wieso, woher und warum? Das waren die Fragen, wie sie in ihren Gedanken aufkamen.

Er brauchte etwas länger, als seine Besucherin, um die Hellhaarige auszumachen und er löste sich noch nicht einmal, sondern ließ Shannen noch immer nicht los, auch als sein Blick zu der jungen Frau schweifte, die gerade seinen Codenamen ausgesprochen hatte.

Ihre schockierten Augen, sie sahen beinahe entsetzt, scheinbar von ihm selbst enttäuscht drein. Was sie dachte und fühlte, dachte er an ihrer Miene zu sehen, wie sie ihn verständnislos und verletzt anblickte. Er wollte etwas sagen, doch blieb er stumm…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück