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Schatten des Zweifels

Kapitel 16 ist on
von

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Zweifel

Wenn du dein ganzes Leben einer einzigen Aufgabe widmest... dein Herz und deiner Seele, ihr vollkommen verschreibst... nie daran Zweifelst, das du das richtige Tust.... Und immer an deine Träume glaubst...
 

Dann solltest du mir jetzt nicht weiter zuhören....
 

Ich habe es getan... bin mein ganzes Leben einem Schatten hinterher gejagt... doch ich habe ihn nie zu fassen bekommen... jedes mal, wenn ich glaubte, ich hätte ihn erreicht, löste er sich auf... ließ mich zurück an der Stelle, an der ich schon mein ganzes Leben lang stand... Am Anfang....
 

Trotzdem habe ich nie aufgehört, ihn zu jagen.... vielleicht war es Trotz, vielleicht auch nur die Angst davor, zu erkennen das es nur ein Trugbild war.... eine Illusion, hinter der ich mich verstecken konnte... die mir Stärke und Sicherheit bot.... und das brauchte ich, um in dieser Welt zu überleben...
 

Diese Welt ist nicht so schön, wie viele von euch denken... niemand würde mir glauben, was ich schon alles erleben musste... Ich sah Menschen sterben... einige Friedlich, doch die meisten in Höllenqualen... nur die wenigsten wussten die Antwort auf dem, warum...
 

Ich kannte sie, gehörte zu den wenigen die wussten, warum das alles nie enden würde... warum immer wieder tot und Zerstörung...Trauer und Leid über uns herein brachen... Doch mir wurde verboten darüber zu sprechen... Und glaubt mir, ihr wollt es gar nicht wissen....
 

Was mich betraf, so versteckte ich mich hinter meinem Schatten... es war leichter als der Wahrheit ins Gesicht zublicken... einer Wahrheit die besagte, das alles was wir tun umsonst seine würde.... das wir nicht in der Lage seine würde es zu ändern, sosehr wir uns auch bemühten....
 

Viele Menschen glauben das, wenn man stirbt, sein ganzes Leben noch einmal an sich vorbei ziehen sieht... du siehst die Dinge die du getan hast... Gute wie auch die Schlechten... und du erkennst was du richtig und was du falsch gemacht hast...

Und wozu?...

Du kannst sie nicht ändern, du wirst einfach mit der Gewissheit sterben, das du sie getan hast...
 

Es gibt viele Dinge die ich getan habe und jetzt bereue... doch ich tat sie in der Gewissheit, das ich das richtige tat... Es war ja nie so, das ich eine Wahl gehabt hatte, obwohl mir immer wieder gesagt wurde, ich könnte mich entscheiden... Doch was war das schon für eine Wahl?.... Die Augen vor dem unausweichlichen schließen und mir einbilden, man würde mich übersehen.... oder mich auf die Seite derer stellen, die sich so trotzig gegen das nicht zu ändernde Verteidigten.... Ich konnte in Frieden sterben, doch mit der Gewissheit das ich ein Feigling war... oder ich könnte unter Höllenqualen sterben, aber als Held...

Was also wählen?...
 

Ich nahm den Weg als Held... sah unzählige Menschen sterben und tötete genauso viel von unseren Feinden... Und das alles tat ich in dem Glauben, das mein Schatten mich beschützen würde... Aber er tat es nicht...
 

Das erste mal, das ich an meiner Wahl zweifelte, war in dem Moment, als auch die Menschen starben, die ich so sehr liebte... Menschen mit denen ich gelacht oder geweint habe... mit denen ich Seite an Seite gekämpft hatte... Sie alle hatten einen Schatten denen sie hinter herjagten, doch nur einer unter ihnen wusste, das sie ihn niemals erreichen würden....
 

Es war grade dieser Mensch, der mich immer wieder dazu ermutigte weiter zukämpfen.... Wieder aufzustehen, obwohl ich doch schon längst am Boden lag.... Dieser Mensch gab mir die Hoffnung die ich brauchte um nicht aufzugeben... Aber irgendwann war auch er nicht mehr da...
 

Dies wahr wahrscheinlich der Augenblick in dem ich aufgab, meinen Schatten zu jagen.... Der Moment in dem mir egal geworden war, ob ich starb oder überlebte... Ich weiß nur das, wenn ich sterbe sollte und mein Leben noch einmal, an mir vorbei laufen sollte.... Ich noch einmal die Möglichkeit bekomme, zu sehen was ich alles richtig oder falsch gemacht habe... Das ich dann weiß, das dieser Weg, den ich damals gewählt habe.... der Falsche war.
 

byby Blacklady

Goldener Käfig

Der kalte Nachtwind zerrte an ihrem Haar und ließ ihr weißes Kleid flattern. Ihre Finger umschlossen das Geländer des Balkons, während ihr trauriger Blick auf die Sterne gerichtet war. Über ihr zuckten die Blitze, grollte der Donner und sie wusste das sie Versagt hatte. Versagt in ihren bestreben, diesen blutigen Krieg zu vermeiden. Nun konnte sie nichts weiter tun, als darauf zu warten das es Enden würde und dafür zu beten das nicht alles, was sie getan hatte umsonst gewesen war. Wer auch immer diesen Krieg gewinnen würde, für sie spielte es keine Rolle mehr. Sie hatte Verloren, noch bevor der wirkliche Kampf begonnen hatte. Niemals wieder würde es so sein, wie zuvor. Für sie gab es kein entkommen mehr. Eine Hand legte sich besitzergreifend um ihren zierlichen Körper und sie zuckte angewidert zusammen, als ein heißer Atem ihren Nacken streifte.

„Du solltest rein gehen, es ist kalt heute Nacht. Du erkältest dich sonst noch“ sie hätte beinahe bei seinem fürsorglichen Tonfall laut aufgelacht. Er war falsch, genauso falsch wie er es war.

„Als ob es dich interessieren würde“ ihre Stimme war kalt, jegliche Güte die sie einmal besessen hatte, war daraus verschwunden. Seine Hand fuhr ihren Körper entlang und es kostete sie einige Überwindung ihm nicht mitten ins Gesicht zu spucken.

„Natürlich interessiert es mich. Ich möchte doch das es meiner Frau gut geht“ säuselte er an ihrem Ohr und zum ersten mal wandte sie ihren Blick von den Sternen ab, um ihn in die kalten braunen Augen zusehen. Er war alt. Fast 30 Jahre älter als sie. Das einstmals braune Haar war nun grau und in seinem Gesicht lag keine Güte oder Sanftheit, sondern nur grausame Brutalität. Sie liebte ihn nicht, hatte das niemals getan und doch war sie bereit ihn zu Heiraten. Und das alles nur um diesen Krieg zu beenden.

„Ich bin nicht deine Frau“ nein noch war sie es nicht, doch schon in wenigen Tagen würde sie es sein. Sie hatte ihren Körper diesen Monster verkauft, um so viele unschuldige Leben zu retten, doch ihr Herz würde er niemals besitzen. Er lachte leise und grinste wieder dieses widerwärtige Grinsen, bei dem es ihr immer eiskalt über den Rücken lief.

„Noch nicht Serenity. Doch schon bald und dann gehörst du mir“ er griff in ihr blondes Haar und zog ihren Kopf nach hinten. Dann drückte er ihr einen so schmerzhaften Kuss auf die Lippen, das sie ihr eigenes Blut schmecken konnte. Unfähig sich aus seiner Umklammerung zu befreien, ließ sie es stumm über sich ergehen, während heiße Tränen ihre Wange hinunter liefen.

„Das war nur ein Vorgeschmack auf unsere Hochzeitsnacht“ grinste er, dann ließ er sie los und schritt in den Palast zurück. Keine Sekunde später gaben Serenitys Knie nach und sie rutschte auf den kalten Marmorboden. Die Arme fest um ihre zitternden Körper geschlungen wiegte sie sich wie ein kleines Kind hin und her, während heiße Tränen ihre Wangen benetzten.

„Endymion“ schluchzte sie, obwohl sie wusste das auch er ihr Herz zerreißendes Flehen nicht hören würde. Sie hatte auf die Liebe verzichtet und dem Teufel die Hand gereicht. Niemand würde sie jetzt noch, aus diesen Alptraum retten.
 

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Das lautstarke klopfen an ihrer Tür, weckte sie aus ihrem wohlverdienten Schönheitsschlaf und grummelnd zog sie sich die Decke über den Kopf. Sie wollte noch nicht aufstehen und sich den leidigen Pflichten stellen, die man von ihr verlangte. Ihr süßer Traum, war noch zu frisch, vermochte es noch die unliebsamen Gedanken zu verdrängen, mit denen sie sich die letzte halbe Nacht herum geschlagen hatte. War es denn zu viel verlangt, das sie einmal ausschlafen wollte? Nur ein einziges mal, nicht daran Erinnert werden wollte, wer sie war und was sie zu tun oder zu lassen hatte? Anscheint nicht, denn das nervige klopfen ließ nicht nach und Parallel dazu, setzte ein schmerzliches pochen in ihrer Schläfe ein.

„Verschwinde“ brummte sie verschlafen und zog auch noch das Kissen über ihren Kopf, um den störenden Gast besser ignorieren zukönnen.

„Serenity, beweg endlich deinen Hintern aus dem Bett und öffne gefälligst die Tür. Der Geschichtslehrer wartet schon 20 Minuten auf dich“ drang eine wütende Frauenstimme gedämpft durch die Tür und die junge Frau im Bett konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zum Glück hatte sie daran gedacht die Tür zu verschließen, bevor sie am Abend ins Bett gegangen war.

„Dann werden ihn weitere 2 Stunden auch nicht mehr stören“ entgegnete sie trocken, die Augen noch immer fest auf einander gepresst, um nur nicht in die Wirklichkeit zurück kehren zu müssen. Ein wütendes schnauben und ein leises knurren, war die Antwort auf ihre spitze Bemerkung, bevor das Trommeln gegen die Tür von neuen einsetzte.

„Wenn du jetzt nicht sofort aufstehst, trete ich die Tür ein“ erklang eine drohende Auforderung, doch Serenity tat sie mit einem Achsel zucken ab.

„Wenn du das tust, bekommst du mächtigen Ärger, Mars“ entgegnete sie wenig beeindruckt.

„Das ist mir scheiß egal“ kam prompt die gereizte Erwiderung zurück.

„Mars geh mal zur Seite, hier müssen härtere Maßnahmen angewandt werden“ erklang eine weitere Frauen Stimme, die sehr entschlossen klang und erschrocken öffnete Serenity ihre Augen. Mit einem leisen Protestschrei, schlug sie die Bettdecke zur Seite und sprang eiligst aus dem Bett. Mit nackten Füßen und nur mit einem hauch dünnen Satin Nachthemd bekleidet, huschte sie geschwind über den kalten Marmorboden, der auch den Rest ihrer Müdigkeit vertrieb. Ihr langes blondes Haar fiel in Wellen über ihren Rücken und umrammte ihr schönes Gesicht, als sie mit einer fließenden Bewegung den Riegel zur Seite schob. Es gelang ihr grade noch rechtzeitig auszuweichen, als die Tür krachend aufschwang und eine hoch gewachsene Brünette an ihr vorbei, quer durch ihre Gemächer segelte. Erst ihr großes Himmelbett beendete den spektakulären Freiflug und die Frau blieb wie ein Knäul darauf liegen.

„Für diesen Flug bekommt sie ein vier“ überlegte sie laut, während sie erneut die Tür öffnete, um auch ihren weiteren Besuch einlass zugewähren.

„Warum hat das so lange gedauert?“ beschwerte sich Mars in ihrer gewohnten art und weiße, doch funkelten auch ihre schwarz/violetten Augen Amüsiert, beim Anblick ihrer Freundin. Das hüftlange schwarze Haar, bildete einen scharfen Kontrast zu dem Feuerroten Kleid, welches sie trug.

„Wenn ich gewusst hätte, das Jupiter es so eilig hat, wieder ins Bett zukommen, dann hätte ich die Tür natürlich schon früher aufgemacht“ entgegnete Serenity sarkastisch und wandte sich dann ab, um Jupiter beim aufstehen zu helfen.

„Ist alles O.K.? Bist du auch nicht verletzt?“ erkundigte sie sich ehrlich besorgt, während ihr Finger das Bündel von den weichen Lacken befreiten, bis ein verdattertes Gesicht zum Vorschein kam. Das Braune Haar, welches sie zu einem Zopf gebunden hatte, stand ihr wirr vom Kopf ab und ihre ebenfalls brauen Augen, schweiften durch den Raum, als müsse sie erst überlegen, wie sie hier her gekommen war. Doch dann blieben sie an Mars hängen, deren Schultern verräterisch zuckten.

„Was gibt es denn da zu lachen?“ fragte sie säuerlich, während sie sich aus dem Bett erhob und ihr samt grünes Kleid wieder in Ordnung brachte.

„Ich lache nicht“ Mars Lüge wäre vielleicht überzeugender gewesen, wären ihre Worte nicht mehrfach von einem unterdrückten glucksen unterbrochen worden und stünden in ihren Augen keine Tränen, die davon zeugten das sie kurz davor war in schallendes Gelächter auszubrechen.

„Das sehe ich“ bemerkte Jupiter sarkastisch und baute sich zu ihrer vollen Größe auf. Serenity kam sie dann immer so vor, wie ein wildgewordener Terrier, der kurz davor war zum Sprung an zusetzten, um sich in die Wade eines unschuldigen Passanten zu verbeißen. Doch mit der Gewissheit, das sie Jupiters Zorn dann auf sich lenken würden, behielt sie diese Bemerkung kluger weise für sich. Stattessen verschwand sie kopfschüttelnd, hinter ihrer Umkleide um mit der leidigen Morgenprozedur von Waschen, Haarkämmen und Anziehen zu beginnen, bevor den beiden möglicherweise wieder einfiel, weshalb sie eigentlich gekommen waren. Dieses geschah, bedauerlicher weiße recht schnell, denn nur kurze Zeit später erlang das unverkennbare klacken von Absätzen und Serenity erkannte das Mars wieder einmal mit ihrer Geduld am ende war.

„Mars könnest du bitte damit auf hören“ wies sie ihre Freundin und Mitglied ihrer persönlichen Leibgarde zurecht, da das pochen in ihrer Schläfe weiter zunahm. Etwas in Serenitys Stimme musste Mars beunruhigt haben, denn sie hörte Augenblicklich damit auf, den Boden mit ihren Absätzen zu bearbeiten. Etwas was recht selten vorkam, wenn sie einmal aufgebracht war und das kam wieder um sehr häufig vor.

„Stimmt etwas nicht Serenity? Fühlst du dich nicht wohl?“ es war Jupiter, die Mars Sorge als erste laut aussprach.

„Mir geht es gut, nur ein wenig Kopfschmerzen“ erklang Serenitys Stimme hinter der Umkleide und Mars und Jupiter wechselten einen Blick, der verriet das sie an dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage erheblich zweifelten.

„Bis du sicher, du scheinst in letzter Zeit etwas gereizt?“ hakte Jupiter vorsichtigen nach.

„Ich bin nicht gereizt“ ihr scharfer ton, ließ Mars eine Augenbraue hoch ziehen.

„Sicher, wenn du das sagst! Im übrigen wir sollen dir ausrichten, das deine Mutter dich zu sehen wünscht. Es scheint sehr wichtig zu sein“

Serenity war froh darüber, das sie hinter der Umkleide stand, denn so konnten ihre Freundinnen wenigstens nicht sehen, wie sie genervt die Augen verdrehte. In letzter Zeit, war es immer ´wichtig´ wenn ihre Mutter sie zu sehen wünschte. Das lag vor allem daran, weil Serenity schmollte und ihrer Mutter wann immer es ihr möglich war, lieber aus dem Weg ging. Sie trat hinter der Umkleide hervor, ganz in strahlend weißer Seide gehüllt, die sich eng an ihren schmalen Körper schmiegte. Die Ungeduldigen Blicke von Mars und Jupiter, die es sich auf ihren Bett bequem gemacht hatten, ignorierend, schritt sie in gemächlichen Schritten zu ihrer Kommode und begann ihr langes blondes Haar in langen Zügen zu bürsten.

„Du hast es anscheint nicht sehr eilig“ bemerkte Mars, die wieder von neuen begonnen hatte mit ihren Absätzen, den Boden zu ruinieren. Doch dieses mal beschwerte sich Sereniy nicht, obwohl sie jedes erneute klopfen, an den Rand es Wahnsinns trieb.

„Schon möglich“ räumte sie ein, während sie ihre Haar zu zwei langen Zöpfen band.

Mars stöhnte genervt, während sie ihren Kopf auf ihre Hände abstützte und Serenitys Gesicht im Spiegel musterte. Wie immer strahlte sie Ruhe und Gelassenheit aus, als ob es nichts auf dieser Welt geben würde, vor dem sie sich Sorgen müsste. Doch Mars wusste es besser, in all den Jahren in denen sie Serenity jetzt schon kannte, hatte sie früh gelernt das man bei ihr auf die kleinen Dinge zu achten hatte um hinter die Fassade, von Fröhlichkeit und Sorglosigkeit zublicken. Denn für gewöhnlich hielt Serenity mit ihren Problemen so lange hinterm Berg, bis sie selbst keinen Ausweg mehr wusste, doch dann war es meistens schon zu spät.

„Was ist los? Etwas bedrückt dich und versuche es gar nicht erst zu leugnen. Das sehe ich dir an der Nase spitze an“ nun gut es war nicht ganz die Wahrheit, denn Serenity Gesicht war gütig wie immer. Es war viel mehr, ihre gereizte Stimmung und der kleine Schatten in ihren Augen, der nur dann auftauchte, wenn sie etwas ernsthaft belastete, die sie verraten hatten. Auch Jupiter konnte ihren inneren Zwiespalt erkennen und setzte noch einen drauf, um ihren Wiederstand zu brechen.

„Du kannst mit uns über alles reden. Wir sind doch Freunde“ Das schien gewirkt zu haben, denn Serenitys anfängliche Unsicherheit machte Sorge und ein wenig Zorn platz. Sie seufzte und die Art, wie sie eine silberne Kette auf hob und Gedankenverloren damit herum spielte, ließ Mars erahnen auf was für ein Mienenfeld sie sich grade Freiwillig begeben hatte. Es war niemals gut, wenn Serenity nervös wurde.

„Alfredo hat gestern mal wieder, bei meiner Mutter um meine Hand angehalten“ erklärte sie schließlich in dem gleichen besonnen Ton, den sie immer bei Stadtangelegtheiten zu benutzen pflegte. Jupiter stieß einen bewundernden pfiff aus, während Mars verächtlich schnaubte.

„Dieser Kerl weiß anscheint nicht, was ein Nein bedeutet“ das war noch eine harmlose Untertreibung. Alfredo war wie besessen von dem Wusch sie zu Heiraten, seit sie mit vierzehn einander Vorgestellt wurden. Seit dem hing er wie eine Klette an ihr, schenkte ihr Blumen, schrieb Gedichte und machte ihr den Hof. Ihre offene Ablehnung ihn gegenüber, hielt ihn leider nicht davon ab, nun schon zum dritten mal, um ihre Hand anzuhalten. Bis jetzt hatte ihre Mutter immer ihr nein respektiert und Alfredo höflich abgewimmelt, doch nun sahen die Dinge leider etwas anders aus.

„Mutter möchte das ich ihn Heirate, sie hält es für eine gute Idee“ ihrer Stimme verriet, das sie von diesem Gedanken alles andere als begeistert war. Mars schüttelte angewidert den Kopf, sie konnte Alfredo genauso wenig leiden wie sie, nur Jupiter legte die Stirn nachdenklich in Falten.

„Wie kommt sie darauf?“ das war eine durch aus berechtigte Frage und zeigte mal wieder das Jupiter auf keinen der beiden Seiten stand. Sie war unpatisch, hörte sich geduldig die einzelnen Argumente an und fiel dann erst eine Entscheidung. Meistens eine, mit der beide Seiten zufrieden sind, doch dieses mal Zweifelte Serenity daran, das es ihr gelingen würde.

„Sie hält Alfredo für einen guten Ehemann und außerdem glaubt sie das diese Ehe Vorteile bringt. Vorteile für uns natürlich. Die Zeiten sind alles andere als sicher und einen langzeitlicher Frieden mit dem Orionnebel ist das beste was uns passieren kann“

„Aber wir sind doch gar nicht im Krieg mit dem Orionnebel, soviel ich weiß“ bemerkte Mars.

„Nein natürlich nicht. Meres, der König des Orionnebels ist ein Freund meiner Mutter und außerdem ist das Silbereich viel stärker als er. Er würde es nicht wagen uns den Krieg zu erklären. Doch glaubst du allen ernstes, er würde mich als seine Königin Akzeptieren? Alfredo steht ganz unter seinen Fittichen, alles was sein Vater will, führt er mit Freuden aus. Ich gebe mein Königreich keinen Tyrannen in die Hände“

„Das weist du nicht. Es gibt keine Beweise dafür, das er wirklich ein Tyrann ist“ wagte Jupiter, einzulenken.

„Es gibt auch keine Beweise dafür, das er es nicht ist. Ich traue ihm nur so weit, wie ich ihn werfen kann. Also überhaupt nicht. Er ist ein alter Fuchs, der seine Finger nach ein Reich ausstreckt, das ihm nicht zusteht“ knurrte Serenity und umklammerte die silberne Kette so stark, das Mars befürchtete sie würde das schöne Schmuckstück zerbrechen.

„Ich glaube das bildest du dir nur ein. Du suchst nach einem Sündenbock, weil du Alfredo nicht Heiraten möchtest. Doch du solltest dabei auch an das Wollergehen deines Volkes denken. Wie du schon richtig gesagt hast, sind die Zeiten alles andere als Sicher. Ein falschen Wort und wir befinden uns in einem Krieg. Möchtest du das?“ hielt Jupiter dagegen und Mars zog lieber den Kopf ein. Wenn es etwas gab, was Serenity noch mehr hasste, als jemanden zu Heiraten den sie nicht wollte, dann war es an ihre Pflichten erinnert zu werden.

„Du hörst dich an wie meine Mutter. Was glaubt ihr denn, was ich die ganze Zeit mache. Ich sehe in diese bescheuerten Hochzeit keine Vorteil, für das Reich, sondern nur noch mehr Probleme und deshalb werde ich Alfredo nicht heiraten“ damit war ihr letztes Wort gesprochen und mit rauschenden Röcken verließ sie ihre Gemächer.
 

„Na toll, jetzt wird sie die nächsten Tage unausstehlich sein. Musste das denn sein?“ beschwerte sich Mars und stand vom Bett auf. Jupiter zuckte die Schultern.

„Zumindest wird sie diesen Schleimbolzen jetzt nicht mehr Heiraten“ entgegnete sie gelassen und stand ebenfalls auf. Überrascht drehte sich Mars zu ihr um.

„Du hast sie mit Absicht gereizt?“

„Na klar. Ich kann Alfredo genauso wenig leiden wie sie und auch mit seinem Vater muss ich ihr recht geben, ich traue ihm nicht. Er ist wie ein Rabe, der sich auf alles stürzt was glänzt. Ich dachte mir, wenn ich Serenity ein wenig reizte, kann ich ihre Zweifel beseitigen“

„Dann hast du also voll und ganz auf ihren Trotz gesetzt! Dieser Schuss hätte aber auch nach hinten losgehen können, das ist dir doch klar. Das wohl ergehen ihres Volkes steht für sie an oberster stelle. Wenn es sein muss, würde sie selbst einen Pakt mit dem Teufel eingehen um es zu schützen“ bemerkte Mars und Jupiter nickte, während sie gemeinsam Serenitys Gemächer verließen.

„Stimmt und zum Glück ist Serenitys Menschenkenntnis besser als der ihrer Mutter. Wenn sie behauptet, das Meres ein Tyrann ist, dann ist er es auch. Doch wir sollten in Zukunft lieber Serenitys Schutz Verschärfen. Wer weiß wie er reagieren wir, wenn er erfährt das sie ihm einen Strich durch die Rechnung macht“
 

Noch immer leicht zornig, ging Serenity die Gänge des Palastes entlang. Was bildete sich Jupiter eigentlich ein? Es war nicht nötig sie daran zu Erinnern, was ihre Pflichten waren. Sie brauchte doch schließlich nur in einem Spiegel zu schauen, um es nicht zu vergessen. Sie war Serenity, einzige Tochter von Königin Sereniti und somit Thronerbin des Silberreichs. Eines der größten Reiche dieses Sonnensystems, das sieben der acht Planeten mit einschloss. Diese waren zwar eigenständige Königreiche, doch dem Mondvolk, wie das Silberreich im Volksmund auch genannt wurde, treu ergeben. Nur die Erde, die Sonne und einzelne kleinere Königreiche weigerten sich, die Herrschaft des Silberreichs an zuerkennen. Was immer wieder zu neuen Kriegen und Rebellionen führte. Die einzige Ausnahme in diesem Geflecht aus Verbündeten und Feinden, bildete der Orionnebel. Er steht auf keiner der beiden Seiten und war somit, nach Serenitys Meinung am gefährlichsten. Von vorne reichen sie einen lächelnd die Hand und von hinten stoßen sie einem das Schwert durchs Herz. Wie oft hatte sie jetzt schon versucht, ihre Mutter davor zu warnen, das der Orionnebel nicht das friedliche Königreich war, für das sie es hielt. Doch ihre Mutter wollte nichts davon wissen, sie war jetzt schon seit Jahren mit Meres befreundet und vertraute ihm blind...
 

Ihr Weg endete vor einer großen Doppeltür und seufzend klopfte sie, bevor sie die Klinke nach unten drückte und eintrat. Das Arbeitszimmer der Königin, war ein genauso beeindruckender Raum, wie alle anderen im Palast. Er war riesig und die hohen Bücherregale die, die Wände rechts und links säumten, ließen den alten Eichenholztisch an dem ihre Mutter saß, fast winzig erscheinen. Ein wärmendes Feuer prasselte ihm Karmin hinter ihr und der leichte Geruch von verbrannten Holz, hatte etwas heimisches und doch fühlte sich Serenity nicht wohl.

„Du wolltest mich sprechen Mutter?“ sie ließ mit Absicht, die höflichen anreden beiseite, die sie eigentlich benutzen sollte, wenn sie der Königin gegenüber stand. Doch hier ging es nicht um ein Gespräch zwischen Prinzessin und Königin, sondern um eines zwischen Mutter und Tochter. Nur wenn sie diesen unterschied von vornherein festlegte, konnte sie hoffen das sie aus diesen Zimmer mit heiler Haut, wieder heraus kam. Langsam hob Königin Sereniti den Kopf und....lächelte. Serenity wurde noch mulmiger zu mute. Entweder wusste ihre Mutter noch nicht, das sie den Unterricht versäumt hatte, oder die Angelegenheit die ihre Mutter mit ihr besprechen wollte, war wirklich wichtig. Serenity tippte auf zweitens, denn ihrer Mutter entging nie etwas.

„Serenity Liebes, setzt dich doch“ ihre Nackenhaare stellten sich auf und eine warnende Stimme riet ihr, auf dem schnellsten Weg den Raum wieder zu verlassen, wie sie gekommen war. Denn ihre Mutter hatte wieder einmal diesen Mutter-weiß-es-doch-am-besten Unterton. Doch statt auf ihre innere Stimme zu hören, ließ sie sich auf einen Stuhl nieder, mit der Gewissheit das sie es später noch bereuen würde.
 

ByBy Blacklady

Der Teufel und sein Handlanger

Konnichi Wa,
 

nach einer längeren Pause melde ich mich nun, mit einem neuen Kapitel zurück^^

Da "Love and other trouble" abgeschlossen ist, werde ich mich wieder ausgiebig, meiner Anderen Geschichten zuwenden.

Diejenigen unter euch, die es kaum abwarten können, zuerfahren wie es beim "Rad des Schicksal" weitergeht, müssen sich leider noch etwas in gedult üben.

Ich werde mich bemühen, noch dieses Jahr, ein neues Kapiel zu schreiben, kann aber nichts versprechen^^

Doch dafür wird es beim "Schatten des Zweifels" mit schnellen Schritten weitergehen.

Ich wollte mich auch noch mal rechtherzlich für die Kommis bedanken. Für Lob und Kritik bin ich immer zuhaben, aber nicht ganz so hart sein. So will euch nicht länger belästigen also los gehts.
 


 

Kapiel 2) Der Teufel und sein Handlanger
 

Im Arbeitszimmer der Königin herrschte eine drückende Stille, niemand der beiden Frauen wollte den ersten Schritt tun. Königin Sereniti nicht, weil sie nicht wollte das sich ihre Tochter zu etwas gedrängt fühlte und Serenity nicht, weil sie nicht wollte, das ihre Mutter dachte sie würde kampflos klein bei geben. Während die Königin ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte trommelte, spielte Serenity mit ihrer silbernen Kette herum, die sie die ganze Zeit in den Hand gehalten hatte. Wie ein Pendel ließ sie den runden Anhänger immer wieder hin und her baumeln und ließ sich dabei auch von dem tadelnden Blick ihrer Mutter nicht stören. Von ihr aus hätten sie dieses Spiel noch den ganzen Tag weiter spielen können, doch bezweifelte sie das ihre Mutter weder die Zeit noch die Nerven, dafür aufbringen konnte. Was sie betraf hatte sie beides im Überfluss.

Endlich schien ihre Mutter aufzugeben, denn sie hörte auf mit ihren Fingern auf den Tisch zu trommeln und lehnte sich mit einem seufzter in ihrem Stuhl zurück.

„Wie lange willst du den noch schmollen, Serenity“ der runde Anhänger der grade dabei war nach links aus zu schwingen hielt mitten in der Luft an und für einen Augenblick sah er aus als würde er schweben. Doch dann machte der Anhänger einen Ruck und landete in Serenitys ausgestreckter Hand. Serenitys Handbewegungen waren so schnell gewesen, das die Königin sie nicht mit den Augen zu folgen vermochte.

„Soll ich Alfredo immer noch Heiraten?“ stellte sie eine Gegenfrage und als ihre Mutter bestätigend nickte, zuckte sie mit den Schultern.

„Noch eine weile“ Die Königin seufzte, griff nach einer Akte auf ihren Schreibtisch und überreicht sie Wortlos ihrer Tochter.

„Was ist das?“ neugierig beugte das blonde Mädchen das schreiben, ließ unwichtige Details aus und kam gleich zum Kern der Sache. Doch bei jeder Zeile die sie las, begannen ihre Hände mehr und mehr zu zittern, bis schließlich die silberne Kette zu Boden viel.

„Ist das sicher?“ ihre Stimme war nicht mehr als ein flüstern und ihre Augen waren vor Angst geweitet.

„Ich wollte es dir nicht sagen, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Doch es ist ziemlich sicher. Die Sonne und kleiner Königreiche verbunden sich, ein Krieg scheint unausweichlich. Deshalb möchte ich, das du Alfredo heiratest, denn ich befürchte das wir es ohne die Hilfe des Orionnebels nicht schaffen werden.“

„Was ist mit der Erde? Werden sie sich auch verbünden?“

„Noch zögert Königin Gaia, sie hat mit eigenen Problemen in ihrem Reich zu kämpfen. Doch wenn sich alle zusammen schließen, denke ich, wird auch sie nicht zögern“ erklärte Königin Sereniti. Die Prinzessin schloss die Augen und atmete tief durch. Sie hatte schreckliche Angst vor einem Krieg. Das letzte mal, als es zu einem kam war ihr Vater dabei gestorben. Sie wollte nicht noch mehr Menschen verlieren, die sie liebte. Trotzdem blieb sie bei ihrer Entscheidung, sie würde ihr Reich keinem Tyrannen in die Hand geben. Da kann sie ja gleich eigenhändig zum Schwert greifen. Als sie ihre Augen wieder öffnete, loderte feste Entschlossenheit darin und verdeckte ihre Furcht.

„Ich werde Alfredo nicht heiraten, wenn Meres uns nur aus diesen Grund helfen will, dann werden wir auf seine Hilfe verzichten. Wenn es nicht anders geht, werden wir halt die äußeren Sailor Krieger zu Hilfe holen. Doch in erster Linie glaube ich dran das wir diesen Krieg vermeiden können“

„Ist das deine endgültige Entscheidung?“ erkundigte sich ihre Mutter, sie sah weder Zornig noch überrascht aus. Viel mehr, sah sie wie eine Frau aus, die mit nichts anderem gerechnet hatte.

„Ja“

„Und du willst es dir nicht noch einmal anderes überlegen. Alfredo ist ein ehrenwerter Mann“

„Nein“ Serenity ließ sich nicht von ihrer Überzeugung abringen. Sie würde dafür kämpfen, auch wenn es in einem blutigen Krieg enden sollte. Zu ihrem erstauen lächelte ihre Mutter sogar.

„Um ehrlich zu sein, ich habe mit nichts anderem gerechnet. Du bist ein Dickschädel, genauso wie dein Vater und ich bin Stolz auf dich. Lasse dich niemals von deinen Idealen abringen, nur so lernst du Freund von Feinden zu unterscheiden“

Serenity behielt ihre Meinung, dies bezüglich lieber für sich. Nach ihre Ansicht, war grad ihre Mutter von mehr Feinden als Freunden umgeben, doch leider sie sah es nicht.

„Wie soll es jetzt weiter gehen?“ versuchte sie das Thema in eine, zwar nicht ungefährlichere, doch für sie weniger unangenehme Richtung zu lenken.

„Es wird eine große Konferenz auf dem Jupiter geben, während ich weg bin, möchte ich das du dich nicht all zu weit vom Palast entfernst, am besten gar nicht. Bei Spaziergängen und Ausritten wird dich immer jemand begleiten“ die Prinzessin nickte, mit dieser Vereinbarung konnte sie Leben.

„Wird Kettering dich begleiten?“ sie machte sich noch nicht einmal die Mühe ihre Verachtung zu verbergen. Cecil Kettering, kam kurz noch dem Tod ihres Vaters in den Palast, natürlich nur auf Rat ihres Freundes Meres. Er war ein Gentleman durch und durch, das konnte sie nicht abstreiten, zumindest, wenn ihre Mutter in der Nähe war. Was sie betraf, konnte sie ihn nicht ausstehen und das beruhte auf Gegenseitigkeit, seit sie ihn vor ein paar Jahren öffentlich bloß gestellt hatte. Doch daran hatte er selber schuld, er hatte behauptet ihr Vater wäre ein Feigling gewesen, das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. Ihr Vater war ein Held und alles andere als ein Feigling. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hatte sie Kettering langst aus dem Palast geschmissen doch leider vertraute ihre Mutter ihm noch immer, obwohl alles darauf hindeutet das er mit Meres unter einer Decke steckt. Doch dem Vertraute sie ja leider auch...

„Nein, Cecil wird hier bleiben, um mich über jede Veränderung in Kenntnis zu setzten. Ich bitte dich Serenity, hör auf in jedem meiner Ratgeber einen Verräter zusehen. Cecil ist dem Silberreich treu ergeben und tut alles um uns zu Helfen“ die Prinzessin brummte etwas unverständliches was sich aber verdächtig nach „Wer´s glaub wird selig“ anhörte und die König schüttelte verständnislos den Kopf.
 

Es war nicht so das die Mondprinzessin jedem Misstraute, ganz im Gegenteil sie war eigentlich ein sehr leicht gläubiger Mensch. Der in jeden nur das Gute sah. Doch genauso wie sie ihrem Herzen vertraute, das nicht alle Leute von vornherein schlecht waren und das jeder eine zweite Chance verdiente. So vertraute sie auch ihrem Gespür, das ihr verriet das Kettering eine falsche Schlange war.

Die Königin stand von ihrem Stuhl auf, schritt um den Tisch herum und kniete sich vor ihrer Tochter nieder.

„Serenity, du hast mein vollstes Vertrauen und ich bitte dich tue in meiner Abwesenheit nichts unüberlegtest. Ich weiß, das du Cecil nicht magst, doch wenn es Probleme geben sollte, beherzige bitte seinen Rat. Versprich es mir“ eindringlich sah sie ihre Tochter an und drückte ihre Hand, als diese ihren Blick auswich. Erst nach einer Weile seufzte die Prinzessin und schaute ihre Mutter an.

„Ich werde dich nicht enttäuschen Mutter“ die Königin stöhnte innerlich, bei dem Dickschädel ihrer Tochter, war dieses Versprechen mehr als sie erwarten konnte.

„Das weiß ich“ entgegnete sie, als ihr plötzlich die glänzende Kette auf dem Boden auffiel. Zögernd hob sie, sie auf und betrachtete verträumt den Mondstein der auf der Vorderseite eingelassen wurde. Es war einer der Schönsten, den man je auf dem Mond gefunden hatte. Dann drehte sie den Anhänger herum. Auf der flachen silbernen Rückseite war in goldenen Buchstaben etwas eingraviert. Lange sah die Königin den Anhänger einfach nur an und ein wehmütiger Ausdruck schlich sich in ihre Augen...
 

„Ich vermisse ihn“ überrascht schaute die Königin zu ihrer Tochter auf, es kam nicht oft vor das Serenity über ihren Vater sprach. Er war gestorben als sie grade mal fünf Jahre alt war. Nun war sie 18 Jahre, doch die Zeit hatte niemals die Wunde geheilt, die sein Tot hinterlassen hatte. Diese Kette war das einzigste Erinnerungsstück, das sie von ihm besaß und sie hielt sich an ihr fest aus Angst, die wenigen Erinnerungen die sie von ihm hatte auch noch zu verlieren. Der Königin würde schwer ums Herz als sie ihre Tochter betrachtete, die sich so viel Mühe gab ihre Tränen zurück zuhalten. Auch, wenn alle Menschen behaupteten, die Prinzessin würde ihrer Mutter ähneln, so wusste die Königin das dies nur von außen der Fall war. Im inneren war Serenity ganz das Kind ihre Vaters. Ein kleiner Rebell, der immer wieder versuchte aus dem engen Gefängnis das man um sie gerichtet hatte auszubrechen und doch besaß sie eine so verletzliche Seele, das man bei jedem stärkeren Wind befürchtete sie würde zerbrechen.

„Ich vermisse ihn auch“ es war ein Eingeständnis, das ihr sehr schwer viel. Sie hatte ihren Mann, mehr als alles andere auf der Welt geliebt und das war auch der Grund, warum sie Serenity nicht zu einer Ehe zwang. Sie selbst hatte aus Liebe geheiratet und ihre Tochter sollte dies ebenfalls tun. Die Königin stand auf und legte die Kette behutsam um den Hals ihrer Tochter.
 

Lautlos fiel die Tür hinter Serenity ins Schloss und schnell wischte sie sich über die Augen und somit die verräterischen Tränen fort, bevor sie mit einem leisen Seufzer den langen Gang entlang schritt. Alles in allem, war das Gespräch mit ihrer Mutter ganz gut verlaufen. Doch das Gefühl des Triumphes, das sie sonst immer empfand, wenn sie wieder einmal einen Antrag ihres Verehrers abgewiesen hatte, wollte sich dieses mal nicht einstellen. Die Aussichten auf einen nahenden Krieg, ließ ihr schwer ums Herz werden. Serenity konnte nur hoffen, das es ihrer Mutter und den anderen Planeten gelingen würde einen Friedliche Lösung für ihr Problem zu finden. Ansonsten...

Energisch schüttelte die junge Prinzessin ihren Kopf, um den düsteren Gedanken wieder zu vertreiben. Sie wollte noch nicht darüber nachdenken. Jetzt zumindest noch nicht.

Als sie eine kleine Tür, die gut versteckt in der Mauern des Ganges verborgen lag, erreichte, musste sie lächeln. Wie oft hatte sie hier mit ihren Freundinnen verstecken gespielt und wie oft hatte sie die Dienstbotentreppe benutzt um heimlich und unerkannt, aus dem Palast zu verschwinden? Es mussten hunderte, wenn nicht sogar tausend Male gewesen sein und auch dieses mal würde sie es wieder tun. Mit einem raschen Blick über die Schulter, öffnete die junge Prinzessin die Tür und huschte in den nur mit Kerzen beleuchteten Gang hinein. Das leise Echo ihre Schuhe, auf dem Steinboden weckte, lang gehütete Kindheitserinnerungen in ihr und grinsend stieg sie die alten Steinstufen hinab.

Als sie um eine Ecke bog, wäre sie beinahe mit Cecil Kettering zusammen gestoßen. Der fasste nach anfänglicher Überraschung Serenitys Arm, um sie zu stützen.

„Na so etwas Prinzessin. Ihr solltet vorsichtiger sein. Ein Sturz auf einer solchen Treppe könnte einem Menschen leicht das Genick brechen“ er lächelte zwar, doch in seinen Augen spiegelte sich Verärgerung. Serenity blickte auf ihren Arm hinunter, den er immer noch festhielt.

„Als ob es euch etwas ausmachen würde“ entgegnete sie trocken. Er folgte ihrem Blick und als er erkannte das er sie immer noch stützte, ließ er sie so plötzlich los, als habe er sich grade schmerzhaft die Finger verbrannt.

„Natürlich würde es mir das. Aber ich möchte euch nicht länger aufhalten Prinzessin.“ Damit trat er zur Seite.

Erst nachdem er fort war, fiel Serenity auf, dass er nicht gesagt hatte, weshalb er eigentlich hier war. Wie hatte ein Ratgeber der Königin überhaupt diese Versteckte Treppe finden können, welche für gewöhnlich nur von Dienstboten benutzt wurde? Es sei denn, er will sein Vorhaben vor den Augen anderer verbergen, schoss es ihr durch den Kopf.

„Ach was, du siehst schon wieder Gespenster“ rügte sie sich selbst. Wusste sie doch wie unmöglich es war, ein Geheimnis in diesem Palast länger als drei Tage geheim zuhalten, ohne das einer der Dienstboten etwas davon erfuhr. Und diese waren dem Königshaus gegenüber viel zu loyal, als das sie freiwillig bei einer Intrige mitmachen würden.

Außer einem Diener mit einem Stapel Feuerholz, begegnete sie niemanden mehr und als sie die Stallungen erreichte, wiegte sich die junge Prinzessin in der Sicherheit unbemerkt aus dem Palast zu verschwinden.
 

Die Fenster waren geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Auf dem Tisch vor dem Kamin standen eine lederne Flasche und zwei Kelche. Cecil Kettering und ein Mann in einem schwarzen Umhang gehüllt, saßen sich gegenüber. Beide zeigten den gleichen verärgerten Gesichtsausdruck.

„Unser Vorhaben ist fehlgeschlagen. Die Königin hat das Heiratsangebot von Alfredo zurück gewiesen“

„Das stimmt, doch wir sind schon zu weit vorangekommen, um uns jetzt noch geschlagen zu geben.“

„Habt ihr einen neuen Plan?“

„Jawohl.“ Die Augen des Älteren glitzerten im Feuerschein.

„Ich habe ihn zwar noch nicht ganz durchdacht, doch diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.“ Er trank von seinem Bier.

„Die Prinzessin, ist der Schlüssel. Wenn wir ihr den Hals umdrehen, wird sich die Tür zu unseren Zielen ganz von allein öffnen“

„Ihr wollt sie töten“ fragte sein gegenüber überrascht und Cecil Lippen verzogen sich zu einem Teuflischen lächeln.

„Aber nein, das werdet ihr tut“

„Und wie? Sie wird von diesen Sailor Kriegern viel zu gut bewacht.“ Der Alte lächelte böse.

„Nicht immer. Sie hat eine Angewohnheit, die wir uns zu nutze machen können“ er leerte seinen Humpen und schritt durch den Raum. Am Fester blieb er stehen und zog die Vorhänge beiseite. Sein Lächeln vertiefte sich, als er sah wie die Prinzessin auf ihrem Hengst durch die Palasttore galoppierte.

„Doch wir müssen rasch Handeln. Bevor diese lästigen Krieger noch auf die Idee kommen ihre Aufgaben gewissenhafter zu erledigen“

„Noch Heute?“

„Am besten sofort, die Bedingungen sind ideal. Ihr wisst doch, wie man jemanden beseitigt und die Schuld einem Anderen in die Schuhe schiebt?“

„Gewiss. Zu meiner Zeit hatte ich auch Gelegenheit, mich mit einigen Schurken und Dieben zu befassen, und von denen schulden mir mehrere einen Dienst“

„Dann ist es jetzt an der Zeit, eure Schulden einzutreiben. Ich will die Prinzessin tot vor meinen Füßen liegend haben. Den Rest erledigen wir“
 


 

byby Blacklady

Der Verrat

Erde. Fleet-Gefängnis
 

Bei dem hohlen Widerhall schwerer Schritte horchten die Gefangen in den Kerkerzellen ängstlich auf. Das Auspeitschen fand hauptsächlich nachts statt, weil es dann weniger Zeugen gab. Als der offenbar Gestiefelte vor ihrer Tür anhielt, warfen sich die beiden Freunde einen raschen Blick zu und bereiteten sich darauf vor, dem Zorn des Wärters zu begegnen. Während zwei Leute vor der Zelle wache hielten, schloss der Mann mit der Peitsche die Tür auf, nahm die Fackel von seinem Begleiter und trat ein. Sobald das Licht in den feuchten Raum fiel, huschten Ratten umher.

Der Aufseher stemmt die Hände in Hüften und betrachtete bereitbeinig seine neusten Opfer. Im flackernden Feuerschein wirkte sein Gesicht wie eine Fratze.

„Wer will der Erste sein?“ Er wandte sich kurz um und steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand.

Der Größere der beiden Häftlinge stellte sich vor seinem blonden Freund.

„Nicht doch, Endymion“ wehrte dieser ab.

„Der peitscht dich doch wieder so aus, dass du vor Schmerzen ohnmächtig wirst“

„Dann soll er es tun.“ Der Schwarzhaarige berührte seine offene Fleischwunde und hoffte, der Peiniger würde den Großteil seiner Energie an ihn, Endymion, verschwenden, eher sich mit dem Jüngeren befasste.

„Zur Seite!“ herrschte der Wärter ihn an.

„Euer Spiel kenne ich inzwischen. Du steckst seit vier Nächten seine Schläge ein. Diesmal fange ich bei dem Schwächling an.“

Und schon hob der Aufseher die Hand, doch ein eisender Griff hielt ihn auf. Die Kraft des Gefangenen verblüffte und verärgerte den Mann.

„Du wagst es, dich mir zu wiedersetzten? Fasst ihn!“ brüllte er.

Einer der Wachposten steckte seine Fackel noch rasch in eine Halterung draußen, ehe er dem anderen in die Zelle folgte. Sie rangen den Gefangenen zu Boden und hielten ihn dort fest.

„Jetzt werde ich euch die Wahrheit sagen“ meine der Wärter hämisch,

„denn ihr lebt ja nicht mehr so lange, um etwas auszuplaudern. Wir haben nämlich den Auftrag, dafür zu sorgen, dass ihr hier nicht mehr lebend hinauskommt“ Ein Peitschenhieb nach dem anderen traf den jüngeren Gefangenen. Der Wärter lachte höhnisch.

„Und das Beste an der Geschichte ist, dass euch jemand verraten hat, der sich euer Freund nennt“ der Aufseher leckte sich über die Lippen.

„Um eure liebreizende Mutter braucht ihr euch keine Sorgen machen. Sie wird euch schon sehr bald Gesellschaft leisten. Wenn ihr versteht was ich meine“ Erneut ließ er die Peitsche auf den Blonden niedersausen, der daraufhin stöhnend zu Boden ging.

Endymion wurde von einer derartigen Wut gepackt, das die beiden Wächter ihn nicht mehr zu bändigen vermochten. Mit einem zornigen Aufschrei befreite er sich aus dem Griff der Männer, schlug die beiden nieder und legte seinen Arm um den Hals des Wärters.

„Und jetzt sagst du mir, wer uns verraten hat!“ Der Angesprochene stieß einen üblen Fluch aus, ehe er die Lippen zusammenpresste.

„Seinen Namen will ich hören, oder ich bringe dich um!“

Er weigerte sich zusprechen.

Jetzt verlor Endymion die Beherrschung.

„Dann magst du eben dein verdammtes Geheimnis mit ins Grab nehmen.“ Er hörte das Knacken der Halswirbel des Wärters und während der Mann zu Boden sank, kniete sich Endymion neben seinen verletzten Freund nieder.

„Halte durch, Jedite. Wir werden diesen Kerker verlassen. Dann kehren wir heim.“ Sanft, wie man es einem derart kräftigen Mann nie zugetraut hätte, hob er den geschundenen Körpers seines Freundes über die Schulter und trug in durch die Gänge hinaus aus dem Gefängnis, in dem sie während der letzten drei Monate festgehalten worden waren.

Mit seiner Bürde schleppte sich Endymion mühevoll durch Gassen und schmutzige Durchgänge, bis die Stadt hinter ihnen lag. Ohne anzuhalten, lief er die ganze Nacht weiter, und als der Morgen dämmerte, stieg er auf einen Heuboden und drückte seien Freund an sich, um ihn warm zu halten.

„Du hast mein Wort, Jedite. In diesem gottlosen Land wird man dich nicht begraben.“ Nachdem dieser daraufhin nickte, atmete Endymion erleichtert auf. Sein Freund war wenigstens noch bei Bewusstsein.

Gegen Abend waren Jedites Lippen schon blau angelaufen und Endymion wusste, dass nicht mehr viel Zeit blieb, doch ein Versprechen hatte er noch niemals gebrochen. Die vor ihnen liegende Reise hätte die meisten Männer mutlos gemacht, ihn allerdings schreckte sie nicht. Sobald die Sonne hinter den Hügeln verschwunden war, hob er seinen Freund wieder auf die Arme und nahm die Wanderung aufs Neue auf.

Er kam durch Dörfer und kleine Ansiedlungen, wartete durch Bäche, durchquerte Kornfelder und stahl sich das Essen zusammen, damit sie beide bei Kräften blieben.

Und unterdessen arbeitete sein Gehirn angestrengt. Noch immer wusste er nicht, wem er die Einkerkerung im Fleet-Gefängnis zu verdanken hatte, doch er schwor sich, den Namen seines Widersachers herauszubekommen. Und dann würde er sich rächen.

Sechs Tage später lag das Feindesland hinter ihnen. Als sie das Ufer eines Breiten Flusses erreichten, hüllte Endymion seinen fiebernden Freund in einem gestohlenen Umhang und schaute zu den Bergen hinüber, die sich aus dem Nebel erhoben.

„Das ist zwar nicht Elysion, doch das Fleet-Gefängnis ist es auch nicht mehr. Nur keine Angst, Jedite. Ich werde dich jetzt nur noch so lange alleine lassen, bis ich uns Nahrung und Waffen beschafft habe.“ Und kräftige Pferde, dachte er, denn die Heimreise war noch lange nicht vorüber. Sie hatte grade erst begonnen.
 

Als ein kleiner nasser Tropfen ihr Gesicht berührte zügelte Serenity ihren schwarzen Hengst Seregi und richtete ihren Blick nach oben. Der eben noch blaue Himmel, hatte sich dunkel verfärbt und kündigte ein nahendes Gewitter an. Ein leiser Seufzer entwich ihren Lippen und teilte die Stille die sie umgab. Eigentlich hatte sie ja gar keinen Lust, jetzt schon nach Hause zu reiten. Dort würde ohnehin nur lästige Pflichten und noch langweiligere Unterrichtsstunden auf sie warten. Doch hier draußen konnte sie auch nicht bleiben. Zumindest wenn sie nicht die nächsten zwei Wochen krank im Bett verbringen wollte. Der schwarze Hengst unter ihr begann auf einmal unruhig zu tänzeln und beruhigend legte Serenity ihre Hand auf seinen Hals.

„Schon gut Sergi, wir kehren ja schon um“ sie wollte ihn schon zum umdrehen bewegen, als laute Hufschläge über die Lichtung schalten. Auf der anderen Seite der Wiese näheren sich eine Reihe bewaffneter Reiter. Zuerst glaubte die junge Prinzessin es seinen Krieger aus dem Mondpalast, die auf der Suche nach ihr waren, doch dann erblickte sie das Banner unter dem die Männer ritten und erbleichte.

„Aber...aber was haben Krieger der Erde...“ sie konnte ihren Satz nicht beenden, den in diesen Augenblick schüttelte sich Sergi so stark, das Serenity beinahe aus dem Sattel geworfen wurde. Nur mit einiger mühe konnte sie sich an seinem Hals festhalten. Doch das war nicht unbedingt das Schlechteste, denn keine Sekunde später sauste etwas sehr schnelles und scharfes an ihrem Kopf vorbei und bohrte sich tief in einen der Baume des angrenzenden Waldes. Als sie zu dem Baum hinüber blickte und das Geschoss erkannte, musste sie schlucken. Der Pfeil hatte sie nur um ein paar Millimeter verfehlt und hätte sie aufrecht gesessen hätte er mit ziemlicher Sicherheit ihr Herz getroffen. Doch der Schock über diese Erkenntnis blieb nicht lange, als ein zweiter Pfeil auf sie zu schoss. Mit einem Instinkt, den man nur durch jahreslanges Üben erlernen konnte, zog Serenity heftig an den Zügeln, während sie gleichzeitig ihre Absätze tief in Sergis Flanken bohrte. Der gewünschte Effekte kam augenblicklich. Der schwarze Hengst stieg und begann rückwärts zu tänzeln, womit der Pfeil sein Ziel verfehlte und sich vor ihm in den Boden bohrte. Doch zum Ausruhen blieb nun wirklich keine Zeit, denn die bewaffneten Reiter hatten sie mittlerweile schon soweit eingeholt, das sie ihre Gesichter erkennen konnte, genauso wie ihre tödlichen Schwerter, die sie in den Händen hielten. Die junge Prinzessin entschied in Bruchteil einer Sekunde, das es einfach zu viele Männer waren, als das sie alleine eine Chance gehabt hätte, zumal sie ohnehin keine Waffe bei sich trug um sich zu Verteidigen. Deshalb tat sie das einzig Richtige, sie zog an Sergis Zügeln und trieb in zu einem scharfen Galopp an, in der Hoffnung so ihre Verfolger im dichten Wald leichter entkommen zu können.
 

Im Mondpalast herrschte eine hektische Unruhe. Die Abreise der Königin stand in kürze bevor und die junge Mondprinzessin blieb unauffindbar. Das ihr Pferd Sergi ebenfalls fehlte, ließ zwar vermuten das sie ausgeritten war, erklärte aber nicht warum sie noch nicht wieder da war. Schließlich war es ihre Pflicht als Prinzessin, ihre Mutter zu verabschieden. Selbst die Sailor Krieger die sämtliche Verstecke der Prinzessin kannten, waren mit ihrem Latein am Ende, nachdem sie auch noch die umliegenden Dörfer und Wiesen abgesucht hatten. Doch alles ohne Erfolg.

„Königliche Hoheit, ihr müsst nun langsam wirklich aufbrechen. Sonst verspätete ihr Euch noch“ drängte Cecil Kettering, während er die Tür zu ihrem Wagen aufhielt.

„Ja ich weiß“ seufze die Königin und blickte in den sich immer weiter verdunkelnden Himmel. Sie hoffte so sehr das es ihrer Tochter gut ging und das sie wieder zu Hause war, noch bevor der Sturm losging.

„Seit unbesorgt königliche Hoheit. Die Anderen sind bereits auf der Suche, nach der Prinzessin. Wir werden sie sicher bald finden und wohlbehalten in den Palast zurück bringen“ versicherte Sailor Venus und lächelte ihre Königin aufmunternd an. Obwohl auch sie sich große Sorgen machte. Es war überhaupt nicht Serenitys Art, solange spurlos zu verschwinden. Wenn sie alleine Ausritt, dann höchstens für einen Stunde, aber niemals länger.

„Du hast sicher Recht Venus. Ich mache mir einfach zu viele Sorgen, vielleicht sollte ich mir ein Bespiel an Serenity nehmen. Ihr scheint ja, diese Eigenschaft vollkommen fremd zu sein“ nur mit viel Mühe gelang es Venus nicht laut los zulachen.
 

Kräftige Hufschläge donnerten über den Boden, wirbelten Schlamm auf und ließen kleine Steinchen springen. Und obwohl Sergi schon sein besten gab, drückte Serenity ihre Absätze nach stärker in seine Flanken, trieb ihn zu noch höheren Leistungen an. Sie hatte nicht vor hier und jetzt zu sterben, dazu war sie einfach noch viel zu jung. Hinter sich hörte die Blonde weiter Hufschläge, doch sie waren ein Stücken entfernt, schafften es nicht mit Sergis Tempo mitzuhalten.

Die ersten schweren Regentropfen klatschten Serenity ins Gesicht und gleißende Blitze durchzuckten die schwarzen Wolken, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Sergi geriet immer wieder ins stolpern und nicht nur einmal, hatte er sich erst im letzten Augenblick fangen können. Das Gelände auf dem sie ritt, war Gefährlich, jede Unachtsamkeit könnte Pferd und Reiter das Leben kosten. Dennoch behielt Serenity ihr Tempo bei. Wenn sie Probleme hatte, so würde es ihren Verfolgern sicherlich nicht anders ergehen, zumal sie die Wälder auf dem Mond nicht kannten. Ein Vorteil, den die junge Prinzessin gedachte, sich nicht so einfach nehmen zulassen.

Als das Rauschen eines Flusses an ihre Ohren drang atmete sie erleichtert aus. Nun war es nicht mehr weit bis zum Palast. Sie musste nur noch dem Flussverlauf folgen und vielleicht würden ihre Verfolger aufgeben, wenn sie nur nahe genug am Palast heran war. Wieder fuhr ein Blitz aus den dunklen Wolken und schlug in der Nähe ein. Serenity hörte ein lautes Krachen und Splittern, mit dem ein Baum zu Boden ging. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und sah Qualm aus dem zerstörten Geäst aufsteigen. Im gleichen Moment erzitterte die Erde unter Sergis Hüfen vom nächsten krachenden Donnerschlag. Der schwarze Hengst erschrak und brach zur Seite aus, nur mit Mühe und Not konnte sich die junge Prinzessin im Sattel halten.

Ein grelles Netzwerk von Blitzen erhellte den Himmel und wieder zuckte ein Blitz zur Erde. Ein grauenhaftes Gebrüll ließ sie herumfahren. Mit entsetzten aufgerissenen Augen sah sie, was die zerstörerische Naturgewalt angerichtet hatte. Doch genau diese Sekunde der Unachtsamkeit, wurde ihr zum Verhängnis. Ein Pfeil schnellte durch die Luft und bohrte sich durch ihre Schulter.
 

Sie schrie, dann verlor sie den Halt und stürzte ins Leere...

Die aufgewühlten Wassermassen näherten sich ihr mit erschreckender Geschwindigkeit, um sie zu verschlingen. Tosend schlugen die Wogen über ihr zusammen, bevor sie ihre Lungen mit Luft füllen konnte.

Tiefer und tiefer sank sie, und der entsetzliche Gedanke schoss durch ihren Kopf, dass sie den Meeresboden erst erreichen würde, wenn sie tot war. Ihr Körper schlug hart gegen den Felsengrund, mit verzweifelter Kraft stieß sie sich mit den Füßen ab. Als sie die Wasseroberfläche durchbrach, holte sie keuchend Luft. Die nasse Kleidung zog sie indessen sofort wieder in die Tiefe.

In panischen Entsetzen schlug Serenity mit Armen und Beinen um sich und kämpfte verzweifelt um ihr Leben. Sie wollte nicht sterben. Nicht jetzt- nicht, bevor sie nicht wusste wie es war zu Lieben.
 

„Und habt ihr etwas gefunden?“ Sailor Mars musste über den tosenden Sturm hindurch schreien, damit die anderen Krieger sie verstanden. Dabei standen sie grade einmal zwei Schritte von ihr entfernt.

„Nein überhaupt nichts“ rief Merkur zurück und ließ betrübt die Schultern hängen.

Auch die andren beiden Krieger schüttelten bedauernd die Köpfe. Nach dem sie keine Anzeichen ihrer Prinzessin in der Nähe des Palastes finden konnten, hatten die Krieger ihre Suche weiter ausgedreht. Selbst die einfachen Wachen, die nur für die Sicherheit des Palastes zuständig waren, wurden dazu verdonnert mit anzupacken. Schließlich hatte das Leben ihrer zukünftigen Königin oberste Priorität, da konnte sich niemand drücken, nur weil es ein bisschen Regnete.

„Vielleicht ist sie ja in einem der Dörfer um Schutz vor dem Unwetter zu suchen?“

„Dann geh du mit deinen Männern die Dörfer durchsuchen, Jupiter. Wir werden inzwischen die Sumpfgebiete durchkämm“ schrie Venus über den Sturm hinweg und erhielt zu stimmendes nicken als Antwort, als plötzlich laut starkes Stimmengewirr zu ihnen hinüber drang. Als sie alle in die Richtung blickten aus der es kam, brach auch schon ein schwarzer Schatten durch die Baume, direkt auf sie zu. Die Mädchen konnten grade noch rechtzeitig zur Seite springen, als es auch schon wieder in den angrenzenden Wald verschwand.

„Sergi?!“ es war Venus die ihre Stimme als erste wieder gefunden hatte, dich gefolgt von Mars.

„Haltet dieses Pferd auf“
 

Im Traum kämpfte sich Serenity durch einen dunklen, engen Tunnel. Es war stickig und heiß in diesem Gang und jeder Schritt strengte sie an, doch sie durfte nicht umkehren. In der Ferne sah sie ein flackerndes Licht, das sie erreichen musste.

Sie zerrte an dem Umhang, der sie vollend zu ersticken drohte, und fühlte die kalte Nachtluft auf ihrer Haut. Ihre Lieder flatterten und öffneten sich dann.

Hoch oben glitzerten Sterne am samtschwarzen Himmel. Erleichtert darüber, dass ihr Alptraum beendet war, atmete Serenity einige Male tief durch.

Oder war der Alptraum doch noch nicht vorbei? Mit einen Mal, kam all ihre Erinnerung zurück. Die bewaffneten Männer, ihre Flucht durch den Wald, der Pfeil der sie traf, der Sturz in den Fluss.

„Sergi?!“ ruckartig setzte sich Serenity auf und späte in die Nacht. Doch ihr treuer Begleiter war nicht da, dafür kehrten ihre Schmerzen zurück. Erinnerten sie daran, das sie nur mit knapper Not, dem Tot entronnen war. Stöhnend hielt sie ihre Schulter, die wie Feuer brannte und als sie die Hand wieder wegnahm klebte Blut an ihren Fingern.

Eine Weile starrte sie es einfach nur an, dann ballte sie ihre Hand und blickte sich in ihrer Umgebung um. Wie es schien hatte die Strömung sie an das Ufer eines kleines Fischerdorfes getrieben. Wieweit sie allerdings vom Palast entfernt war, konnte sie nicht sagen, die Umgebung wirkte auf sie erschreckend Fremd. Doch zumindest schien sie ihren Verfolgern fürs erste entkommen zu sein.

Sie fragte sich wie lange sie wohl Ohnmächtig gewesen war? Waren es Stunden oder sogar Tage? Ihre Freundinnen, allen voran ihre Mutter machten sich bestimmt schon große Sorgen. Sie musste so schnell wie möglich in den Palast zurück und ihnen von diesen Männer erzählen, bevor ihre Mörder noch die Gelegenheit bekamen unbemerkt vom Mond zu verschwinden. Doch noch während sie versuchte schwankend wieder auf die Beine zu kommen, erkannte sie, das ihr vorhaben nicht so einfach in die Tat umzusetzen war, wie sie geglaubt hatte. Denn ihre Füße hielten sie nicht und stöhnet viel sie auf den Boden. Erst jetzt schien sie die Kälte ihrer Nassen Kleider zu spüren und ihr ganzer Körper erzitterte unter einem Anfall von Übelkeit. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Lungen, bis sie ihn nicht mehr ertragen konnte und sich würgend Übergab.

Schwankend kam sie wieder auf die Beine, doch all zu lange würde sie nicht mehr durchhalten, das war ihr bewusst. Mit trüben Augen blickte sie sich in der Dunkelheit um. Sie musste ein Versteck finden. Irgendetwas, in dem sie sich verkriechen konnte. Schließlich konnten diese Männer, noch immer nach ihr suchen und hier auf offenem Gelände, wäre sie eine zu leichte Beute.

Kurz zog sie es in Erwägung, einfach bei einem der Häuser anzuklopfen und um Hilfe zu bitten. Doch sie verwarf, diese Idee wieder. So wie sie momentan aussah, würde man sie wahrscheinlich nur für eine Bettlerin halten und niemals für die Mondprinzessin. Man würde sie nur der Lüge bezichtigen und sie aus dem Dorf vertreiben. Oder noch schlimmer, sie gleich wegen Majestätsbeleidigung zum Tode verurteilen. Nein, dann wollte sie doch lieber in ihren nassen Kleidern erfrieren.

Schon als sie glaubte kein geeignetes Versteck mehr zufinden und die Nacht, im nicht grade ungefährlichen Wald verbringen zu müssen, viel ihr Blick plötzlich auf einen robusten, alten Wagen.

„Ein Händlerwagen“ murmelte sie leise und lächelte. Es war zwar nicht grade das bequemste Versteck, doch in ihrem derzeitigen Zustand, wäre ihr selbst eine Gefängniszelle wie ein Palast vorgekommen.

Unsicher tappte sie zur Wagenwand und tastete sie nach einer Öffnung ab. Sie fand sie, löste die Verriegelung und schob die Holzverkleidung beiseite. Im Wagen war es zu dunkel, um etwas sehen zu können. Vorsichtig und auf allen vieren, suchte sie sich einen Weg in den hinteren teil des Wagens und rollte sich auf dem staubigen Boden zusammen. Dann wurde wieder alles schwarz vor ihren Augen.
 

Sämtliche Blicke der Männer ruhten auf den rabenschwarzen Hengst, der wild schnaubend und von einer Stelle auf die Andere tänzelte, vor ihnen stand. Seine Augen waren vor Panik geweitet und sein großer Kopf drehte sich hektisch von einer Seite auf die Andere, als würde er nach einen Weg suchen, um jeden Moment die Flucht zu ergreifen. Keiner der Männer sagte etwas, doch man sah ihnen an, das sie alle das gleiche dachten. Einige hatten sogar Tränen in den Augen.

Auch die Sailor Krieger schauten unschlüssig zu Sergi herüber. Keine von ihnen wusste so genau, was sie von dem plötzlichen auftauchen des Hengstes halten sollte. Nur eines stand Zweifels los fest. Das Sergi ohne seine Herrin durch den Wald galoppierte, war kein gutes Zeichen. Doch war das ein Grund gleich vom Schlimmsten auszugehen?

Für Mars mit Sicherheit nicht. Mit einem wütenden Blick fixierte sie die Männer, die noch immer geschockt zu dem Schwarzen starrten.

„Was steht ihr faulen Kerle hier eigentlich noch herum. Bewegt euch gefälligst und sucht sie“ schrie sie die Soldaten an, die erschrocken zusammen zuckten und dann eiligst aus einander strömten. Denn niemand von ihnen, wollte freiwillig den Zorn der Marsprinzessin auf sich lenken.
 

Serenity erwachte durch das lautstarke Bellen eines Hundes. Ihr war kalt, sie hatte Bauch- und Kopfschmerzen, und sie fühlte sich zu elend um noch weinen zu können. Sie zog ihren noch immer feuchten Umhang fester um sich und versuchte, weiterzuschlafen, aber es gelang ihr nicht. Sie brauchte etwas Warmes zu essen, und sie musste unbedingt aus diesen nassen Kleidern heraus. Sie setzte sich auf, doch als sie aufstehen wollte, musste sie erkennen, das sie dazu noch lange nicht die Kraft hatte. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr und selbst die einfachsten Bewegungen erschienen ihr zu schwer.

Wieder erklang das Bellen eines Hundes und dieses mal drangen auch die Stimmen zweier Männer, durch die kleinen Ritzen des Wagens zu ihr herüber. Sie mussten sich ganz in ihrer nähe befinden, den Serenity verstand sie klar und deutlich.

„Ein Mädchen mit blonden Haaren, sagtet ihr? Nein so jemanden habe ich nicht gesehen“ das muss einer der Dorfbewohner sein, dachte sie und lauschte der zweiten Stimme.

„Seit ihr sicher? Sie trägt ein weißes Gewand und hat auffällig blaue Augen“ Serenitys Herz klopfte zum zerspringen. Die Stimme des Mannes kam ihr bekannt vor, doch sie konnte sich beim besten weilen nicht daran Erinnern woher. Zudem machte sich auch noch ein anderes Gefühl in ihr bereit und verweigerte ihr jeglichen klaren Gedanken. Furcht. Sie hatte Angst. Dieser Mann suchte nach ihr!

„Ich sagte doch schon, das ich sie nicht gesehen habe. Und wenn sie jetzt fertig sind mit ihrer Befragung, würde ich gerne wieder an die Arbeit gehen. Ich muss noch eine Lieferung zur Erde bringen“ erwiderte der Dorfbewohner in zwischen gereizt.

„Also gut, sie können fahren. Doch vorher möchte ich gerne einen Blick in ihren Wagen werfen“

„Wozu?“

„Sie könnte sich darin versteckt haben. Wenn sie wirklich nichts zu verbergen haben, wird es ihnen sicherlich nichts ausmachen, wenn ich einen kurzen Blick hineinwerfe“ Serenity hielt den Atem an und kroch unbewusst tiefer in die schützende Dunkelheit zurück. Panik überwältigte sie und ihr Körper wurde von einem unkontrollierbaren Zittern ergriffen. Das war ihr Ende. Dieser Mann würde sie finden und töten. Sie saß in der Falle.

In ihrem Panikzustand überhörte sie die Stimme des Händlers, der brummend seine Zustimmung gab. Doch dafür hörte sie das knirschende Geräusch, schwerer Stiefel auf Sandigenboden um so genauer und sie bewegten sich direkt auf die Luke des Wagens zu.

Als die Holzverkleidung aufgeschoben wurde, druckte sich Serenity flach auf den staubigen Boden. Das Blut rauschte in ihren Ohren und ihr eigener Atem kam ihr so laut vor, das sie sich sicher war, das er es hören musste.

Grelles Sonnenlicht, viel in den Wagen ein und reduzierte die schützende Dunkelheit mit einem Schlag auf einen schmalen Streifen. Serenity drückte sich noch dichter, an die Wand des Wagens, während sie gleichzeitig den Mann nicht aus den Augen ließ. Geblendet von der Sonne, erkannte sie nur seine Umrisse, die sich deutlich als langer Schatten auf dem Boden wiederspiegelte. Wieder hatte sie das Gefühl ihn zu kennen, doch sie hatte viel zu viel Angst, als das sie darüber nachdenken konnte woher.

Dann erschalten mehrer Rufe zu ihnen herüber und der Mann wandte kurz seine Aufmerksamkeit vom inneren des Wagens ab. Doch erst als er langsam die Holzverkleidung wieder schloss, wagte es Serenity auszuatmen. Sie hatte Glück gehabt. Er hatte sie nicht bemerkt. Ihre Augen wurden schwerer und vielen schließlich zu, ohne das sie sich dagegen wehren konnte. Sie versank in eine tiefe Ohnmacht und bemerkte die Augen nicht, die sie die ganze Zeit beobachteten.
 

byby Blacklady

Schicksalhafte Begegnung

Als Serenity aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, fror sie und fühlte sich müde und niedergeschlagen. Ihr war, als sei alle Lebenskraft aus ihr gewichen. Sie mochte dieses Gefühl ganz und gar nicht.

Benommen setzte sie sich auf und hielt ihren Kopf. Sie erinnerte sich, solche Kopfschmerzen schon einmal gehabt zu haben. Unwillkürlich sah sie sich um, bis die Erinnerungen des Vortages zu ihr zurück kehrten. Sie befand sich noch immer im Wagen des Händlers und sie hatte schrecklichen Hunger. Wie lange war es jetzt schon her, das sie etwas vernünftiges gegessen hatte? Zu lange, wie ihr knurrender Magen es mitteilte.

Als sie vorsichtig die Holzverkleidung zurück schob, musste sie die Augen schließen. Die Sonne stand hoch oben am Himmel und brannte in ihren Augen, die sich schon zu sehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Als Serenity endlich wieder klar sehen konnte, stieß sie einen leisen Laut der Überraschung aus. Das war nicht mehr das kleine Fischerdorf, an dem sie gestern gestrandet war. Um sie herum tobte das blühend Leben.
 

Mit staunenden Augen, schlenderte Serenity zwischen den Ständen des Markplatzes umher. Sie hatte keine Ahnung wo sie sich befand und wie sie hierher gekommen war, doch es war einfach Atemberaubend.

Sie kam an einer Garküche vorbei, an der weiche Haferpfannkuchen auf einem runden Blech flink gewendet und an Vorübergehende verkauft wurden. Eine Frau hatte grade ein paar davon erstanden und verteilte sie unter ihren aufgeregten Sprösslingen. Ärgerlich wies sie eines der Kinder zurecht, doch schon im nächsten Moment zerzauste sie liebvoll sein Haar. Als sie Serenity sehnsüchtigen Blick bemerkte, wandte diese sich schnell ab und eilte weiter. Es war nicht das Essen gewesen, dem ihr Blick gegolten hatte.

„Krüge und Kannen!“ rief ihr ein Händler entgegen. Der Mann schwenkte eine grün glasierte Kanne in der Luft, deren Ausguss wie ein grinsendes Gesicht geformt war. Verbissen und mit geröteten Wangen feilschte eine Hausfrau mit dem Gehilfen des Händlers, um den Preis eines Kochgefäßes.

Schnell wurde Serenity klar das sie Geld brauchte, um sich etwas zu Essen kaufen zu können. Doch woher sollte sie es nehmen? In ihrem Palast hatte sie so etwas niemals gebraucht, also trug sie auch keines bei sich.

Um die Tuch und Schmuckstände hatten sich ganze Horden von Frauen versammelt. Die beäugten und befingerten, diskutierten, begehrliche Blicke warfen und gelegentlich auch etwas kauften.

Serenity berührte leicht ihre silberne Kette, die trotz aller Strapazen noch immer um ihren Hals ruhte. Der Mondstein, der in dem runden Anhänger eingearbeitet war, war einzigartig auf dieser Welt und würde sicher ein vermögen einbringen, wenn man ihn verkaufte. Doch es wiederstrebte ihr. Es war das einzigste Erinnerungsstück, das sie noch von ihrem Vater hatte. Niemals würde sie es freiwillig hergeben.

Ihr Weg führte Serenity durch die breite Gasse, an der die Waffenschmiede ihre Stände aufgebaut hatten. Die funkelnden Schwertklingen, die Äxte, Dolche, Schilde, Kettenhemden, Helme und andere Stücke, die zur Ausrüstung eines Kriegers gehörten, fesselten ihren Blick.

Natürlich zog sie immer einen friedlicheren Weg vor, doch das hieß nicht das sie sich nicht Verteidigen konnte, wenn sie es musste. Schon sehr früh hatte man ihr eingeschärft, das ihr Leben zu kostbar sei und sie sich nicht immer auf die Hilfe von anderen verlassen konnte. Deshalb gehörte es zu ihrer Ausbildung als Prinzessin, mit all dieses Waffen auch umzugehen. Und tief in ihrem Herzen, war sie nun einmal die Tochter eines Kriegers.

Plötzlich spürte sie einen kräftigen Stoß in ihrem Rücken. Sie stolperte, und als sie sich überrascht umdrehte, sah sie sich einem Rothaarigen Soldaten und seinen Gefährten gegenüber.

„Welch angenehme Überraschung, Mylady“ er zückte seine Messer.

„Man sagte mir zwar das Ihr hier seid, aber das wir Euch so schnell finden würden. Das hätte selbst ich nicht erwartet“ Serenity schluckte, ließ aber das Messer keinen einzigen Augenblick aus den Augen.

„Was wollt Ihr von mir? Ich habe nichts getan“ trotzig hob sie ihr Kinn und versuchte sich ihre Furcht nicht anmerken zulassen.

„Was Ihr getan habt und was nicht, ist nicht von belang. Ihr werdet jetzt mit uns kommen und macht uns ja keine Schwierigkeiten, Prinzessin“ sie zuckte zurück, als er grob ihren Arm packte.

Schreckliche Angst durchzuckte Serenity wie ein greller Blitz. Sie zog ihren Fuß zurück, trat dem Soldaten, der sie gefangen hielt, gegen das Schienbein, wand sich und biss in die Hand, die ihren Ellbogen umklammerte. Der Soldat schrie auf und ließ sie los. Serenity machte das sie wegkam.

Flink und wendig wie ein Aal zwischen den Steinen, huschte sie zwischen den Markständen hindurch, aber auch ihre Verfolger waren schnell.
 

Endymion kniete halb verborgen hinter einem Baum und beobachtete das Hirschrudel, das in der Nähe äste. Aus einem Zweig hatte er sich eine Art Messer geschnitzt, mehr brachte er im Moment nicht. Reglos spähte er zu der Lichtung. Er beabsichtigte, die Hirschkuh mit ihrem Kitzen unbehelligt vorbeiziehen zulassen und dann Bock zu erlegen, der die Nachhut bildet. Dessen Fleisch würde ihn und Jedite auf ihrer bevorstehenden langen Reise ernähren. Der Gedanke an seinen geschwächten Freund gab ihm neue Kraft. Jedite vertraute ihm, das er sie sicher heimbrachte. Endymion wollte ihn nicht enttäuschen.

Plötzlich hob das Hirschrudel aufgeschreckt die Köpfe. Durch die Sträucher sah Endymion, was die Tiere alarmiert hatte. Eine Junge Frau rannte über eine Weide auf den Wald zu. Enttäuschung durch fuhr ihn. Er war so nahe dran gewesen, Nahrung zu beschaffen.

Etwas blitzte im Licht der Sonne auf ein mal auf und Endymion kniff die Augen zusammen, um die Frau besser erkennen zukönnen. Selbst aus dieser Entfernung sah er, das ihr Gesicht von Schmutz vollkommen verunreinigt war und ihr Kleid an mehreren Stellen nur noch aus Fetzten bestand. Um besser laufen zukönnen, hatte sie ihr Gewand gerafft und enthüllte sonnengebräunte, wohlgeformte Beine. Es schimmerte in einem Bernsteinton, der die Sonnenstrahlen einfing. Das geschürte Mieder schmiegte sich an hohe Brüste und die schmale Taille. Das volle goldblonde Haar wippte um ihre Schultern.

Einen kurzen Moment erhaschte Endymion einen Blick in ihre leuchtend blauen Augen und etwas in seinem Herzen regte sich, das schon längst gestorben zu seinen schien. Er hatte schon befürchtet, die drei Monate im Fleet-Gefängnis hätten alles Menschliche in ihm ausgelöscht.

Dann wandte sie hektisch den Kopf nach hinten und Endymion folgte ihren Blick. Was er sah ließ ihn erschrocken den Atem anhalten, während er die hölzerne Waffe fester umklammerte.

Ein Dutzend bewaffneter Reiter, waren ihr dich auf den Fersen. Es war offensichtlich, das sie auf ihren Pferden das Mädchen schon sehr bald eingeholt haben würden.

„Bleibt stehen Mylady. Ihr könnt uns ja doch nicht entkommen“

Als Endymion das hörte war er vollends verblüfft. Er hätte dieses Mädchen, in ihren zerrissenen Kleidern eher für eine Diebin gehalten, nicht als eine Frau von edler Geburt.

Er beobachtet den Burschen, dessen Stimme der Wind zu ihm herübertrug. Obwohl der junge Mann hoch gewachsen und muskulös war, bezweifelte Endymion nicht, dass er ihn im Kampf besiegen würde. Dessen jugendlicher Eifer wäre gewiss ein Vorteil gewesen, würde Endymion nicht von etwas weit Bezwingenderem angetrieben - von seiner Verzweiflung. Denn genau diesen Männern, hatten er und Jedite überhaupt erst die Einkerkerung ins Fleet-Gefängnis zu verdanken gehabt.

Ein Schrei zerriss plötzlich die Stille, die nur von den nährenden Hufschlägen unterbrochen wurde und zähneknirschend erkannte Endymion, das die junge Frau über einen am Boden liegenden Stock gestürzt war. Jetzt würde sie ihren Verfolgern sicherlich nicht mehr entkommen können.

Zu seinem erstaunen, rappelte sich das Mädchen schnell wieder vom Boden hoch, doch anstatt weiter vor ihren Feinden zu fliehen, griff sie nach dem Stock und erwartete die erste Attacke.
 

Närrin, dachte Endymion. Welche Chance hatte schon ein Mädchen gegen ein Dutzend Männer?

Der Schwarzhaarige ermahnte sich, dass ihn diese Sache nichts anging, und selbst wenn er ihr zu Hilfe kommen mochte, so besaß er doch für den Kampf keine brauchbare Waffe.

Schon wollte er sich weiter in den Wald zurückziehen, bevor man ihn etwa entdeckte, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Er beobachte die Vorgänge weithin aus seinem Versteck, und seine Neugierde wandelte sich langsam in Verblüffung.

Dieses Mädchen war ja eine erprobte Kriegerin!

Sie tänzelte, parierte und stieß immer wieder zu, bis der erste Angreifer aus dem Sattel gegen einen Baum stürzte. Ein zweiter Mann glitt von seinem Pferd, doch die junge Frau überwältigte auch diesen. Sie focht mit ihrem Stock, wie mit einem Säbel, und obwohl die Gegner wesendlich größer waren als sie, gab sie nicht auf.

Endymion musste an Jedite denken, den er alleine und verwundet zurückgelassen hatte. Falls er ihn nicht bald versorgte, wäre dies das Ende des Jungen. Jedite zuliebe wäre er gerne umgekehrt, doch es ging ihm gegen die Natur, vor einem Gefecht davonzulaufen, besonders da ihm klar war, dass diese unschuldige Frau seinetwegen überfallen worden war.

Obwohl sie mit großem Geschick focht, wurde schnell offensichtlich, das sie angesichts der Überzahl der Angreifer bald unterliegen würde.

Ohne an seine eigene Sicherheit zu denken, trat Endymion aus dem Wald. Er bückte sich und zog einem gefallenden Soldaten den Säbel aus der Hand.
 

Aus dem Augenwinkel bemerkte Serenity den Fremden, der sich jetzt in den Kampf einmischte. Als sie erkannte, das er auf ihrer Seite war, wandte sie sich wieder ihrem Gegner zu.

Das Gefecht war unterdessen zu einer blutigen Schlacht geworden.

„Hinter dir, Mädchen!“

Serenity fuhr herum und sah sich einem weiteren Krieger gegenüber. Mit flinken Bewegungen trieb sie ihn zurück, wich dann seinem Ausfall geschickt aus und entledigte sich seiner, doch schon bedrängten zwei andere Angreifer sie. Als sie zurückspringen wollte, landete sie versehentlich an der Brust des Fremden, der sich grade zwei weitere Säbelfechter vom Leib hielt.

„Gut gemacht, Mädchen“ rief Endymion ihr zu und kämpfte ihren Gegner zu Boden.

Zeit, darauf etwas zu erwidern, blieb Serenity nicht. Um sie herum waren zahlreiche Bewaffnete. Manche saßen noch zu Pferd, andere schwangen sich aus dem Sattel, um ihren verwundeten Kameraden zu helfen.

Da sah Endymion einen Mann hinter einem Baum hervorspringen und auf Serenity zulaufen. Augenblicklich erkannte er, das dieser Krieger nicht zu den Soldaten gehörte. Rasch brüllte er ihr noch einen Warnung zu und nahm dann seinen eigenen Kampf wieder auf.

„Niell, du Verräter!“ Serenity fühlte den scharfen Schmerz, als der Säbel ihres Gegners sie an der Schulter traf, wodurch sie jedoch ihre Anstrengungen noch erhöhte. Sie hörte ihr eigenes heftiges Atmen, während sie ihren Angreifern mit schnellen Paraden zurücktrieb. Die Schmerzen ihrer neu blutenden Wunde, spürte sie indes nicht mehr.

„Ihr wisst gar nicht wie lange ich auf diesen Tag gewartet hab, um euch endlich ins Jenseits zu befördern. Nur schade das mein erster Versuch nicht geklappt hat“ er lächelte höhnisch und ungeachtet ihrer Tränen der Wut, die ihr fast die Sicht raubten, sprang Serenity mit erhoben Stock ihren Angreifer an.

„Dafür wirst du bezahlen“
 

Wie gelähmt beobachtet Endymion den verzweifelten Kampf der jungen Frau. Konnte er es vielleicht weniger gut als dieses Mädchen? Und wenn es sie alle das Leben kostete – sie mussten bis zum letzten Atemzug fechten.

Er sah wie der Fremde einen Ausfallschritt zur Seite tat und das Mädchen für einen kurzen Moment ins schwanken geriet. Doch sie fing sich wieder, bevor sie stürzen konnte und drehte sich genau in den Moment wieder um, als ihr Gegner mit seinem Schwert ausholte. Sie riss den Stock nach oben, in der Hoffnung so ihren Körper vor dem scharfen Metal zu schützen. Doch die Wucht des Aufpralls war zu groß, als das sie es in ihrem geschwächten Zustand auszuhalten vermochte.

Sie spürte den Schlag, der ihr Schädel zum explodieren brachte, bevor eine gnädige Dunkelheit sie einhüllte. Ihr Körper sackte leblos zu Boden und ein feiner Blutstrom floss ihre Schläfe hinunter und sammelte sich schließlich zwischen den Feldblumen auf dem Erdboden.

Endymion hatte dem allen mit immer größer werdenden Entsetzen zugesehen, doch ehe er ihr zu Hilfe eilen konnte, war er schon selbst umzingelt. Mit dem Mut der Verzweifelung schlug er seine Angreifer zurück. Jedite war schließlich von ihm abhängig. Endymion focht nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seines Freundes. Jetzt musste er die Sache auch zu Ende führen. Dabei entging ihm aber, das goldene Funkeln, dass Serenitys Stirn bedeckte und samt den Halbmond der unter dem Schutz verborgen war verschwand.
 

Nun waren nur noch drei Gegner übrig, und da diese das Schicksal ihrer Kameraden nicht teilen wollten, zogen sie sich zurück und verschwanden im Wald. Die Schlachtrufe waren verklungen, und eine unheimliche Stille senkte sich herab.

Endymion schaute sich nach der jungen Frau um, die am Boden lag. Er kniete sich neben sie und sah nach ihren Verletzungen. Sie blutete an mehren Stellen. Was jedoch viel schlimmer war, sie hatte einen schrecklichen Schlag auf den Kopf abbekommen.

Behutsam betastete er die Beule, doch sie blieb reglos liegen. Er suchte nach dem Puls an ihrem Hals und fühlte ihn nur schwach.

Leise vor sich hin fluchend, nahm Endymion die Waffen und Umhänge der gefallenden Krieger an sich. Jetzt gehörten sie ihm. Rasch befestigte er sie am Sattel eines Pferdes, das einem der Toten gehörte und nun friedlich graste. Dann kümmerte er sich um die junge Frau. Nur das schwache Heben und Senken ihrer Brust zeigte das sie noch Lebte. Er hob sie auf seine Arme, schwang sich mit ihr auf eines der Pferde, ergriff die Zügel des zweiten und befestigte sie an seinem Sattel. Es galt keine Zeit zu verlieren. Jedite war schon viel zu lange alleine.

Während die Pferde durch den Wald trabten, haderte er mit seiner misslichen Situation. Welch grausames Spiel treib das Schicksal mit ihm? Er hatte Jedite versprochen, ihn sicher heimzubringen, und nun hatte er sich auch noch dieses hilflose Mädchen aufgebürdet, ein Geschöpf, das ihm völlig rätselhaft war.
 


 

byby Blacklady

Erschreckende Erkenntnis

Sie spürte nur noch körperliche Schmerzen, und als diese immer größer wurden, überflutete sie eine neue Welle der Angst. Sie fürchtete sich nicht vor dem Tod, sondern vor dem Todesschmerz. Und dieser Schmerz war überall, schien sich immer tiefer in ihr festzusetzen. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, doch er ließ sich nicht abschütteln. Er war da, in ihrer Schulter, in ihrem Arm, in ihrem Kopf. Ganz besonderst in ihrem Kopf. Gewiss hatte man ihr den Schädel gespalten.

Ihr war heiß, furchtbar heiß. Und sie vermochte ihre Gliedmaßen nicht zu bewegen, weil sie zu schwer waren. Selbst ihre Lieder fühlten sich schwer an. Es war viel zu anstrengend, sie zu öffnen.

„Immer mit der Ruhe, Mädchen“

Eine tiefe männliche Stimme drang an ihr Ohr. Serenity kannte diese Stimme nicht, dennoch wusste sie, dass sie, sie schon einmal gehört hatte.

Jemand berührte sie. Sie erstarrte und war zum Wiederstand entschlossen, aber sie konnte sich nicht wehren. Und dann legte sich auch die Furcht. Das waren die Engel. Ja, die Engel würden sie jetzt holen. Und obgleich sie stets gedacht hatte, sie würde gegen das Sterben ankämpfen, hieß sie jetzt diese sanfte Berührung willkommen.

Feste Hände streckten sich ihr entgegen. Sie schwebte und trieb dahin. Die Engel hoben sie so liebevoll in die Höhe, als wäre sie ein kleines Kind. Starke Arme wiegten sie in einem warmen Kokon.

Sie hörte ein Herz pochen. Ihres? Es musste ihres sein. Engel hatten ja kein Herz. Doch dieses kräftige, gleichmäßige Schlagen empfand sie als ungemein tröstlich. Möglichweise hörte sie es ja zum letzten Mal.

Da nahm sie den vertrauten Moschusduft wahr. Also war auch ihr Vater bei ihr. Sie fühle, wie seine Arme sie an seine Brust drückten, fühlte seinen Umhang rau und kratzig an ihrer Wange. Der Stoff roch ein wenig nach Pferden und Feldern.

Vater – irgendwie hatten die Engel es geschafft, ihn zu ihrem Empfang herbeizubringen. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen und seufzend schlang sie ihre Arme um den Nacken. Ihr Schmerz war vergessen. Sie befand sich bei den Engel. Und bei ihrem Vater. Friede war um sie herum.
 

Venus hatte hinter dem massiven Schreibtisch in der Bibliothek Platz genommen. Ihr gegenüber saßen Merkur und Jupiter und neben ihnen Mars. Auf der anderen Seite hatten sich Hauptmann Niell und zwei seiner untergeben niedergelassen, die Reisekleidung trugen. Cecil Kettering stand allein neben den Kamin.

Für das ungeübte Auge zeigte Venus Gesicht keine Gefühle. Für diejenigen indes, die sie besser kannten und liebten, war es ganz offensichtlich, das sie sich beherrschte.

„Ich habe euch alle hergebeten, denn dies ist meine letzte Handlung als Anführerin der Sailor Kriegerin“ Sie betrachtete Mars.

„Ab morgen, wird Mars meinen Posten übernehmen“ Diese erschrak.

„Ich, aber warum?“ Venus Miene verdüsterte sich kaum merklich.

„Prinzessin Serenity, ist Tot. Und als Anfüherin der Sailor Kriegerin übernehme ich die volle Verantwortung“

„Sprich doch nicht so“ bat Merkur leise. „Es war nicht deine Schuld“

„Doch. Ich habe bei meinen Leben geschworen sie zu beschützen und habe versagt. Es war meine Schuld“ erwiderte sie unwirsch.

Wieder an Mars gewandt, sprach sie weiter.

„Ich habe dich gewählt, weil ich der Meinung bin, das du am besten für diese verantwortungsvolle Position geeignet bis. Merkur und Jupiter stimmen mir in diesen Punk zu“ Mars wandte sich ihren beiden Freundinnen zu, die mit gesenkten Haupt und gefalteten Händen da saßen.

„Stimmt das? Seit ihr auch dieser Auffassung?“ Die beiden Krieger warfen Venus einen Seitenblick zu und dachten an ihre hitzige Diskussion.

„Ja“ flüsterten beide gleichzeitig.

„Jupiter, ich möchte das du mit Hauptmann Niell und seinen beiden Männern unverzüglich zum Jupiter aufbrichst und Königin Seriniti, über den tragischen Tot ihrer Tochter informierst“ beeilte sich Venus weiter Anweisung zu geben, bevor Mars die Gelegenheit bekam, ihren Schock zu überwinden.

Jupiter sah sie zwar überrascht an, unterließ es aber Venus zu wiedersprechen. Sie konnte Verstehen, warum die blonde Kriegerin grade sie ausgewählt hatte. Als Prinzessin des Jupiters war es nun einmal ihr Heimatplanet, auch wenn die Vorstellung mit einer so traurigen Botschaft dorthin zurück zu kehren, ihr alles andere als behagte.

„Ich möchte gerne unter vier Augen mit Mars sprechen“ erklärte Venus.

Die anderen waren zwar über ihre unvermittelte Äußerung überrascht, verließen jedoch sofort die Bibliothek. Kettering ging als Letzter. Den Ausdruck in Venus Augen kannte er. Früher hatte er ihn oft in den Augen der Mondprinzessin gesehen. Beide waren sie intelligente Frauen, aufgewachsen in einem unruhigen Land. Doch im Gegensatz zu der Mondprinzessin, war Venus ein leichter Gegner.
 

Nach dem die Tür geschlossen worden war, trat Venus vom Schreibtisch zurück, ging zum Kamin und drehte sich um.

„Ich möchte dich bitten wachsam zu sein. Ich hege schon lange den Verdacht, das sich unter unseren Soldaten Verräter befinden“

„Glaubst du, das unsere eigenen Männer Serenity angegriffen haben könnten?“

„Das weiß ich noch nicht“ zum ersten Mal zeigte Venus eine Spur ihres tiefen Zorns.

„Doch ich werde es herausfinden. Ich werde ihre Mörder finden und sie töten“

„Sie ist nicht Tot verdammt“ schrie Mars wütend.

„Wir haben ihre Leiche nicht gefunden. Sondern nur einen Pfeil an dem ihr Blut klebte. Doch was bedeutet das schon. Es beweist gar nichts“ sie wollte einfach nicht glauben das ihre geliebte Prinzessin tot war. Nicht solange sie sich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt hatte und so lange würde Serenity für sie lebendig bleiben, egal was alle Anderen auch sagten.

„Ich kann dich verstehen Mars. Mir fällt es auch schwer zu glauben das sie tot sein soll. Und wenn du Recht hast und sie wirklich noch lebt, dann werde ich sie finden. Das verspreche ich dir“ überrascht schaute Mars sie an.

„Du willst sie suchen? Und wo bitte schön?“

„Die beiden toten Männer die wir im Wald gefunden haben, trugen das Banner der Erde. Dort werde ich mit meiner Suche beginnen“

„Dann nimm mich mit“ bat Mars mit flehender Stimme.

„Das ist mir unmöglich. Du musst hier bleiben und das Reich schützen“ Sie ging zu ihr, küsste sie auf die Wange und schritt aus dem Raum.

Mars blieb reglos stehen und lauschte in die Stille der Bibliothek. Als sich ihrer Kehle ein Schluchzen zu entrinnen drohte, eilte sie rasch zu ihren Gemächern.

Diesen Schmerz wollte sie mit sich selbst im Herzen abmachen. Sie schwor sich, niemanden etwas von Venus Entschluss abzureisen zu sagen.
 

Endymion betrachtete die junge Frau in seinen Armen. Blut verklebte ihr Haar, und ihr Gesicht war blass. Sie schien ihm so zerbrechlich und so hilflos wie ein verwundetes Vögelchen. Doch ihr Erscheinungsbild täuschte. Er hatte gesehen, wie furchtlos sie ihrem Feind gegenübergetreten war.

Sie sei von edler Geburt, hatte der Jüngling gesagt.

Endymion hatte keinen Grund, ihm das nicht zu glauben...

Allerdings war ihm noch keine hochgeborene Frau begegnet, die wie ein Mann zu fechten verstand.

Er hörte die junge Frau seufzend und sah das Lächeln auf ihren Lippen. Wo mochte sie sich wohl in Gedanken befinden? Hoffentlich an einem freundlicheren Ort als an dieser blutigen Stätte, welche sie grade verlassen hatten, dachte er. Sollte sie ihren Schmerz auch nur für wenige Minuten vergessen haben, wäre das schon ein Segen, denn wenn sie in die Welt der Lebenden zurückkehrte, würde sie die Verletzungen nicht mehr ignorieren können.

Endymion sorgte sich wegen ihrer Wunden. Andererseits war die junge Frau eine Kämpferin, und er vermutete, als solche würde sie nicht einfach in die andere Welt treten. Er zog sie wieder an seine Brust und schlag die Arme um sie, um sie warm zu halten. Doch bei dieser leichten Bewegung, rutschte die silberne Kette um ihren Hals heraus. Fasziniert betrachtet er den Mondstein der in dem runden Anhänger eingelassen war. Noch nie hatte er einen so schönes Stück gesehen. Dies war wohl der Beweis, das sie tatsächlich von adliger Geburt sein musste. Denn kein normalsterblicher Mensch, würde sich ein solch kostbares Schmuckstück leisten können. Aus purer Neugierde drehte er den Anhänger in seiner Hand herum, und war erstaunt dort eine Inschrift zu entdecken.
 

Für meine Geliebte Tochter, Sera.
 

Sera, also. Jetzt wusste er zumindest schon mal ihren Namen.

Während sie durch den Wald ritten, sah Endymion in der Ferne gelegentlich Schlösser, alte Burgen oder Herrenhäuser und er fragte sich, welches davon wohl der Frau in seinen Armen gehörte. Weil er solange in Fleet gewesen war, wo er nicht hatte sprechen dürfen, spürte er nun das Bedürfnis zu reden. Das Mädchen konnte ihn zwar nicht hören, doch das spielte keine Rolle. Die Freiheit zu sprechen war ihm zu kostbar.

„Deine Leute werden dich bald vermissen, Mädchen. Man wird sich Gedanken machen, und dann wird man sich um dich sorgen. Möglicherweise wird man Soldaten ausschicken um nach dir zu suchen.“ Endymion warf einen Blick auf die junge Frau, die Friedlich in seinen Armen ruhte.

„Ich würde meine Bürde gerne denen überlassen, die sich dann um dich kümmern“ das war natürlich gelogen, denn im Moment war sie überhaupt keine Bürde. Sie in seinen Armen zu halten empfand er durchaus als etwas ungemein Angenehmes, angenehmer, als er sich selbst eingestehen wollte. Wann hatte er zuletzt eine Frau so dicht an seinem Herzen geborgen?

„Leider darf ich mich jedoch nicht zu erkennen geben. Es gibt Leute, die mich unbedingt in ein Gefängnis und an den Galgen bringen wollen. Und falls sie dir dabei etwas antäten, wären sie auch nicht traurig. Obwohl ich deinen Leuten viel Glück bei der Suche nach dir wünsche, muss ich leider während dieser Reise im Wald verborgen bleiben. Und jeder, der mich herausfordert, bekommt es mit meiner Waffe zu tun.“

Die Gestalt in seinen Armen seufzte und schmiegte sich näher an seine Brust. Das Gefühl von Freude durchflutete ihn, doch er bemühte sich, es zu unterdrücken. Schließlich war die Frau bewusstlos und hatte keine Ahnung, was sie tat. Andererseits war sie unbestritten eine wirkliche Schönheit, und sie nur in den Armen zu halten machte ihn wahrhaft frei...

Ihm war natürlich klar, dass sie ihn nicht gehört hatte, doch mit ihr zu sprechen vermittelte ihm das seltsame Gefühl, völlig unabhängig zu sein.

Die Sonne ging bereits unter, als sie den Fluss erreichten. Endymion lenkte sein Pferd vorsichtig zwischen den Bäumen, die nahe am Ufer des Flusses wuchsen. Unvermittelt zügelte er den Hengst und glitt aus dem Sattel.

Bei der Bewegung wachte Serenity auf.
 

Dies kann nicht der Himmel sein, dachte sie. Einen Moment wurde sie von Entsetzen gepackt. Hatte sie denn ein so sündiges Leben geführt, das sie jetzt für alle Zeiten in der Hölle dafür büßen musste?

Doch nein – jemand war da, der ihr etwas bedeutete und der sie beschütze. Doch wer war das?

Sie mühte sich zwar sehr, vermochte sich jedoch das Bild dieses so wichtigen Menschen nicht vor Augen zu führen. Was sie sah, war nur eine entsetzliche Schwärze, die sie einzuhüllen drohte.

Mit größter Anstrengung gelang es ihr endlich, die Lieder zu heben. Der Glanz der untergehenden Sonne, die sich im Wasser spiegelte, schmerzte wie ein Dolchstoß. Rasch schloss sie die Augen, biss die Zähne zusammen und öffnete die Lieder erneut.

Ein Fremder trug sie auf seinen Armen! Als er sich bückte und sie ins Gras gleiten ließ, erhaschte sie einen Blick auf schwarzes Haar und einem Gesicht mit einem ebenso schwarzen Bart. Die gleichfalls dunkelblauen Augen schauten sie für einen Moment lang durchdringend an. In Serenity blitze eine Erinnerung auf. Hatte sie diesen Mann nicht mit einem Säbel in der Hand neben sich kämpfen sehen? Als der Fremde fortging verblasste auch dieses Bild.

Serenitys Augen gewöhnten sich an das Zwielicht des Waldes. Sie bemerkte etwas, das an ein Lumpenbündel erinnerte. Es lag unter dem nächsten Baum. Der Fremde kniete sich nieder.
 

„Jedite.“ Endymion berührte die reglose Gestalt und war erleichtert, als sein Freund leise stöhnte.

„Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht. Und außerdem Pferde sowie Waffen“ fügte er leise hinzu.

„Ich werde jetzt ein Feuer machen, und dann können wir essen. Das brauchen wir dringend, um wieder zu Kräften zu kommen“

Endymion sammelte Zweige sowie trockenes Gras, und bald flackerte ein Feuer. Aus den Jagdtaschen, die von den Sätteln hingen, holte er ein paar Tauben und steckte sie auf einen provisorischen Spieß. Während sie brieten, holte er Wasser aus dem Fluss, kniete sich wieder neben sein Freund und wusch dessen fiebernden Körper.
 

Serentiy betrachtete die beiden und lauschte ihnen. Sie hatte keine Ahnung, um wen es sich bei diesen Männern handelte, doch es war klar zu erkennen, das derjenige namens Jedite arg ausgepeitscht wurde.

Hatte sie das Gleiche erlitten? Und tat ihr deshalb alles so weh?

Sie wollte sich bewegen, stellte indes jedoch fest, das ihr Körper selbst den einfachsten Bewegungen nicht gehorchte. Als sie sich aufsetzen wollte, entrang ein Stöhnen ihren Lippen. Sofort eilte Endymion zu ihr.

„Hast du Schmerzen, Mädchen?“

Sie bemühte sich, den Mann anzusehen, der hoch vor ihr stand, doch das strengte sie zu sehr an. Ihr und sein Blick trafen sich kurz.

„Ihr werdet wieder gesund. Ihr habt einen Schlag auf den Kopf bekommen und seid an der Schulter verletzt worden. Versucht zu schlafen.“

Serenity nickte. Zum Sprechen war sie zu schwach, doch die Fragen, welche sie quälten, ließen sie nicht zur Ruhe kommen. So lag sie mit offenen Augen da und sah zu, wie sich der Fremde bewegte und Essen zubereitete.
 

Jetzt hob Endymion Jedites Kopf in den Schoß.

„Ich kann nicht essen“ behauptete dieser.

„Du musst!“

„Wer ist die Frau?“

Während Endymion das Geflügel zerteilte und seinen Freund damit fütterte, erklärte er.

„Ich traf sie als ich hinter einem Hirschen her war. Bedauerlicherweise wurde mir das Jagdglück durch eine Horde rebellischer Soldaten verwehrt“

„Rebellen?“ Jedite schob die Hand seines Freundes fort und blickte ihn fragend an.

„So ist es. Zum Glück konnte die Lady kämpfen“

Jedite blickte ihn so erstaunt an, das Endymion leise lachen musste.

„Ich scherze nicht. Sie focht, als wäre sie auf einem Schlachtfeld zur Welt gekommen.“

Serenity ballte die Hand zur Faust und versuchte, sich vorzustellen, wie sie ein Schwert hielt. War es möglich, das der Fremde die Wahrheit sprach? Sie erinnerte sich nicht.

„Was wurde aus den Rebellen?“

„Einige schlugen wir, die Anderen flohen. Doch damit sind wir sie noch nicht los. Man wird uns solange suchen, bis man uns gefunden hat.“

„Heilige Jungfrau – wir müssen von hier fort!“

Jedite wollte schon aufstehen, doch Endymion hielt ihn zurück.

„Nicht doch. Im Moment haben wir nichts zu befürchten. Du musst erst wieder zu Kräften kommen, ehe wir unsere Heimreise fortsetzen.“

„Und die Frau?“ Mit erstaunlich starken Griff fasste Jedite die Hand seines Freundes.

„Warum hast du sie mitgebracht?“

Reglos erwartete Serenity die Antwort des Fremden.

„Sie hat viele schwere Wunden davongetragen. Ich hätte sie unmöglich dort zurück lassen können. Das hätte ihren Tod bedeutet.

Doch mach dir keine Sorgen. Ich werde sie zu ihrem Volk zurückbringen, ehe wir unsere Heimreise fortsetzen.“

Jedite dem es entging, das die junge Frau leise erleichtert aufatmete, stieß selbst einen Seufzer aus.

„Gottlob“ flüsterte er. „Wir haben eine gefährliche Reise vor uns, Endymion, und es wäre nicht richtig, dieses unschuldige Mädchen dort mit hineinzuziehen“

„Das weiß ich, mach dir deshalb keine Sorgen“

Endymion... Serenity wandte den Kopf und wollte sich auf den Fremden konzentrieren. Zumindest kannte sie jetzt seinen Namen.

Endymion riss noch einen Bissen von dem Taubenbraten ab und schaute zufrieden zu, wie der Blonde weiteraß. Jedites Appetit zeigte deutlich, das er wieder zu Kräften kam.

„Jetzt hab ich genug, Endymion.“ Jedite schob seine Hand fort, als Endymion ihm noch mehr in den Mond stecken wollte.

„Du musst aber essen, Jedite! Wir haben noch viele Meilen vor uns.“

„Ja, morgen. Jetzt will ich schlafen.“

Endymion hielt seinem Freund die Wasserflasche an die Lippen und sah Jedite beim Trinken zu. Dann ließ sich sein Freund wieder in die Lumpen sinken, die ihm als Decke dienten, und wenige Minuten später hörte man ihn flach atmen.

Endymion zog die Umhänge vom Sattel, die er den Toten auf der Weide abgenommen hatte, breitete einen davon über seinen Freund und wickelte den Anderen um das Mädchen.

Serenity fröstelte in dem warmen Umhang und versuchte sich auf das eben Gehörte zu konzentrieren, doch das strengte sie viel zu sehr an. Sie schien nicht in der Lage zu sein auch nur einen einzigen Gedanken zu verfolgen.

Seufzend schloss sie die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Endymion überzeugte sich, das er alles getan hatte, um es den beiden Verwundeten so bequem wie möglich zu machen. Dann setzte er sich, lehnte sich an einen Baum uns aß, bis auch sein Hunger gestillt war.
 

Sonnenlicht fiel durch das Blattwerk und wärmte die Gestalten, die unter den Bäumen lagen. Endymion erwachte und lauschte reglos auf die Geräusche des Waldes. Vögel zwitscherten, Insekten summten, und das Wasser plätscherte. Die Szene war so friedlich, dass er sich am liebsten nicht mehr fortbewegt und das Bevorstehende vergessen hätte. Er durfte sich jedoch nicht vormachen, das er hier tatsächlich in Sicherheit befand. Ihre Verfolger würden die Suche nach ihnen nicht so schnell aufgeben. Sobald Jedite kräftig genug war, mussten sie weiterreiten. Zuerst aber würde er, Endymion, die Lady zu ihren Volk zurückbringen. Bei den Ihren würde sie sich gewiss schneller erholen.

Bei den Ereignissen am Tag zuvor hatte er keine Zeit gefunden, ihre Schönheit gebührend zu bewundern, doch jetzt erlaubte er es sich, sie ausgiebig zu betrachten.

Die junge Dame besaß einen makellosen Teint, und im frühen Sonnenlicht schimmerte ihr Haar wie Gold. Im Fieber hatte sie den Umhang abgeworfen, und Endymions Blick glitt über ihren schlanken Körper mit der schmalen Taille und den wohlgerundeten Hüften. Ihr Gewandt war am Hals offen und gab den Blick auf das dunkle Tal zwischen ihren Brüsten frei.

Ihr im Schlaf entspanntes Gesicht war fein geschnitten. Ihre Stupsnase und das energische Kinn verliehen ihr ein königliches Aussehen. Doch es waren ihre vollen Lippen, die Endymion am schönsten fand. Sie erschienen ihm so einladend...

Während er sie anguckte, flatterten ihre Lieder und öffneten sich langsam. Endymion spürte ihre Verwirrung, als sie sich offensichtlich zu orientieren versuchte.

„Habt ihr Schmerzen, Mylady?“

„Schmerzen? Gewiss. Wer seid ihr?“

„Ich heiße Endymion.“ Er sprach diesen Namen mit gewissen Stolz aus, was Serenity nicht entging. Allerdings sagte ihr der Name nichts, doch für den Mann schien er eine bestimmte Bedeutung zu haben.

„Weshalb bin ich hier?“

Anscheinend erinnerte sie sich nicht mehr an die Geschehnisse am Tag zuvor.

„Ihr wurdet bei einem Gefecht mit rebellischen Soldaten verwundet, Mylady. Eure Verletzungen waren zu schwer, als das ich euch allein zurück lassen konnte. Also nahm ich euch mit“

„Soldaten?“

„Gewiss. Sie verfolgte euch“

Sie sah ihn weiterhin verständnislos an. Deshalb bemühte er sich um eine noch sanftere Tonlage.

„Wenn ihr mir nun sagen wollt, wer Ihr seid, Mylady und woher Ihr kommt, werde ich dafür sorgen, dass Ihr sicher heimgebracht werdet. Durch euren Anhänger, weiß ich nur, dass euer Name Sera ist“

„Sera? So heiße ich?“

Welches Spiel triebt diese Lady mit mir, fragte sich Endymion und beobachtete, welche Gefühle sich in ihrem Gesicht wiederspiegelten: Verwunderung, Zorn und schließlich schreckliche Angst. Nein, sie machte mir nichts vor, ging es ihm durch den Kopf. Ratlos blickte er sie an.

„Gott im Himmel!“ Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie die grausame Wahrheit erkannte.

„Ich weiß weder, wie ich heiße, noch wo mein zu Hause ist!“ Sie barg das Gesicht in ihren Händen und begann zu weinen.

„Gütige Gottes, ich erinnere mich an gar nichts mehr!“
 


 

byby Blacklady

Vergessene Talente

Was die junge Frau sagte, erschreckte Endymion. Während sie leise weinte, betrachtete er sie schweigend. Er hatte von Kriegern gehört, welche von einem Kampf Verletzungen davontrugen, die vorübergehende Verwirrung zur Folge hatten. Man berichtete sogar schreckliche Geschichten von Kriegern, die sich offenbar nie wieder erholt hatten.

Ihre Tränen machten ihn hilflos. Könnte dasselbe auch bei ihr der Fall sein? Sera, wie er sie insgeheim nennen würde, war doch ihren Angreifern so furchtlos gegenüber getreten...

Wenn ihn am Tag zuvor ihr Waffengeschick überrascht hatte, so bestürzte es ihn jetzt gleichermaßen, dass sie bei dieser neuen Erkenntnis in Tränen ausbrach.

Nach einer Weile berührte er sie sanft an der Schulter.

„Ihre Erinnerung wird wiederkehren, Mylady.“

„Nun entsinne ich mich nicht einmal mehr an die einfachsten Ding. Meinen Namen, meine Familie, diese Rebellen von denen ihr spracht, ja, ich habe sogar vergessen, wo mein zu Hause ist.“

„Glaubt mir, Ihr werdet Euch schon bald wieder an alles erinnern.“

„Seid Ihr wirklich davon überzeugt?“ Sie blickte ihn an, und ihre Wangen waren noch feucht von ihren Tränen.

„Ganz gewiss. Doch jetzt müsst Ihr weiterschlafen, damit Ihr zu Kräften kommt. Und in dem Maße, wie sich Euer Körper erholt, wird auch Euer Geist gesunden.“

Serenity unterdrückte die Angst, die erneut in ihr hochstieg. Sie durfte ihrer Schwäche nicht nachgeben, selbst wenn sie so etwas Schreckliches noch nie erlebt hatte.

Besaß sie überhaupt eine Familie, Freunde? Womit hatte sie ihre Tage verbracht? Trauerte irgendjemand ihrem Verschwinden nach? Würde sie jemals ihre eigene Vergangenheit erfahren? Oder war die Erinnerung daran für alle Zeit aus ihrem Gedächtnis gelöscht?

„Ich heiße also Sera“ stellte sie mit Nachdruck fest und umschloss die silberne Kette mit ihrer Hand. Hieran wollte sie sich klammern. Sie besaß einen Namen, auch wenn sie sonst nichts über sich wusste.

„Außer kaltem Fleisch haben wir kaum noch etwas, Mylady. Doch essen müsst ihr etwas.“

„Ja danke“ Serenity nahm ein Stück Geflügelfleisch entgegen und zwang sich zu kauen, doch die Furcht, die an ihrer Seele nagte, ließ alles wie Asche schmecken.
 

„Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Endymion sprach so leise, dass die Schlafende davon nicht aufwachte.

„Auf eine Nacht mehr kommt es doch bei unserer Reise nicht an, Endymion. Doch das könnte grade die Zeit sein, die die Lady braucht, um sich wieder zu erinnern.“

„Und wenn die Erinnerung nicht wiederkommt?“ Diesen unangenehmen Gedanken wies Jedite von sich.

„Du hast selbst gesagt, sie sei übel verletzt worden. Lass ihr noch etwas Zeit, um sich zu erholen.“ Endymions Stimme wurde rauer.

„Ich würde ihr ja gerne Zeit geben, doch leider haben wir keine. Wenn wir hier nicht bald verschwinden, werden wir uns etwas weit Schlimmern gegenüberstehen als der Gesellschaft einer Lady ohne Gedächtnis.“ Jedite schauderte und wandte sich ab.

„Du hast natürlich wie immer Recht. Allerdings...“

„Allerdings was?“ hackte Endymion nach.

„Allerdings denke ich es ist besser, wenn wir sie nicht mitnehmen“ beendete Jedite seinen Satz.

„Würdest du sie lieber hier sich selbst überlassen?“

„Nein das nicht, aber wenn sie unseretwegen zu Schaden kommt, klebt ihr Blut an unseren Händen.“ Endymion erhob sich.

„Das wäre nicht das einzige Blut an meinen Händen“ erwiderte er grimmig.

Jedite seufzte leise.

„Dann sag ihr wenigstens die Wahrheit. Früher oder später wird sie es sowieso erfahren und um ehrlich zu sein, gefällt es mir nicht sie anzulügen“

„Nein jetzt noch nicht. Je weniger sie weiß um so sicherer ist es für sie, glaub es mir“

Jedite beobachtete, wie er einen Stein aufhob und daran seine Messerklinge zu schärfen begann. Die innere Stärke seines Freundes bewunderte er. Endymion hatte schon immer für sie alle die Entscheidungen getroffen und er irrte sich selten. Doch wenn es tatsächlich einmal so war, dann nahm er die Folgen stets ganz alleine auf sich.

Wenn man für so viele Menschen die Verantwortung trägt, muss man sich sehr einsam fühlen, dachte Jedite. Dennoch hatte sich Endymion nie beklagt. Jedenfalls hatte er sich nie etwas anmerken lassen.
 

Serenity schaute zu, wie Endymion ihre Pferde sattelte. Zwar hatten die beiden Freunde von einer langen Reise gesprochen, ihr indes aber nicht gesagt, wohin diese gehen sollte.

„Liegt eure Heimstatt weit von hier entfernt?“ Es viel ihr leicht, sich mit Jedite zu unterhalten – weshalb dann nicht auch mit dem Schwarzhaarigen?

„Ja. Es wird eine recht unangenehme Reise.“ Jedite wollte sich ein zerfetztes Hemd über den Kopf ziehen. Serenity bemerkte, wie er zusammenzuckte, als der raue Stoff seinen geschundenen Rücken streifte.

Sofort ließ sie ihr Stück Fleisch ins Gras fallen.

„Lasst mich euren Rücken sehen.“

„Nein“ er wich zurück, war jedoch nicht schnell genug. Serenity hob den Stoff an. Ihr stockte der Atem.

„Mein Gott! Diese Wunden eitern ja. Die darf man nicht so einfach ignorieren.“

„Wir haben keine Zeit. Ich darf keine weiteren Verzögerungen verursachen.“

„Wenn Ihr Euch nicht die Zeit nehmt, diese Verletzungen ausheilen zu lassen, könnt Ihr bald überhaupt nicht mehr aus einem Pferd sitzen. Legt euch jetzt bitte auf den Bauch.“

Serenity ging zum Flussufer und sammelte dort Kräuter, Blüten und Wurzeln. Dann suchte sie sich einen flachen Gesteinsbrocken sowie einen kleinen Stein. Sie kniete sich nieder, sortierte die Pflanzen und begann sie zu zerstampfen.

Nachdem die Pferde gesattelt und bereit waren, kehrte Endymion zur Lichtung zurück. Der Anblick, der sich ihm dort bot, machte ihn vorübergehend sprachlos: Sera strich dem Blonden sanft eine Salbe über die Wunden, und was noch verblüffender war, Jedite schien durchaus nichts dagegen zu haben.

Gegen einen knorrigen alten Baumstamm gelehnt, bleib Endymion außer Sicht. Er beobachtete und lauschte nur.

„Wo habt Ihr die Kunst des Heilens gelernt, Sera?“ erkundigte sich Jedite.

„Das weiß ich nicht mehr“

Da er Angst aus ihrer Äußerung herauszuhören glaubte, dämpfte Jedite seine Stimme.

„Macht Euch keine Sorgen. Ihr werdet Euch bald wieder an alles erinnern.“

„Das hoffe ich“ murmelte Serenity, und Endymion sah wie sie kurz die Lippen zusammenpresste.

„Ich ertrage es nicht zu leben, ohne zu wissen, wer ich bin“
 

Endymion half dem Blonden in den Sattel. Mit raschen ungeduldigen Gesten hob er Serenity auf das zweite Pferd. Diese hastigen Berührungen übten auf beide eine seltsame Wirkung aus, obwohl sie sich bemühten, dieses Gefühl zu ignorieren. Endymion schwang sich hinter Serenity in den Sattel und nahm die Zügel auf.

Während sich die Rösser bewegten, saß Serenity steif vor Endymion.

Diese Arme hatten sie auch auf dem langen Weg hierher gehalten. Das wusste sie, weil sie den leichten Moschusduft wieder erkannte.

Zärtlich wie eine Mutter ihr Baby hatte er sie gehalten und sie hatte sich an ihn geschmiegt wie ein hilfloses Kind. Noch jetzt errötete sie leicht bei der Erinnerung daran.

Hinter ihr kämpfte Endymion mit seinen eigenen Dämonen. Weshalb war Seras Körper aber auch so weich und einladend? Während der langen Heimreise würde er sich anstrengen müssen, diese Gefühle zu unterdrücken. Seine Familie, sein Leben war gefährdet. Da durfte er es sicht nicht erlauben , sich von einer fremden Schönheit betören zulassen.

Sie ritten stundenlang dahin, wobei sie nie den Wald verließen, denn er bot ihnen einen gewissen Schutz. Jedite den Serenity für zu schwach gehalten hatte, um auf einem Pferd zu sitzen, verblüffte sie. Auch Endymion wunderte sich, dass sein Freund kräftig genug war, eine solche Entfernung zurückzulegen.

Als sie schließlich Rast machten, half er Serenity aus dem Sattel und eilte dann sofort zu seinem Freund. Die Erschöpfung war Jedite anzusehen, und sobald seine Füße den Boden berührten, sank er auf die Knie in sich zusammen.

„Wir übernachten hier.“ Endymion nahm die Zügel beider Pferde auf und führte die Tiere an einem kleinen Wasserlauf. Bei seiner Rückkehr hatte Serenity bereits einen der Umhänge unter einen Baum ausgebreitet und half Jedite sich darauf zu setzen.

Endymion riss ein Stück Geflügelfleisch vom Knochen, das er dem Blonden reichen wollte, doch dieser winkte nur schwach ab.

„Nein danke. Ich bin zu müde.“

„Du musst aber etwas essen, um bei Kräften zu bleiben!“

Als Jedite nur den Kopf schüttelte, nahm Serenity Endymion das Fleisch aus der Hand und steckte es einfach seinem Freund in den Mund. Ohne zu protestieren, kaute der junge Mann. Nach einige Male wiederholte Serenity diese Prozedur, bis Jedite abwehrend die Hand hob.

„Jetzt nicht mehr.“

„Dreht euch auf den Bauch“ befahl Serenity, „und hebt Euer Hemd hoch. Eure Wunden müssen wieder versorgt werden.“

Endymion lächelte, als Jedite gehorchte. Möglicherweise erwiest sich Sera auf der Reise noch als recht nützlich, dachte er und beschäftigte sich damit, Feuer zu machen. Dieser Befehlston der jungen Lady duldete schließlich auch keinen Wiederspruch.

Nach dem Jedite eingeschlafen war, reichte Endymion Serenity ebenfalls etwas zu essen und lehnte sich dann an einen Baumstamm. Serenity schaute ihm zu und biss dabei in das kalte Fleisch. Während des ganzen Tages hatten sie nur gesprochen, wenn es unbedingt nötig gewesen war.

„Wohin führt uns diese Reise?“ wollte sie jetzt von ihm wissen.

„Zu meinem Landsitz, der liegt auf der anderen Seite des Nordkanals.“ Das sagte ihr nichts.

„Ist das sehr weit?“

„Ja“

„Und was ist mit meinem Land? Mit meinen Leuten?“

Diese Frage hatte Endymion erwartet.

„Ich bedaure, dass auch Ihr diesen Ort hier verlassen müsst. Obwohl ich weis, das Euer Gedächtnis jeden Moment zurückkehren kann, dürfen Jedite und ich nicht so lange warten.“

„Werdet Ihr verfolgt?“ Sie blickte ihn direkt in die Augen.

„Seid Ihr entflohene Sträflinge?“

Also hatte sie doch mehr mitbekommen, als er dachte.

„Ja“ antwortete er ohne Umschweife. „Wir flohen aus dem Fleet-Gefängnis“

„Hattet Ihr sehr üble Verbrechen begangen?“

„Ich würde meinen, das hängt davon ab, wessen Version Ihr hört, Mylady. Die Rebellen würden behaupten, wir seine Feinde des Volkes. Ich dagegen würde euch sagen, das wir für den Frieden unseres Volkes kämpfen. Und Ihr...?“ Er füllte den Schöpfbecher und trank. „Wie Ihr uns nennen würdet, weiß ich nicht.“

„Brachtet Ihr jemanden um?“

„Jawohl“

„Mord ist wirklich eine schlimme Sache.“ Einen Moment lang wurde sie von Panik gepackt. War sie womöglich des gleichen Verbrechens schuldig?

„So ist es“ bestätigte Endymion, und sie sah die leidenschaftlich Glut in seinen Augen. Und sie erkannte die Wahrheit. Der Mann leugnete und beschönigte nichts.

Er fühlte den Schöpfbecher mit frischen Wasser und reichte ihn ihr.

„Ich muss nach den Pferden schauen“ Rasch schritt er davon.

Serenity hob sich den Becher an die Lippen und trank in durstigen Zügen. Danach warf sie einen Blick auf den schlafenden Jedite und wandte sich zu dem kleinen Fluss. Während Endymion sich mit den Pferden beschäftigte, wollte sie noch weitere Kräuter und Wurzeln für ihre Heilsalbe sammeln.
 

Minutenlang suchte sie am Flussufer danach, und als sie einen Vorrat für mehrere Tage zusammen hatte, legte sie alles auf einen großen Stein.

Das Wasser wirkte äußerst verlockend. Mit einem raschen Blick vergewisserte sie sich, dass sie auch wirklich alleine war, zog sich dann ihr schmutziges Gewand aus und wusch es im Fluss. Zum Trocknen hängte sie es über einen Ast. Sie streifte sich ihre Schuhe ab. Nur noch mit einem Hemd bekleidet, machte sie vorsichtig einen Schritt ins Wasser, das sich wunderbar kühl anfühlte.

Ach, wie gut es doch tat, sich das getrocknete Blut von den Wunden zu waschen!

Sie befeuchtete sich die Haare und rieb sich die Strähnen so lange, bis auch hier alle Blutspuren verschwunden waren. Nachdem sie noch einmal untergetaucht war, kam sie wieder an die Oberfläche und fühlte sich herrlich sauber.

Behutsam tastete sie nach der Beule an ihrem Kopf. Zwar hatte die Schwellung erheblich nachgelassen, doch den Schmerz fühlte Serenity noch immer. Sie mahnte sich zur Geduld. Bald würde es nicht mehr wehtun. Und dann kehrte hoffentlich auch ihre Erinnerung zurück.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Wasser. In der bewegten Oberfläche sah sie ein kleines ovales Gesicht mit großen Augen. Mit den Fingern strich sie über ihre Nase sowie die hohen Wangenknochen und schob sich das lange Haar aus dem Gesicht, um es besser erkennen zu können. Zu ihren Bedauern erblickte sie indes nur das Gesicht einer Fremden.

Erneut tauchte sie ins Wasser und schwamm schnell. Es half sogar, ihre Enttäuschung abzuschütteln. Als sie schließlich wieder an die Oberfläche kam, bewegte sie sich gemächlicher von einem Ufer zum anderen. Es freute sie, das sie so gut schwimmen konnte. Welche anderen Talente besitze ich wohl noch, fragte sie sich lächelnd.

Bis ihr Gedächtnis zurückkehrte, musste sie so viele Dinge über sich selbst in Erfahrung bringen, und genau das wollte sie auch tun. Sie war entschlossen, alles über die Frau namens Sera herauszufinden.
 

An einer Stelle flussaufwärts tränkte Endymion die Pferde, bevor er sie festband. Die Gestalt im Wasser fesselte seinen Blick. Sie warf den Kopf herum, und Wasser spritzte in alle Richtungen. Wie ein Schleier ließ sie die Strähnen dann im Wasser treiben. Endymion beobachtete, wie sie ans Ufer watete. Ihr elfenbeinfarbenes Hemd klebte an ihrem verführerischen Körper. Heißes Begehren erfasste ihn.

Endymion ließ den Blick von ihren festen Brüsten zu der Taille schweifen, die so schmal war, dass er sie mit den Händen bestimmt zu umspannen vermochte. Als Serenity sich schließlich in einen warmen Umhang hüllte, wäre er am liebsten zu ihr gegangen und hätte ihr dieses Kleidungsstück heruntergerissen und sie an sich gepresst.

Er atmete einige Male tief durch, um seine Erregung zu dämpfen.

Jetzt kniete Serenity sich vor den großen Stein und zerstampfte die Kräuter und Wurzel zu frischer Heilsalbe, die sie in ein kleines Stück Stoff wickelte.

Als sie danach fort ging, legte Endymion sein Sachen ab und stieg in den Fluss. Um wieder zur Vernunft zu kommen, gab es nichts Besseres als ein Bad im kalten Wasser.

Kurze Zeit später kehrte er zu der Lichtung zurück und fand Serenity neben Jedite kniend vor. Sie strich ihre frische Heilsalbe auf seinen geschundenen Rücken.

Nun erhob sie sich.

„Seine Verletzungen beginnen allmählich zu heilen, doch es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis er ganz wieder hergestellt ist. Die Wunden sind sehr tief, und haben bereits geeitert.“

„Ja.“ Als er sein Hemd überstreifen wollte, legte Serenity ihm die Hand auf den Arm.

Sofort bereute sie ihrer Impulsivität. Die Hitze durchfuhr sie wie ein Blitzschlag. Endymion spürte ihr erbeben offensichtlich ebenfalls und bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Ich...“ Serenity befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge.

„Die Striemen auf Eurem Rücken konnten mir nicht entgehen. Lasst mich auch bei Euch meine Salbe auftragen“
 

Ihr tat das ganze schon Leid, doch nun konnte sie keinen Rückzieher mehr machen.

„Dazu besteht keinerlei Notwenigkeit.“ Er wandte sich ab, doch ehe er sein Hemd anzulegen vermochte, sah sie aus der Nähe die schlimmen Verletzungen.

„Kniet nieder, Endymion. Selbst in diesem Zwielicht kann ich alle Anzeichen einer Entzündung erkennen.“

Wiederstrebend kam er ihrer Aufforderung nach, und Serenity fing an, die Salbe über seine Wunden zu streichen.

An seinen Nacken begann sie, spreizte dann die Hände und verteilte langsam kreisend die weiche Masse über seinen Schultern. Wie breit die doch waren, und wie muskulös seine Arme! Seltsam, das ihr solche Gedanken bei Endymion kamen. Als sie zuvor Jedite einrieb, hatte sie an dergleichen überhaupt nicht gedacht. Sie merkte, dass ihr Mund trocken wurde, und zwang sich zu schlucken.
 

Sie bewegte die Hände tiefer hinab und verteilte die Heilsalbe auf den zahlreichen entzündeten Stellen.

„Hat man Euch die Verletzung im Gefängnis zu gefügt?“

„Ja.“ Er fand es lästig, antworten zu müssen.

Wie lange war es schon her, dass eine Frau ihn berührt hatte? Er hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlte.

Obgleich Sernity recht kleine Hände hatte, steckte doch erstaunliche Kraft in ihnen, und während sie drückte, knetete und sein geschundenes Fleisch berührte, entrang sich ein Seufzen seinem tiefsten Inneren.

„Wer einen anderen derartig foltert kann, ist kein Mensch“ erklärte sie zornig.

„Das ist ein Monster, welches keine Gnade verdient. Seid ihr deshalb aus dem Gefängnis entflohen?“

Endymion schwieg so lange, dass Serenity schon dachte, er hätte ihre Frage möglicherweise überhaupt nicht gehört, doch als er sprach, schwang in seiner Stimme kalte Wut mit.

„Nein. Ich konnte das Auspeitschen schon ausgehalten, doch ich wusste, das Jedite nicht noch mehr ertrug. Besonderst dann nicht, nachdem unser Wärter uns mitteilte, dass wir zu Tode geprügelt werden sollten.“

„Großer Gott! Worin bestand denn euer Verbrechen?“ Serenity merkte nicht, das sich ihre Hände nicht mehr bewegten.

„Darin, dass wir unnötiges Blutvergießen vermeiden wollten“

„Ich verstehe nicht, was Ihr damit meint.“

„Das werdet Ihr schon noch.“

Er drehte sich um und schaute ihr ins Gesicht – ein Fehler, wie er sofort bemerkte. Doch es war bereits zu spät. Jetzt, da er in diese Augen sah, schlug ihn eine Kraft in ihren Bann, die stärker war als sein Wille.

„Wenn Ihr mitbekommt, was in meinem Land geschieht, versteht Ihr auch, weshalb diese Rebellen uns lieber Tot sehen wollen.“

„Ihr habt sehr viel Zorn in Euch.“

„Jawohl.“ Doch schon trat etwas anders, viel Gefährlicheres an die Stelle seines Zorns. Heißes Verlangen hatte ihn erfasst, doch er war entschlossen, diesen Empfindungen nicht nachzugeben.

Sein Blick wurde von der Wunde an Serenitys Schulter gefangen genommen. Ihr Umhang war verrutscht, so dass eine Schulter entblößt war.

„Jetzt seid Ihr an der Reihe, Mylady. Gebt mir die Salbe und kniet Euch hin.“

Scheu hielt sie ihm das Stück Stoff mit Masse hin und kniete sich vor ihn. Er schob den Träger ihres Hemdes herunter, tauchte seine Hand in die Salbe und begann, sie auf Serenitys Schultern zu verteilen. Serenity zuckte zusammen, als hätte sie sich verbrannt, zwang sich dann jedoch, ganz still zu halten, obgleich der Mann, der vor ihr kniete, ihr die Nerven raubte.

„Lasst Euren Umhang ganz hinunter, damit ich auch Eure anderen Wunden behandeln kann“ befahl er.

„Nein, die heilen schon von allein. Ich benötige die Salbe nicht.“

„Ihr werdet tun, was ich Euch befehle, Mylady“ er lächelte.

„Oder ich streife ihn Euch ab.“

Rasch erhob sie sich, wandte sich um, kniete sich wieder hin und ließ ihren Umhang hinab.

Endymion wusste, in welch gefährliche Lage er sich befand. Er brauchte ja nur den Kopf etwas zu senken, und schon würde er ihre weiche Haut mit Küssen bedecken können. Seine Bauchmuskeln zogen sich zusammen, doch er versagte sich energisch derartige Gedanken. Als er mit der Behandlung fertig war, zog sie rasch den Umhang wieder hoch. Hastig stand sie auf und drehte sich um.

„Beugt euren Kopf etwas nach vorn, Sera.“

Sie gehorchte.

Endymion befühlte mit der sauberen Hand die Beule an ihren Kopf.

„Die Verletzung heilt allmählich. Die Schwellung ist schon zurückgegangen. Fühlt Ihr das ebenfalls?“

„Ja.“

Er nahm ihren frischen, sauberen Duft wahr und hatte Mühe, sie weiterhin nur leicht zu berühren.

„Habt Ihr noch woanders Verletzungen?“

„Nein.“ Sie sah wieder auf und schüttelte sich das Haar. Es kräuselte sich in dichten, feuchten Locken fast bis zu ihren Knien.

Endymion betrachtete sie und fand, sie sei die herrlichste Frau, die ihm je begegnet war. Einen Augenblick lang rang er mit dem Verlangen, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen. Ihre Lippen würden weich und verführerisch sein. Er ballte die Hände zu Fäusten an seiner Seite, um nicht womöglich doch noch nach ihr zu greifen.

„Ruht Euch jetzt aus, und rückt so dicht wie möglich an das Feuer heran. Der aufkommende Wind kündigt eine kalte Nacht an.“

„Ich werde Euren Rat beherzigen, Endymion.“

„Schlaft gut, Sera.“

Endymion rollte sich auf der anderen Seite des Feuers in einen Umhang und schloss fest die Augen. Eine Stunde später indes – Serenity schlief bereits friedlich neben dem Feuer – lag er noch immer wach und dachte daran, wie sie sich anfühlte, wie sie duftete...

Falls er ihre Lippen nicht bald kostete, würde er bei dem ständigen Gedanken an sie gewiss noch den Verstand verlieren.
 

byby Blacklady

Zwei Seiten einer Medaille

Die frühe Morgensonne vermochte den dichten Wald kaum zu durchdringen. Unter einem grünen Blätterdach wachte Serenity auf, blieb dann noch still liegen und genoss die Wärme des Feuers. Sie war froh, dass jemand frisches Holz nachgelegt hatte.

„Ich heiße Sera.“ Diese Worte sagte sie sich im Stillen immer wieder. Irgendwo hatte sie gelebt und besaß möglicherweise Verwandte, die sie vermissten. Vielleicht rief der Name etwas in ihrer Erinnerung wach, das ihr Gedächtnis anzuregen vermochte. Zu ihren Kummer in des formten sich keine Bilder vor ihrem geistigen Auge. Die Wörter „Vater“ und „Mutter“ erweckten ebenfalls keine Vorstellungen.

Serenity setzte sich auf, wickelte sich fest in den Umhang und biss sich auf die Lippe, weil sie sich so sehr darauf konzentrierte, sich ihre Kindheit vorzustellen. Eine Freundin vielleicht, ein Lieblingstier...

Doch ihr Gedächtnis blieb leer. Es sah beinahe so aus, als wäre sie in Endymions Armen auf die Welt gekommen und hatte später Wunden versorgt, die sie in einem gemeinsam geschlagenen Kampf empfangen hatten.
 

Auf der anderen Seite des Feuers beobachtete Endymion heimlich Serenity. In ihrem Gesicht spiegelten sich die unterschiedlichsten Gefühle. Es wiederstrebte ihm, sie nach ihren geheimsten Gedanken zu befragen. Obgleich sich Serenity völlig still verhielt, ahnte er, wie ihr jetzt zu Mute war. Hatte er sich im Fleet-Gefängnis nicht ebenso gefühlt?

Dort hatten ihn die Wärter nicht nur seiner Freiheit, sondern auch seiner Hoffnung und Menschenwürde beraubt.

„Guten Morgen, Sera.“ Jedite erwachte und setzte sich ein wenig steif auf.

„Ist euer Erinnerungsvermögen schon zurückgekehrt?“

„Nein.“ Sie bemühte sich, ihre düstere Stimmung abzuschütteln. Trauern wollte sie lieber, wenn sie alleine war.

„Was machen eure Wunden?“

„Denen geht es wesentlich besser dank eurer Kräuter und Wurzeln.“ Sie lächelte.

Sie hatte keine Ahnung, welche Wirkung ihr Lächeln auf Männer ausübte. Jedite indes wusste es und ebenso Endymion, der die beiden beobachtete.

„Dann habt Ihr also nichts mehr gegen meine Heilmethoden?“

„Ich bin im Gegenteil sogar ungemein dankbar dafür.“ Jedite warf seinen Umhang beiseite und griff nach seinem Hemd. Ehe er es sich jedoch überstreifen konnte, ging Serenity zu ihm und kniete sich auf den Boden.

„Ihr dürft Euch nicht anziehen, bevor ich Euch nicht meine gute Salbe aufgetragen habe.“

„Ich nehme an, dieses Ritual muss ich jetzt jeden Tag über mich ergehen lassen?“

„Und jede Nacht auch.“

„Soll das heißen, ich habe diese Entwürdigung hinzunehmen, bis jede Wunde verschwunden ist?“

„Jawohl, jede Einzelne. Ich habe mich nämlich zu eurem Doktor ernannt.“

„Doktor? Oder Schutzengel?“

„Nennt es, wie Ihr wollt.“

„Ich vermute, es würde nichts nützen zu streiten.“

„Überhaupt nicht. Dreht euch um.“

Als Serenity die weiche Masse zu verteilen begann, seufzte Jedite wohlig.

„Hättet Ihr nicht so wunderbare Hände, Frau Doktor, würde ich es niemals zulassen, dass diese scheußliche Salbe auf Riechweite an mir herankommt.“ Erneut seufzte er zufrieden auf.

„Doch da ich das alles ohnehin ertragen muss, könntet Ihr auch noch den Rest meines Rückens einreiben.“

„Möglicherweise reibe ich damit auch Euren Mund ein, falls Ihr ihn nicht bald haltet, Jedite“ Er brach in schallendes Gelächter aus.

Endymion hörte dem unbekümmerten Wortgeplänkel der beiden zu. So entspannt hatte er seinen Freund schon lange nicht mehr erlebt. Auch Serenity wirkte sehr gelöst, zumindest in der Gesellschaft des Blonden.

Je länger diese kleine Neckerei andauert, desto schlechter wurde Endymions Laune. War er etwa eifersüchtig? Allein bei diesem völlig abwegigen Gedanken sprang er auf. Er musste irgendetwas tun. Eifersüchtig! Wie sollte er den auf seinen besten Freund eifersüchtig sein? Selbst wenn Sera, auch atemberaubend schön war – er hatte keine Zeit für Tändeleien.

Endymion bereitete die Morgenmahlzeit zu und kümmerte sich um die Pferde. Bei seiner Rückkehr sah er Serenity vom Fluss kommen. Sie hatte sich ganz offensichtlich das Gesicht gewaschen und das Haar, in das sie Wildblumen geflochten hatte, auf eine Seite gebunden. Es viel im schwer, dieses unschuldige Mädchen in Übereinstimmung zu bringen mit dem feurigen Geschöpf, das den Angreifern so mutig gegenübergetreten war.
 

Wie immer fühlte sich Serenity in Endymions Gegenwart gehemmt, und sein grimmiger Gesichtsausdruck erleichterte die Situation auch nicht grade.

„Wie...“ sie unterbrach sich und fing noch einmal an.

„Was machen Eure Wunden heute Morgen? Wünscht Ihr, dass ich Euch noch einmal einsalbe?“

„Dazu haben wir keine Zeit.“ Endymion wollte eigentlich gar nicht so brüsk antworten, doch irgendetwas an dieser Frau machte ihn ärgerlich und ungehalten. Dass sie jetzt wütend wurde, verblüffte sie beide.

„Falls ihr zu arrogant seid, um zuzugeben, dass Ihr Hilfe benötigt, muss ich Euch eben dazu zwingen. Zieht Euch das Hemd aus!“

„Für dergleichen haben ich keine Zeit. Das erwähnte ich bereits.“

„Dann nehmt Euch eben die Zeit!“

Einen Moment standen sie einander zornig gegenüber. Jedite löste schließlich die Spannung.

„Wenn du nicht tust, was die Lady befiehlt, Endymion, setzen wir heute unsere Reise überhaupt nicht mehr fort.“

„Nun gut“ und während Jedite zum Fluss ging, legte Endymion mürrisch sein dunkles Hemd ab. Serenity strich die Heilmasse auf seine Wunden – zuerst reichlich grob, was ihre Gefühle zeigte, doch dann wurden ihre Berührungen immer sanfter, je mehr Salbe sie auftrug.
 

Endymion versagte sich, irgendetwas zu empfinden. Starrköpfig hielt er an seinem Zorn fest und mahnte sich, dass das Leben aller in Gefahr war, doch selbst dieser vernünftige Gedanke konnte ihn nicht davon abhalten, jede einzelne Berührung ihrer Finger zu spüren.

„Eure Wunden heilen langsam ab.“

Weil Serenitys Stimme so nahe war, zuckte er zusammen.

„Gut. Ich bin Euch dankbar, Sera.“ Er drehte sich um. Sofort ließ sie die Hände sinken und wollte zurückweichen, doch er hielt sie fest. Er hörte sich merkwürdig rau an.

„Ihr habt heilende Hände.“

Serenity wagte nicht zu sprechen. Ihr Herz schlug heftig.

„Ich frage mich, ob Ihr Seelen ebenso gut heilen könnt wie Körper.“ Er legte ihr die Hand unters Kinn und zwang sie auf diese Weise, ihm ins Gesicht zu blicken.

Was sie sah, machte ihr Angst. Seine Augen wirkten noch dunkler als zuvor. Jetzt öffnete er die Lippen leicht, während er ihr den Kopf zuneigte.
 

Großer Gott, wollte er sie womöglich küssen? Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dieser Mann beunruhigte und faszinierte sie gleichermaßen. Und obwohl sie es niemals zugegeben hätte, sehnte sie sich danach, von ihm geküsst zuwerden. Sie spürte die Spannung, die die Luft zwischen ihnen vibrieren ließ.
 

Da sie ihm so nahe, musste Endymion unbedingt von ihren Lippen kosten. Nur ein einziges Mal, sagte er sich. Danach wollte er sich gleich abwenden.

Seine Lippen strichen hauchzart über ihre. Gott im Himmel, wie süß sie doch war! Sie duftete nach Wiesenblumen, die in voller Blüte standen. Ihre Lippen waren kühl und frisch wie der Morgentau. Sie erbebten an seinen, und er spürte Serenitys Unsicherheit. Sie hatte noch niemals zuvor in den Armen eines Mannes gelegen, dachte er, und dieser Gedanke erregte ihn umso mehr. Endymion vertiefte seinen Kuss.

Zuerst wollte Serenity zurückweich, doch er hielt sie fest, während seine Lippen über ihre glitten. Er hörte, wie sie erschrocken nach Luft schnappte. Daraufhin zog er sie nach enger an sich.

Zitterte sie vor Angst oder Erregung? Er wusste es nicht. Keinesfalls jedoch wollte er sie loslassen, zumindest jetzt noch nicht.

Er brauchte noch mehr von ihr, musste noch einmal ihren Mund an seinem fühlen.

Sera war nicht nur süß, sondern gleichzeitig auch wild, und eben diese Mischung entfachte seine Leidenschaft. Trotz ihrer Unschuld spürte er den Vulkan heißer Begierde tief in ihr brodeln. Sera würde nicht die gehorsame Jungfrau sein, welche die Küsse eines Mannes hinnahm und sich dann abwandte. Nein. Er fühlte welches Verlangen sie ihn ihr hervorriefen. Dennoch würde sie nicht leicht zu erobern sein.

Unvermittelt schrie Serenity leise auf und stieß Endymion von sich. Ein einziger Blick auf ihre gesenkten Lider und die geröteten Wangen bestätigten seine Vermutung. Sie war noch nie zuvor mit einem Mann zusammen gewesen. Diese Vorstellung ließ ihn erneut schneller Atmen.

„Ich kann mich noch nicht einmal selbst heilen“ beantwortete sie seine letzte Frage.
 

Serenity war überrascht, wie schwer ihr das Sprechen fiel.

„Wie also sollte ich Euch heilen können?“ Jetzt fand sie den Mut, zu ihm aufzuschauen. Hatte er eben dasselbe erlebt wie sie? Raste sein Puls so wie ihrer? Waren seine Hände ebenfalls feucht geworden? Fühlte sich seine Kehle auch wie zugeschnürt an?

Seinem Blick vermochte sie nichts zu entnehmen.

Endymion trat einen Schritt zurück, als müsste er sich selbst beweisen, das er sich noch unter Kontrolle hatte. In Wirklichkeit jedoch wollte er nur etwas Abstand zwischen sich und Serenity bringen.

Ihm fiel auf. Dass seine Hände ein wenig zitterten, und als er sprach, hörte sich seine Stimme mürrisch an.

„Falls Jedite und ich den Henkersknechten entkommen sollen, müssen wir uns jetzt beeilen.“ Endymion guckte sich suchend um. In einiger Entfernung entdeckte er Jedite kniend am Flussufer. Er rief ihm zu:

„Zeit zum Aufbruch!“

Serenity hatte sich unterdessen nicht von der Stelle gerührt und betrachtete ihn mit unergründlichen Blick.

Jedite, der von der Spannung zwischen den beiden nichts bemerkt hatte, hob seinen Umhang auf und schritt unbefangen auf sie zu. Heute wirkte sein Gang wesentlich fester. Der Junge wird wieder gesund, stellte Endymiom zufrieden fest und schaute zu, wie sich sein Freund aufs Pferd schwang.

Endymion hob Serenity auf sein Ross, saß dann hinter ihr auf und fasste die Zügel. Wieder spürte er es, dieses verwirrende Gefühl bei der Berührung mit ihr. Es behagt ihm nicht, denn es erregte ihn. Mit nahezu heldenhafter Anstrengung unterdrückte er es.
 

Eine Stund später befanden sie sich bereits tief im Wald und weitab von jeder Ansiedlung. Stundenlang ritten sie schweigend und suchten sich ihren Weg über Felsbocken und umgestürzten Baumstämme sowie durch eisige Bäche. Gelegentlich wurde die Stille von einem Vogelschrei unterbrochen oder vom Geräusch eines fliehenden Hirsches, dem sie zu nahe gekommen waren.

Mit großer Mühe richtete Serenity ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung, doch da Endymions Arme sie umfasste, während er die Zügel festhielt, und sich sein Körper warm an ihren presste, konnte sie sich kaum auf etwas anderes konzentrieren.

Wie ertrug sie es nur, einen Mann so nahe zu sein, bei dem es ihr unbehaglich war?

Und wieso hatte er überhaupt eine solche Wirkung auf sie?

Sie drehte sich um und schaute rasch einmal zu Jedite, der hinter ihnen ritt. Sofort blickte Endymion sie forschend an.

„Wünscht ihr eine Pause einzulegen, Sera?“

„Nein.“ Sie bedauerte schon ihre einsilbrige Antwort, doch ihr fiel nicht mehr ein. Wie kam es nur, dass sie mit Jedite lachen und scherzen konnte wie mit einem alten Freund, während sie in der Gegenwart des Schwarzhaarigen kaum ein Wort herausbrachte?

War sie jemals zuvor einen Mann wie Endymion begegnet? Er war schroff, ständig angespannt und zornig. Wie es aussah, war er ein Verbrecher, der im Kerker gesessen hatte und der selbst jetzt noch gesucht wurde wegen der Taten, die er verübt hatte. Und dennoch konnte seine Berührung überraschend zart sein. Für seinen Freund zeigte er großes Mitgefühl und sorgte sich sehr um ihn. Und für sie...

Serenity dachte an die Leidenschaft, die sein erster Kuss in ihr geweckt hatte.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, den Mann aus ihren Gedanken zu verbannen. Dass er sie bei dieser Bewegung besonderst eindringlich betrachtete, entging ihr.
 

Das Haar wippte ihr um Gesicht und Schultern. Endymion musste die Hand zur Faust ballen, um nicht etwas in die wirren Strähnen zu greifen.

Plötzlich nahm er ein Geräusch wahr. Er zog die Zügel straff und gab dem Blonden den kurzen Befehl, ebenfalls anzuhalten.

„Was hast du?“ Jedite brachte sein Pferd neben ihrem zum stehen.

„Ich hörte etwas. Ich glaube, es war das Lachen eines Mannes.“ Sie schwiegen und lauschten angestrengt.

„Da!“ Serenity deutete zu einer kleinen Lichtung, die noch ziemlich weit enternt war. Endymion nickte.

„Das könnten Kleinbauern oder Jäger sein“ meinte Jedite.

„Gewiss, es könnten aber auch Henkersknechte sein.“ Endymion glitt vom Pferd und zog seinen Säbel aus der Scheide.

„Falls ich nach Sonnenuntergang noch nicht zurückgekommen bin, musste du ohne mich weiter weiterreiten, Jedite. Den Weg kennst du ja. Bring Sera nach Elysion.“

„Ich gehe nicht ohne dich!“

Endymion funkelte seinen Freund an und packte ihn mit der freien Hand an die Schulter.

„Du hast zu tun, was ich dir sage!“ herrschte er ihn an.

„Ich fürchte nicht um mein Leben, doch ich setze es nicht vergebens ein. Einer von uns muss es bis nach Hause schaffen. Hast du verstanden?“

„Jawohl.“ Jedite sah die Entschlossenheit im Gesicht seines Freundes. Sanft legte er Endymion die Hand auf den Arm und blickte ihm in die Augen.

„Ich verstehe. Tu, was du tun musst. Gott sei mit dir.“

„Und auch mit dir.“

Endymion guckte Serenity nicht mehr an, ehe er davon schritt. Er wollte sich nicht ablenken lassen, doch wenn er sich umgedreht hätte, hätte er gesehen, dass sich auf ihrer Miene Überraschung, Verständnis und Bewunderung spiegelte.
 

byby Blacklady

In den Händen des Feindes

„Er ist schon viel zu lange fort“ Serenity ging hin und her, weil sie ihre innere Unruhe nicht mehr zu unterdrücken vermochte.

Die Augen halb geschlossen, lehne Jedite an einem Baumstamm.

„Ich würde alles darum geben, wenn ich auch nur halb so viel Kraft hätte wie Ihr.“ Serenity fuhr zu ihm herum.

„Wie könnt Ihr nur so träge daliegen, während das Leben von Endymion möglicherweise in Gefahr ist?“ Jedite zuckte die Schultern. Wie hätte er auch die Schwäche erklären können, die ihm während jener vergangen Monate in diesen dunklen Kerker heimgesucht hatte? Als er ohne Hoffnung war, jemals wieder frei zu sein. Am schlimmsten aber war die Folter. Das alles hatte Tribut an seine Gesundheit gefordert.

„Er sagte uns, wir sollten hier warten. Also müssen wir das auch tun.“

Der Fluch, der Serenity über die Lippen kam, hätte wohl sogar die Gefängniswärter erschüttert.

„Von mir aus mögt Ihr ja warten.“ Sie ging zu den angebunden Pferden und holte Säbel sowie Dolch hervor. Jedite setzte sich auf.

„Was wollt Ihr tun?“ Sie betrachtete ihn mit einem Blick, der ihn an Endymion erinnerte.

„Ich beabsichtige nachzusehen, weshalb Euer Freund noch nicht zurückgekommen ist.“

„Er hat uns doch etwas anderes befohlen.“ Einen Moment lang war Jedite hin und her gerissen. In all den vielen Jahren wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, sich Endymion zu wiedersetzen.

Er beobachtete, wie Serenity sich den Waffengürtel umschnallte und den Säbel in die Scheide steckte. Den Dolch verbarg sie unter ihren Gewand. Als sie danach im Wald verschwand, wartete er noch einen Augenblick und holte dann ebenfalls Waffen hervor. Danach ritt er los, um Serenity einzuholen.

Als die beiden sich der Lichtung näherten, hörten sie zornig erhobene Stimmen. In der nähe eines Baumes sah Serenity Endymion auf dem Boden liegen. Die Hände hatte man ihm auf dem Rücken gefesselt. Sein Hemd war blutdurchtränkt.

Serenity bemerkte Jedites schmerzerfüllten Blick. Tröstend und warnend zuglich legte sie ihm die Hand auf den Arm.

„Ich weiß, wie Ihr leidet“ flüsterte sie.

„Obgleich Endymion vermutlich noch weitere Qualen zugefügt werden, wäre es sinnlos, jetzt schon auf die Lichtung zu stürmen. Dort befinden sich zu viele Gegner. Wir müssen abwarten.“

Jedite nickte zustimmend, doch sie merkte, welche Überwindung es ihm kostete.

Sie beobachteten, wie mehrere Soldaten aufsaßen und dann in den Wald ritten. Bald verklangen ihre Hufschläge. Nun waren nur noch zwei Männer übrig, die ihren Gefangen bewachten.
 

Serenity huschte von Baum zu Baum und kroch gelegentlich durch das Unterholz, um nicht gesehen zu werden. Als sie endlich die gegenüberliegende Seite der Lichtung erreicht hatte, hockte sie sich auf den Boden und betrachtete die Szene. Der eine Wächter aß, der andere hatte sich auf einen Felsbrocken gesetzt und quälte Endymion.

Serenity sammelte eine Hand voll Steine und wartete den richtigen Moment ab, um Unruhe zu stiften. Sie konnte nur hoffen, das ihr Plan funktionierte.
 

„Die Wächter berichteten uns, wie ihr den armen Simmons ermordetet. Ihr bracht ihm einfach das Genick, nicht?“ Der Mann lachte so hoch und schrill, dass es wie der Schrei eines Seevogels klang.

„Seht Ihr das hier?“ Der Wächter deutete auf die unter seinem Gürtel steckende Peitsche.

„So bin ich zu meinen Namen gekommen – Whip, die Peitsche – ich habe sie selber gemacht“ erläuterte er stolz und strich mit der Hand über die dünnen Lederstreifen, die das Fleisch eines Menschen zerfetzen konnten.

„Schön nicht?“

Endymion antwortete darauf nicht, sondern arbeitete angestrengt an den Seilen, mit denen er gefesselt war. Ein Blick auf die Baumwipfel zeigte ihm, dass die Sonne noch nicht untergegangen war. Nicht weit von hier würden Sera und Jedite noch pflichtschuldig auf ihn warten. Die Suchmannschaft würde keine große Mühe haben, die beiden aufzuspüren. Man würde ihn und Jedite wieder in den Kerker schaffen, wo ihnen diesmal der sichere Tot bevorstand. Bei dem Gedanken an das Schicksal, welches Sera erwartete, erschauderte er. Wenn diese Tiere mit ihr fertig wären, würde sie sich ebenfalls den Tod wünschen.

„Simmons war ein Freund von mir“ redete der Wächter weiter.

„Wenn ihr uns im Kerker nicht eine so gute Unterhaltung bieten würdet, brächte ich Euch sicherlich schon jetzt um.“ Whip stand auf, spuckte aus und versetzte Endymion einen besonders heftigen Tritt.

„Ich darf jedoch die Anderen nicht ihres Vergnügens berauben.“

Grade wollte Whip erneut zustoßen, als er zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Lichtung etwas rascheln hörte. Er und der zweite Wächter blickten wachsam in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.

„Kümmere dich darum“ befahl Whip.

Der Angesprochene legte das Stück Fleisch aus der Hand, zog seinen Säbel aus der Scheide und ging, um die Angelegenheit zu untersuchen.

Grade als er in den Wald trat, raschelte es von der anderen Seite. Dort zielte Serenity sorgfältig, warf die Steine in das trockene Buschwerk und wusste, dass sie für die notwendige Ablenkung sorgen würde.

„Wer da?“ Whip schaute sich auf der Lichtung um und sah grade noch seinen Kameraden verschwinden. Abermals blickte er um sich und hörte ein neuerliches Geräusch.

Als das Rascheln gar kein Ende mehr nahm, stürmte Whip über die Lichtung und spähte in den dichten Wald.

„Sprecht! Wer wagt es, mir zu trotzen?“

Ganz in seiner Nähe, jedoch außerhalb seiner Reichweite raschelte es erneut. Verärgert hieb er mit der scharfen Klinge seines Säbels in die Dornenbüsche, die an seinem Hosenbein zerrten, während er sich durch das Unterholz kämpfte.

Endymion der grade aufschaute, sah einen Säbel aufblitzen, und Serenity trat auf die Lichtung. Er fühlte, dass an seinen Fesseln gezogen wurde, und erblickte zu seinem Erstaunen Jedite, der sich über ihn beugte, um ihm die Seile zu zerschneiden.

„Ich befahl dir doch, dich zu verstecken! Wer gab dir das Recht...?“

„Beeilt Euch!“ forderte Serenity Jedite auf, denn ihr fiel auf, dass die erste Wache aus dem Wald zurückkehrte. Sofort eilte sie zu ihm, stellte sich dem Mann in den Weg und hob sogleich ihren Säbel.

Endymion, der noch immer gefesselt war, konnte Serenity nicht zu Hilfe eilen. Mit unfreiwilliger Bewunderung beobachtete er, wie sie einem Gegner gegenübertrat, der sie hoch überragte.
 

Der Mann war vorübergehend dermaßen überrascht, dass er sie nur anstarren konnte. Träumte er, oder war dieses schöne Geschöpf gradewegs vom Himmel gefallen? Dann sah er die Klinge im Sonnenlicht aufblitzen. Jetzt verzog er die Lippen zu einem Lächeln.

„Willst du mich verspotten, Weib?“

„Nein, Sir. Herausfordern will ich Euch.“

Sein Lächeln erstarb, als sie ihm mit einem Ausfallschritt unvorbereitet erwischte. Ihre Klinge fuhr ihm in die Schulter und schlug ihm eine heftig blutende Wunde.

Wütend wollte er sie zurücktreiben, doch das gelang ihm nicht. Stattdessen sprang sie wieder vorwärts, so dass er zur Seite ausweichen musste. Obwohl er recht annehmbar focht, war er Serenitys Geschick nicht gewachsen. Seine Wut verwandelte sich in Furcht, als ihm klar wurde, das seine Gefährten viel zu weit entfernt waren, um ihm zu Hilfe zu kommen.

Als er das metallische Schlagen von Klinge gegen Klinge hörte, kam Whip aus dem Wald gelaufen, doch beim Betreten der Lichtung blieb er wie angewurzelt stehen. Der Gefangene lag nicht mehr am Boden, sondern sprang grade auf die Füße.

„Wirf mir deinen Säbel her!“ brüllte Endymion dem Blonden zu, und einen Moment später stand er dem Mann gegenüber, der ihn noch vor Minuten so gnadenlos verhöhnt hatte.

„Ich glaube, du hattest eine Feier geplant“ sagte Endymion leise, und die Klinge seines Säbels blitzte.

Whip sprang vorwärts, weil er dem Ganzen ein Ende machen wollte, doch Endymion wich dem Stoß mühelos aus und konterte selbst mit einem Hieb. Seine Klinge schnitt durch den Ärmel des Wächters, ohne den Arm darunter zu treffen.

„Ich habe Euch schon einmal gefangen. Das gelingt mir auch wieder!“

„Beim letzten Mal halfen dir vier Männer. Diesmal bist du allein.“ Mit einem eleganten Seitenschritt wich Endymion dem Vorstoß des Wächters aus und trieb seine Klinge in den weichen, fleischigen teil von dessen Oberarm.

„Ich glaube nicht, dass dein Geschick für diese Aufgabe ausreicht!“

Die Lippen zusammengepresst, konzentrierte Whip sich darauf, sich der meisterhaften Säbelführung seines Gegners anzupassen.

Obwohl er ein recht kräftiger Mann war, musste er jedoch feststellen, dass er bereits stark ermüdete.

Auf der anderen Seite der Lichtung focht Serenity ebenso geschickt gegen einen Mann, den die Wendigkeit der jungen Frau verblüffte. Jedes Mal wenn er eine Öffnung für seine Klinge entdeckte, gelang es ihr, zur Seite zu tänzeln, ihr Säbel dagegen schien bei jedem Stoß das Ziel zu treffen. Obwohl sie dem Wächter keine tödlichen Verletzungen beibrachte, blutete er bald aus vielen Wunden, und die Anstrengung, seiner Gegnerin immer wieder auszuweichen, erschöpfte ihn schnell. Er wusste, dass er nicht mehr viel länger würde durchhalten können.

Da hörte Jedite die Hufschläge herannahender Pferde.

„Endymion, Sera, wir müssen fliehen! Die anderen kehren zurück!“

Endymion hörte zwar, was sein Freund rief, weigerte sich indes, von dem Mann abzulassen, der ihn verhöhnt und geschlagen hatte. Der Rachedurst erhitzte sein Blut.

„So, du willst mich also an der Decke meiner Zelle aufhängen, ja?“ Endymion trieb den Wächter mit dem Säbel zurück, bis er mit dem Rücken gegen einen Baumstamm stieß.

„Und du willst Jedite auspeitschen, bis an seinen Knochen kein Fetzen Fleisch mehr hängt?“ Er spürte so etwas wie Erleichterung, als seine Klinge durch die Schulter des Mannes fuhr und dort den Knochen traf.

„Endymion!“ Er spürte Jedites Hand auf seinem Arm und hörte dessen sanfte Stimme.

„Lass den Mann. Er kann nicht mehr fechten.“

„Ja.“ Endymion vernahm zwar die Worte deines Freundes, doch sein Hass war stärker als die Vernunft.

„Bitte, Endymion“ Jedites Stimme klang jetzt verzweifelt.

„Für dergleichen haben wir jetzt keine Zeit mehr. Wir müssen unbedingt fliehen!“

Endymion spürte die Schmerz. Er wusste, dass seine Rippen gebrochen waren, als ihn die Angreifer überwältigt hatten. Er fasste seinen Säbel fester und blickte dem Mann ins Gesicht, der ihm diese Scherzen zugefügt hatte. Seine Augen waren dunkel vor Wut.

„Wäre ich nur halb das Tier, das du bist“ knurrte er „würde ich dich auf der Stelle töten!“

Der Mann erstarrte und erwartete sein Schicksal.

„Doch damit du den Anderen berichten kannst, Endymion sei ein Mann von Ehre, werde ich dein armseliges Leben verschonen“

Mit einem letzten Hieb entwaffnete er den Wächter und warf dann Jedite den Säbel zu. Whip sank auf die Knie.

Endymion schaute zu Serenity hinüber, welche mit der Spitze ihres Säbels auf das Herz ihres Gegners zielte.

„Wir müssen gehen, Sera. Sein Leben und sein Tod liegt in Euren Händen.“ Und kurz darauf fügte er hinzu.

„Ihr alleine habt die Wahl.“

Serenity starrte den Mann an, der sie mit aufgerissenen Augen stumm anfleht, ihn zu verschonen.

„Belästigt uns nie wieder!“ drohte sie ihm mit scharfer Stimme.

„Und blast diese Vergeltungsaktion ab.“ Sie trat einen Schritt zurück und sah dem Wächter die Erleichterung an.

„Andernfalls werden wir euch beim nächsten Aufeinandertreffen gnadenlos töten.“
 

Erleichtert und von Endymion gefolgt, ging Jedite voraus in den dunklen Wald. Serenity warf noch einen letzten Blick auf die beiden besiegten Wachen, drehte sich dann um und folgte Endymion und Jedite.

Als die beiden im Unterholz verschwanden, hörte sie eine Männerstimme.

„Nun schaut doch nur einmal, was wir hier haben. Die freundlichen Götter schicken uns zu unseren Vergnügen eine Frau!“

Eine Horde Soldaten erschien auf der Lichtung, und kräftige Hände legten sich um Serenity Hals. Vergeblich versuchte sie, sich aus dem Griff zu befreien.

„Weiter so, Mädchen! Versuche nur, dich mir zu wiedersetzen“ hörte sie eine Männerstimmer knurren.

„Damit gibst du mir den besten Grund, dir die Kehle durchzuschneiden.“
 

byby Blacklady
 

p.s: Ich wünsche euch allen, ein guten Rutsch ins neue Jahr^^

Tanz mit dem Feuer

Ihr Widersacher drückte Serenity langsam die Kehle zu, bis sie keine Luft mehr bekam. Das sie sich heftig wehrte, machte die Sache um so schlimmer.

Während sie mit ihrem Angreifer kämpfte, sah sie, wie die Horde Männer Endymion und Jedite wieder zurück zur Lichtung schleppten. Man hatte sie entwaffnet, so das sie sich jetzt nur noch mit ihren Fäusten zu Wehr setzen konnten. Jedite wurde als Erster überwältigt. Obwohl er schon am Boden lag, prügelten seine Gegner wild auf ihn ein.

Serenity wusste nicht, welcher Anblick ihr mehr ans Herz ging – Jedite, der so geschwächt war von seinem Blutverlust, das er sich nicht mehr zu regen vermochte, oder Endymion, der sich erbittert gegen die Soldaten wehrte. Doch auch er musste sich schließlich geschlagen geben und sich an Hände und Füßen fesseln lassen.

„Wie gut es doch das Schicksal mit uns meint, uns die Belohnung für unser Tageswerk zu senden!“ Der Mann, welcher Serenity festhielt, verstärkte den Griff um ihren Hals, bis sie schwarze Flecken vor den Augen tanzen sah.

Sie wusste, das sie ihre Gegenwehr einstellen musste, denn sonst könnte sie das Bewusstsein verlieren, was dazu führen würde, das sie die Kontrolle verlöre und genau das durfte sie nicht zulassen. Ihr Leben hing davon ab, sowie Endymions und Jedites. Nachdem sie sich nicht länger wehrte, lockerte der Mann seinen Griff. Einen Moment lang stand Serenity nur ganz still da und sog die Luft in ihre berennenden Lungen.

Die Soldaten hatten einen Kreis um sie gebildet und blickten sie so lüstern an, dass ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief.

„Die Kleine ist wirklich hübsch“ stellte einer von ihnen fest.

„Ja. Sie bereitet einen Mann bestimmt viel Freude.“

Bei dem Gedanken, welche Aufgabe jetzt vor ihr lag, wurde sie plötzlich von einem Schwindelgefühl erfasst. Auf irgendeine Weise musste sie ein Dutzend Soldaten überwältigen und dann Endymion sowie Jedite von deren Fesseln befreien. Ihr fiel der unter ihrem Gewand verborgene Dolch ein, doch ein Messer würde dabei nicht genügen, sich ihrer Widersacher zu entledigen. Sie musste den Männern deren Waffen abnehmen und eine Möglichkeit finden, die Klingen in die Hände der zwei Gefangen zu schmuggeln.

Einer der Soldaten wollte nach ihr greifen, sie indes trat rasch zur Seite.

„Aha, die Kleine tanzt also.“ Ein zweiter Mann streckte die Hand nach ihr aus, und als Serenity erneut auswich, lachte die ganze Kompanie.

„Tanz für uns, Mädchen!“ Die Soldaten griffen nach ihr, zerrten an ihrem Haar, ihrem Röcken und an ihrem Mieder, während sie immer wieder auswich, herumwirbelte und schließlich außerhalb der Reichweite der Männer auf einen Felsbrocken sprang. Von dort oben blickte sie herausfordernd auf die Soldaten hinunter. Einer nach dem anderen verstummte.

„Ich werde für euch tanzen.“ Sie bemerkte den Ausdruck, der sich in den Gesichtern spiegelte: Wollust. Serenity zwang sich dazu fortzufahren.

„Doch ich wäre wesentlich ansehnlicher, wenn ich die Gelegenheit bekäme, mich im Fluss zu waschen.“ Sie schaute an sich herunter.

„Jawohl.“ Ein Mann löste sich von den anderen, und Serenity bemerkte, dass dies der Anführer der Soldaten sein musste. Sein dichter Bart konnte weder den grausamen Zug um den Mund noch die dicke Narbe verbergen, die sich über sein Auge und die Wange zog – sicherlich das Überbleibsel eines Gefechts mit dem Feind. Mit dem Auge, welches noch sehen konnte, blickte er sie hinterlistig an.

„Und ich bin genau der Richtige, um der Dame bei ihrer Reinigung zu helfen.“ Die Soldaten wollten sich ausschütteln vor Lachen. Der Mann verbeugte sich spöttisch vor Serenity.

„Ich heiße Wilkes und bin der Hauptmann der Garde. Es wäre mir ein Vergnügen, Euch zu begleiten“
 

Endymion, der auf dem Boden lag, schaute die Gestalt auf dem Felsblock ungläubig an. Von einer wohl behüteten Dame edler Geburt konnte man kaum erwarten, dass sie wusste, welches Schicksal ihr in den Händen solcher Kerle beschieden war. Wollte sie die Männer tatsächlich unterhalten, um ihr Leben zu retten?

Sofort schlug er sich diese Überlegung aus dem Kopf. Sera war weder töricht noch frivol. Wollte sie also womöglich Zeit für ihre Flucht gewinnen? Er hatte nur wenig Gelegenheit gehabt, sie wirklich kennen zu lernen, doch in der miteinander verbrachten Zeit hatte er oft ihren Mut bewundert. Deshalb bezweifelte er auch nicht, dass sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen würde, um zu entkommen.

Er wünschte ihr viel Glück, denn sie verdiente dieses Schicksal nicht. Im Herzen allerdings hegte Endymion kaum Hoffnung für ihren Erfolg. Ihre Chancen standen einfach viel zu schlecht.
 

Serenity guckte kurz zu Endymion und Jedite hinüber. Beide beobachteten sie, und beide zeigten die gleichen düster- besorgte Miene, doch Serenity durfte ihnen kein zuversichtliches und beruhigendes Lächeln schenken. Obgleich ihr Plan auch schief gehen könnte, wollte sie keinen Gedanken daran verschwenden. Einen andere Möglichkeit, als die Erdachte, fiel ihr ohnehin nicht ein.
 

Dornenzweige ritzten Serenitys Haut und rissen an ihren Röcken, während Wilkes sie an den Fluss zerrte. Als sich ihre Haare im Zweig eines Baumes verfing, riss er ihren Kopf so brutal zurück, dass ihr die Tränen in die Augen schossen, doch das merkte sie kaum.

„Hier ist der Fluss. Wasch dich.“

Sie stand am Ufer. Eiskaltes Wasser plätscherte über Felsgestein. Weiter flussabwärts sah Serenity einen Wasserfall, der über eine Felskante schäumte. Serenity betrachtete das trügerische Flussbett. So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Sie warf Wilkes rasch einen Blick zu.

„Lass mich einen Moment allein“ bat sie beunruhigt.

„Hältst du mich für einen Narren?“ Wilkes lehnte sich gegen einen Baumstamm und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du wäscht dich jetzt, und ich schaue zu. Deshalb bin ich letzten Endes ja mitgekommen. Deshalb – und aus anderen Gründen.“

Serenity nahm sein lüsternes Grinsen nicht zur Kenntnis. Sie legte ihre weichen Schuhe ab und steckte einen Zeh in das eiskalte Wasser. Nun hob sie die Röcke, machte einen vorsichtigen Schritt und dann noch einen. Das Wasser wirbelte ihr um die Fußknöchel. Wilkes am Ufer genoss den Anblick. Das Mädchen bückte sich, schöpfte Wasser mit den hohlen Händen und schüttelte es sich über die Arme und Gesicht.

Nachdem sich Serenity an die Kälte gewöhnt hatte, zwang sie sich dazu, noch weiter in den Fluss hineinzuwarten.

Wilkes guckte ihr fasziniert zu. Dabei fiel ihm nicht auf, dass sie sich immer mehr entfernte.

Nun wurde sie kühner und sprang von einem Felsstein zum nächsten, bis sie die Mitte des Bergflusses erreicht hatte. Da rief Wilkes vom Ufer her.

„Das ist jetzt weit genug!“

„Und was tust du, wenn ich noch weitergehe?“ Wilkes lächelte.

„Dann befehle ich meinen Männern, deine Gefährten zu töten.“

„Dann tu´s doch“ meinte sie gelassen.

„Was sagst du da, Frau? Du willst, dass ich deine Freunde umbringen lasse?“

„Diese Männer bedeuten mir nichts.“ Die Lüge kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen. Serenity fügte sogleich hinzu.

„Ich bin gegen meinen Willen bei ihnen.“

Wilkes verschlug es vorübergehend die Sprache. Dies hatte er jetzt nicht erwartet. Vielmehr war er davon ausgegangen, die Morddrohung würde die Frau einschüchtern. Er durfte sie jetzt nicht entkommen lassen, denn ohne sie konnte er nicht zu seinen Leuten zurückkehren. Außerdem begehrte er sie zu sehr.

Andererseits behagte ihm die Vorstellung ganz und gar nicht, sie durch das eiskalte Wasser zu verfolgen. Selbstverständlich bezweifelte er nicht, dass er sie einholen würde. törichtes Weib. Niemals würde sie schneller sein als er, selbst bei einer halben flussbreite Abstand zwischen ihnen. Er blickte in die wirbelnden Stromschnellen und fluchte.

„Willst du mir nicht im Wasser Gesellschaft leisten, Wilkes?“

„Nein. Komm ans Ufer zurück!“

Serenity hob die Hand an ihr Minder und knöpfte es langsam auf. Einen Moment war Wilkes verblüfft. Natürlich, sagte er sich dann. Sie hat so etwas früher schon getan. Wahrscheinlich ist sie eine Dirne, und hat mich ausgesucht weil ich der Hauptmann bin.

„Im Wasser mag ich es aber nicht. Komm lieber her.“

Das Mädchen öffnete einen zweiten und dritten Knopf, bis der Minder des Gewandes ganz offen stand und das helle Hemd darunter zu sehen war.

„Ich habe angenommen, ich hätte mir einen starken Mann ausgesucht, der mich ans Ufer zurücktragen kann.“

Das eisige Wasser mit den schlüpfrigen Steinen darin war vergessen. Wilkes trat in den Fluss und bemühte sich, zu der Frau zu gelangen.

Serenitys Mund fühlte sich trocken an. Der Kerl war doppelt so groß und breit wie sie. Das Heft seines Säbels glänzte in der Scheide an seiner Seite. Würde sie ihn tatsächlich mit dem Dolch überwältigen können?

Als Wilkes näher kam, spürte sie Kraft in sich. Alle Ängste waren verflogen. Serenity fühlte eine merkwürdige Zuversicht, so als lenkte eine andre Macht sie. Sie würde nicht versagen. Sie durfte nicht versagen!

Serenity wartete ab, bis der Wachhauptmann sie erreicht hatte. Der Felsbrocken, auf dem sie stand, fühlte sich glatt unter ihren Füßen an. Serenity strengte sich an, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Du bist ein seltsames Mädchen.“ Wilkes stand ihr jetzt direkt gegenüber und streckte die Hand nach ihr aus.

„Doch ich wusste, dass du mir nicht widerstehen kannst.“

Sie bewegte sich vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Nun berührte sie fast seinen Körper.

„Dir ist doch klar, dass ich dich mit den anderen teilen muss.“ Sein Grinsen wurde noch breiter, und Serenity ekelte sich vor dem Gestank, der dem Mann anhaftete.

„Aber wenigstens werde ich der Erste sein. Komm.“

Als er ihren Arm ergriff, sah er den Dolch in ihrer Hand aufblitzen. Zuerst verwirrte in die Wärme, die er an seinem Bauch spürte, und dann fühlte er plötzlich einen scharfen Schmerz. Benommen blickte er auf das Blut, das einen dunklen Fleck auf seinem Hemd verursachte.

Serenity schien von ihrer eigene Tat überwältigt zu sein. Sie beobachtete, wie sich seine Verblüffung langsam in Begreifen und schließlich in Wut verwandelte.

Einen Augenblick verstärkte sich der Griff um ihren Arm, und beide drohten auf dem schlüpfrigen Felsbrocken das Gleichgewicht zu verlieren. Serenity handelte blitzschnell.

Sie entriss ihm ihren Arm und gab Wilkes einen mächtigen Stoß. Der Hauptmann schwankte, ruderte mit den Armen in dem verzweifelten Versuch, irgendwo einen Halt zu finden, der ihn vor dem Fallen bewahren würde. Seine Finger krallten sich in den Ärmel ihres Gewandes, und den hielt er jetzt krampfhaft fest.

Serenity hörte, wie der Stoff zeriss, beugte sich zur Seite und sah zu, wie Wilkes in die wirbelnde Stromschnelle stürzte. Das Stück Stoff hielt er noch immer fest.

Kurz färbte sich eine Stelle im Fluss blutrot, doch wenig später war das Wasser wieder klar. Der Körper des Hauptmannes wurde über die Kante des Wasserfalls geschwemmt und stürzte in die Tiefe.

Eine Weile blieb Serenity auf dem Felsbrocken stehen und starrte in die Fluten, Ihre Füße waren taub vor Kälte. Sie schlug die Arme um sich und zitterte heftig.
 

„Wir hatten Sera niemals zwingen dürfen, uns zu begleiten.“ Jedite wurde von Schuldgefühlen geplagt. „Wenn sie durch den Wald geirrt wäre, hätte sie vielleicht eine Chance gehabt, auf ihre Leute zu treffen und somit zu überleben. Wir haben ihr nur Schmerz und Demütigung gebracht.“

Schweigend kämpfte Endymion weiter gegen seine Fesseln an. Zu seine Verteidigung konnte er nichts vorbringen. Alles, was Jedite gesagt hatte, stimmte. In diesem Moment verging sich Wilkes an ihr. Bald würde sie ins Lager zurückgebracht werden und von einem zum anderen gereicht. Und er lag hier hilflos herum. Hilflos!

Dieser Gedanke allein machte ihn wütend.

Doch die Soldaten hatten ganze Arbeit geleistet. Die Ranken, mit denen er gefesselt war, zerfaserten nicht etwas, sondern schnitten nur tiefer in sein Fleisch. Schmerz empfand er schon längst nicht mehr, doch zu denken vermochte er durchaus noch. Sie schreckliche Vorstellung, das dieser Wilkes Sera quälte, war mehr, als er ertragen konnte.

„Euer Hauptmann ordert an, mit dem Festmahl zu beginnen!“

Als die Soldaten Serenitys Stimme hörten, schaute jeder im Lager zu der Stelle, wo sie stand.

Endymion betrachtet sie erschüttert. Ihr Gewand war zerrissen, ihr Mieder stand vorne offen und gab den Blick auf ihr helles Hemd frei. Der Saum ihres Gewandes war wassergetränkt. Als sie auf die Lichtung schritt, klebte er an ihren Fußknöcheln. Am Vorderteil ihres Gewandes sah Endymion einen großen Fleck. Sein Magen krampfte sich zusammen – Blut! Dieser Bastard Wilkes musste sie übel zugerichtet haben. Endymion ballte die Hände zu Fäusten.

Serenity hatte den Kopf gesenkt und wich allen Blicken aus. Lange starrten die Soldaten sie schweigend an. Sie erkannten Wilkes Werk.

„Wo ist unser Hauptmann?“ wollte einer wissen.

„Er...er ruht sich aus.“ Serenity hob den Kopf und guckte jetzt herausfordernd zu den Männern.

„Erschöpft von seiner letzten Eroberung, was?“ einer der Männer zog den Hirschbraten vom Spieß und schnitt das Fleisch in Streifen herunter.

„So ist es. Und er sagte, man solle seinen Männern das Bier bringen.“ Serenity hoffte nur, dass sich tatsächlich Bier unter den Vorräten befand.

Als ein Soldat zu den Pferden ging und mit ein paar Krügen zurückkehrte, atmete sie erleichtert auf. Die Männer strömten rasch zusammen, um ihren Anteil vom Braten und Bier in Empfang zu nehmen.

Diesen Augenblick nutzte Serenity, um zu Endymion und Jedite zu gehen. Sie tat, als wollte sie sich das Mieder richten, zog jedoch den Dolch hervor und ließ ihn in Endymions Hand fallen. Erstaunt blickte er auf.

„Wurdet Ihr sehr verletzt?“

„Überhaupt nicht. Doch der Hauptmann wird nicht mehr zu seinen Männern zurückkehren.“

Im ersten Moment schaute Endymion sie nur verständnislos an, doch dann begriff er, was sie meinte. In seinen Augen spiegelte sich Verblüffung und Bewunderung zugleich. Zum ersten Mal seit Beginn dieser Prüfung hatte er wieder Hoffnung.

Serenity entfernte sich rasch und bückte sich, um ihre Schuhe zu richten. Dabei nahm sie einen Säbel auf, den man an einen Baumstamm gelehnt zurückgelassen hatte. Sie verbarg ihn unter ihren Röcken, schlenderte an Endymion vorbei und ließ die Waffe geräuschlos ins hohe Gras fallen.

„Wann wirst du für uns tanzen?“ erkundigte sich einer der Soldaten. Serenity merkte, wie ihr Herz hämmerte.

„Jetzt“ antwortete sie. „Euer Hauptmann befahl mir, mit der Unterhaltung zu beginnen, sobald ihr bei eurem Festmahl wäret.“ Der große, hässlich Whip warf einen viel sagenden Blick zu Endymion hinüber.

„Von mir aus magst du tanzen, Mädchen, doch wenn ich mit Essen fertig bin, beabsichtige ich, der Erste zu sein, der von deinem Liebreiz kostet. Und das werde ich dort tun, wo deine beiden tapferen Krieger es gut sehen und genießen können.“
 

Endymion arbeitete sich mit dem Dolch durch die Rankenfesseln, bis sie endlich abfielen. Dann schob er sich zu seinem Freund und befreite in ebenfalls.

„Bleib ganz still liegen, und tu so, als schliefst du.“ Jedite nickte.

„Und achte auf eine Gelegenheit, Sera zu helfen.“ Wieder nickte Jedite.

Die zwei Freunde beobachteten, wie sich Serenity langsam zwischen den Männer bewegte. Sie nahm einige der Säbel auf und legte sie in einem komplizierten Muster auf den Boden. Danach bat sie um die Dolche, welche sie zu dem Muster hinzufügte, indem sie sie mit der Klinge in den Boden steckte.

Neugierig schauten die Soldaten zu, als Serenity die Röcke hob und Zehe an Hacke, Zehe an Hacke durch das Waffenlabyrinth tanzte. Bald wirbelte sie tanzend schneller und schneller, und die Röcke flogen nur so um ihre Fußgelenke.

Bei einer eleganten Bewegung stieß sie mit dem Fuß an ein Messer und sah es durch die Luft fliegen. Es landete in der Nähe von Endymion und Jedite im Gras. Auf Zuruf der Soldaten trat sie noch drei Mal zu, und jedes Mal flog ein Dolch durch die Luft. Diese komplizierten Fußbewegungen faszinierten die Soldaten, die bislang etwas so Erstaunliches noch nie gesehen hatten.

Angefeuert von den Reaktion der Männer, trat Serenity in das Labyrinth der Säbel und tanzte um sie herum, bis es ihr gelang, eine Waffe mit der Schuhspitze anzuheben. Mit einer schnellen Bewegung stieß sie den Säbel hoch in die Luft. Die Männer johlten begeistert und lachten, als die Klinge mit der Spitze voran im hohen Gras landete.

Serenity wiederholte diese komplizierten Bewegungen, bis kein einziger Säbel mehr übrig war. Dann bedachte sie die Männer mit einem koketten Blick und begann langsam verführerisch um das Feuer herum zu tanzen.
 

Endymion und Jedite robbten nahezu geräuschlos durch das hohe Gras und sammelten die Waffen ein. Da die Männer mit dem Rücken zu ihnen saßen und das Schauspiel betrachteten, das Serenity ihnen bot, konnten sie sich mit ihrer Beute unbemerkt zu den Bäumen schleichen, wo die Pferde angebunden waren. Der Soldat, der für die Rösser zuständig war, hatte sich schon lange zu vor für das Festmahl zu seinen Kameraden gesellt.

„Wie bekommen wir Sera fort von diesen Männern?“ flüsterte Jedite.

„Das weiß ich nicht – noch nicht.“ Endymion band die Pferde los, und als diese frei waren, gab er Jedite die Zügel des größten Pferdes.

„Der wirkt wie der Leithengst. Wenn unsere Flucht gelingen soll, müssen wir dafür sorgen, dass alle Pferde fort sind – bis auf die, welche uns tragen.“

„Jawohl. Überlass das mir.“ Endymion legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter.

„Nimm mit den Pferden den moosigen Pfad. Ihr Hufschlag wird so gedämpft sein, dass die Männer es nicht hören werden. Und, Jedite...“ Endymion machte eine kleine Pause.

„Nimm, was du an Geld und Wertsachen in den Satteltaschen findest. Wir werden das möglicherweise brauchen, um unsere Freiheit sicher zu stellen.“ Jedite nickte. Im Schutz der Bäume schwang er sich, nach einer Weile, auf den Hengst und ließ ihn traben. Die anderen Pferde folgten ihm tatsächlich.

Endymion saß auf dem Letzten auf, strich dem Tier, das den anderen Rössern hinterher traben wollte beruhigend über die Mähne, während er ihm Worte zuflüsterte. Daraufhin ließ es sich von Endymion bereitwillig lenken. In der Hand hielt er einen Säbel. Noch einmal blickte er über die Schulter zurück und vergewisserte sich, dass sein Freund fort war. Dann trieb er sein Ross zum Galopp an.
 

Serenity ahnte natürlich nicht, was die beiden planten, doch sie hatte gesehen, wie sie zu den Pferden gekrochen waren. Obwohl sich ihr Körper gegen jede Bewegung wehrte, zwang sie sich weiterzutanzen, während die Soldaten Obszönitäten brüllten.

Ein Hengst tauchte auf und galoppierte genau auf das Feuer zu. Jetzt vermochte Serenity den Reiter zu erkennen; Endymion! Das Ross setzte über den Kreis der Soldaten hinweg und landete direkt neben ihr. Sie streckte die Arme aus, Endymion zog sie hinauf und hielt sie mit einer Hand am Sattel fest.

Im ersten Moment waren die Soldaten viel zu verblüfft, um reagieren zu können. Als sie endlich begriffen, was geschah, sprangen sie auf. Doch ihre Waffen waren fort. Verwirrt liefen die Männer umher und suchten im hohen Gras nach ihren Säbeln und Dolchen.

Unterdessen verschwanden Endymion und Serenity im Wald und galoppierten den moosigen Pfad entlang.
 

byby Blacklady

Trost

Jedite stand am anderen Flussufer und erwartet ängstlich die Ankunft von Endymion und Serenity.

Als er weit genug vom Lager der Soldaten entfernt gewesen war, hatte er angehalten. Dann hatte er zwei Pferde an einem Baum gebunden. Den Hengst hatte er daraufhin einen Klaps aufs Hinterteil gegeben, so das dieser davon galoppierte. Die anderen freien Pferde folgten ihm. Die Soldaten würden mehrere Stunden benötigen, um ihre Tiere wieder einzufangen, und bis dahin würden Endymion, Serenity und er weit fort sein.

Jedites Beutel waren prall gefüllt mit den Goldmünzen, die er aus den Satteltaschen genommen hatte. Offensichtlich bezahlte der Henker seine Helfer gut. Von dem Geld würde man eine Familie ein ganzes Jahr ernähren können.

Leise herankommender Hufschlag beendete Jedites Gedanken. In vollem Galopp jagte der Hengst in den Fluss. Das Wasser unter den Hufen spritze auf. Jedite lächelte erleichtert.

„Ihr wart großartig, Sera.“

Endymion warf einen Blick auf Serenitys blasses Gesicht.

„Zum Reden haben wir keine Zeit“ rief er. „Wir müssen fort von hier!“

Rasch glitt er aus dem Sattel.

„Jawohl.“ Jedite band die Pferde los, half Serenity auf das Ross und schwang sich dann auf das andere Pferd. Die Drei galoppierten über eine offene Weide, wobei ihnen bewusst war, dass sie im Mondlicht eine leichte Beute wären. Auf der anderen Seite der Weide begann wieder der Wald, der ihnen Schutz bot.

Zwischen den Bäumen zügelten sie ihre Rösser, um in der Dämmerung ihren Weg zu suchen. Endymion hörte einen Wasserfall rauschen und ritt voraus, bis er eine kleine Lichtung neben einem Flüsschen fand.

„Hier werden wir unsere Wunden versorgen und uns dann zur Ruhe begeben. Doch vor dem Morgengrauen werden wir wieder aufbrechen.“ Er saß ab und hob Serenity dann aus dem Sattel. Dabei fiel ihm wieder einmal auf, wie zerbrechlich sie doch wirkte. Sie schwankte, bemühte sich jedoch, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Sofort hob Endymion sie sich auf die Arme und trug sie ans Flussufer.

„Wascht Eure Wunden, Sera. Und danach müsst ihr schlafen.“

Endymion band die Rösser an, bereitete dann seinen Umhang aus und half Jedite, sich darauf niederzulegen.

„Ich kümmere mich um deine Verletzungen.“

„Die sind gar nicht schlimm. Kümmere dich lieber um Sera.“

Überrascht hob Endymion den Kopf. Sie saß noch immer an derselben Stelle, wo er sie zurückgelassen hatte. Rasch versorgte er die Wunden von Jedite und ging anschließend zu ihr.

Als er herankam, blickte sie kurz zu ihm auf, sagte aber nichts. Endymion betrachtete ihr blasses Gesicht und erinnerte sich, dass sie auch während des langen Ritts merkwürdig schweigsam gewesen war.

„Was habt Ihr dann, Sera? Seid ihr verletzt?“ Sie schüttelte den Kopf.

„Das nicht.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Sofort hockte er sich neben sie.

„Sagt mir, wo es Euch wehtut.“ Wieder schüttelte sie den Kopf und senkte den Blick.

„Ich verstehe nicht, weshalb ich mich plötzlich so schwach fühle.“ Endymion streichelte ihr die Wange und wischte dabei ihre Tränen fort.

„Das ist nur die Erschöpfung. Ihr habt Euch zu sehr angestrengt.“

„Nein, das ist nicht alles.“ Sie schaute auf ihr zerrissenes und mit dem Blut des Wachhauptmannes befleckten Gewand.

„Das kann ich nicht mehr an mir sehen.“

„Wie meint Ihr das?“ Sie zerrte an den Knöpfen ihres Mieder.

„Ich ertrage es nicht, dieses Gewand anzuhaben. Ich muss es loswerden.“

„Verstehe.“ Endymion ging zu den Pferden und wühlte in den Satteltaschen herum. Als er zu Serenity zurückkehrte, brachte er eine Männerhose sowie ein Hemd mit.

„Dies wird Euch viel zu groß sein, Sera, doch die Sachen sind sauber und zweckmäßig.“ Er beobachtete, wie sie ihr Gewandt ablegte und sich die Männerkleidung anzog. Als sie damit fertig war, lehnte sie sich erschöpft zurück. Endymiom trug sie an dem Platz neben seinem Freund und wickelte sie in ihren Umhang.

„Schlaft jetzt“ flüsterte er. „Morgen werdet ihr Euch besser fühlen.“

„Nein.“ Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest. Erschrocken sank er auf die Knie und betrachtete ihr gequältes Gesicht.

„Was habt Ihr denn, Sera?“

„Ich weiß nicht.“ Ihre Lippen bebten. „Nein, das ist nicht wahr. Ich weiß genau, was mich beunruhigt. Ich habe jemanden das Leben genommen. Mord ist doch etwas sehr schlimmes, nicht wahr?“

„Ja, etwas sehr schlimmes. Doch ihr habt in Notwehr gehandelt. Hättet Ihr ihn nicht getötet, wäret Ihr jetzt nicht mehr am Leben. Zuvor hätten die Soldaten sich an Euch vergangen. Euch blieb also gar nichts anderes übrig, als ihn umzubringen.“

Sie wandte sich an Jedite, dessen Miene ebenfalls Besorgnis wiederspiegelte.

„Ihr sagtet, Rache stünde ausschließlich dem Herrn zu.“ Jedite nickte.

„Ja, doch wie Endymion eben erklärte – Ihr hattet ja keine Wahl.“

„Ich verstehe noch immer nicht.“ Aufs Neue kamen ihr die Tränen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.

„Ich fürchtete mich nicht.“ Ihre Wort kamen nur stockend und langsam, weil sie ihr Schluchzen unterdrücken wollte.

„Ich hatte keine Angst, weil ich wusste, dass ich ihn würde töten können.“

Sie war wirklich eine seltsame Frau, und sie sprach in Rätseln.

„Das beunruhigt Euch, Sera?“ Endymion fasste sie bei den Schultern und spürte, wie sie zitterte.

„Ja. Was für ein Mensch bin ich nur, dass mit das Töten so leicht fällt?“

„Was für ein Mensch? Ach, Sera...“ Endymion nahm sie in die Arme und zog Serenity eng an sich. Während ihre Tränen sein Hemd durchnässten, strich er ihr übers Haar und wiegte sie wie ein kleines Kind.

„Eure Vergangenheit ist mir zwar unbekannt, doch mir habt Ihr bewiesen, dass Ihr ein tapferer, mutiger Mensch seid.“ Ihr Beben ließ allmählich nach.

Endymion war kein Mann großer Wort, doch er wusste, dass er etwas finden musste, womit er Sera trösten konnte.

„Ohne etwas über meine sowie Jedites Vorgeschichte zu wissen, versorgtet Ihr unsere Wunden“ flüsterte er besänftigend. „Dazu bedurfte es eines wahrhaft großmütigen Geistes. Und als wir Eure Hilfe brauchten, rettet Ihr uns das Leben. Dazu war großer Mut erforderlich. Mein Freund und ich stehen tief in Eurer Schuld.“

„So ist es, Sera.“ Jedite strich ihr über die Schulter. „Wir werden niemals vergessen, was Ihr für uns getan habt.“

Jedite wünschte sich zwar, ihr noch mehr sagen zu können, war jedoch zu müde. Mit großer Mühe wickelte er sich in seinen Umhang und kämpfte gegen seine Schwäche an. Doch seine Erschöpfung war zu groß. Die Augen fielen ihm zu, und er schlief ein.
 

Serenity schniefte ein bisschen, und ihre Worte hörten sich an, als bereite ihr das Sprechen größte Mühe.

„Haltet Ihr mich nicht für zu unerfahren, zu heißblütig und zu starrköpfig?“ Im Stillen fragte sie sich, wieso ihr grade diese Begriffe einfielen, doch sie war viel zu durcheinander angesichts der ganzen Geschehnisse. Endymion lachte leise und kehlig.

„Genau, Sera! Alles das trifft auf Euch zu. Und dafür bin ich ungemein dankbar.“ Sein Lachen besänftigte sie tatsächlich. Leise seufzte sie und legte Endymion die Arme um die Taille.

Eine Welle der Erregung durchflutete ihn. Gleich darauf fühlte er sich zutiefst beunruhigt. Er verfluchte sich und nannte sich im Stillen einen Narren. Grade eben waren sie dank dieses Mädchens dem sicheren Tod entronnen, und schon regte sich fleischliche Lust in ihm. Sera wäre gewiss erschrocken, wenn sie wüsste, welche geheimen Sehnsüchte er hatte.

Vor seinem geistigen Auge sah er sie noch immer der Horde wollüstiger Soldaten entgegentreten, ihre Röcke raffen und tanzen. Er hatte sie begehrt wie jeder andere auch. Natürlich könnte er sich einreden, seine Begierde wäre nicht so primitiv wie die der anderen, doch dann würde er lügen.

Er bemühte sich, sein Verlangen zu unterdrücken und sich dafür auf Serenitys Bedürfnisse zu konzentrieren.

„Ihr seid einer der besten Menschen, die mir in dieser grausamen Welt begegnet sind, Sera, Und ihr seid womöglich die erstaunlichste, großartigste und tapferste Frau, die ich jemals kennen lernte. Bis Ihr Euer Gedächtnis wieder erlangt, verpflichte ich mich, Euch so zu beschützen wie Jedite oder mich selbst.“

Endymion hörte sie leise und regelmäßig atmen, und da merkte er, dass sie keines seiner Worte mitbekommen hatte. Serenity entspannte sich langsam in seinen Armen.
 

Im Mondpalast herrschte eine gespenstige Stille, als Mars die langen Flure entlang schritt. Doch nicht nur der Palast trauerte, der ganze Mond war in andächtiges Schweigen verfallen. Das Volk trauerte über den Verlust ihrer geleibten Prinzessin.

Nur wenige Menschen kreuzten in dieser Zeit Mars weg, und jedes Mal wenn sie jemanden begegnete und in dessen trauriges Gesicht blickte, hätte sie am liebsten laut geschrieen, das Serenity noch lebte. Doch sie beherrschte sich, weil sie wusste, das es ohnehin nichts bringen würde. Die Menschen glaubten nur an das was sie sahen und nicht an das, was sie tief in ihrem Herzen fühlen.

Erst jetzt wurde Mars bewusst, wie viel ihre Prinzessin eigentlich, für das friedliche Leben in ihrem Königreich getan hatte. Ihre bloße Anwesenheit hatte die Menschen mit Freude und Hoffnung erfüllt und jetzt wo sie nicht mehr bei ihnen war, waren diese Gefühle einer tiefen Unsicherheit gewichen.

Das ist verständlich, dachte die Kriegerin des Feuers betrübt. Der helle Stern der ihre Zukunft verkörpert hatte, war erloschen. Ihr weiteres Schicksal, stand unter den Sternen von Krieg und Zerstörung und war trügerischer den je.

Vor einer Stunde erst war Königin Sereniti von ihrer Versammlung, auf dem Jupiter zurückgekehrt. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zur Urteil, hatte sie nicht vor, den tot ihrer einzigen Tochter einfach so schweigend hinzunehmen.

Vor einer großen Doppeltür blieb Mars schließlich stehen. Einen Moment lang zögerte sie, sie zu öffnen. Was immer sie auch gleich hören würde, sie wusste bereits jetzt, dass es ihr nicht gefallen würde. Ein letztes Mal atmete sie tief durch, dann drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die Tür.
 

„Wohin reiten wir?“ erkundigte sich Serenity, die sich der Arme sehr bewusst war, welche sie umfingen. Endymions große Hände, die die Zügel hielten, berührten ihre Schenkel. Dieselben Hände, die mich vergangene Nacht gehalten und gestreichelt hatten, dachte sie.

Da eines der Pferde lahmte, mussten sie es zurück lassen.

„Zuerst einmal zu einem Hafen. Wenn wir Elysion erreichen wollen, müssen wir das Meer überqueren.“

Der Wind fuhr Serenity durchs Haar, und Endymion atmete den Geruch von Wildblumen ein, der von ihr ausging. Bilder stiegen in ihm auf, Bilder, die er aus seiner Fantasie verbannen musste. Er zwang sich dazu, sich mit ihrer derzeitigen Situation zu beschäftigen. Es war notwendig, dass sie einen Weg zum Meer fanden, und dann würden sie sich damit befassen, ein Schiff zu finden, das sie nach Hause brachte.

Wo war Seras Zuhause? Sie erinnerte sich nicht einmal an die einfachsten Dinge, weder an ihren Namen noch an ihre Heimstatt. Was musste das für ein Gefühl sein, wenn man nicht einmal wusste, wohin man gehörte?

Endymion dagegen sah seinen Landsitz deutlich vor sich, und seine Entschlossenheit wuchs, so schnell wie möglich dorthin zurückzukehren. Andererseits war ihm klar, das sich Sera mit jeder zurückliegenden Meile immer weiter von ihrem Zuhause entfernte.

„Der Fluss wird breiter“ verkündete Jedite.

„Ja. Wir werden ihm bis zur Mündung ins Meer folgen.“

Die Landschaft wurde ebener. Hier gab es keine zerklüfteten Berge und keine Wälder mehr, sondern nur noch sanft ansteigende grasbewachsene Hügel. Bald verschwanden auch die kleinen Erhebungen, und man konnte in jeder Richtung weit über das flache Land blicken. Die Luft hatte sich merklich abgekühlt und trug den Salzgeruch des Meers heran, das jetzt schon in der Ferne auszumachen war.

„Wissen die Soldaten, wo Ihr lebt?“

„Ja“ antwortete Endymion einsilbig.

Serenity fröstelte, als sie die Küste erreichten. Das liegt nur an der kalten Luft, sagte sie sich.

„Dann könnten sie sich denken, dass Ihr ein Boot benötigt, um dorthin zu gelangen, und möglicherweise sind sie und vorausgeritten.“

„Das habe ich auch schon erwogen. Wir werden eben doppelt wachsam sein müssen.“

Als sie in der Ferne ein Dorf sahen, zügelte Endymion sein Pferd und glitt hinunter.

„Man wird nach zwei Männern und einer Frau suchen. Ich werde ins Dorf gehen und mich dort nach irgendeinem Boot erkundigen. Falls die Soldaten bereits dort waren, dürfte irgendjemand sie bemerkt haben. Wenn wir nichts zu befürchten haben, kehre ich sofort zurück.“

„Und falls Ihr in eine Falle tappt? Wie sollen wir es erfahren?“ Serenitys Augen blitzten.

„Ihr habt uns schon einmal verlassen und wurdet gefesselt. Es gefällt mir nicht, dass ich hier zurückbleiben soll, während ihr Euch gefangen nehmen lasst.“ Jedite lachte.

„Was meinst du dazu, Endymion?“

„Ihr seid eine höchst widerspenstige Frau!“ Endymion blickte sie grimmig an, während sie das nervöse Pferd beruhigte.

„Es mag Euch vielleicht verdrießen, doch Euer Plan taugt nichts.“ Erklärte sie gelassen. „Ihr solltet lieber mich in das Dorf schicken. Nach einer einzelnen Frau wird man nicht suchen. Mich wird überhaupt kein Mensch zur Kenntnis nehmen.“

Er betrachtete ihre Männerkleidung sowie die goldblonde Haarmähne und brach in lautes Lachen aus.

„Man wird Euch nicht zur Kenntnis nehmen? Vergebung, Sera, jeder wird sich nach Euch umdrehen!“ Serenity hatte Endymion noch nie zuvor lachen hören, und dieser tiefe und warme Klang gefiel ihr ungemein. Jedite stimmte in das Lachen ein.

„Ja, Sera, Endymion hat Recht. Ihr könnt es gar nicht vermeiden, das Dorf zu betreten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.“

Serenity guckte an sich hinunter. Ja, die beiden Männer hatten Recht.

„Nun gut, vermutlich falle ich tatsächlich in Männerkleidung auf“ räumte sie mürrisch ein.

Endymion wusste, dass sie mit ihrer ungewöhnlichen Schönheit und nicht etwa wegen der Männersachen alle Blicke auf sich ziehen würde, doch er behielt seine Gedanken lieber für sich.

Serenity schaute Endymion fest in die Augen und erklärte.

„Falls Ihr nicht zurück seid, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, werden Jedite und ich ins Dorf reiten und nachsehen, was Euch aufhält.“

„Sehr wohl. Da Ihr mich schon zwingt, meinen Plan zu ändern“ sagte er mit einer leichten Verneigung vor Serenity, „schaut im Dorfgasthof nach. Dort werde ich warten. Bei einen Humpen Bier“ fügte er lächelnd hinzu.

„Wir werden uns stärken und unseren Kurs nach Elysion festlegen.“ Er drehte sich um und warf noch einen bewunderten Blick über die Schulter zurück.

„Hat Euch schon einmal jemand gesagt, das Ihr die Tugenden eines Kriegers besitzt, Sera?“ Damit machte er sich auf den Weg zum Dorf.

Serenity errötete. Endymion hätte ihr kein netteres Kompliment machen können, doch sie hatte keine Ahnung, weshalb sie sich grade über diese Wort so freute.
 

Das Stimmengewirr im Thronsaal, klang in Mars Ohren wie das Summen eines angriffslustigen Bienenschwarms. Neben Hauptmann Niell, waren auch sämtliche Minister der Planeten anwesend, die mit dem Mondkönigreich verbündet waren.

Die Königin hatte auf der Empore, auf der gegenüberligenden Seite des Saals, im hohen Lehnstuhl Platz genommen.

Sie kam Mars älter vor, als sie sie in Erinnerung hatte. Der Verlust ihrer über alles geliebten Tochter, hatten tiefe Falten in dem eins so glatten Gesicht hinterlassen. Und die tiefen Ringe unter ihren Augen zeugten davon, das sie die letzten Tage keinen Schlaf gefunden hatte.

Zur ihrer Linken standen Merkur und Jupiter, Cicel Kettering saß zu ihrer rechten.

Als Mars den Gang zum Thron entlang schritt, gebot die Königin der raunenden Menge mit erhobener Hand zum schweigen. Erwartungsvolle Stille breitete sich aus.

„Nun Sailor Mars. Man berichtete mir, dass Sailor Venus ihr Amt niedergelegt und den Mond verlassen hat. Ihr seid die neue Anführerin der Sailor Krieger. Entspricht das der Wahrheit?“

„Ja, Euer Hoheit. Venus nahm die volle Verantwortung, des Unfalls der Prinzessin, auf ihren Schultern. Sie übertrug mir die Führung des Sailor Teams und verließ den Mond“

„Unfall? Soviel wie ich weiß, war es Mord! Ausgeführt von Kriegern der Erde.“ Mars biss sich schmerzhaft auf die Zunge und warf einen kurzen Seitenblick zu Merkur und Jupiter, doch auch in ihren Gesichtern konnte sie nur Unsicherheit erkennen.

„Das können wir nicht mit Sicherheit sagen, Hoheit.“ Entgegnete Mars zögernd.

„Wir fanden zwar die Leichen, zweier Krieger, unter einem umgestürzten Baum. Doch ob sie wirklich mit dem Angriff, auf die Prinzessin zu tun hatten, ist unklar“

„Unklar?“ empörte sich Kettering.

„Es ist offensichtlich, das sie Prinzessin Serenity ermordet haben. Wir müssen sie dafür bestrafen.“ Lautstarkes Gemurmel erfüllte den Saal. Hier und dort konnte man zustimmend Rufe hören.

„Ruhe!“ befahl Königin Sereniti mit Donnerstimme und Augenblicklich wurde es still im Raum.

„Der Mörder meiner Tochter wird bestrafft, das schwöre ich. Doch jetzt gibt es wichtigeres. Sailor Mars, wo befindest sich Venus?“ Der durchdringende Blick der Königin heftete sich auf Mars. Diese schluckte schwer. Sie hatte sich geschworen Venus nicht zu verraten. Doch konnte sie ihre Königin einfach belügen?

„Ich weiß es nicht, Hoheit“ flüsterte sie leise und wich ihrem Blick aus.

Königin Sereniti erkannte sofort das sie log. Sie hatte die Mädchen aufwachsen sehen und kannte die enge Bindung, die sie zu einander hatte. Und auch wenn sie es nicht offen zeigte, so empfand sie doch Stolz für die Marsprinzessin, die selbst jetzt nach Serenitys tot, an ihrem Ehrenkodex festhielt, nie einander zu Verraten.

„Nun gut. Da Sailor Venus nicht hier ist, müssen wir vorläufig auf sie verzichten. Merkur, Mars und Jupiter, begebt Euch sofort auf Eure Heimatplaneten und übernehmt die Führung eures Heeres. Die Friedensverhandlungen auf dem Jupiter sind gescheitert. Ab sofort befinden wir uns im Krieg.“ Erschrocken blickten die Mädchen auf. Jeder von ihnen hatte mit einer solchen Entscheidung gerechnet, doch sie jetzt wirklich zu hören, war doch etwas anderes.
 

Als die Pferde über die staubige Dorfstraße trabten, zog Serenity ihren Umhang dichter um sich, um darunter ihre seltsame Kleidung zu verbergen. Seit Endymion fortgegangen war, hatte sie keine Ruhe gefunden. Wir hätten alle zusammenbleiben sollen, dachte sie. Zu Dritt wären wir sicherer gewesen.

Abgesehen davon, vermochte sie das Gefühl nicht abzuschütteln, das hier irgendetwas nicht stimmte. Die Reise hierher war zu glatt verlaufen, und dieses Gefühl wurde noch stärker, als sie sich jetzt der Reihe alter Katen näherten, die dem dunklen Wasser zugewandt stand.

„Dort, Sera!“ Jedite deutete auf ein verwittertes Schild, welches über der letzten Kate hing. „Löwenkopf!“

Serenity nickte und zügelte ihr Pferd.

„Es gefällt mir nicht, Jedite“ meinte sie, während sie absaß und sich aufmerksam umschaute.

„Irgendetwas ist hier nicht in Ordnung.“

„Hier sind nur zwei Pferde angebunden.“

„Ja, und keines davon ist Endymions.“ Jedite schaute sich um.

„Wo könnten die Soldaten die vielen Pferde versteckt haben?“

Das wusste Serenity natürlich auch nicht.

„Kommt, Sera. Wir haben einen langen Ritt hinter uns. Speisen und Bier werden unsere Lebensgeister sicher wieder wecken.“

Der „Löwenkopf“ war eine kleine Schenke. Im Kamin brannte ein Feuer, das die Kälte vertrieb. Der Duft frisch gebackenen Brotes lag in der Luft. Zwei ältere Herren saßen in einer Ecke, und ziemlich viele Fischer standen am Schranktisch.

„Ich kann Endymion nirgends entdecken.“ Serenity runzelte die Stirn.

„Ich leider auch nicht. Nur keine Sorge. Er versprach doch, uns hier zu treffen. Bestimmt wird er bald erscheinen.“

Sie folgten dem Gastwirt in einen kleinen Nebenraum. Ein gedeckter Tisch stand vor einem flackernden Feuer.

Nachdem Jedite bestellt hatte, verschwand der Wirt. Serenity betrachtete Jedite, der ihr gegenübersaß.

„Vertraut Ihr eigentlich allen Menschen so blind? Oder nur Endymion?“ Jedite lächelte.

„Endymion ist ein Mann, der sein Wort hält. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass er gleich auftauchen wird.“

„Und das Boot?“ Jedite zuckte die Schultern.

„Edymion wird schon eines auftreiben, indem er vielleicht jemanden besticht oder droht oder es ganz einfach bezahlt.“

Sie schauten auf, als der Gastwirt eintrat. Auf dem Holzbrett in seinen Händen standen drei Humpen Bier. Ehe Serenity sich ihren Krug an die Lippen heben konnte, trat Endymion herein und setzte sich zu ihnen.

„Stoßen wir auf eine sichere Reise an!“ Er hob seinen Humpen.

„Ich sagte Euch ja, dass er kommen würde.“ Endymion blickte von Jedite zu Serenity.

„Bezweifelte das etwa jemand?“

„Durchaus. Sera war äußerst beunruhigt.“

„Und dazu hatte sie auch jeden Grund. Doch es gab keine unliebsamen Zwischenfälle.“

Das Bier rann Serenity durch die Kehle und erfrischte sie, doch dieses Gefühl einer bevorstehenden Gefahr wollte nicht verschwinden und beunruhigte sie aufs Äußerste.

„Habt ihr ein Boot aufgetrieben“ erkundigte sie sich leise, während sie ihren Umhang ablegte.

„Jawohl. Es ist zwar klein, doch seetüchtig. Der Eigner ist ein Fischer und kennt die Gewässer. Er bot an, uns über den Kanal zur Insel Arran zu bringen.“

„Und dann?“ fragte Jedite.

„Dann brauchen wir etwas Größeres als dieses Fischerboot, und mit dem Schiff geht es dann über das Meer. Zumindest wird dann sehr viel Wasser zwischen uns und dem Henker liegen.“

Der Gastwirt erschien mit einem weiteren Brett. Als sein Blick auf Serenity fiel, zog er erschrocken die Luft ein und hätte das Brett beinahe fallen lassen, fing sich indes im letzten Moment.

„Was habt Ihr?“ fragte Endymion und blickte den Mann an, der aussah als habe er grade ein Gespenst gesehen.

„Nichts. Gar nichts.“ Er stellte schnell das Brett ab und wollte sich schon aus dem Staub machen, als Endymion im den Weg versperrte.

„Nichts kann es ja nicht sein. Wenn es Euch solche Angst einjagt“

„Nun...also...Die junge Dame erinnerte mich die ganze Zeit an jemanden. Und jetzt fiel es mir wieder ein. Aber das kann nicht sein, ich habe mich geirrt“ erklärte er und trat weiter zurück, aber jetzt weil Endymion ihm Angst machte.

„Und an wenn erinnert Euch, die Lady“ wollte nun Jedite wissen.

„An...an Prinzessin Serenity. Doch das ist nicht möglich. Die Prinzessin ist tot.“

„Prinzessin Serenity ist tot?“ Endymion und Jedite tauschten besorgte Blicke, was Serenity nicht entging.

„Ja..ja. Das haben zumindest die Händler erzählt, die hier vorbei kommen“ berichtete der Gastwirt und trat noch einen Schritt zurück. Serenity blickte unsicher zwischen den Männern hin und her. Sie hatte keine Ahnung, von welcher Prinzessin hier die Rede war, doch sie war es anscheint nicht. Zögernd stand sie auf und legte Endymion die Hand auf den Arm, der wie zur Salzsäule erstarrt dastand.

„Ihr solltet ihn gehen lassen! Sonst wird es für uns noch sehr unangenehm“ flüsterte sie so leise das nur er es hören konnte. Für einen Moment sah Endymion sie einfach nur an, dann schien er sich zu besinnen und ließ den Mann passieren.

„Verzeiht. Aber mit einer solchen Neuigkeit habe ich nicht gerechnet“ der Gastwirt nickte verstehend.

„Es ist für uns alle ein großer Schock. Sie war noch so jung.“

Sobald sie alleine waren, zog Serenity die Augenbraue hoch und schaute Endymion fragend an.

„Wer ist diese Prinzessin? Und kanntet Ihr sie?“

„Prinzessin Serenity, ist die Mondprinzessin. Nein ich kannte sie nicht, ich kenne nur die Gesichten die man von ihr erzählt.

Angeblich ist sie einen verwöhntes kleines Mädchen. Die ihren Palast nie verlässt.“

„Ja weil sie so hässlich sein soll, das man sie niemanden zeigen darf.“ Grinste Jedite.

„Dann hätte der Wirt sie ja kaum mit mir verwechselt.“ Entgegnete Serenity bissig und Endymion lachte.

„Ihr habt Recht, Sera. Mann sagt das die Mondprinzessin eine wahre Schönheit sein soll. Doch Ihr könnt, wohl kaum diese Prinzessin sein. Denn für eine Tote, seid Ihr viel zu lebendig“ Endymion nahm einen Bissen Fisch.

„Das mundet herrlich, Sera. Ihr müsst es unbedingt probieren.“ Er beobachtete sie dabei, wie sie kostete und dann ihr Mahl offensichtlich genoss.

„Eines Tages werdet Ihr Euer Gedächtnis wieder erlangen, Sera. Das verspreche ich Euch.“

Sie schaute aus dem Fenster auf das Meer. Wenn sie diesen Ort hier verlassen hatte, würde sie ihr altes Leben gegen ein Neues eintauschen. Und sollte sie wider Erwarten irgendwann ihr Erinnerungsvermögen wieder finden, würde es gewiss zu spät sein, in ihre alte Rolle zu schlüpfen.

Endymion war der Ausdruck in ihren Augen nicht entgangen, und er wünschte, er könnte ihr die Bürde irgendwie erleichtern.
 

Sie folgten dem Weg am Ufer und kamen an Fischern vorbei, die ihre Netze ausbesserten. Endymion grüßte einen mageren Mann, dessen Gesicht von vielen Falten durchzogen war. Seine Stirn war gefurcht und die Wangen eingefallen. Im scharfen Kontrast stand sein weißes Haar.

„Ist das Boot bereit?“

„Jawohl.“

Die Drei folgten dem alten Mann zu einem kleinen Kahn, der vor Anker in der schäumenden Brandung lag. Falls sie Bedenken wegen der Seetüchtigkeit des Bootes hatten, so behielten sie sie für sich.

Serenity warf einen Blick zu den dunklen Wolken, die sich am Horizont zusammenzogen. Kein gutes Omen. Sie fühlte Angst in sich hochsteigen. Ob sie wohl jemals zuvor mit einem Boot auf dem Meer gewesen war? Ihre Furcht wuchs. Irgendetwas stimmte nicht. Die drei stiegen ins Wasser und wateten zum Boot. Endymion half Jedite nach achtern und drehte sich dann zu Serenity um. Plötzlich surrte ein Jagdpfeil durch die Luft und schlug nur ein paar Fingerbreit von Serenitys Kopf entfernt ein.

Eine Erinnerung blitze vor ihren Augen auf. Sie sah einen Pfeil, der sich durch ihre Schultern bohrte. Doch das Bild verblasste genauso schnell wieder, wie es gekommen war, und ließ nur einen stechenden Schmerz zurück.

Am Ufer galoppierten ein Dutzend Männer heran.

Die meisten der Fischer, welche die näher kommenden Soldaten sahen, stoben auseinander. Diejenigen, die das Pech hatten, zu langsam zu sein, schreien vor Angst und Schmerz auf, denn sie gerieten unter die fliegenden Hufe.

„Macht dein Boot los!“ brüllte Endymion dem Fischer zu.

„Es sind zu viele Soldaten.“ Der Bootseigner vermochte sich vor Angst nicht zu bewegen und stand wie gelähmt am Ufer.

„Du magst mit uns kommen, oder wir nehmen uns das Boot und fahren alleine hinaus. Wie auch immer – wir werden jedenfalls jetzt keinen Moment mehr warten und losfahren.“ Der Fischer, der Endymions Ton durchaus richtig deutete, rührte sich endlich, machte das Boot los und lehnte sich mit der Schulter dagegen. Endymion tat das gleiche. Und während beide Männer den Kahn gegen die auflaufende Flut schoben, blieb Serenity alleine und stellte sich den herankommenden Angreifern.

Sie zog ihren Säbel. Als der erste Reiter heranpreschte, wich sie ihm geschickt aus und erwischte ihn mit der Säbelspitze, so das er mit ausgebreiteten Armen in die Brandung flog. Die nächsten beiden Angreifer erschienen rechts und links neben ihr.

Serenity schlug sich tapfer. Sie warf den Einen aus dem Sattel und verwundete den Anderen.

„Kommt, Sera!“ rief Endymion.

Sie drehte sich um. Das Boot schaukelte bereits auf den Wogen. Der Fischer zog sich grade hinein und nahm einen Riemen auf.

Zwei weitere Reiter stürmten auf Serenity zu. Sie wagte es nicht, ihnen den Rücken zuzukehren, um zum Boot zu gelangen.

„Sera, beeilt Euch!“ Der Wind trug Jedites Stimme heran, die sich wie der Schrei eines Seevogels anhörte.

Serenity sah sich den nächsten Angreifern gegenüber, und ihre Hoffnung, sich auch diesen erwehren zu können, schwand.

Endymion und Jedite würden sie zurück lassen müssen, doch sie wollte sich wenigstens die Genugtuung verschaffen, noch einige ihrer Gegner außer Gefecht zu setzen, ehe sie überwältigt wurde.

Sie hob den Säbel, und in diesem Moment kam ein weiter Reiter von hinten heran. Ehe sie sich umzudrehen vermochte, hörte sie Klinge auf Klinge treffen. Aus dem Augenwinkel nahm sie Endymion wahr, der zurückgekehrt war, um sie zu unterstützen.

Nachdem sie einen weiteren Angreifern zurückgeschlagen hatte, packte Endymion sie am Arm und zog sie ins Wasser.

„Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Das Boot fährt jetzt los.“

„Und was ist mit den Soldaten?“

„Die müssen schon ausgezeichnete Schwimmer sein, um uns einzuholen.“

Eine gewaltige Woge überrollte sie und riss beide mit sich in die Tiefe. Serenity merkte, dass sie gegen den Sand geschleudert wurde, welcher den Meeresboden bildete. Als sie schon dachte, die Luft nicht länger anhalten zu können, tauchte sie wieder an die Oberfläche. Wieder blitzte ein Bild in ihrer Erinnerung auf, doch es verging zu schnell um es halten zu können.

Eine Hand griff nach ihr und zog sie noch weiter ins Wasser. Serenity warf einen Blick ans Ufer zurück und sah, dass die Berittenen angehalten hatten. Selbst diejenigen, die so tapfer gewesen waren, in die Fluten hineinzureiten, wurden nun zurückgetrieben, denn die Brandung umtoste das felsige Ufer und ließ hohe Gischtfontänen in die Luft steigen.

„Das Boot...“

„Da draußen!“

Für einen Moment spürte sie Panik in sich aufsteigen, doch dann schwamm sie tapfer weiter, während Endymion stets an ihrer Seite blieb. Eine riesige Welle begrub sie unter sich, dann wurde sie wieder an die Oberfläche getragen, und Endymion war neben ihr und rief ihr Ermutigen zu.

Als sie das Boot endlich erreichte, fühlte Serenity sich völlig erschöpft. Starke Hände fassten sie bei den Armen. Der Fischer und Jedite zogen sie in den Kahn.

Nachdem sich Endymion über die Bordwand gehievt hatte, streichelte er Serenity, die kraftlos und schwer atmend auf den Planken lag.

„Gut gemacht, Sera.“

Eine Riesenwoge hob den winzigen Kahn in die Höhe, der auf dem Wellenkamm ritt, ehe er Hunderte von Fuß ins Tal hinabtauchte. Eine Weile schaukelte er sanft an der Oberfläche, bis er erneut von einer Woge erfasst und wie ein Spielzeug hin und her geschleudert wurde.

Endymion warf einen Blick auf Serenitys bleiches Gesicht, tauchte einen Lappen ins Wasser und hielt ihn an ihre heiße Stirn.

„Das geht vorüber.“

Obwohl ihr äußerst elend zu Mute war erklärte sie zornig.

„Wenn Ihr das nächste Mal eine Reise plant, würde ich es vorziehen, in einen Ponykarren zu sitzen“ fauchte sie zwischen zwei Übelkeitsanfällen.

Endymions Augen funkelten vor Vergnügen. Selbst in Zeiten, in denen es ihr schlecht ging, behielt Sera mit Sicherheit das letzte Wort.
 


 

byby Blacklady^^

Auf offener See

Als der Kahn die zerklüftete Insel Arran erreichte, fing es zu regnen an. Der Himmel wurde dunkel, und ein Unwetter kam auf. Die vom Sturm gepeitschten Wogen schlugen gegen das Ufer.

Der Fischer steuerte das kleine Boot zwischen große und kleine Felsbrocken hindurch. Endymion und Jedite sprangen über die Bordkante und halfen dabei, es zu vertauen. Serenity konnte nur liegen bleiben und dabei zusehen, denn die Seekrankheit hatte sie völlig kraftlos gemacht.

Als der Kahn schließlich vor Anker lag, ließ sich dessen Eigner von Endymon die Fahrt bezahlen. Weil er zum Festland zurück wollte, drehte er sich zu Serenity um.

„Könnt Ihr aufstehen?“ Sie nickte und versuchte es, doch die Beine trugen sie nicht. Endymion, der das sah, hob sie sich auf die Arme. Durch das flache Wasser watete er mit ihr ans Ufer, wo er sie ins Gras legte und sich danach an Jedite wandte.

„Bleib bei ihr. Ich komme zurück, sobald ich ein anderes Schiff habe, das uns nach Elysion bringen kann.“

„Und was ist mit Essen und Unterstand? Sera schaut aus, als hätte sie beides nötig.“ Endymion warf rasch einen Blick auf sie und guckte dann seinen Freund an. Um Serenity weiteres Unbehagen zu ersparen, sprach er nur ganz leise.

„Das brauchen wir alle, Sera ganz besonders. Doch die Soldaten, die uns verfolgen, werden bald hier sein. Wir dürfen uns hier nicht sehr lange aufhalten, sondern müssen umgehend nach Elysion in See stechen.“

„Bei diesem Unwetter?“ Endymion war natürlich aufgefallen, in welchem Zustand Serenity sich befand. Und es gefiel ihm durchaus nicht. Sie besaß jetzt nicht die Kraft, auch nur ihren Arm zu heben, geschweige denn, einen schweren Säbel. Doch dagegen ließ sich nichts machen. Sie waren hier nicht sicher.

„Wir werden aufbrechen, sobald ich ein Schiff sowie einen Fischer finde, der bereit ist, es zu segeln. Behalte das Ufer im Auge. Sobald du ein Boot siehst, welches vom Festland kommt, bringe Sera in Sicherheit und benachrichtige mich.“ Jedite nickte.
 

Nachdem Endymion gegangen war, kniete sich der Blonde neben Serenity, deren Zähne heftig klapperten.

„Kommt, Sera.“ Jedite trug sie in eine kleine Höhle. Als sie nicht mehr dem Unwetter ausgesetzt war, wickelte er sie in seinen Umhang. Danach sammelte er abgebrochene Zweige uns Äste vom Boden auf. Bald hatte er genug Brennmaterial zusammen.

Er schichtete es in der Höhle aufeinander und entzündete es. Binnen kurzem zitterte Serenity nicht mehr, obgleich ihr Gesicht noch immer fahl und bleich wirkte.

Über dem dunklen Himmel zogen weiterhin dicke Gewitterwolken.

Als plötzlich ein Blitz zuckte, packte Serenity Jedites Arm und deutete mit der anderen Hand zum Ufer.

„Um Himmels willen!“

Jedite drehte sich rasch um und spähte in die Dunkelheit.

„Was ist, Sera? Was habt Ihr gesehen?“

„Unsere Verfolger! Sie haben das Ufer erreicht.“ Serenity hob eine Hand voll Sand auf und erstickte damit das Feuer.

„Seid Ihr sicher? Habt Ihr sie erkannt?“

„Gewiss, es besteht keinen Zweifel.“ Einen Moment schwieg Jedite.

„Die Dunkelheit kann sich sowohl zu unseren als auch zu deren Gunsten auswirken“, flüsterte er dann.

„Falls sie unser Feuer nicht schon entdeckt haben, können sie nicht wissen, das wir uns hier befinden.“

„Das stimmt.“ Er reichte ihr die Hand.

„Könnt Ihr aufstehen?“

„Wenn Ihr mir dabei helft.“

Sie ergriff seine ausgestreckten Hände und ließ sich von ihm hochziehen. Im prasselnden Regen stolperten sie zwischen Felsbrocken voran und hofften, das ihnen die Flucht gelang, bevor der nächste Blitzschlag sie für jedermann sichtbar werden ließ.

Sie liefen in die Richtung, welche Endymion eingeschlagen hatte, und gelangten bald zu einem kleinen Fischerdorf. Dort folgten sie einem schmalen Pfad und kamen schließlich zu einem Wirtshaus.

Drinnen vertrieb ein munteres Feuer die trübe Stimmung des Unwetters. Auf dem Tisch in einer Ecke brannte eine Kerze. Zwei Männer hatten dort die Köpfe zusammengesteckt und waren offenbar in ein Gespräch vertieft. Eine junge Schrankmagd stand hinter einem der Männer und hatte ihm recht vertraulich die Hand über die Schulter gelegt.

Nachdem sich ihre Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt hatten, sahen Jedite und Serenity, dass die drei aufschauten und zur Tür blickten. Erst jetzt erkannten sie, dass es sich bei einem der Männer – es war derjenige, auf dessen Schulter der Arm des Mädchens lag – um Endymion handelte.

Dieser warf Jedite jetzt einen verärgerten Blick zu.

„Weshalb seid ihr beide hergekommen?“

„Wir...“ Jedite schluckte. Er überlegte, wie viel er vor diesen Fremden preisgeben konnte.

„Wir hatten doch abgemacht, dass wir... wenn wir vor dem Unwetter fliehen müssten, dich holen kommen sollen. Endymion, wir sollten von hier verschwinden.“

„Du magst ruhig frei reden. Ich habe diesen guten Leuten bereits die Wahrheit gesagt. Sie wissen schon, das wir Abgesandte der Königin sind, die uns auftrug, demjenigen ein Vermögen zu zahlen, der uns bei unserem Anliegen hilft.“

Jedite merkte, dass er rot anlief. Offenbar hatte Endymion sich eine Geschichte ausgedacht, um ein Boot zu erhalten. Allerdings lag es Jedite nicht, zu lügen. Auch wenn es sich dabei nur um die Verdrehung der Wahrheit handelte. Seine Wangen wurden immer heißer.

„Die Königin...Das Vermögen...“

Serenity schätzte die Lage schnell und richtig ein.

„Wir müssen auf der Stelle diesen Ort hier verlassen, denn sonst wäre alles verloren.“

Ensymion betrachtete Sererenity, die mit ihrer nassen Männerkleidung und den tropfenden Haaren, wie eine heimatlose Streunerin aussah.

Er bemerkten, wie sie die Schrankmagd anschaute, und wünschte sich nur, er könnte die Situation irgendwie erklären, doch dazu blieb jetzt keine Zeit. Sera würde einfach bei der Scharade mitmachen müssen.

„Kapitän Lachlan“, stellte Endymion vor. „Mein Bruder Jedite und meine Schwester Sera.“

Schwester? Serenity guckte ihn verblüfft an. Welches Spielchen trieb Endymion hier eigentlich?

„Der Kapitän versprach, uns auf unserer Geheimmission für die Königin über das Meer nach Elysion zu bringen“, fuhr er fort. Er drehte sich zu dem Mädchen um. Das ihm den Arm jetzt besitzergreifend um die Taille legte.

„Und das ist Nola, des Kapitäns reizendes Töchterlein.“

Die Schrankmagd würdigte Serenity und Jedite kaum eines Blickes, sondern wandte sich sogleich Endymion zu.

„Es war sehr gütig von Euch, den Schatz der Königin mit uns zu teilen. Doch ihr dürft meinen Vater nicht bitten, Euch in einer solchen Nacht zu helfen.

Ich empfehle Euch dringend, seinen Rat zu beherzigen und hier zu übernachten. Morgen früh wird das Unwetter abgezogen sein, und Ihr könnt Euch ausgeruht auf Eure Reise begeben. Im Übrigen wäre es mir eine Ehre, Euch in unserem bescheiden Gasthaus beherbergen zu dürfen.“ Mit ihren Fingern strich sie verführerisch durch das Haar in Endymions Nacken.

Serenity betrachtete die junge Frau mit dem scharlachroten Gewand, welches ihre schmale Taille sowie den üppigen Busen perfekt zur Geltung brachte. Dann warf sie einen kurzen Blick auf ihren eigenen, rauen Uniformrock sowie die Kniehosen und merkte, dass daraus Regenwasser auf den Fußboden tropfte. Sie spürte Zorn in sich aufsteigen und noch ein anderes, tieferes Gefühl, welches sie indes nicht zu benennen wusste.

„Vielleicht sollest du ja der Empfehlung der jungen Dame folgen, Bruder, und in diesem Gasthaus ein Quartier nehmen, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen, statt unter dem Felsgestein, wo du uns zurückließest“, fauchte sie ihn an.

Bei Endymions grimmiger Miene wäre Jedite beinahe in Lachen ausgebrochen. Sera kam ihm jetzt wie eine Raubkatze vor, die ihre Krallen zeigte.

Endymion, der sich rasch wieder unter Kontrolle hatte, wandte sich dem Kapitän und dessen Tochter zu.

„Ich fürchte, bis das Unwetter abgezogen ist, können wir nicht warten. Falls Ihr uns nicht sofort über das Meer bringen könnt, sehen wir uns leider gezwungen ein anderes Schiff zu suchen.“

„Es ist mir durchaus nicht recht, heute Nacht noch auf die aufgewühlte See hinauszufahren“, erklärte der Kapitän bedächtig. „Doch das Vermögen der Königin ist ein lohnendes Ziel, dem ich nicht zu wiederstehen vermag.“

„Wie bald können wir also in See stechen?“ wollte Endymion wissen.

„Sobald Ihr, der Bursche und die junge Dame gespeist habt.“

Endymion bedachte die Tochter des Kapitäns mit einem charmanten Lächeln und hob ihre Hand an die Lippen.

„Ich bedauere, dass mir nicht einmal die Zeit zum Speisen bleibt“, flüsterte er. „Doch wenn du uns vielleicht etwas für die Reise zubereiten und mitgeben könnest, werde ich der Königin von deiner Freundlichkeit berichten. Möglicherweise kann ich sogar eines Tages zurückkehren und dir selbst angemessen danken.“

„Ich werde Euch beim Wort nehmen, Mylord.“ Nolas Gesicht strahlte, und sie lächelte verführerisch.

„Pack Speisen und Bier ein!“ rief ihr Vater ihr nach, als sie den Raum verlassen wollte.

„Und auch ein paar Schafsfelle. Es ist eine üble Nacht zum Hinausfahren.“

„Jawohl, Vater.“

Kurze Zeit danach ging der Kapitän voraus. Das Schiff war mindestens doppelt so groß wie der kleine Kahn, mit dem sie nach Arran gekommen waren. Serenity warf einen Blick auf die aufgewühlte See und schauderte. Der Gedanke an das bevorstehende Unternehmen versetzte sie in Angst und Schrecken.

Während man ihr an Bord half, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie Nola sich an Endymion klammerte, bevor sie ihm eine sichere Überfahrt wünschte. Der Mann ist doch ein Halunke, dachte Serenity. Er tändelt geradezu schamlos mit der Tochter des Kapitäns!

Serenity ließ sich auf die stabile Planke sinken und schloss die Augen in der Hoffnung, ihr würde nicht noch einmal so übel werden. Noch nie im ganzen Leben war ihr derart elend zu Mute gewesen. Das liegt ja nur an der Seekrankheit, redete sie sich ein, und nicht etwa an diesem fürchterlichen Mann und den merkwürdigen Empfindungen, die er in ihr weckte...
 

In den Gemächern von Sailor Jupiter herrschte ein angespannte Stimmung. Die drei Frauen standen sich gegenüber, sie alle trugen bereits ihre Reisekleidung, doch niemand von ihnen wagte die anhaltende Stille als erste zu durchbrechen. Schon in kürze würde jede von ihnen, zu ihrem Heimatplaneten aufbrechen und dann würden sie sich erst auf dem Schlachtfeld wiedersehen. Es war das erste mal seit ihrem kennen lernen, das sie für längere Zeit von einander getrennt waren und jede der Mädchen wollte den Moment des Abschiedes so lange wie möglich hinaus zögern.

„Und was werdet ihr tun, wenn diese Sache hier vorbei ist?“ Merkur und Mars grinsten leicht, über Jupiters unbeholfenen Versuch die Anspannung zu lösen.

„Also, ich schau immer auf die Sonnseite“, erklärte Mars gut gelaunt.

„Vielleicht ist zwischen all diesen Kriegern ja mein Traummann.“ Sie grinste die beiden Katzen an, die es sich auf dem großen Bett gemütlich gemacht hatten, drehte sich um und ging zu Tür. Jupiter und Merkur beeilten sich, sie einzuholen.

„Das ist ein verdammt guter Plan“, stimmte Jupiter zu. „Es gibt bestimmt eine Menge süßer Typen dort.“

„Also ich weiß nicht, wollt ihr sie den einfach ansprechen?“ fragte Merkur schüchtern.

Mars erwog den Vorschlag mit einem Achselzucken.

„Ich würde eher den lautlosen Versuch vorziehen. Zum Beispiel ihm das Leben retten.“

Der weiße Kater schüttelte den Kopf, als er ihnen nachsah. Er blickte zu Luna, die neben ihm lag.

„Das Reich ist dem Untergang geweiht“, seufzte er.
 

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und in seinem Licht entdeckte Serenity eine große Anzahl Männer, die am Felsufer entlang und auf das Boot zuliefen. Serenity schaute auf Endymion und merkte an dessen verbissen Miene, dass er die Leute ebenfalls gesehen hatte. Er rief Jedite und dem Kapitän etwas zu, und die drei stemmten sich gegen die Bootswand. Das Schiff schrammte über den sandigen Untergrund, erwischte dann eine Welle und war flott.

Die Männer kletterten an Bord, und die nächsten Wellen trugen das Schiff weit hinaus auf das Meer.

Serenity spähte durch die Dunkelheit, vermochte indes die Gestalten am Ufer nicht mehr auszumachen.

Was würde Nola wohl sagen, wenn sie erfuhr, dass die Gesandten der Königin entflohende Verbrecher waren? Und was würden die Soldaten tun? Würden sie endlich die Jagd aufgeben? Oder würden sie ihnen über das Wasser zu Endymions Land folgen?

Serenity merkte, dass das Boot von einer Riesenwelle erfasst wurde und auf deren Kamm ritt. Plötzlich stürzte es in die Tiefe und fiel, bis die nächste Woge es wieder in die Höhe hob. In einem Anfall von fiel Serenity auf die Knie und kroch zum Schiffsbug, wo ein kleiner provisorischer Unterstand Schutz gegen das Unwetter bot. Darunter kauerte sie sich zusammen und wickelte sich in das warme Schafsfell.

Jedes Mal, wenn das Boot auf einer neuerlichen Welle ritt, stand Serenity wieder ein Brechanfall bevor, doch es gelang ihr immer wieder, diese Übelkeit zu unterdrücken. Sie war fest entschlossen, gegen dieses schreckliche Gefühl anzugehen.

Nachdem sie eine knappe Stunde auf See gewesen waren, brach das Unwetter erst richtig los. Donner krachte mit ohrenbetäubender Gewalt, Blitze tanzten über das Wasser. Wind und Wogen warfen das Boot herum, als wäre es eine Nussschale.

Serenity kauerte sich in einer Ecke zusammen. Die Übelkeit ließ sich nicht mehr unterdrücken. Schließlich warf sie das Schafsfell ab, stand auf und schwankte zur Bordwand, um sich dort zu übergeben.

„Nicht, Sera!“ Endymion ließ den Riemen fallen, um zu ihr zu eilen, doch der Sturm zerfetzte seine Worte. Während er zu Serenity lief, sah er, wie sie sich über die Bordwand beugte. Im selben Moment klatschte eine Welle über den Bug und spülte Serenity über Bord. Der Kapitän und Jedite, die alles mit angesehen hatten, rannten zur Reling.

„Ein Seil!“ brüllte Endymion gegen den Sturm an. „Ich brauche ein Seil!“

Der Kapitän mühte sich mit einer Seilrolle ab, bis er endlich ein Ende davon frei hatte, das sich Endymion dann um die Taille band. Einen Augenblick stemmte er sich gegen den Wind und stürzte sich dann in die eisigen Fluten.

Endymion packte Serenity und zog sich mit ihr an der Leine langsam bis dicht an das Boot heran. Serenity sah, wie viel Kraft ihn der Kampf gegen die Naturgewalten kostete, doch obschon sein Gesicht schmerzverzerrt war, ließ er nicht nach in seiner Anstrengung.

„Gleich hast du es geschafft, Endymion.“ Jedites Stimme schallte über die tosende See.

Erneut blitzte es, und die beiden Männer auf dem Schiff waren kurz deutlich zu sehen. Sie waren dabei, die Leine einzuholen, welche die einzige Verbindung zu der Frau und dem Mann im Wasser darstellte.

Die Männer zogen zuerst Serenity und dann Endymion am Seil hoch. Anschließend rief der Kapitän Jedite zu.

„An die Riemen! Ich werde die Ruder bedienen.“ Und so gelang es ihnen, das Boot auf Kurs zu halten.

Endymion und Serenity lagen in dem kleinen Unterstand am Bug des Schiffes und sogen tief die Luft ein. Als ihre Atmung wieder normal ging, kauerten sie sich unter dem Schafsfell zusammen, um sich warm zu halten.

Das Unwetter dauerte an, doch für wenige Momente vergaßen Serenity und Endymion die eigenen Bedürfnisse, denn für sie zählte jetzt nur noch der andere.

„Was Ihr tatet, war sehr töricht.“ Man hörte Endymions Stimme die innere Bewegung an.

„Ich fürchtete ernsthaft, Ihr wärt für alle Zeiten verloren.“

„Hätte das denn etwas ausgemacht, Endymion?“ Sie vermochte kaum zu reden und Tränen traten ihr in die Augen.

„Eure Reise wäre doch einfacher gewesen, wenn Ihr Euch nicht um noch einen weiteren Menschen hättet sorgen müssen.“

„Das Stimmt.“ Der Schwarzhaarige lag sehr still neben ihr und hatte die Arme um sie gelegt. „Mir scheint, ich sorge mich viel zu sehr um Euch, Sera. Und ich denke auch zu viel an Euch.“

Nach und nach zog er sie dichter an sich und berührte mit den Lippen das wirre Haar an ihrer Schläfe.

„Gewöhnlich spüre ich weder Furcht noch Besorgnis, doch irgendetwas an Euch erschreckt mich, Sera. Ihr seid zu kühn, zu tapfer, zu eigensinnig. Und obwohl mir klar ist, dass Ihr für Euch selbst sorgen könnt, verspüre ich dieses eigenartige Verlangen, Euch zu beschützen.“

„Dennoch hättet Ihr mir nicht hinterher springen sollen.“ Sie hatte keine Ahnung, weshalb sie auf einmal schluchzte. Endymion zog sie jetzt eng an sich.

„Und weshalb nicht?“

„Weil Ihr beinahe Euer Leben verloren hättet.“

„Und Euch hätte das etwas ausgemacht, Sera?“ flüsterte er zärtlich.

„Durchaus.“ Ihre Tränen flossen jetzt heftiger, und sie schämte sich vor Endymion für ihre Schwäche.

„Ach Sera, was soll ich nur mit Euch machen?“ Seufzend drückte er sie an sich. Während sie weinte, bedeckte er ihre Schläfe und ihre Lider mit zärtlichen Küssen, schmeckte das Salz ihrer Tränen. Nun ließ er den Mund tiefer über ihre Wange bis zur Nasenspitze gleiten und fand endlich zu ihren Lippen, die ihn schon heiß ersehnten.

Zuerst bewegte sich sein Mund nur ganz leicht über ihrem. Während sein Verlangen jedoch immer mehr wuchs, verstärkte sich der Druck auf ihre Lippen. Das ist gefährlich, dachte er. Diese rätselhafte Frau, die sich weder an ihren Namen noch an ihre Vergangenheit erinnerte, war anders als die Frauen, die er bisher gekannt hatte.

Sera war weich und verletzlich, doch unter dieser Verletzlichkeit lag große Stärke. Dieser Frau wiederstrebte es genauso wie ihm, sich den Empfindungen hinzugeben, die zwischen ihnen beiden aufbrandeten.

Serenity kämpfte gegen die Gefühle an, die sie durchfluteten und ihr Blut erhitzten. Merkwürdige, unbekannte Empfindungen pulsierten durch sie und breiteten sich tief in ihrem Inneren aus. Der erste Kuss hatte sie nicht auf die Gefühle vorbereitet, die immer stärker wurden, bis sie ihren Willen zu besiegen drohten.

Du lieber Himmel, was geschah nur mit ihr? Wie kam es, dass Endymions Liebkostung eine solche Macht über sie aus zu üben vermochten? Serenity seufzte leise vor Erregung.

Endymion ermahnte sich, dieses sinnliche Spiel zu beenden. Doch nicht jetzt, noch nicht. Und während sich sein Mund über ihrem bewegte, vergaß er alles außer der Frau in seinen Armen.

Er schob die Hände unter ihre nasse Kleidung, um ihre Haut zu berühren. Serenity erstarrte einen Moment, doch dann presste sie sich an ihn, und als er sie leise glückselig seufzen hörte, war es um ihn geschehen. Sie hauchte seinen Namen an seinen Lippen, und er hatte das Gefühl, als würde ihm vor Freude das Herz zerspringen.

Getrieben von einer verzweifelten Leidenschaft, küsste er Serenity nun mit einer Wildheit, die sie erschreckte und zugleich erregte.

Eine innere Stimme warnte sie vor dem Kommenden, doch Endymion Lippen und Hände ließen sie so lustvoll erschauern, das sie nicht mehr klar zu denken vermochte.

Schwer atmend hob er den Kopf. Das Verlangen nach Serenity drohte ihn zu überwältigen.

Ein wenig unbeholfen setzte sie sich auf. Das Blut war ihr in die Wangen gestiegen, und ihre Hände zitterten leicht.

Tränen stiegen ihr in die Augen, ohne das sie den Grund dafür erklären konnte.

Zärtlich legte ihr Endymion einen Finger an die Wange.

„Noch mehr Tränen?“ Er stütze sich auf einem Ellbogen auf und betrachtete sie. Sie weinte jetzt hemmungslos und zwischendurch schluchzte sie heftig.

„Was habt Ihr denn, Sera? Was bereitet Euch denn solchen heftigen Kummer?“

„Ihr könnt ja meine düstersten Gedanken nicht lesen“, brachte sie schluchzend hervor.

„Wäret Ihr dazu imstande, hättet Ihr niemals Euer Leben aufs Spiel gesetzt, um meines zu retten.“

Dieses seltsame Mädchen war wirklich eine echte Prüfung für seine Geduld.

„Ihr sprecht in Rätseln, Sera.“

Sie hob die Stimme. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Regenwasser, das ihr übers Gesicht lief.

„Ihr wollt wissen, was mir Kummer bereitet? Ihr! Ihr selbst seid es, der mir Kummer bereitet Endymion!“ Sie wandte sich von ihm ab.

„Ihr ließt Jedite und mich bei diesem Unwetter zurück, während Ihr selbst im warmen Gasthaus saßt und der Tochter des Kapitäns schöne Augen machtet.“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Und das ist alles?“ Jetzt lachte er laut und schalkhaft. „Nun, ich schulde dem Kapitänstöchterlein etwas.“ Seine Augen leuchteten warm. „Ihr seid ja richtig eifersüchtig auf Nola!“

„Eifersüchtig!“ Serenity versetzte ihm einen Stoß. „Ich bin nicht eifersüchtig auf eine Schrankmagd, Endymion! Wütend bin ich! Wütend, dass ich...“ Sie merkte das ihre Wangen heiß waren, und zwang sich weiter zu reden.

„...einem Mann wie Euch erlaubt habe, sich mir gegenüber Freiheiten heraus zu nehmen.“

„Freiheiten?“ Endymion hatte Mühe, sich das Lächeln zu verkneifen. Wäre Sera nicht so außer sich, würde er sie jetzt necken.

„Sera, hört mich an.“ Er sprach so leise, dass der Kapitän es nicht hören konnte.

„Ich wusste, dass ein Fremder auf der Insel Nola faszinieren würde. Und ich tat so, als wäre ich ebenfalls von ihr beeindruckt. So konnte ich ihrem Vater überreden, uns über das Meer zu bringen. Das Mädchen bedeutet mir nichts. Es war mir nur nützlich bei unserer Flucht.“

„Lächelt Ihr immer so charmant, um zu erreichen, was Ihr wollt?“

Jetzt machte er ein ernstes Gesicht. Er war nicht besonderst stolz auf das, was er getan hatte. „Jawohl.“

„Dann muss ich davon ausgehen, dass Ihr bei mir genauso vorgeht, Endymion. Als Ihr mich küsstet, verfolgtet ihr womöglich nur ein Ziel: mich gefügig zu machen, um so leichtes Spiel mit mir zu haben.“

„Verdammt noch mal.“ Endymion packte sie bei den Oberarmen und zog sie rau an sich, bis ihr und sein Gesicht nur noch ein paar Fingerbreit voneinander entfernt waren. Er blickte ihr tief in die Augen und redete jetzt ebenso aufgebracht wie sie, obschon er vor Verlangen nach ihr bebte.

„Ich lasse mich nicht verhören wie ein Jüngling! Ich entschuldige mich auch nicht wegen der Kapitänstochter. Um vor den Henkersknechten zu fliehen, würde ich alles Mögliche tun. Ich würde sogar töten, wenn ich dadurch der Hölle eines Gefängnisses entfliehen könnte. Bei allem was mir heilig ist – ich schwöre, dass ich als freier Mann nach Elysion zurückkehre“, setzte er mit Nachdruck hinzu.

Lange schauten sie einander schweigend an. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt.

„Und was den Kuss betrifft...“ Endymion atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen.

Sie war bestürzt über das Ausmaß seines Zorns.

„Ich nehme an, Ihr erwartet eine Entschuldigung dafür, dass ich mich einen Moment lang meiner Leidenschaft hingeben habe“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Doch eine solche Entschuldigung werdet Ihr von mir nicht hören, Sera!“

Damit verließ er sie und nahm einen Riemen auf.

Serenity guckte ihm ratlos hinterher. Seine Worte hallten noch immer in ihr nach. Ja, Endymion war ein leidenschaftlicher Mann, nicht nur wenn es um die fleischliche Lust ging. Doch nachdem sie jetzt wusste, wie sehr er die Schwäche, die Kontrolle über sich zu verlieren, an sich verachtete, erschien ihr dieser Kuss um so herrlicher.

Serenity wickelte sich in das Schafsfell, kauerte sich erneut in eine Ecke des Bootes und versuchte das Heulen des Sturms nicht wahrzunehmen. Dieser Sturm war ohnehin nichts im vergleich zu dem Sturm, der in ihrem Herzen wütete.
 


 

byby Blacklady^^

Kleine Geheimnisse

Eine alte Frau, deren Gesicht sie nicht zu erkennen vermochte, wiegte Serenity in den Armen. Dabei sprach sie zu ihr: „Du darfst dich nicht deinen Stimmungen hingeben, Kind. Dein Temperament ist ebenso aufbrausend wie das deines Vaters. Für ein Mädchen gehört es sich nicht, so zu fluchen. Nimm dir deine sanfte Mutter zum Vorbild. Sie ist eine wirkliche Lady, und das wirst du auch einmal sein, wenn du erwachsen bist. Gib deiner alten Amme Grund, stolz auf dich zu sein, Kind. Bemühe dich noch mehr. Tu´s für die alte Morna.“

Die Frau wiegte Serenity weiter hin und her und summte dabei ein Lied.

Die Stimme wurde immer leiser, bis sie sich wie das Seufzen des Windes anhörte. Doch der Name blieb. Alte Morna. Alte Morna...

Sanft spielte der Wind mit Serenitys Haar. Sie öffnete die Augen.

Im ersten Moment hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand, doch bei der leichten schaukelnden Bewegung wusste sie es dann wieder.

Sie befand sich auf dem Boot, welches das Meer überquerte, über sich ein wolkenloser Himmel und warmer Sonnenschein auf ihrem Gesicht. Irgendwann in der Nacht hatte sich das Unwetter verzogen.

Morna. Erste Erinnerungen blitzten in ihr auf. Nun kannte sie außer ihrem eigenen noch einen weiteren Namen: Morna. Die alte Morna. Doch wer war das? Eine ältere Tante oder Base? Eine Dienerin? Ach, egal. Irgendwann würde sie es wissen. Davon war sie jetzt überzeugt.

Serenity blickte sich um. Die Anderen schliefen. Dem Kapitän war es gelungen, das Schiff zum Land zu steuern. Es dümpelte in Küstennähe auf dem Wasser. Der Kapitän hatte den Anker ausgeworfen, bevor er sich, von der nächtlichen Überfahrt völlig erschöpft, bei der Ruderpinne schlafen gelegt hatte. Jedite hatte sich ausgesteckt, den Riemen hielt er noch in der Hand. Endymion war als Einziger wach. Gegen die Reling gelehnt, schaute er zur felsigen Küste hinüber.

Serenity stand auf und guckte ebenfalls zum Land hinüber. Lange, felsige Finger schienen bis weit in den Ozean zu reichen. Der Strand war übersät mit Felsbrocken. Dahinter erhoben sich sanft ansteigende grüne Hügel mit strohgedeckten Katen. Hier und da grasten Schafe. Es sah nicht viel anders aus als die Gegend, welche sie grade hinter sich gelassen hatten. Meine Heimat, dachte sie traurig. Wo mag sie sich wohl befinden?

Als Endymion bemerkte, dass sie wach war, kam er zu ihr, vermied es jedoch sorgsam, sie zu berühren.

„Willkommen in Elysion, Sera.“ Sie wandte sich ihm zu.

„Befindet sich Eure Heimstatt weit von hier?“

„Nicht sehr weit – sie ist nur einen Tagesmarsch entfernt.“

„Sollen wir Jedite wecken?“ Endymion warf einen Blick auf den schlafenden Blonden.

„Nein, Jedite mag ruhig noch weiterschlafen. Die Überfahrt hat ihn doch sehr mitgenommen.“ Er streckte ihr die Hand entgegen.

„Kommt, Sera. Ich kann es kaum erwarten, meinen Fuß auf heimischen Boden zu setzten.“

Sie ergriff die Hand und spürte wieder die Kraft, die in seinem Griff lag. Sogleich erinnerte sie sich an den Kuss in der vergangenen Nacht und errötete tief.

Zusammen stiegen sie von Bord, wateten durch die schäumende Brandung und stiegen über Felsbrocken, bis sie endlich auf trockenen Boden standen.

„Ach, wie das duftet! Wie sich das anfühlt!“ Endymion wandte das Gesicht zur Sonne und atmete tief ein.

„Den Duft meiner Heimat trug ich während all der langen Wochen im Kerker stets in meinem Herzen.“

„Fürchtet Ihr nicht, Eure Heimat niemals wieder zu sehen?“

„Nein, nie. Die Kerkermauer waren nicht dick genug, um mich von hier fern zu halten. Ich wusste immer, dass ich eines Tages nach Elysion zurückkehren würde.“

Die Liebe zu seiner Heimat verstand Serenity und vermochte sie mit ihm zu teilen. Obgleich ihr eigenes Land in weiter Ferne lag, wusste sie doch, dass sie eines Tages wieder sehen würde, und das ließ sie sich auch von niemanden ausreden.

Endymion und sie hörten, dass die anderen beiden ebenfalls aufgewacht waren. Jedite schwang sich grade über die Reling und watete zu ihnen.

„Sind wir tatsächlich daheim, Endymion?“

„Ja, das sind wir.“ Jedite seufzte erleichtert.

„Endlich haben wir diese entsetzliche Reise hinter uns gebracht. Ich befürchtete schon, dem Unwetter würde gelingen, was Fleet und Henkersknechte nicht geschafft haben.“

Als der Kapitän zu ihnen hinunterschaute, kam Serenity plötzlich ein Gedanke.

„Was geschieht eigentlich, wenn Kapitän Lachlan merkt, dass Ihr beide keineswegs Gesandte der Königin seid und es überhaupt keinen Schatz gibt?“

Endymion klopfte auf den Beutel, der an seiner Taille baumelte.

„Der gute Kapitän hat sein Gold verdient. Und was den Rest meiner Geschichte angeht“, fügte er mit einem unschuldigen lächeln hinzu, „so war sie nicht ganz gelogen.“

„Was wollt Ihr damit sagen?“ als sie ihn verwirrt anschaute, wechselte Endymion einen raschen Blick mit Jedite, der ihm aufmunternd zunickte. Es wurde Zeit, ihr endlich die Wahrheit zusagen.

„Nun Sera, im gewissen Sinne, sind Jedite und ich sehr wohl abgesandte der Königin, nur etwas anders als ihr vielleicht glaubt“, erklärte Endymion zögerlich. „Nun so anders vielleicht auch nicht, aber...“, er seufzte und führ sich mit einer Hand durch sein schwarzes Haar. Das alles war viel schwerer als er es erwartet hatte. „Also, was ich eigentlich damit sagen will, ist...“

„Was Endymion euch zu erklären versucht, Sera ist: Das er eigentlich der Prinz der Erde ist und ich einer seiner Generäle.“

Endymion schlug entsetzt eine Hand gegen die Stirn und schüttelte den Kopf, bevor er die Hand wieder sinken ließ und seinen Freund finster Anblickte. Musste Jedite den so mit der Tür ins Haus fallen? Doch sein Freund lächelte ihn nur unschuldig an und zuckte mit den Schultern.

Ganz langsam blickte Endymion in Serenitys Gesicht. Sie hatte bis jetzt kein Ton gesagt, was dem Schwarzhaarigen noch schlimmer erschien, als alles andere, was man in einer solchen Situation erwarten würde.
 

Die Gestalt, die in einem Umhang gehüllt, in einer dunklen Ecke des Gasthofs saß, blickte auf, als mehrer Soldaten den Raum betraten. Sie ließen sich an einem Tisch nahe des warmen Kamins nieder und orderten Humpen mit Bier, bevor sie die Köpfe zusammen steckten.

Die Gestalt wandte den Blick wieder ab und spielte Desinteresse vor, doch in Wirklichkeit lies sie die Männer keinen einzigen Moment aus den Augen.

Zum Glück war der Gasthof nicht besonders gut besucht und trotz der Vorsicht der Soldaten drangen einige Gesprächs fetzten zu ihr herüber.

Wie es aussah, hatten die Soldaten den Befehl zwei entflohene Gefangene wieder einzufangen, doch bis jetzt ohne Erfolg.

Als das Gespräch auf eine blonde Frau, die in Begleitung dieser Verbrecher war viel, horchte die Gestalt auf.

Ihre Finger umspannten den Griff ihres Humpen fester, als die Soldaten anfingen wüste Beschimpfungen auszustoßen und darunter waren Hure und Schlappe noch die harmlosesten. Zähneknirschend, schob die Gestalt die Kapuze ihres Umhangs zurück.

Vielleicht war es dumm von ihr, das Schicksal herausfordern zu wollen, doch sie hatte sich noch nie vor einem Gegner versteckt.

Venus blonde Haare fielen in leichten Wellen über ihren Rücken, als sie aufstand und das Heft ihres Schwertes funkelte im schein des Feuers.

Die Soldaten verstummten und blickten zu ihr auf, als sie direkt vor ihrem Tisch stehen blieb.

„Gibt es irgendein Problem, meine Liebe“ der Soldat der ihr am nächsten saß, grinste sie an und enthüllte dabei seine gelben Zähne. Unter seinem Gürtel erkannte Venus eine Peitsche. Es war kein andere als Whip.

„Das kommt ganz darauf an“ sie lehnte sich weiter zu ihm vor und unterdrückte das würgen, das bei seinem Gestank ungewollt in ihr hoch stieg.

„Ich suche ein Mädchen, vielleicht habt ihr sie ja gesehen“ die Soldaten wechselten rasche Seitenblicke untereinander, dann sahen sie Venus an.

„Ist sie eine Freundin von dir?“

„Kann man so sagen“

„Wie sieht sie denn aus? Vielleicht können wir dir ja wirklich helfen“ Venus tat so, als bemerke sie den lüsternen Blick, der über ihren Körper wanderte gar nicht.

„Sie ist Blond, ungefähr so groß wie ich und hat blaue Augen“

„Es gibt hier eine menge Weiber die so aussehen“

„Das stimmt“ sagte Venus lächelt „doch nicht sehr viele, sind in der Lage euch den Arsch auf zu reisen“ sie lies ihren Blick über die Männer schweifen, denen man noch deutlich die Spuren des letzten Gefechts ansah, „und genau das hat sie mit euch getan, nehme ich mal an“ grinste sie.

Whip sprang wütend auf, doch eine scharfe Klinge an seiner Kehle, zwang ihn jedoch, sich sofort wieder zu setzen.

„An deiner Stelle würde ich ganz ruhig bleiben und das gleiche gilt für deine Männer, ansonsten könnte es passieren, das mein Dolch deine Kehle aufschlitzt und das wollen wir doch nicht“ das gefährliche Glitzern, das in ihren Augen lag, veranlasste Whip nur leicht mit dem Kopf zu schütteln.

„Na also, und jetzt verrat mir mal, wer euch den Befehl gegeben hat, meine Freundin zu töten?“

„Töten? Davon weis ich nichts. Dieses Mädchen war nur zufällig da, als wir die beiden anderen verfolgt haben“ Whip schrie erschrocken auf, als der Dolch leicht in seine Haut ritzte. Sofort sickerte Blut aus der Wunde.

„Du solltest mich lieber nicht anlügen. Also noch einmal, wer gab euch den Befehl?“

„Ich weiß es nicht, ehrlich. Ich hab das Mädchen nie zuvor gesehen ich schwöre es“ wimmerte Whip.

Venus überlegte einen Moment. Konnte es sein das dieser Soldat, wirklich nichts mit dem Angriff auf die Prinzessin zu tun hatte?

Ihre Nachforschungen hatten ergeben, das Mars recht hatte, Serenity war noch am Leben und sie war irgendwo hier auf der Erde. Aber warum? Wieso war sie nicht in den Palast zurück gekehrt? Sie schüttelte leicht den Kopf um die nagenden Fragen zu verdrängen, sie sollte sich lieber auf das Wesendliche konzentrieren. Aus den Augenwinkel nahm sie ein Bewegung war. Einer der Soldaten war aufgestanden und versuchte sich ihr von hinten zu nähern. Rasch zog sie mit der frei Hand ihr Schwert und hielt es ihrem Angreifer vor die Brust.

„Setzten“ befahl sie, ohne ihren Blick von Whip zu wenden.

„Wer bist du?“ wollte dieser wissen und starrte sie mit großen Augen an.

„Das spielt keine Rolle. Aber ich warne dich, ich besitze weit gefährlichere Waffen, als nur dieses Schwert. Doch ich würde sie nur ungern gegen Menschen benutzen, also gibt mir lieber auch keinen Grund dazu“ drohte sie ihm, bevor sie in einem weit freundlicheren Ton fortfuhr.

„Und jetzt sag mir, wo meine Freundin ist?“

„Ich weiß es nicht“ wieder ritze der Dolch in seine Haut und Whip schrei panisch auf.

„In...E...Elyson. Das Mädchen ist wahrscheinlich in Elysion. Einer der beiden Männer die wir verfolgt haben, war Prinz Endymion. Er hat sie mitgenommen“

„Prinz Endymion? Warum habt ihr ihn verfolgt?“

„Es...es war ein Befehl von Königin Berrl. Ich weiß nicht wieso“

Seufzend ließ Venus den Dolch sinken. Mehr würde sie aus diesem Mann wohl nicht rausbekommen.

„Nun gut, dann danke ich euch für das Gespräch. Auf wieder sehen, meine Herren“ Venus drehte sich um und bedachte den Soldaten, der sie angreifen wollte mit einem finsteren Blick. Sofort ging der Mann zur Seite, doch bevor Venus die Tür erreichen konnte, hörte sie Whips Stimme rufen.

„Wenn ihre eure kleine Freundin findet, dann richtet ihr doch bitte schöne Grüße von Whip, die Peitsche aus. Ich freu mich schon darauf, wenn sie das nächste Mal für uns tanzt“ die Soldaten brüllten vor Lachen und die aus dem Dorf stammenden Männer am Tresen drehten sich um, um die Szene zu verfolgen.

Venus blaue Augen funkelten vor Zorn. Mit einer raschen Handbewegung zog sie ihren Dolch unter ihrem Umhang hervor und warf ihn quer durch den Raum.

Whip schrie erschocken auf, als sich der Dolch nur wenige Zentimeter von seiner Hand entfernt, in die Tischplatte bohrte.

„Solltet ihr es noch einmal wagen, auch nur in die Nähe meiner Freundin zu kommen, wird es der letzte Fehler sein, den ihr in eurem Leben getan habt“ Whip war nicht fähig etwas zu sagen, sein Blick ruhte starr auf der Waffe, dessen Griff, das Wappen der Venus zierte.
 

Stundenlang wanderten sie unter der milden Sonne dahin, die ihnen auf den Rücken schien.

„Ist dies nicht ein wundervolles Land?“ fragte Endymion, als sie eine Pause einlegten.

Serenity hatte die üppigen grünen Felder, die klaren Wasserläufe sowie die wohl genährten Schafe durchaus zur Kenntnis genommen.

„O ja, es ist wirklich ein hübsches Land, euer Hoheit“, sie betonte das letzte Wort mit extra viel Nachdruck, was Endymion einen tiefen Seufzer entlockte.

Er verstand einfach nicht, warum sie so böse auf ihm war. Schließlich hatte er ihr doch versucht alles zu erklären. Und nach ihren Worten „Es würde ihr nichts ausmachen“, hatte er tatsächlich geglaubt, sie hätte es verstanden.

Doch an der Art und Weise wie sie sich ihm gegenüber benahm, war deutlich zu erkennen, das dem nicht so war.

„Vielleicht solltest du noch einmal mit ihr reden.“

Endymion warf seinem blonden Freund, der neben ihm saß einen kurzen Seitenblick zu, ehe er den Kopf schüttelte.

„Das würde ja doch nichts bringen. Und außerdem kann es mir doch egal sein, was Sera über mich denkt.“

„Aber so ist es nicht, hab ich recht?“

Endymion gab keine Antwort, doch er konnte auch nicht Leugnen, das Jedite Recht hatte.

Im warmen Sonnenschein hatte Serenity ihren Umhang abgelegt und ihn sich über den Arm gehängt. Endymion bewunderte ihren Hüftschwung und die stolze Haltung ihres Kopfes. Er kannte keine andere Frau, die in formloser Männerkleidung derartig überwältigend ausgesehen hätte.

Er schaute anerkennend zu ihr hinüber, was ihr allerdings entging, da sie mit dem Rücken zu ihm den Blick schweifen ließ. Eine andere Frau hätte sich über den Fußmarsch beklagt, Serenity indes bewegte sich immer noch voller Anmut.

Zur Mittagszeit legten sie erneut eine Pause ein, um sich die Füße in einem plätschernden Bach zu kühlen. Serenity streifte sich ihre weichen Lederstiefel ab, krempelte sich die Hosenbeine hoch und wartete frohgemut in das flache Wasser, doch als das Bild von Wilkes, dem Gardehauptmann vor ihrem geistigen Auge auftauchte, wurde sie sofort ernst. Einen Augenblick glaubte sie gar, seine aufgedunsene Leiche triebe auf sie zu. Sie schloss kurz die Lieder, und als sie sie wieder öffnete, war das Bild verschwunden. Vor Angst fröstelte sie und schlang die Arme um sich selbst.

Vom Ufer aus bemerkte Endymion, wie sie sich hastig umdrehte und sofort wieder aus dem Wasser kam. Mit raschen Schritten war er bei ihr.

„Was habt Ihr, Sera? Was ängstigt Euch?“

„Auch, nichts. Mir war nur plötzlich so kalt.“

Er beobachtete, wie sie sich die Stiefel anzog und sich gleich darauf abwandte. Obgleich die drei Wanderer noch eine ganze Weile dort blieben, weigerte sich Serenity beharrlich, noch einmal in die Nähe des Baches zu gehen. Als die Reise endlich fortgesetzt wurde, blickte sie nicht mehr zurück.

„Kommt mit!“ Jedite deutete mit der Hand in eine Richtung.

„Dort ist Elysion. Und gleich dahinter das goldene Kastell.“

Er eilte den Hügel hinauf, von wo man einen besonderst guten Ausblick hatte. Serenity und Endymion folgten ihm ebenso schnell. Als sie oben angekommen waren, schwiegen sie ergriffen.

Das Land unter ihnen war üppig grün. In der Ferne sah man mehrere kleine Ansiedlungen, welche ein großartiges, auf einem Hügel erbautes Kastell umgab, dessen Türmchen bis in die Wolken zu reichen schien, die darüber hinwegzogen.

„Kommt.“ Mit raschen, zielbewussten Schritten lief Endymion voraus den Hügel hinunter.

„Vor Einbruch der Dämmerung werden wir daheim sein.“

Ein ausgetretener Pfad führte sie zu einem der kleinen Dörfer.

Als sie an der ersten Kate vorbeikamen, sahen sie, wie eine junge Frau sie anblickte, dann scheu den Kopf senkte und schließlich in dem strohgedeckten kleinen Haus verschwand. Wenig später trat ein Mann aus der Tür.

„Ist das wahrhaftig der schwarze Prinz?“

Die drei Wanderer blieben stehen und drehten sich um. Endymion bemerkte, dass der Mann ihn betrachtete und offensichtlich nach weiteren Erkennungszeichen suchte. Endymion strich sich über den dichten schwarzen Bart, der sein Gesicht bis zum Hals bedeckte. Dann hob er die Hand zum Zeichen des Grußes.

Der Mann kam näher und ergriff die Hand. „Gepriesen sei der Herr! Prinz Endymion, Ihr seid zu uns zurückgekehrt!“

„Hast du das etwa bezweifelt, Robert.“

„Nein, euer Hoheit. Aber es gab so viele schlimme Gerüchte in letzter Zeit. In einem hießest es sogar, das Ihr in Fleet umgekommen seid.“ Der Mann schwieg einen Moment. „Eure Mutter weiß noch nicht, dass Ihr hier seid?“

„Nein, Robert. Das weiß außer dir und deiner Frau niemand.“

„Dann beeilt Euch, zu ihr zu kommen, denn ihre Sorge um Euch, war sehr groß. Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr meine Pferde für den Rest Euerer Reise nehmen würdet.“

Endymion lächelte. „Wir würden in deiner Schuld stehen.“

Robert rief ein paar Burschen etwas zu, die sogleich forteilten und kurz darauf mit drei fertig gesattelten Pferden zurückkehrten.

Als die drei aufsitzen wollten, legte Robert Jedite eine Hand auf dem Arm.

„Und Ihr seid Lord Jedite? Ihr habt Euch noch mehr verändert als unser Prinz.“ Seine Augen leuchteten. „Die Wiedersehensfreude heute Abend wird groß sein! Einer meiner Stallknechte ist schon unterwegs ins Dorf, um die frohe Kunde Euerer Heimkehr und die des Prinzen zu verkünden.“

Jedite ergriff die Hand des Mannes. „Gab es über meinen Tod ebenfalls Gerüchte?“

„Gewiss, Mylord. Ganz Elysion betrauerte Euren Verlust.“

„Dann werden wir ein großes Fest vorbereiten.“ Endymion zwinkerte seinem blonden Freund zu. „Schließlich sind wir aus dem Reich der Toten zurückgekehrt.“

Nachdem sie aufgesessen waren und ihre Rosse gewendet hatten, rief Endymion noch: „Deine Pferde werden dir morgen früh zurückgebracht werden, Robert.“

„Sie gehören Euch, solange Ihr sie benötigt. Gott mit Euch, Eure Hoheit.“

„Und mit dir ebenfalls, Robert.“
 

Die drei Reiter trieben ihre Pferde zum schnellen Galopp an. Als sie das Dorf durchquerten, erhob sich großer Jubel unter den Bewohnern, die aus ihren Katen geströmt waren, um den Schlossherr ihr Willkommen entgegenzurufen.

Deutlich spürte Serenity die Zuneigung des Volkes und war ungemein gerührt. Tränen traten ihr in die Augen. Wie ist es wohl, wenn man von so vielen Menschen geliebt wird, fragte sie sich. Trauerte jetzt in jenem weit entfernten Land jemand auch um sie? Gab es dort eine Familie, Freund und Bekannte, die sie liebten?

Während Endymion vorausritt, wandte sich Serenity an Jedite. „Weshalb nennet man ihn den schwarzen Prinzen?“

Jedite zuckte die Schultern. „Manche sagen, es sei wegen seines schwarzen Haares und seiner dunklen Augen. Doch ich denke es liegt eher an seiner wilden Entschlossenheit. Wer ihm schon einmal in der Schlacht gegenüberstand, wird Euch erklären, das er sich diesen Namen verdient hat. Wehe seinen Feinden, die ihm sein Geburtsrecht streitig machen.“

Der schwarze Prinz. Als sie das Dorf hinter sich ließen, dachte Serenity über den seltsamen Mann nach, der ihr Herz schneller schlagen ließ...

Serenity betrachtete die Türmchen des Kastells, die in der späten Nachmittagssonne wie pures Gold leuchteten. Direkt vor dem Bauwerk lag ein See, in dessen glatter Oberfläche sich das Kastell spiegelte. Schwäne glitten über das Wasser, was der Szene friedliche Schönheit schenkte.

Die Drei ritten in den Hof, und sogleich eilte ein buckliger Mann herbei und starrte die beiden bärtigen Reiter lange an. Als er sie schließlich erkannte, kämpfte er sichtlich mit den Tränen.

„Prinz Endymion, Lord Jedite.“ Seine Lippen zitterten, und er rang um Beherrschung.

„Ja, Pradraig. Wir sind endlich daheim.“ Endymion glitt aus dem Sattel und schloss den

alten Mann fest in die Arme.

Die Tür wurde geöffnet. Eine rundliche Frau stutzte einen Moment und stieß dann einen hohen Schrei aus. Daraufhin kamen Dutzende Dienstboten herbeigerannt, und bald drängten sie sich jubelnd um die Heimkehrer.

Die Menge wich zurück, als eine Frau herbeischritt. Sofort legte sich das laute Stimmengewirr. Serenity, die noch im Sattel saß, sah die schöne Frau einen Moment stehen bleiben.

Ganz offensichtlich erschüttert, blickte sie die beiden Männer an. Dann schlug sie sich die Hand vor dem Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Im nächsten Moment stürzte sie sich in Endymions ausgebreitete Arme.

„Ach Endymion, Edymion, mein Liebling! Du bist wieder zurück!“

„So ist es Mutter.“ Er hob sie sich in die Arme, schwenkte sie im Kreis herum und übergab sie dann Jedite, gegen den sie seufzend sank.

„Ich bin so froh, das ihr beide unversehrt zurückgekehrt seid!“ Sie streichelte abwechselnd die Gesichter der beiden und deren Arme, als müsste sie sich vergewissern, dass sie tatsächlich lebten und nicht etwa Fantasiegestalten waren.

„Das sind wir ebenfalls.“ Endymion drückte seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und ging dann zu Serenity, hob sie aus dem Sattel und stellte sie auf den Boden.

„Mutter, ich möchte dir Lady Sera vorstellen, die uns bei unserer Flucht half. Sera, dies ist meine Mutter, Königin Gaia.“

Sie übersah geflissentlich die seltsame Kleidung der jungen Dame und ergriff deren Hände. „Ihr halft ihnen bei der Flucht? Dann stehe ich für alle Zeiten in Eure Schuld, meine Liebe.“

Serenity schaute in ein edles Antlitz mit dunkelblauen Augen. Das dichte schwarze Haar war zu einem Krönchen aufgesteckt, aus dem sich Löckchen in ein faltenloses Gesicht ringelten. Das dunkle Gewand bestand aus feinster Seide. Angesichts dieser eleganten Erscheinung wurde sich Serenity umso mehr ihres schäbigen Aufzugs bewusst.

„Kommt.“ Königin Gaia hakte sich bei ihrem Sohn ein. „Wir werden ein Festessen anlässlich euer Rückkehr geben, und ihr müsst mir alles genau erzählen.“

Serenity, die ihnen folgte, sah, das Endymion und Jedite bedeutungsvolle Blicke tauschten, woraus sie schloss, dass die beiden der Königin die schrecklichen Ereignisse ihres Abenteuers vorzuenthalten beabsichtigten.

„Wo sind eigentlich Kunzite, Zeusite und Neflite?“ erkundigte sich Endymion bei seiner Mutter.

„Sie sind zur Zeit in wichtigen Angelegenheiten für mich unterwegs. Doch heute Abend werden sie wieder zurück sein. Sie werden sich überglücklich sein, euch beide wieder zu sehen.“
 

Sie traten in eine riesige Halle, in dem Dienstpersonal damit beschäftigt war, das Feuer zu schüren, eine hochlehnige Sitzbank vor den Kamin zu stellen und Kissen aufzuschütteln. Bei ihrer Arbeit warfen die Dienstboten immer wieder Seitenblicke auf die zwei Männer, die zurückgekehrt waren. Die beiden wirkten eher wie Wilde und nicht wie Edelleute.

Die rundliche Frau, welche sie als Erste bemerkte und dann einen Freudenschrei ausgestoßen hatte, reichte einem Diener ein Speisebrett, ehe sie sich tief vor den beiden Männer verneigte. „Willkommen daheim, Euer Hoheit, Mylord.“

„Ah, Mistress Peake.” Endymion beugte sich zu der kleinen Frau hinunter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wie mir Euer strahlendes Lächeln gefehlt hat!“

Die Haushälterin errötete vor Freude.

„Von Euren wundervollen Mahlzeiten ganz zu schweigen“, fügte Jedite hinzu und führte ihre Hand an die Lippen. „In Fleet lag ich viele Nächte wach und träumte von Euren über dem Feuer bratenden Rebhühnern, und der Gedanke an Euer Gebäck ließ mich fast irrsinnig werden vor Verlangen danach.“

Mistress Peakes Doppelkinn bebte. „Ihr macht immer so viel Aufhebens um das was ich zubereite, Lord Jedite.“

„Ihr habt mich eben verwöhnt, Mistress Peake. Ich ahnte schon immer, dass mich nach Euch keine andere Frau mehr zufrieden stellen kann.“

Serenity beobachtete die Haushälterin, deren graues Haar in kleinen, feuchten Strähnen um ihr rundlichen Wangen fiel. Obschon sie in das Lachen einstimmte, schimmerten Tränen in ihren Augen.

„Eure Neckereien haben mir ja so gefehlt“, sagte sie, strich sich mit dem Handrücken rasch einmal über die Augen und goss in mehreren Krüge Bier. „Heute Abend werde ich Euch ein Festmahl richten, das Euch jeden Moment vergessen lässt, den Ihr nicht in Elysion verbracht habt, meine Herren.“

Sie wandte sich an Königin Gaia. „König Meres und sein Sohn sind eben von der Jagd zurückgekehrt. Angesichts der Neuigkeiten fragen sie, ob sie von Euch empfangen werden, königliche Hoheit.“

Endymion hob den Kopf. „König Meres und Alfredo sind hier?“

Königin Gaia nahm Endymions scharfen Ton nicht zur Kenntnis, sondern drehte sich zu der Haushälterin um. „Richte König Meres und seinem Sohn aus, sie mögen uns Gesellschaft leisten.“

„Sehr wohl, königliche Hoheit.“

Nachdem Mistress Peake die Halle verlassen hatte, wandte sich Gaia an ihrem Sohn. „König Meres und Alfredo trafen erst vor wenigen Tagen ein. Sie haben die Gerüchte vernommen und leisteten mir in dieser schweren Zeit Beistand.“

Während Jedite und Königin Gaia auf der Sitzbank Platz nahmen, stellte sich Endymion mit einem Krug Bier neben dem Kamin und blickte starr in die Flammen. Endymions Stirn war gefurcht und sein Blick düster.
 

Einen Moment später wurde die Tür geöffnet, und zwei Männer traten ein.

„Endymion, Jedite.“ Der Ältere der beiden zögerte einen Augenblick, ehe er näher kam und Endymion an der Schulter fasste. Danach ging er zu Jedite, der sich erhoben hatte, und grüßte ihn freundlich.

„Die Nachricht, dass Ihr noch lebt, erschüttert uns noch immer.“ Er wandte sich zu Königin Gaia um und führte ihre Hand an die Lippen. „Ich bezweifle nicht, dass es Euch ebenso geht, königliche Hoheit.“

„So ist es, Meres.“ Ihr Blick verschleierte sich. „Dieser Tag ist der glücklichste meines Lebens.“

„Ja, das gilt für mich ebenfalls.“ König Meres drehte sich nach dem jüngeren Mann um, der an der Tür stehen geblieben war und mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin starrte, grade so, als habe er einen Geist gesehen. Als der König des Orionnebels dem Blick seines Sohnes folgte, erstarrte er ebenfalls.

Das konnte nicht wahr sein! Wie war das möglich?

„Wie ich sehen, habt Euer Sohn, unsere Gast schon bemerkt.“ Königin Gaia führte Vater und Sohn zu Serenity. „Lady Sera, dies ist einer meiner ältesten Freunde: König Meres, der Herrscher des Orionnebels.“

Er war groß und schlank, hatte braune Augen, graues schütteres Haar sowie ein gut geschnittenes Gesicht. Serenity bezweifelte nicht, dass ihn die meisten Frauen für überaus ansehnlich hielten, doch sie empfand lediglich ein tiefes Unbehagen in seiner Gegenwart.

„Mylady.“ Er führte ihre Hand an die Lippen und Serenity musste sich zusammen reißen um sie ihm nicht sofort wieder zu entziehen. „Willkommen, Mylady. Ich darf Euch mit meinem Sohn bekannt machen – Prinz Alfredo.“

„Lady Sera.“ Alfredo ergriff ihre Hand und hielt sie etwas länger als nötig fest, ehe er einen Handkuss andeutete. „Ich weiß zwar nicht, wo Ihr Euch bisher verborgen hieltet, liebreitende Dame, doch mit einen Mal finde ich dieses öde Land viel...einladender.“

Alfredo war eine jüngere, blassere Ausgabe seines Vaters. Seine Augen waren hellblau, und das braune Haar hatte er sich in die Stirn bebürstet. In seinem eleganten Umhang und der schwarzen Kniehose machte er eine großartige Figur. Wie sein Vater, so schien auch er genau zu wissen, dass Frauen ihn höchst attraktiv fanden. Und genauso wie bei seinem Vater, spürte Serenity auch bei ihm großes Unbehagen.

„Lady Sera half meinem Sohn bei ihrer Flucht“, erklärte Königin Gaia mit einem Anflug von Stolz.

„Faszinierend.“ Meres betrachtete die junge Frau interessiert. Grade so als suche er in ihrem Gesicht nach irgendwelchen Erkennungszeichen. „Ihr seht nicht aus, als stammt Ihr aus dieser Gegend. Wo seid Ihr daheim, Mylady?“

Serenity schluckte. Vor diesem Moment hatte sie sich gefürchtet.

„Daran entsinne ich mich leider nicht.“

König Meres zog erstaunt die Augenbraue hoch. „Scherzt Ihr, Mylady?“ Er lächelte den anderen viel sagend zu.

„Sie spricht die Wahrheit. Bei einem Angriff bekam sie einen Schlag auf dem Kopf. Die Folge war, dass sie ihr Gedächtnis verlor.“

Endymion war zu ihr getreten. Sein überraschendes beschützendes Verhalten schien ihm selbst überhaupt nicht bewusst zu sein, doch den anderen fiel es sehr wohl auf.

Mütterlich besorgt, schaute Königin Gaia ihn an. König Meres und sein Sohn tauschten verblüffte Blicke.

„Eine rätselhafte Frau also – wie interessant. Euer langes Haar ist ganz bezaubernd. Ich möchte wetten, in weiblichen Gewändern seht Ihr einfach hinreißend aus.“
 

Aus irgendeinen Grund, den Endymion sich nicht zu erklären vermochte, ärgerte ihn Alfredos Verhalten. Er sagte sich, dass er keineswegs etwa eifersüchtig, sondern nur um dieses unschuldige Mädchen besorgt sei. Ein Frauenheld wie er würde Sera nur verletzen. Endymion hatte selbst gesehen, wie der junge Orionnebel Prinz die Damen umwarb, sie dann aber, wenn er ihrer überdrüssig geworden war, fallen ließ. Wirklich niemand, war gegen seinen Charme gefeit.

Jetzt legte König Meres einen Arm um Serenity. „Wie furchtbar, meine Liebe, wenn man seine eigene Familie nicht kennt. Könnt Ihr Euch denn an gar nichts erinnern?“

„Nein.“

„Es ist nur gut, dass Ihr Euch in dieser schlimmen Zeit auf uns verlassen könnt.“

Unwillkürlich straffte sie die Schultern und hob trotzig das Kinn. „Die Erinnerung wird zurückkommen. Und im Übriegen bin ich keine hilflose Frau.“

König Meres lachte leise. „Das sehe ich.“ Mit einem bewundernden Blick fügte er hinzu: „Was Ihr jetzt braucht, ist Ruhe und Mistress Peakes wunderbare Mahlzeiten.“

„Das brauchen wir alle.“ Endymion leerte seinen Krug. „Wenn Ihr uns bitte entschuldigen wollt – wir werden uns erst einmal frisch machen, ehe wir das Abendmahl einnehmen. Mutter, würdest du bitte Lady Sera zu ihren Gemächern führen? Ich möchte, das sie in den Räumen untergebracht wird, von denen aus man auf den Garten schauen kann.“

„Wie du willst, Endymion.“ Königin Gaia bedachte ihn wegen seiner Schroffheit mit einem tadelnden Blick, unterdrückte dann jedoch rasch ihren Ärger. Ihr Sohn hatte schließlich eine lange und unerfreuliche Reise hinter sich, und man durfte es ihm nicht übel nehmen, wenn er ein wenig unwirsch war. Königin Gaia wandte sich an Serenity.

„Folgt mir bitte, meine Liebe.“

Serenity kam der Aufforderung nach und ließ sich von Königin Gaia in den ersten Stock führen.

„Dies werden Eure Gemächer für die Zeit Eures Aufenthaltes hier sein“, erläuterte Gaia und führte Serenity in einem Raum mit Türen zu beiden Seiten. „Falls Ihr noch irgendetwas benötigt, braucht Ihr nur den Klingelzug zu betätigen, und eine Dienerin wird kommen und nach Euren Wunsch fragen.“

Im Kamin brannte ein Feuer, vor den man eine Sitzbank sowie mehrere gepolsterte Stühle gestellt hatte. Auf dem Tisch stand ein Krug Wasser mit Kristallkelchen. Königin Gaia durchquerte den Raum und öffnete eine der Türen. Dahinter sah Serenity ein breites Bett mit feinen Leinenbehängen. Dienstboten huschten im Raum umher und brachten alles in Ordnung.

„Erfrischt Euch, und ruht Euch dann etwas aus, meine Liebe. Die Dienstboten werden Euch alle Wünsche erfüllen.“

„Ich danke Euch, königliche Hoheit. Ihr seid zu gütig.“

Serenity ahnte nicht, wie müde sie aussah, doch Königin Gaia entging es nicht. Mit kurzen, ungehaltenen Handbewegungen scheuchte sie die Dienstboten aus dem Raum.

Nachdem sie allein war, ließ sich Serenity auf das Bett fallen. Sie nahm sich nicht die Zeit, ihre zerrissenen, ausgeblichenen Sachen abzulegen, und sie schlug auch nicht die Bettdecke zurück. Innerhalb weniger Augenblicke war sie fest eingeschlafen.
 

byby Blacklady

Endlich daheim

„Mylady.“

Serenity erwachte aus ihrem Traum, in dem sie ein junges Mädchen gewesen war und mit vier Gleichaltriegen unter einem großen Himmelbett gelegen hatten. Die Mädchen hatten über irgendetwas gekichert, doch nachdem Serenity nun wach war, erinnerte sie sich nicht mehr, weshalb. In diesem Traum hatten die vier Mädchen ihr sehr viel bedeutet.

Jetzt öffnete sie die Augen, erblickte eine Dienerin und überlegte, wer diese wohl sein mochte und was sie mit ihr zu tun hatte.

„Königin Gaia befahl uns, Euch das Bad zu richten und Euch beim Ankleiden behilflich zu sein, Mylady.“

Serenity setzte sich auf. Vor dem Ofen stand auf einem Schafsfell ein Badezuber mit dampfendem Wasser. Eine Anzahl Dienstboten kam mit Gewändern, Unterkleidern sowie Pantöffelchen ins Zimmer. Alles wurde auf das Fußende des Betts gelegt.

„Möchtet Ihr zunächst mit dem Bad beginnen, Mylady?“

„Gern.“ Erfreut schlüpfte Serenity aus dem Bett und eilte zum Zuber. Eine Dienerin entkleidete sie und half ihr, sich in das duftende Wasser zu setzen. Eine zweite Dienerin begann sofort damit, ihr das Haar zu waschen.

Serenity lehnte den Kopf zurück und seufzte wohlig. Wann hatte sie das letzte Mal einen solchen Luxus genießen können? Nachdem ihr Haar gewaschen war, kämmte eine andere Dienerin ihr die wirren Locken, bis das feuchte Haar in Wellen herabfiel.

Eine weiter Zofe trat ein, schöpfte mit Eimern mehrmals Wasser aus dem Zuber, bevor sie warmes Wasser aus dem Kessel nachgoss. Neue Dampfwolken stiegen auf.

Serenity schloss die Augen und merkte, dass sich ihre Anspannung löste.

„Würdet Ihr jetzt bitte Euer Gewand auswählen, Mylady?“

„Nein.“ Mit zurückgelegtem Kopf und geschlossenen Augen deutete Serenity zur Tür.

„Lasst mich noch eine Weile allein. Aus dieser Behaglichkeit kann ich mich noch nicht lösen.“

Die Zofe lächelte verständnisvoll und bedeutete den anderen Dienerinnen zu gehen.

„Sehr wohl, Mylady. Ihr braucht nur zu rufen oder den Klingelzug zu betätigen, wenn Ihr etwas benötigt.“

„Vielen Dank.“

Nachdem alle gegangen waren, glitt Serenity tiefer in das warme Wasser und lauschte auf das Knistern der Flammen. So musste es eines Tages im Himmel sein. Wenn alle Schlachten geschlagen und gewonnen waren, würde das der Lohn für die Getreuen sein...

Jemand klopfte an der Tür.

„Jetzt noch nicht. Ich will noch einen Moment das Bad genießen.“

Die Tür wurde geöffnet.

Ungehalten über die Störung, wollte sie schon die Dienerin fortschicken.

„Nehmt Euch so viel Zeit, wie Ihr wollt, Mylady“. Endymions Stimme klang warm und liebevoll. „Ich möchte sogar noch sehr viele Momente einen solchen Anblick genießen.“

„Endymion!“ Erschrocken wollte Serenity unverzüglich aufstehen, merkte dann indes ihren Fehler und glitt tiefer ins Wasser. Erst jetzt blickte sie zu ihm auf und betrachtete ihn fasziniert. „Hatte ich Euch Stimme nicht erkannt, würde ich Euch für einen Fremden halten.“

Für einen ungemein gut aussehenden Fremden mit äußerst schlechten Manieren, fügte sie im Stillen hinzu. Schließlich drang ein Gentleman nicht einfach unaufgefordert in die Gemächer einer Dame ein.

Fort war der schwarze Bart. Endymions jetzt glatt rasiertes Gesicht zeigte männliche Züge. Die strähnigen langen Haare gab es ebenfalls nicht mehr, es war nun so kurz geschnitten, dass es eben über den Kragen endete. Endymions Augen wirkten jetzt noch bezwingender als zuvor. Sein Aussehen ängstigte und erregte Serenity gleichermaßen. Er war in der Tat ein überaus schöner Mann – und ein gefährlicher dazu.

„Ihr müsst wieder hinausgehen. Ich bin nicht bekleidet.“

„Das habe ich bereits bemerkt, Sera.“ Er trat noch näher. „Doch wenn Euer Schöpfer gewollt hätte, das Euer wundervoller Körper verhüllt ist, wäret Ihr in Kleidern geboren worden.“

Serenity fühlte sich jetzt unbehaglich. Sie merkte, dass ihre Wangen vor Scham, brannten. „Ihr dürft nicht im Gemach einer Lady sein, während sie badet. Das ist unschicklich.“

„Stimmt. Und ich bin ein Mann, der Regeln bricht.“ Er kniete sich neben den Zuber und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. Serenity schlug seine Hand fort.

„Wie könnt Ihr es wagen, mich zu berühren, wenn ich...“ Sie schluckte und veränderte ihre Tonlage. „Verlasst mein Gemach auf der Stelle“, befahl sie, „oder ich wäre gezwungen...“

„Wozu, Sera?“ Er lächelte.

Ihr wurde siedend heiß. Sie kannte nicht mehr klar denken.

Mit den Lippen strich er über ihr Gesicht und zeichnete eine nasse Augenbraue nach.

Serenitys Kehle war wie zugeschnürt. Sie wollte ihn unmissverständlich in seine Schranken weisen, doch sie vermochte nur zu flüstern: „Ihr müsst gehen, königliche Hoheit. Die Dienstboten...“

„Die werden erst kommen, wenn Ihr sie ruft.“ Er nahm ein Tuch und rieb damit über ihre Schultern.

Die Berührung lähmte Serenity. Reglos blieb sie sitzen, während er mit dem Lippen langsam und verführerisch über ihren Arm strich.

Ihr Anblick raubte Endymion den Atem. Das Haar fiel in schimmernden Wellen herab. Feuchtigkeit perlte auf ihrem wunderschönen Gesicht. Ihr hübscher schlanker Hals forderte geradezu zum Küssen auf, und Endymion vermochte die unmittelbar unter der Wasseroberfläche schimmernde Form ihrer Brüste auszumachen.

„O Sera.“ Er merkte deutlich, wie sein Mund trocken wurde. „Es tut mir so leid, das ich mein Geheimnis vor Euch verschwiegen habe. Bitte sagt das Ihr mir vergebt.“

Serenity versuchte sich auf seine Worte zu konzentrieren, doch das einzigste was sie war nahm, waren seine Hände und Lippen die ihren Körper verwöhnten.

„Bitte, Sera vergebt mir“, wisperte Endymion erneut. „Ich könnte es nicht ertragen, mit dem Wissen, auch nur einen Tag weiter zuleben, das Ihr wütend auf mich sein.“ Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände und verlocht seine Finger mit ihrem feuchten Haar. Er sah, wie sie die Wimpern senkte und errötete. Dann hob sie den Blick, und Endymion hatte das Gefühl, sich in diesen Augen zu verlieren, die so unschuldig und dennoch so verlockend wirkten.

„Ich vergebe Euch, Endymion“, flüsterte sie leise.

Er neigte den Kopf, bis seine Lippen ihre berührten. Beide zuckten zusammen.

Sereniy meinte, ihr Herz würde stehen bleiben, dann schlug es so heftig, dass sie glaubte, Endymion müsste es hören.

„Ihr seid ja so wunderschön, Sera.“ Endymion zog sie an sich.

Diesmal war der Kuss alles andere als zart. Ihre Gegenwehr hörte auf, als Endymion diesen Kuss noch vertiefte. Das Feuer seiner Leidenschaft ging auf sie über und versengte sie schier.

Als Serenity sich an ihn schmiegte, war er sich ihres weichen Körpers sehr bewusst. Nachdem ihr anfänglicher Wiederstand geschwunden war, wurde auch ihre einladenden Lippen weicher.

Das Wasser schwappte über den Zuberrand und durchnässte sein Hemd, doch für Endymion gab es jetzt nur die Frau in seinen Armen, die seinen Kuss leidenschaftlich erwiderte.

Eine Welle der Erregung durchflutete Serenity. Gern hätte sie sich Endymion hingegeben, aber sie fürchtete sich davor. Es gab so vieles, was sie über Männer und Frauen nicht wusste.

Der Kuss dauerte an, und sie merkte, dass sie langsam seinem Zauber erlag. Doch grade als Endymion sie noch dichter heranzog, klopfte es an der Tür.

„Mylady, soll ich Euch jetzt beim Ankleiden helfen?“ hörte man die Stimme einer Dienerin.

Endymion hob den Kopf und fluchte leise. Serenity fühlte sich so merkwürdig. Ihr Herz pochte, und sie seufzte tief.

Ist es Bedauern, fragte sich Endymion. Oder Erleichterung?

„Um Gottes willen.“ Sereniy kam wieder zu sich. Sie hielt sich die Hand vor dem Mund. Was hatte sie sich nur gedacht? Wieso war sie so leicht zu erobern gewesen?

„Man darf Euch hier nicht finden.“

„Und weshalb nicht? Ich bin hier Hausherr und darf gehen, wohin es mir beliebt.“

„Endymion, man wird tuscheln und Gerüchte ausstreuen. Das könnte ich nicht ertragen.“

Er sah ihre feuerroten Wangen. „Nur keine Angst.“ Noch ein letztes Mal ließ er seine Lippen über ihre gleiten und ging dann zu der Tür auf der anderen Seite des Raumes.

„Hinter dieser Tür befinden sich meine Gemächer.“

„Ihr schlaft neben meinem Zimmer?“

„Jawohl, Mylady. Deshalb verlangte ich ja diese Räume für Euch. Falls Ihr einmal erwacht und Gesellschaft benötigt, bracht Ihr nur zu klopfen.“ Er bedachte sie mit einem so begehrlichen Blick, dass sie sofort aufbrauste und nach dem Seifentuch griff.

Endymion bemerkte es, erkannte ihre Absicht und warf lachend den Kopf zurück. Den Bruchteil einer Sekunde, bevor er seine Tür hinter sich schloss, flog der Lappen durch die Luft und verspritzte Wasser sowie Seifenschaum in alle Richtungen.

Serenity betrachtete erbost das durchnässte Schafsfell, auf dem der Zuber stand, und die Pfütze auf dem Fußboden. Dafür würde Endymion büßen!

Sie unterdrückte ihre Wut, als die Dienerinnen eintraten, um ihr aus dem Zuber zu helfen. O ja, das würde ihn teuer zu stehen kommen, schwor sie sich.
 

„Ist das etwa dieselbe junge Dame, die wir vorhin kennen lernten?“ rief König Meres aus, als Serenity hereingeleitet wurde.

Zu ihrer Bestürzung fiel ihr auf, dass der ganze Raum voller Männer war, die zwar feine Kniehosen und Umhänge trugen, aber in den Scheiden der Gürtel steckten Säbel und Dolche. Als Serenity die Blicke der Anwesenden spürte, errötete sie. Befänden sie sich auf einem Schlachtfeld, hätte sie gewusst, wie sie sich zu verhalten hatte, doch hier in diesem Raum fühlte sie sich unbeholfen und eingeschüchtert.

Endymion, der neben dem Kamin stand, betrachte sie, während sie heranschritt. Dass er angesichts der bewundernden Blicke der Männer den Stiel seines Kelches sichtlich fester hielt, merkte er nicht.

Nie hätte er sich vorgestellt, dass sie so königlich aussehen konnte. Ihr rotes, an Saum und Minder mit Silber- und Goldfäden durchwirktes Gewand war hochgeschlossen, und nach der neusten Mode lag eine Spitzenkrause um ihren Hals. Der Rock über der weit ausladenden Krinoline fiel in weichen Falten bis auf die Spitzen ihrer roten Pantoffeln hinab. Und obgleich sie so sittsam gekleidet war, erinnerte sich Endymion nur allzu gut an den makellosen Körper, den sie vor allen Blicken verbarg.

„Ihr seht wundervoll aus“, stellte Alfrdo fest und ergriff ihre Hand.

Serenity lächelte ihm scheu zu und entzog ihm ihre Hand, nachdem er sie viel zu lange festgehalten hatte. „Das verdanke ich Königin Gaias Großmut.“

„Wie könnte ich mich auch andres einer Frau gegenüber verhalten, die meinem Sohn bei der Flucht geholfen hat? Ich stehe für immer in Euer Schuld, meine Liebe.“

Es entging Gaia nicht, wie ihr Sohn die junge Frau anschaute. Er hielt zwar absichtlich Abstand zu ihr, doch der Ausdruck seiner Augen verriet ihn.

„Meine Liebe“, fuhr Königin Gaia fort, „diese Herren sind sämtlich loyale, gute Freund, die herbeieilten, um meinen Sohn bei seiner Heimkehr in das geliebte Land willkommen zu heißen.“

„So ist es. Sobald wir die Nachricht vernahmen, mussten wir es mit eigenen Augen sehen“, meinte ein hoch gewachsener schwarzhaariger Mann und verneigte sich tief vor Serenity. Sein Haar war an den Schläfen silbergrau, was ihm ein vornehmes Aussehen verlieh. Es besaß ebenmäßige Züge in einem Gesicht, dessen Bräune von jahrelanger Landarbeit zeugte. In seinen Augen lag eine Güte, die in Serenity etwas anrührte.

„Dies ist Hugh Cleary“, stellte Königin Gaia vor. „Er war ein Freund meines Gatten Sean, und mir war er ein Freund, seit ich in dies Land kam.“

„Ich hielt Sean für Verrückt, als er blasse Schönheit als Braut mitbrachte“, erzählte Hugh mit seiner tiefen, melodischen Stimme. „Doch Königin Gaia zeigte mir und uns allen bald, dass sie Seans Liebe und sein Vertrauen verdiente. Sie ist eine Frau, die man mit hoher Achtung begegnen muss.“

„Sehr richtig“, pflichteten die Anderen bei.

„Es ist schon sehr lange her, dass ich in diesen Mauern ein unbeschwertes Lachen gehört habe“ sagte Gaia leise. Doch sogleich schüttelte sie ihre düstere Stimmung wieder ab. „Doch nun, Sera, will ich Euch noch mit dem Rest unserer Freunde bekannt machen.“

Serenity schaute Königin Gaia an und sah die unterschiedlichsten Gefühle, die sich in ihrem Gesicht wiederspiegelten, während sie sich zwischen den Freunden ihres verstorbenen Gatten bewegte.

Obgleich Namen und Gesichter dieser Männer rasch an Serenity vorüberzogen, empfand sie deren Lächeln als ehrlich und echt. Sie erwiderte die freundlichen Begrüßungen der Männer, deren unbekümmerte Art sie an Endymon und Jedite erinnerte.
 

Endymion beobachte, wie gelöst Serenity sich bei den alten Freunden und Kampfgefährten gab. Ganz offensichtlich fühlte sie sich wohl in dieser Männerwelt – ein weiter Beweis, dass sie wahrscheinlich einst ein Reich geführt hatte. Und er konnte sich denken, dass sie darin sehr gut gewesen war...
 

Nachdem der formelle Teil beendet war, schritt Jedite durch die Halle und nahm Serenitys Hände in seine.

In einer Geste der Zuneigung berührte sie seine kurz geschnittenen Locken und seine glatt rasierte Wange.

„Ohne den ganzen Bartwuchs seid Ihr ja kaum mehr als ein Jüngling.“

„Ein Jüngling?“ Er guckte sie gespielt ärgerlich an. „Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, Mylady, und damit eine Respektsperson. Also achtet auf das, was Ihr äußert!“

Beide mussten lachen.

Nun ließ er den Blick über ihre schlanke Gestalt gleiten. „Dieses Gewand kleidet Euch entschieden besser als die Kniehose und der Uniformrock des rebellischen Soldaten, Sera.“

„Eines rebellischen Soldaten?“ Königi Meres horchte beunruhigt auf.

Endymion warf Jedite einen warnenden Blick zu, und dieser bedauerte sofort seine unüberlegten Worte. Da er nun die Aufmerksamkeit aller Anwesenden erregt hatte, begann er verlegen zu stammeln.

„Seras Gewand war zerrissen... Und wir fanden eine Kniehose... Und einen Rock...“

„Wo?“ fragte Alfredo finster.

„In der Satteltasche eines Pferdes. Also tauschte Sera ihr zerrissenes Gewand gegen die saubere Kleidung des Soldaten aus.“

„Woher wusstet Ihr, dass es sich bei diesem Soldaten um einen Rebellen handelte?“ wollte König Meres wissen.

„Weil sie wussten wer ich bin“, erklärte Endymion leise, was sich umso gefährlicher anhörte. „Und trotzdem versuchten uns Umzubringen. Wie würdet Ihr sie also an unserer Stelle nennen?“

König Meres schien noch etwas äußern zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und wechselte das Thema.

„Ich nehme an, Ihr wart derjenige, dem es im Fleet-Gefängnis gelang, jenen Wärter zu überwältigen, Endymion?

„Angesichts Euerer Beziehungen zum Hofe kennt Ihr sicherlich die Einzelheiten unserer Flucht, König Meres.“

Im ersten Moment schien sich der ältere Mann über Endymions Ton zu ärgern, doch schließlich nickte er.

„Ja, ich habe die Version gehört, wie man sie Königin Perilia zutrug, doch die will ich vor Eurer Mutter nicht wiederholen.“ Seine Stimme klang jetzt irgendwie geheimnisvoll.

Als er merkte, dass er die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich gelenkt hatte, schwieg er, während ein Diener seinen Kelch erneut füllte.

„Ihr sollt wissen, Endymion, dass ich aus Freundschaft zu Eurer Mutter alles Mögliche getan habe, damit man Euch freilässt, und ich denke, ich hätte auch Erfolg gehabt, wärt Ihr nicht geflohen, ehe ich der Königin meine Bittschrift vorzulegen vermochte.“

„Wir befanden uns drei Monate in diesem Kerker, König Meres – das war genug Zeit, um unsere Freilassung zu erwirken.“

„Das meinte Eurer Mutter auch, doch bis zu ihrem ersten Schreiben wusste ich ja nichts von Eurer Inhaftierung. Und Königin Perilia leider auch nicht. Ich jedenfalls tat alles, was ich nur tun konnte.“

„Falls Jedite und ich auf die Freilassung gewartet hätten, wären wir bereits tot. Durch die Hand des Wärters hätten wir ermordet werden sollen, und zwar auf Befehl eines Verräters.“

Das er den verstörten Gesichtsausdruck seiner Mutter sah, ging Endymion zu ihr und zog sie nahe an sich.

„Wir wollen nicht mehr über dieses unerfreuliche Thema reden, König Meres. Erzählt uns doch lieber von den Neuigkeiten in der Welt. Wie ich gehört habe, soll es Friedensverhandlungen auf dem Jupiter gegeben haben?“

„In der Tat, doch sie sind nicht sehr gut verlaufen, es gab bedauerlicher Weise einen sehr unerfreulichen Zwischenfall.“

„Der Tod der Mondprinzessin.“ Endymion nickte. “Ich habe davon gehört, konnte es aber nicht wirklich glauben. Also ist es wirklich war?“

„Ja, es ist war“, erklärte Königin Gaia leise. „Ich war dabei, als Königin Sereniti die schrecklich Botschaft überbracht wurde. Die Arme, sie tut mir so Leid. Serenity war ihr einziges Kind, wenn ich mir nur Vorstelle, das du...“ sie stockte und ließ ihren Satz schließlich unvollendet. Sie konnte es einfach nicht aussprechen, allein der Gedanke, war zu schmerzhaft.

„Aber ich bin hier und es geht mir gut!“ sagte Endymion sanft, während er seiner Mutter tröstend über den Arm strich. Königin Gaia nickte und zwang sich zu einem Lächeln.

„Ja du Lebst und ich danke Gott so sehr dafür.“

König Meres räusperte sich unbehaglich. „Verzeiht, Hoheit, wenn euch meine Worte vielleicht Gefühllos erscheinen mögen, aber ich glaube nicht das Euer Mitgefühl, für die Mondkönigin angebracht ist. Oder habt Ihr schon vergessen, welche ungeheuere Anschuldigung man gegen Euch geäußert hat?“

„Was für eine Anschuldigung?“, fragte Endymion und jedermann im Saal spürte die Spannung, die nun in der Luft lag.

„Man beschuldigt eure Mutter, die Mondprinzessin ermordet zu haben“, erklärte König Meres mit ruhiger, fast emotionsloser Stimme und obwohl es selten vorkam, war Endymion im ersten Moment sprachlos. Er konnte hören, wie Jedite neben ihm scharf die Luft zwischen den Zähnen einsog.

„Das ist eine Lüge“, stieß der Blonde wütend hervor. „Königin Gaia, würde so etwas niemals tun!...“

„Davon bin ich überzeugt“, unterbrach ihn König Meeres scharf. „Aber leider gibt es eindeutige Beweise, die etwas anderes behaupten.“

„Was für Beweise?“ wollte Endymion wissen, und Serenity konnte spüren, wie viel es ihm kostete, sich zurückzuhalten.

„Genug jetzt“, befahl Königin Gaia streng, bevor König Meres noch irgendetwas sagen konnte. „Ich möchte nichts mehr davon hören. Wir sind schließlich nicht hier um über solche Unerfreulichen Themen zusprechen.“

„Eure Mutter hat vollkommen Recht, Endymion“, stimmte Alfredo Königin Gaia zu und wandte sich Lächelnd zu Serenity um. „Wir wollen, dieser bezaubernden jungen Dame keine Angst einjagen.“

Endymion bedachte ihn mit einem grimmigen Blick, worauf der junge Mann sofort schwieg. Die vielen gemeinsam Jahre im Dienste des Throns hatten ihn gelehrt, Endymion lieber nicht zu reizen.

Die Tür wurde geöffnet, und Mistress Peake kam herein.

„Das Abendmahl ist fertig, Königliche Hoheit.“

Endymion nickte. Er stellte seinen Kelch auf das Auftragebrett, bot seiner Mutter den Arm, und den anderen voraus gingen sie aus der Halle.

„Ich möchte auch mit“, quietschte ein kleines rothaariges Mädchen. Sie war etwa sechs Jahre alt und trug ein blaues Satinkleidchen, welches ihr bis auf die Spitzen ihrer zarten Pantöffelchen hinabreichte. Das wirre rote Haar hatte man mittels Schleifen gebändigt, die zu ihren blauen Augen passten.

„Das ist Endymions Nichte Bridget“, erläuterte Jedite Serenity. Er nahm die Kleine bei der Hand und lächelte, als das Kind neben ihm hertanzte.

„Kommt, meine Liebe.“ König Meeres fasste Serenity am Ellbogen und geleite sie hinaus. Sein Sohn Alfredo folgte ihnen mit den übrigen Männer in das Speisezimmer.
 

Der große Raum erstrahlte im Licht vieler Kerzen, die in Wandhalter steckten. Holzscheite brannten in gewaltigen Kaminen zu beiden Seiten des Saals. Auf dem mit feinsten Leinen gedeckten Tisch funkelte das Kristall und das Silber. Mindestens ein Dutzend Diener und Dienerinnen huschten umher und kümmerten sich um die Speisen.

Endymion nahm den Platz am Kopf der Tafel ein. Zu seiner Rechten saß seine Mutter, neben ihr König Meeres und sein Sohn Alfredo. Links von Endymion saß Serenity, neben Jedite und neben diesem die kleine Bridget. Die übrigen Heeren suchten sich ihre Plätze ohne viele Umstände, woraus Serenity schloss, dass man bereits oft zusammen auf dem Kastell gespeist hatte.

Mistress Peake lief geschäftig umher und dirigierte das Dienstpersonal mit dem Geschick eines Gardehauptmannes in der Schlacht.

Es gab Austern, frische Muscheln sowie Lachs, und danach folgten gebratene Wachteln und Fasane. Zu jedem Gang gossen die Diener die Kelche mit angewärmten Wein oder die Krüge mit Bier voll.

Als draußen Unruhe aufkam, schaute jeder am Tisch auf. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und ein drei Krieger erschien, gefolgt von einem verängstigten Diener, der sie offenbar hatte zurückhalten wollen.

„Wo ist er?“ dröhnte die Stimme, des ersten Kriegers, in der auf einmal eingetretenen Stille.

Endymion schob seinen Stuhl zurück und erhob sich.

„Sucht Ihr möglicherweise den Hausherrn?“

„Ja, Bursche. Wir wollten uns mit eigen Augen davon überzeigen, ob er tatsächlich von den Toten auferstanden ist, wie die Dörfler behaupteten.“

„Dann schaut her!“ Endymion schritt durch den Raum. „Die Dörfler sagten die Wahrheit.“

„Bei den Göttern!“ In dem folgenden Schweigen betrachtete jeder an der Tafel interessiert die beiden Männer. „Endymion – du bist so hässlich wie eh und je.“

Die beiden umarmten einander herzlich.

Endymions Mutter bemerkte Serenitys entsetzte Miene. „Kunzite“, rief sie scharf. „Ihr habt unseren Gast erschreckt. Kommt und lernt die Lady kennen, die Endymion und Jedite bei der Flucht half. Lady Sera focht an seiner wie Jedites Seite und riskierte ihr Leben für deren Sicherheit.“

Die drei Krieger waren inzwischen herangekommen.

„Dies sind Kunzite, Neflite und Zoisite“, stellte Königin Gaia liebvoll vor. „Genauso wie Jedite, gehören sie alle drei zu Endymions Persönlicher Leibgarde und sie sind Freunde seit frühster Kindheit.“

Serenitys Hand verschwand fast in Kunzites Pranke. Der Mann war so groß, dass sie den Kopf zurücklegen musste, um ihn ins Gesicht sehen zu können. Seine grauen Augen blickten sie freundlich an. Sein Harr war fast silbern und so lang, das es ihm weit über den Rücken fiel.

„Dieses schmächtige Mädchen focht an deiner Seite?“

Endymion nickte.

Kunzite musterte sie eingehend und genoss es ungemein, dass sie unter seinem Blick errötete. „Ich bedaure zutiefst, dass Ihr für Schwächlinge wie diese kämpftet. Endymion ertrug ich in all diesen Jahren nur, weil er sich in einem Turnier immer so leicht besiegen ließ.“ Er zog sich einen Stuhl neben Endymion heran, legte seinem Freund einen Arm um die Schultern und guckte zu, wie die Dienerschaft eilig sein Mahl herbeischafften. Auch die beiden anderen Krieger warteten nicht erst umständlich darauf, das ihnen ein freier Platz angeboten wurde, sondern zogen einfach Stühle in Jedites Nähe heran.

„Mistress Peak, Ihr habt Euch wieder einmal selbst übertroffen“ erklärte Kunzite, während er das Essen hinunterschlang und dann mit einem Humpen Bier nachspülte.

„Ich nahm mir nicht einmal die Zeit, mein Pferd zu satteln“, raunte er Endymion zu. „Als wir die Nachricht erhielten, machten wir uns umgehend auf dem Weg, um uns davon zu überzeugen, dass du tatsächlich lebendig und wohlauf bist.“

„Und die Zeit zum Baden hast du dir ebenfalls nicht genommen.“ Endymion klopfte ihm auf den Rücken und sah zu, wie sein alter Freund den Rest der Mahlzeit verzehrte. Er leerte seinen Kelch, zufrieden. Er war wieder von seiner Familie und seinen liebsten Freunden umgeben, und falls ihm der Sinn nach einem Gefecht stünde, wäre die Frau an seiner Seite eine höchst würdige Gegnerin für ihn.
 

byby Blacklady

Nächtlicher Besuch

„Das war in der Tat ein großartiges Mahl, Mistress Peake.“ Endymion stellte den leeren Trinkkelch beiseite und winkte ab, als man ihm nachschenken wollte. „Endlich fühle ich mich wieder wahrhaftig daheim.“

Die Haushälterin strahlte stolz über das Lob ihres Herrn.

Endymion schob seinen Stuhl zurück. „Unseren Whiskey werden wir in der Bibliothek nehmen.“

„Sehr wohl, Königliche Hoheit.“

Endymion bot seiner Mutter den Arm. Die anderen Anwesenden folgten ihm.

Die Bibliothek war ein Raum mit hohen Deckenbalken. Regalen voller Bücher bedeckten drei Wände, und in einer Nische der Vierten befand sich ein massiver steinerner Kamin.

Serenity sog den Duft von Holz, Kerzenwachs sowie Leder ein und fühlte ein so starkes Sehnen, dass es sie erschreckte. Hatte sich in ihrer Heimstatt auch so ein Raum befunden? Ach, könnte sie sich doch nur erinnern!

„Soweit ich hörte, seid Ihr faszinierendes Geschöpf.“ Alfredo setzte sich neben ihr auf die Sitzbank und lächelte sie bewundernd an. „Ihr müsst uns unbedingt Euer Abenteuer erzählen.“

Serenity fühlte sich unbehaglich. „Ich fürchte, da gibt es nicht viel zu berichten.“

„Ihr seid zu bescheiden.“ Eine Dienstmagd bot ihm noch mehr Whiskey an, und er hielt ihr seinen Kelch hin. „Ihr hattet doch sicher eine List ersonnen, mit der Ihr den Soldaten entkamt.

Weintet Ihr vielleicht so laut, dass Ihr sie damit in den Wahnsinn triebt? Oder fielt Ihr vielleicht in Ohnmacht, Mylady?

„Weinen? In Ohnmacht fallen? Was hätte ich damit erreichen können?“

„Nun, möglicherweise hätte man Euch freigelassen“, antwortete er verwirrt. „Welche anderen Waffen hätte eine Frau denn außerdem noch, Mylady?“

Serenity guckte ihn fassungslos an. Der Mann hielt sie für unfähig mit einem Säbel umzugehen! Sie schaute zu Endymion hinüber und bemerkte dessen fest zusammengepressten Lippen. Einen Moment glaubte sie, er hätte kaum merklich den Kopf geschüttelt, doch als sie genauer hinsah, betrachtete er sie nur forschend. Gewiss würde er auch nicht wollen, dass sie vor Königin Gaia oder diesen fremden Leuten ihr Abenteuer genauer erläuterte.

„Habt Ihr jemals eine von Hunden umringte Ricke mit ihrem Kitz gesehen, Hoheit?“

Bei ihrer plötzlich schroff gewordenen Stimme erschrak Alfredo.

„Diese Kreatur, die doch so zahm, so hilflos wirkt, wird mit den Hufen ausschlagen oder wenn nötig sogar beißen, um das Leben ihres Jungen zu verteidigen.“

Alfredo ließ den Blick über ihr goldblondes Haar und ihre helle Haut wandern.

„Dann werde ich an Euch denken, wenn mir einmal im Wald eine Ricke begegnet, Mylady“, meinte er bewundernd. „Natürlich werde ich ihr trotzdem meine Pfeil ins Herz schießen, denn so etwas liegt in der Natur eines Jägers.“

Serenity wurde es immer unbehaglicher in Alfredos Nähe. Sie erhob sich.

„Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, Königliche Hoheit“, sagte sie an die Gastgeberin gewandt. „Ich möchte mich jetzt zurückziehen. Ich habe eine lange und anstrengende Reise hinter mir.“

„Was ist denn nun mit den Erzählungen Eurer Abenteuer?“ Offenkundig kränkte es Alfredo, dass Serenity ihn einfach so sitzen ließ. Er war es nicht gewohnt, dass Frauen, gleichgültig welchen Alters, ihn nicht zur Kenntnis nahmen. Die Bestürzung spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder.

Jedite hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Er wusste nicht, was ihn mehr amüsierte – Alfredos fassungslose Miene oder Endymions finsteres Gesicht beim Anblick des neben Sera sitzenden jungen Mannes, der sie zu beeindrucken versuchte.

„Wie hab ich das nur vergessen können? Meine Liebe, Ihr müsst ja völlig erschöpft sein.“

Königin Gaia erhob sich und ergriff Serenitys Arm. „Bridget und ich werden mit Euch kommen. Das Kind hätte schon längst im Bett sein müssen.“

Das kleine Mädchen küsste liebevoll ihren Onkel und Jedite und nahm dann Königin Gaias Hand.

„Ich bin mir ganz sicher, unsere Herren werden sich auch ohne uns zu unterhalten wissen.“ Königin Gaia drehte sich um und begegnete herausfordernd Endymions Blick. „Irgendein Thema wird sich bestimmt finden, das die Gemüter nicht derart erhitzt, dass es unter unserem Dach womöglich noch zu einer Schlacht kommt.“

Nachdem die beiden Damen und das Kind zur Tür gingen, schaute Endymion ihnen noch hinterher, bis sich die Tür hinter sich geschlossen hatten, und wandte sich dann wieder seinen Gästen zu.
 

„Ich hoffe, Ihr findet diese Gemächer komfortabel, meine Liebe.“ Königin Gaia blieb auf der Schwelle stehen, während Serenity in das Gemach trat.

„Ach, Königliche Hoheit, nach dem, was wir durchgemacht haben, erscheint mir jedes Zimmer wie der reinste Luxus. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einmal in einem richtigen Bett geschlafen habe.“

Liebevoll strich sie mit der Hand über das weiche Leine.

Plötzlich hielt sie inne, als sie die Kleidung des Soldaten sah, die sie bei ihrer Ankunft getragen hatte. Die grobe Hose, das Hemd sowie der schwere Umhang waren gewaschen und sorgfältig zusammengelegt worden.

Diese Kleidung erinnerte sie sofort an die raue Behandlung, die sie in den Händen der Soldaten erlebt hatte. Zögernd berührte Serenity die Sachen, nahm sie dann entschlossen hoch und legte sie auf eine kleine Truhe, wo sie sie hoffentlich nicht so oft sehen musste.

Königin Gaia kam mit Bridget an der Hand heran und nahm auf einer Polsterbank in der Nähe des Kamins Platz. „War es furchtbar?“

„Ja, gelegentlich schon. Doch wir haben ja überlebt.“ Mit einem schwachen Lächeln drehte sie sich zu ihrer Gastgeberin um. „Darf ich Euch eine Frage stellen, Königliche Hoheit?“

„Nur zu meine Liebe, fragt, was immer Ihr wissen wollt.“

„Kantet ihr die Mondprinzessin?“

Serenity bereute ihre Frage augenblicklich, als sie die Trauer in Königin Gaias Augen sah.

„Es tut mit Leid, das war taktlos von mir. Ihr müsst natürlich nicht antworten, wenn Ihr nicht wollt.“ Fügte sie hastig hinzu, doch Gaia schüttelte leicht den Kopf.

„Nein, es ist schon in Ordnung“, antworte sie mit einem schwachen Lächeln. „Ihr müsst Euch nicht Entschuldigen, mein Liebe. Und was eure Frage betriff. Ja, ich bin ihr schon einmal begegnet, doch das ist sehr lange her, damals war Serenity noch ein kleines Kind.“

„Und was für ein Mensch war sie?“ wollte Serenity wissen.

„Was für ein Mensch sie war?“

Königin Gaia schien einen Moment über diese Frage nachdenken zu müssen, und als sie antwortete umspielte ein sanftes Lächeln ihre Lippen. „Sie war warmherzig, hilfsbereit und immer Freundlich. Nie hat sie schlecht von Anderen gesprochen und sie war stets darum bemüht den Frieden zwischen den Reichen zu waren.

Aber warum interessiert Ihr Euch so sehr für die Mondprinzessin, meine Liebe?“

Serenity zückte leicht mit den Schultern. Diese Frage konnte sie auch nicht mit Gewissheit beantworten.

„Ich glaube, ich wollte einfach nur herausfinden, weshalb man sie getötet hat.“, gab sie wahrheitsgemäß zu. „Denn ich verstehe es nicht! Wenn die Mondprinzessin wirklich ein so guter Mensch war, wie Euere Königliche Hoheit behaupten, und daran Zweifel ich nicht, gab es doch gar keinen Grund dafür.“

„Es gab mehr als einen, führte ich“, gestand Königin Gaia betrübt, schwieg dann jedoch rasch, als ihr bewusst wurde, dass sie bereits zuviel gesagte hatte.

„Ihr hattet die Mondprinzessin sehr gern, nicht war, Königliche Hoheit!“

„Serenity war für mich wie eine Tochter. Ich hätte Ihr niemals etwas antun können“, erklärte Gaia. Ihre Stimme wurde leiser, und obwohl ihr Blick direkt auf Serenity gerichtet war, schien er gradewegs durch sie hindurchzugehen, um sich auf einen Punkt in einer unendlich weit zurückliegenden Vergangenheit zu richten. Serenity konnte beinahe den Schmerz fühlen, den es ihr bereitete, darüber zu sprechen.

„Ihr müsst wissen, meine Liebe, ich war sogar bei ihrer Geburt dabei. Damals waren ich und Königin Sereniti noch Freundinnen. Und obwohl es schon so lange zurückliegt, habe ich stets gehofft, dass es Serenity gelingen würde, was mir und ihrer Mutter all die Jahre nicht vergönnt war.“

„Und was war das?“, fragte Serenity, als sie nicht weitersprach.

„Ein eine Welt, in der die Menschen in Frieden leben können. Ganz gleich wer sie sind und woher sie kommen.“ Ein bitteres Lächeln umspielte ihr Lippen. „Doch das, war wohl etwas zuviel verlangt.“

Serenity wollte ihr wiedersprechen, doch sie konnte es nicht. Tief in ihrem innern wusste sie, das Gaia Recht hatte. Es würde immer wieder Menschen geben, die bereit waren für ihre Ziele über Leichen zugehen. Denen es egal war, wie viele Unschuldige, dafür ihr Leben ließen.

Innerlich aufgewühlt, ging sie zum Kamin und wärmte sich davor. In den letzten Tagen hatte sie oft gedacht, ihr würde niemals wieder warm werden.

„Ihr solltet jetzt wirklich schlafen, meine Liebe. Es ist bereits sehr spät.“ Königin Gaia umarmte Serenity herzlich und brachte Bridget zur Tür. „Guten Nacht, meine Liebe und Träumt was schönes.“

„Das wünsche ich Euch ebenfalls, Königliche Hoheit.“ Serenity lächelte dem kleinen Mädchen zu, und Bridget lächelte schüchtern zurück. Während des ganzen langen Abends hatte die Kleine Jedite zwar oft angelächelt, im Übriegen jedoch kaum ein Wort gesprochen.

Eine Dienerin eilte herbei, um Serenity beim Auskleiden zu helfen, und wenig später hatte diese statt ihres Gewandes ein zartes Nachtkleid aus elfenbeinfarbenem Leinen an. Nachdem ihr Haar gelöst und ausgebürstet war, half die Dienerin Serenity ins Bett.

Serenity zog die Decke bis zum Kinn hoch und seufzte glückselig. Es schien ihr schon Ewigkeiten her zu sein, seit sie sich zuletzt so wohl gefühlt hatte. Und doch ging ihr eine Frage einfach nicht mehr aus dem Sinn. War es wirklich zu viel verlangt, an eine bessere Welt zu glauben?
 

„Sie lebt, Vater“, sagte Alfredo noch immer wütend. „Kettering hat uns belogen.“

„Bist du dir da wirklich sicher?“

„Aber ja. Du hast sie doch gesehen, Vater. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Es gibt keine andere Frau, die so ist wie sie. Lady Sera, ist die Mondprinzessin.“

„Dann werden wir sie töten müssen.“ König Meeres sprach gefährlich leise. „Und zwar sehr bald.“

Alfredo lächelte einen Moment, doch sogleich verdüsterte sich seine Miene wieder.

„Und was ist mit Endymion? Du hast doch gesehen wie er sie anschaut. Ich sage dir, er wird sie keinen Moment aus den Augen lassen.“ Alfredo begann vor dem Kamin ärgerlich auf und abzugehen.

„Umso besser.“

Alfredo fuhr zu seinem Vater herum. „Bist du verrückt? Wenn Endymion stirbt war all unsere Arbeit umsonst!“

„Nein, nicht unbedingt.“ König Meeres lächelte böse. „Nicht solange Gaia glaubt, das Königin Sereniti dafür verantwortlich ist.“ Meeres klatschte in die Hände. „Oh, es könnte gar nicht besser sein.“

Er legte seinem Sohn den Arm um die Schultern. „Die Fische sind uns allesamt ins Netz gegangen. Nun brachen wir sie nur noch an Land zu ziehen und zuzuschauen, wie sie nach Luft schnappen und dabei langsam verenden.“

Er brachte seinen Sohn zur Tür. „Und nun geh und behalte Serenity im Augen. Sollest du auch nur den kleinsten Verdacht haben, das sie ihre Erinnerung zurück bekommt, dann töte sie. Hast du verstanden?“

„Ja, Vater! Und was wirst du jetzt tun?“

Die Augen des Älteren glitzerten im Feuerschein. „Ich werde meiner lieben alten Freundin Sereniti einen kleinen Besuch abstatten und ganz nebenbei dafür Sorgen, das Kettering uns nicht noch einmal belügt.“
 

Wie ein gefangenes Tier im Käfig, wanderte Endymion in der Bibliothek auf und ab. Ergriffen von dem Wissen, dass man seinem eigen Volk die Schuld am Tod der Mondprinzessin gab. Es stimmte ihn wütend, dass seine Mutter ihm diese Information vorenthalten hatte und noch mehr, das die Mondkönigin eine solche Lüge auch noch glaubte. Schließlich hatten weder er noch seine Mutter irgend einen Grund der Mondprinzessin etwas an zu tun. Ganz im Gegenteil.

„Verdammt!“ krachend ließ er seine Faust auf die Tischplatte, wo seine vier Generäle saßen, niedersausen. „Das hätte nicht passieren dürfen. Nicht jetzt! Perilia wartet doch nur auf eine solche Gelegenheit!“

„Glaubst du sie hat etwas mit dem Mord an der Mondprinzessin zu tun?“ wollte Kunzite wissen.

„Zutrauen würde ich es ihr“, meinte Neflite nachdenklich. „Aber ich glaube kaum, das sie so dumm ist. Schließlich sollte sie wissen, das wir sie als erste Verdächtigen würden, nachdem was sie sich geleistet hat!“

„Warum lässt du sie nicht einfach verhaften, Endymion?“, erkundigte sich Zoisite. „Schließlich hat sie Verrat am Könighaus begangen, als sie dich und Jedite einsperren ließ!“

„Aber ich habe keine Beweise dafür, das sie den Befehl dafür gab“, erklärte Endymion. „Und solange kann ich nichts gegen sie unternehmen, so gern ich es auch wollte. Viel wichtiger ist jetzt, das wir einen Krieg mit dem Mond verhindern.“

„Und wie sollen wir das anstellen?“ wollte Jedite wissen. „Ich meine, selbst wenn wir zu ihr gehen und unsere Unschuld beteuern, wird sie uns wahrscheinlich noch nicht einmal glauben. In ihren Augen sind wir doch schon längst die Schuldigen.“

Endymion schwieg nachdenklich. Dann hatte er einen Entschluss gefasst.
 

Serenity erwachte aus tiefstem Schlummer. Irgendetwas, vielleicht ein Geräusch, hatte sie geweckt. Sie lauschte in die Dunkelheit und hatte Mühe, die Benommenheit abzuschütteln.

Da war es wieder – ein schleifendes Geräusch. Schritte? Vielleicht eine Dienstmagd, die sich draußen auf dem Gang bewegte, dachte sie und wollte sich schon umdrehen. Jetzt hörte sie es erneut, ein leises Rascheln. Doch irgendetwas daran veranlasste sie, sich ganz still zu verhalten: Das Geräusch kam nicht aus dem Gang vor ihrer Tür, sondern hier aus ihrem Zimmer. Jemand durchsuchte ihre Sachen!

Sogleich war Serenity hellwach und versuchte, die Gestalt in der Finsternis auszumachen. Weshalb sollte jemand ihre Besitztümer durchsuchen? Sie besaß doch nichts Wertvolles.

Ein großer Mann schlich zu der kleinen Truhe neben ihrem Bett. Serenity schlüpfte aus dem Bett und stellte sich dem Eindringling.

„Wer bist du?“ schrie sie ihn an. „Und was hast du hier zu suchen?“

Der Mann erstarrte. Er hatte gedacht, sie schliefe, doch ihre Stimme kam keineswegs vom Bett her. Die Frau stand ganz in seiner Nähe. Er fuhr zu ihr herum. In diesem Moment zog eine Wolke vor dem Mond und tauchte sie beide in Finsternis.

Unwillkürlich griff Serenity nach dem Dolch unter ihrem Gürtel. Bestürzt stellte sie indes fest, dass sich dort gar keine Klinge befand. Sie trug keine Waffe bei sich! Da hatte sie nun den Eindringling herausgefordert und war selbst hilflos. Allerdings entsprach es nicht ihrer Natur, einfach aufzugeben.

„Antworte mir! Weshalb bist du hier!“

Der Mann schlug ihr heftig ins Gesicht. Betäubt fiel Serenity auf die Knie und stieß einen Schmerzensschrei aus. Im schwachen Licht des Mondes, an dem die Wolke vorübergezogen war, sah sie ein Messer in seiner Hand aufblitzen und merkte, dass er sich verteidigen würde, falls sie ihn angriff.

Als der Mann sich aus dem Staub machen wollte, sprang sie auf.

„Nein!“ schrie sie und stellte sich ihm in den Weg.

Seine Klinge fuhr durch die Luft und verfehlte Serenity nur um Haaresbreite.

„Sera.“ Von der anderen Seite der Tür her hörte sie Endymions Stimme, doch bevor sie ihm etwas zuzurufen vermochte, schloss sich schon eine Hand über ihrem Mund und die Nase. Nun bekam sie keine Luft mehr. Sie wehrte sich, und als sie merkte, dass dem Mann die Kraft ausging, biss sie zu. Mit einem wütenden Aufschrei ließ er von ihr ab.

„Sera, die Tür ist versperrt. Ihr müsst sie öffnen!“ rief Endymion.

Serenity schaute auf und sah grade noch, wie der Eindringling über den Söller kletterte. Rasch lief sie herbei, um ihn noch am Arm zu erwischen.

Fluchend versetzte er ihr einen Stoß, so dass sie gegen die Mauer hinter ihr prallte. Mit einem Schmerzensschrei brach sie auf dem Boden zusammen.
 

Wie aus weiter Ferne hörte sie Holz splittern, als die Tür zwischen den beiden Räumen gewaltsam geöffnet wurde, doch Serenity dachte nur an den Eindringling. Sie zog sich an der Brüstung hoch und blickte hinunter.

Der Fremde war inzwischen schon längst im Hof. Sie hörte zwar, dass er zu den Stallungen lief, konnte jedoch in der Dunkelheit seine Gestalt nicht ausmachen.

Erschöpft sank sie auf den Boden und hielt sich dabei an dem glatten Stein der Brüstung fest.

„Großer Gott, Sera, Ihr seid ja verletzt!“ Endymion ließ sich auf die Knie fallen und betaste die blutende Wunde an ihrem Kopf.

Es machte ihn wütend, das Sera, die ja unter seinem Schutz stand, Schaden erlitten hatte.

„Es ist doch nichts.“ Benommen versuchte Serenity, den Mann anzuschauen, der sich über sie beugte, doch sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen. „Jemand war in meinem Gemach...“

„Ja. Wer war das?“

„Ich weiß nicht. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen.“

„Hörtet Ihr seine Stimme?“

„Er sagte nichts. Nur einmal schrie er auf, als ich ihn...“

„Ihr habt ihn gebissen, Sera?“ Trotz seines Zorns hätte Endymion fast gelacht.

„Gewiss, weil ich ja keine Waffe bei mir hatte.“ Sie fasste ihn am Arm. „Ihr müsst ihn unbedingt finden, Endymion! Er lief zu den Stallungen.“

„Nein, Sera. Erst einmal muss ich mich um Euch kümmern.“

„Dann entkommt er doch!“

„Still, Sera.“ Überaus zärtlich hob er sie hoch und trug sie zum Bett. Dort zündete er eine Kerze an und untersuchte Serenitys Verletzung genauer.

„Ihr blutet, doch es scheint nichts Ernstes zu sein.“

„Mir geht es gut!“ Tränen der Enttäuschung stiegen ihr in die Augen. „Ihr müsst nach dem Eindringling schauen, Endymion. Ich muss wissen...“

Sanft legte er ihr einen Finger auf die Lippen. „Sera, ich will diesen Kerl doch auch finden, aber ich werde nicht von Eurer Seite weichen, bis ich diese Wunde versorgt habe.“

„Es ist doch nicht schlimm.“

„Das werde ich entscheiden.“

Während Endymion Wasser aus einem Krug in eine Schüssel goss und dann ein Tuch hineintauchte, stöhnte sie ungehalten, doch als er mit dem Tuch an ihre Kopfwunde kam, rührte seine Zärtlichkeit sie zu neuen Tränen, was ihr furchtbar peinlich war.

„Da seht Ihr´s. Eure Verletzung bereitet Euch Schmerzen.“ Er berührte ihre Wunde, woraufhin Serenity erbebte.

„Nicht doch.“ Einerseits wollte sie, dass er aufhörte, sie zu berühren, damit sie endlich wieder klar zu denken vermochte, doch andererseits wünschte sie, er würde sie bis in alle Ewigkeit berühren, damit diese seltsamen Empfindungen niemals verschwinden.

„Die Wunde ist nicht tief. Mich haben einfach meine Gefühle überwältigt. Vermutlich bin ich ein furchtsames, weinerliches Weib, das in Eurer Gegenwart ständig in Tränen ausbricht.“

Nun musste Endymion doch lachen. „Ihr seid weder furchtsam noch weinerlich, Sera. Jetzt schließt die Augen, während ich mich vergewissere, dass Ihr tatsächlich nicht so schwer verletzt seid.“

Serenity tat, wie ihr geheißen wurde, und blieb mit geschlossenen Augen ganz still liegen, während Endymion die Wunde auswusch und die Blutung stillte.

Sie fragte sich, wie es nur möglich war, das ein so wilder und grimmiger Mensch wie Endymion so zärtliche Hände hatte.

Sein warmer Atem, der über ihre Schläfe strich, erinnerte sie auf das Gefährlichste an seine Lippen, die nun kaum ein paar Fingerbreit von ihren entfernt waren. Was würde er wohl von ihr halten, wenn er Gedanken lesen könnte und entdeckte, wie sehr sie seine Berührungen genoss?
 

Während Endymion ihre Wunde verband, war er sich der Frau sehr bewusst, die so ruhig dalag. Er hatte sich geschworen, jetzt, da er daheim war, Abstand zu halten und sich ausschließlich auf die Bedürfnisse seiner eigenen Familie und seiner Landsleute zu konzentrieren, doch nun gestattete er es sich schon wieder, sie zu berühren.

Sein Blick glitt über elfenbeinfarbenes Nachtgewand, welches mehr enthüllte, als es verbarg. Ihre festen Brüste zeichneten sich deutlich unter dem leichten Stoff ab. Die Vorstellung, wie sich ihre wohlgeformten Beine im Bett um seine schlangen, löste in ihm heftiges Verlangen aus. Wenn Sera ahnte, wohin ihn seine Gedanken führten, würde sie ihn umgehend aus ihrem Gemach verbannen.

Das anhaltende Schweigen in diesem Raum brachte ihn langsam aus dem inneren Gleichgewicht. Endymion untersagte sich streng solche Gedanken, die ihn mehr verstörten, als er zugegeben hätte.

„Trugt Ihr etwas Wertvolles bei Euch, Sera? Etwas, das Ihr uns auf der Reise nicht zeigtet?“

„Nein. Ich kann mir nicht denken, was der Eindringling gesucht hat. Alles, was ich besitze, gehört jemand anderem. Die Kleidung, die ich zum Abendessen trug, gehört beispielweise Königin Gaia. Die sauberen Sachen, die dort gefaltet auf der kleinen Truhe liegen, gehören einem Soldaten. Selbst das Gewand, in dem ich schlafe, gehört mir nicht.“

Sie merkte, wie er sie betrachtete, und wünschte, sie hätte das Nachtkleid nicht erwähnt. Ihr wurde unangenehm bewusst, wie sie aussehen musste.

„Vergebt mir. Bei den überraschenden Ereignissen vergaß ich, meinen unschicklichen Aufzug zu bedenken.“

Auf seinem Gesicht erschien wieder dieses schalkhafte Lächeln, das sie nun schon so gut kannte.
 

Wie konnte eine Frau nur so unschuldig und trotzdem so verführerisch sein, fragte er sich.

„Euer Nachtkleid ist überaus... züchtig, Sera. Immerhin ist es ja bis zum Hals zugeknöpft.“ Mit dem Finger strich er um ihren Ausschnitt herum, woraufhin ihr kleine Schauer über den Rücken liefen. „So ein hübscher Hals“, raunte er und beugte sich zu ihr.

Gern hätte er diesen Hals geküsst, versagte es sich jedoch. Falls er es jetzt täte, würde er viel mehr wollen.
 

Serenity versuchte, die Angst zu unterdrücken, die ihr die Kehle zuschnürte. Endymion wollte sie küssen, das erkannte sie am Ausdruck seiner Augen. Ihre Angst wuchs. Seine Küsse waren so gefährlich wie das Gebräu eines Heilers, das den Geist benebelte und alle Empfindungen verstärkte. Dennoch konnte sie die Gefühle nicht vergessen, die er mit seinem ersten Kuss in ihr ausgelöst hatte. Bei jeder seiner Berührungen kehrten sie zurück, raubten ihr den Atem und ängstigten sie.

„Ihr habt höchst ungewöhnliches Haar, Sera.“ Jetzt spielte er mit einer ihrer langen Strähnen. „Es lässt mich an einen mondbeschienenen Weg in einer warmen Sommernacht denken, eine Nacht, die einen Zauberbann um einen Mann und eine Frau legen kann.“ Mit beiden Händen griff er in ihrer Locken und zog ihren Kopf zurück, bis sie ihm in die Augen schauen konnte.

„Endymion...“

„Und Eure Augen sind die faszinierendsten, die ich je sah. Manchmal glimmt in ihnen das Feuer eines Kriegers, und dann wieder wirken sie so unschuldig, dass ich Euch am liebsten forttragen möchte zu einem fernen Ort, wo Euch nie wieder etwas angetan werden kann.“

„Bitte, Endymion...“

„Wisst Ihr, wie viele Nächte ich über Euch nachgedacht habe?“

„Ihr müsst jetzt gehen“, hauchte sie.

Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen. „Ich fürchte, das kann ich nicht.“
 

Während er sich über sie beugte, schalte er sich einen großen Narren. Dies war keine Frau, mit der man spielen konnte. Immer wenn er sich erlaubte, sie zu küssen, wurde er tiefer in das Netz der Intrige hingezogen, welches sie zu umgeben schien. Dennoch ließ sich das Begehren nicht verleugnen, das zwischen ihnen beiden loderte. Er musste von diesen Lippen unbedingt noch einmal kosten.

Sobald sein Mund ihren berührte, durchströmte die Hitze Endymion aufs Neue. Das erschütterte ihn dermaßen, dass er Serenity bei den Schultern fasste und sich ein wenig zurückzog. Langsam beugte er sich dann erneut zu ihr und schaute ihr dabei tief in die Augen. Als er schließlich seinen Mund zum zweiten Mal auf ihren presste, zog er sie eng an sich.

Die Gefühle, die zwischen ihnen gewachsen waren, brachen jetzt hervor.
 

Für Serenity war es eine wilde Wonne, der ein tiefes Begehren folgte, das immer drängender wurde, bis sie sich an Endymion klammerte. Wie er sich anfühlte, wie er schmeckte – all das war ein Vergnügen, das schon an Schmerz grenzte.

Als er den Kuss vertiefte, stöhnte sie und forderte mehr von ihm. Er löste die Knöpfe ihres Nachtgewandes, bis er die seidenweiche Haut ertastete, von der er so lange geträumt hatte.

Sanft ließ Endymion die Hände über Serenitys Körper gleiten und stöhnte leise vor Glückseligkeit. Dunkelheit umgab sie, und das Feuer ihrer Leidenschaft loderte so heftig, dass es sie zu verbrennen drohte.

Endymion wusste, dass er zu schnell vorgegangen war. Beide standen sie am Rand einer Klippe, noch ein Schritt, und sie würde sich an ihm klammern, um ihm zu folgen, wohin auch immer. Ein Schritt...

Endymion schwankte und zog sich dann endgültig zurück, obgleich er die Erfüllung seines Verlangens herbeisehnte.

Unter Aufbietung aller Willenskraft löste er sich von ihr. Sehr still blieb sie liegen, und in ihren Augen las er die Verwirrung.
 

Serenitys Körper bebte noch von Endmions Berührung, und ihre Lippen waren noch feucht von seinem Kuss.

„Ihr müsst gehen, Endymion“, flüsterte sie.

„Nein, Sera. Ich bleibe hier.“ Seine Hände zitterten leicht. Entschlossen, ein wenig Abstand zwischen Sera und sich zu bringen, erhob er sich und ging zum Söller.

„Ihr wollt hier bleiben?“ fragte sie erstaunt. „Aber wieso?“

Er drehte sich herum. „Der Eindringling könnte zurückkommen. Ich darf Euch nicht alleine und hilflos hier lassen.“

„Ich bin gewiss kein hilfloses Geschöpf, Endymion.“

Sie hörte aus seiner Stimme die Belustigung heraus. „Das bezweifle ich nicht im Geringsten. Trotzdem kann ich Euch nicht alleine lassen.“

„Ihr dürft über Nacht nicht hier bleiben. Er...“ Sie vermochte, ihr hämmerndes Herz nicht zu beruhigen. „Es wäre nicht schicklich“, beendete sie den Satz. Sie verschwieg, dass sie niemals würde einschlafen können, wenn sie wüsste, dass er sie dabei beobachtete.

Er zuckte nur die Schultern, doch seinem leisen Lachen entnahm sie, dass er sich amüsierte. „Ihr habt zwei Möglichkeiten, Sera. Ihr mögt hier schlafen oder in dem Bett in meinem Gemach.“

„In Eurem Bett? Wieso das denn?“

„Nun, unser Eindringling hatte es auch Euch abgesehen, Sera, oder auf etwas in diesem Raum. Nur in meinem Bett werdet Ihr sicher sein.“

Sie dachte einen Moment darüber nach. Solange er in diesem Zimmer blieb, wäre sie in seinem Bett tatsächlich geschützter.

Entschlossen erhob sie sich. Dann begab sie sich zu seinem Gemach. An der Tür hörte sie seine warme Stimme: „Schlaft gut, Sera. Und falls die Dienstboten morgen früh den Zuber bringen sollten, werde ich mit Vergnügen das Bad genießen.“

„Mein Bad“, stöhnte sie entsetzt auf und drehte sich zu ihm um.

„Falls Ihr sehr nett zu mir seid, Sera, gestatte ich Euch möglicherweise, es mit mir zu teilen“, fügte er schalkhaft hinzu.

„Prinz Endymion, ich erwarte, dass Ihr mich weckt, ehe die Dienstboten kommen! Ich werde mein Bad nicht versäumen. Im Übrigen werde ich ihnen auch nicht erläutern, weshalb ich in Eurem Bett schlafe.“

„Das ist äußerst schade. Sie hätten dann doch so viel Gesprächsstoff gehabt...“

„Gebt mir Euer Wort, Endymion.“

Doch stattdessen schenkte er ihr nur ein Lächeln.

Ärgerlich seufzte sie auf. „Ihr braucht mich nicht zu wecken. Ich werde mich bemühen, wieder in meinem Raum zu sein, bevor die Dienstboten aufstehen.“

Damit drehte die sich um und warf die Tür lauter als nötig zu. Doch auch das übertönte nicht das tiefe, warme Lachen nebenan.

Serenity schlüpfte in Enfymions Bett, zog die Decke über sich und sog den männlichen Duft ein, der noch daran hing.

Niemals hätte sie es zugegeben, doch sie fand es ungemein tröstlich, in seinem Bett zu liegen und von dem vertrauten Duft und seiner Körperwärme eingehüllt zu sein. Obgleich sie sich ganz sicher war, in dieser Nacht nicht mehr einschlafen zu können, glitt sie doch schon bald in einen tiefen Schlummer.
 


 

byby Blacklady

Erster Verdacht

Konnichi Wa,

nach länger Pause und einem neuen PC^^ melde ich mich nun mit einem neuen Kapitel zurück. Ich hoffe ihr seit mir nicht all zu sehr böse, weil ich euch so lang warten ließ.
 

Möchte euch auch gar nicht lange aufhalten, ich wünscht euch viel Spaß^^
 


 

Kapitel: 15 Erster Verdacht
 

Serenity sah und hörte die Dienstboten im Gemach umhergehen. Sie zogen schwere Vorhänge zurück, schürten das Feuer und legten ihr die Garderobe für den Morgen bereit.

Die Dienstboten - um Himmelswillen sie waren gekommen, bevor sie aus Endymions Bett und in ihre eigenen Gemächern hatte schlüpfen können! Serenity stöhnte leise, zog sich die Decke über den Kopf und wünschte nur, sie könne im Erdboden versinken.

“Mylady, möchtet Ihr das Gewand auswählen, welches Ihr heute zu tragen wünscht?”

Widerstrebend schlug Serenity die Decke zurück und schaute sich um. Das Licht der Morgensonne blendete sie.

Sie befand sich in ihrem eigenen Bett, in ihrem eigenen Schlafgemach.

Sie erinnerte sich zwar nicht, doch Endymion musste sie hierher zurückgetragen haben, während sie noch geschlafen hatte. Erleichtert atmete sie auf und bedauerte sofort sämtliche Flüche, mit denen sie ihn im stillen bedacht hatte. Sie betrachtete die entzückenden Gewänder, die man vor ihr ausgebreitet hatte und deutete auf eines aus smaragdgrünen Satin.

“Dieses wäre mir sehr recht.”

“Sehr wohl, Mylady.”

Serenity schlüpfte aus dem Bett und trat zu einer Wasserschüssel auf der Frisierkommode. Nachdem sie sich erfrischt hatte, half ihr ein Dienstmädchen beim Ankleiden.

“Ihr habt gut gewählt, Mylady”, meinte die Magd leise. “Dieses Gewand steht Euch hervorragend.”

“Vielen Dank, doch jedes andere Kleid wäre mir auch recht gewesen.” Ob es wohl eine Zeit gegeben hat, in der ich mich für meine Graderobe interessiert habe, überlegte sie.

Die Magd frisierte Serenity so, dass deren Haar ihr in weichen Wellen über eine Schulter fiel.

“Wie heißt du?”, fragte sie die Dienstmagd und bewunderte deren weiche brauen Locken und die lebhaft blickenden Augen.

“Kira, Mylady.”

“Bist du schon lange auf diesem Schloss?”

“Seit meiner Kindheit”, antworte sie. “Meine Mutter sowie meine ältere Schwester arbeiten ebenfalls hier, Mylady.”

“Seit ihr glücklich hier?”

“O Mylady.” Kira lächelte so strahlend, dass über ihre Antwort keinerlei zweifel bestand. “Ich bin sehr stolz, Königin Gaia dienen zu dürfen, sie ist eine wahrhaft feine Dame und freundlich zu allen Dienstboten. Mein Vater starb in einer Schlacht an der Seite von König Sean, und Königin Gaia versprach, dass jede Frau von Elysion, die ihren Ehemann in einem Kampf verlor, hier im Schloss ihren Platz erhalten sollte.”

Das beeindruckte Serenity. “Königin Gaia nahm jede Witwe auf?”

“Jawohl, Mylady. Sie sorgt für alle Bewohner Elysions, als gehörten sie zu ihrer eigen Familie.”

“Was ist mit Bridget?”, erkundigte sich Serenity. “Wessen Kind ist das?”

“Königin Gaia hatte nur eine einzige Tochter, die reizende Prinzessin Fiona. Sie war ebenso gütig wie ihre Mutter und wohlmöglich noch schöner.” Die Magd seufzte ein wenig. “Sie war die Freude von Prinz Endymion.”

“Wo befindet sich Prinzessin Fiona jetzt?”

Das Lächeln der Magd erstarb.

“Prinzessin Fiona, lebt leider nicht mehr”, antwortete sie. “Sie starb bei der Geburt ihrer Tochter, an den Folgen inneren Blutungen.”

“Wie furchtbar. Und was ist mit ihrem Vater? Lebt er wenigstens noch?”

“Das weiß niemand so genau. Prinz Conor verschwand kurz nach dem Tod seiner Frau spurlos und wurde bis jetzt nie wieder gesehen.” Kira senkte die Stimme. “Gerüchten zu folge soll er dem Wahnsinn verfallen sein und in einem abgelegenen Kloster zuflucht gesucht haben. Doch wenn ihr mich fragt, Mylady, lebt Prinz Conor nicht mehr.”

“Weshalb nicht?”

Die Magd zuckte die Schultern. “Weil ich ihn gesehen habe, kurz bevor er das Schloss verließ und glaubt mir, Mylady, er war bereits innerlich gestorben.”

Kira band eine Seidenschleife in Serenitys Locken und trat einen Schritt zurück. “So, Mylady Ihr seht wunderschön aus!”

“Vielen Dank, Kira.”

Nachdem das Mädchen gegangen war, trat Serenity zum Söller, schaute über das üppige grüne Land hinaus und verarbeitete das Gehörte. Ihr Herz flog dem Kind zu, das seine Eltern verloren hatte. Ihre Lieben nicht zu kennen war für Serenity ebenso schmerzlich, als hätte sie einen Teil von sich selbst verloren.

“Offensichtlich habe ich Euer Bad versäumt. Zu schade aber auch. Ich hatte mich schon so darauf gefreut.”

Als sie Endymions spöttische Stimme hörte, drehte sie sich um. Er bemerkte den Ausdruck von Trauer in ihren Augen und sein Lächeln verschwand.

“Hätte ich geahnt, Sera, dass es Euch so unglücklich macht, wieder in Eurem eigenen Gemach zu sein, hätte ich Euch in meinem Bett gelassen. Die Dienstboten hätten dann denken können, was sie wollten.”

Serenity lächelte flüchtig. “Ich danke Euch, dass Ihr mich in mein Bett zurücktrugt, Endymion. Zumindest für den Augeblick habt Ihr meinen Ruf gerettet.”

“Es war mir ein Vergnügen, Sera. Ihr gabt ein höchst erfreuliches Bild ab, eines, das ich nicht sobald vergessen werde.”

Serenity errötete.
 

Er dachte daran, wie sie ausgesehen hatte, als er sie hochhob:

Ihr Nachtgewand war hoch gerutscht und ihr Haar war über seinen Arm gefallen. Es hatte seiner ganzen Selbstbeherrschung bedurft, sie nicht etwa mit einem Kuss aufzuwecken.

“Habt Ihr in Eurem Zimmer schon nachgesehen, um festzustellen, ob irgendwas fehlt?”, fragte er, um ihr über die Verlegenheit hinweg zu helfen.

“Nein, das habe ich nicht. Wie ich bereits erwähnte, besitze ich nichts Wertvolles. Doch wenn es Euch beruhigen sollte, will ich es gern jetzt tun.”

Von Endymion beobachtet, ging Serenity langsam im Gemach umher. Als sie zu der kleinen Truhe kam, machte sie ein bestürztes Gesicht.

“Was habt Ihr, Sera?”

“Die Kleidung des Soldaten. Die Sachen lagen zusammengefaltet auf dieser Truhe. Nun sind sie fort. Weshalb jedoch sollte jemand die Sachen eines Fremden stehlen?” Serenity guckte sich um und hoffte, dass sie vielleicht woanders lagen.

“Keine Ahnung. Fehlt sonst noch etwas?”

“Nein.”

“Was ist mit Eurer Kette? Der Anhänger ist sehr wertvoll!”

Serenity schüttelte den Kopf und zog die Kette unter ihrem Gewand hervor.

“Sie ist die einzige Verbindung zu meiner Vergangenheit die ich habe. Deshalb gebe ich sehr gut auf sie acht. Und außer Euch und Jedite, wusste niemand von ihr.”

Endymion wirkte recht nachdenklich, doch als er Schritte auf der Treppe vernahm, bot er Serenity den Arm.

“Kommt, Sera. Wir werden mit den anderen Gästen die Morgenmahlzeit einnehmen.”

“Aber…”

“Problemen stellt man sich am besten nach einem von Mistress Peake zubereiten Essen.”

Etwas widerstrebend legte Serenity ihm ihre Hand auf den Arm und ließ sich nach unten geleiten.

“Ich gebe zu, dass Mistress Peakes Speisen weit besser munden als kaltes, trockenes Geflügel, verzehrt auf feuchten Waldboden.”

“Und ich dachte, Ihr würdet mit größtem Vergnügen die Gelegenheit wahrnehmen, einmal wie ein richtiger Soldat zu leben, Sera.”

Lachend folgten sie dem Stimmengewirr und erreichten schließlich den Speiseraum.
 

Heller Sonnenschein fiel durch die Fenster herein und malte Muster aus Licht und Schatten auf die dunklen Holztische. Bei Serenitys und Endymions eintreten schauten die Herren auf und stellten ihre Gespräche ein.

Hugh Cleray stand sofort auf und rückte Serenity einen Stuhl zurecht. Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm er neben ihr Platz, während Endymion sich zu ihrer Linken niederließ.

“Gestern Abend, nachdem Ihr Euch zurückzogt und König Meres und sein Sohn ebenfalls zu Bett gegangen waren, ergötzte Prinz Endymion uns mit den Geschichten Eures Abenteuers. Wir beschuldigten ihn, uns Märchen aufzutischen, doch er behauptet, jedes Wort sei wahr. Was sagt Ihr dazu, Mylady? Versteht Ihr tatsächlich, einen Säbel zu schwingen wie ein Krieger? Oder ist unser Freund während seines langen Aufenthaltes im Fleet-Gefängnis verrückt geworden?”

Serenity fand die Gesellschaft dieses Herrn entspannend. “Möglicherweise wollt Ihr mich einmal herausfordern”, schlug sie lachend vor. “Dann könnt Ihr Euch ja selbst von meinen Fähigkeiten überzeugen.”

“Ich könnte doch gegen eine Dame keine Waffe heben, besonders nicht gegen eine Lady, die so hübsch ist wie Ihr.”

“Genau damit rechnet sie ja”, warf Endymion ein. “So schafft sie es, zahlreiche Gegner zu überwältigen. Jeder hält sie für zu schwach und zu zerbrechlich für einen ernst zu nehmenden Opponenten, und wenn die gegnerischen Krieger dann ihren Fehler erkennen, sind sie schon entwaffnet und hilflos.”

“Nicht doch, Königliche Hoheit.” Serenity blickte in die Runde der Männer. “Wenn Ihr noch mehr von meinen Geheimnissen preisgebt, müsste ich Euch herausfordern, und Ihr wollt Euch doch vor allen Euren Freunden nicht von einer Frau schlagen lassen.”

Die Anwesenden lachten über Endymions grimmiger Miene. “Da seht ihr, was ich alles ertragen musste, seit ich diese junge Dame kennen lernte.”

Kunzite guckte seinen alten Freund über den Tisch hinweg an und schaute dann zu Serenity.

“Nur Endymion konnte einer Frau begegnen, die wie ein Engel aussieht und dabei wie der Teufel zu kämpfen versteht. Wir anderen laden uns wahrscheinlich immer nur Frauen auf, die wie Hexen wirken, sich beim kleinsten Schatten erschrecken und dann hilflos in Tränen ausbrechen.”

Die Männer grölten.

“Was ist eigentlich mit deiner Hand passiert, Kunzite?” fragte Endymion übergangslos.

Verlegen ließ Kunzite die Hand in den Schoß sinken. “Heute Morgen half ich dem alten Padraig in den Stallungen, und da hat sich eines der Pferde einen Happen von mir abgebissen.” Er grinste. “Der alte Mann wird mit jedem Tag langsamer. Er sollte sich besser langsam zu ruhe setzten.”

“Wenn ihm die Möglichkeit genommen wird, bei den Tieren zu arbeiten, wäre das der Tod des Alten”, sagte Endymion leise.

“Falls deine Verletzung wehtut, Kunzite, dann bitte doch Sera, sich darum zu kümmern”, empfahl Jedite und setzte sich neben Endymion. “Sie kann aus Kräutern und Wurzeln eine Heilsalbe herstellen.” Er warf Serenity einen herzlichen Blick zu. “Dank Euch sind meine Wunden völlig verheilt.”

“Eine Heilerin!” Hugh Cleary musterte sie voller Bewunderung. “Hoffentlich finde ich Euch an meiner Seite, Mylady, wenn ich das nächste Mal in die Schlacht ziehe.”

Die Männer hörten König Meres Stimme vom Eingang her. “Ihr solltet nicht von einer Schlacht reden, solange ich mich unter diesem Dach befinde. Wir sprechen hier ausschließlich darüber, wie wir euch auf friedliche Weise auf unsere Seite bringen.”

Die Männer wandten sich dem Eingang zu, wo König Meres neben Königin Gaia stand. Mit einer eleganten Verbeugung legte er sich ihre Hand auf den Arm und führte sie zu einem hochlehnigen gepolsterten Stuhl an der Tafel. Die Vertraulichkeit, mit der er das tat, entging Endymion durchaus nicht. Doch er ließ sich seine Empfindungen nicht anmerken. Serenity indes sah einen Muskel in seiner Wange zucken.

“Gebt nur Acht, meine Freunde”, sagte König Meres, während er seinen Platz an der Tafel einnahm. “Falls einer eurer Landsleute an eine Schlacht auch nur denkt, so ist das schon ein Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wird.” Lächelnd meinte er zu Königin Gaia: “Ich bin jedoch als Euer Freund hier. Ich sehe und höre nichts.”

Er füllte sich seinen Teller und begann zu essen, als kümmerte ihn überhaupt nichts. An Endymion gewandt, fügte er noch hinzu: “Euch möchte ich nur mahnen zu bedenken, was Euer lieben Mutter geschieht, fall Ihr erneut eingekerkert oder- noch übler- in einer Schlacht getötet werdet.”

Nun fuhr Königin Gaia energisch dazwischen, denn sie hoffte, der Situation die Schärfe zu nehmen. “Genug jetzt mit dem Gerede von Schlachten! Wo ist eigentlich Euer Sohn, König Meres?”

“Alfredo liegt noch im Bett. Ich fürchte, die lange Reise und unsere gestrige Jagd haben ihn erschöpft. Beim Mittagsmahl wird er uns jedoch wieder Gesellschaft leisten.”

“Wann reist Ihr wieder ab, König Meres?” Endymion beobachtete den Mann über den Rand seines Humpens hinweg.

König Meres lächelte träge. “Nun als ich herzukommen beschloss, dachte ich noch, Ihr wäret tot, und da beabsichtigte ich, ein wenig länger hier zu verweilen. Doch nun, da Ihr wohlbehalten zurückgekehrt seid, ist dies ja nicht mehr notwendig und ich kann mit ruhigen gewissen noch heute Abend abreisen.”

“Heute Abend bereits?” fragte Königin Gaia überrascht.

“Ja, meine Liebe. Ihr wisst ja genauso gut wie ich, das die Pflicht leider nicht auf uns wartet. Deshalb ist es das Beste wenn ich unverzüglich an meinen Schreibtisch zurückkehre. Doch vorher würde ich Euch gerne um einen Gefallen bitten!”

Königin Gaia lächelte. “Nur zu. Sagt was immer Euch auf dem Herzen liegt.”

“Nun es geht um meinen Sohn, Alfredo. Er ist manchmal recht hitzköpfig und lässt sich nur all zu schnell von anderen Dingen ablenken. Deshalb wollte ich Euch fragen, ob er nicht noch eine Weile Eure Gastfreundschaft genießen darf. Denn ich denke, das er von Prinz Endymion noch eine Menge lernen kann.”

“Aber selbst verständlich, Meres. Euer Sohn ist uns stets ein willkommener Gast.” Sie schaute zu ihrem Sohn. “Nicht wahr, Endymion?”

“Natürlich, Mutter.” Endymion, der mit dem Essen fertig war, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. “Doch nun entschuldigt mich, ich habe noch sehr viel zu tun.”

Als er sich abwandte, erhaschte Serenity noch einen Blick auf seine nachdenklich gewordene Miene. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.

Auch seine Leibgarde erhob sich nur wenig später.
 

Nachdem Endymion den Speiseraum verlassen hatte, begab er sich in die Bibliothek. Dort trat er gleich an den Kamin und starrte düster in die Flammen.

Noch immer hörte er die spöttische Äußerung des Gefängniswärters:

“Und das Beste an der Geschichte ist, dass Euch jemand verraten hat, der sich Euer Freund nennt.”

Endymion begann im Raum auf und ab zu gehen. Ein Gedanke jagte den anderen. Wer unter seinen Freunden sollte ihn an Königin Perilia verraten haben? Und weshalb?
 

Einen kurzen Augenblick blieb Serenity in der offen Stalltür stehen und sog tief den Duft von Heu und Pferden ein. Der Geruch hatte eine beruhigende Wirkung auf sie und doch spürte sie gleichzeitig ein sehnen in ihrem Herzen, das sie sich nicht erklären konnte.

Besaß ihre Familie vielleicht ebenfalls Pferde? Oder besaß sie womöglich sogar ein eigenes? Hatte sie deshalb beim Anblick dieser Tiere, das Gefühl ihr würde etwas fehlen?

Das fehlen dieses Wissen war fast nicht auszuhalten und so verdrängte Serenity diese Gedanken rasch wieder. Nun, wenigstens versuchte sie es.

Als sie den Stall ganz betrat, blickte ein Stallbursche, der grade dabei war einen Kastanienbrauen Wallach zu tränken, auf. Sein Blick spiegelte deutlich seine Überraschung, sie hier zu sehen wieder, doch dann bildete sich auf seinen Lippen ein freundliches Lächeln.

“Guten Tag, Mylady. Kann ich Euch irgendwie helfen?”

Serenity erwiderte sein Lächeln. “Nein danke, ich möchte dich nicht von der Arbeit abhalten, sondern mich nur ein wenig umsehen. Tu einfach so, als wäre ich gar nicht da.”

“Ganz wie Ihr wünscht, Mylady. Solltet Ihr aber etwas brauchen, dann ruft mich einfach. Ich stehe Euch gerne zu Verfügung.”

Serenity nickte leicht. “Vielen Dank.”

Während der junge Stallbursche seine Arbeit wieder aufnahm, schlenderte Serenity zu einer Box hinüber wo ein junges Fohlen neugierig seinen Kopf heraus gestreckt hatte.

Es war Schwarz wie die Nacht, mit Ausnahme eines weißen Flecks auf der Stirn. Als Serenity nahe trat, legte es die Ohren an, stieß ein hohes spitzes Wiehern aus und bleckte die Zähne.

Von dem Geräusch alarmiert, drehte sich der Stallbursch wieder zu Serenity um. Als er sah, bei welchem Tier sie sich befand, rief er ihr eine Wahnung zu:

“Bleibt bitte zurück, Mylady. Das Fohlen ist noch sehr wild.”

Serenity jedoch beachtet ihn nicht, sondern ging weiter auf das schwarze Fohlen zu und begann mit beruhigenden Worten auf ihn einzureden. Gleichzeitig streckte sie die Hand langsam, aber ohne Furcht nach ihm aus.

Tatsächlich beruhigte sich das Tier ein wenig, doch seine Augen flackerte noch immer in Panik.

Als Serenity jedoch weiter unentwegt liebevoll auf ihn einredete, schwand dieser Ausdruck mehr und mehr, und er ließ den Kopf tief hängen.

“So ist es gut mein kleiner. Niemand wird dir etwas tun.”

Sanft legte Serenity ihr Hand auf seinen kleinen Kopf und streichelte ihn zwischen den Ohren.

“Wusstet Ihr, das Pferde ganz ausgezeichnete Menschenkenner sind, Mylady?” fragte plötzliche eine Stimme neben ihr . “Sie spüren instinktiv, ob es einer gut mit ihnen meint oder nicht.”

Ein wenig überrascht schaute Serenity zu Kunzite auf. Sie hatte gar nicht bemerkt das er sich ihr genähert hatte.

“Wollt Ihr etwa sagen das Ihr kein guter Mensch seit, Mylord?”, erwiderte sie lächelnd, als ihr Blick auf den weißen Verband, der um seine Hand geschlungen war, fiel.

Kunzite grinste. “So würde ich das nicht unbedingt nennen, Mylady.” sagte er, während er die Hand unauffällig hinter seinem Rücken verschwinden ließ. “Pferde haben mich nur zum fressen gern.”

Serenity musste lachen. “Ja so kann man es auch ausdrücken.”
 

Kunzite fiel in ihr Lachen mit ein, doch in seinem inneren sah es ganz anders aus.

Er konnte nicht sagen wieso, aber irgendetwas an dieser Frau störte ihn.

Vielleicht lag es nur daran, dass sie so anders war, als sämtliche Frauen die er bis jetzt kenne gelernt hatte. Vielleicht waren es aber auch ihre Ausdrucksstarken Augen, bei denen er stets das Gefühl hatte, sie schon einmal gesehen zu haben. Obwohl dies überhaupt nicht möglich war, er hätte sich mit Sicherheit daran erinnert, wäre er ihr schon einmal auf einen der unzähligen Balle begegnet.

Doch wenn sie kein Bewohner der Erde war, woher kam sie dann? Und vor allem was wollte sie hier?

Bevor jedoch die Antwort auf eine dieser Fragen herausfinden konnte, kam auch schon ein Stallbursche angerannt und verneigte vor ihnen beiden, bevor er sich an Kunzite wandte.

“Mylord, Euer Pferd ist jetzt bereit.”

Kunzite nickte, wenn auch etwas wiederwillig, hätte er sich doch am liebsten noch etwas länger mit der jungen Dame unterhalten.

“Danke. Ich komme sofort.”

Der Stallbursch verbeugte sich noch einmal, bevor er sich wieder von ihnen entfernte.

Seufzend wandte sich Kunzite wieder zu Serenity um.

“Es tut mir Leid, Maylady”, sagte er. “Ich würde gerne noch etwas mit Euch plaudern, aber ich fürchte, dass dazu keine Zeit mehr bleibt.”

“Dringende Angelegenheiten?”, erkundigte sich Serenity.

“Ich muss etwas erledigen”, antworte Kunzite ausweichend. “Doch ich hoffe sehr, Ihr werdet noch hier sein, wenn ich zurückkehre.”

“Werdet Ihr denn für länger Zeit fort sein, Mylord?”, fragte Serenity überrascht.

“Wahrscheinlich, für ein paar Tage. Doch es kann auch etwas länger werden.”

“Dann wünsche ich Euch eine gute Reise, Mylord.”

“Vielen Dank, Mylady.”

Kunzite Verbeugte sich kurz vor ihr, bevor er sich abwandte und den Stall verließ.
 

Nachdenklich schaute Serenity ihm hinterher.

Sie konnte nicht sagen warum, doch aus irgendeinen Grund, hatte sie das Gefühl das von ihm eine Gefahr ausging.

Bevor sie dieses Gefühl jedoch weiter ergründen konnte, tauchte plötzlich Jedite mit Bridget an der Hand in der Stalltür auf.

“Ach hier habt Ihr Euch versteckt, Sera”, sagte er lächelnd, als er sie erblickte. “Ich habe Euch schon überall gesucht. Bridget und ich wollen einen Spaziergang unternehmen. Möchtet Ihr uns begleiten?”

“Recht gern.” erwiderte Serenity und verließ mit ihm zusammen den Stall.

“Habt Ihr schon die Gärten gesehen, Sera?”, erkundigte er sich draußen.

“Nur von meinem Gemach aus.”

“Dann werden wir dort hingehen.”

Jedite beobachte Bridget, die vor ihnen hertanzte. Der Pfad führte zwischen Reihen sorgfältig getrimmter Hecken hindurch, und jenseits davon befanden sich hier und da Rosengärten sowie steinerne Bänke, die zum Verweilen einluden. Anerkennend schaute sich Serenity um.

Zwitschernde Vögel hüpften unter der Fontäne eines Springbrunnens herum und nahmen ein Bad. Jedite schien die Schönheit der Anlage gar nicht zu bemerken. Er sah weder die hübschen Blumen, noch nahm er ihren herrlichen Duft wahr.

“Was bereitet Euch Kummer, Jedite?”

“Oh, sehr viel, doch darüber kann ich nicht reden.”

“Oft ist geteilter Kummer halber Kummer”, meinte Serenity und legte ihm die Hand auf den Arm.

Jedite blickte sie lange schweigend an. “Ja, ich glaube mit Euch könnte ich reden wie mit keiner anderen Frau, Sera. Doch vieles von dem, was mein Herz bedrückt, darf nicht laut ausgesprochen werden - niemanden gegenüber.”

Serenity hätte ihm gerne einige Fragen gestellt: Was für ein Mensch war dieser Kunzite? Warum gab man der Königin die Schuld am Tod der Mondprinzessin?

Außerdem hätte sie gerne gewusst, welche Verbrechen ihn wohl ins Fleet-Gefängnis gebracht haben mochten. Doch sie behielt ihre Fragen für sich. Was immer Jedite bedrückte, musste ein Geheimnis bleiben, bis er freiwillig bereit war, es mit ihr zu teilen.

“Meine Zofe Kira berichtete mir von Bridges Eltern.” Serenity drückte ihm die Hand. “Es tut mir sehr Leid, Jedite. Ihr müsst Eure Prinzessin sehr vermissen.”

“Ja. Ich liebte sie abgöttisch. Das taten wir alle.”

“Habt Ihr denn irgendetwas über das Schicksal Ihres Vaters erfahren?”

“Leider nein.” Jedite seufzte. “Die Königin lässt noch immer überall nach ihm suchen. Doch bis jetzt ohne Erfolg.”

Serenity setzte sich auf eine Bank, und Jedite nahm neben ihr Platz.

“Erzählt mir etwas über Bridget.”

“Ihretwegen mache ich mir große Sorgen. Der Verlust ihrer Eltern ist für sie nur schwer zu ertragen.”

“Eure Sorge um das Kind ist ganz natürlich. Zumindest hat die Kleine ja die Liebe ihrer Verwandten, die sie ein wenig tröstet.”

Jedite schaute zu, wie das kleine Mädchen im Brunnen planschte. “Ja, das stimmt, nur spricht Bridget kaum. Es scheint, als hielte sie ihre Gedanken tief in sich unter Verschluss. Ich sprach schon mit Königin Gaia darüber, und sie gestand, dass sie den Schlüssel zu Bridgets Herz auch noch nicht gefunden habe. Das Kind öffnet sich einfach niemanden.”

“Gebt ihr etwas Zeit, Jedite. Ohne die Geborgenheit der Eltern aufwachsen zu müssen, muss etwas Schreckliches sein.”

“Ja - Zeit. Weshalb muss alles immer so viel Zeit in Anspruch nehmen?”

Jedite beobachtete die Kleine weiter, die sich nun niedergebeugt hatte und an einem Büschel Blüten schnupperte.

Serenity lächelte verständnisvoll. “Erzählt mir etwas über die Mondprinzessin”, bat sie dann. “Wie kommt es, das eine Prinzessin von einem anderen Reich, einen so starken Einfluss auf die Erde hat.”

“Prinzessin Serenity, war für viele von uns so etwas wie der Hoffnungsschimmer auf eine friedliche Zukunft”, antwortete Jedite, und auf Serenitys verblüfften Blick hin, fügte er hinzu. “Serenity und Endymion, waren schon seit ihrer Geburt einander versprochen gewesen. Und wenn sie geheiratet hätten, dann wären Erde und Mond zu einem vereinigten Königreich geworden. Dadurch wäre ein lang anhaltender Frieden gewährleistet gewesen.”

“Aber Endymion sagte doch, er sei der Mondprinzessin niemals begegnet. Wie kann er sie dann Heiraten wollen?”

Jedite lachte kurz auf. “Von wollen kann keine rede sein. Diese Ehe wurde aus rein politischen Gründen arrangiert. Als Thronerbe hatte Endymion gar keine andere Wahl, genauso wenig wie Prinzessin Serenity.”

Serenity schüttelte fassungslos den Kopf. “Wie kann man jemanden Heiraten den man gar nicht liebt?”

Jedite zuckte die Schultern. “Wenn man über das Schicksal Tausender entscheiden muss, dann wird das eigene unbedeutend. So ist das nun mal.”

Aus dem Augenwinkel nahm Jedite eine Bewegung war. Er und Serenity drehten sich um und sahen Bridget auf der schmalen Mauer balancieren, welche den Brunnen einfasste. Irgendwie musste sie dort hinaufgeklettert sein und begann nun, darauf entlangzugehen. Mit erhobenen Armen hielt sie das Gleichgewicht, schwankte jedoch gefährlich.

“Großer Gott!” rief Jedite entsetzte aus. “Nicht, Bridget! Bleib stehen!”

Als sie seinen Schrei hörte, hielt die Kleine an und wandte den Kopf. Die unvermittelte Ablenkung kostete sie jedoch die Balance. Mit einem Aufschrei fiel sie von der Mauer.

Serenity und Jedite eilten durch den Garten zu ihr.

Bridget lag auf dem Boden. Blut quoll aus den Platzwunden an ihren Knien und befleckte den zerrissenen Saum ihres rosa Kleides. Tränen rannen ihr über die schmutzigen Wangen.

Jedite kniete sich neben sie und streichelte zärtlich ihr Gesicht.

“Kannst du aufstehen, Schätzchen?”

“Mein Knie tut so weh.” Bridget schniefte und strich sich mit ihrer schmutzigen Hand über die Nase.

“Das sehe ich.” Er hob sich die Kleine auf die Arme. “Soll ich dich gleich hineinbringen, damit dich eine der Dienstmägde waschen kann?”

“Nein! Großmutter soll mich so nicht sehen.”

“Die Wunden müssen aber gesäubert werden. Ich kann nicht…”

“Nein! Sie darf mich nicht bluten sehen. Bitte, Onkel Jedite, erzähl ihr nichts!”

“Bridget, ich muss dich einer Dienstmagd übergeben.”

Die Kleine weinte noch heftiger.

Serenity hob die Hand. “Ich bitte Euch, Jedite, lasst mich sie versorgen.”

Jedite hätte widersprochen, wenn Bridget ihn nicht so flehend angeschaut hätte.

“Bridget, wirst du die Hilfe der Lady annehmen?”

Das Kind nickte scheu und wischte sich die Tränen von den Wangen.

“Bitte lass mich runter. Ich kann alleine laufen.”

Serenity nahm die Kleine bei der Hand. “Komm”, flüsterte sie. “Wir gehen durch den Dienstboteneingang in die Spülküche.”

Serenity lächelte Jedite aufmunternd zu und führte das Kind zum Haus.

“Ich werde einen Eimer Wasser holen”, meinte sie in der Spülküche. “Ich kann dich gleich hier reinigen, wo deine Großmutter dich nicht sieht.”

“Nein!” rief Bridget. “Eine der Mägde wird alles ausplaudern. Die berichten Großmutter ja immer alles, was ich so anstelle.”

“Aha.” Serenity überlegte einen Augenblick. “Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, dich in mein Gemach zu bringen, ohne dass wir gesehen werden…”

Das kleine Mädchen lächelte Serenity verschwörerisch zu und nahm sie bei der Hand.

“Kommt!” flüsterte sie. “Wir können die Dienstbotentreppe benutzen.”

Also stiegen sie die nur hin und wieder von Kerzen beleuchteten Steinstufen hinauf.

Bei ihren Gemächern angekommen, öffnete Serenity die Tür und führte das Kind zu einem Stuhl am Kamin.

“Zunächst werde ich diese Wunden versorgen”, murmelte sie und füllte eine Schüssel mit Wasser aus einem Krug. Während sie dann ein feuchtes Tuch auf die Verletzungen drückte, lächelte sie Bridget freundlich zu. “Danach werden wir sehen, wie wir dich und dein Kleid wieder sauber bekommen.”

“Ihr werdet Großmutter nichts erzählen?”

“Es sei denn, du wollest es.”

Die Kleine verzog keine Miene, während Serenity die aufgeschlagenen Knie wusch und das Blut stillte. Danach half sie dem Kind beim Ausziehen und Waschen. Als die Kleine sauber und in einer Decke eingewickelt vor dem Feuer saß, begann Serenity, die Flecken aus dem schmutzigen Kleid zu schrubben.

Interessiert beobachtete die Kleine sie dabei. “Habt Ihr Euch auch schon einmal die Knie aufgeschlagen?”

Serenity zuckte zusammen. “Das weiß ich nicht. Ich erinnere mich an überhaupt nichts aus meiner Kindheit.” Sie drückte das Wasser aus dem Kleidungsstück und schüttelte es aus. Bei der Arbeit schaute sie zum Fenster hinaus und seufzte.

“Wenn ich mir meine verlorene Kindheit ausmalen müsste, würde ich sie an einem Ort wie diesem hier stattfinden lassen - mit Bäumen, auf die man klettern, und Pferden, auf denen man reiten kann.” Sie drehte sich zu Bridget um. “Reitest du auf Pferden, die in den Stallungen stehen?”

“Nein, das hat Großmutter verboten.”

“Weshalb?”

Die Kleine rümpfte die Nase. “Sie sagt, meine Mutter sei einmal vom Pferd gefallen und dabei fast umgekommen. Großmutter meint, wenn mir etwas passierte, würde ihr das Herz berechen.” Bridget hob die Stimme. “Sie sagt, ich sei alles, was ihr von Fiona geblieben sei.”

“Verstehe.”

Das tat Serenity wirklich. Da Königin Gaia die eigene Tochter verloren hatte und nun für ihre einzige Enkeltochter sorgte, wollte sie das Kind besonders gut behüten. Je mehr sie allerdings versuchte, Bridget von allen Gefahren fern zu halten, desto stärker wurde das Bedürfnis des Kindes, diesem übertriebenen Schutz zu entfliehen.

Serenity hängte das nasse Kleid vors Feuer, setzte sich neben Bridget auf die Polsterbank und zog sich das kleine Mädchen auf den Schoß.

“Dein Kleid wird rechtzeitig zum Mittagessen trocken sein. In der Zwischenzeit werde ich dir das Haar bürsten, und dann verbringen wir beide eine ruhige Zeit hier in meinem Gemach.”

Während sie mit der Bürste durch die langen roten Strähnen strich, entspannte sich das Mädchen, und bald fielen ihr die Augen zu.

Nachdem Bridget eingeschlummert war, betrachtete Serenity sie. Das kleine Mädchen, das so tapfer um seine Unabhängigkeit kämpfte, rührte sie irgendwie. Obgleich sie sich eben erst kennen gelernt hatten, spürte Serenity in dem Kind eine verwandte Seele.
 

byby Blacklady

Die ersten Klänge des Krieges

Gommen dasai,
 

es tut mir schrecklich leid, dass ihr sooooo lange auf dieses Kapitel warten musstet, doch ich hatte eine entsetzlich Schreibblockade. Jetzt ist es zwar auch noch nicht viel besser, aber ich habe mir alle mühe gegeben, das Kapitel so gut wie möglich fertig zu bekommen, auch wenn ich nicht hundertprozent damit zu frieden bin.

Im Augenblick kämpfe ich mich bereits durch das nächste Kapitel und ich hoffe, das ihr dieses Mal nicht so lange darauf warten müsst.

Nun will ich euch aber nicht länger aufhalten. Ich wünsche euch viel spaß beim lesen und wenn ihr mögt könnt ihr mir ja auch ein paar Kommis hinterlassen, vielleicht helfen sie ja gegen meine Schreibblockade^^
 


 

Kapitel 16: Die ersten Klänge des Krieges
 

Trotz der Frühenmorgenstunde herrschte im Mondpalast bereits hektische Betriebsamkeit. Die Schlacht war schon mit dem ersten Licht des Tages neu entbrannt und unzählige Boten eilten durch die Gänge und Hallen, um Befehle oder Berichte über den verlauf der Kämpfe zu überbringen.

Luna war so in ihre Gedanken vertieft, das sie ihre Umgebung kaum wahr nahm, doch selbst in diesem Zustand entging ihr nicht, die ungute Stimmung, die nicht nur hier im Palast herrschte.

Hätte Luna die Wahl gehabt, so wäre sie lieber gegen das Sonnenkönigreich in eine Schlacht gezogen, als jetzt ihr im Palast zu Untätigkeit verdammt zu sein.

Luna fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen. Sie begriff nicht, was in den letzten Tagen geschehen war - und noch viel weniger, was es zu bedeuten hatte.

Wo war Venus? Woher kam dieser Hass, den das Sonnenkönigreich ihnen und ihrem Volk entgegenbrachten? Und warum musste ausgerechnet Königin Gaia sie verraten und ihre geliebte Prinzessin töten? Nichts von alledem schien irgendeinen Sinn zu ergeben!

Plötzlich blieb Luna stehen. Irgendetwas, vielleicht ein Geräusch, hatte sie erschreckt.

Mit klopfenden Herzen blickte sie sich um, doch der Gang in dem sie sich befand, war leer. Nirgendwo rührte sich etwas.

Kopfschüttelt setzte Luna ihren Weg fort. Wahrscheinlich hatten ihre Nerven ihr einfach nur einen Streich gespielt.

Doch sie kam nur ein paar Schritte weit, bevor sie das Geräusch erneut vernahm. Dieses Mal war Luna sich sicher, das es keine Einbildung gewesen war. Vor ihr waren Stimmen, aber es gelang ihr nicht, zu erkennen, woher sie kamen oder wer sprach.

Geduckt und so gut wie lautlos rannte Luna bis zum ende des Ganges weiter und späte um die Ecke. Auch dieser Gang war leer, und endete bereits nach wenigen Schritten vor einer hohen, mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Tür.

Erst jetzt - sonderbarerweise tatsächlich erst jetzt, als sie davor stand - erkannte Luna, das ihr Weg sie direkt zum Arbeitszimmer der Königin geführt hatte.

Und jetzt?, dachte sie und musste an sich halten, um nicht laut zu lachen. Sie musste wirklich aufhören, so misstrauisch zu sein. Was für eine Schnapsidee, hinter einer Stimme hinter zu schleichen!

Die Idee hätte glatt von ihrer Prinzessin stammen können. Aber das kam nun mal davon, wenn man den ganzen Tag auf einen Wildfang aufpassen musste, der in einem Palast aufwuchs und als Gesellschaft nur vier fast gleichaltrige Freundinnen und reichlich nachgiebiges Personal hatte. Mit damenhaften Benehmen hatte das hier ganz sicher nichts zu tun.

Was war bloß los mit ihr? Stand da im Schatten und argumentierte mit sich selbst! Das war so ziemlich das Dümmste, was sie machen konnte.

Fast so dumm, wie einer Stimme hinter zu schleichen.

Einen Moment lang ärgerte Luna sich noch über sich selbst, dann drehte sie sich entschieden um. Schließlich gehörte es sich nicht seine Königin zu belauschen.

Doch noch bevor sie den ersten Schritt tun konnte, erklang die Stimme erneut. Dieses mal so laut und deutlich, das selbst ein normaler Mensch, sie nicht überhören konnte.

“Wie lange willst du noch zögern, Sereniti? Sie hat bereist deine Tochter getötet! Willst du, das sie auch noch deine Reich zerstört?”

Luna erstarrte.

Sie erkannte die Stimme sofort, sie erkannte Ihn.

König Meeres.

Doch was tat der König des Orionnebels hier im Mondpalast? Noch dazu im Arbeitszimmer der Königin?

Von ihrer Neugierde getrieben schlich Luna näher zur Tür, die, wie sie jetzt bemerkte gar nicht geschlossen, sondern einen Spalt breit offen stand.

Das war ungewöhnlich genug um Luna zu beunruhigen, zumal dieses Gespräch nicht für die Ohren eines dritten bestimmt zu sein schienen.

Vielleicht, so dachte sie zumindest, sollte sie doch besser einfach umdrehen und verschwinden, bevor man sie eventuell noch bemerkte.

Doch so sehr sie auch von der Richtigkeit dieses Gedankens überzeugt war, ihr Körper wollte ihr einfach nicht gehorchen. Wie gelähmt stand sie da, während sie mit angehaltenen Atem lauschte.

“Und was soll ich deiner Meinung nach Tun, Meeres?”, hörte Luna die Stimme ihrer Königin. Sie klang beleiernd vor Müdigkeit und Kummer. “Ich kann mir keinen weiteren sinnlosen Krieg leisten. Nicht jetzt, wo das Sonnenkönigreich nur auf einen günstigen Moment wartet, um über uns herzufallen. ”

Meeres blieb einen kurzen Augenblick lang stumm. Als er weiter sprach, war seine Stimme nicht nur wieder leiser, sondern auch hörbar weicher.

“Selbst wenn du recht hast…” Er fuhr in noch behutsamerem Tonfall fort: “… und du noch ein paar Tage oder sogar Monate wartest. Glaubst du ernsthaft das es irgendetwas ändern würde? Das, du und Gaia einfach genauso weiter leben könnt wie bisher?”

“Nein. Aber…”

“Aber was?”, schnitt Meeres ihr das Wort ab. “Du weißt, dass ich Recht habe”, sagte er fast mitfühlend.

“Es wäre wohl sinnlos, dir etwas vormachen zu wollen. Du weißt, dass ich Gaia nie gemocht habe, und was geschehen ist gibt mir Recht. Sie ist nicht mehr deine Freundin! Und ich bezweifle ernsthaft, das Du es für Sie jemals gewesen warst.”

“Das ist nicht wahr!”, widersprach Sereniti. Die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus. Da war keine Überzeugung in ihrer Stimme, nur Trotz. Vielleicht auch Verzweiflung.

Luna fragte sich, woher sie die Kraft nahm, immer noch so ruhig zu bleiben. Meeres Verhalten ärgerte sie maßlos. Doch anstatt dem immer heftiger werden Wunsch, ihm einfach das Gesicht zu zukratzen nach zugeben, bewegte sie sich nur näher zur Tür. Der Spalt war breit genug, damit sie hineinsehen konnte ohne selber gesehen zu werden.

Königin Sereniti saß wie immer hinter ihrem Schreibtisch, doch sie sah um Jahrzehnte gealtert aus. Ihr langes Haar, obwohl tadellos gewaschen und frisiert, wirkte strähnig, und ihr Gesicht war eingefallen und sehr blass. Die schweren Tränensäcke unter ihren Augen hatten sich dunkel verfärbt, als hätte sie in den zurückliegenden Tagen zusammengenommen nicht mehr als eine Nacht Schlaf gefunden, und ihre Hände, die sie nebeneinander vor sich auf die Tischplatte gelegt hatte, zitterten sachte.

Zum ersten Mal, seit Luna ihre Königin kennen gelernt hatte, glaubte sie das ungeheure Gewicht der Verantwortung zu sehen, das auf ihren Schultern lastete.

“Wenn es nicht wahr ist“, fuhr Meeres nach einen kurzen Moment des Schweigens fort. “Wieso reagiert sie dann nicht auf deine Briefe? Oder kommt her um mir dir persönlich zu reden? Warum lehnt sie jede Möglichkeit von dir, sich gegen die Anschuldigungen, die man gegen sie vorbringt zu wehren von vornherein ab?”

Als er keine Antwort bekam, drehte sich Meeres vom Fenster weg, an dem er bisher gestanden und reglos hinausgesehen hatte, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Sereniti herausfordernd an.

“Soll ich dir verraten, warum sie es nicht tun?” Die Worte klangen wie eine Frage, auf die der Ältere aber ganz offensichtlich keine Antwort erwartete, denn er sprach bereits weiter. “Sie tut es nicht, weil sie im Augenblick zu sehr damit beschäftigt ist, eine Arme gegen dich auf zubauen. Verstehst du, Sereniti. Gaia hat nie vor mit dir Vernünftig zu reden, das einzige was sie will, ist dich und dein Reich vernichten.”

Der verräterische Laut, der aus Lunas Kehle wich und sich verdächtig nach einem knurren anhörte, ging im erstickten Aufkeuchen ihrer Königin unter.

“Das… das ist nicht wahr.”, sagte sie. Ihre Stimme war kaum noch zu hören, ein bloßes Flüstern, in dem eine so tiefe Verzweiflung und Trauer lag, dass Luna den Schmerz, den die spürte, nachempfinden konnte.

Meeres jedoch schien mit ihrer Antwort mehr als zufrieden. Er nickte. “Ich Versteh”, sagte er. “Du glaubst mir nicht.” Er hob abwehrend die Hand, als Sereniti etwas erwidern wollte, und fuhr mit einem spöttischen Lächeln fort. “Aber damit habe ich schon gerechnet.”

Er griff unter sein Gewand und zog ein eng zusammengerolltes Pergament hervor, das mit einem roten Stoffband zusammengehalten wurde. Umständlich löste er den Knoten, doch statt es zu entrollen, wie Luna erwartet hatte, übergab er es nur Wortlos der Königin des Mondes.

“Was ist das?”, wollte Sereniti wissen.

“Etwas das deine Meinung vielleicht ändern wird”, erwiderte Meeres, ohne auf ihre Frage einzugehen.

Sereniti nahm es hin.

Einen Moment zögerte sie noch, dann entrollte sie das Pergament. Am Knistern des Papieres war zu erkennen, dass es noch nicht sehr alt sein konnte.

Erschrocken keuchte Sereniti auf. Das entsetzen stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

“Das… das ist unmöglich”, flüsterte sie fassungslos. “Woher hast du das?”

“Das ist unwichtig”, antwortete Meeres ausweichend. “Wichtig ist nur das es echt ist und das es beweißt, dass ich Recht habe, Gaia wird dich angreifen. Die Frage ist nur, ob du es zulassen wirst oder nicht. Denn wenn du es nicht kannst, dann tue ich es für dich.”

“Nein”, sagte Sereniti fast erschrocken. “Das ist meine Aufgabe.”

“Hast du denn die Kraft dazu?”, fragte Meeres. “Ich meine es ernst. Wenn du ihr gegenüberstehst und es nicht kannst, wird sie vielleicht nicht nur dich töten, sondern auch mich und viele andere.”

Sereniti nickte ernüchtert. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht.

“Ich weiß”, flüstere sie.

“Gut.” Ein kaltes, grausames Lächeln erschien auf Meeres Lippen. “Dann bring es zu Ende. Sag deinen Sailor Krieger, sie sollen Gaia vernichten, zusammen mit der Erde.”

Ein Schauer, wie von tausend kleinen Spinnbeinen verursacht, rann über Lunas Rücken.

Sie hätte am liebsten alles vergessen, was sie eben gehört hatte. Sie spürte, wie sich ihr Unbehagen noch verstärkte, wie ein übler Geruch, der plötzlich in der Luft lag und alles verderben würde, wenn es ihr nicht gelang die Ursache dafür zu finden und auszumerzen.

Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Sie wusste nicht einmal mehr, was sie glauben wollte.

Alles drehte sich. Ihre Gedanken überschlugen sich und kreisten zugleich ständig um dieselben Fragen.

Und plötzlich war ihr kalt. Entsetzlich kalt.
 

Vom Fenster aus beobachtete Endymion, wie Serenity Bridget in den Sattel half. Padraig, der gebeugte alte Stallmeister, der über mehr als drei Generationen für die Königliche Familie gearbeitet hatte, stand neben dem Pferd und hielt die Zügel.

Zwei Tage lang hatte Serenity auf Königin Gaia einreden müssen, bis diese ihr höchst widerstrebend die Genehmigung erteilte hatte, dem Kind das Reiten zu gestatten. Mit großem Stolz schaute Endymion jetzt zu, wie seine kleine Nichte kerzengrade im Sattel saß.

Die Hüfte an der Fensterbank gestützt, verschränkte er die Arme vor der Brust und lächelte bei Serenitys Anblick. Sie trug ein sonnengelbes Gewand und rief Bridget Anweisungen zu. Das Kind übernahm die Zügel und ließ die Stute im Kreis herumgehen.

Die Tür wurde geöffnet, und Endymion sah Jedite hereinkommen. “Ich finde es gut, dass die beiden sich so prächtig verstehen”, bemerkte dieser und trat näher ans Fenster.

“Da bin ich mir nicht so sicher.” Endymion machte ein finsteres Gesicht. “Mutter ist besorgt wegen Seras Einfluss auf die Kleine. Sie fürchtet, als Nächstes wird sie ihr bebringen, einen Säbel zu schwingen.”

Beide Männer lachten.

Jedite wurde wieder ernst. “Das wäre ja auch nicht das Schlechteste, wenn Sera sie diese Kunst lehren würde.”

“Da hast du leider Recht. “ Endymion seufzte leise. “Im Augenblick ist die Situation

Zwischen den Reichen sehr verworren.”

“Wie ist die Lage?” erkundigte sich der Blonde. “Was ist mit dem Mond?”

“Unverändert”, antworte Endymion. “Es gab ein paar kleinere Gefechte mit dem Sonnenkönigreich, aber nichts ernstes. Im Augenblick ist kein Angriff auf die Erde zu erkennen, weder eine Strategie, noch irgendwelche Bewegungen.”

“Besteht die Chance auf eine friedliche Einigung?”

Endymion seufzte noch einmal und wandte sich ganz Jedite zu.

“Im Moment ist das schwer zu sagen. Meine Mutter tut zwar alles was sie kann, aber es ist schwerer einen Krieg zu stoppen und Frieden zu schaffen, als den Krieg einfach zu Ende zu führen.”

Jedite schaute dem kleinen Mädchen zu, das in seinem Sattel auf und nieder hüpfte, während das Pferd eine schärfere Gangart aufnahm. Die Hände hielt er zu Fausten geballt.

“Ich denke auch, dass die Vermeidung von Gewalt wichtig ist”, erklärte er leise. “Aber, wenn wir angegriffen werden bleibt uns keine andere Wahl. Wenn man seine Kraft nicht einsetzt, wenn die Situation es erfordert, riskiert man alles zu verlieren.” Er guckte jetzt zu der Gestalt, die Bridget Ermutigungen zurief. “Die, die in Frieden leben wollen, verdienen es, beschützt zu werden!”

Überrascht schaute Endymion seinen blonden Freund an. “Du hast dich sehr verändernd, Jedite”, bemerkte er. “Früher hättest du nie so geredet.”

“Früher hätte ich auch niemals geglaubt, das wir uns jemals in einer solchen Situation befinden würden”, antworte der Blonde.

Endymion legte seinem Freund den Arm um die Schulter, während er sprach: “Ich kann verstehen, wie du dich fühlst, Jedite und glaube mir, es ergeht mir nicht anders. Auch mir gefällt es nicht, einfach tatenlos abzuwarten, während der Mond direkt vor unser Nase eine Arme aufstellt. Doch was sollen wir machen. Im Augenblick können wir nichts weiter tun, als zu warten, bis Kunzite von seiner Mission zurück kehrt.”

Während er zum Schreibtisch ging und dort eine Pergamentrolle zur Hand nahm, blieb Jedite am Fenster stehen.

“Falls du unsere Abenteuer noch einmal erleben könntest, würdest du es dann tun?”

Die unerwartete Frage verunsicherte Endymion für einen Moment, doch dann schüttete er denn Kopf.

“Nein.”

“Weshalb nicht?”

Endymion seufzte und schaute seinem Freund direkt in die Augen. “Weil es noch nicht vorbei ist, Jedite.”

Er dachte an den Fremden, der in Serenitys Gemächern eingedrungen war, und an die höhnischen Worte des Gefängniswärter. “Ich fürchte, es ist noch lange nicht vorbei.”

Was er jedoch seinem Freund nicht gestehen wollte - es gab einen weiteren Grund, weshalb er die Abendteuer nicht wiederholen wollte: Sera. Von dem Moment an, als sie mit blitzenden Augen und gehoben Stock in sein Leben getreten war, war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Diese Frau stellte eine Komplikation in seinem Leben dar, um die er nicht gebeten hatte und die er in diesen unsichern Phasen auch nicht zulassen sollte.
 

Von der Höhe des Hügels herab betrachtet und im Licht der Mittagsonne, die das Meer in einen kupferfarbenen Spiegel verwandelte und die Konturen der Mauer und Türme aufzuweichen schien, bot die Stadt einen geradezu friedlichen Anblick.

Über die große Entfernung hinweg war in den schmalen Straßen und verwinkelten Gässchen kein menschliches Leben zu erkennen. Selbst das weit offen stehende Stadttor schien leer zu sein, wie eine Einladung an jeden, hereinzukommen und eine Gastfreundschaft zu genießen, von der Venus doch nur zu gut wusste, dass es sie nicht gab - schon gar nicht für sie.

Wenn sie genau hinsah, meinte sie etwas wie einen flüchtigen Dunst wahrzunehmen, etwas wie Nebel, der über der Stadt hing und zu fein war, als dass ihr Blick ihn tatsächlich erfassen konnte - ein Trugbild, das dieser Stadt, so hässlich und wehrhaft sie in Wahrheit auch sein mochte, etwas Verlockendes verlieh.

Sie schien nicht hierher zu gehören, weder in dieses Land noch in diese Zeit - ein Überbleibsel aus einer Epoche, in der nicht nur die Dinge, sondern auch die Menschen anders gewesen waren, und in der noch Frieden und Vertrauen das Leben bestimmt hatten.

Venus wusste jedoch nur zu gut, wie falsch dieser Eindruck war. Und hätte sie es nicht schon vorher gewusst, so hätte sie es wohl spätestens zugeben müssen, als sie ihren Blick, mit einiger Mühe, von den Dächer und Zinnen der Stadt löste und über das dahinterliegende Meer schweifen ließ.

Es war schwarz von Schiffen.

Sie hatte versucht, sie zu zählen, war aber irgendwo zwischen hundert und hundertfünfzig durcheinandergeraten ( und somit noch weit von ihrer wahren Anzahl entfernt ) und hatte es beim zweiten, ebenfalls misslungenen Versuch aufgegeben. Eines war jedoch klar: Noch nie in ihrem Leben, hatte sie eine solch große Flotte zu Gesicht bekommen. Und dies war nur ein kleiner Teil der gewaltigen Armee, die zum Krieg rüstete.

Mitleerweile kamen ihr ernsthafte Zweifel, ob es wirklich so klug von ihr gewesen war, den kürzesten Weg nach Elysion zu wählen. Die ganze Stadt musste geradezu aus den Nähten platzen von Soldaten. Wie sollte sie es so unbemerkt bis zum Hafen schaffen und zudem noch ein Schiff finden, das sie nach Elysion bringen konnte?

Ihr Pferd begann, unruhig mit den Vorderhufen im Boden zu scharren. Nach Tagen, in denen sie jeder menschlichen Ansiedlung und Nähe sorgsam ausgewichen und sich stets in den Wäldern gehalten hatten, witterte das Tier nun die Nähe eines Stalls und sehnte sich wohl sosehr nach frischem Heu und einem Verschlag für die Nacht, wie Venus nach einem Bett und einer Mahlzeit, die nicht nur aus einer Handvoll Beeren und einem halb verhungerten Kaninchen bestand.

Dennoch zog sie sachte an den Zügeln, um das Tier zu beruhigen, und sah noch einmal lang und nachdenklich auf die grauen Mauern Bresils hinab.

Irgendetwas musste geschehen sein, von dem sie noch nichts wusste. Und es schien nichts Gutes zu sein. Sie schob die Hand unter den Mantel und tastete nach dem Schwertgriff.

Erst als sie das kalte Metall berührte, wurde ihr bewusst, wie lächerlich sie sich benahm. Es handelte sich schließlich nur um Soldaten. Das sie sich ausgerechnet in dieser Stadt versammelten, und nicht in Elysion, war gewiss merkwürdig, mehr aber auch nicht. Zumal es schlimmeres Übel auf der Welt gab als Soldaten. Sehr viel schlimmeres…

Ihr Pferd schnaubte ebenso laut wie nachdrücklich, und Venus wurde erst jetzt klar, dass abermals Minuten verstrichen waren, in denen sie einfach dagesessen und ins Leere gestarrt hatte. Ein wenig schuldbewusst dachte sie an ihre Freundin Mars, die sich darauf verließ, das Venus ihre Prinzessin fand und sie wohlbehalten nach Hause zurück brachte. Was würde die Kriegerin des Feuers wohl sagen, wenn sie herausfand, das sie zu spät gekommen war, nur weil sie ihre wertvolle Zeit vertrödelt hatte?

Allein der Gedanke daran tat weh.

Gegen körperliche Schmerzen war sie weitgehend unempfindlich, vielleicht, weil er für sie nahezu bedeutungslos geworden war; aber die Qual, die ihre Seele zerfleischte brannte dafür um so heißer.

Venus schüttelte den Gedanken ab, nahm die Zügel wieder auf, und gab ihrem Pferd mit einem sachten Schenkeldruck die Erlaubnis, weiterzutraben.

Was auch immer in dieser Stadt vor sich ging, sie würde es herausfinden, noch bevor der Tag zu ende war. Das Schwor sie sich.
 

Als Kunzite erwachte, stach rotblasses Licht wie dünne weiße Nadel durch seine geschlossenen Lieder, und er hatte entsetzliche Kopfschmerzen. In seinem Mund war ein übler Geschmack nach Erbrochenem, und als er versuchte, sich zu bewegen, konnte er es nicht.

Bruchstücke von Bildern und vollkommen sinnlosen Erinnerungsfetzen wirbelten hinter seiner Stirn durcheinander und versuchten, ihn noch mehr zu verwirren, als er ohnehin schon war. Er versuchte sich daran zu erinnern wo er war, aber es gelang ihm nicht. Genauso wenig, wie er sich daran erinnern konnte, was nach seiner Abreise von der Erde überhaupt geschehen war.

Das war ungewöhnlich. Irgendetwas musste mit seinem Erinnerungsvermögen nicht in Ordnung sein. Es wäre erschreckend gewesen, hätte er sich in einer Verfassung befunden, sich einem derart intensiven Gefühl zu stellen. Er musste wohl die Augen öffnen, um herauszufinden, wo er sich grade befand.

Er versuchte es, aber das Licht tat so weh, dass er die Augen mit einem schmerzerfüllten Einziehen der Luft wieder schloss.

Nur einen Moment später hörte er Geräusche: Zuerst ein dumpfes knarren, dessen genaue Bedeutung Kunzite nicht erraten konnte, dann rasche, schwere Stiefelschritte und schließlich das Scharren eines Riegels, der zurückgeschoben wurde. Eines sehr schweren Riegels

“Na habt Ihr endlich ausgeschlafen?”, erkundigte sich eine spöttische Stimme.

Kunzite versuchte sich zu bewegen und stellte fest, dass es nicht ging. Seine Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden, und auch seine Fußgelenke mit eng sitzenden, groben Stricken aneinander gefesselt.

“Was soll das?”, grollte er. “Was ist hier los?”

Er stemmte sich mit aller Kraft gegen seine Fesseln, erreichte damit aber nur, dass sich die Stricke tief in seine Haut gruben.

“Das hat keinen Sinn”, erklärte die fremde Stimme und lachte leise. “Du vergeudest nur deine Kraft.”

Kunzite ignorierte seinen spöttischen Ton und stemmte sich noch einmal, und mit noch größerer Kraft gegen seine Fessel. Er hörte erst auf als ihn jemand so hart in die Seite trat, dass ihm die Luft wegblieb.

Plötzlich kamen die Erinnerungen an die beiden zurückliegen Tage. Von einem Augenblick auf den anderen erinnerte er sich an alles: Die Soldaten, die Falle, Königin Perilia - und das Gefängnis….

“Oh nein mein Freund”, polterte der Fremde nahe an seinem Ohr. “Du bleibst schön liegen.”

Kunzite wollte schreien, aber er brachte nur einen würgenden Laut zu Stande. Der Schmerz war entsetzlich, jeder einzelne Nerv in seinem Körper schien in Flammen zu stehen. Er rollte auf die Seite und kämpfte mit verzweifelter Kraft darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

Wie von fern bemerkte er, dass er gepackt und grob herumgedreht wurde. Er versuchte die Augen zu öffnen, und zu seiner eigenen Überraschung gelang es ihm sogar. Aber seine Augen konnten nicht mehr richtig sehen. Alles, was er erkennen konnte, waren harte Schatten und Bereiche unterschiedlich tiefer Grautöne.

Sein Peiniger beugte sich über ihn, und der ekelhafte Geruch, von kaltem Rauch schlug ihn entgegen. Doch alles, was er wahrnehmen konnte, war ein verschwommener Umriss.

“Und jetzt, wo wir uns so gut verstehen”, säuselte die Stimme. “Werdet Ihr mir alles über die Mondprinzessin erzählen, was Ihr wisst!”
 


 

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Von:  Seredhiel
2013-11-24T01:59:35+00:00 24.11.2013 02:59
Hey,
bin durch Zufall auf den Fanfic gestoßen und hab ihn doch glatt auf einmal durchgelesen O.O
Ich find es schade, dass schon länger kein neues Kapitel dazu kam.
Ich find die Geschichte dahinter und den Schreibstil echt toll und würde mich sehr freuen wenn ich doch noch das Ende lesen kann.
Vielleicht überlegst du es dir ja noch fertig zu stellen :)

lieber Gruß
Von:  Dragonohzora
2011-05-20T14:29:51+00:00 20.05.2011 16:29
Hi,
ich hab diese ff jetzt erst entdeckt,schande über mich:)

Ich muss sagen, ich bin tief beeindruckt, man taucht in eine ganz andere und eigene Phantasiewelt ein, das ist mal was ganz anderes, asl die übrigen Serenity Endymion Geschichten.

Es wäre wirklich schade,wenn du an dieser nicht weiter arbeiten würdest:) *wink mit dem Zaunpfahl? so eine Story darf nicht brach liegen bleiben:)

Ich hoffe das Endymion sich bald eingestehen wird, das er Sera längst verfallen ist:) Es dauert ebstimmt nicht mehr lange bis sera ihre Erinnerung zurück erhält.

Wirklich eine klasse FF, leidenschaftlich, voller intrigen und voller Spannung geschrieben und dennoch hoffe ich auf ein ganz ganz dickes Happy end, zumindest vorläufig für Endymion und Serenity;)

Liebe Grüße und ich hoffe auf viel Kreativität:)
Von:  Amy-Sama
2010-01-23T22:52:52+00:00 23.01.2010 23:52
Hey Ho

Ich geb dir hier mal ein kommi zu deiner FF ^^
Ich find sie wunderbar ^^ deine Art zu schreiben ist einfach klasse,man spürt richtig die spannungen unter den figuren. Klasse ^^
Mach weiter so, ich freu mich schon auf das nächste kapitel *.*

liebe Grüße Amy-Sama
Von:  mitsuki11
2010-01-16T22:51:31+00:00 16.01.2010 23:51
Juhu du schreibst endlich weiter!!!

Und wie immer ein super Kapitel!!!

Freue mich schon auf das nächste Kapitel!!!

LG Mina
Von:  jessy21
2010-01-16T15:41:16+00:00 16.01.2010 16:41
Oh wow einfach wahnsinn wie du schreibst. Bin hin und weg..... was für eine Spannung.... :-)
Wahnsinnig gutes Kap. Jaja immer diese Schreibblockaden schrecklich aber zum glück hast du deine ja fast überwunden *g*

Ich freu mich schon tierisch aufs nächste Kap. diese Spannung treibt mich noch in den Wahnsinn.

ALso schreib schnell weiter

bis dann byby
Von:  mondsternchen_c
2010-01-15T21:05:31+00:00 15.01.2010 22:05
Endlich gehts weiter, ich kanns nicht fassen!! Immer diese böse Schreibblockade, was ist das nur für eine Person?! QQ
Nee, wirklich wunderbar, das Kap hat ja gleich mal einen Haufen neuer Türen aufgestoßen.. was ist mit Kunzite passiert? was sind das für hinterfotzige Zustände am Mond? bricht der Krieg jetzt komplett aus? wann findet Venus endlich Sera? ... nicht zu vergessen, wie entwickelt sich die Lovestory zwischen Endy u Sera weiter? wird sie sich wieder erinnern bzw was passiert, wenn sich die Schleier um ihre Person lüften?? =3
Wahnsinn, soviele Fragen und nur du kennst die Antworten!

Also wünsch ich eine super kreative Zeit, .. ein nicht ganz uneigennütziger Wunsch natürlich ^^

lg
Von:  schoki07
2010-01-15T19:53:49+00:00 15.01.2010 20:53
Klasse, dass du endlich mit dieser Fanfic weitergemacht hast =D Ich finde sie immer noch sehr spannend und ich hoffe, dass du deine Schreibblockade endlich überwunden hast, um noch weitere spannende Kapitel zu schreiben ;)... Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel und dir viel Spaß beim Schreiben...

Lg schoki
Von:  mieze-katze
2010-01-15T19:51:23+00:00 15.01.2010 20:51
Oh man wie geil es geht endlich weiter *,*
ich hab diesen moment so sehr ersehnt XD
ich wünsche dir viele einfälle beim schreiben und auf das es bald weiter geht ^,-
Von:  Phoeniix
2009-04-22T17:53:36+00:00 22.04.2009 19:53
mhm wunderschön die story^^
aba mich wundert echt das königin gaia net auf die idee kommt das "sera" serenity ist, wo sie doch so in sie vernarrt istO.o
dein schreibstil ist echt klasse^^
ich freue mich schon auf das nächste kapi *_*
Von: abgemeldet
2009-04-21T16:56:17+00:00 21.04.2009 18:56
supi geschichte. ich mag deinen schreibstil.. bin echt gespannt wie es weiter geht... so viel ungeklärt fragen..


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