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Schatten des Zweifels

Kapitel 16 ist on
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Auf offener See

Als der Kahn die zerklüftete Insel Arran erreichte, fing es zu regnen an. Der Himmel wurde dunkel, und ein Unwetter kam auf. Die vom Sturm gepeitschten Wogen schlugen gegen das Ufer.

Der Fischer steuerte das kleine Boot zwischen große und kleine Felsbrocken hindurch. Endymion und Jedite sprangen über die Bordkante und halfen dabei, es zu vertauen. Serenity konnte nur liegen bleiben und dabei zusehen, denn die Seekrankheit hatte sie völlig kraftlos gemacht.

Als der Kahn schließlich vor Anker lag, ließ sich dessen Eigner von Endymon die Fahrt bezahlen. Weil er zum Festland zurück wollte, drehte er sich zu Serenity um.

„Könnt Ihr aufstehen?“ Sie nickte und versuchte es, doch die Beine trugen sie nicht. Endymion, der das sah, hob sie sich auf die Arme. Durch das flache Wasser watete er mit ihr ans Ufer, wo er sie ins Gras legte und sich danach an Jedite wandte.

„Bleib bei ihr. Ich komme zurück, sobald ich ein anderes Schiff habe, das uns nach Elysion bringen kann.“

„Und was ist mit Essen und Unterstand? Sera schaut aus, als hätte sie beides nötig.“ Endymion warf rasch einen Blick auf sie und guckte dann seinen Freund an. Um Serenity weiteres Unbehagen zu ersparen, sprach er nur ganz leise.

„Das brauchen wir alle, Sera ganz besonders. Doch die Soldaten, die uns verfolgen, werden bald hier sein. Wir dürfen uns hier nicht sehr lange aufhalten, sondern müssen umgehend nach Elysion in See stechen.“

„Bei diesem Unwetter?“ Endymion war natürlich aufgefallen, in welchem Zustand Serenity sich befand. Und es gefiel ihm durchaus nicht. Sie besaß jetzt nicht die Kraft, auch nur ihren Arm zu heben, geschweige denn, einen schweren Säbel. Doch dagegen ließ sich nichts machen. Sie waren hier nicht sicher.

„Wir werden aufbrechen, sobald ich ein Schiff sowie einen Fischer finde, der bereit ist, es zu segeln. Behalte das Ufer im Auge. Sobald du ein Boot siehst, welches vom Festland kommt, bringe Sera in Sicherheit und benachrichtige mich.“ Jedite nickte.
 

Nachdem Endymion gegangen war, kniete sich der Blonde neben Serenity, deren Zähne heftig klapperten.

„Kommt, Sera.“ Jedite trug sie in eine kleine Höhle. Als sie nicht mehr dem Unwetter ausgesetzt war, wickelte er sie in seinen Umhang. Danach sammelte er abgebrochene Zweige uns Äste vom Boden auf. Bald hatte er genug Brennmaterial zusammen.

Er schichtete es in der Höhle aufeinander und entzündete es. Binnen kurzem zitterte Serenity nicht mehr, obgleich ihr Gesicht noch immer fahl und bleich wirkte.

Über dem dunklen Himmel zogen weiterhin dicke Gewitterwolken.

Als plötzlich ein Blitz zuckte, packte Serenity Jedites Arm und deutete mit der anderen Hand zum Ufer.

„Um Himmels willen!“

Jedite drehte sich rasch um und spähte in die Dunkelheit.

„Was ist, Sera? Was habt Ihr gesehen?“

„Unsere Verfolger! Sie haben das Ufer erreicht.“ Serenity hob eine Hand voll Sand auf und erstickte damit das Feuer.

„Seid Ihr sicher? Habt Ihr sie erkannt?“

„Gewiss, es besteht keinen Zweifel.“ Einen Moment schwieg Jedite.

„Die Dunkelheit kann sich sowohl zu unseren als auch zu deren Gunsten auswirken“, flüsterte er dann.

„Falls sie unser Feuer nicht schon entdeckt haben, können sie nicht wissen, das wir uns hier befinden.“

„Das stimmt.“ Er reichte ihr die Hand.

„Könnt Ihr aufstehen?“

„Wenn Ihr mir dabei helft.“

Sie ergriff seine ausgestreckten Hände und ließ sich von ihm hochziehen. Im prasselnden Regen stolperten sie zwischen Felsbrocken voran und hofften, das ihnen die Flucht gelang, bevor der nächste Blitzschlag sie für jedermann sichtbar werden ließ.

Sie liefen in die Richtung, welche Endymion eingeschlagen hatte, und gelangten bald zu einem kleinen Fischerdorf. Dort folgten sie einem schmalen Pfad und kamen schließlich zu einem Wirtshaus.

Drinnen vertrieb ein munteres Feuer die trübe Stimmung des Unwetters. Auf dem Tisch in einer Ecke brannte eine Kerze. Zwei Männer hatten dort die Köpfe zusammengesteckt und waren offenbar in ein Gespräch vertieft. Eine junge Schrankmagd stand hinter einem der Männer und hatte ihm recht vertraulich die Hand über die Schulter gelegt.

Nachdem sich ihre Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt hatten, sahen Jedite und Serenity, dass die drei aufschauten und zur Tür blickten. Erst jetzt erkannten sie, dass es sich bei einem der Männer – es war derjenige, auf dessen Schulter der Arm des Mädchens lag – um Endymion handelte.

Dieser warf Jedite jetzt einen verärgerten Blick zu.

„Weshalb seid ihr beide hergekommen?“

„Wir...“ Jedite schluckte. Er überlegte, wie viel er vor diesen Fremden preisgeben konnte.

„Wir hatten doch abgemacht, dass wir... wenn wir vor dem Unwetter fliehen müssten, dich holen kommen sollen. Endymion, wir sollten von hier verschwinden.“

„Du magst ruhig frei reden. Ich habe diesen guten Leuten bereits die Wahrheit gesagt. Sie wissen schon, das wir Abgesandte der Königin sind, die uns auftrug, demjenigen ein Vermögen zu zahlen, der uns bei unserem Anliegen hilft.“

Jedite merkte, dass er rot anlief. Offenbar hatte Endymion sich eine Geschichte ausgedacht, um ein Boot zu erhalten. Allerdings lag es Jedite nicht, zu lügen. Auch wenn es sich dabei nur um die Verdrehung der Wahrheit handelte. Seine Wangen wurden immer heißer.

„Die Königin...Das Vermögen...“

Serenity schätzte die Lage schnell und richtig ein.

„Wir müssen auf der Stelle diesen Ort hier verlassen, denn sonst wäre alles verloren.“

Ensymion betrachtete Sererenity, die mit ihrer nassen Männerkleidung und den tropfenden Haaren, wie eine heimatlose Streunerin aussah.

Er bemerkten, wie sie die Schrankmagd anschaute, und wünschte sich nur, er könnte die Situation irgendwie erklären, doch dazu blieb jetzt keine Zeit. Sera würde einfach bei der Scharade mitmachen müssen.

„Kapitän Lachlan“, stellte Endymion vor. „Mein Bruder Jedite und meine Schwester Sera.“

Schwester? Serenity guckte ihn verblüfft an. Welches Spielchen trieb Endymion hier eigentlich?

„Der Kapitän versprach, uns auf unserer Geheimmission für die Königin über das Meer nach Elysion zu bringen“, fuhr er fort. Er drehte sich zu dem Mädchen um. Das ihm den Arm jetzt besitzergreifend um die Taille legte.

„Und das ist Nola, des Kapitäns reizendes Töchterlein.“

Die Schrankmagd würdigte Serenity und Jedite kaum eines Blickes, sondern wandte sich sogleich Endymion zu.

„Es war sehr gütig von Euch, den Schatz der Königin mit uns zu teilen. Doch ihr dürft meinen Vater nicht bitten, Euch in einer solchen Nacht zu helfen.

Ich empfehle Euch dringend, seinen Rat zu beherzigen und hier zu übernachten. Morgen früh wird das Unwetter abgezogen sein, und Ihr könnt Euch ausgeruht auf Eure Reise begeben. Im Übrigen wäre es mir eine Ehre, Euch in unserem bescheiden Gasthaus beherbergen zu dürfen.“ Mit ihren Fingern strich sie verführerisch durch das Haar in Endymions Nacken.

Serenity betrachtete die junge Frau mit dem scharlachroten Gewand, welches ihre schmale Taille sowie den üppigen Busen perfekt zur Geltung brachte. Dann warf sie einen kurzen Blick auf ihren eigenen, rauen Uniformrock sowie die Kniehosen und merkte, dass daraus Regenwasser auf den Fußboden tropfte. Sie spürte Zorn in sich aufsteigen und noch ein anderes, tieferes Gefühl, welches sie indes nicht zu benennen wusste.

„Vielleicht sollest du ja der Empfehlung der jungen Dame folgen, Bruder, und in diesem Gasthaus ein Quartier nehmen, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen, statt unter dem Felsgestein, wo du uns zurückließest“, fauchte sie ihn an.

Bei Endymions grimmiger Miene wäre Jedite beinahe in Lachen ausgebrochen. Sera kam ihm jetzt wie eine Raubkatze vor, die ihre Krallen zeigte.

Endymion, der sich rasch wieder unter Kontrolle hatte, wandte sich dem Kapitän und dessen Tochter zu.

„Ich fürchte, bis das Unwetter abgezogen ist, können wir nicht warten. Falls Ihr uns nicht sofort über das Meer bringen könnt, sehen wir uns leider gezwungen ein anderes Schiff zu suchen.“

„Es ist mir durchaus nicht recht, heute Nacht noch auf die aufgewühlte See hinauszufahren“, erklärte der Kapitän bedächtig. „Doch das Vermögen der Königin ist ein lohnendes Ziel, dem ich nicht zu wiederstehen vermag.“

„Wie bald können wir also in See stechen?“ wollte Endymion wissen.

„Sobald Ihr, der Bursche und die junge Dame gespeist habt.“

Endymion bedachte die Tochter des Kapitäns mit einem charmanten Lächeln und hob ihre Hand an die Lippen.

„Ich bedauere, dass mir nicht einmal die Zeit zum Speisen bleibt“, flüsterte er. „Doch wenn du uns vielleicht etwas für die Reise zubereiten und mitgeben könnest, werde ich der Königin von deiner Freundlichkeit berichten. Möglicherweise kann ich sogar eines Tages zurückkehren und dir selbst angemessen danken.“

„Ich werde Euch beim Wort nehmen, Mylord.“ Nolas Gesicht strahlte, und sie lächelte verführerisch.

„Pack Speisen und Bier ein!“ rief ihr Vater ihr nach, als sie den Raum verlassen wollte.

„Und auch ein paar Schafsfelle. Es ist eine üble Nacht zum Hinausfahren.“

„Jawohl, Vater.“

Kurze Zeit danach ging der Kapitän voraus. Das Schiff war mindestens doppelt so groß wie der kleine Kahn, mit dem sie nach Arran gekommen waren. Serenity warf einen Blick auf die aufgewühlte See und schauderte. Der Gedanke an das bevorstehende Unternehmen versetzte sie in Angst und Schrecken.

Während man ihr an Bord half, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie Nola sich an Endymion klammerte, bevor sie ihm eine sichere Überfahrt wünschte. Der Mann ist doch ein Halunke, dachte Serenity. Er tändelt geradezu schamlos mit der Tochter des Kapitäns!

Serenity ließ sich auf die stabile Planke sinken und schloss die Augen in der Hoffnung, ihr würde nicht noch einmal so übel werden. Noch nie im ganzen Leben war ihr derart elend zu Mute gewesen. Das liegt ja nur an der Seekrankheit, redete sie sich ein, und nicht etwa an diesem fürchterlichen Mann und den merkwürdigen Empfindungen, die er in ihr weckte...
 

In den Gemächern von Sailor Jupiter herrschte ein angespannte Stimmung. Die drei Frauen standen sich gegenüber, sie alle trugen bereits ihre Reisekleidung, doch niemand von ihnen wagte die anhaltende Stille als erste zu durchbrechen. Schon in kürze würde jede von ihnen, zu ihrem Heimatplaneten aufbrechen und dann würden sie sich erst auf dem Schlachtfeld wiedersehen. Es war das erste mal seit ihrem kennen lernen, das sie für längere Zeit von einander getrennt waren und jede der Mädchen wollte den Moment des Abschiedes so lange wie möglich hinaus zögern.

„Und was werdet ihr tun, wenn diese Sache hier vorbei ist?“ Merkur und Mars grinsten leicht, über Jupiters unbeholfenen Versuch die Anspannung zu lösen.

„Also, ich schau immer auf die Sonnseite“, erklärte Mars gut gelaunt.

„Vielleicht ist zwischen all diesen Kriegern ja mein Traummann.“ Sie grinste die beiden Katzen an, die es sich auf dem großen Bett gemütlich gemacht hatten, drehte sich um und ging zu Tür. Jupiter und Merkur beeilten sich, sie einzuholen.

„Das ist ein verdammt guter Plan“, stimmte Jupiter zu. „Es gibt bestimmt eine Menge süßer Typen dort.“

„Also ich weiß nicht, wollt ihr sie den einfach ansprechen?“ fragte Merkur schüchtern.

Mars erwog den Vorschlag mit einem Achselzucken.

„Ich würde eher den lautlosen Versuch vorziehen. Zum Beispiel ihm das Leben retten.“

Der weiße Kater schüttelte den Kopf, als er ihnen nachsah. Er blickte zu Luna, die neben ihm lag.

„Das Reich ist dem Untergang geweiht“, seufzte er.
 

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und in seinem Licht entdeckte Serenity eine große Anzahl Männer, die am Felsufer entlang und auf das Boot zuliefen. Serenity schaute auf Endymion und merkte an dessen verbissen Miene, dass er die Leute ebenfalls gesehen hatte. Er rief Jedite und dem Kapitän etwas zu, und die drei stemmten sich gegen die Bootswand. Das Schiff schrammte über den sandigen Untergrund, erwischte dann eine Welle und war flott.

Die Männer kletterten an Bord, und die nächsten Wellen trugen das Schiff weit hinaus auf das Meer.

Serenity spähte durch die Dunkelheit, vermochte indes die Gestalten am Ufer nicht mehr auszumachen.

Was würde Nola wohl sagen, wenn sie erfuhr, dass die Gesandten der Königin entflohende Verbrecher waren? Und was würden die Soldaten tun? Würden sie endlich die Jagd aufgeben? Oder würden sie ihnen über das Wasser zu Endymions Land folgen?

Serenity merkte, dass das Boot von einer Riesenwelle erfasst wurde und auf deren Kamm ritt. Plötzlich stürzte es in die Tiefe und fiel, bis die nächste Woge es wieder in die Höhe hob. In einem Anfall von fiel Serenity auf die Knie und kroch zum Schiffsbug, wo ein kleiner provisorischer Unterstand Schutz gegen das Unwetter bot. Darunter kauerte sie sich zusammen und wickelte sich in das warme Schafsfell.

Jedes Mal, wenn das Boot auf einer neuerlichen Welle ritt, stand Serenity wieder ein Brechanfall bevor, doch es gelang ihr immer wieder, diese Übelkeit zu unterdrücken. Sie war fest entschlossen, gegen dieses schreckliche Gefühl anzugehen.

Nachdem sie eine knappe Stunde auf See gewesen waren, brach das Unwetter erst richtig los. Donner krachte mit ohrenbetäubender Gewalt, Blitze tanzten über das Wasser. Wind und Wogen warfen das Boot herum, als wäre es eine Nussschale.

Serenity kauerte sich in einer Ecke zusammen. Die Übelkeit ließ sich nicht mehr unterdrücken. Schließlich warf sie das Schafsfell ab, stand auf und schwankte zur Bordwand, um sich dort zu übergeben.

„Nicht, Sera!“ Endymion ließ den Riemen fallen, um zu ihr zu eilen, doch der Sturm zerfetzte seine Worte. Während er zu Serenity lief, sah er, wie sie sich über die Bordwand beugte. Im selben Moment klatschte eine Welle über den Bug und spülte Serenity über Bord. Der Kapitän und Jedite, die alles mit angesehen hatten, rannten zur Reling.

„Ein Seil!“ brüllte Endymion gegen den Sturm an. „Ich brauche ein Seil!“

Der Kapitän mühte sich mit einer Seilrolle ab, bis er endlich ein Ende davon frei hatte, das sich Endymion dann um die Taille band. Einen Augenblick stemmte er sich gegen den Wind und stürzte sich dann in die eisigen Fluten.

Endymion packte Serenity und zog sich mit ihr an der Leine langsam bis dicht an das Boot heran. Serenity sah, wie viel Kraft ihn der Kampf gegen die Naturgewalten kostete, doch obschon sein Gesicht schmerzverzerrt war, ließ er nicht nach in seiner Anstrengung.

„Gleich hast du es geschafft, Endymion.“ Jedites Stimme schallte über die tosende See.

Erneut blitzte es, und die beiden Männer auf dem Schiff waren kurz deutlich zu sehen. Sie waren dabei, die Leine einzuholen, welche die einzige Verbindung zu der Frau und dem Mann im Wasser darstellte.

Die Männer zogen zuerst Serenity und dann Endymion am Seil hoch. Anschließend rief der Kapitän Jedite zu.

„An die Riemen! Ich werde die Ruder bedienen.“ Und so gelang es ihnen, das Boot auf Kurs zu halten.

Endymion und Serenity lagen in dem kleinen Unterstand am Bug des Schiffes und sogen tief die Luft ein. Als ihre Atmung wieder normal ging, kauerten sie sich unter dem Schafsfell zusammen, um sich warm zu halten.

Das Unwetter dauerte an, doch für wenige Momente vergaßen Serenity und Endymion die eigenen Bedürfnisse, denn für sie zählte jetzt nur noch der andere.

„Was Ihr tatet, war sehr töricht.“ Man hörte Endymions Stimme die innere Bewegung an.

„Ich fürchtete ernsthaft, Ihr wärt für alle Zeiten verloren.“

„Hätte das denn etwas ausgemacht, Endymion?“ Sie vermochte kaum zu reden und Tränen traten ihr in die Augen.

„Eure Reise wäre doch einfacher gewesen, wenn Ihr Euch nicht um noch einen weiteren Menschen hättet sorgen müssen.“

„Das Stimmt.“ Der Schwarzhaarige lag sehr still neben ihr und hatte die Arme um sie gelegt. „Mir scheint, ich sorge mich viel zu sehr um Euch, Sera. Und ich denke auch zu viel an Euch.“

Nach und nach zog er sie dichter an sich und berührte mit den Lippen das wirre Haar an ihrer Schläfe.

„Gewöhnlich spüre ich weder Furcht noch Besorgnis, doch irgendetwas an Euch erschreckt mich, Sera. Ihr seid zu kühn, zu tapfer, zu eigensinnig. Und obwohl mir klar ist, dass Ihr für Euch selbst sorgen könnt, verspüre ich dieses eigenartige Verlangen, Euch zu beschützen.“

„Dennoch hättet Ihr mir nicht hinterher springen sollen.“ Sie hatte keine Ahnung, weshalb sie auf einmal schluchzte. Endymion zog sie jetzt eng an sich.

„Und weshalb nicht?“

„Weil Ihr beinahe Euer Leben verloren hättet.“

„Und Euch hätte das etwas ausgemacht, Sera?“ flüsterte er zärtlich.

„Durchaus.“ Ihre Tränen flossen jetzt heftiger, und sie schämte sich vor Endymion für ihre Schwäche.

„Ach Sera, was soll ich nur mit Euch machen?“ Seufzend drückte er sie an sich. Während sie weinte, bedeckte er ihre Schläfe und ihre Lider mit zärtlichen Küssen, schmeckte das Salz ihrer Tränen. Nun ließ er den Mund tiefer über ihre Wange bis zur Nasenspitze gleiten und fand endlich zu ihren Lippen, die ihn schon heiß ersehnten.

Zuerst bewegte sich sein Mund nur ganz leicht über ihrem. Während sein Verlangen jedoch immer mehr wuchs, verstärkte sich der Druck auf ihre Lippen. Das ist gefährlich, dachte er. Diese rätselhafte Frau, die sich weder an ihren Namen noch an ihre Vergangenheit erinnerte, war anders als die Frauen, die er bisher gekannt hatte.

Sera war weich und verletzlich, doch unter dieser Verletzlichkeit lag große Stärke. Dieser Frau wiederstrebte es genauso wie ihm, sich den Empfindungen hinzugeben, die zwischen ihnen beiden aufbrandeten.

Serenity kämpfte gegen die Gefühle an, die sie durchfluteten und ihr Blut erhitzten. Merkwürdige, unbekannte Empfindungen pulsierten durch sie und breiteten sich tief in ihrem Inneren aus. Der erste Kuss hatte sie nicht auf die Gefühle vorbereitet, die immer stärker wurden, bis sie ihren Willen zu besiegen drohten.

Du lieber Himmel, was geschah nur mit ihr? Wie kam es, dass Endymions Liebkostung eine solche Macht über sie aus zu üben vermochten? Serenity seufzte leise vor Erregung.

Endymion ermahnte sich, dieses sinnliche Spiel zu beenden. Doch nicht jetzt, noch nicht. Und während sich sein Mund über ihrem bewegte, vergaß er alles außer der Frau in seinen Armen.

Er schob die Hände unter ihre nasse Kleidung, um ihre Haut zu berühren. Serenity erstarrte einen Moment, doch dann presste sie sich an ihn, und als er sie leise glückselig seufzen hörte, war es um ihn geschehen. Sie hauchte seinen Namen an seinen Lippen, und er hatte das Gefühl, als würde ihm vor Freude das Herz zerspringen.

Getrieben von einer verzweifelten Leidenschaft, küsste er Serenity nun mit einer Wildheit, die sie erschreckte und zugleich erregte.

Eine innere Stimme warnte sie vor dem Kommenden, doch Endymion Lippen und Hände ließen sie so lustvoll erschauern, das sie nicht mehr klar zu denken vermochte.

Schwer atmend hob er den Kopf. Das Verlangen nach Serenity drohte ihn zu überwältigen.

Ein wenig unbeholfen setzte sie sich auf. Das Blut war ihr in die Wangen gestiegen, und ihre Hände zitterten leicht.

Tränen stiegen ihr in die Augen, ohne das sie den Grund dafür erklären konnte.

Zärtlich legte ihr Endymion einen Finger an die Wange.

„Noch mehr Tränen?“ Er stütze sich auf einem Ellbogen auf und betrachtete sie. Sie weinte jetzt hemmungslos und zwischendurch schluchzte sie heftig.

„Was habt Ihr denn, Sera? Was bereitet Euch denn solchen heftigen Kummer?“

„Ihr könnt ja meine düstersten Gedanken nicht lesen“, brachte sie schluchzend hervor.

„Wäret Ihr dazu imstande, hättet Ihr niemals Euer Leben aufs Spiel gesetzt, um meines zu retten.“

Dieses seltsame Mädchen war wirklich eine echte Prüfung für seine Geduld.

„Ihr sprecht in Rätseln, Sera.“

Sie hob die Stimme. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Regenwasser, das ihr übers Gesicht lief.

„Ihr wollt wissen, was mir Kummer bereitet? Ihr! Ihr selbst seid es, der mir Kummer bereitet Endymion!“ Sie wandte sich von ihm ab.

„Ihr ließt Jedite und mich bei diesem Unwetter zurück, während Ihr selbst im warmen Gasthaus saßt und der Tochter des Kapitäns schöne Augen machtet.“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Und das ist alles?“ Jetzt lachte er laut und schalkhaft. „Nun, ich schulde dem Kapitänstöchterlein etwas.“ Seine Augen leuchteten warm. „Ihr seid ja richtig eifersüchtig auf Nola!“

„Eifersüchtig!“ Serenity versetzte ihm einen Stoß. „Ich bin nicht eifersüchtig auf eine Schrankmagd, Endymion! Wütend bin ich! Wütend, dass ich...“ Sie merkte das ihre Wangen heiß waren, und zwang sich weiter zu reden.

„...einem Mann wie Euch erlaubt habe, sich mir gegenüber Freiheiten heraus zu nehmen.“

„Freiheiten?“ Endymion hatte Mühe, sich das Lächeln zu verkneifen. Wäre Sera nicht so außer sich, würde er sie jetzt necken.

„Sera, hört mich an.“ Er sprach so leise, dass der Kapitän es nicht hören konnte.

„Ich wusste, dass ein Fremder auf der Insel Nola faszinieren würde. Und ich tat so, als wäre ich ebenfalls von ihr beeindruckt. So konnte ich ihrem Vater überreden, uns über das Meer zu bringen. Das Mädchen bedeutet mir nichts. Es war mir nur nützlich bei unserer Flucht.“

„Lächelt Ihr immer so charmant, um zu erreichen, was Ihr wollt?“

Jetzt machte er ein ernstes Gesicht. Er war nicht besonderst stolz auf das, was er getan hatte. „Jawohl.“

„Dann muss ich davon ausgehen, dass Ihr bei mir genauso vorgeht, Endymion. Als Ihr mich küsstet, verfolgtet ihr womöglich nur ein Ziel: mich gefügig zu machen, um so leichtes Spiel mit mir zu haben.“

„Verdammt noch mal.“ Endymion packte sie bei den Oberarmen und zog sie rau an sich, bis ihr und sein Gesicht nur noch ein paar Fingerbreit voneinander entfernt waren. Er blickte ihr tief in die Augen und redete jetzt ebenso aufgebracht wie sie, obschon er vor Verlangen nach ihr bebte.

„Ich lasse mich nicht verhören wie ein Jüngling! Ich entschuldige mich auch nicht wegen der Kapitänstochter. Um vor den Henkersknechten zu fliehen, würde ich alles Mögliche tun. Ich würde sogar töten, wenn ich dadurch der Hölle eines Gefängnisses entfliehen könnte. Bei allem was mir heilig ist – ich schwöre, dass ich als freier Mann nach Elysion zurückkehre“, setzte er mit Nachdruck hinzu.

Lange schauten sie einander schweigend an. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt.

„Und was den Kuss betrifft...“ Endymion atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen.

Sie war bestürzt über das Ausmaß seines Zorns.

„Ich nehme an, Ihr erwartet eine Entschuldigung dafür, dass ich mich einen Moment lang meiner Leidenschaft hingeben habe“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Doch eine solche Entschuldigung werdet Ihr von mir nicht hören, Sera!“

Damit verließ er sie und nahm einen Riemen auf.

Serenity guckte ihm ratlos hinterher. Seine Worte hallten noch immer in ihr nach. Ja, Endymion war ein leidenschaftlicher Mann, nicht nur wenn es um die fleischliche Lust ging. Doch nachdem sie jetzt wusste, wie sehr er die Schwäche, die Kontrolle über sich zu verlieren, an sich verachtete, erschien ihr dieser Kuss um so herrlicher.

Serenity wickelte sich in das Schafsfell, kauerte sich erneut in eine Ecke des Bootes und versuchte das Heulen des Sturms nicht wahrzunehmen. Dieser Sturm war ohnehin nichts im vergleich zu dem Sturm, der in ihrem Herzen wütete.
 


 

byby Blacklady^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2008-05-30T06:03:10+00:00 30.05.2008 08:03
hab mir deine ff grad durchgelesen, die ersten 6Kapitel kannte ich bereits, die hast du schonmal wo veröffentlicht! ich hab mich so gefreut endlich weiterzulesesn! wann kommt denn die fortsetzung?
du hast echt einen unbeschreiblich schönen Schreibstil, die Gefühle, die du schaffst auszudrücken, das ist überwältigend!
ich hoffe, du schreibst bald weiter! LG
Von:  HexenLady
2008-03-26T17:07:16+00:00 26.03.2008 18:07
wie schon zu ende`?
ich hoffe doch es geht bald weiter
und das sehr sehr bald
bitte sag mir bescheid wenn es weitergeht
denn ich schau nicht all zu oft bei animexx ein und werde dann leider
deine ff aus den augen verlieren
danke
byebye
hexy
Von:  sunshinekate1987
2008-03-25T18:41:01+00:00 25.03.2008 19:41
das war ja toll, und die zwei sind sowas von sweet zueinander, wie heißt es so schön was sich liebt, das neckt sich. Und die zwei scheinen wirklich tiefe gefühle füreinander zu haben sonst würden sie sich nicht so streiten können ^^.
Und die Sera ist eifersüchtig ^^
Mach bald weiter
Von:  Nadi
2008-03-25T17:09:16+00:00 25.03.2008 18:09
DAs beste was ich hier mit Abstand je gelesen habe. Ich bin begeistert. Hier und da mangelt es zwar am Ausdruck, aber ne spitzenstory.

Ich hoffe es geht bald weiter.

Ich wünsche dir Alles erdenklich Gute

Glück Auf! Nadi
Von: abgemeldet
2008-03-25T16:47:36+00:00 25.03.2008 17:47
geile FF^^
man merkt förmlich die spannung zwischen ihnen.

freu mich schon auf das nächste Kapi

LG
Von: abgemeldet
2008-03-25T15:12:38+00:00 25.03.2008 16:12
Es macht echt spaß deine Gecshichte zu lesen...
Es ist ja allgemein bekannt, siehe Filme^^, dass in solchen Situationen- tobendes Meer, fast ertrunken- die Gefühle mit einem durchgehen.
Aber du schaffst es echt gut das auch so auszudrücken, dass man das Gefühl bekommt selbst da zu sein.
Ich find diese leidenschaftlichen Stichelein und Einversuchtsanfälle echt super^^

mach weiter so
lg cute
Von: abgemeldet
2008-03-25T01:32:13+00:00 25.03.2008 02:32
ehrlich,deine capis werden immer bessa und faszinierender *.*

also,sera und endy könn niemals aufhören sich zu streiten wa?! njoa vllt rafft se endlich,dass da gefühle sind Oo

warte sehnüchtig auf dein nächstes cap
bis denne
Von:  mondsternchen_c
2008-03-24T23:24:24+00:00 25.03.2008 00:24
Ganz toll, es wird immer besser! ^^
Die zwei sind ja so süß zusammen, diese Emotionen, herrlich! *.*
Und Artemis.. so nen trockenen Humor hät ich ihm gar net zugetraut! *rofl*

Brenne schon wieder auf das nächste Kapi *dich anfeuer*

lg ^^d


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