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Schatten des Zweifels

Kapitel 16 ist on
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Vergessene Talente

Was die junge Frau sagte, erschreckte Endymion. Während sie leise weinte, betrachtete er sie schweigend. Er hatte von Kriegern gehört, welche von einem Kampf Verletzungen davontrugen, die vorübergehende Verwirrung zur Folge hatten. Man berichtete sogar schreckliche Geschichten von Kriegern, die sich offenbar nie wieder erholt hatten.

Ihre Tränen machten ihn hilflos. Könnte dasselbe auch bei ihr der Fall sein? Sera, wie er sie insgeheim nennen würde, war doch ihren Angreifern so furchtlos gegenüber getreten...

Wenn ihn am Tag zuvor ihr Waffengeschick überrascht hatte, so bestürzte es ihn jetzt gleichermaßen, dass sie bei dieser neuen Erkenntnis in Tränen ausbrach.

Nach einer Weile berührte er sie sanft an der Schulter.

„Ihre Erinnerung wird wiederkehren, Mylady.“

„Nun entsinne ich mich nicht einmal mehr an die einfachsten Ding. Meinen Namen, meine Familie, diese Rebellen von denen ihr spracht, ja, ich habe sogar vergessen, wo mein zu Hause ist.“

„Glaubt mir, Ihr werdet Euch schon bald wieder an alles erinnern.“

„Seid Ihr wirklich davon überzeugt?“ Sie blickte ihn an, und ihre Wangen waren noch feucht von ihren Tränen.

„Ganz gewiss. Doch jetzt müsst Ihr weiterschlafen, damit Ihr zu Kräften kommt. Und in dem Maße, wie sich Euer Körper erholt, wird auch Euer Geist gesunden.“

Serenity unterdrückte die Angst, die erneut in ihr hochstieg. Sie durfte ihrer Schwäche nicht nachgeben, selbst wenn sie so etwas Schreckliches noch nie erlebt hatte.

Besaß sie überhaupt eine Familie, Freunde? Womit hatte sie ihre Tage verbracht? Trauerte irgendjemand ihrem Verschwinden nach? Würde sie jemals ihre eigene Vergangenheit erfahren? Oder war die Erinnerung daran für alle Zeit aus ihrem Gedächtnis gelöscht?

„Ich heiße also Sera“ stellte sie mit Nachdruck fest und umschloss die silberne Kette mit ihrer Hand. Hieran wollte sie sich klammern. Sie besaß einen Namen, auch wenn sie sonst nichts über sich wusste.

„Außer kaltem Fleisch haben wir kaum noch etwas, Mylady. Doch essen müsst ihr etwas.“

„Ja danke“ Serenity nahm ein Stück Geflügelfleisch entgegen und zwang sich zu kauen, doch die Furcht, die an ihrer Seele nagte, ließ alles wie Asche schmecken.
 

„Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Endymion sprach so leise, dass die Schlafende davon nicht aufwachte.

„Auf eine Nacht mehr kommt es doch bei unserer Reise nicht an, Endymion. Doch das könnte grade die Zeit sein, die die Lady braucht, um sich wieder zu erinnern.“

„Und wenn die Erinnerung nicht wiederkommt?“ Diesen unangenehmen Gedanken wies Jedite von sich.

„Du hast selbst gesagt, sie sei übel verletzt worden. Lass ihr noch etwas Zeit, um sich zu erholen.“ Endymions Stimme wurde rauer.

„Ich würde ihr ja gerne Zeit geben, doch leider haben wir keine. Wenn wir hier nicht bald verschwinden, werden wir uns etwas weit Schlimmern gegenüberstehen als der Gesellschaft einer Lady ohne Gedächtnis.“ Jedite schauderte und wandte sich ab.

„Du hast natürlich wie immer Recht. Allerdings...“

„Allerdings was?“ hackte Endymion nach.

„Allerdings denke ich es ist besser, wenn wir sie nicht mitnehmen“ beendete Jedite seinen Satz.

„Würdest du sie lieber hier sich selbst überlassen?“

„Nein das nicht, aber wenn sie unseretwegen zu Schaden kommt, klebt ihr Blut an unseren Händen.“ Endymion erhob sich.

„Das wäre nicht das einzige Blut an meinen Händen“ erwiderte er grimmig.

Jedite seufzte leise.

„Dann sag ihr wenigstens die Wahrheit. Früher oder später wird sie es sowieso erfahren und um ehrlich zu sein, gefällt es mir nicht sie anzulügen“

„Nein jetzt noch nicht. Je weniger sie weiß um so sicherer ist es für sie, glaub es mir“

Jedite beobachtete, wie er einen Stein aufhob und daran seine Messerklinge zu schärfen begann. Die innere Stärke seines Freundes bewunderte er. Endymion hatte schon immer für sie alle die Entscheidungen getroffen und er irrte sich selten. Doch wenn es tatsächlich einmal so war, dann nahm er die Folgen stets ganz alleine auf sich.

Wenn man für so viele Menschen die Verantwortung trägt, muss man sich sehr einsam fühlen, dachte Jedite. Dennoch hatte sich Endymion nie beklagt. Jedenfalls hatte er sich nie etwas anmerken lassen.
 

Serenity schaute zu, wie Endymion ihre Pferde sattelte. Zwar hatten die beiden Freunde von einer langen Reise gesprochen, ihr indes aber nicht gesagt, wohin diese gehen sollte.

„Liegt eure Heimstatt weit von hier entfernt?“ Es viel ihr leicht, sich mit Jedite zu unterhalten – weshalb dann nicht auch mit dem Schwarzhaarigen?

„Ja. Es wird eine recht unangenehme Reise.“ Jedite wollte sich ein zerfetztes Hemd über den Kopf ziehen. Serenity bemerkte, wie er zusammenzuckte, als der raue Stoff seinen geschundenen Rücken streifte.

Sofort ließ sie ihr Stück Fleisch ins Gras fallen.

„Lasst mich euren Rücken sehen.“

„Nein“ er wich zurück, war jedoch nicht schnell genug. Serenity hob den Stoff an. Ihr stockte der Atem.

„Mein Gott! Diese Wunden eitern ja. Die darf man nicht so einfach ignorieren.“

„Wir haben keine Zeit. Ich darf keine weiteren Verzögerungen verursachen.“

„Wenn Ihr Euch nicht die Zeit nehmt, diese Verletzungen ausheilen zu lassen, könnt Ihr bald überhaupt nicht mehr aus einem Pferd sitzen. Legt euch jetzt bitte auf den Bauch.“

Serenity ging zum Flussufer und sammelte dort Kräuter, Blüten und Wurzeln. Dann suchte sie sich einen flachen Gesteinsbrocken sowie einen kleinen Stein. Sie kniete sich nieder, sortierte die Pflanzen und begann sie zu zerstampfen.

Nachdem die Pferde gesattelt und bereit waren, kehrte Endymion zur Lichtung zurück. Der Anblick, der sich ihm dort bot, machte ihn vorübergehend sprachlos: Sera strich dem Blonden sanft eine Salbe über die Wunden, und was noch verblüffender war, Jedite schien durchaus nichts dagegen zu haben.

Gegen einen knorrigen alten Baumstamm gelehnt, bleib Endymion außer Sicht. Er beobachtete und lauschte nur.

„Wo habt Ihr die Kunst des Heilens gelernt, Sera?“ erkundigte sich Jedite.

„Das weiß ich nicht mehr“

Da er Angst aus ihrer Äußerung herauszuhören glaubte, dämpfte Jedite seine Stimme.

„Macht Euch keine Sorgen. Ihr werdet Euch bald wieder an alles erinnern.“

„Das hoffe ich“ murmelte Serenity, und Endymion sah wie sie kurz die Lippen zusammenpresste.

„Ich ertrage es nicht zu leben, ohne zu wissen, wer ich bin“
 

Endymion half dem Blonden in den Sattel. Mit raschen ungeduldigen Gesten hob er Serenity auf das zweite Pferd. Diese hastigen Berührungen übten auf beide eine seltsame Wirkung aus, obwohl sie sich bemühten, dieses Gefühl zu ignorieren. Endymion schwang sich hinter Serenity in den Sattel und nahm die Zügel auf.

Während sich die Rösser bewegten, saß Serenity steif vor Endymion.

Diese Arme hatten sie auch auf dem langen Weg hierher gehalten. Das wusste sie, weil sie den leichten Moschusduft wieder erkannte.

Zärtlich wie eine Mutter ihr Baby hatte er sie gehalten und sie hatte sich an ihn geschmiegt wie ein hilfloses Kind. Noch jetzt errötete sie leicht bei der Erinnerung daran.

Hinter ihr kämpfte Endymion mit seinen eigenen Dämonen. Weshalb war Seras Körper aber auch so weich und einladend? Während der langen Heimreise würde er sich anstrengen müssen, diese Gefühle zu unterdrücken. Seine Familie, sein Leben war gefährdet. Da durfte er es sicht nicht erlauben , sich von einer fremden Schönheit betören zulassen.

Sie ritten stundenlang dahin, wobei sie nie den Wald verließen, denn er bot ihnen einen gewissen Schutz. Jedite den Serenity für zu schwach gehalten hatte, um auf einem Pferd zu sitzen, verblüffte sie. Auch Endymion wunderte sich, dass sein Freund kräftig genug war, eine solche Entfernung zurückzulegen.

Als sie schließlich Rast machten, half er Serenity aus dem Sattel und eilte dann sofort zu seinem Freund. Die Erschöpfung war Jedite anzusehen, und sobald seine Füße den Boden berührten, sank er auf die Knie in sich zusammen.

„Wir übernachten hier.“ Endymion nahm die Zügel beider Pferde auf und führte die Tiere an einem kleinen Wasserlauf. Bei seiner Rückkehr hatte Serenity bereits einen der Umhänge unter einen Baum ausgebreitet und half Jedite sich darauf zu setzen.

Endymion riss ein Stück Geflügelfleisch vom Knochen, das er dem Blonden reichen wollte, doch dieser winkte nur schwach ab.

„Nein danke. Ich bin zu müde.“

„Du musst aber etwas essen, um bei Kräften zu bleiben!“

Als Jedite nur den Kopf schüttelte, nahm Serenity Endymion das Fleisch aus der Hand und steckte es einfach seinem Freund in den Mund. Ohne zu protestieren, kaute der junge Mann. Nach einige Male wiederholte Serenity diese Prozedur, bis Jedite abwehrend die Hand hob.

„Jetzt nicht mehr.“

„Dreht euch auf den Bauch“ befahl Serenity, „und hebt Euer Hemd hoch. Eure Wunden müssen wieder versorgt werden.“

Endymion lächelte, als Jedite gehorchte. Möglicherweise erwiest sich Sera auf der Reise noch als recht nützlich, dachte er und beschäftigte sich damit, Feuer zu machen. Dieser Befehlston der jungen Lady duldete schließlich auch keinen Wiederspruch.

Nach dem Jedite eingeschlafen war, reichte Endymion Serenity ebenfalls etwas zu essen und lehnte sich dann an einen Baumstamm. Serenity schaute ihm zu und biss dabei in das kalte Fleisch. Während des ganzen Tages hatten sie nur gesprochen, wenn es unbedingt nötig gewesen war.

„Wohin führt uns diese Reise?“ wollte sie jetzt von ihm wissen.

„Zu meinem Landsitz, der liegt auf der anderen Seite des Nordkanals.“ Das sagte ihr nichts.

„Ist das sehr weit?“

„Ja“

„Und was ist mit meinem Land? Mit meinen Leuten?“

Diese Frage hatte Endymion erwartet.

„Ich bedaure, dass auch Ihr diesen Ort hier verlassen müsst. Obwohl ich weis, das Euer Gedächtnis jeden Moment zurückkehren kann, dürfen Jedite und ich nicht so lange warten.“

„Werdet Ihr verfolgt?“ Sie blickte ihn direkt in die Augen.

„Seid Ihr entflohene Sträflinge?“

Also hatte sie doch mehr mitbekommen, als er dachte.

„Ja“ antwortete er ohne Umschweife. „Wir flohen aus dem Fleet-Gefängnis“

„Hattet Ihr sehr üble Verbrechen begangen?“

„Ich würde meinen, das hängt davon ab, wessen Version Ihr hört, Mylady. Die Rebellen würden behaupten, wir seine Feinde des Volkes. Ich dagegen würde euch sagen, das wir für den Frieden unseres Volkes kämpfen. Und Ihr...?“ Er füllte den Schöpfbecher und trank. „Wie Ihr uns nennen würdet, weiß ich nicht.“

„Brachtet Ihr jemanden um?“

„Jawohl“

„Mord ist wirklich eine schlimme Sache.“ Einen Moment lang wurde sie von Panik gepackt. War sie womöglich des gleichen Verbrechens schuldig?

„So ist es“ bestätigte Endymion, und sie sah die leidenschaftlich Glut in seinen Augen. Und sie erkannte die Wahrheit. Der Mann leugnete und beschönigte nichts.

Er fühlte den Schöpfbecher mit frischen Wasser und reichte ihn ihr.

„Ich muss nach den Pferden schauen“ Rasch schritt er davon.

Serenity hob sich den Becher an die Lippen und trank in durstigen Zügen. Danach warf sie einen Blick auf den schlafenden Jedite und wandte sich zu dem kleinen Fluss. Während Endymion sich mit den Pferden beschäftigte, wollte sie noch weitere Kräuter und Wurzeln für ihre Heilsalbe sammeln.
 

Minutenlang suchte sie am Flussufer danach, und als sie einen Vorrat für mehrere Tage zusammen hatte, legte sie alles auf einen großen Stein.

Das Wasser wirkte äußerst verlockend. Mit einem raschen Blick vergewisserte sie sich, dass sie auch wirklich alleine war, zog sich dann ihr schmutziges Gewand aus und wusch es im Fluss. Zum Trocknen hängte sie es über einen Ast. Sie streifte sich ihre Schuhe ab. Nur noch mit einem Hemd bekleidet, machte sie vorsichtig einen Schritt ins Wasser, das sich wunderbar kühl anfühlte.

Ach, wie gut es doch tat, sich das getrocknete Blut von den Wunden zu waschen!

Sie befeuchtete sich die Haare und rieb sich die Strähnen so lange, bis auch hier alle Blutspuren verschwunden waren. Nachdem sie noch einmal untergetaucht war, kam sie wieder an die Oberfläche und fühlte sich herrlich sauber.

Behutsam tastete sie nach der Beule an ihrem Kopf. Zwar hatte die Schwellung erheblich nachgelassen, doch den Schmerz fühlte Serenity noch immer. Sie mahnte sich zur Geduld. Bald würde es nicht mehr wehtun. Und dann kehrte hoffentlich auch ihre Erinnerung zurück.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Wasser. In der bewegten Oberfläche sah sie ein kleines ovales Gesicht mit großen Augen. Mit den Fingern strich sie über ihre Nase sowie die hohen Wangenknochen und schob sich das lange Haar aus dem Gesicht, um es besser erkennen zu können. Zu ihren Bedauern erblickte sie indes nur das Gesicht einer Fremden.

Erneut tauchte sie ins Wasser und schwamm schnell. Es half sogar, ihre Enttäuschung abzuschütteln. Als sie schließlich wieder an die Oberfläche kam, bewegte sie sich gemächlicher von einem Ufer zum anderen. Es freute sie, das sie so gut schwimmen konnte. Welche anderen Talente besitze ich wohl noch, fragte sie sich lächelnd.

Bis ihr Gedächtnis zurückkehrte, musste sie so viele Dinge über sich selbst in Erfahrung bringen, und genau das wollte sie auch tun. Sie war entschlossen, alles über die Frau namens Sera herauszufinden.
 

An einer Stelle flussaufwärts tränkte Endymion die Pferde, bevor er sie festband. Die Gestalt im Wasser fesselte seinen Blick. Sie warf den Kopf herum, und Wasser spritzte in alle Richtungen. Wie ein Schleier ließ sie die Strähnen dann im Wasser treiben. Endymion beobachtete, wie sie ans Ufer watete. Ihr elfenbeinfarbenes Hemd klebte an ihrem verführerischen Körper. Heißes Begehren erfasste ihn.

Endymion ließ den Blick von ihren festen Brüsten zu der Taille schweifen, die so schmal war, dass er sie mit den Händen bestimmt zu umspannen vermochte. Als Serenity sich schließlich in einen warmen Umhang hüllte, wäre er am liebsten zu ihr gegangen und hätte ihr dieses Kleidungsstück heruntergerissen und sie an sich gepresst.

Er atmete einige Male tief durch, um seine Erregung zu dämpfen.

Jetzt kniete Serenity sich vor den großen Stein und zerstampfte die Kräuter und Wurzel zu frischer Heilsalbe, die sie in ein kleines Stück Stoff wickelte.

Als sie danach fort ging, legte Endymion sein Sachen ab und stieg in den Fluss. Um wieder zur Vernunft zu kommen, gab es nichts Besseres als ein Bad im kalten Wasser.

Kurze Zeit später kehrte er zu der Lichtung zurück und fand Serenity neben Jedite kniend vor. Sie strich ihre frische Heilsalbe auf seinen geschundenen Rücken.

Nun erhob sie sich.

„Seine Verletzungen beginnen allmählich zu heilen, doch es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis er ganz wieder hergestellt ist. Die Wunden sind sehr tief, und haben bereits geeitert.“

„Ja.“ Als er sein Hemd überstreifen wollte, legte Serenity ihm die Hand auf den Arm.

Sofort bereute sie ihrer Impulsivität. Die Hitze durchfuhr sie wie ein Blitzschlag. Endymion spürte ihr erbeben offensichtlich ebenfalls und bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Ich...“ Serenity befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge.

„Die Striemen auf Eurem Rücken konnten mir nicht entgehen. Lasst mich auch bei Euch meine Salbe auftragen“
 

Ihr tat das ganze schon Leid, doch nun konnte sie keinen Rückzieher mehr machen.

„Dazu besteht keinerlei Notwenigkeit.“ Er wandte sich ab, doch ehe er sein Hemd anzulegen vermochte, sah sie aus der Nähe die schlimmen Verletzungen.

„Kniet nieder, Endymion. Selbst in diesem Zwielicht kann ich alle Anzeichen einer Entzündung erkennen.“

Wiederstrebend kam er ihrer Aufforderung nach, und Serenity fing an, die Salbe über seine Wunden zu streichen.

An seinen Nacken begann sie, spreizte dann die Hände und verteilte langsam kreisend die weiche Masse über seinen Schultern. Wie breit die doch waren, und wie muskulös seine Arme! Seltsam, das ihr solche Gedanken bei Endymion kamen. Als sie zuvor Jedite einrieb, hatte sie an dergleichen überhaupt nicht gedacht. Sie merkte, dass ihr Mund trocken wurde, und zwang sich zu schlucken.
 

Sie bewegte die Hände tiefer hinab und verteilte die Heilsalbe auf den zahlreichen entzündeten Stellen.

„Hat man Euch die Verletzung im Gefängnis zu gefügt?“

„Ja.“ Er fand es lästig, antworten zu müssen.

Wie lange war es schon her, dass eine Frau ihn berührt hatte? Er hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlte.

Obgleich Sernity recht kleine Hände hatte, steckte doch erstaunliche Kraft in ihnen, und während sie drückte, knetete und sein geschundenes Fleisch berührte, entrang sich ein Seufzen seinem tiefsten Inneren.

„Wer einen anderen derartig foltert kann, ist kein Mensch“ erklärte sie zornig.

„Das ist ein Monster, welches keine Gnade verdient. Seid ihr deshalb aus dem Gefängnis entflohen?“

Endymion schwieg so lange, dass Serenity schon dachte, er hätte ihre Frage möglicherweise überhaupt nicht gehört, doch als er sprach, schwang in seiner Stimme kalte Wut mit.

„Nein. Ich konnte das Auspeitschen schon ausgehalten, doch ich wusste, das Jedite nicht noch mehr ertrug. Besonderst dann nicht, nachdem unser Wärter uns mitteilte, dass wir zu Tode geprügelt werden sollten.“

„Großer Gott! Worin bestand denn euer Verbrechen?“ Serenity merkte nicht, das sich ihre Hände nicht mehr bewegten.

„Darin, dass wir unnötiges Blutvergießen vermeiden wollten“

„Ich verstehe nicht, was Ihr damit meint.“

„Das werdet Ihr schon noch.“

Er drehte sich um und schaute ihr ins Gesicht – ein Fehler, wie er sofort bemerkte. Doch es war bereits zu spät. Jetzt, da er in diese Augen sah, schlug ihn eine Kraft in ihren Bann, die stärker war als sein Wille.

„Wenn Ihr mitbekommt, was in meinem Land geschieht, versteht Ihr auch, weshalb diese Rebellen uns lieber Tot sehen wollen.“

„Ihr habt sehr viel Zorn in Euch.“

„Jawohl.“ Doch schon trat etwas anders, viel Gefährlicheres an die Stelle seines Zorns. Heißes Verlangen hatte ihn erfasst, doch er war entschlossen, diesen Empfindungen nicht nachzugeben.

Sein Blick wurde von der Wunde an Serenitys Schulter gefangen genommen. Ihr Umhang war verrutscht, so dass eine Schulter entblößt war.

„Jetzt seid Ihr an der Reihe, Mylady. Gebt mir die Salbe und kniet Euch hin.“

Scheu hielt sie ihm das Stück Stoff mit Masse hin und kniete sich vor ihn. Er schob den Träger ihres Hemdes herunter, tauchte seine Hand in die Salbe und begann, sie auf Serenitys Schultern zu verteilen. Serenity zuckte zusammen, als hätte sie sich verbrannt, zwang sich dann jedoch, ganz still zu halten, obgleich der Mann, der vor ihr kniete, ihr die Nerven raubte.

„Lasst Euren Umhang ganz hinunter, damit ich auch Eure anderen Wunden behandeln kann“ befahl er.

„Nein, die heilen schon von allein. Ich benötige die Salbe nicht.“

„Ihr werdet tun, was ich Euch befehle, Mylady“ er lächelte.

„Oder ich streife ihn Euch ab.“

Rasch erhob sie sich, wandte sich um, kniete sich wieder hin und ließ ihren Umhang hinab.

Endymion wusste, in welch gefährliche Lage er sich befand. Er brauchte ja nur den Kopf etwas zu senken, und schon würde er ihre weiche Haut mit Küssen bedecken können. Seine Bauchmuskeln zogen sich zusammen, doch er versagte sich energisch derartige Gedanken. Als er mit der Behandlung fertig war, zog sie rasch den Umhang wieder hoch. Hastig stand sie auf und drehte sich um.

„Beugt euren Kopf etwas nach vorn, Sera.“

Sie gehorchte.

Endymion befühlte mit der sauberen Hand die Beule an ihren Kopf.

„Die Verletzung heilt allmählich. Die Schwellung ist schon zurückgegangen. Fühlt Ihr das ebenfalls?“

„Ja.“

Er nahm ihren frischen, sauberen Duft wahr und hatte Mühe, sie weiterhin nur leicht zu berühren.

„Habt Ihr noch woanders Verletzungen?“

„Nein.“ Sie sah wieder auf und schüttelte sich das Haar. Es kräuselte sich in dichten, feuchten Locken fast bis zu ihren Knien.

Endymion betrachtete sie und fand, sie sei die herrlichste Frau, die ihm je begegnet war. Einen Augenblick lang rang er mit dem Verlangen, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen. Ihre Lippen würden weich und verführerisch sein. Er ballte die Hände zu Fäusten an seiner Seite, um nicht womöglich doch noch nach ihr zu greifen.

„Ruht Euch jetzt aus, und rückt so dicht wie möglich an das Feuer heran. Der aufkommende Wind kündigt eine kalte Nacht an.“

„Ich werde Euren Rat beherzigen, Endymion.“

„Schlaft gut, Sera.“

Endymion rollte sich auf der anderen Seite des Feuers in einen Umhang und schloss fest die Augen. Eine Stunde später indes – Serenity schlief bereits friedlich neben dem Feuer – lag er noch immer wach und dachte daran, wie sie sich anfühlte, wie sie duftete...

Falls er ihre Lippen nicht bald kostete, würde er bei dem ständigen Gedanken an sie gewiss noch den Verstand verlieren.
 

byby Blacklady



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  sunshinekate1987
2007-12-20T20:44:35+00:00 20.12.2007 21:44
jetzt hätte ich doch fast dieses herrliche Kapitel verpasst...
ich nudel...
das war ein tolles kapitel, so schön...
und wie die beiden miteinander reden, so formell "mylady"
richtig toll.
Mach bald weiter...
Grüsse Kate
Von:  mieze-katze
2007-12-19T13:12:14+00:00 19.12.2007 14:12
Geil geil geil!!!!!!
Die FF ist soooooo klasse
Ich freue mich darauf das nächste Kap zu lesen
also beeil dich bitte

Lg
Von:  mel-ben
2007-12-17T18:08:18+00:00 17.12.2007 19:08
wahnsinn!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
echt klasse. deine story gefällt mir echt gut.
eine der besten, die ich je gelesen hab.
bin ja gespannt wann sie erfahren, wer der andere ist.

schreib bald weiter.

lg mel
Von:  Ice_Angel_Kara
2007-12-17T17:44:38+00:00 17.12.2007 18:44
wow!!!!!!!!
das war richtig gut!
Wie gehts weietr?
Bin total gespannt!

LG


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