Two Cats - Two Assassins von Stoechbiene ================================================================================ Kapitel 18: Schwarz und Weiß ---------------------------- 18. Robin Schwarz und Weiß Ich habe versucht mich auf das leckere Essen zu konzentrieren, aber der Schock sitzt wohl doch zu tief in meinen Knochen. Zwar bin ich letztendlich mit dem Schrecken davongekommen, aber allein die Tatsache, dass ein anderer Mensch die Macht und Skrupellosigkeit besitzt einen anderen Menschen, in diesem Falle mich, seiner Würde zu berauben, ja ihn zerstören zu wollen, verkrafte ich nur schwer. Es hat ein wenig Zeit gebraucht, bis die volle Realität in mein Bewusstsein gedrungen ist, dafür trifft sie mich nun um so hilfloser. Es ist aber nicht nur meine eigene Hilflosigkeit, eher die Erkenntnis, wie oft solche schrecklichen Gewalttaten tagtäglich hinter verschlossenen Türen geschehen und kein Retter mit Schwert auftaucht, um helfend einzugreifen und den Täter zur Strecke zu bringen. Ich war immer der Ansicht, dass in jedem Menschen auch ein guter Mensch steckt, doch je länger ich auf der Welt bin und je öfter ich mit Big Ed’s sogenannten Freunden zu tun habe, desto mehr bin ich der Ansicht, dass es wirklich böse Menschen gibt. Ich meine wirklich böse Menschen, nicht solche, die hier und da ein krummes Ding drehen oder denen mal die Hand ausrutscht. Nein, das wahrhaft Böse in Menschengestalt, für die ein anderes Menschenleben keinen Wert besitzt. Der Griff um meinen Arm wird fester, nicht schmerzhaft, aber bestimmend. Doch er vermittelt mir Sicherheit, weshalb ich mich von ihm führen lasse. Weg von den Papierdrachen und der gedämpften Musik, dem orientalischen Duft und der Wärme, hinaus in die normale, stinkende Welt. Ich höre noch, wie er sich mit der freundlichen Bedienung unterhält, dass meine Oma gestorben sei und es mir deshalb nicht gut gehe. Sie wünsche mir alles Gute. Tief atme ich ein und aus, versuche die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen; mit mäßigem Erfolg. Eine gute Schauspielerin ist eben nicht an mir verloren gegangen. „Du siehst aus wie ein Trauerkloß. Vielleicht sollten wir ein bisschen spazieren gehen“, raunt er mir zu, während wir die Straße entlang laufen. „Hast du deshalb gesagt, meine Oma sei gestorben?“ „Ich hätte ihr auch erzählen können, dass ein Trunkenbold versucht hat dich zu vergewaltigen und es dir auf den Magen geschlagen hat, dass ich ihn deshalb filetiert habe. Die Geschichte hätte ihr bestimmt gefallen. Vielleicht hätte sie uns dafür auch ein paar Glückskekse geschenkt, obwohl ich mir sicher bin, dass sie auch so welche für uns mit eingepackt hat.“ Zur Unterstreichung seiner Worte hebt er eine weiße Plastiktüte hoch, in der sich offensichtlich der Rest, oder sagen wir eher das gesamte Menü, sorgfältig verpackt befindet. „Klingt sarkastisch“, gebe ich zurück und merke, dass die Angst kleiner in mir wird, ich mich wieder entspanne. „Nicht zynisch?“ „Die Grenzen sind fließend.“ Kurz sehe ich ihn an, mustere seine markanten Gesichtszüge, bis ich mich traue ihn an meinen Gedanken teilhaben zu lassen. Als wäre es nicht eh schon obskur genug, dass ich mich in der Gegenwart eines bekennenden Mörders sicher fühle. „Gehörst du eigentlich zu den Guten oder zu den Bösen?“ Einen Moment lang schweigt er, starrt auf einen Punkt im Nirgendwo, lässt sich mit der Antwort ein wenig Zeit. Doch das ist in Ordnung, denn so kann ich hoffen, dass er ehrlich auf meine Frage eingeht, keine Phrase aus dem Ärmel schüttelt. „Ich habe getötet, mehr als einmal. Wie kann ich also zu den Guten gehören?“, antwortet er schließlich ruhig und gelassen, beinahe so, als hätte ich ihn nach seiner Lieblingsfarbe gefragt. Ob diese wohl grün ist? Er lotst mich weiter bis zu einer Parkbank, auf der wir uns schweigend niederlassen. Ich bin froh um diese Pause und auch, dass er mich nicht direkt nach Hause gebracht hat. Was sollte ich auch dort mit mir anfangen? Blutreste entfernen? Ein Gedanke, den ich schnell wieder verdränge. Um mich selbst auf bessere Gedanken zu bringen, blicke ich mich um, mustere die Gegend etwas genauer. Im Umkreis meines Wohnhauses gibt es eigentlich nur einen Park und um den macht man am besten einen großen Bogen. Einen wirklich großen Bogen. Doch nun in der Dunkelheit der Nacht, wirkt er auf mich plötzlich ganz anders, beinahe wie eine grüne Oase mitten in einer düsteren Betonlandschaft. Eigenartig. Dabei hört man nur schlechtes. „Was ist das wohl, dahinten?“, frage ich schließlich und strecke mich ein wenig, in der Hoffnung, etwas genaueres erkennen zu können. Mein Begleiter folgt meinem Blick, bis er verstehend nickt. „Komm mit“, und ehe ich mich versehe, ist er aufgestanden. Er führt mich zu dem seltsamen Gebilde, das wie ein schwarzer Berg zu den Bäumen hinauf ragt und aus dessen Mitte schummriges Licht fällt. Doch je näher man kommt, desto deutlicher kann man schwarze Planen oder Decken erkennen, die zwischen die großen Äste gespannt wurden. Es erinnert an ein Zelt, das Kinder gebaut haben, nur größer. „Ich stelle dich vor, dann brauchst du keine Angst mehr zu haben.“ Wieder stutze ich, denn es ist ein wenig so, als hätte er meine Gedanken erraten. „Man nennt ihn doch den Penner-Park, oder?“ „Ja…“, stammle ich. Worauf will er hinaus? Doch erhalte ich keine Antwort, denn wir werden von zwei Männern abgepasst, die ich treffend als Obdachlose, eben Penner, bezeichnen würde. Ihre Kleidung ist verlumpt und jeder hält eine Dose Bier in der Hand. Dennoch tragen sie eine kleine Laterne mit sich herum, die ein wenig Licht spendet und ihre Gesichter golden leuchten lässt. „Junge, bist du das?“, kommt es heißer von einem der beiden. Unweigerlich halte ich mich ein Stück hinter meinem Begleiter, denn die Angst steigt wieder in mir auf. Sie erinnern mich an Mr. Willings. Ich will das nicht! „Seit wann sieht man dich mit einer Frau?“ „Vielleicht steht sie auf seine mürrische Art.“ „Also ich kenne keine Frau, die drauf steht.“ Hin- und hergerissen zwischen meiner Angst und der Unbefangenheit dieser beiden Gestalten, lasse ich mich doch zu einem leisen Lachen hinreißen. „Sie scheint Humor zu haben.“ „Und sie ist hübsch.“ „Seid ihr zwei jetzt fertig?! Eigentlich wollte ich nur kurz nach euch sehen, aber es scheint euch ja gut zu gehen.“ „Uns geht es prima, seit die Dealer weg sind. Junkies gibt es deshalb auch keine mehr. Wie ihr gesagt habt.“ Die beiden Männer lächeln, der eine ein bisschen zahnlos, der andere dafür struppig und unrasiert. Letzterer scheint älter zu sein, seine Haut ist faltig und sein Haar ergraut. „Wir haben auch den Spielplatz gesäubert. Keine Spritzen mehr und keine Hundehaufen. Ihr hattet recht, dadurch wird das Leben besser. Unsere Kinder können dort spielen und langsam kommen auch wieder Kinder aus den umliegenden Häusern. Wenige, aber sie kommen.“ „Aber sie kommen!“, betont der Jüngere noch einmal. „Wir achten auch darauf, dass es keinen Ärger mehr gibt. Inzwischen passen die Frauen auch auf einen kleinen Jungen auf. Immer donnerstags. Seine Mutter arbeitet für eine Bäckerei, putzt den Laden und so. Donnerstags muss sie länger bleiben und dann ist er hier.“ „Manchmal bringt sie uns Zigaretten als kleines Dankeschön mit. Sie hat ja selbst kaum was. Letzte Woche hat sie uns zwei Marken für den Waschsalon gegeben. Das war Luxus!“ „Und die Dusche funktioniert?“ „Ja, super!“ Und an mich gewandt meint er: „Sein Kumpel hat uns eine Regendusche gebaut. Nur aus einem Fass und einem Schlauch. Wenn die Sonne scheint, wird das Wasser im Fass sogar warm! Irre!“ Der junge Mann lacht sichtlich erfreut und dabei hat er noch weniger zum leben als Nami und ich. „Wir sind unabhängiger und man lässt uns in Ruhe. Dafür danken wir euch.“ „Der große Dicke hat sogar einen kleinen Job. Zweimal im Monat mäht er den Rasen beim alten Schuster. Reden tut er zwar immer noch nicht, aber er lächelt wenigstens ab und zu.“ „Dann ist ja erst einmal alles in Ordnung. Vermasselt es nicht.“ „Bestimmt nicht!“, dröhnt es uns unisono entgegen. Mein Begleiter nickt und wendet sich zum Gehen, so dass ich mich beeile ihm zu folgen. „Vermassel es selbst nicht!“, brüllt uns noch einer der beiden hinterher und anhand der Stimme wage ich zu behaupten, es war der Ältere. Doch es erfolgt keine Antwort meines Bodyguards, lediglich ein leises Knurren ist zu hören, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich von ihm stammt; es hat etwas animalisches. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)