Ein gemeinsames Ziel
„Äh ach was, das mache ich schon, machen Sie sich nicht die Hände schmutzig werter Trainer“, sprach die junge Spanierin aufgeregt und sprang dabei von dem beigefarbenen Ledersofa auf. Sie fegte mit einer Hand behutsam den Sand in die andere Hand, als hätten die Körner Gefühle und würden leben.
Auffälliger ging es eigentlich gar nicht, dass etwas nicht stimmte und dies hatte Jenny schneller erkannt als Aven, weswegen die Blondine beide Hände vor ihr Gesicht schlug um sich jeden Kommentar zu verkneifen.
Entweder hatte Liaen das merkwürdige Verhalten der Spanierin nicht bemerkt, oder er verhielt sich so diskret um nicht näher darauf einzugehen. Der Trainer benahm sich wie immer und lächelte das Mädchen gutmütig an.
„Amy? Du brauchst mich nicht zu siezen, bleiben wir beim du, das wäre mir persönlich auch lieber. Auch wenn ich mich für die Höflichkeit geschmeichelt fühle“, sagte er und legte eine große Tasche mit einem hörbaren Seufzer auf den gläsernen Tisch ab. Erleichtert, das Gewicht endlich los zu sein, schüttelte der junge Mann seine rechte Hand aus und sah sein Team an.
„Ich hatte euch ja eine Überraschung versprochen und hier habt ihr sie. Zum Glück musstet ihr auf euerer Anmeldung ja einige Angaben bezüglich eurer Statur abgeben, ansonsten hätte ich dies hier überhaupt nicht planen können. Aber das Material geht ja auch schön mit“.
Neugierig wie Jennifer war, rutschte sie sogleich bis auf die Kannte des Sofas vor und versuchte in die Tüte zu linsen, allerdings hielt Liaen diese schnell zu um einen Blick auf den Inhalt zu verwehren.
„Nicht so neugierig, du wirst es ja gleich sehen“, sprach er freundlich und wartete, bis die junge Spanierin wieder da war und sich gesetzt hatte. Er wollte gerade den Inhalt herausholen, als er bemerkte, dass sein Team nicht mehr aus vier Kämpfern, sondern nur noch aus drei zu bestehen schien. Doch der Mann behielt die Fragen, bezüglich Kais verbleiben und schüttelte den Kopf. Der Engel konnte sich auch so denken warum sein Team nicht komplett war. Dabei hatte er es so gehofft, dass sich der Junge einlebt.
Aber was erwartete Lian in der kurzen Zeit auch schon?
In seiner sozialen Arbeit als freiwilliger Betreuer für Jugendgruppen, die kein zu Hause mehr haben, gab es mehrere solcher Fälle wie Kai. Die Jugendlichen waren meist allesamt sehr misstrauisch und wollten nicht auf das Bemühen und Zureden der Helfer eingehen. Sie wollten weiterhin den einsamen Wolf spielen und Einzelkämpfer bleiben.
Ein Fall nahm Liaen besonders mit, es war sein ältester Schützling Timo, der zwar nicht aus ärmlichen, aber aus stark zerrütteten Verhältnissen kommt.
„Wie lange willst du eigentlich noch warten? Nun zeig schon was du da für uns gekauft hast“, dränge Jennifer den Mann und riss ihn mit ihrer hohen stimme aus seinen Gedanken.
Entschuldige, ich war gerade mit meiner Aufmerksamkeit woanders“.
Raschelnd öffnete er die weiß-blaue Plastiktüte, auf der mit großen und dicken Lettern der Name eines Modehändlers stand.
Insgesamt packte der Trainer Acht große Schachteln aus der Tüte.
Auch auf den Kartons stand in großen Buchstaben deutlich der Name des Herstellers, aber anders als auf der Tüte, waren die Letter auf der Schachtel in goldener Schrift. Die Pakete dagegen waren in einem königlichen Blau mit durchsichtigem Geschenkband verpackt. Vier von ihnen waren länglich, die anderen vier waren Quadratisch und so groß wie der Kopf eines Menschen.
„Macht die Geschenke nur auf, gesponsert von der WWM, ihr werdet sie schließlich gebrauchen“, sagte Liaen mit wachsender Neugier über die Reaktion seiner Schützlinge.
Da auf jedem Karton der Name stand, machte er sich keine Sorgen, dass die Jugendlichen im Eifer der Freude über Geschenke, das Falsche erwischen würden.
Jenni war natürlich die erste, die ihr großes Geschenk nahm und es in den Händen wog.
Das Paket war schwerer als es aussah und was sie in dieser länglichen Form vermuten sollte, wusste sie nicht. Behutsam legte sie es auf ihren Schoß nieder und begann an der Geschenkschleife zu zupfen, die sich daraufhin löste. Die Blondine nahm den Deckel ab und sah mit ihren großen, grünen Augen auf den Inhalt.
„Wow“, staunte sie und nahm vorsichtig das Geschenk aus der Verpackung und sah es sich genauer an. „Das ist einfach der Wahnsinn“. Völlig gefesselt von dem Anblick, der ihr sichtlich gefiel, bemerkte sie nicht, dass auch die anderen beiden ihre Pakete geöffnet hatten und etwas Ähnliches in den Händen hielten.
Es unterschied sich nicht in der Farbe und der Grundform, aber es waren kleine Details, die bei jedem anders waren. Man hatte es mit Absicht nicht komplett einheitlich anfertigen lassen, damit es auf jedes Mitglied des Teams persönlich abgestimmt war. Dies würde so einiges
erleichtern.
Ein wenig traurig, senkte der Trainer seinen Blick und sah auf das vierte und ungeöffnete Geschenk, welches für Kai bestimmt war. Ein leiser Seufzer drang aus seiner Kehle, als der junge Mann daran dachte, dass Kai das Geschenk ablehnen könnte. Der Stolz des Jungen war so unglaublich groß und in mancher Angelegenheit falsch angebracht. Trotzdem, dieses Gefühl war da und hinderte den Schwarzhaarigen an vielerlei Dingen.
Liaen blickte von dem Geschenk auf und sah in die freudestrahlenden Gesichter seines Teams. Kai würde er so nie erleben, dass war ihm sofort klar. Der Junge würde wohl mit keinen Muskel zucken wenn er das Paket öffnen würde und sich den Inhalt besah. Wäre Kai in der Lage, so glaubte der Trainer, würde er ihm das Geld für das Geschenk bestimmt zurückzahlen, nur um nicht in seiner Schuld zu stehen.
Es hatte nicht lange gedauert, bis sich Kai wieder ins Hotel begeben hatte und sich seinem Team anschloss. Auch wenn er dies nur widerwillig tat, aber sein Verlangen, endlich eine Antwort auf all diese Fragen zu erhalten, wuchs in ihm von Tag zu Tag. Das heutige Ereignis mit den Tauben war ein weiteres, welches sich auf seiner imaginären Liste der Merkwürdigkeiten verewigt hatte.
Wie erwartet, war die Freude des Jungen, über das Geschenk, nicht sonderlich groß.
Im Gegenteil.
Seine Freude hielt sich so sehr zurück, dass der Schwarzhaarige bisher das Paket nicht Mal angerührt hatte. Schon seit einigen Minuten lag es unberührt neben ihn auf den Sitz im Bus.
Das Metropolitan Hotel lag inmitten einer der teuersten Gegenden, in der die Reichen ihre Einkäufe zu tätigen pflichteten. Aus dem Grund war es nicht verwunderlich, dass alle Teams mit dem Bus zum Stadium fahren mussten. Allen anderen aus seinen Team brannte es schon in den Fingerspitzen ihre Geschenke zu benutzten und die Arena zu sehen.
Nur Kai saß völlig ruhig auf den gut gepolsterten Sitz, der aus dunkelblauem Stoff gewebt war. Die Fenster waren blitzblank und der Bus Bot ihm eine recht großzügige Beinfreiheit. Wenn er das mit den U-Bahnen in der Bronx verglich, die völlig verschmiert mit Graffiti, voll mit Müll waren, in denen es meistens noch nach Erbrochenen stank, war dies hier das genaue Gegenteil.
Der Schwarzhaarige richtete seine rubinroten Augen aus dem Fenster und sah sich die vorbeirasende Landschaft an. Überall auf den Bürgersteigen tummelten sich Menschen, die Hochhäuser schienen aneinander mit ihrer Größe und Breite übertrumpfen zu wollen und die Autos auf den Straßen strebten anscheinend nur eine Richtung an. So wie es aussah, wollte wohl jeder zu dem Stadium gelangen um sich die Teams und die ersten Kämpfe anzusehen.
„Wir sind gleich da, es dürfte nur noch vier Minuten dauern“, gab der Busfahrer durch den Lautsprecher bekannt.
Sofort sahen auch die anderen Jugendlichen aus dem Fenster, in der Hoffnung, das Stadium zu sehen.
Wie naiv sie doch waren, ging es Kai durch den Kopf. Sie waren immer noch in der Stadt und nicht auf dem Lande. Auch wenn das Gebäude, in denen die Kämpfe stattfanden, riesig war, die Hochhäuser und anderen großen Bauten der Stadt, versperrten einem jegliche Sicht auf etwas anderem.
Erst als der Bus die Hauptstraße verließ und in eine Nebenstraße fuhr, war das riesige Gebäude zu sehen.
Allein der Parklatz ließ Aven die Kinnlade fast zu Boden fallen. Viele Plätze waren bereits besetzt, der gesunde Bürger von New York würde gut daran tun, nicht mit dem Auto zu kommen. Der Blondschopf war noch nie gut im Schätzen gewesen, doch vermutete er stark, dass der Parkplatz des WWM Stadiums der größte in ganz New York sein durfte. Zur Nord- und Ostseite erstreckte sich der große Atlantische Ozean. Eigens für die WWM’s hatte man sogar einen Hafen anbauen lassen, der für die Besucher des Stadiums waren, die mit dem Schiff anreisten.
Aven drehte seinen Kopf und sah aus staunenden Augen auf zur großen Arena hinauf.
Das Gebäude war riesig und besaß eine ovale Form, es war größer als die Footballstadien, die er aus dem Fernsehen kannte.
Weiße Platten hatten die Außenmauer des Gebäudes geschmückt und strahlten in der Sonne um die Wette. Es war vollkommen geschlossen, wie eine Kuppel. Nur das obere Außenstück war vollkommen flach, als hätte ein Riese mit seinen Daumen die Rundung platt gedrückt. Masten, die fast bis zur Kuppel des Stadiums ragten, standen rund um dessen herum und präsentierten die Flaggen vieler Nationen aus allen Teilen der Erde.
Runde Torbögen bildeten Rippenähnlich, als Halbkreis, das Gerüst des Eingangsbereiches, die vollkommen aus Glas bestanden. Auf dem Platz vor dem Eingang war der Boden mit weißen Steinen gepflastert, die penibel sauber gehalten wurden, damit kein Unkraut das reine weiß beschmutzen könnte. Brunnen standen in der Mitte des Platzes, aus denen das klare Wasser heraus sprudelte. Ein berühmter, italienischer Bildhauer hatte aus freien Stücken und nur mit dem gestellten Material, aus verschiedenen Gestein Statuen geschaffen. Diese standen verteilt auf dem Platz und maßen von der Höhe zwölf Meter. Wie riesige Denkmäler ehrten sie große und tapfere Kämpfer der WWM, die ihre ländertypische Kleidung trugen und in spektakulären Posen zum Angriff über- oder in Abwehr gingen. Aber nicht nur die Menschen, sondern auch die Wegbegleiter waren in Stein verewigt worden, in denen sie halsbrecherische Posten darstellten.
Eine Statue hatte es Aven besonders angetan und fesselte seinen Blick.
Es zeigte eine riesige Schlange, die an den Seiten jeweils zwei lange, flossenartige Beine besaß und sich gegen einen unsichtbaren Gegner aufbäumte. Das riesige Maul war zum stummen Gebrüll weit aufgerissen, messerscharfe Zahnreihen, ähnlich einem Hai, strahlten in der hellen Sonne. Der Künstler hatte großartige Leistung vollbracht, die Menschen und Wegbegleiter wirkten so, als würden sie jeden Moment aus ihrem steinernen Gefängnis erwachen und gegeneinander großartige Kämpfe führen.
„Beeindruckend, nicht wahr?“, sprach Liaen seinen Schützling an, der vor staunen gar nicht mitbekommen hatte, dass der Bus bereits angehalten war. Selbstverständlich benutzten sie nicht die herkömmlichen Parklätze wie die Besucher. Aus Sicherheitsgründen hatte man innerhalb des Stadiums eine Tiefgarage eingebaut, in der die Fahrzeuge der teilnehmenden Teams, parken konnten.
„Oh äh ich…“, stammelte der Junge, während sich eine peinliche Röte auf seine blassen Wangen legte. „Ja… ja, wirklich beeindruckend“.
Freundlich lachend richtete sich der Trainer wieder zu seiner vollen Größe auf und winkte den Jungen mit sich.
„Na komm, dann wollen wir Mal nicht länger warten, ihr müsst euch ja noch umziehen und dann wird man euch noch einiges erklären, bevor es losgeht“.
Eilig sprang der Junge von seinen Sitz und nahm die beiden Pakete mit, die er zuvor von Liaen bekommen hatte.
Beinahe in einen hüpfenden Gang lief Cheyenne neben ihrer Teamkollegin auf die Damenumkleiden für das amerikanische Team zu.
„Sag Mal Jenni, die Anzüge sehen reichlich eng aus“, begann die Spanierin und sah das blonde Mädchen dabei an, als sie grinste.
„Mach dir da Mal keine Sorgen Chey, die müssen so eng sein, die sind aber unglaublich dehnbar, du passt da schon rein“.
„Ja sicher, ich hab mir eigentlich auch eher Sorgen um dich gemacht, schließlich bist du breiter als ich“.
Dieses ehrliche Geständnis der jungen Spanierin war für Jennifer wie ein Schlag ins Gesicht. Sie, der Star an der Highschool, als breit zu bezeichnen, war fast schon Hochverrat. Wütend funkelte sie die Spanierin an und verkniff sich jeglichen Kommentar. Bei ihrer Naivität würde sie sowieso keinen ihrer Sprüche verstehen, genauso wie Aven. An ihn hatte sie es schon so einige Male probiert, aber der Amerikaner hatte kein einziges Wort verstanden.
Beide Mädchen betraten den Raum und gelangten in einen, wohnlich eingerichtetes, Zimmer. Das Zentrum des ganzen bildete eine Sitzecke aus zwei Sofas und einem Sesseln, inmitten dessen stand ein gläserner Tisch, wie sie ihn im Metropoliten Hotel gesehen hatten.
„Nicht schlecht, sogar noch etwas besser eingerichtet wie mein Privatzimmer, wenn ich ein Konzert gebe“, sprach Cheyenne munter drauf los und ging zu den Kommoden, auf denen man großzügig Essen und Getränke serviert hatte.
Jennifer verdrehte die Augen und versuchte ihre Wut, gegenüber dem Mädchen, Herr zu werden und ruhig zu bleiben. Sie durfte sich jetzt nicht die Blöße geben nur wegen diesen Kommentaren, eifersüchtig zu werden.
Statt sich noch weiter zu ärgern, legte sie ihre beiden Pakete auf den gläsernen Tisch ab und öffnete diese wieder. Behutsam, als wäre das Geschenk zerbrechlich, holte sie dieses aus der Schachtel und sah es sich im hellen Schein der Lampe genauer an.
Der glänzende Stoff reflektierte das elektrische Licht und fühlte sich leicht in ihren Händen an. Im Grunde war das Kleidungsstück schwerer als Normale, aber wenn man bedachte, was für eine großartige Technik dort inne wohnte, war es doch relativ leicht. Jennifer legte den Anzug zurück in die Schachtel und zog ihre übliche Straßenkleidung, die natürlich von Gucci sein musste, aus.
Kaum hatte sie sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und nahm den Einteiler zur Hand, fielen ihr wieder die Worte der Spanierin ein. Sie erwischte sich dabei, wie sie anfing an ihrer Figur zu zweifeln. In Gedanken schallte sich die Blondine dafür eine und warf jegliche Zweifel über Bord. Sie war beliebt und begehrt, leitete die Cheerleader auf der Highschool und war von vielen anderen Mädchen beneidet. Wie konnte sie da also nicht perfekt sein?
Der Einteiler ließ sich mit Hilfe eines Reißverschlusses am Rücken öffnen und sah im Grunde aus wie ein dünner Taucheranzug. Der Stoff war angenehm weich auf der Haut und würde sie bei kalten Temperaturen schön warm halten und umgekehrt auch. Von der Technik, den Kabeln und den Sensoren, war nichts zu merken, das ganze fühlte sich an wie eine zweite Haut und saß auch angenehm aber eng und äußerst Figurbetonend am Körper.
Jennifer streckte ihre Hand nach dem großen Karton aus und zog das raschelnde Papier heraus um die nächsten Kleidungsstücke heraus zu holen. Bis auf den Anzug, den jeder der Teilnehmer tragen musste, glichen sich die Anzüge nicht. Jeder hatte sein spezielles Outfit bekommen umso besser auf seinen Wegbegleiter angepasst zu sein. Die Erfinder hatten versucht in den Kleidungsstücken, die über den Einteiler getragen wurden, die verschiedenen Arten von Wegbegleiterin heraus zu holen und zu betonen. Allein deswegen war jeder Kampfanzug ein Unikat.
Der kurze, blaue Rock, reichte dem Mädchen bis zur Mitte der Oberschenkel und bildete einen guten Kontrast zu dem weißen Einteiler.
Das nächste Kleidungsstück entlockte dem Mädchen ein Schmunzeln.
Sobald sie auch das rote Oberteil angezogen hatte, welches eng an ihrem Körper saß und Schulterfrei war, besah sie ihr Spiegelbild. Dies hier war ihrer Cheerleaderkleidung gar nicht unähnlich.
Als letztes schlüpfte sie noch in den Turnschuhen, die alle drei Farben beinhalteten und die Farbe der Flagge wieder gaben und zog sich ihre langen Handschuhe über, die ebenso wie die Turnschuhe gefärbt waren und bis zur Mitte des Oberarmes reichten.
Den blauen Helm, auf dessen noch zwei provisorische Fühler angebracht waren, nahm sie aus dem Geschenkkarton und hielt ihn vorerst in der Hand.
Jenni war sichtlich zufrieden mit ihrem Aussehen. Der große augestellte Spiegel, der eine ideale Ganzkörperansicht ermöglichte, schmeichelte ihr heute ungemein. Ein bisschen Einbildung schadete nie, vor allem wenn es sich, wie sie glaubte, um eine gesunde Einbildung handelte, die nicht das normale Maß übertraf. Allerdings redete die Amerikanerin es sich selbst ein, im Grunde war sie sehr selbstverliebt.
Das nervige Kläffen des Hundeähnlichen Wegbegleiters holte das Mädchen wieder in die Realität zurück. Jenni drehte sich um und sah, dass auch die Spanierin sich bereits umgezogen hatte. Mit verstohlenen Blick, wie sie sonst nur die Konkurrenz an ihrer Schule besah, musterte sie die Schwarzhaarige.
Cheyenne trug ebenfalls die gleichen Schuhe und den weißen Einteiler. Ihre Beine endeten in einer äußerst knappen Shorts und ihr Oberkörper bedeckte ein Nekholdertop mit hohen Kragen. Die kurzen Handschuhe waren mit den Farben so gestaltet, als hätte man Pfoten drauf gemalt. Wie bei Jennifer hatte man auch auf ihren Helm provisorisch etwas von ihrem Wegbegleiter angepasst. Doch anstatt Fühler, hatte sie, wie bei einem Widder, nach hinten gebogenen Hörner.
„Bestimmt schwer der Helm“, bemerkte Jennifer um ihre Mitstreiterin ein wenig zu sticheln.
„Nein, gar nicht, er ist wirklich ganz leicht“, erklärte die Spanierin mit freudestrahlendem Gesicht und drehte sich ein Mal um ihre eigene Achse.
Sie hielt es nicht für nötig sich im Spiegel anzusehen, Cheyenne fand auch so, dass die Sachen gut aussahen und das war das einzige was für sie zählte. Wie die Kleidung ihr stand, war der Spanierin im Grunde egal, schließlich musste sie damit siegen können und nicht nur gut aussehen.
„Was meinst du, haben die Jungen auch so einen engen Einteiler bekommen?“, wollte die Schwarzhaarige wissen und blickte Jenni fragend an.
Die Frage war eigentlich gut, fand Jennifer, doch kam sie nicht weit mit ihren Überlegungen. Allein die Vorstellung, wie Kai wohl in so einen betonenden Einteiler aussehen würde, wenn jeder einzelne Muskel so gut zur Geltung kam, ließen sie gedanklich in eine Welt der Schwärmerei abdriften, aus der sie nicht erwachen wollte.
Abermals störte man ihre Gedankengänge, aber dieses Mal war es kein Bellen, sondern ein Klopfen, welches die Stille durchbrach.
„Mädels? Seit ihr soweit?“, hörten sie die freundliche Stimme ihres Trainers von außerhalb rufen.
Es war die Spanierin die antwortete und sofort zur Tür lief um diese zu öffnen. Schließlich waren beide schon seit wenigen Minuten fertig.
„Wie ich sehe passt alles? Irgendwelche Beschwerden oder Anmerkungen?“, erkundigte sich Liaen, der im Türrahmen zu ihrem Zimmer stand und die Mädchen ansah.
Auch ihr Trainer hatte sich umgezogen, trug allerdings keinen der Kampfanzüge, sondern einen ganz einfachen und schlichten Trainingsanzug, auf dessen Rückseite der Name und das Logo des Teams eingeprägt waren. Um das ganze einheitlich zu gestalten, hatte man auch die Trainingsanzüge in denselben Farben gehalten, wie die Kampfkleidung des Teams.
„Weder Beschwerden noch Anmerkungen“, antwortete Jennifer und trat nur widerwillig neben der Spanierin.
Ein lautes Kreischen störte die friedliche Atmosphäre weit hinten im länglichen Gang der Arena, in dem die Teams ihre privaten Aufenthaltsräume beziehen konnten. Eine große Vase viel klirrend zu Boden und zersprang in winzige Einzelteile. Zwei undefinierbare Wollknäule sausten an den Menschen im Flur entlang und gaben fauchende und kreischende Geräusche von sich. Das kleinere Wollknäuel holte das Größere auf und sprang mit einem Satz auf ihn. Beide verloren an Geschwindigkeit und kamen zum stehen. Fell flog in Büscheln durch die Luft, während beide Geschöpfe sich windend zu einen einzigen Tier zusammen schlossen.
„Jetzt sag deinem Wegbegleiter endlich, dass er sie in Ruhe lassen soll“, rief Miako mit strengem Ton zu dem Besitzer des kleinen Wollknäuels.
Aven sah hilflos von der Trainerin zu seinem Marder, der sich noch immer einen riesigen Spaß daraus machte die Katze von Miako zu Ärgern und zu zwicken. Aber die Wegbegleiterin fand es alles andere als lustig und schlug deswegen mit ihre Pfote und den ausgefahrenen Krallen nach dem kleinen Marder. So schnell die Jägerin auch war, das kleine Tier entwischte ihr immer wieder und wendete sich durch jeden Angriff und jeder Deckung der Katze durch.
„Irgendwie habe ich das dumme Gefühl, dass das nicht die einzige Misere bleibt“, murmelte der Trainer des Blondschopfs und schüttelte dabei sein Haupt mit den kurzen braunen Haaren.
Trotz des Zwischenfalls und Liaens Befürchtung, verlief der restliche Tag friedlich, jeder hatte es noch irgendwie rechtzeitig geschafft zu der offiziellen Einweisung der Teilnehmer von dem Leiter der WWM, dabei zu sein und alles mit zu bekommen.
Die Trainer hatten sich während dieser Unterredung im Hintergrund gehalten, sie kannten diese Rede und die Erklärungen schon. Obwohl es für Liaen die erste WWM war, an die er als Trainer teilnahm, waren auch ihm diese Worte schon wohlbekannt. Wochen vor dem eigentlichen Beginn der WWM hatten die neuen und auch alten Trainer sich einen kleinen Kurs besuchen müssen, in dem man ihm die Qualifikation, Pflichten, Rechte und Aufgaben eines WWM Trainers erklärte. Es war wichtig dass sie alles kannten um keine Fragen mehr hatten, denn während des Turniers kam es nicht selten vor, dass sie sich wichtigeren Aufgaben widmen mussten, als zu lernen, wie man ein guter Trainer wird.
Es kam schließlich die Stunde, in der alle Teams der WWM in die Arena traten, damit das Turnier freigegeben werden konnte. Im Grunde verband man diesen Tag immer mit einer riesigen Feier, bei der Prominente aus aller Welt anreisten und berühmte Sänger Lieder zu der WWM vortrugen. Nur aufgrund des Erdbebens hatte man darauf verzichtet, gleichzeitig aber versprochen, am letzten Tag, das Finale größer zu feiern als man es bisher getan hatte. Dies sollte den Verlust der Eröffnungsfeier wieder ausgleichen.
Aber für die meisten Teams war klar, die Finalfeier konnte noch so groß sein, so richtige Freude würde nicht bei jedem Team aufkommen.
Die Kuppel der riesigen Arena war geschlossen und das Licht fast vollkommen erloschen. Das Raunen und Murmeln der Zuschauer ging durch die Menge und erfüllte den Innenraum mit unendlich vielen Stimmen. Keinem der Zuschauer fielen die vielen Sicherheitsbeamten auf, die sich in guter Zahl an fast allen Punkten der Arena positioniert haben um im Notfall sofort eingreifen zu können. Sie kamen in Zivil, um die Laune der fröhlichen Menschen nicht zu drücken.
Versteckt, vor den Blick der Zuschauer, hatten sich in der kreisrunden Mitte der Arena die verschiedenen Teams in ihren Anzügen versammelt. Rund herum um den Kampfplatz erhoben sich die Sitzreihen für die Zuschauer, die immer höher aufzusteigen schienen, damit auch der letzte Besucher einen Blick auf den Innenraum werfen konnte. Allein der Bereich für die Kämpfer war so groß wie ein Fußballfeld. Ein ca. acht Meter breiter Ring bildete einen Zwischenraum zu dem Kampfbereich und den Zuschauerplätzen, der zudem auch als Sicherheitsabstand diente. Zu beiden Seiten war, ähnlich einer Bushaltestelle, eine kleine, gläserne Hütte aufgestellt worden, in dessen Mitte eine Bank stand. Auf der konnte das restliche Team Platz nehmen, wenn ein Teilnehmer an der Reihe war. Die kleine Hütte war jedoch nach vorne hin offen.
Aven hob seinen Kopf und sah sich mit weit aufgerissen Augen in der Arena um.
Zu allen vier Seiten hingen von der Decke, dicht an der Wand, vier riesige Flachbildschirme. Während des Kampfes würden dort live die Kämpfe gezeigt werden, damit auch die Zuschauer auf den hintersten Plätzen noch alles sehen konnten.
Geräuschlos wurde ein Lichtschalter umgelegt und die gläserne Kabine der Kommentatoren und des WWM Leiters erstrahlten im Dunkeln der Arena. Als hätte es ein unsichtbares Kommando gegeben, erstarben alle Gespräche der Zuschauer, jeder von ihnen sah gebannt zu dem Veranstalter und hing an dessen Lippen. Sie alle warteten nur darauf dass es beginnen konnte und sie die Teams sahen. Jeder von ihnen hatte spätestens in den letzten Stunden die Gesichter der diesjährigen Teilnehmer gesehen und doch wollten sie ihren Favoriten auch leibhaftig in dieser Arena vor Augen sehen.
Die Scheinwerfer waren bereits richtig positioniert, als der erste erstrahlte und eines der zwölf Teams erleuchtete. Es gab euphorisches Klatschen und Rufen, kein einziger Mensch buhte die Teilnehmer aus und so wurden nacheinander die verschiedenen Teams offiziell von dem Leiter über ein Mikrofon bekannt gegeben und von einem Scheinwerfer erleuchtet.
Der Blondschopf, aus dem Amerikanischen Team, konnte das alles gar nicht fassen, die vielen neuen Eindrücke, der Jubel und die Stimmen schienen sich zu einem großen Ereignis zu vermischen. In dieser Atmosphäre wirkte einfach jeder Teilnehmer wie ein Sieger und erstrahlte in einem ihm magisch wirkenden Licht. Nationen und Religionen wurden vergessen, jeder, der in der Arena war, gehörte nur noch einem Volke an, jeder Nachbar, Konkurrent oder auch Mitstreiter war ein Freund, es gab keine negativen Gefühle und Gedanken mehr, es gab nur noch die unbändige und Grenzenlose Freude.
Aven fand es erstaunlich und erschreckend sogleich.
So etwas hatte er noch nie miterlebt und dies war erst der Anfang!